Roldur - Kommentare
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Alle Kommentare von Roldur
Es sind also nun über zehn Jahre vergangen seit Mel Gibson mit „Apocalypto“ den Regiestuhl verließ. Mel Gibson ist zurück. Stimmen werden lauter, dass „Hacksaw Ridge“ Gibsons neuer Höhepunkt sei. Die Frage ist: Möchte man Gibsons Höhepunkte kennen?
Desmond T. Doss (Andrew Garfield) ist Pazifist, Adventist und frisch verliebt. Als die amerikanischen Streitkräfte endlich einen Vorstoß gen Okinawa wagen wollen, kann Doss es nicht länger ertragen. Liebe hin- oder her, er muss seinem Land dienen. Um aber nicht gegen das fünfte Gebot zu verstoßen, möchte er keine Waffe anrühren und Sanitäter werden. Ein Unterfangen welches, logischerweise, einige Schwierigkeiten mit sich bringt.
Ich kann und möchte nicht weiter um den heißen Brei herumreden. Als Schauspieler kann mit Mel Gibsons fundamentalistische Weltsicht gestohlen bleiben. Wenn er als fiktiver Actionheld in fiktiven Szenarien seine Gegner zu Brei schießt, dann soll er doch. Als Regisseur jedoch, ist das eine ganz andere Angelegenheit.
„Hacksaw Ridge“ ist in seinen schlimmsten Szenen mit D.W. Griffith „Geburt einer Nation“ zu vergleichen, in seinen Besten mit „American Sniper“. Während Desmond Doss zu Anfang noch Mittelpunkt von kitschig-religiösen Geschwurbel wird, ist er später Teil einer zutiefst rassistischen Heldensaga, die seine Geschichte instrumentalisiert und in ein widerliches Abbild kontemporärer Propaganda verwandelt.
Ich möchte nicht in Frage stellen, dass der echte Desmond Doss 75 Menschen gerettet hat und kann absolut verstehen, dass man diesen Mann verehrt. Trotz meines fehlenden Glauben, kann ein Film auch ruhig religiös sein. „Hacksaw Ridge“ bleibt aber nicht dabei. Vielmehr verliert er den religiösen Grundgedanken aus den Augen, sobald die ersten Kugeln fliegen. Gibsons Amerikaner sind leidgeprüfte Helden, die durch Desmond Doss aufopferungsvolles Verhalten vor der japanischen Plage gerettet werden. Unter fast schon sakraler Musik werden japanische Gesichter zerfetzt und arme Soldaten von Doss wieder zusammengeflickt. Gibson zeigt Doss als neuen Jesus, dessen Geschichte in hektolitern von Blut und Gekröse erneut geschrieben wird. Sein Pazifismus? Spielt irgendwann keine Rolle mehr. Vielmehr geht „Hacksaw Ridge“ vollkommen in seinen lauten, chaotischen Schlachtengemälden unter, die wohl die Schrecken des Krieges zeigen sollen. Anders als in „Band of Brothers“ oder der bekannten Startszene aus „Der Soldat James Ryan“, werden die brutalen Szenen hier zum bloßen Selbstzweck und versinken nach der zehnten Blutfontäne bereits im Chaos.
Krieg als brutale, chaotische Vorhölle? Ja bitte. Wenn aus dem Nebel aber mordlüsterne, keifende Japaner auftauchen, die nie auch einen funken Menschlichkeit zeigen, bis Doss sich erbarmt und ein Pflaster auf die blutende Wunde drückt, dann brauche ich keine Vorhölle mehr. Dann brauche ich eine Kotztüte.
Überfordernde, lautstarke Schlachten, eine komplett verkitschte erste Hälfte und ein Menschenbild, welches auch gut in „Jud Süß“ hätte seinen Platz finden können. Das ist „Hacksaw Ridge“. Selbst wenn sich der Film in einem komplett fiktiven Szenario abgespielt hätte, wäre er in vielen Bereichen noch absolut unbrauchbar. Viel zu oft fühlt sich Garfields Performance an wie eine billige Parodie, viel zu oft erinnert der Grundtenor an eine misslungene Satire. Da werden Granaten weggekickt, zerhackte Körper als Schutzschild benutzt und Krankenbetten als Mini-Panzer umfunktioniert. Ich würde lachen, wenn dieser Film sich nicht in der „Realität“ ansiedeln wollte.
Final bleibt „Hacksaw Ridge“ eine zermürbende Erfahrung. Nicht, weil die Schrecken des Krieges hier irgendwie neu beleuchtet wurden oder ich auch nur eine Sekunde mitgefiebert hätte, sondern weil ich schockiert war. Schockiert von Gibsons einseitiger Erzählung, schockiert vom kindlich-prätentiösen Einsatz von Gewalt, schockiert von der Heroisierung schrecklicher Gewalttaten und zutiefst schockiert von der total entmenschlichten Darstellung der Japaner. „Hacksaw Ridge“ ist eine bodenlose Frechheit, ein menschenverachtendes Machwerk und keinen Deut besser als Machwerke der UFA unter Goebbels. „Hacksaw Ridge“ ist kein Stück an Desmond Doss interessiert, sondern missbraucht seine Geschichte für widerliche Propaganda. Den bemühten Schauspielern (vor allem Hugo Weaving als Desmonds Vater) und ordentlicher Bildsprache zum Trotz: Niemand sollte diesen Film sehen.
„Most of these men don't believe the same way you do, but they believe so much in how much you believe.“
„Goodfellas“, „Casino“, „Scarface“ oder „Der Pate“, die Zeiten des großen Mafiafilms scheinen vorbei. Das Genre versucht regelmäßig seine eigene Auferstehung zu bewerkstelligen, scheitert aber oftmals kläglich unter mäßigem Drehbüchern oder überforderten Regisseuren. Zuletzt schien das Konzept nur in Serie zu funktionieren. Kein Wunder also, dass Serien Regisseur Stefano Sollima („Gomorrha“) sich jetzt an das empfindliche Thema wagt.
Als Filippo Malgradi (Pierfrancesco Favino) einen gemütlichen Abend mit zwei Prostituierten und harten Drogen verbringen möchte, ahnt er noch nichts von der unglücklichen Kette an Ereignissen, die er damit auslösen wird. Plötzlich wird Malgradi zum Mittelpunkt mafiöser Interessen und wird Teil einer großen Maschinerie, die letztlich zur Genehmigung einer Art Mini-Las Vegas in Ostia führen soll. Rom wird zum Hexenkessel und Malgradi ist mittendrin.
Was sofort ins Auge fällt, ist die audiovisuelle Schönheit von „Suburra“. Paolo Carneras („ACAB“) Bilder des nasskalten Roms sind in Kombination mit dem wunderschönen Soundtrack von „M83“ eine wahre Augenweide und können locker mit den ganz großen Hollywood-Produktionen mithalten. Die Bilder ins „Suburra“ sind vielschichtig und geben bestimmten noch einmal eine ganz neue Ebene, die manche Ereignisse noch unmittelbarer erscheinen lässt.
„Suburra“ zeichnet ein zerfallendes Bild Roms, welches bezeichnenderweise als eine Art „Weg zur Apokalypse“ benannt wird. In Tage unterteilt, steuert der Plot auf einen großen politischen Umbruch in Italien hin und thematisiert dabei zeitgleich den päpstlichen Rücktritt. Das fast zehnköpfige Schreiberteam schafft hier ein höchst verschachteltes Drehbuch, welches sich erst mit der Zeit ganz entfaltet.
Ohnehin kann man die Erzählweise von „Suburra“ kaum genug loben. So schafft es der Film doch dem „alten“ Mafiagenre eine politische Ebene zuzuordnen und trotz zahlreicher Charaktere durchgehend ungemein spannend zu bleiben. Die verschiedenen mafiösen Strukturen greifen hier organisch ineinander und werden zu einem undurchdringlichen Meer an Interessenkonflikten, die sich mit der Zeit immer mehr entfesseln. Sollimas Film ist damit fast immer kurz vorm Überkochen und bietet eine abstoßende, gewalttätige Stimmung. Weit weg von jedweder Romantisierung befinden wir uns in einer Welt voller Raubtiere, die nur auf ihre Chance warten.
Man kann „Suburra“ nahezu nichts vorwerfen. Optisch ein wahrer Leckerbissen, perfekt besetzt und plottechnisch ausgeklügelt, bewegt sich der Film fortan in der oberen Liga der Mafiafilme. Durch die vielen Charaktere entsteht zwar manchmal eine gewisse Distanz, diese wird dann aber sofort wieder durch hochemotionale Szenen ausgeglichen, die noch lange im Gedächtnis bleiben wurden. Jeder Genrefan sollte diesen Film unbedingt gesehen haben. Ein brutaler, finsterer, hochspannender Genrebeitrag, der Lust auf mehr macht.
Was wenn Ang Lee einen neuen Film macht und ich nichts davon weiß, bis der Name des Regisseurs aufflackert? Dafür ist die Sneak-Preview gut und verdammt, es hat sich gelohnt. Diesmal traut sich Lee an die Verfilmung des Romans "Die irre Heldentour des Billy Lynn" von Ben Fountain.
Als Billy Lynn (Joe Alwyn) aus dem Irakkrieg zurückkehrt, wird er als Held gefeiert. Durch eine waghalsige Rettungsaktion wird das „Bravo“-Squad zur internationalen Berühmtheit und zum wichtigen Teil der Werbemaschinerie für den Krieg. Als „Bravo“ Teil eines Footballspiels der „Dallas Cowboys“ werden soll, wird der Truppe langsam das gesamte Ausmaß ihrer Instrumentalisierung klar.
Um das mal aus dem Weg zu schaffen. Ang Lees Entscheidung den Film in 120 Frames zu drehen, wird, zu Recht, kontrovers diskutiert. Da ich aber den Film nur in einer Standard-Fassung zu Gesicht bekam, kann ich dazu kaum etwas sagen. Auf Standard-Frames heruntergekocht, ist die Optik des Films jedenfalls gewöhnungsbedürftig und erinnert von der Bildhaftigkeit oftmals unangenehm an diverse Fernsehfilme. Lediglich Lees Fokus auf Gesichter kommt dem Film an sich zu Gute.
Vor allem ist „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ aber ein Film der großartigen Darsteller. Joe Alwyn ist eine richtige Entdeckung und spielt die Verletzlichkeit und den Zynismus des 19-Jährigen Billy Lynn perfekt. Auch Garrett Hedlung („Tron: Legacy“) sollte als großmäuliger Sergeant nicht unerwähnt bleiben. Durch diese beiden Leistungen glänzt der Film in den richtigen Szenen und verleiht den satirischen Momenten die nötige Tiefe.
Die fiktive Handlung von „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ will uns vor allem die Groteske der amerikanischen Propagandamaschinerie vor Augen führen und verteilt diese Aufgabe geschickt an Umgebung und Personen. Lynn ist umgeben von leeren Hüllen, die ihn eher als Funktionsgegenstand denn als Mensch sehen. Als Kriegsheld hat Lynn einen Zweck, egal wie kurios dieser erscheinen mag.
Als die Ereignisse in einem Auftritt von „Destinys Child“ kulminieren und „Bravo“ vor einem riesigen Feuerwerk salutieren soll, werden tiefe Wunden und aufrechte Enttäuschung zu einem hochinteressanten Mimenspiel, welches, für mich, zu den besten Szenen des bisherigen Jahres gehören dürfte. Krieg und Frieden wechseln sich ab und lassen den Irakkrieg fast schon als angenehme Option erscheinen. Daheim wie auf der Arbeit, werden die Soldaten zu Feuerholz. Ang Lee findet einen bitteren Ton für seinen Film, der angenehm zwischen Kitsch, Satire und Drama hin- und herspringt und oft Raum für Interpretation lässt. Da verzeiht man auch gerne mal mäßige Nebencharaktere und einen seltsam hakeligen Spannungsbogen.
