Roldur - Kommentare

Alle Kommentare von Roldur

  • 7
    über Tschick

    Als ich im Jahr 2010 den Roman „Tschick“ gelesen habe, war ich hin und weg. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon aus dem Alter der Jungs in „Tschick“ heraus war, fühlte ich mich verstanden und auch irgendwo aufgehoben in dieser verschrobenen, von pubertären Gedanken bestimmten Welt. Dass man nun Fatih Akin („Gegen die Wand“) an das Material herangelassen hat, hat mich besonders gespannt gemacht.

    Maik (Tristan Göbel) ist ein kleiner, blasser Außenseiter mit fettigen, langen Haaren und einer fast schon obsessiven Liebe zur Klassenschönheit Tatjana. Als dann der seltsame Tschick (Anand Batbileg) in Maiks Leben tritt und Tatjana ihm keine Einladung zu ihrem Geburtstag gibt, gerät Maiks bisheriges Leben aus den Fugen. Statt bei seiner Traumfrau zu landen, landet er zusammen mit Tschick in einem geklauten Lada und ist auf dem Weg in die Walachei.

    Man hätte für „Tschick“ kaum einen passenderen Regisseur als Fatih Akin wählen können. Der gebürtige Hamburger ist ein Meister in kantigem deutschem Kino und schafft meistens die Gratwanderung zwischen gespielter Coolness und kindischem Klamauk. „Soul Kitchen“ war 2009 ein leuchtendes Beispiel dafür, dass auch Deutschland schwarzen Humor beherrscht und dabei sogar gelegentlich in die Weiten des Slacker-Films abdriftet.
    Genau dieser liebevolle Hang zur Anarchie wohnt auch „Tschick“ inne. Akin zeigt seine Charaktere mit Fehlern aber ohne diese dafür bloßzustellen. Viele eher ist Maiks Dasein als Außenseiter ein notwendiger Schritt in sein erwachsenes Leben. In seinen besten Momenten zeigt „Tschick“ eine ungemeine Liebe zu jugendlicher Naivität und unreflektiertem Tatendrang.

    Man könnte „Tschick“ vorwerfen ähnlich wie Oskar Roehlers Filme zu sein. Komplett auf hip gebürstet, ohne über eine inhaltliche Rechtfertigung nachzudenken. In diese Richtung macht auch „Tschick“ ganz klar Fehler, jedoch ohne komplett darin zu versinken.
    Man merkt Akins Film an, dass er gerne Seite an Seite mit „Trainspotting“ und ähnlichen Generationenportraits stehen möchte. Maiks Off-Kommentar ist in seiner zynischen Abgebrühtheit damit auch eher ein Störfaktor als wirklich ein großes Plus für den Film. Immer wieder Gerät der Film damit in eine unangenehme Grauzone, in der auch mal Fremdscham angesagt ist.

    Das ist tatsächlich ein Faktor, der einem Film locker mal das Genick brechen kann. Oftmals, gerade gegen Anfang, drohten gerade längere Szenen mit Maik auch in diese Ecke abzurutschen, bis dann Tschick auftritt. Jungschauspieler Batbileg ist derart gut gecastet, dass mir als Romankenner die Spucke wegblieb. Als hätte man den Charakter direkt von den Seiten in die Realität übertragen, bringt Batbileg den hochsympathischen Grundtenor von Tschick haargenau auf die Leinwand. Letztendlich entspringen den vielen Momenten mit Tschick auch Akins größte Stärken.

    Wenn Isa, Maik und Tschick im See baden gehen, Maik langsam seine Sexualität entdeckt und Isa mit einer schmutzigen Kiste nach Prag fährt, entwickelt „Tschick“ eine Energie und Schamlosigkeit, die man lange nicht mehr in deutschen Jugendfilmen bewundern durfte. Klar, immer wieder ist das Schauspiel etwas ungelenk und immer wieder wirkt der Film in seiner Dramaturgie zu abgekürzt, dennoch hat „Tschick“ das Herz am rechten Fleck und hat mich genau da getroffen, wo mich 2010 schon der Roman vom Hocker gerissen hat. „Tschick“ ist ein kleiner, rotzfrecher Film, der sich gerne auch mal „Jugendfilm“ nennen darf.

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    • 8

      2013 startete Fede Alvarez unter denkbar schlechten Voraussetzungen in die Filmwelt. Sein Debut sollte ausgerechnet ein Remake eines heißgeliebten Klassikers werden. Und siehe da: Sein „Evil Dead“ war energetisch, wunderschön in Szene gesetzt und die perfekte Darstellung eines Klassikers im modernen Gewand. Nun kehrt Alvarez also für seinen zweiten Film zurück und wieder einmal hat er Jane Levy im Gepäck.

      Die jungen Erwachsenen Money (Daniel Zovatto), Alex (Dylan Minette) und Rocky (Jane Levy) kommen alle aus eher dürftigen familiären Verhältnissen. Einbruch für Einbruch wollen sie sich eine bessere Zukunft verschaffen und den Traum von einem besseren Leben in Los Angeles verwirklichen. Als Rockys Freund Money dann die Information bekommt, dass 300.000 Dollar im Haus eines blinden Kriegsveteranen begraben liegen, werden sofort die ersten Pläne geschmiedet. Nur hätte niemand damit gerechnet, dass der Blinde (Stephen Lang) sich weitaus besser verteidigen kann als erwartet.

      Bereits in den ersten Minuten bemerkt man, dass Alvarez sich noch immer auf seine bereits in „Evil Dead“ erprobte Bildsprache verlässt. Auf beeindruckende Weise fängt die fliegende Kamera modrige Räume und nächtliche Szenerien ein, die dadurch viel schöner wirken als man es überhaupt erwartet hätte. Auch wenn „Evil Dead“ weit bunter geraten ist als jetzt „Don't Breathe“, besitzt letzterer dennoch eine durchaus vielfältige Farbpalette und ist weitaus mehr als ein bloßer, farbentsättigter Brei. Obwohl „Don't Breathe“ sich hauptsächlich innerhalb eines Hauses abspielt, darf er also dennoch eine faszinierende Optik sein Eigen nennen.

      Hinzu kommt das Zusammenspiel der Darsteller. Auch wenn ich die klischeehafte Darstellung von Money eher kritisch sehe, funktioniert der Rest tadellos. Rocky ist die perfekte Mischung aus verletzlich und gewitzt. Während man sich sonst gerne mal bei Horror-Protagonisten an die Stirn fassen muss, handelt Rocky meist so, wie man es in einer solchen Situation erwarten würde. Alex als moralische Instanz ist auch ziemlich effektiv geraten und bietet einen schönen Kontrast zum grob gezeichneten Money.
      Aber egal wie großartig Jane Levy als Rocky ist, Stephen Lang ist das Highlight des Films. Der sonst eher als Nebendarsteller gecastete 64-Jährige New Yorker hat eine Präsenz die ihresgleichen sucht. Er besticht nicht nur durch seine furchterregende Physis, sondern schafft es selbst mit bloßen Bewegungsabläufen schieren Panik zu erzeugen. Obwohl der Blinde im Film extrem wortkarg ausfällt, schafft es Lang, dass wir ihn einerseits richtig furchteinflößend und gleichzeitig als bemitleidenswert empfinden.

      „Don't Breathe“ hat in seinen 88 Minuten eine beinharte Spannungskurve inne. Alvarez drückt genau die richtigen Knöpfe um keinerlei Langeweile aufkommen zu lassen und orientiert sich eindeutig (und dazu noch erfolgreich) an Hitchcocks Thriller-Meisterwerken. Mit kreativen Einfällen und wummerndem Score hält „Don't Breathe“ tatsächlich was der Titel verspricht und kreiert atemberaubend spannenden Thrill auf engstem Raum. Zwischenzeitlich hätte man im Kino eine Stecknadel fallen lassen können.

      Wer Lust hat, seine Nerven mal wieder richtig zerfetzen zu lassen, der kommt um „Don't Breathe“ kaum herum. Alvarez beweist erneut, was für ein fähiger Genre-Regisseur er ist und manövriert Jane Levy mal wieder durch die Hölle auf Erden. Selbst diejenigen, die den neuen „Evil Dead“ zu blutig fanden, dürfte „Don't Breathe“ etwas sein, da sich Alvarez diesmal eher auf die Grundlagen seines Könnens besinnt und pure Spannung liefert. Unterm Strich hat „Don't Breathe“ außer leicht schwammiger Charakterzeichnung kaum Mängel aufzuweisen und ist unbedingt empfehlenswert.

      "You would be surprised what a man is capable of once he realizes there is no god."

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      • 6 .5

        Wann gab es eigentlich zuletzt einen guten Hai-Film? Seit Steven Spielbergs „Jaws“ scheint sich im Genre kaum etwas getan zu haben. Außer der unsäglichen Flut an Hai-“Trash“ wie „Sharknado“. Nun traut sich Horror-Veteran Jaume Collet-Serra („Orphan“) an das schwierige Thema heran.

        Nancy (Blake Lively) hat ihr Medizinstudium geschmissen, weil sie in ihrem bisherigem Leben zu ersticken drohte. Nach dem Tod ihrer Mutter ist ihre Kämpfernatur verloren gegangen. Zur Selbstfindung plant sie einen Surf-Trip um dort endlich einmal ihre Seele baumeln zu lassen. Dumm nur, dass sie bereits nach kurzer Zeit in einem Jagdgebiet des berüchtigten weißen Hai gelandet ist.

        Man muss ein Freund des Exploitation-Kinos der späten 70er und frühen 80er sein, um Collet-Serras Film mit der richtigen Einstellung zu begegnen. Oder wohl in der Lage sein auch einmal zwei Augen zuzudrücken. Denn „The Shallows“ ist alles Andere als ein hoch realistischer Survival-Trip. Vielmehr ist Serra an der Attraktion interessiert. Seien es die hanebüchenen Einfälle rund um Quallen und Wal-Tran oder lange Shots auf Blake Livelys knapp bekleideten Körper, „The Shallows“ bringt alles mit, was man einem ordentlichen Reißer erwarten würde. Man muss eine Ader für derartigen Blödsinn haben, um den Film zu mögen.