„Your story Billy, no longer belongs to you. It's America story now.“
Ist das mehr als nur einem Haufen alter Ex-Junkies beim Erinnern zuzuhören? Wenn man Burroughs, Ginsberg, Carr und Co. schätzt, dann ja. Der früh verstorbene Regisseur Bruckner destilliert aus einem Chaos an Eindrücken wie Interviews, Lesungen und gestellten Szenen aus Burroughs späterem Leben ein äußerst interessantes Portrait der Beatnik-Legende. Eine Reihe an bekannten Persönlichkeiten der Szene kommt zu Wort und Burroughs selbst darf mit methadonbetäubden Mundwinkeln auch viel erzählen. Ein sympathisch-wackliges Portrait einer sterbenden Generation, die, mit Recht, schmerzlich vermisst werden darf.
Eigentlich müsste man den US-Sender „Syfy“ ja kennen. Spätestens durch fragwürdige Kultfilme wie „Sharknado“ wurde die Trash-Schmiede auch außerhalbd er USA bekannt. Nun wagt sich der berüchtigte Sender an eine Art Konkurrenzprodukt zu „American Horror Story“. Statt aber komplett originäre Erzählungen zu liefern, stützt man sich hier auf das „Creepypasta“-Phänomen, welches am ehesten mit einer Art Internet-Folklore zu vergleichen ist. Für die erste Staffel musste nun die Erzählung „Candle Cove“ von Kris Straub herhalten.
In den 80er Jahren wurde eine US-Amerikanische Kleinstadt von schrecklichen Kindsmorden heimgesucht. Mike Painter (Paul Schneider), seines Zeichens Kinderpsychologe und ebenfalls Leidtragender der damaligen Mordserie, geht dem seltsamen Phänomen auf den Grund und stößt dabei schnell auf eine sagenumwobene Kindersie namens „Candle Cove“, die wohl weit mehr Effekt auf die Psyche hat, als man vermuten könnte.
Kennt man das nicht? Diese seltsamen, verschwommenen Erinnerungen, die man an manche Kindersendung hat. Erinnerungen, die sich schnell mit Alpträumen vermischen und eine harmlose Sendung schnell zu einem sinistren Hintergrundrauschen werden lassen. Episoden, die man sich auf dem Schulhof erzählt, die dann für schlaflose Nächte sorgen.
Anno 2005 machte Kris Straub sich dieses Phänomen zunutze und schrieb die „Creepypasta“ „Candle Cove“, die daraufhin schnell an Bekanntheit erlangte. Das kurze E-Mail Logbuch um seltsame Piraten-Marionetten und wackelnde Schnurrbärte bohrte sich überraschend erfolgreich ins Unterbewusstsein vieler Leser und funktioniert bis heute.
Aber wie sieht es mit der Serie aus? Man kann sagen, dass sich die Autorencrew um Nick Antosca („Hannibal“) durchaus Mühe gegeben haben, die ursprüngliche Handlung um Neues zu erweitern. Ob das ganze über 6 Episoden trägt, das sei mal dahingestellt.
Was die Serie zu Anfang sehr gut schafft ist eine beunruhigende Grundstimmung. Die ersten Episoden erinnern positiv an alte Stephen King-Romane und lassen selten Assoziationen mit dem eigentlich trashigen Sender-Konzept zu. Kurze Einspieler der gruseligen „Candle Cove“-Serie und intelligent gewählte Ausschnitte aus der Ursprungsfassung, lassen eine fortwährend spannende Handlung vermuten. Auch der Cast weiß hier durchaus zu überzeugen und hat mit Paul Schneider und Fiona Shaw auch bekanntere Gesichter zu bieten.
Eine Sache versalzt mir aber zunehmend die Suppe. Als „Candle Cove“ bereits nach der dritten Folge mit einer Art Auflösung um die Ecke kommt und sich fortan in „Kinder des Zorns“ und „Omen“-Kreisen aufhält, verfliegt die Spannung sehr schnell. Trotz toller Maskeneffekte und gut gemeinten Wendungen wird die Serie zur Geduldsprobe und erreicht nie wieder das Niveau der ersten Folgen. Zu wenig verlässt man sich auf die verstörenden Masken und zu viel auf die fünfzehnfach durchgekaute Satansbraten-Nummernrevue.
Im Finale fängt sich „Channel Zero“ dann wieder etwas und liefert ein relativ kreatives Finale, welches etwas für die lange Durststrecke entschuldigt.
Trotz großartiger Einfälle, tollen Masken und motivierten Darstellern, bleibt „Channel Zero: Candle Cove“ am Ende eine durchwachsene Erfahrung. Die Serie vergeudet viel Potential in fehlendem Spannungsaufbau und mäßigen Querverweisen. In ständigen Erklärungsdrang werden Mysterien entzaubert, die nackig lange nicht so verstören wie im bekleideten Zustand. Im Gedächtnis bleibt jedoch Anfang und Finale, welches mit der Grundstory umzugehen weiß und mit durchaus gruseligen Elementen im Kopf bleibt. Manche werden mit dem extrem langsamen Tempo weniger Probleme haben, deshalb kann man den 6 Episoden durchaus eine Chance geben. Ich bin gespannt auf die zweite Staffel.
Jedes Jahr in der Oscar-Saison kommen die 4-5 obligatorischen Dramen, die stark auf das goldene Kerlchen abziehlen. Die große Aufgabe ist es jedes mal diejenigen zu finden, die sich auch außerhalb der Verleihung noch lohnen werden. Mit Casey Affleck im Gepäck ist mein Interesse definitiv geweckt.
Lee Chandler (Casey Affleck) ist nach einem schrecklichen Trauerfall innerhalb der Familie aus seiner Heimatstadt Manchester geflohen und lebt nun alleine und zurückgezogen in Boston und arbeitet dort als Hausmeister. Er mag seine Arbeit nicht besonders, hat aber seine Ruhe und bleibt von emotionalem Trubel unberührt. Als die Herzkrankheit seines Bruders Joe Chandler (Kyle Chandler) in lebensgefährliche Gefilde vordringt, ist er gezwungen in seine Heimatstadt zurückzukehren.
Vorneweg: Kenneth Lonergan ist ein brillanter Film gelungen. Durch perfektes Casting, ein großartiges Drehbuch und ein einzigartiges Gespür für Zwischenmenschliches, hat er eines der besten Dramen des letzten Jahres geschaffen.
Dreh- und Angelpunkt ist Manchester, New Hampshire, als Porta in eine finstere Vergangenheit. Manche Orte bleiben für immer verschmutzt, wenn man damit die falschen Erinnerungen verbindet. Für Lee gibt es die organisatorische Notwendigkeit in Manchester zu bleiben und so auch eine Art Zwang, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. In zwei parallelen Handlungssträngen erzählt „Manchester by the Sea“ nun also die Geschichte hinter Lees Umzug und die Gegenwart in Manchester.
Statt sich in großem Drama zu suhlen, bleibt „Manchester by the Sea“ eher ruhig getaktet. Die frostige, winterliche Stimmung trifft auf minimalistisches Schauspiel seitens Affleck, der erneut zeigt, dass er zu den absolut größten Darstellern der gegenwärtigen Kinolandschaft gehört. Mit seiner zurückhaltenden Art geht der Film direkt unter die Haut und bleibt sehr lange im Kopf. Wer schon immer wissen wollte, wie es sich anfühlt über 137 Minuten einen Kloß im Hals zu haben, der sollte „Manchester by the Sea“ dringend eine Chance geben.
Dass Manchester dabei in physischer wie psychischer Hinsicht eine ähnliche Bedeutung bekommt wie die Hauptcharaktere, ist vor allem der organischen Cinematographie von Jody lee Lipes zu verdanken, der die frostige Stimmung weit über die Leinwand ins Kino wehen lässt.
„Manchester by the Sea“ ist elegantes, hochemotionales Kino ohne ständig dabei gen Oscar zu schielen. Manchester wird zur kalten, ständigen Erinnerung und für Lee zum unangenehmsten Ort auf Erden. Der gesamte Cast, allen voran Casey Affleck, spielt großartig und verleiht dem Film eine emotionale Tiefe, die in Familiendramen selten erreicht wird. Lonergan inszeniert nicht das große Drama sondern sucht die Stille zwischen den Zeilen. Ein ganz wunderbarer Film, den ich wirklich weiterempfehlen kann.
„I said a lot of terrible things to you. My heart was broken, and I know yours is broken, too.“
Roger Corman ist zurück und produziert einen neuen Teil der "Death Race"-Reihe. Erstmals wieder weit weg von Andersons "Death Race" und näher an der Version von Paul Bartel. Sehr nah, um ganz genau zu sein. Was aber in den 70ern in charmant-billig gemalten Hintergründen und tollpatschiger Gesellschaftskritik mündete, das kulminiert hier hauptsächlich in einer schrillen Nummernrevue der Marke: What would Roger Corman do? CGI aus der untersten Schublade, ein Soundtrack direkt aus "Jersey Shore" und wild overactende Darsteller. Die ganze Soße kann echt Spaß machen, ich war oft genervt.
Meine Güte, Damien Chazelle ist grade über 30 und erobert Hollywood im Sturm. Angefangen 2014 mit seinem finsteren Drummer-Meisterwerk „Whiplash“ und nun einer der Favoriten im Oscar-Rennen. Als großer Musical-Fan war ich nun also doppelt gespannt auf „La La Land“.
Sebastian (Ryan Gosling) und Mia (Emma Stone) sind Träumer. Sebastian möchte mit seinem Können am Jazz-Piano endlich Geld verdienen können und Mia versucht ihr Glück als Schauspielerin. Auch wenn das vorerst wohl in billigen 90er Coverbands und Barkeeper-Arbeiten enden muss. Bei all' dem Unglück finden sich die beiden aber zumindest und entfesseln eine Geschichte aus Pastellfarben, Musik und Tanz.
„La La Land“ ist ein perfektes Musical für Leute, die Musicals eigentlich nicht so mögen. Der musikalische Anteil ist überschaubar gehalten und nur in emotional wichtigen Momenten werden Tanzbein und Stimmbänder zum Schwingen gebracht. Das hat Vorteile aber auch Nachteile.
Gosling und Stone sind ein perfektes Leinwand-Paar. Was die Beiden bereits in „Crazy, Stupid, Love“ bewiesen haben, das zeigen sie hier erneut. Die Beiden haben eine Chemie die ihresgleichen sucht. Kein Wunder, dass die zahlreichen Dialoge einfach gut funktionieren und sich auf charmante Art und Weise direkt ins Herz des Zuschauers manövrieren. Dass die beiden dabei auch weder in Gesangs noch in Tanzeinlagen enttäuschen, tut sein Übriges.
Von der Eröffnungssequenz bis hin zum hingebungsvollen Tanz im Planetarium. Wenn „La La Land“ entfesselt ist, dann kommt das Talent der ganzes Crew zu Tage. Diese Szenen machen Spaß, sehen fantastisch aus und hallen noch lange im Ohr nach.
Aber wie im richtigen Hollywood: Wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Davon hat „La La Land“ leider auch etwas mitgebracht. Chazelle hat es nicht leicht, denn der moderne Mann steht nicht auf Musicals. Warum sollte man sich auch dieses unnötige Gesinge geben, wenn man nebenan den neusten Thriller mit Liam Neeson sehen könnte? Um genau diesen modernen Mann, und möglichst alle anderen Menschen, nicht abzuschrecken, macht „La La Land“ einen ordentlichen Spagat. Er erzählt eine eher handelsübliche Liebesgeschichte vom großen Traum und großen Emotionen und traut sich nie in die gefährliche, schrille Welt anderer Musicals. Der Begriff „Crowdpleaser“ hat selten besser gepasst, denn Höhen und Tiefen sucht man vergebens.
Stattdessen schwelgt Chazelle in den Kulissen von „Rebel Without A Cause“ und anderen Filmen des alten Hollywood. Das ist mal süß und mal nervig. Denn irgendwo zwischen den Pastelltönen der 50er und Liebeserklärungen an den Jazz, geht die Eigenständigkeit verloren.
Was „La La Land“ dennoch zu einem guten Film macht, den man nicht verpassen sollte? Wann durften wir zuletzt eine ehrliche Liebesgeschichte im Kino sehen, die zudem mit fantastischen Musical-Einlagen garniert ist? Es macht mich glücklich, dass dieser Film ein derart großes Publikum findet und vielleicht in Zukunft wieder die Tore für schrägere Experimente öffnet. „La La Land“ ist zu bodenständig um mich wirklich zu berühren aber auch zu liebevoll um mich kalt zu lassen. Im Prinzip formuliert der Film seinen größten Schwachpunkt selbst ganz gut:
„How are you gonna be a revolutionary if you're such a traditionalist? You hold onto the past, but jazz is about the future.“
Trotz großer Sympathien für Chan-Wook Park, habe ich nicht jeden seiner Filme genossen. „Oldboy“ und „JSA“ sind unfassbare Meisterwerke, „Stoker“ und „Durst“ fielen für mich beide stark ab. Unheimlich gespannt war ich dennoch auf Chan.Wooks Liebeserklärung an Akira Kurosawa namens „The Handmaiden“.
Man sollte möglichst wenig über den Film wissen, vielleicht einen der rätselhaften Trailer sehen, die kaum etwas verraten. Primär landet ein koreanisches Mädchen namens Sook-Hee (Tae-Ri Kim) als Zofe im Herrenhaus einer reichen japanischen Dame (Min-Hee Kim). Das reicht eigentlich auch schon, den Rest sollte sich jeder selbst erschließen.
Chan-Wook schenkt Sarah Waters Roman „Fingersmith“ eine wahrhaft überwältigende Verfilmung. Auf audiovisueller Ebene ist „The Handmaiden“ die größte Schönheit seit Todd Haynes Carol im letzten Jahr. Chung-Hoon Chung („Oldboy“) arbeitet unglaublich viel mit Spiegelungen und detailreichen Totalen, die nicht zufällig an Kurosawa erinnern. Hinzu kommt der mitreißende Soundtrack Yeong-Wook Jo („Oldboy“) und man kann von „Kino“ sprechen, denn 2016 ist kaum ein schönerer Film über die Leinwand geflimmert.
Aber auch auf der Handlungsebene, weiß „The Handmaiden“ zu überzeugen. Seo-kyeong Jeongs Drehbuch wartet mit zahlreichen hochgradig überraschenden Wendungen auf, die mir endlich wieder gezeigt haben, dass ein Twist nicht zwangsweise negativ sein muss. Viele Filme scheinen das spätestens seit „Sieben“ verlernt zu haben. Der Plot des Films überzeugt durch Interesse an seinen Charakteren, die trotz des vertrackten Narrativs eine ordentliche Charakterisierung erhalten und letztlich auch den Mut ungewöhnliche Themen anzusprechen und diese respektvoll anzugehen.
Das Ganze steht und fällt dann natürlich mit Lady Hideko und Sook-Hee, die aber beide ganz großartig von Min-Hee Kim und Tae-Ri Kim verkörpert werden. Selbst die kleinsten Regungen können hier tief blicken lassen und fügen sich tadellos in das repressive Szenario ein. Beide stemmen die Mischung aus Thriller und Drama ohne Probleme und bleiben noch lange nach dem Abspann im Kopf. Auch Jung-woo Ha („The Chaser“) kann sich ohne Probleme als scharfzüngiger. Count Fujiwara sehen lassen. Also kurz gesagt: Der Cast ist ebenfalls phänomenal.
Kleine Probleme kommen lediglich bei gelegentlichen Off-Stimmen-Einlagen auf, die manchmal etwas zu sehr Richtung des westlichen Kinos nicken und damit kurz die angenehme Andersartigkeit die hier sonst herrscht vermissen lassen. Das bleibt jedoch ein kleiner, unwichtiger Fleck auf der sonst nahezu makellosen Oberfläche.
„The Handmaiden“ ist audiovisuell faszinierendes absolut beeindruckendes Kino, welches einen mutigen Blick in die unterdrückte Frauenrolle im feudalen Japan wirft und ganz nebenher noch einen hochspannenden Thriller erzählt. „The Handmaiden“ ist im besten Sinne emotional, erotisch und düster. Trotz seiner 144 Minuten wird der Film nie langweilig und balanciert perfekt zwischen langsamen und hektischen Passagen. Ab dem 5. Januar sollte man dringend einen Blick wagen, denn das hier ist endlich wieder ein ganz großer Film von Park.
„I am a dirty old man who likes erotica. Everyone absorbs very story differently. That is my passion. But now, it's all over. What do I do?“
Videospiel-Verfilmungen sind seit Jahren ein Schandfleck der Kinolandschaft. Kein Regisseur scheint es zu schaffen das Videospiel-Gefühl adäquat auf der Leinwand zu bannen. Dieses Jahr ging man mit „Warcraft“ und „Assassin's Creed“ also in die Großoffensive. Ein Fehlschlag ist bereits zu verbuchen? Wartet der Zweite?
Callum Lynch (Michael Fassbender) ist ein Mörder. Im Todestrakt wartet er auf seine bevorstehende Exekution. Die Nadel trifft die Ader und er wacht im Labor von „Abstergo Industries“ auf. Eine junge Frau namens Sofia (Marion Cotillard) offenbart ihm seine zukünftigen Aufgaben und warum er noch am Leben ist. Um an die offensichtliche „Heilung für Gewalt“, den Apfel von Eden, zu gelangen, soll er in seine Vergangenheit eintauchen und die Erinnerungen seines Vorfahren Aguilar (ebenfalls Michael Fassbender) wecken.
Nach seinem letztjährigen Meisterwerk „Macbeth“ war ich sehr gespannt auf Justin Kurzels neues Werk. Auch wenn mich die Spiele nie sonderlich interessiert haben, war die Mischung aus totalitärem Zukunftsszenario und Mittelalter-Hitman für mich durchaus sehenswert. Und es kann man definitiv sagen: Man merkt, dass Kurzel eine Vision hatte. Fassbender und Kurzel bilden hier das perfekte Nerd-Gespann. Sie nehmen die Thematik offensichtlich ernst, scheinen nur vergessen zu haben, dass sie hier kein Shakespeare verfilmen, sondern eine weitaus trivialere Geschichte.
So ist Kurzel viel eher an seiner Dystopie interessiert, als an dem, was die Fans offenbar sehen wollen. Wir verbringen viel Zeit in der synthetischen Umgebung von „Abstergo Industries“ und werden langsam an die verworrende Ideologie der Templer herangeführt. Funktioniert eine Welt ohne Gewalt nur, wenn man den freien Willen komplett auslöscht?
Es sind große Fragen, die Kurzel aus der eher kleinen Handlung von „Assassin's Creed“ herausdestilliert. Das schlägt sich in einer sehr ungewöhnlichen Erzählweise nieder, leider aber auch in teils peinlich hochgestochenen Dialogen. Egal wie ernst Jeremy Irons seine Allmachtsfantasien auch ausdrückt, ich habe immer noch einen Videogame-Bösewicht vor Augen. Aber wenn Kurzels Ansatz funktioniert, dann aber auch richtig. In der zweiten Hälfte kulminieren die hektisch inszenierten Mittelalter-Sequenzen in Kombination mit Fassbenders zunehmendem Wahn zu einer audiovisuellen Meisterleistung, die mit Jed Kurzels Soundtrack und phänomenalem 3D direkt in die Synapsen springt. Ja, ich habe es gesagt. Diesen Film kann man sich echt in 3D ansehen.
Justin Kurzel ist eben ein eigenwilliger Kerl. Man kann ihm vorwerfen, dass ihm die Optik sehr viel wichtiger ist, als alles Andere. Was man jedoch nicht behaupten kann, ist dass er in „Assassin's Creed“ keine Ambitionen hatte. So wird aus einer Videospielhandlung von Gut und Böse schnell mal eine dystopische Abhandlung über Gewalt und deren Notwendigkeit. Dass er dabei oftmals Balanceprobleme zwischen den beiden Welten hat, das Ende forciert Richtung Nachfolger rattert und einige Dialoge recht peinlich geraten sind, das kann den Eindruck durchaus trüben. „Assassin's Creed“ ist beileibe kein schlechter Film, immer wieder sogar großartig aber letztlich weit hinter Kurzels Potential.
"We eat our food, take our pills and wait to die. The war is over, pioneer."
Dass Kunst in alle Bereiche ausgeweitet werden kann, zeigte Tom Ford, seines Zeichens Modedesigner, bereits 2009 mit „A Single Man“. Das Drama wurde mehrfach ausgezeichnet und gewann schnell an Popularität und allgmeiner Zustimmung. Jetzt, 7 Jahre später, wagt sich Ford an „Nocturnal Animals“ und hat damit gleich drei Schauspielgrößen an Bord.
Susan Morrow (Amy Adams) lebt in einer Künstler-Idylle. Als Investor für Kunstwerke verschiedener Art, hat sie genügend Geld gemacht um mit ihrem attraktiven Ehemann Hutton Morrow (Armie Hammer) in einem wunderschönen Haus mitten in Los Angeles zu wohnen. Als dann aber ein Skript des neuen Romans ihres Ex-Mannes Edward Sheffield (Jake Gyllenhaal) in ihrem Briefkasten landet, scheint ihre Vergangenheit auf ungeahnte Größe heranzuwachsen.
„Nocturnal Animals“ besteht aus zwei Erzählungen. Eine beinharte Rachestory in der unbarmherzigen Wüste von Texas und einem Liebesdrama (wenn man so will) in der Künstlerszene von Los Angeles. Tom Ford hat hier einen sehr seltsam verstrickten, formell sehr kühlen Film geschaffen, den man nicht verpassen sollte.
Zunächst einmal sollte man die herausragende Kinematografie unter Seamus McGarvey („Godzilla“) bemerken, die zeitgleich die Hitze in Texas greifbar macht und die seltsame, unwirkliche Stimmung von Los Angeles wunderbar einfängt. „Nocturnal Animals“ sieht fantastisch aus und gehört definitiv zu den optisch beeindruckendsten Filmen des Jahres 2016.