        Auch ansonsten hat „The Shallows“ einen recht eingängigen Stil. Der Zuschauer landet schnell in der Handlung und wird über knappe 85 Minuten selten gelangweilt. Da vergisst man auch schnell mal Livelys limitiertes Schauspiel oder die pseudo-trendingen Social-Media Einschübe. Der Film kommt einfach zum Punkt und schießt niemals ungelenk über sein eigentliches Ziel hinaus. Als ein großer Freund von der Fließbandarbeit eines Lucio Fulci („The Beyond“), kann ich darüber eben nicht meckern.

        Ja, „The Shallows“ hat viele Ecken und Kanten. Er kehrt sich eher weniger um Logik und ruht sich im Mittelteil etwas zu sehr auf Livelys Figur aus. Dafür hat er aber einen sympathischen Sinn für dick übertriebene Spannungsmomente und eine wirklich schöne Optik. „The Shallows“ ist blutige Unterhaltung in kleinem Format und ist damit genau der richtige Feierabend-Snack, wenn man mal grade Lust auf Meeresfrüchte hat.

        "It's okay... No sharks come here"

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        • 4

          Fanservice, Universen-Bildung und Teaser-Clips. Was hat „Batman v Superman“ letztendlich zerstört? War es vielleicht Zack Snyder selbst oder waren es die Bosse hinter „DC“? Fragen, die man sich nach dem Film stellen musste. Fragen, die man sich nach „Suicide Squad“ leider wieder stellen muss.

          Harley Quinn (Margot Robbie), Deadshot (Will Smith), Killer Croc (Adewale Akinnuoye-Agbaje) , Enchantess (Cara Delivingne), Captain Boomerang (Jai Courtney) und Diablo (Jay Hernandez) haben eines gemeinsam: Sie sind Bösewichte. Die bösesten der Bösen. Das sagt Amanda Waller (Viola Davis) zumindest die ganze Zeit. Da wir dann wohl was dran sein, denke ich. Jedenfalls soll diese Truppe von Gangstern jetzt die Welt retten, als eine uralte, böse Macht die Welt pulverisieren möchte.

          Wie gern würde ich jetzt schreiben, dass „Suicide Squad“ genau der bunte, entfesselte Neon-Aptraum geworden ist, den man sich nach den Trailern erhofft hatte. Dass die genialen Action-Sequenzen von glaubwürdigen Charakteren und einem nachvollziehbaren Handlungsstrang unterstützt sind. Leider ist das nicht möglich, denn es wirkt so, als man hier im Schnitt schon wieder alles heftigst zerfahren.
          Angefangen mit nervig-aufdringlichen Verweisen auf den kommenden „Justice League“-Film, bis hin zu offensichtlichen Nachdrehs, die die innere Kohärenz des Films total zu zerstören drohen. Hier schmerzt es aber für mich besonders schlimm, da ich David Ayer sehr mag und sein Talent immer wieder offensichtlich durch die Dunkelheit schimmert. Denn verdammt, der Cast ist gut aufgelegt und Robbie und Smith sind sogar richtig super. Da verzeiht man sogar gerne mal die extrem dümmlichen One-Liner, die ohnehin ein Markenzeichen von Ayer zu sein scheinen.

          Die Gruppe funktioniert wunderbar zusammen, obwohl der Plot das nicht wirklich unterstützt. Immer wieder werden Szenen angefangen und nicht zu Ende geführt. Plötzlich sieht man sich am Ende einer zusammengeschweißten Gruppe von Freunden gegenüber, ohne jemals eine Rechtfertigung erhalten zu haben. Durch den überbordenden Drang alle zufriedenzustellen, ist aus „Suicide Squad“ eine dampfende Masse an Fan-Referenzen, unnötigem Build-Up und Musikvideo geworden. Es ist nahezu unmöglich hier einer richtigen Handlung zu folgen, da die wohl irgendwo im Schnittprozess auf den Boden gefallen zu sein scheint.

          Dann wäre da noch Jared Letos Joker und Cara Delivingnes Enchantress als Antagonistin. Von leto sieht man einfach wirklich zu wenig um seine Performance überhaupt richtig zu bewerten. Gegen seinen Look habe ich nichts einzuwenden und hoffe in Zukunft auf mehr Screentime. Da wäre sicherlich mehr drin gewesen. Über Delivingne muss man eigentlich kein Wort verlieren, denn ihre Leistung erstreckt sich lediglich über eine Anzahl an seltsamen Zuckbewegungen und einer fremdartigen Sprache.

          Das klingt ja alles schrecklich? So schlimm ist es nicht. Denn in „Suicide Squad“ kommt selten mal Langeweile auf. Was vor allem daran liegt, dass Ayer ein toller Action-Regisseur ist, der Soundtrack wirklich vom Feinsten ist und der Cast sichtlich Spaß bei der Sache hat. Man kann sich also durchaus an den 3-4 Szenen im Mittelteil erfreuen, die das ganze Potential von „Suicide Squad“ ans Licht bringen. Vielleicht bekommen wir ja auf Bluray eine spaßige Version, denn die hier setzt sich leider zwischen alle Stühle.

          „This is the deal: You disobey me, you die. You try to escape, you die.You irritate or vex me... and guess what? You die.“

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          • 6
            Roldur 05.08.2016, 11:57 Geändert 05.08.2016, 11:58

            Was haben alle geschrien. Von der unsäglichen Gender-Debatte, bis hin zum unbeliebtesten Trailer auf ganz YouTube. Was davon jetzt inszenierter Skandal ist und was nicht, das sei mal dahingestellt. Aber um wirklich zu wissen ob „Ghostbusters“ jetzt das Desaster ist, was vor Release proklamiert wurde, dafür musste ich den Film schon selber sehen.

            Wir schreiben das Jahr 2016. Die Ereignisse um 1984 mit Venkman, Stantz und co. sind nie passiert. Aus ihrem Job verbannt, sieht Wissenschaftlerin Erin Gilbert (Kristen Wiig) nun die Möglichkeit bei ihrer ehemals besten Freundin Abby Yates (Melissa McCarthy) unterzukommen. Die ist mittlerweile mit ihrer Kollegin Jillian Holtzmann (Kate McKinnon) im Bereich der Geisterbekämpfung unterwegs. Zeit also aus dem holprigen Startup-Unternehmen einen florierenden Betrieb zu machen. Da kommt es also ganz gelegen, dass ausgerechnet jetzt eine Geister-Apokalypse in New York ausbricht.

            Man kann ja von Paul Feig halten was man will, seine Anzüge sitzen meistens. Der exzentrischen Angetraute von Melissa McCarthy hat hier also Regie geführt und sicher auch maßgeblich von der Kontroverse profitiert. Was wäre der neue „Ghostbusters“ nun ohne den ganzen Skandal gewesen? Viele bescheinigen dem Film eine schnelle Reise in die Vergessenheit ohne das ganze Medienspektakel. Aber ist da was dran?
            Zuallererst ist „Ghostbusters“ eine harmlose, kleine Komödie. Er ist ganz klar auf den bloßen Profit ausgerichtet und ist alles andere als originell. Aber mal ehrlich: Wer hat denn hier eine selbstlose Independent-Produktion erwartet? Feig melkt die Cashcow vollkommen ungeniert und wirft mit hirnlosen Zitaten und Cameos um sich, bis die Balken schon längst gebrochen sind. Angefangen mit einem lustlosen Bill Murray (ach, schon wieder?) bis hin zu einem komplett überflüssigen Ozzy Osbourne. Aber das hätte wir ja ohnehin alle erwartet, oder?

            Die große Frage scheint mir eher der Cast zu sein. Funktionieren McCarthy, Kinnon, Wiig und Jones so gut wie Murray, Aykroyd, Ramis und Hudson? Das ist schwer zu beantworten.
            Der neue Cast ist tatsächlich sympathisch geworden. McCarthy hat angenehm wenige Zeilen mit Körperfett-Witzen und Leslie Jones durfte hauptsächlich im Trailer die lautstarke Proletin mimen. Abgesehen von Kate McKinnon, die gelegentlich nervt, ist der Cast eine sympathische Truppe, die wirklich Spaß bei der Sache zu haben scheint. Die Chemie stimmt und der Humor rutscht selten in den peinlichen Sandler-Bereich ab. Problematisch wird’s nur, wenn Feig ganz offensichtlich Impro-Szenen eingebaut hat, denn die wirken oftmals wie ein hin- und herwerfen von billigsten Kalauern. Die Verwendung dieser Szenen hält sich aber eher in Grenzen.

            Großes Highlight ist übrigen Chris Hemsworth als Dummerchen Kevin, der ganz klar eine sexistische Offensive gegen das männliche Geschlecht darstellen soll. Aber mal ganz abgesehen davon, dass ich mich hier in meiner Männlichkeit nicht angegriffen fühle, ist Hemsworth locker der beste Gag-Lieferant des Films.

            Abgesehen davon, dass „Ghostbusters“ tatsächlich auch mit der ein- oder anderen gelungenen Action-Sequenz aufwarten kann, ist der Film einfach eine gelungene Sommer-Komödie. Würde man den Film nicht der Leichenschändung bezichtigen, wäre er einfach als das gesehen worden, was er ist. Eine kindgerechte Comedy mit einem gut aufgelegten Ensemble und angenehm naivem Humor, der aber auch gerne mal mit übertrieben vielen Popkultur-Referenzen nervt. Weit entfernt davon ein Desaster zu sein wie z.B. „Dirty Grandpa“ aber auch weit entfernt vom galligen Zynismus des ersten „Ghostbusters“.

            "I'm just looking for a reasonable ratio of wontons to soup, this is madness!"

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            • 6
              über Genius

              Brooklyn in den frühen 30er Jahren. New York ist dahingerafft von der großen Depression, lange Schlangen vor Essensausgaben dominieren die Straßen und dicke Rauchschwaden bleiben weiterhin stille Denkmale des Industriezeitalters. Mitten in diesem unwirtlichen und verarmten New York steht ein wild gestikulierender Mann, der soeben einen Roman von 5000 Seiten verfasst hat. Sein Name ist Thomas Wolfe (Jude Law) und er ist der Protagonist von „Genius“.

              Im Wesentlichen ist „Genius“ ein Film über die Beziehung zwischen Wolfe und seinem Lektor Max Perkins (Colin Firth). Regisseur Michael Grandage versucht uns dem überbordenden Wesen von Wolfe in 100 Minuten näher zu bringen, als man es bisher getan hat. „Genius“ behandelt die zerfallende Liebe Wolfes zu seiner Frau und den fast schon krankhaft extremen Umgang mit Sprache.

              „Genius“ ist ein Film voller Fehler. Ein Film dem man das geringere Budget ansieht und letztlich auch ein Film, der seinen Spannungsbogen nicht wirklich halten kann. Bereits die ersten 20 Minuten machen es dem Zuschauer unglaublich schwer in die Materie einzusteigen. Wer ist dieser Wolfe eigentlich? Muss ich den nervigen Vogel wirklich 2 Stunden aushalten? Warum fahren die Leute auf derart pathetische Zeilen ab? Fragen über Fragen.
              Fakt ist, dass man mit Colin Firth und Jude Law zwei wirkliche Naturgewalten an Bord hat. Wenn man sich auf die seltsame Art Wolfes eingeschossen hat, dann entwickelt sich aus „Genius“ stellenweise ein wundervolles Beziehungsdrama. Dabei bietet Firth einen glaubwürdigen, melancholischen und geerdeten Gegenpol zu Wolfes brüllendem Wahnsinn. Während die beidem sich immer mehr lieben lernen, wird auch der Zuschauer schwer auf die Probe gestellt. Während Perkins eher in die Handlung zieht, vermag es Wolfe den Zuschauer total abzustoßen. Wobei diese Sympathieverteilung auch durchaus wechseln kann. Eine der größten Stärken von „Genius“.

              Unerwähnt lassen sollte man dabei auch Guy Pearce nicht, der in seinen wenigen Szenen als F. Scott Fitzgerald („The Great Gatsby“) brillieren darf. Er portraitiert den späteren, erfolglosen Fitzgerald mit herzzerreißender Genauigkeit und transportiert viel Drama durch bloße Gestik. Trotz kurzer Screentime dürfte er locker die beste Darstellung im ganzen Film sein.

              Leider gibt es aber auch eine andere Seite der Medaille. Zum Beispiel Aline Bernstein (Nicole Kidman). Kidman ist grandios fehlbesetzt und zerstört ganze Szenenkomplexe mit ihrer überkandidelten Darstellung. Ihr Charakter ist so einseitig böse und neidvoll, dass sie fast wie eine Comicfigur inmitten von echten Personen wirkt.
              Hinzu kommen die mäßigen Sets. Man kann in „Genius“ nahezu jeden Übergang in den „Green-Screen“ erkennen. Die Statisten verhalten sich oftmals unnatürlich und nehmen damit vielen Szenen die Textur und damit auch die Glaubwürdigkeit. Durch den überbenutzten Grauton wirken die meisten Bilder auch alles andere als lebendig. Optisch wirkt „Genius“ wie eine TV-Produktion. Auch der Soundtrack variiert kaum mal seine fünf Klaviertasten.

              Wenn man an einem gut gespielten Biopic interessiert ist und/oder sich für den Prozess des Lektorats interessiert, dann ist man mit „Genius“ gut bedient. Der Film bietet in seinen Hauptrollen sehr gute Darsteller und gibt sich viel Mühe für die Charakterisierung der Einzelnen. Abseits davon hat der Film leider nicht viel zu bieten und kämpft vor allem mit dem mäßigen Look der Produktion. Hätte „Genius“ nicht seine Protagonisten, dann würde er schnell in ein bodenloses Loch fallen. Aber Law und Firth sind ja da.

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                Roldur 25.07.2016, 18:16 Geändert 25.07.2016, 18:18

                Man kann mich in Sachen Film mit einer Taktik sehr leicht in Begeisterung versetzen. Wenn man die 80er aufleben lässt. Auch wenn ich in diesem Jahrzehnt nie gelebt habe, liebe ich viele Filme aus ebendieser Zeit. Der unbeschwerte Einsatz von Kitsch, das naive Draufgängertum und die überbordende Benutzung von Musik. Eine Dekade, die mir Filme wie „E.T.“, „Stand By Me“, „The Thing“ oder auch „Halloween“ geschenkt hat, eine Dekade die die Duffer-Brüder jetzt mit „Stranger Things“ wieder aufleben lassen. Allein bei der Ankündigung habe ich so einige Tränchen vergießen können. Aber kann die Serie meinen Erwartungen gerecht werden?

                Als der kleine Will Byers (Noah Schnapp) nach einem gemütlichen „Dungeons & Dragons“-Abend auf dem Heimweg verschwindet, gerät die Kleinstadt aus den Fugen. Nicht nur Wills Mutter Joyce (Winona Ryder) sondern auch Chief Jim Hopper (David Harbour) und Wills beste Freunde Dustin (Gaten Matarazzo), Mike (Finn Wolfhard) und Lucas (Caleb McLaughlin), machen sich auf den Weg um den verschwundenen Jungen zu finden. Als sich dann noch Gerüchte um ein Monster verdichten und der Geheimdienst sich mit einmischt, ist die Verwirrung perfekt.
                Es ist ja momentan schon ziemlich im Trend eine Hommage an die 80er zu kreieren. Angefangen mit dem Neon-Kino eines Nicolas Winding Refn bis hin zu Genre-Perlen wie „Cold in July“. Das kann mal richtig genial sein oder eben auch richtig in die Hose gehen. Bei „Stranger Things“ ist zu meinem Glück Ersteres der Fall.

                Garniert mit einem phantastischen Soundtrack und Bildern wie aus alten Filmen eines John Carpenters, zieht mich „Stranger Things“ sofort in seinen Bann. Die Kinder scheinen wie aus den „Goonies“ entsprungen und versetzen mich sofort in ihre jugendliche Welt voll mit Abenteuer, Angst und dümmlichem Witz. Es gilt die Welt zu entdecken, selbst unter diesen grausamen Umständen. Durch ihr glaubwürdiges Spiel und die Dynamik innerhalb der Gruppe, kann man sich wunderbar mit der Situation identifizieren und sieht den Grusel schneller aus der Sicht eines Kindes, als ich es vorher hätte vermuten können.

                Aber Dustin, Mike und Lucas sind mit Abstand nicht die einzigen liebenswerten Charaktere. Da wäre einmal Chief Hopper, der David Harbour mal in ganz neuem Glanz zeigt. Statt einen ekelhaften Bösewicht, darf er dieses Mal einen grummeligen Polizisten mit dem Herz am rechten Fleck mimen. Und von Winona Ryder als Joyce Byers oder Millie Bobby Brown als Eleven brauche ich eigentlich nicht einmal mehr anfangen. Ms. Ryder gibt hier ihre beste Performance seit Jahren und wertet die Serie mit ihrer puren Präsenz enorm auf. Und letztlich Millie Bobby Brown, die zum Dreh erst 11 Jahre alt war, brilliert in ihrer Rolle regelrecht. Trotz ihrer, rollenbedingt, sehr geringen Sprachfähigkeit, drückt sie durch bloße Blicke mehr aus, als es so mancher Dialog jemals könnte. Zudem besitzt sie die spannendste Charakterentwicklung von allen.

                Die Mischung aus oftmals subtilem Grusel und ernsthaftem Interesse an seinen Charakteren, macht „Stranger Things“ zu einem großartigen Serienerlebnis. Leichtfüßig versetzen uns die Duffer-Brüder zurück eine Dekade, die man so lebendig lange nicht mehr gesehen hat. Und dennoch besitzt „Stranger Things“ genügend Eigenständigkeit um kein Plagiat zu sein. Vielmehr wirkt die Serie als wäre sie durch eine Zeitmaschine direkt zu uns gekommen. Sie bringt alle Stärken einer klassischen King-Erzählung mit, verinnerlicht die kindliche Liebenswürdigkeit eines „Goonies“ und schockt wie Carpenter zu seinen besten Zeiten. Und am Ende dürfen dann auch gerne mal die Tränen rollen.

                Wer irgendwie auf das Kino der 80er abfährt, sich irgendwie gerne wieder kindlich fühlt, gerne Rätsel löst oder seinen Sinn für klassischen Grusel nicht verloren hat, der kann, nein der muss, „Stranger Things“ sehen. Ich habe selten so viel Liebe für eine Serie empfunden.

                „Maybe I am a mess. Maybe I’m crazy. Maybe I’m out of my mind! But, God help me, I will keep these lights up until the day I die if I think there’s a chance that Will’s still out there!“

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                  Was passiert, wenn man einen ehemaligen „Fast & Furious“ Regisseur an eine Serie lässt, die vormals für ihre langsame, eher philosophische Art bekannt war? Nicht viel, würde manch' einer nach J.J. Abrams Eingriff in die populäre Reihe sagen. Ob da was dran ist?

                  Als die Enterprise auf eine Aufklärungsmission durch einen Nebel fahren muss, ahnt die Crew noch nichts von ihrem Unheil. Frisch im Orbit eines fremden Planeten angekommen, wird ihr Schiff schon in handliche Stücke zerschnitten. Als dann auch noch Krall (Idris Elba) auftaucht, ist die Kacke aber ordentlich am dampfen.
                  Gleich zu Beginn dürfte der geneigte Zuschauer eines bemerken: Justin Lin ist tatsächlich für kinetisches Kino bekannt.

                  Hier fliegt die Kamera nur so durch die Sets. Bei diesem Gewusel wäre selbst Sam Raimi vor Neid erblasst. Manchmal funktioniert diese Art der Kameraführung außerordentlich gut für eine Szene, manchmal aber auch nicht. Beim dritten Spin um eine Szenerie kommt auch irgendwann mal der Mageninhalt nach oben. Vor allem dann, wenn man den Film komplett in 3D sieht.