Wie das aber oft mit verwobenen Handlungen so ist, sollte man sich fragen, ob hier etwas zu kurz kommt. Und ja, man kann durchaus Fehler in der (fast) perfekten Oberfläche erkennen. Die Rahmenhandlung um Edwards Roman ist offensichtlich als emotionale Stütze für die Ereignisse innerhalb des Buches gedacht. Das funktioniert oftmals auch tadellos und macht Tony Hastings (ebenfalls Jake Gyllenhaal) fürchterliche Situation umso intensiver. So gut die Roman-Erzählung innerhalb des Filmes auch ist, so flach fällt manchmal leider auch die Rahmenhandlung aus. Amy Adams Teil ist zwar wunderschön in Bilder eingefangen und trägt auch immer wieder zum tollen Gesamtbild bei, kann emotional aber nicht ansatzweise mit der rüden Realität von Roman-Texas mithalten. Das sorgt immer mal wieder für unnötige Leere, obwohl die Rahmenhandlung zwingend notwendig für die emotionale Tiefe des Filmes ist.
Zuletzt noch zwei ganz wichtige Erwähnungen. Zunächst Aaron Taylor-Johnson als Ray Marcus. Der ehemalige „Kick-Ass“-Darsteller mutiert hier zu einem backenbärtigen Monster. Sein Schauspiel ist furchterregend intensiv und macht jede Szene mit ihm zu einer echten Zerreißprobe. Er ist unberechenbar, aggressiv und fürchterlich abstoßend. Eine großartige Leistung, die man so selten zu sehen bekommt. Und dann gäbe es noch Michael Shannon („Take Shelter“), der ohnehin jeden Film mit seiner bloßen Präsenz aufwertet. Hier als krebskranker Sheriff Bobby Andes, der eine gehörige Prise Zynismus und Humor mit in die Handlung bringt.
„Nocturnal Animals“ ist zugleich eine wenig mitreißendes Liebesdrama als auch eine beinharte Rachestory. Der Film ist wunderschön in Szene gesetzt, hat großartige Darsteller und bietet einige der intensivsten Momente des Jahres. Ja, die Film-Im-Film Handlung ist sogar so großartig, dass allein diese das Kinoticket rechtfertigen würde. Tom Ford zeigt erneut, dass er ein großes Talent im Regiestuhl besitzt und bringt einen hochspannenden wie optisch genialen Film auf die Leinwand. Wenn auch nicht fehlerfrei, ist „Nocturnal Animals“ unbedingt sehenswert für jeden Freund von verwobenen Erzählungen, großem Schauspiel und exzellenter Kameraarbeit.
"Susan, enjoy the absurdity of our world. It's a lot less painful. Believe me, our world is a lot less painful than the real world."
Was tun, wenn das Herz langsam den Geist aufgibt und die Tochter am Powerkapitalismus zu zerbrechen droht? Eine von vielen Fragen, die Maren Ade („Alle Anderen“) sich im Festival-Liebling „Toni Erdmann“ stellt.
Winfried Conradi (Peter Simonischeck) ist Musiklehrer und 65 Jahre alt. Als sein Hund nach vielen Jahren das Zeitliche segnet und er auch dem Familienleben zu entgleiten droht, entscheidet er sich zu einer spontanen Reise nach Bukarest, um seine Tochter zu besuchen. Die aufstrebende Unternehmensberaterin hat aber gerade eindeutig Besseres zu tun.
Es ist schwer in Worte zu fassen, worum es in „Toni Erdmann“ eigentlich geht. Es geht um Humor, um das Alter um den letzten Rest Wärme in einer kalten Welt. Alles große Themen, die Maren Ade mit Leichtigkeit auf Situationen überträgt, die mal skurril und mal unfassbar traurig sein können. Ja, irgendwo ist „Toni Erdmann“ eine Tragikkomödie aber selten konnte ich einen Film so schwer einem Genre zuordnen.
Allen voran sollte man das Protagonisten-Duo Peter Simonischeck und Sandra Hüller loben, die hier wirklich alles geben. Mit ihren Ecken und Kanten fühlen die Beiden sich einfach echt an und machen den Konflikt, innerlich wie auch äußerlich, spürbar.
Humor ist ein schmaler Grat. Mit falschem Gebiss im Gepäck kreiert Winfried sehr bald die Persona des Toni Erdmann, der ein Talent darin zu haben scheint, die beruflich Kredibilität seiner Tochter zu torpedieren. Winfrieds tollpatschige Art, sein schweres Atmen und seine schlecht sitzenden Kleider machen ihn ursympathisch aber situationsbedingt lässt Maren Ade ihn dennoch ambivalent erscheinen. Winfried ist das Chaos in der Ordnung und der Gegenpol zur kalten, mutmaßlich perfekten Welt seiner Tochter Ines und am Ende doch nur ein alter Vater, der einfach etwas Nähe gebrauchen könnte.
„Toni Erdmann“ schafft es die Absurdität der Business-Welt infrage zu stellen, ohne jemals verurteilend zu werden, er nimmt Manierismen des deutschen Films auf und wendet sie ins Positive. Mit seiner enormen Laufzeit macht er Ines Leere spürbar und wird zu einer anstrengenden aber ungemein lohnenden Erfahrung.
Formal ist „Toni Erdmann“ perfekt. Ade erreicht alles, was sie augenscheinlich erreichen möchte. „Toni Erdmann“ ist eine herzzerreißend sanftmütige Kapitalismus-Kritik, die leichtfüßig jeden Zeigefinger umschifft und in seinen besten Momenten direkt ins Herz trifft. Hüller und Simonischeck sind eine echte Offenbarung und verleihen dem Film Charakter und Seele. Selten gab es einen Film, der der deutschen Natur so sehr auf den Zahn gefühlt hat, ohne tendenziös zu werden. Man kann unglaublich viel aus „Toni Erdmann“ herausholen, wenn man ihm eine Chance gibt. Ein Film, der im Kopf immer weiter wächst und das zu Recht.
„Wer lacht, der lebt noch.“
Bisher hatte der ehemalige SFX-Künster Gareth Edwards bei mir eher schlechte Karten. „Godzilla“ wusste zwar stellenweise zu beeindrucken, wurde jedoch durch diverse Schwächen zu einem eher mäßigen Vergnügen. Sein Debüt „Monsters“ war zwar Alles in Allem gelungener, hatte aber dennoch massive Pacing-Probleme. Ob Edwards die erste „Star Wars“-Story dennoch so großartig machen kann, wie die Trailer es vermuten ließen?
Die Jedi sind Geschichte, das Imperium befindet sich auf dem Vormarsch. Nach dem fatalen Aufstieg des Imperators wird die Galaxis zu einem unwirtlichen, düsteren Ort. Inmitten dieser Realität wächst Jyn Erso (Felicity Jones) auf. Als sie unfreiwillig Teil einer Gruppe von Rebellen wird, erfährt sie von der neuen Superwaffe des Imperiums, dem Todesstern. Erbaut um Angst und Schrecken in der Galaxis zu verbreiten und die Bevölkerung noch stärker unter Kontrolle zu bringen. Was für ein Glück, dass sie die Tochter des Erbauers (Mads Mikkelsen) ist, der ihr eine Nachricht von immenser Wichtigkeit zukommen lässt, die die Zerstörung dieser Superwaffe beuteten könnte.
Das erste was ich bemerkt habe: Order 66 hat ihre Früchte getragen. Die Galaxis ist unsicher, aufgespalten in diverse Interessengruppen vom Extremismus bis zur stillen Rebellion. Viele Planeten sind heimgesucht von Angst, Terror und unter der ständigen Überwachung von Sturmtruppen. Edwards schafft es, zumindest in Ansätzen, ein unangenehmes Portrait des Nach-Jedi-Imperiums zu zeichnen. Angereichert mit zahlreichen Referenzen auf zeitaktuelle Politik, ist die Welt von „Rogue One“ eine interessante Ergänzung des „Star Wars“-Universums.
Ohnehin möchte man hier offensichtliche eine starke Abkapselung von Ton der bisherigen „Star Wars“-Filme schaffen. Weit entfernt von der klassischen Saga, ist „Rogue“ vielmehr ein harter Kriegsfilm im Stile von „Platoon“ und sogar mit diversen Anspielungen auf Genre-Vertreter versehen. Gerade Kritiker des mutmaßlich wenig originellen Konzepts von „The Force Awakens“ dürften hier endlich ihre Prise Originalität zu spüren bekommen.
Edwards hat eine echte Stärke für treibende Action und große Bilder. In einen finalen 45 Minuten wird „Rogue One“ zu einer höchst intensiven und wunderschön anzusehenden Schlacht, die sich selbst hinter Klassenprimus „The Empire Strikes Back“ nicht verstecken braucht. Hinzu kommt der ungewöhnliche Soundtrack von Michael Giacchino („Oben“), der sich tonal recht stark von Williams Klängen abhebt.
So viele Stärken „Rogue One“ aber auch mitbringt, er hat auch mit Schwächen zu kämpfen. Gerade die Protagonisten sind auffallend schwach charakterisiert und bekommen im Gegensatz zu Finn und Rey kaum Gelegenheit ihre Person zu entfalten. „Rogue One“ ist dunkel und kalt, das zieht sich leider auch durch die Charaktere, die kaum eine Verschnaufpause bekommen und damit eher zum Spielball der Situation werden. Einzig der Droide K-2SO (Alan Tudyk) weiß zu überzeugen und darf den wohl berührendsten Moment des Film sein Eigen nennen. Im Antagonisten-Beriech scheint man sich mehr Mühe gegeben zu haben, denn gerade mit Orson Krennic (Ben Mendelsohn) hat man zwar einen einseitigen aber großartig in Szene gesetzten Antagonisten in petto. Die wenigen Vader-Momente gehören außerdem mit zum Besten, was man bisher von ihm gesehen hat und das will etwas heißen. Da vergisst man auch gerne das mäßige CGI-Gesicht vom längst verstorbenen Peter Cushing als Großmoff Tarkin.
Ja, „Rogue One“ zeigt auch die Schwächen auf, die Edwards bisher so hatte. Charakter und Pacing-Probleme durchziehen die erste Hälfte und machen es dem Film schwer geliebt zu werden. Wenn man aber die vielen Details beachtet, die Edwards intelligent in die Handlung einfließen lässt und sich auf die hoffnungslose Kriegsstimmung des Films einlässt, dann wird man hier seine helle Freude haben. „Rogue One“ ist ein erwachsener Eintrag im „Star Wars“-Universum, der sich in positiver Weise stark von den sonstigen Beiträgen unterscheidet und mit den wohl besten Schlachten aufwarten kann, die man bisher zu sehen bekam. Auch wenn mich das Ganze emotional nicht so sehr greifen konnte wie der letztjährige „Star Wars“, freue ich mich sehr auf die weiteren Einträge abseits der Haupt-Saga.
„The world is coming undone. Imperial flags reign across the galaxy.“
Frank Darabont („Die Verurteilten“) ist hier endgültig als Produzent abgesprungen und viele bezeichnen Staffel 3 als den endgültigen Niedergang der Serie. Da kann ich mich natürlich nicht lumpen lassen und muss auch hier einen Blick reinwerfen.
Das Farmhaus von Hershel ist komplett überrannt, die Gruppe entzweit und Ricks demokratische Ambitionen sind einer harschen Befehlspolitik gewichen. Während Andrea mit ihrer neuen Bekanntschaft Michonne nun also im beschaulichen Städtchen Woodbury landet, machen sich Rick und Konsorten im nächstgelegen Gefängnis breit.
Die erste Schwäche, die nach den unglaublichen 16 Episoden der dritten Staffel sofort klar wird, ist die Länge. Die Handlung gibt zu wenig her um sie auf eine derartige Laufzeit zu strecken. Auch wenn man versucht den Charakterfokus zu erhöhen, kommen immer wieder Episoden auf den Tisch, die nichts zum Verständnis oder zum Verlauf der Handlung beitragen. Die Wartezeit gibt einzelnen Episoden zwar dadurch mehr Kraft aber selten kann die Laufzeit genutzt werden um den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen. Eine Disziplin, die Staffel 2 deutlich besser beherrscht hat.