                  Viele loben den neuen „Star Trek“ für seinen „kleineren“ Ansatz und seine größere Wertschätzung der Charaktere. Das würde ich so nicht sagen. Tatsächlich haben wir es hier zwar nicht mit einem intergalaktischen Konflikt zu tun, die Charaktere schaffen es aber trotzdem in der hyperaktiven Action unterzugehen. Wenn Spock und Pille Witze reißen und Scotty währenddessen einer weißen Außerirdischen Avancen macht, geht viel Charakter doch eher an plumpe Lacher verloren. Zudem wirken viele Verhaltensweisen der Protagonisten doch eher comichaft, als wirklich durch die Situation gerechtfertigt. Selbst Idris Elba als Krall wirkt ziemlich verschenkt in Anbetracht seines schauspielerischen Könnens.

                  „Beyond“ ist ein zweischneidiges Schwert. Zum Einen hat er einige wirklich fantastische Actionszenen und einen famosen Einsatz seines Soundtracks, zum Anderen fühlt er sich aber auch an wie ein beliebiger Marvel-Blockbuster. Wer also eher Lust auf einen bunten, schnellen und lauten Actionfilm hat, der sollte „Beyond“ dringend eine Chance geben. Wer nicht, der sollte sein Geld sparen.

                  Die Besorgten Fans dürfen sich meiner Meinung nach betätigt fühlen. „Star Trek“ hat sich hier von einer gemächlichen Serie zu einem röhrenden und lauten Action-Kracher entwickelt. Weil ich auf kurzweilige Action stehe, habe ich damit kein Problem. Ich sehe aber durchaus, dass das viele hassen könnten. Zuletzt sei bemerkt, dass ich von der TV-Serie wenig Ahnung habe und mich deshalb eher auf die neue Reihe und ein paar ältere Filme beziehe.

                  "We got no ship, no crew, how're going to get out of this one?"

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                  • 2 .5

                    „American, Fuck Yeah! Comin' again to save the motherfuckin' day yeah!“

                    Amerika ist einfach verdammt geil. Das hat Roland Emmerich schon vor Jahren kapiert und feiert seitdem fast jährlich aufs Neue ein patriotisches Fest. In „Independence Day 2“ rettet Amerika erneut die Welt vor grimmigen Aliens. Dieses Mal aber ohne Will Smith.

                    20 Jahre sind vergangen und die Welt hat globalen Frieden erreicht. Durch einen gemeinsamen Feind konnten alle Länder sich zu einer globalen Allianz zusammenschließen. Durch die alten Alien-Waffen hat die Menschheit sogar einen Quantensprung in der Technik hingelegt. Alles läuft granatenstark, bis die Aliens zurückkommen. Die haben jetzt ein noch größeres Raumschiff dabei und wollen noch mehr Städte in Staub verwandeln. Es ist also dringend an der Zeit David Levinson (Jeff Goldblum) und Ex-Präsident Whitmore (Bill Pullman) zu reaktivieren.
                    Seit meine jungen Augen das erste riesige Raumschiff aus Emmerichs Original „Independence Day“ erblickten, war es um mich geschehen. Ab sofort waren Aliens mir runden UFOs meine Schwachstelle und konnten nur sehr schwer bei mir durchfallen. Da kam ein zweiter Teil also wie gerufen, um meinen Kompass wieder richtig einzunorden.

                    „ID2“ ist ein Machwerk. Das sollte jetzt einmal vorweg gestellt werden. Es ist erschreckend, wie kalt mich dieser Film gelassen hat. Emmerich versenkt jedweden Funken von Potenzial in einem Wust aus fünf Drehbuchautoren und Lawinen von CGI. Nicht dass das CGI schlecht wäre, das ist es ganz und gar nicht. Nur sollte man zwischen all' der Zerstörung auch Menschen haben, die einen etwas interessieren. Die neue Charaktere gespielt von Maika Monroe, Liam Hemsworth und Jessie T. Usher sind auf ganzer Linie misslungen. Dabei ist Maika Monroe eigentlich eine großartige Darstellerin.

                    Selbst Bill Pullman und Jeff Goldblum können die Chose nicht aus dem Schlamm ziehen, denn die beiden wirken, als ob sie grade mal kurz für ihren Check vorbeigeschneit wären. Goldblum wirkt wie eine Parodie auf seinen Charakter aus dem Original.
                    Um die Katastrophe aber zu komplettieren, schmeißt Emmerich noch mit platten Durchhalteparolen um sich, entfesselt mit dem reanimierten Dr. Okun (Brent Spiner) einen Dampfhammer-Humor und spickt seinen Film mit Logiklücken, die ein Kind vermeiden könnte. Wenn man sich also über all' diese Dinge geärgert hat, dann ist es einem auch herzlich egal, ob grade jemand London zu Brei verarbeitet. Die Protagonisten sind ohnehin damit beschäftigt währenddessen unpassende Witze zu reißen.

                    Ich will damit nicht sagen dass der Erstling von „Independence Day“ ein Meisterwerk gewesen wäre. Auch der hat mit starker Überlänge gekämpft und peinliche Sprüche durch die Luft geballert aber der hatte nicht dieses schwerfällige Gefühl einer misslungenen Nummernrevue. Die Charaktere waren mir nicht egal und ich habe mitgefiebert als Goldblum das Mutterschiff zerstören sollte. Bei diesem Film habe ich lediglich am Ende etwas Spaß gemacht, als der ganze Schwachsinn sich zu einer großen Peinlichkeit kulminierte und zu einem trashigen CGI-Spaß wurde. Das finale ist derart mies, dass man daraus schon sehr viele Lacher ziehen kann. Leider taugt „ID2“ sonst für nichts.

                    "We convinced an entire generation, that this is a battle that we could win. We sacrifice for each other no matter what the cost. And that's worth fighting for."

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                      Seit „Only God Forgives“ scheint es echt schick zu sein, Nicolas Winding Refns Filme richtig schlecht zu finden. Ich habe das bisher nicht geschafft und hatte auch mit „Only God Forgives“ eine großartige Kinoerfahrung. Ob sich diese Tradition auch in „The Neon Demon“ fortsetzen kann?

                      Jesse (Elle Fanning) hat ihre Eltern verloren und versucht sich nun in der glitzernden Hölle von Los Angeles. Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Schönheit, versucht sie sich an der Model-Industrie. Dort angekommen trifft sie auf wenig Gegenliebe und droht vom Business verschlungen zu werden.

                      Wer behauptet, dass Refn keinerlei Abwechslung beherrscht, der kann sich hier erneut vom Gegenteil überzeugen. Auch wenn sich „The Neon Demon“ storytechnisch wieder stark zurückhält, unterscheidet sich die Inszenierung dennoch stark von „Only God Forgives“. Während dieser nämlich noch die vibrierenden Farben des Nachtlebens nutzte, hat sich „The Neon Demon“ vollkommen der Modephotographie verschrieben. Die Schriftart, die Inszenierung, selbst die Komposition der einzelnen Aufnahmen erinnern an ein brutales, kühles Fotoshooting. Ohnehin ist „kühl“ wieder ein Stichwort bei Refns neuem Film. Seit „Drive“ ist er sichtlich zynischer geworden und hat hier vorerst seinen finstersten Tiefpunkt erreicht.

                      Mit einer gewitzten Mischung aus Body-Horror und anregender Bilderflut, wird „The Neon Demon“ in seinen besten Momenten zu einer psychedelischen Erzählung für (fast) alle Sinne. Am besten funktioniert Refn dann, wenn er sich nicht an Dialogen versuchen muss. Gegen die vieldeutigen Bilder flachen die platten Phrasen der Protagonisten dann doch stark ab und bestärken oftmals die Vorwürfe platter Gesellschaftskritik. Aber in Anbetracht der Umstände ist das ein kleines Übel. Denn der Cast ist durchaus gelungen. Sei es mit Keanu Reeves als ekelhafter Motel-Eigentümer oder Jena Malone als undurchsichtige Managerin. Viele Szenen funktionieren allein durch die Vielfalt an Gefühlsregungen, die allein im Gesicht der Darsteller ablesbar sind. Selbst das Aussehen der Darsteller ist eiskalt kalkuliert und so ist zum Beispiel Elle Fanning die perfekte Besetzung für Protagonisin Jesse.

                      Mit viel bösem Wille könnte man Parallelen zu „Black Swan“ erkennen und „The Neon Demon“ eine flachere Handlung vorwerfen. Das halte ich jedoch für ziemlich daneben. Refn verfolgt ein ganz anderes Ziel. Sein Film ist ein erschreckend Distanzierter Alptraum, der seine flachen Aussage ein monströses Gesicht verleiht. Seine These bekommt durch seine rasiermesserscharfe Inszenierung eine verstörende Haptik, die noch lange in meinem Kopf herumgeistern wird. Refn ist nicht länger an der Schönheit interessiert, er hat sie bereits seziert und vergeht sich nun an den leblosen Überresten. Seine Welt der Mode ist verkrüppelt vor sexueller Spannung und erschreckendem Schönheitswahn. Erst wenn man die Amoral atmet, dann kann man in dieser Welt überleben. Platt? Ja. Aber mit einer Überzeugung vorgetragen, der man sich unmöglich entziehen kann.

                      Wenn ein Film schon mit den Initialen „NWR“ beginnt, die dann natürlich frappierend an „YSL“ erinnern sollen, dann weiß man, wo man hier gelandet ist. Man könnte Refn mit Leichtigkeit einen gewissen Narzissmus vorwerfen. Wenn dieser aber zu einer derart großen Zielsicherheit führt, dann kann man nur applaudieren. Denn wenn die perfekten Beats aus den leuchtenden, geometrischen Formen pumpen, während Elle Fanning langsam in der Dunkelheit verschwindet, dann vergisst man schnell, dass in „Neon Demon“ beileibe nicht alles perfekt ist.

                      „Beauty isn't everything. It's the only thing.“

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                        Wenn es etwas gibt, über das ich mich gerne beschwere, dann ist es der übereifrige Erklärbär, der gerne mal moderne Sci-Fi-Filme heimsucht. Einer meiner absoluten Favoriten „Sunshine“ hat ebendiesem Erklärbär abgeschworen und sich damit auf ewig einen Platz in meinem Herz gesichert. Jetzt versucht Regie-Meister Jeff Nichols („Take Shelter“) eine ähnliche Masche. Das kann nur gut werden, oder?

                        Normalerweise würde der geneigte Leser hier eine Inhaltsangabe finden. Da „Midnight Special“ aber einen Disziplin aus seiner Geheimniskrämerei macht, muss ich hier dieses Mal auf eine gewitzte Interpretation des Inhalts verzichten.

                        Darin, dass „Midnight Special“ ein großes Geheimnis um seine Charaktere, seinen Plot und seine Herkunft macht, liegen große Stärken aber eben auch große Schwächen. Jeff Nichols hat in seinem besten Szenen einen elegant dunklen und anregenden Film geschaffen, der mit seinen düsteren Bildern lange im Kopf bleibt. Eine seltsam-melancholische Mischung aus Endzeit-Stimmung und emotionaler Familiengeschichte. Selbst in seinem Soundtrack ist „Midnight Special“ eine verstörender Appell an die dunklen Ecken unseres Gehirns, die gerne das Unerklärliche Fassbar machen. Immer wenn ich diese Mischung aus „Midnight Special“ ziehen konnte, war ich wie elektrisiert.

                        Aber es existiert leider auch die Kehrseite der Medaille. Während „Mud“ und „Take Shelter“ noch wunderbar ohne großes Budget funktioniert haben, bricht es „Midnight Special“ atmosphärisch stellenweise das Genick. Die mittelmäßigen Effekte neigen dazu jeden Funken von Magie in wirklich wichtigen Szenen zu zerstören und lassen die esoterische Note des Films ungemein lächerlich erscheinen. Hinzu kommt das große Geheimnis um die Protagonisten. Da Nichols sich stark mit Erklärungen zurückhält, kreiert er oftmals leider auch ein charakterliches Vakuum. Wir wissen letztendlich kaum etwas über die Motivation der Protagonisten. Da kann Michael Shannon noch so gut gegen seine fehlende Charakterisierung anspielen. Ich blieb leider seltsam distanziert, was in diesem Falle nicht zum Genuss des Films beigetragen hat.

                        „Midnight Special“ ist eine willkommene Rückkehr in die rätselhaften Gefilde eines Sci-Fi-Films im Stile eines Andrej Tarkovsky („Stalker“). Immer wieder ist Nichols neuester Film ein fantasievolles Kleinod. Leider schafft „Midnight Special“ nicht immer den schwierigen Spagat zwischen interessanter Dunkelzone und inhaltlichem Vakuum. Hinzu kommt das mäßige bis billige CGI und aus einem vielversprechenden Film wird ein sehenswerter aber irgendwo auch gescheiterter Film.

                        „I saw the sunrise this morning. I think I know what I am now.“

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                          Man durfte gespannt sein, was Oscar-Preisträger Jean-Marc Vallée nach „Dallas Buyers Club“ auf die Leinwand bringt. Mit Jake Gyllenhaal und Naomi Watts im Schlepptau, kommt nun also „Demolition“. Auch wieder eine Mischung aus Drama und Comedy. Wieder einmal Oscar-Potential? Die Allgemeinheit scheint das nicht so zu sehen. Aber ist da was dran?

                          Davis (Jake Gyllenhaal) verliert seine Frau in einem Autounfall. Jeder normale Mensch würde nun in tiefe Trauer fallen aber Davis scheint nicht normal zu sein. Das Ereignis geht vollkommen an ihm vorbei und lässt ihn überraschend kalt. Das wundert ihn nicht nur selber gewaltig, sondern auch zunehmend sein Umfeld. Als Davis dann anfängt sein Eigenheim mit diversen Gerätschaften dem Erdboden gleich zu machen, scheint eindeutig etwas nicht zu stimmen.

                          Klingt nach aufdringlichem Hipster-Shit oder? Ist es vielleicht auch. Ich war aber gestern in der perfekten Stimmung für einen derartigen Film. „Demolition“ ist energiegeladenes, modernes und überraschend witziges Kino. Der Film bringt einen lakonischen Humor mit, den man zuletzt in Filmen wie „American Beauty“ und Konsorten gesehen hat. Gerade mit den Offbeat-Indies der 90er muss sich „Demolition“ auch vergleichen, da er in eine sehr ähnliche Sparte schlägt.

                          Nein, Vallées Film ist sicher nicht originell. Aber muss man immer das Rad neu erfinden? Wenn man sich in die Charaktere hineinfindet und der ursympathischen Stimmung des Films erliegt, dann ist „Demolition“ eine richtig tolle Erfahrung. Der Film schafft einen gekonnten Spagat zwischen Drama und Komödie und unterstreicht das sogar mit seiner Farbgebung. Immer wieder wechseln Bewegungen der Kamera und die Farbpalette drastisch, um eine Gewisse Stimmung zu unterstützen. Hinzu kommen auch perfekt zur Musik geschnittene Szenen, die immer wieder auch eine gut funktionierende Musikvideo-Ästhetik versprühen.

                          Wenn schon Hipster-Kino dann so. Ja, „Demolition“ findet oft keine Richtung und arbeitet selten fokussiert auf ein Ziel hin aber das stört irgendwann nicht mehr wirklich. Ich habe die Klischees schnell umarmt und gerade die schauspielerische Leistung von Gyllenhaal und Jungdarsteller Judah Lewis derart genossen, dass ich letztlich sehr viel Liebe empfunden haben. Ein großes Wort, oder? Es ist einfach wunderschön mit einem geerdeten und angenehmen Gefühl aus dem Kino zu gehen, da lehne ich mich gerne weit aus dem Fenster. Ich empfinde hier ähnlich wie viele bei Noah Baumbach („France Ha“) empfinden. Vallée hat mich hier einfach auf der persönlichen Ebene erreicht.

                          Mit seinem flotten Erzählstil, den humorvollen Off-Texten und schöner Kameraarbeit, hat sich „Demolition“ schnell in meine Sympathie-Zone befördert. Es gibt vieles was man nicht mögen kann, das kann ich auch sehen. Hat mich im Endeffekt aber nicht gestört, da ich den Protagonisten Davis irgendwann richtig gern hatte, den Humor als genial empfand und am Ende sogar traurig war, dass der Film schon vorbei war.

                          „Dear Champion Vending Company: I put five quarters in your machine and proceeded to push B2, which should have given me peanut M&M's. Regrettably, it did not. I found this upsetting, as I was very hungry, and also my wife had died ten minutes earlier.“

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                            The Conjuring 2 (2016)

                            Während James Wan von manchen als Messias des modernen Horrorkinos gefeiert wird, bezeichnen so manche seine Filme auch als „faulen Budenzauber“ oder „laute Dauerbeschallung ohne Gespür für Atmosphäre“. Ich behaupte, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt und habe mir „The Conjuring 2“ angesehen.

                            Ed und Lorraine Warren sind frisch von ihrem bekanntesten Fall in Amityville zurück und haben Unheil mitgebracht. Lorraine wird von einer blassen Nonne heimgesucht, die stets in ihren Visionen erscheint. Eigentlich gewillt eine Pause zu machen, werden die beiden zu einem Auftrag in London gerufen und müssen sich dort mit einem Dämon herumschlagen, der eine fünfköpfige Familie terrorisiert.

                            Die Ghostbusters sind zurück! Ich finde es schön, dass James Wan momentan eine Art düstere Ghostbusters-Variante etabliert, die sich langsam auch zu einer angenehm gruseligen Reihe entwickelt. Wenn man nun auch endlich genügend Arbeit in die Drehbücher stecken würde, dann könnte tatsächlich auch ein ausgewachsener Spannungsbogen ins Spiel kommen. Denn auch „The Conjuring 2“ ist endlos zerfasert und hat abseits der perfekt getimten Jumpscares kaum Gefühl für Pacing. Mit 134 Minuten ist „The Conjuring 2“ locker einer der längsten Horrorfilme die ich je gesehen habe. Ob der Film diese Länge gebraucht hätte ist eine sehr berechtigte Frage. Denn gerade durch die extreme Laufzeit wird die Handlung oftmals zum Warten auf den nächsten Schockmoment reduziert.

                            An sich ist es eine gute Sache, dass man Ed und Lorraine bereits aus dem Vorgänger kennt und damit eine Einführung der beiden fehlt. Man kann sich mit den beiden gottesfürchtigen Jägern des Paranormalen gut identifizieren und hat mit Patrick Wilson und Vera Farminga auch sehr gute Darsteller am Start. Das hilft auch über die oftmals klischeebehaftete Handlung hinweg, die kaum Neues aus dem Genre der Exorzisten-Filme herausholen kann. Trotzdem kristallisiert sich immer wieder Wans bärenstarkes Creature-Design heraus, das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Auch wenn ich viele Momente eher als laut denn wirklich unheimlich empfand, hat „The Conjuring 2“ am Ende doch ein paar richtig gruselige Szenen zu bieten.

                            Wenn man mittlerweile schon genervt ist von dem typischen Wan-Rezept, dann wird auch „The Conjuring 2“ den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Wer aber Lust hat auf partiell gruseliges, modernes und gut gefilmtes Horror-Kino, der sollte „Conjuring 2“ eine Chance geben. Für den Horror-Veteranen wird hier vieles wieder neu aufgekocht und ohne sonderlich große Raffinesse zusammengefügt, dafür ist die Suppe aber schmackhaft und sieht fesch aus. Ein guter Horrorfilm für das nächste Date oder einen ausgelassenen Abend mit Freunden, die dem Horrorgenre sonst eher abgeneigt sind. In seiner unsubtilen Art eigentlich hassenswert aber dann irgendwie doch zu effektiv um ihn nicht zu mögen.