Zudem haben wir hier den ersten richtigen Antagonisten. Der Governor, der zunächst den gönnerhaften Kopf einer kleinen Dorfgemeinde mimt, ist ein wirklich krankes Individuum. Da macht „The Walking Dead“ auch keine halben Sachen. Wer Köpfe in Aquarien aufbewahrt, wahllos Zivilisten abballert und seine tote Tochter angekettet in einem Loch einsperrt, der kann nicht ganz richtig im Kopf sein. Leider war es das auch schon mit dem Governor. Während man sich Anfangs ein wenig Mühe gibt um das heftige Dilemma zwischen seinem Saubermann-Image und seiner psychopathischen Seite zu zeigen, ist er spätestens ab Folge 8 nur noch das pure Böse. Letztlich bleibt der Charakter damit furchtbar eindimensional und verfehlt seine eigentliche Fähigkeit eine Art finstere alternative zu Rick zu werden. Ich gehe davon aus, dass das ursprünglich die Intention war, die durch unnötigen Shock-Value aber vergessen wurde.
Und dann gibt es noch Andrea. Während Andrea bereits in der zweiten Staffel ordentlich an Fremdschamfaktor zulegte, hat sie hier die Vollendung gefunden. Keine Episode vergeht in der nicht mindestens einmal dieser Satz von hier fällt: „I'm a good shot!“
Andrea trifft durch die Bank falsche Entscheidungen, ist sprunghaft und handelt in nahezu keiner Sekunde nachvollziehbar. Es ist nicht so, dass ich einen Charakter mögen muss um ihn zu akzeptieren (siehe Shane) aber der Charaktere sollte durchaus dazu in der Lage sein gelegentlich ansatzweise menschlich zu handeln.
Es gibt jedoch am Ende auch einige positive Punkte zu Staffel 3. Ricks geistiger Fall mag zwar leicht plakativ sein, ist aber nachvollziehbar implementiert und von Andrew Lincoln wunderbar stoisch gespielt. Auch Carls Rolle in dieser neuen, unmenschlichen Welt ist nicht uninteressant. Während er immer kälter wird, scheinen die anderen Charaktere mit Erschrecken feststellen zu müssen, was es bedeutet in dieser Welt aufzuwachsen. Auch Merle Dixons Rückkehr gestaltet sich als sinnvoll und trägt zur emotionalen Erweiterung um Daryl Dixon ungemein bei.
Es sind vor allem auch die kleinen Geschichten, die Staffel 3 sehenswert machen. Kleine Anzeichen für die zunehmende Radikalisierung der Truppe (der Anhalter), die langsame Veränderung der Akzeptanz für immer härtere Gräueltaten und auch das Treffen mit alten Bekannten, die an der Welt zu zerbrechen drohen.
Staffel 3 ist ein unterhaltsames aber auch durchwachsenes Vergnügen. Zu lang, zu unfokussiert und mit einem mäßig starken Antagonisten versehen, kann ich die vielen Abbrecher verstehen. Für mich gibt es dennoch zu viele Interessante Geschichten und Persönlichkeiten, um hier aufzuhören. Ich bleibe weiterhin am Ball.
“People with nothing to hide don’t usually feel the need to say so.”
Nach den adrenalingeladenen Folgen der ersten Staffel ist es nun Zeit, dass Ruhe einkehrt. „The Walking Dead“, hier noch unter Frank Darabont („Die Verurteilten“), geht in die zweite Runde. Von vielen als langweiligste Staffel der Serie verschrien, wollte ich dem mal selbst auf den Grund gehen.
Frisch aus Jenners kollektivem Selbstmordversuch entkommen, stößt Ricks Gruppe gleich auf das nächste Problem. Auf einem blockierten Highway droht eine riesige Zombiehorde die ohnehin schon stark dezimierte Gruppe zu überrollen. Letztlich finden sie Unterschlupf auf einer großen Farm, die sehr bald zum Siedepunkt für tief sitzende Konflikte werden wird.
Was auf den ersten Blick auffällt: Das Budget wurde erhöht. Die Maskeneffekte unter der Leitung von Greg Nicotero wurden ausgeweitet und der CGI-Einsatz wurde verbessert und minimiert. Die Serie bekommt einen schöneren, eigenständigen Look, der zwar noch immer nicht Genreprimus ist aber durchaus ordentlich abliefert. Der körnige, leicht entsättigte Farbfilter passt perfekt zum kargen Umland von Atlanta und der langsam schwindenden Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Was Staffel 2 jedoch deutlich interessanter macht, als die Vorgängerstaffel, ist die wachsende politische Dimension. Dargestellt durch Shane, Dale und Rick, wird oftmals die große Frage nach der Menschlichkeit gestellt, die in solch einer Situation überhaupt möglich ist. Misstrauen zerreißt die Gruppe, die Demokratie droht einer Diktatur zu weichen. Die Frage ist nur: Was ist in Ricks Situation überhaupt die richtige Wahl? Wie weit kann man in dieser Welt seine Empathie bewahren, ohne sein eigenes Leben zu gefährden. Dale als klares Standbein der Demokratie und Shane als Anhänger eine reaktionären, zutiefst auf das Überleben ausgerichteten, Ideologie. Rick steht irgendwo dazwischen und steht letztlich in einem schlimmen Dilemma.
„The Walking Dead“ wird hier charakterorientierter. Das zeigt klare Stärken der Serie auf aber bringt auch Schwächen mit sich. Bei dem stärkeren Fokus werden zum Beispiel eindeutige Schwächen in der Zeichung von Charakteren wie Lori, Carl oder Andrea klar, die mit ihren Handlungen selten nachvollziehbar agieren. Manche neuen Charaktere werden nicht einmal richtig eingeführt. Die Stärken überwiegen aber durchaus: Kongenial von Jon Bernthal („Daredevil“) verkörpert, wird allein Shanes Präsenz oft zu einer Zerreißprobe für die Nerven des Zuschauers. Seine unberechenbare Person wirkt wie ein Katalysator für die ohnehin aussichtslose Situation.
Noch immer schöpft die Serie nicht ihr ganzes Potential aus, kommt aber verdammt nah dran. Die Konflikte innerhalb der Gruppe werden nachvollziehbar und geben den Ton an, statt ständig von synthetischen „Spannungsmomenten“ unterbrochen zu werden. „Staffel 2“ traut es sich zu als Charakterdrama zu funktionieren und nutzt die fiktive Umgebung um größere menschliche Konflikte auf kleinsten Raum einzudampfen. Das ist nicht nur hochinteressant, sondern kommt durchaus nah an George Romeros ursprüngliche Zombiefilme heran.
„The world we knew is gone, but keeping our humanity? That's a choice.“
Über Denis Villeneuve braucht man eigentlich kaum noch Worte zu verlieren. Mit „Prisoners“ hat sich der Kanadier in die Herzen der Kinogänger katapultiert und mit „Sicario“ einen festen Platz ergattert. Mit „Enemy“ zeigte er sich auch von seiner experimentellen Seite und darf jetzt sogar mit dem „Blade Runner“-Sequel in empfindliche Gefilde vordringen. Jetzt aber erst einmal „Arrival“. Lückenfüller oder vielleicht noch ein Meisterwerk?
Dr. Louise Banks (Amy Adams) ist eine weltbekannte Linguistin und wird Teil eines weltverändernden Ereignisses, als plötzlich zwölf Alien-Raumschiffe auf der Erde landen. Als begnadete Vertreterin ihres Fachs, soll sie eine Kommunikation mit dieser außerirdischen Lebensform ermöglichen und herausfinden ob die Landung feindlichen oder friedlichen Ursprungs ist.
So weit, so simpel. Bereits mit seiner Prämisse entfernt sich „Arrival“ recht weit vom durchschnittlichen Invasionsfilm der 80er und frühen 90er. Vielmehr geht Villeneuve Richtung „Contact“ und fokussiert sich stark auf die Andersartigkeit der fremden Lebensform und den Umgang der Charaktere damit.
Amy Adams ist ein wahrer Glücksgriff und gibt hier wohl die beste Performance ihrer Karriere ab. Sie unterstreicht die seltsam-melancholische Stimmung des Films nicht nur, sie macht sie weit über die Leinwand spürbar. Da verschmerzt man auch locker mal die eher geringe Bandbreite eines Jeremy Renner, der hier eher als Stichwortgeber fungiert.
Melancholie ist auch der springende Punkt. Visuell wie auch inhaltlich, schafft „Arrival“ eine höchst ungewöhnliche Mischung aus Melancholie und Hoffnung. Villeneuves Film ist im Kern in richtiger Hippie-Film. Eine Ode an die weltweite Zusammenarbeit und das friedliche Arbeiten mit gemeinsamem Fokus. Wie fragil dieser kurze, friedliche Moment aber sein kann, das spiegelt sich in der traumhaften, fast sakralen Stimmung wieder, die durch zahlreichen Totalen auf die Leinwand übertragen wird. Auch in der Wissenschaft ist Zusammenarbeit schwierig und letztlich wird nicht nur die Kommunikation mit den Aliens wichtig, sondern vor allem innerhalb der Weltmächte. Wieder einmal droht ein Charakter in einem Film von Villeneuve zum Spielball der Situation zu werden (siehe „Sicario“) und könnte mit Amy Adams kaum besser besetzt sein.
Dieser ständige Zustand der Unsicherheit, die menschliche Angst vor dem Fremden, macht „Arrival“ trotz seinem extrem gedrosselten Tempo zu einer unheimlich spannenden Erfahrung.
Äußerst interessant ist auch die narrative Struktur des Films. Anders als die vorigen Filme von Villeneuve wagt sich „Arrival“ an eine äußerst eigentümliche Erzählweise, die sich am Ende nicht nur mit der Optik, sondern auch mit der eigentlichen Handlung deckt. Leider wäre jedes Details zu viel ein massiver Spoiler. Man sollte jedenfalls mehrfach über die finalen 20 Minuten nachdenken, bevor man das Ganze als kitschig abtut.
Am Ende bleibt mir nur zu sagen, dass „Arrival“ der bisher beste Film von Denis Villeneuve geworden ist. „Arrival“ bildet eine optische und inhaltliche Einheit, die ihresgleichen sucht und vertritt zudem einen friedlichen Gedanken, der momentan aktueller nicht sein könnte. Ein Film über den Wert der Kommunikation in wunderschöne Bilder gegossen, der dem Zuschauer zutraut auch selbst denken zu können.
„Remember what happened to the aborigines. A more advanced race nearly wiped them out.“
Von George Romero geboren, durch Italien zur Massenware geworden und letztlich wieder versunken, ist das Zombie-Genre passenderweise einer der häufigsten Wiedergänger des Kinos. Seit einigen Jahren befinden wir uns wieder in einer neuen Zombie-Phase, gestartet durch die Verfilmung von Robert Kirkmans Graphic Novels „The Walking Dead“. Aber wird die Serie diesem Einfluss überhaupt gerecht?
Rick Grimes (Andrew Lincoln) traut seinen Augen kaum. Frisch aus einem längeren Koma aufgewacht, ist die Welt untergegangen. Überall Leichen, zerstörte Gebäude und zu allem Überfluss: Zombies (hier „Walker“ genannt). Inmitten von diesem Alptraum muss Rick aber schnell etwas lernen, was George Romero bereits 40 Jahre zuvor verlautbaren ließ: Der Mensch ist schlimmer als jeder verfaulte Untote.
Für Genre-Veteranen dürften sich hier zunächst kaum große Neuigkeiten bieten. Ricks Suche nach seiner Familie und die Dynamik innerhalb der Gruppe ist Stoff, den man bereits mehrfach so gesehen hat. Schön ist es nur, dass die Serie unter Showrunner Frank Darabont („Die Verurteilten“, „Der Nebel“) auch Anstalten macht die längere Laufzeit zu nutzen, um mehr emotionale Tiefe zu schaffen.
Man merkt der ersten Staffel das geringe Budget an. Immer wieder lodern billige CGI-Feuer im Hintergrund und Sets werden mehrfach recycelt. Hinzu kommt eine Optik die definitiv auf durchschnittlichem TV-Niveau bleibt und selten Ausreißer wagt. Lichtblick sind hier sicherlich die kongenialen Maskeneffekte von Altmeister Greg Nicotero („Phantasm II“, „Nightmare on Elm Street 5“), die immer wieder für Staunen meinerseits sorgten.
Wenn man aber diese, sicher nicht unwesentlichen, Fehler aber mal kurz beiseite räumt, war „The Walking Dead“ 2010 durchaus ein Novum. Man kann sich gut in die Apokalypse hineinversetzen und bekommt einen spannenden Einblick in das Leben nach der großen Katastrophe. Auch wenn die Charaktere größtenteils eher Stereotypen darstellen, hat man sich schnell in sein Herz geschlossen und fiebert ordentlich mit.
Vor allem in Sachen Action zeigt sich die erste Staffel als erstaunlich kreativ und hat vor allem innerhalb von Atlanta einige nervenzerfetzende Sequenzen zu bieten. Zudem darf man sich selbst als Genre-Kenner auf die ein- oder andere Überraschung gefasst machen.
Was ich an dieser ersten Staffel vor allem schätze, ist die Ambition. „The Walking Dead“ macht sich Mühe in der Charakterisierung seiner Welt und gibt Rick Grimes Reise eine ungewöhnliche Dynamik, die vor allem in den letzten Folgen wirklich gut funktioniert. Hinzu kommt ein ganzer Haufen an sympathischen Charakteren und wirklich gut gemachten Thrill und schon kann man die eher mäßige Optik und diverse Klischees verziehen. Nein, die erste Staffel „The Walking Dead“ ist beileibe nicht perfekt aber sie hat mit 6 Folgen ein gutes Tempo und dürfte für jeden Genre-Fan durchaus einen Blick wert sein.
Man mag sich die Bürde kaum vorstellen können. Anknüpfen an die Jugendfilme einer ganzen Generation, die Fans nicht wütend machen und trotzdem etwas Eigenständiges erzählen. Melken, dabei aber cool wirken. Kann man das überhaupt schaffen?
Newt Scamander (Eddie Redmayne) ist Tierforscher. Aus Hogwarts geflogen, bei seinen Mitmenschen eher als Wunderling bekannt und mit einem überbordenden Wissen über magische Tierwesen ausgestattet, stattet er nun New York einen Besuch ab. Als ob es ein Engländer nicht ohnehin schwer genug in New York hätte, kommt es gleich zu Beginn zu einer folgenschweren Verwechslung, die den seltsamen Muggel Jacob (Dan Fogler) oder den finsteren Auroren Percival Graves (Colin Farell) auf den Plan rufen.
Gleich zu Beginn merkt man J.K. Rowlings Liebe am eigenen Universum. Man fühlt sich sofort zu Hause, ohne gleich mit Fanservice überschüttet zu werden. Vielmehr macht sich Rowlings Schreibe subtil bemerkbar. Der schrullige Slapstick-Humor, die obskuren Einfälle und das offensichtliche Interesse an den Charakteren. Dinge, die man zwischen all' dem Blockbuster Retorten-Humor der letzten Jahre vermisst hat. „Fantastic Beasts“ fühlt sich gut an, denn man hat Lust eine Geschichte mit den Protagonisten zu erleben.
Da kommt auch gleich ein zweiter Faktor hinzu. David Yates neuer Ausflug ins Potter-Universum spielt ganze 70 Jahre vor den Ereignissen der Potter-Romane. Bis auf kleinere Erwähnungen finden die altvorderen Charaktere keinen Weg in die neue Welt. Eine mutige, wie dankbare Geste, die „Fantastic Beasts“ ziemlich eigenständig erscheinen lässt. Der Film schafft seine ganz eigene Magie aus der ungewöhnlichen Zeitepoche und der puren Fülle an seltsamen Kreaturen.
Was mich besonders überrascht hat, ist der Wille, den düsteren Ton der späteren Teile beizubehalten. „Fantastic Beasts“ ist zwar grundsätzlich leichtfüßig unterwegs, traut sich aber auch schwierige Themen heran, die ebenfalls in den „Harry Potter“-Filmen eine Rolle spielten. Die Motivation des Antagonisten wirkt somit bedeutend glaubwürdiger als jede hingerotzte Motivation der Weltübernahme. Trotz interessanter Motive wie Rassismus und Klassenkampf treibt „Fantastic Beasts“ dennoch oft an der Oberfläche und traut sich selten tiefer in düstere Themengebiete. Aufgrund des Anspruchs Familienunterhaltung zu sein, ist das aber absolut verständlich.
Einer Krankheit konnte David Yates wohl diesmal aber trotzdem nicht ausweichen: Dem übertriebenen Chaos. „Fantastic Beasts“ ist immer dann großartig, wenn er sich nicht in heftigstem CGI-Eskapismus verfängt, wenn man Rowlings großartige Schreibe bemerkt und sich langsam in die Macken der Figuren verliebt. Natürlich ist CGI für die bloße Vielfalt an Wesen in Newts Koffer notwendig, das Finale war dennoch stellenweise zu nah an einem generischen Marvel-Blockbuster um nicht etwas die Stimmung zu dämpfen.
Aber genug gestänkert, denn „Fantastic Beasts“ gehört zu den Guten. Der Film ist berstend voll mit motivieren Darstellern, die sichtlich Spaß an der Sache haben und den Figuren das nötige Leben verleihen. Jedes Bild des Films sprüht vor liebevollen Details und alles möchte und darf gerne ins Herz geschlossen werden. Alles ist neu und doch irgendwie vertraut. Ich war endlich wieder von einer Fantasy-Welt gefesselt und wollte mehr darüber erfahren.
Es macht schlicht Spaß wieder ein kleines Abenteuer in diesem Universum zu erleben. Ein Abenteuer bei dem es ausnahmsweise nicht mal um die Rettung der Welt geht, sondern oftmals einfach um den Inhalt eines Koffers. Mit James Newton Howards wunderschönem Soundtrack und liebenswerten, neuen Charakteren in Petto, hat man wirklich das Gefühl wieder nach Hause zurückgekehrt zu sein.
"We're going to recapture my creatures before they get hurt. They're currently in alien terrain surrounded by millions of the most vicious creatures on the planet; humans."
Die Haut fühlt sich fahl und rissig an, der Mund ist gefüllt mit astreinem Kneipen-Geruch und die Haare hängen verfilzt in der Gegend herum. Der Rausch ist vorbei, der stechende Schmerz fängt erst an. Nachwehen wie diese sorgen normalerweise für eine gesündere Verteilung des Feierverhalten. Anders bei Tina (Carolyn Genzkow), denn bei ihr dürfte ein Kater noch das geringste Problem sein.
Irgendwo zwischen wummernden Beats und flackerndem Licht hat Tina etwas verloren. Etwas scheint ihre innere Sicherheit entrückt zu haben und stürzt sie nun in den freien Fall. Als der Nachtmahr in ihr Leben eindringt, scheint es um ihren Verstand eher düster auszusehen. Psychiater, Eltern und Umfeld scheinen keine Lösung zu finden. Was hat es mit dem kleinen, grauen Wesen auf sich und wo kann Tina letztlich zwischen Realität und Delirium unterscheiden.
Wie man bereits an der Inhaltsbeschreibung gemerkt haben dürfte ist es schwer „Der Nachtmahr“ einzuordnen. Akiz Film ist eine seltsame Mischung aus Coming-Of-Age Drama und waschechtem Horrorfilm. Richtig einordnen lassen will sich der Film aber auch gar nicht.
Zunächst einmal gefällt mir „Der Nachtmahr“ als Szene-Portrait. Abseits von Tinas durchaus dramatischem Werdegang, ist die Partyszene zwischen 18 und 25 sehr gut getroffen. Natürlich aus meiner, rein subjektiven, Perspektive. Die Teens und Twens tragen schwarze, labbrige Kleidung, gefeiert wird erst im Morgengrauen und Hygiene ist spätestens nach dem dritten Tag des Wochenendes kein Thema mehr. Schluss mit der klinischen Party-Realität anderer Genre-Filme, „Der Nachtmahr“ ist ganz am Boden angekommen. Dieser ruppige Realitätsgrad lässt die fiebrigen Schnittmontagen mit lauten Industrial-Sounds sogar noch vereinnahmender wirken.
Ohnehin ist „Der Nachtmahr“ ein audiovisuelles Meisterstück. Akiz Film erfindet eine ganz eigene Bildsprache inspiriert von Refn aber auch rauer Videoclip-Ästhetik früher „Prodigy“-Musikvideos. Die weitwinklige Verfolger-Kamera, wahlweise mit Fisheye ausgestattet, entwickelt eine nicht zu verachtende Sogwirkung.
Inmitten von Chaos, extremer Lautstärke und geistigem Delirium hat der Film zudem noch eine feinfühlige Geschichte über Kontrolle zu bieten. Was bedeutet es Kontrolle über seine Realität zu verlieren und wie viel Kontrolle ist gesellschaftlich überhaupt konform? „Der Nachtmahr“ schwankt in seiner Charakterisierung vom albtraumhaften Störenfried bis zum deutschen „E.T.“. Die Beziehung zwischen Tina gewinnt eine ganz besondere Textur auch durch die qualitative Hochwertigkeit der Darstellung des Nachtmahrs selbst. Die geschickte Mischung aus Puppe und CGI wirkt in den seltensten Momenten künstlich und fügt sich meist perfekt in die halbdunkle Szenerie ein.
Wenn es „Der Nachtmahr“ schafft den Zuschauer mit in seinen Strudel zu ziehen, dann kann man sich der Wucht kaum entziehen. Für einen Film von derart niedrigem Budget, entfaltet der Film äußerst effektive Aspekte des Dramas und bohrt sich auch in Sachen Horror immer wieder tief in mein Unterbewusstsein. Akiz macht Tinas geistige Verfassung fühlbar und sichtbar. Psychologische und physiologische Realität vereinen sich hier und machen „Der Nachtmahr“ zu einer anstrengenden wie anregenden Erfahrung. Kinetisches, fiebriges Horror-Drama, welches man aus Deutschland so nicht erwartet hätte. Auf jeden Fall ein Meinungsspalter, ich verbleibe tief begeistert.
Ich kann mich der harschen Kritik an der ewigen Wohlfühl-Formel des Sundance-Festivals nicht wirklich anschließen. So gefiel mir „Me & Earl & The Dying Girl“ ausgesprochen gut und „The Skeleton Twins“ steht auch recht weit oben auf meiner Liste. Ich bin dem Rezept von Sundance wohl verfallen. Der folgende Kommentar sei also mit Vorsicht zu genießen.