                            6 von 10 Gemälden in der dunkelsten Ecke des Zimmers

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                              Man kann ja von Woody Allen halten was man will, dass der inzwischen 80 Jahre alte Regisseur seit mittlerweile über 40 Jahren fast jedes Jahr einen Film dreht, ist beachtlich. Dass da nicht jedes Werk beim Publikum ein Erfolg wird, das scheint da fast schon vorprogrammiert. Aber kann man den Unkenrufen bei „Irrational Man“ trauen?

                              Abe ( Joaquin Phoenix) ist ein depressiver, alkoholkranker und traumatisierter Mann in seinen frühen 40ern. Als er auf eine neue Schule wechselt, um dort Philosophie zu unterrichten, lernt er Jill (Emma Stone) kennen. Eine seltsame Beziehung zwischen Lehrer und Schüler entsteht, die Abe letztlich in die absurdeste Entscheidung seines Lebens führt.

                              Woody Allen hat schon immer gerne normale Menschen in ungewöhnlichen Situationen porträtiert. Seine Charaktere sind geplagt von Neurosen, Selbstzweifeln und typischen Problemen des Alttags und letztlich auch der Liebe. Abe ist ein richtiger Allen-Prototyp. Er ist letztlich eine extremere, morbidere Variante des Protagonisten aus Annie Hall. Er möchte sein Leben umkrempeln und ist bereit dafür sehr weit zu gehen. Abe hat seine ganz eigene Moral, die er sich im Laufe er Jahre selbst geformt hat.

                              Aufgrund des hochinteressanten, wie auch ziemlich nuancierten Charakters von Abe, wirkt Jill erstaunlich blass dagegen. Emma Stone ist zwar ein Notwendiger Anker für Abe, verkörpert letztlich aber selten mehr als eine weltliche, moralische Instanz. Eine junge Frau, angezogen von Abes Schmerz und seiner ungewöhnlichen Sicht auf das Leben. Die beiden sind in ihrer Wechselwirkung ziemlich interessant, sobald man Jill aber einen Off-Text gönnt, wirkt ihr Charakter wieder überraschend blass.

                              Ohnehin holt Allen hier wieder ziemlich viel aus einer „gewöhnlichen“ Liebesgeschichte heraus. Mit eindeutigen Referenzen zu „Shallow Grave“ und zahlreiche Teen-Romanzen, kreiert er einen eigenartigen Mix, der ziemlich originell geraten ist. Über den übermäßigen Einsatz von Off-Texten kann man sich streiten, gerade dann wenn Jill eigentlich nicht wirklich etwas zu sagen hat. Auch im Allgemeinen trägt „Irrational Man“ das typischen Allen-Syndrom mit sich herum, dass er etwas zu geschwätzig geraten ist. In Anbetracht der immer wieder tollen Dialoge und des wirklich gelungenen Finales, verblassen die kleinen Fehler aber schnell.

                              „Irrational Man“ ist so ziemlich jedem zu empfehlen, der mal wieder Lust auf einen kleinen, gemütlichen aber doch auch irgendwie ziemlich bösen Film hat. Freunde von Phoenix oder Allen kommen ohnehin auf ihre Kosten, denn beide laufen hier gelegentlich zur Höchstform auf. „Irrational Man“ wird keine Filmgeschichte schreiben, ist aber erneut ein sehr gelungener Eintrag in Woody Allens Lebenswerk.

                              „I wanted to be an active world changer and I've wound up a passive intellectual who can't fuck.“

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                                Roldur 26.05.2016, 14:26 Geändert 26.05.2016, 14:44

                                Als „Warcraft: Orcs & Humans“ anno 1994 erschien, hätte wohl niemand mit dem internationalen Siegeszug von „Blizzard Entertainment“ gerechnet. Heute, mehr als zwei Dekaden später kommt also nach diversen Strategiespielen und dem Welthit „World of Warcraft“, der erste abendfüllende Spielfilm.

                                Gul' Dan, neuerdings der Anführer der Orks, hat seine eigene Welt zu Grunde gerichtet. Mit mächtiger Fel-Magie, zwang er die Masse der Orks unter sein Fittiche. Die einzige Chance die jetzt noch bleibt, ist es, sich eine andere Welt anzueignen. Gut, dass sich da Azeroth, die Welt der Menschen, Elfen, Zwerge (und vielen mehr) anbietet. Ehe Hauptcharakter Anduin überhaupt damit rechnen kann, findet er sich also inmitten einer Ork-Invasion wieder, die die friedliche Welt Azeroth in tiefes Chaos stürzt.

                                Spieleverfilmungen. Da kommen einem sofort Begriffe wie „Uwe Boll“ in den Kopf. Außer „Silent Hill“ scheint es bisher kaum ein Spiel adäquat auf die Leinwand geschafft zu haben. Jetzt greift „Blizzard“ also tief in die Tasche, stellt David Bowies Sohn Duncan Jones ein und produziert die bisher teuerste Spieleverfilmung aller Zeiten. Eine undankbare Aufgabe, so muss der „Moon“-Regisseur jetzt doch den unangenehmen Spagat zwischen millionen von Fans und unbeteiligten Fantasy-Zuschauern schaffen. Kann so etwas denn überhaupt klappen?

                                Da „Warcraft“ mehr als genug Schwächen mitbringt, möchte ich aber zunächst auf die unübersehbaren Stärken eingehen. Zum Einen wäre da die Optik. Wer die Rendersequenzen der „Blizzard“-Spiele kennt und liebt, der bekommt hier einen optischen Leckerbissen, wie man es sich gewünscht hat. Azeroth und seine Bewohner sind in atemberaubender Form zum leben erweckt worden. Das Motion-Capturing der Orks lässt kein Auge trocken und Fans der „Warcraft“-Reihe dürften so einige Anspielungen auf ihre digitale „Heimat“ wiedererkennen. Selbst mir, der eher wenig Zeit in Azeroth verbracht hat, sind einige nette Gags aufgefallen. Im Prinzip kann man also sagen, dass man sich bei der Erstellung einer passenden Umgebung für den Film richtig Mühe gegeben hat. Das Bild strotzt nur so vor Details und atmet die bunte High-Fantasy der Spiele zu jeder Sekunde. Das Ganze ist sogar so toll geraten, dass man sich über die atemlose Erzählung des Films ärgert, die kaum zeit gibt um die Landschaften wirklich zu genießen und im Prinzip von Set zu Set jagt.

                                Der zweite Positive Aspekt dürften die Orks selbst sein. Nicht nur, dass diese grandios auf die große Leinwand übertragen wurden, sie sind auch so ziemlich die einzige nachvollziehbare Fraktion im Film. Bei den Orks scheint man sich die Mühe gemacht zu haben, über eine Motivation für die Charaktere nachzudenken. Das schließt zwar Garona aus, trifft aber durchaus auf den Rest der Horde zu. Die wuchtigen Schlachtsequenzen der Orks und die riesigen Lager, sind wunderbar in Szene gesetzt. Seltsam auch, dass man in den Gesichtern der grünen Monster weit mehr Emotionen entdecken kann, als in ihren menschlichen Kollegen. Hätte der Film mehr Zeit bei den Orks verbracht, dann hätte er wohl weit besser abgeschnitten. Zumindest bei mir.

                                Es ist offensichtlich unvermeidbar, dass Spielverfilmungen dümmliche Dialoge und einen billigen Plot mitbringen. Die Handlung von „Warcraft“ ist selbst für den Auftakt einer Trilogie überraschend dünn geraten und erzählt letztendlich kaum etwas von Belang. Gul' Dan ist böse, Garona verliebt sich plötzlich in Anduin und Durotan findet Gul' Dan eher scheiße. Achja, dann gäbe es da noch Medivh (eher mäßig: Ben Foster). Mehr braucht man dazu eigentlich nicht zu sagen. „Warcraft“ leidet extrem stark an seinem zerhackten Drehbuch, das sich letztlich mal wieder für kein Tempo entscheiden kann. Der konfuse Plot prügelt den Zuschauer von einer Schlacht in die nächste, ohne sich jemals wirklich Gedanken um die Protagonisten zu machen. Die bleiben lediglich Stichwortgeber und Abziehbildchen, ohne einem jemals ans Herz zu wachsen. Das mag bei Fans anders sein, die sich mit deren Vergangenheit etwas besser auskennen. Als eigenständige Handlung aber, funktioniert „Warcraft“ kaum. Das sollte Fans aber dennoch nicht die Suppe versalzen, denn die werden genug zu staunen haben.

                                Man sollte sich vorher überlegen mit welchem Anspruch man in „Warcraft“ geht. Wenn man als großer Kenner der Spiele bereits alles über die Welt weiß und sich mit grandioser Optik und einer ganzen Tonne an Fanservice zufrieden gibt, dann ist „Warcraft“ ein Meisterwerk. Dieser Anspruch ist für mich auch absolut nachvollziehbar. Bei mir ist „Warcraft“ nur bisher leider immer ein Phänomen am Rande geblieben und auch der Film hat mir außer tollen optischen Reizen kaum etwas gegeben. Die Dialoge sind unglaublich gestelzt, der Protagonist ziemlich blass und große Teile der Handlung viel zu verkürzt um einen ordentlichen Fluss zu entwickeln. Wer einfach Bock auf Fantasy hat, der sollte sich den Besuch von „Warcraft“ zweimal überlegen aber Fans sollten dringend ein Ticket lösen.

                                „I've spent more time protecting my king, than my own son. Does that make me loyal, or a fool?“

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                                  Und schon wieder kehrt etwas zurück, das man lange für Tod erklärt hatte: Die Buddy-Comedy. Dann auch noch ausgerechnet mit Russell Crowe und Ryan Gosling? Meine Güte, das kann ja nur gut werden! Oder?

                                  Holland March (Ryan Gosling) ist leidenschaftlicher Raucher, Alkoholiker und Privatdetektiv. Er hat eine Tochter und genügend Kohle um seine Vergangenheit in Destillat zu ertränken. Eines Tages soll er nun aber den Tod einer Pornodarstellerin und das mysteriöse Verschwinden einer Frau aufklären. Dann trifft er auf Jackson Healy (Russell Crowe), der seinen Lebensunterhalt mit dem Verprügeln von Leuten bestreitet. Durch eine Verkettung an Zufallen, geraten die beide gemeinsam an den Fall und müssen sich fortan durch das Los Angeles der späten 70er schlagen, saufen und grübeln.