Hank (Paul Dano) ist gestrandet. Mitten im Nirgendwo genießt er seine letzten Atemzüge und lässt die Schlinge langsam seinen ausgedörrten Hals umschließen. Kurz bevor er die den letzten Sprung wagt, wird eine kleine, unscheinbare Person am Ufer angeschwemmt. Wie vom Blitz getroffen verwirft Hank seinen Plan und merkt schnell, dass die unbekannte Person bereits verstorben ist. Trotzdem ist das kein Hindernis, denn Leiche Manny (Daniel Radcliffe) hat weit mehr auf dem Kasten, als es sich Hank je erträumen könnte.
Was bekommt der Zuschauer hier eigentlich geliefert? Im Prinzip erzählt „Swiss Army Man“ zunächst nur eine sehr seltsame Adaption einer klassischen Survival-Story im Stile von „Cast Away“. So mutiert Manny nicht nur zu einer äußerst hilfreichen Stütze in der unwirtlichen Natur, sondern auch zu einem unschätzbaren Freund inmitten der Einsamkeit.
Ohne Daniel Radcliffe würde „Swiss Army Man“ ohnehin sein Herz und seine Seele verlieren. Der kleine Engländer haucht Manny die nötige Mischung aus Tod und Leben ein, um seine Leiche eben glaubwürdig zu machen. Klingt komisch, ist aber so. Die Chemie zwischen ihm und Paul Dano sucht ihresgleichen und erhebt „Swiss Army Man“ locker aus dem Morast einer durchschnittlichen Wohlfühl-Produktion.
Es ist tatsächlich das Zusammenspiel der beiden Protagonisten, auf welches wir uns hauptsächlich konzentrieren sollten. „Swiss Army Man“ wartet vor allem zum Ende hin zwar immer wieder mit äußerst originellen Ideen auf, wird zwischendrin aber durchaus geschwätzig und zunehmend etwas uninteressant. Auch wenn die Dialoge im Allgemeinen wirklich toll gespielt sind, wiederholen sich manche Themen dann doch recht oft. Wie oft muss ich denn noch darauf hingewiesen werden, dass Hank nicht in die normale Welt passt, weil er doch so anders ist?
Ich bin immer dann glücklich, wenn die Beziehung zwischen Manny und Hank weiter ergründet wird, wenn die Säfte kochen und die Funken sprühen. „Swiss Army Man“ ist dann großartig, wenn Paul Dano verliebt in Radcliffes Augen sieht und aus dem bloßen Überleben eine necrophil/homoerotische Liebesgeschichte wird.
Über das Anderssein, hat „Swiss Army Man“ nicht wirklich viel zu sagen. Vielmehr handelt er die gängigen Plattitüden ab. Zumindest in Dialogform. Was den Kommentar der beiden Regisseure aber zu einem ausgewachsenen, liebenswerten Film macht, ist die ehrliche Chemie der beiden Hauptdarsteller unter den eigenartigsten Bedingungen. Beide geben eine ehrliche, beeindruckende Performance ab, die an Toleranz, Liebe und das Leben glauben lässt und im genialen Kontrast zu einer äußerst tragischen Geschichte steht. „Swiss Army Man“ ist im positiven, wie im negativen Sinne ein äußerst seltsamer Film. Mich hat er erreicht und ziemlich glücklich gemacht.
„But maybe everyone's a little bit ugly. Yeah, maybe we're all just ugly, dying sacks of shit and maybe all it'll take is one person to just be okay with that.“
Wenn Fortsetzungen aus dem Hause Pixar anstehen, dann ist die heile Welt in Aufruhr. „Die Monster Uni“ erfreute sich keiner sonderlich großen Beliebtheit, „Cars 2“ wurde weitgehend belächelt, lediglich die Fortsetzungen von „Toy Story“ wurden mit Freude entgegengenommen. Kann also ein Sequel zum Pixar-Hit „Findet Nemo“ überhaupt funktionieren? Immerhin sind 13 Jahre vergangen.
Während in der realen Welt 13 Jahre vergangen sind, siedeln die Regisseure Andrew Stanton und Angus MacLane ihren Film einen Monat nach den Vorkommnissen des Erstlings an. Ruhe ist in Marlin, Nemos und Dories Welt eingekehrt. Alles scheint in bester Ordnung zu sein, bis Dorie sich langsam an ihre Eltern zu erinnern beginnt. Dories impulsiver Natur entsprechend, ist sofort klar, dass sie ihre Suchte direkt starten muss. Aufgrund ihrer geistigen Limitierungen dürfte dieses Unterfangen aber schwieriger werden als von ihr erdacht.
Um einige Selbstverständlichkeiten erst einmal aus dem Weg zu schaffen:
„Findet Dorie“ ist grandios animiert und platzt fast vor kleinen, liebevollen Details. Die Optik ist zwar, dem Produktionsjahr entsprechend stark verbessert, folgt aber dennoch dem Stil des Vorgängers und fügt sich makellos in dessen Welt ein. Die Sprecher sind ebenfalls hochmotiviert und verleihen den Fischen nicht weniger Leben als in „Findet Nemo“. Hinzu kommen viele neue Charaktere wie zum Beispiel der Oktopus Hank, die sich nie falsch anfühlen sondern Dorie, Nemo und Co. wunderbar ergänzen.
Zunächst war ich mir nicht sicher, ob ich Dorie als Hauptcharakter mögen würde. Ihre schnellebige, aufgedrehte Art hat wunderbar als Comic-Relief funktioniert, drohte aber als Protagonist schnell langweilig zu werden. Auch wenn ich manchmal Recht behalten durfte, hat mich „Findet Dorie“ dennoch zu großen Teilen vom Gegenteil überzeugt. Nicht nur die Flashbacks in Dories Vergangenheit sind herzzerreißend schön geraten, auch die erwachsene Dorie bekommt innerhalb des Films eine glaubwürdige, fast tragische Note.
Auch wenn sich „Findet Dorie“ ein wenig zu oft dem Klamauk hergibt, ist auch dieses Pixar-Werk an einer erwachsenen Geschichte interessiert. So ist Dories Reise nicht nur die Suche nach ihren Eltern, sondern auch die Suche nach ihrem eigenen Verstand. Das mag kitschig klingen, ist aber subtil verpackt und im Finale wunderschön visualisiert. Immer wieder erlaubt sich der Film Einblicke in Dories vernebelte Welt und versichert damit einmal mehr, warum Pixar seit jeher einen Platz in meinem Herz verdient hat. Während „Findet Nemo“ für Toleranz plädierte und Marlins Angst vor der Außenwelt zum Dreh- und Angelpunkt größerer Probleme machte, ist „Findet Dorie“ ein ehrlicher Liebesbrief an das Bauchgefühl und kindliche Naivität.
Am Ende kann „Findet Dorie“ zwar nie ganz die Raffinesse des Erstlings erreichen, stellt sich aber dennoch als überaus gelungenes, eigenständiges Werk heraus. Statt eine bloße Nacherzählung des Erstlings zu sein, ist „Findet Dorie“ erneut eine liebevolle Mischung aus erwachsenen Fragestellungen und kindlichem Slapstick. Hin und wieder überwiegt die bunte Dauerbeschallung und treibt damit Kerben in die glänzende Oberfläche, nur um dann aber wieder durch wundervolle Momente ausgeglichen zu werden. Erneut wird Pixar seine Devise „Plot vor Optik“ gerecht und liefert einen unterhaltsamen wie berührenden Film ab.
What if I forget you? Would you ever forget me?
Als im Jahre 1999 „Blair Witch Project“ erschien, wurde die Genre-Welt erschüttert. War dieser Film etwa echt, sind Heather, Josh und Mike wirklich verschwunden? Die damalige Marketing-Kampagne ist bis heute eines der leuchtenden Beispiele für virales Marketing. Selbst mit Talenten wie Adam Wingard („The Guest) an Bord, dürfte es schwer werden diesen Hype in das neue Jahrtausend zu übertragen.
Aus „The Woods“ ist nun also „Blair Witch“ geworden. Den unsäglichen Nachfolger „Book of Shadows“ ignorierend, knüpft „Blair Witch“ nun ca. 20 Jahre später an die Handlung des Erstlings an. Heathers kleiner Bruder James ist nun ein erwachsener Mann und macht sich ebenfalls nach Burkittsville um seine verschollene Schwester zu suchen. Doof nur, dass die Hexe von Blair dort noch immer ihr Unwesen zu treiben scheint.
Anders als man es von Simon Barrett und Adam Wingard vielleicht erwartet hätte, geht man hier tatsächlich eher auf Nummer Sicher als das seltsame Meta-Experiment des Sequels. Große Teile der Handlung von „Blair Witch“ bewegen sich in gewohnten Gefilden, nutzen nur zusätzlich die erweiterten technischen Möglichkeiten. So hat diese Gruppe zum Beispiel eine Drohne dabei, sowie Ohrclip-Kameras mit astronomisch hoher Auflösung. Das geht sogar so weit, dass man „Blair Witch“ aufgrund der hochwertigen Bilder selten wirklich die Mockumentary-Herkunft ansieht. Das kann man schlecht aber auch gut finden, kreativ geht Wingard allemal mit dem neuen Equipment um.
Auch die Mythologie wird hier sinnvoll weitergesponnen. So ist der Wald von Burkittsville dieses Mal eher eine Art Vorhölle und damit undurchdringlicher und gruseliger geraten, als ich es mir vorher erwartet hätte. Auch der Cast gibt sich sichtlich Mühe, wobei leider Corbin Reid als Ashley einige herbe Schnitzer in die Glaubwürdigkeit reißt. Gerade in extrem angespannten Momenten sorgt gerade Ashley eher für Fremdscham als für die extra Portion Angst. Insgesamt macht der Cast einen guten Job, überrascht aber auch nicht durch herausragende Leistungen. Im Genre ist das aber durchaus ein Pluspunkt.
Leider ist auch „Blair Witch“ im Zuge der „BlumHouse“-Qualitätsoffensive zu einem Jumpscare-Budenzauber mutiert. Statt auf ehrlichen Grusel zu setzen, wird der Zuschauer gerade zu Beginn mit lauten Geräuschen bombardiert, die mich mit der Zeit richtig genervt haben. Vor allem ist das Timing eher dürftig geraten, was den Gruselfaktor zu Beginn zu einer eher flachen Nummer verkommen lässt. In dieser Hinsicht ist „Blair Witch“ zwar modern geraten, rudert aber mit dieser Entscheidung zielgenau an meinem persönlichen Geschmack vorbei.
Ohnehin erscheint die Handlung seltsam gehetzt. Während ich im Original noch Zeit hatte, mir die wildesten Theorien im Kopf zu spinnen, nimmt mir „Blair Witch“ die Arbeit komplett ab und präsentiert mir auf Kurz oder Lang Antworten zu jeder einzelnen Frage. Schluss mit dem Mysterium, wir können ja einfach alles zeigen.
Im Finale wird „Blair Witch“ aber dann doch wieder effektiv. In den letzten 20 Minuten besinnt sich der Film auf deine eigentlichen Qualitäten und liefert eine nasskalte, angespannte Atmosphäre, die fast alle Register zieht. Hier sieht man das Potential, welches in „Blair Witch“ gesteckt hätte, wenn Wingard weniger Wert auf die Befriedigung des „Paranormal Activity“-Publikums gelegt hätte.
„Blair Witch“ ist im positiven, wie auch im negativen Sinne eine Modernisierung des „Blair Witch“-Mythos. Eine gehetzte Handlung und billige Jumpscares treffen auf einige großartige Ideen und ein ziemlich starkes Finale. Ich denke, dass da weit mehr drin gewesen wäre und genau das hat man leider auch echt gemerkt. „Blair Witch“ verkommt somit durch seine extreme Zielgruppenorientierung zur Randnotiz. Das mag finanziell Sinn ergeben, ist aber einem Adam Wingard nicht würdig.