                                  Mal ehrlich: Nach der „Lethal Weapon“-Reihe hat doch keiner mehr wirklich an eine glorreiche Rückkehr der Buddy-Filme erwartet. Nicht, dass es zwischendrin keine gab. An Richard Donners Original kam nur nie etwas heran. Hat das Shane Black („Iron Man 3“, Drehbuchautor der "Lethal Weapon"-Reihe) jetzt etwa tatsächlich geschafft? Nein, leider nicht. Das macht „The Nice Guys“ aber noch lange nicht zu einem schlechten Film.

                                  Was man „The Nice Guys“ wirklich hoch anrechnen muss, das ist sein Cast. Gosling und Crowe funktionieren super als ungleiches Paar und haben eine glaubwürdige und auch liebenswürdige Chemie. Zu loben ist auch definitiv Angourie Rice, die hier Holly March, Goslings Tochter, verkörpert. Dieses Trio ist auch, das den Film über viele Untiefen hinwegrettet. Durch große Hingabe und offensichtliche Freude am Spiel, werden selbst extrem platte Sprüche oftmals ertragbar gemacht, weil man die Charaktere einfach mag. Das macht die ganze, ziemlich nervige, aufgesetzte Coolness zwar nicht komplett wett, hilft aber über das Gröbste hinweg.

                                  Das Setting dürfte ein zweiter großer Pluspunkt sein. Shane Black erschafft zwar nicht ganz die Atmosphäre eines „Inherent Vice“, bringt die 70er dennoch glaubhaft auf die Leinwand. Auch wenn die dunkleren Seiten Hollywoods noch etwas zu glanzvoll wirken, ist der Abstieg in eine Welt aus LSD-getränkten Parties, „Experimentalfilmen“ und dicken Karren ziemlich spaßig geraten. Zwischen den hübschen Kulissen und der entspannten Atmosphäre zwischen den Darstellern, ist es dann auch manchmal herzlich egal wie hanebüchen der Plot eigentlich geraten ist, da blickt irgendwann sowieso keiner mehr durch.

                                  Wow, jetzt ist mein Kommentar fast so planlos geraten wie der Film selbst. Zusammenfassend kann man aber sagen, dass „The Nice Guys“ vor allem sympathisch ist. Nicht jeder Gag ist gelungen, die Geschichte ist kaum nachvollziehbar und die Referenzen sind manchmal etwas zu eindeutig, aber der Film hat sein Herz am rechten Fleck. „The Nice Guys“ ist ein ehrlicher, filmverliebter Versuch die Buddy-Filme wieder zu reanimieren. Nächstes Mal sollte man sich aber für das Drehbuch ebenso viel Mühe geben wie für Kulisse und Cast. Für Freunde des gemütlichen Humors, kann ich „The Nice Guys“ dennoch wärmstens empfehlen.

                                  „Got a cool ad though. I made your head small because I know you're sensitive about how big it is.“

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                                    Hört nicht auf die Unkenrufe! Hört auf euer Herz, hört auf den Filmfan eures Vertrauens, hört auf die Stimme der Vernunft. Hört auf mich. Hier haben wir endlich wieder einen geilen Superheldenfilm. Verdammt, es war aber auch wieder mal an der Zeit.

                                    Nach Jahrtausenden ist er endlich erwacht. Der Reiter der Apokalypse, der Anfang vom Ende oder auch En Sabah Nur (Oscar Isaac). Frisch erwacht, will der uralte Mutant nun die Weltmacht an sich reißen. Ausgestattet mit extremen Kräften und mächtigen Verbündeten, ist es also an der Zeit die Erde in Schutt und Asche zu zerlegen. Für Professor Xavier (James McAvoy)ist es also höchste Eisenbahn ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen.

                                    Während bei „First Class“ und „Days of the Future Past“ noch vornehmlich Xavier und Magneto (Michael Fassbender) in den Vordergrund traten, wird hier nun für die neuen Mutanten und En Sabah Nur Platz geschaffen. Vom Aufbau her, ist „Apocalypse“ viel klassischer gestrickt und umreißt „lediglich“ eine Weltweite Bedrohung durch einen Superbösewicht. Dass die Rückkehr der X-Men zu ihren bunten, alten Tagen, viele eher geärgert hat, ist mir absolut unverständlich. „Apocalypse“ vermischt die Elemente der alten und neuen Trilogie zu einem äußerst kreativen und actionreichen Blockbuster-Erlebnis, wie man es im Genre schon lange nicht mehr in diesem eskapistischen Ausmaß erleben durfte.

                                    Ohne in den Joel Schumacher Modus überzugehen, ist „Apocalypse“ im besten Sinne eine Art Rückkehr in die älteren Tage der Superhelden. Eine sehr angenehme Mischung aus dem ausgelassenen Wahnsinn der 80er (wie passend die Epoche des Films gewählt ist) und dem ernsthafterem Vorgang der 2010er. Singer wählt zu jeder Szene einen fast perfekten Soundtrack und schafft oftmals die Gratwanderung zwischen Effektgewitter und Dialogszenen, ohne jemals die Lahmarschigkeit eines „Captain America 3“ zu erreichen. „Apocalypse“ ist flott, hat erneut eine grandiose Quicksilver-Szene und atmet in großen Teilen die Atmosphäre der 80er.

                                    Schön auch, dass auch hier wieder der Fokus auf die wirkungsvolle Zusammenarbeit der verschiedenen Mutanten gelegt wird. Beide Seiten scheinen sich gegeneinander zu vereinen, dennoch zählt am Ende das Teamwork. Nicht, dass die „Avengers“ das nicht auch machen würden, gerade im Finale aber wird die Gruppe aber zur absoluten Notwendigkeit. Durch wirklich bedrohliche Sequenzen, einen ruppigen Gewaltgrad und verwundbare Charaktere, zeigt sich „Apocalypse“ auch deutlich konsequenter als man es erwarten würde. Ente gegen all' meiner Erwartungen ist auch Oscar Isaac als Antagonist wirklich gut besetzt und wertet viele Szenen durch seine bloße, widernatürlich bösartige, Präsenz auf. Auch Sophie Turner als Jean Grey und Tye Sheridan als Cyclops sind hervorragende Neuzugänge, die sich vor ihren erwachsenen Vorgängern kaum verstecken brauchen.

                                    Aber was soll' ich weiter um den heißen Brei herumreden. Ja, „Apocalypse“ ist eine Materialschlacht, ein klassischer Superheldenfilm mitsamt Oberbösewicht und leider immer noch nicht so gut wie das Meisterwerk namens „First Class“. Aber sein ungezügelter Mut die Wege der bloßen Ernsthaftigkeit zu verlassen, wieder etwas Zauber in die Welt der Superhelden zu bringen und seine Epoche wirklich zum Leben zu erwecken, das hat wirklich Respekt verdient. Und es braucht nicht nur Respekt, denn der Film macht einfach richtig viel Spaß. Auch wenn die 50.000 verschiedenen Steinwolken irgendwann irritieren können, ist der Film stets auf höchstem Niveau inszeniert und buckelt selten in Anbetracht eines Planes ein größeres Universum zu etablieren. „Apocalypse“ ist ein ganzes Paket an spaßigen Einfällen, tollen Charaktermomenten und verdammt beeindruckenden Effekten. Außerdem hat man danach dringlichst Bock „Sweet Dreams“ von den „Eurythmics“ zu hören.

                                    „Everything they've built will fall! And from the ashes of their world, we'll build a better one!“

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                                      Es gibt kaum eine schlimmere Aussage als „mit Zombies ist alles besser.“ Nach „Shaun of the Dead“ wurde eine Welle von unsäglichen Zombie-Comedy-Filmen losgetreten, die einem schlicht die Sprache verschlagen. Bis auf wenige Ausnahmen waren Zombies lediglich eine Ausrede für fehlende Originalität und eine bloße Anbiederung an das Publikum. Damit geht es nun endlich weiter, denn Jane Austen wurde erneut verfilmt. Mit Zombies.

                                      Elizabeth Bennet ist eine junge, schöne, unabhängige und kämpferische Frau, die genug von den Liebeleien ihrer Schwestern hat. Hier ein schöner Graf, da ein gutaussehender Lord und überall nur Geld, Geld, Geld. Dabei gibt es doch so viel mehr zu tun. London ist heimgesucht von einer riesigen Zombie-Plage und die Aristokraten verschanzen sich in ihre Güter. Es ist also an der Zeit für die gute Elli, mal ein bisschen unter den Untoten aufzuräumen.

                                      Tom Riley, Lena Headey und Charles Dance, wie konntet ihr euch für diesen Film hergeben? Nicht nur, dass „Stolz und Vorurteil & Zombies“ keinerlei Sinn für Humor hat, er nimmt sich über große Strecken auch viel zu ernst um als Komödie wahrgenommen zu werden. Regisseur Burr Steers („17 Again“) beweist sein fehlendes Gespür für Timing mit beeindruckender Präzision. Der Film ist nicht nur von extrem viel Leerlauf gebeutelt, er schafft nicht einmal eine ordentlichen Rahmen für die Handlung.

                                      Im Laufe von „Stolz und Vorurteil & Zombies“ werden zahlreiche interessante Themen angebrochen, die einfach nicht zu Ende gedacht sind. Seien es die vier apokalyptischen Reiter oder die mutmaßliche Intelligenz mancher Zombies. Der Film ist weder Fisch noch Fleisch, weder Drama noch Komödie. Einfach ein seltsamer Bastard zwischen beiden Genres, der auf keiner Ebene wirklich funktioniert. Die Dialoge sind durch ihre geschwollene Sprache zwar hin- und wieder mal lustig, dann aber auch wieder richtig nervig. Am schrecklichsten dürfte aber Matt Smith als Pfarrer sein, der sich durch die ganze Handlung albert und durch seine bloße Präsenz für schiere Wut sorgt.