"The guy who uploaded this video said it was from a tape he found in the Black Hills woods. I think that might be my sister."
Nach einigen Highschool-Klamotten, einer Polit-Komödie und einem selbstreferenziellen Katastrophenfilm wagt sich Seth Rogen nun, folgerichtig, an das Genre des Animationsfilms. Mit den Animationsfilm-Veteranen Greg Tiernan (Thomas die Lokomotive) und Conrad Vernon (Madagascar 3) kann da eigentlich nichts mehr falsch laufen, oder?
Frank ist eine Wurst. Seit einer gefühlten Ewigkeit schon wünscht er sich zwischen die prallen Hälften der schönen Brenda. Das kann aber nur passieren, wenn er endlich von einem Menschen gekauft wird. Als seine große Reise in die Menschenwild aber letztlich beginnen soll, muss er die schreckliche Wahrheit erfahren. Statt sein ewiges Glück zwischen Brothälften zu erfahren, ist er dem Tode geweiht. Als er den Rest des Supermarkt-Inventars aber erklären möchte, dass da etwas nicht stimmt, stößt er auf taube Ohren.
„Sausage Party“ ist nun also Rogens erster Animationsfilm. Für Kinder ist das aber trotzdem nichts, denn hier wird geflucht, gekifft und gevögelt, was das Zeug hält. Wie in jedem anderen Rogen-Film eigentlich. Und wie in jedem anderen Rogen-Film sollte man dringend Rauschmittel konsumiert haben, um von der bloßen Bandbreite an kindischen Obszönitäten nicht erdrückt zu werden. „Sausage Party“ ist eine seltsame Mischung aus einer Ode an die Toleranz, einem ausgelutschten Gag und ehrlicher, liebevoller Kreativität.
Dieser Film sprüht nur vor skurrilen Einfällen. Nicht, dass die Grundprämisse schon skurril genug wäre, Rogen gelingt es tatsächlich die knapp 90 Minuten mit genug Leben zu füllen. Der Supermarkt bietet genügend Abwechslung um über bloßes Kurzfilm-Niveau herauszuwachsen, was ich nach dem Trailer nicht erwartet hatte. Hinzu kommt ein plumper aber ungemein sympathischer Einsatz gegen Rassismus, für Gleichheit und einen globalen Zusammenhalt.
Dass Rogen-Filme gerne mal tief in die Toilette greifen, das ist man ja gewohnt. Gerade in der schrillen Welt von „Sausage Party“ fällt es aber besonders auf. Statt sich auf die zentralen Ideen zu konzentrieren, verfällt der Film immer wieder in die Untiefen einer endlosen Repetition von Ausdrücken, die nie zu enden scheint. Manche Auswüchse in dieser Richtung sind in „Sausage Party“ absolut genial und finden besonders in der totalen Übertreibung ihre humoristische Spitze, das bügelt aber leider nicht die vollkommen Überstrapazierung diverser Ausdrücke wieder. Vor allem weil im Mittelteil gefühlt jeder zweite Witz extrem pubertär und plump geraten ist.
„Sausage Party“ ist ein greller, lauter Film, der in seinem kleinen Universum funktioniert. Rogen präsentiert sich einmal mehr als ein kindgebliebener Stoner mit leicht politischen Ambitionen und einem übertriebenen Hang zu pubertärem Humor. Das ist immer mal wieder richtig lustig aber manchmal auch eher zu fremdschämen. So hat „Sausage Party“ einige starke Lacher und aberwitzig-kreative Momente aber ist dennoch am Ende ein weniger geniales Vergnügen, als ich es mir eigentlich erhofft hätte.
„You're all alive and looking at me with your... with your gloves and your... your little shoes, and your arms and your legs...“
Es ist ja mittlerweile nicht mehr sonderlich überraschend, wenn ein Horrorfilm ein reales Ereignis als Vorlage nimmt um Angst und Schrecken zu verbreiten. Während Tobe Hooper in „Texas Chainsaw Massacre“ noch die texanische Farmer-Krise als Vorbild nahm, krallt sich Xavier Gens („Hitman“) die Unruhen in Paris um 2005.
Als sich einige junge Erwachsene die Unruhen in Paris zu Nutze machen und 125.000 € inmitten des Chaos mitgehen lassen, ahnen sie noch nicht vom kommenden Unheil. Gerade noch inmitten eines erbitterten Kampfes zwischen Linken und Rechten, fahren sie aufs Land um ihre Beute brüderlich zu teilen (oder so). Aber wer kann ahnen, dass ihre Herberge von Ultra-Rechten betrieben wird, die vor nichts zurückschrecken?
Xavier Gens „Frontier(s)“ wurde kurz nach seiner Veröffentlichung schnell als integraler Teil der französischen Terrorfilm-Welle angesehen. Meist wird Gens Film in einem Atemzug mit „Inside“, „Martyrs“ und „High Tension“ genannt. Und das zu Recht. „Frontier(s)“ ist beinhartes, unmoralisches Terrorkino.
Es ist schon erstaunlich, welchen Effekt eine Politisierung eines solchen Filmes haben kann. SO manchem Zuschauer stößt dieser Fakt extrem bitter auf und sorgt für unbändigen Hass, manche mögen diese bösartige Ausrichtung in unsere reale Welt. Ich empfinde Gens Film als ultrabrutalen, waschechten Exploiter, der bereit ist jede Grenze zu überschreiten.
Um „Frontier(s)“ zu mögen, muss man bereit sein Horror als ein großes Spektrum zu betrachten. Wie Stephen King das einmal schön zusammengefasst hat:
„The 3 types of terror: The Gross-out: the sight of a severed head tumbling down a flight of stairs, it's when the lights go out and something green and slimy splatters against your arm. The Horror: the unnatural, spiders the size of bears, the dead waking up and walking around, it's when the lights go out and something with claws grabs you by the arm. And the last and worse one: Terror, when you come home and notice everything you own had been taken away and replaced by an exact substitute. It's when the lights go out and you feel something behind you, you hear it, you feel its breath against your ear, but when you turn around, there's nothing there...“
Gens Film ist der pure Gross-Out. Ein über alle Maßen kranker Film voller Hass und ohne einen Funken Hoffnung. Während das durchschnittliche amerikanische Final Girl eine Tortur durchleben muss, muss das französische Final Girl durch die buchstäbliche Hölle auf Erden. Gens dreht die Terrorschraube derart unnachgiebig, dass mein Magen mehrfach Sprünge gemacht hat. „Frontier(s)“ ist zwar nicht wirklich die feine Form des Horrors, dafür aber nicht unbedingt weniger effektiv.
Wenn man schon immer auf eine asoziale, französische Antwort auf „Texas Chainsaw Massacre“ gewartet hat, dann wird man hier fündig. Die Nazi-Familie von der Grenze ist ganz klar an Tobe Hoopers Horror-Meisterwerk orientiert und steht deren Wahnsinn in fast nichts nach. Wer Lust auf eine etwa 100 Minütige Achterbahnfahrt voller Brutalitäten hat, der wird hier fündig. Wer jedoch bereits nach „Hostel“ die Schnauze voll hatte, der sollte einen großen Bogen machen. Ich bewundere Gens angsteinflößende Konsequenz und begebe mich gerne in derartige Abgründe herab. Da übersehe ich auch gerne mal die verpassten Möglichkeiten innerhalb des Plots.
Da ist er nun endlich. Rob Zombies neuester Film. Erstmals frei von den fesseln größerer Studios, ist dieser Film nun weitgehend über Crowdfunding finanziert. Sehe ich jetzt endlich einen komplett entfesselten Rob Zombie?
Als ein paar Zirkusleute mitten in der texanischen Pampa entführt werden, trauen sie ihren Augen nicht. Sie sind mitten in ein teuflisches Spiel geraten, welches sich „31“ schimpft. Kommentiert von drei skurrilen Moderatoren (darunter Malcolm McDowell), werden sie nach und nach von psychopathischen Clowns massakriert. Das Ziel ist fortan nur noch überleben, in diesem Falle eine schwer zu meisternde Aufgabe.
Wieder einmal sind wir angekommen in Rob Zombies Land der Kettensägen, Rednecks und klaffenden Wunden. Bereits in den ersten Minuten feuert Zombie mit Genre-Zitaten um sich, dass die Hütte wackelt. Die große Liebe zum Genre, die ihn bisher zu einem der erfrischensten Regisseure seines Faches gemacht hat, könnte hier aber erstmals zum Verhängnis werden. Nie wurde seine ungehemmte Begeisterung für 70er-Exploitation deutlicher als in diesem Film. Über allem liegt die dicke Staubschicht aus „Texas Chainsaw Massacre“, die Farbpalette bedient sich immer wieder bei Lucio Fulci Werken und selbst die Dialoge scheinen aus ein und derselben Mottenkiste zu stammen. Was dabei fehlt? Die Eigenständigkeit.
Man kann nicht behaupten, dass zum Beispiel „Haus der 1000 Leichen“ eine sonderlich originelle Story gehabt hätte, nein. Dennoch hatte man mit der Firefly-Family eine überzeugend-abstoßende Reihe von Antagonisten geschaffen, die mir bis heute im Kopf geblieben sind. In „31“ dürfte sich lediglich Richard Brakes „Doom-Head“ in mein Gedächtnis brennen. Statt wirklich Spannung zu erzeugen oder etwas gehaltvolles zu erzählen, scheint Zombie eher ein „Best-Of“ seiner eigenen Werke zu feiern. Alles was man an der rohen Brutalität von „The Devils Rejects“ zu schätzen wusste, wandert auch hier in den Topf. Nur irgendwie ohne Charakter. Als hätte sich Zombie sein Erfolgsrezept angesehen und lediglich gedreht, was man von ihm erwartet. So wird „31“ trotz seiner überbordenden Gewalt zu einer ziemlich mutlosen Angelegenheit.
Auch der Cast scheint dieses Mal mit weniger Elan bei der Sache gewesen zu sein. Sheri Moon scheint nun endgültig die Nase voll zu haben von ihrer Standard-Rolle und spult lediglich ihre altvordere Nummer ab. Einzig McDowell und Brake scheinen noch Lust auf den Film zu haben. Diejenigen sind auch die Retter vor dem Totalausfall. Sobald Doom-Head in Erscheinung tritt, kommt auch endlich wieder ein Gefühl von Terror auf, mit welchem Zombie sich auch zu Recht einen Namen gemacht hat. So werden zumindest Anfang und Ende des Films zu einer ziemlich vergnüglichen Sache. Schade nur, dass der Mittelteil derart uninspiriert geworden ist, dass man sich lediglich an den relativ kreativen Gewaltakten entlanghangeln muss.
Das kann Rob Zombie besser, viel besser. Während Filme wie „Halloween II“ oder „Lords of Salem“ Mut bewiesen und sogar kontrovers diskutiert wurden, geht „31“ auf Nummer sich und ist im Endeffekt nichts weiter als blutiger Fanservice. Das darf auch mal sein, ist auch ziemlich kurzweilig geraten, bildet aber ganz klar den bisherigen Tiefpunkt in Zombies sonst so interessanten Werk. Die kommende Unrated-Fassung dürfte für dennoch einen Blick wert sein, denn die wird in Sachen Gewalt sicher noch eine ganze Schippe drauflegen.
„I should apologize in advance for not sharpening this thing.“