                                      Ein ganz besonderes Schmankerl, dürfte auch die richtig schön billig geratene DTV-Optik sein, die eher an einen Ostblock-Klopper als an einen Kinofilm erinnert. Mäßige Kamera wird abgewechselt von billigsten Sets und ekelhaft in den Hintergrund gewürgten Pseudo-Matte-Paintings. Ganz zu schweigen von gelegentlich gestreutem CGI-Blut. Nicht dass man irgendeinen Zombie-Kill jemals wirklich sehen würde, der Film ist schließlich „PG-13“.

                                      „Stolz und Vorurteil & Zombies“ ist auf ganzer Linie misslungen. Ein Film wird nicht plötzlich lustig, nur weil eine klassische Geschichte mit Zombies garniert. Vor allem dann, wenn die Zombies kaum in die Handlung eingebunden werden und der Rest an eine mäßige bis schlechte TV-Produktion erinnert. Der Humor ist oftmals eine ziemliche Qual und lediglich das interessante Intro, die übermäßig attraktive Hauptdarstellerin und Tom Riley retten den Film vor dem Totalausfall. Ich rate ab.

                                      "I was unaware that zombies possessed such acuity so as to set such traps. Before we know it, they'll be running for Parliament."

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                                        Es ist immer eine persönliche Frage, wie man den Begriff „Kino-Spektakel“ definieren möchte. Große Materialschlachten wie Michael Bays „Tranformers“, sind auch als eine Art „Spektakel“ zu bezeichnen. Einen Blockbuster-Film aber eher als Abenteuer, denn als hyperaktives LSD-Geflimmer zu interpretieren, das ist tatsächlich eine Seltenheit geworden. Diesem klassischen „Abenteuer“-Film möchte Jon Favreaus „The Jungle Book“ nun wieder näher kommen.

                                        Eigentlich kennt ja jeder die Geschichte um den kleinen jungen Mogli, den Bären Balu, Shir Khan und Bagheera. Deshalb hier nur eine Kurzfassung: Als Mogli durch einen unglücklichen Zufall in den weiten des Dschungels landet, wird er von Bagheera, dem Puma, gefunden und daraufhin von einem Rudel Wölfe großgezogen. Der Tiger Shir-Khan sieht in Menschen nur das Böse und möchte Moglis Tod. Dieser wiederrum flieht dann quer durch den Dschungel und trifft dort eine ganze Vielfalt an verschiedenen Tieren.

                                        Was Jon Favreau schon bei seinem „Marvel“-Beitrag „Iron Man“ so wunderbar beherrschte, war es, eine sympathische Ader zu erhalten. Im Gegensatz zu so vielen anderen neueren Produktionen wirkte „Iron Man“ weniger kalkuliert, weniger kühl. Aber „The Jungle Book“ ist zu 90% CGI, wie kann dieses Gefühl denn dann überhaupt noch aufkommen? Es kann. Denn der neue „Jungle Book“ ist ein spannender Abenteuerfilm allererster Güte.

                                        Auch wenn man erst eine Weile braucht, um sich auf die Umgebung einzulassen, schafft Favreau sehr schnell eine unglaubliche Sogwirkung, die vor allem von dem schnellen Tempo und sympathischem Witz profitiert. Die (ich kenne bisher nur die Deutschen) Sprecher sind motiviert und geben den fantastisch animierten Tieren eine richtige Persönlichkeit. Schnell ist das realistische Aussehen der Tiere vergessen und man kann sich kaum noch vorstellen, warum man sich beim Trailer noch die gezeichneten Animation zurückgewünscht hat. Favreaus Version des „Jungle Book“ vermischt knuffige Anspielungen auf das Original, mit einer düsteren Fabel um Machtgier und letztendlich auch wieder Rassismus. Es wirkt fast so, als wäre das Dschungelbuch erwachsen geworden. Wer hätte das gedacht?

                                        Die wunderschöne, plastisch wirkende Umgebung, die fotorealistisch animieren Tiere und der bombastische Soundtrack, trösten dann auch locker darüber hinweg, dass man in etwas zu kurzer Zeit zu viele Punkte abklappert. Das flotte Tempo hat zwar durchaus seine Vorteile, lässt aber legendäre Auftritt, wie z.B. den der Schlange Kaa, dann doch etwas verkürzt wirken. Ähnlich sieht es mit den Songs aus, die zwar durchaus aus einer natürlichen Situation heraus zu entstehen scheinen, sich dennoch etwas mit der Stimmung des Films beißen. „The Jungle Book“ ist zwar fortwährend immer wieder witzig, schlägt aber auch immer wieder ernstere Töne an.

                                        Bevor ich zum Schlusswort komme, muss ich noch ganz dringend Shir Khan erwähnen. Im Original von Idris Elba gesprochen, in der deutschen Version von Ben Becker. Seine komplette Inszenierung ist derart furchteinflößend geraten, dass ich wirklich fasziniert war. Sein entstelltes Gesicht, oft auch in Kombination mit düsteren (digitalen) Set-Pieces, machen einiges her und bringen so endlich wieder mal einen richtigen Proto-Bösewicht auf die Leinwand. Zwar ist sein Charakter jetzt nicht so besonders vielfältig, aber wen stört das schon? Es könnte aber durchaus sein, dass manch' ein Kind von dieser mordende Bestie eine gewisse Anzahl an Alpträumen bekommen könnte.

                                        Alles in Allem bin ich wirklich überrascht. Für einen fast komplett künstlichen Film, hat „The Jungle Book“ erstaunlich viel Charakter. Man merkt, dass der Film mit Liebe gemacht ist und dem Ursprungsmaterial einige neue Aspekte abgewinnen kann. Auch wenn ich das originale „Dschungelbuch“ als Kind geliebt habe, hat diese neue Adaption tatsächlich eine Daseinsberechtigung als überaus gelungener Abenteuerfilm für alle Altersklassen.

                                        "Does my face not remind you of what grown man can do?“

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                                          Es gibt mehr als genug Gründe, den Gebrüdern Anthony Russo und Joe Russo blind zu vertrauen. Mit „The Winter Soldier“, haben die beiden bewiesen, dass ein eher uninteressanter Charakter im richtigen Film doch glänzen kann und einen sehr unterhaltsamen Cold-War-Thriller in die Kinos gebracht. Nach Joss Whedon werden also die Russos das neue Zugpferd von „Marvel“, während DC sich noch immer an Zack Snyder die Zähne ausbeißt.

                                          Nach den drastischen Ereignissen in „Avengers 2: Age of Ultron“, ist die Welt verschreckt. Superhelden stellen eine ernste Gefahr dar, die mit der totalen Zerstörung des fiktiven Staates Sokovia, ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hat. Die „United Nations“ fühlen sich nun also genötigt, ein paar Regeln für die „Avengers“ aufzustellen, was zu einem schweren Konflikt in den eigenen Reihen führt. Während Tony Stark aka „Iron Man“ den Vertrag unterzeichnen möchte, ist Steve Rogers aka „Captain America“ eher weniger überzeugt. Nach einem Attentat auf den UN-Rat droht die Situation zu eskalieren.

                                          Bei „The First Avenger: Civil War“ zeigt sich mal wieder, wie gut das „Marvel“-Universum mittlerweile funktioniert. Die Charaktere sind allesamt etabliert, die bisherigen Konflikte bekannt, also kann es einfach losgehen. Ohne sich mit unnötig langen Origin-Stories aufzuhalten, bauen die Russos geschickt eine Brücke zwischen dem vorigen „Captain America“-Film und den Ereignissen in „Avengers 2“.
                                          Das sind doch ausgezeichnete Vorboten für einen solchen Film, oder? Statt sich mit dem nervigen Etablieren von neuen Comic-Charakteren zu beschäftigen, will dieser Film einfach mal eine Geschichte erzählen? Wäre da nicht das Problem der Erwartungshaltung. Der neue Film der Russos liegt in einem unangenehmen Clinch zwischen hirnbefreitem Popcorn-Kino und ernsthaftem Thriller. Beide Elemente sind für sich genommen nicht schlecht, reiben sich aber leider an allen Ecken und Enden.

                                          Während die erste Hälfte wie ein langsam aufgebauter Thriller im Stile von John Le Carré anmutet, will der Film dann später den Spaß aus dem ersten „Avengers“ wieder aufleben lassen, um dann in einem tragischen Kampf zwischen Freunden zu münden. Die ständigen tonalen Wechsel und die enorme Laufzeit von 146 Minuten, lassen den eigentlich gelungenen Film ständig unter seiner eigenen Last zusammenbrechen. Warum sollte ich wieder Lust auf bierernste Terrorismus-Thematik haben, wenn ich Minuten vorher noch einen Pseudo-Godzilla Flugzeuge zertrampeln sehe?

                                          An sich wäre das kein Problem, könnte der Film seine unterschiedlichen Elemente sinnvoll verknüpfen. Leider funktioniert das nicht besonders gut. Jeder einzelne Akt für sich gesehen hat unübersehbare Stärken und vor allem der Mittelteil glänzt durch herausragend choreographierte Action. Als Gesamtbild aber sorgt das ungleiche Tempo des Films immer wieder für Blicke auf die Uhr und einen höchst verwirrenden Spannungsaufbau. Da hatte „The Winter Soldier“ ganz klar die Nase vorn, denn dieser musste nicht gleich eine Handlung von diesem Ausmaß bedienen und derart viele verschiedene Helden-Persönlichkeiten jonglieren.

                                          Auch „Civil War“ ist mal wieder ein gelungener Film aus der „Marvel“-Schmiede. In seinen besten Teilen ist „Civil War“ emotional, actionreich und spannungsgeladen. Dazu hat er ein reichhaltiges Repertoire an liebenswerten Charakteren und endlich wieder einen sympathischen „Spiderman“. Leider nagen das inkohärente Tempo und die merkwürdige Fusion aus Thriller und Popcorn-Kino an der glänzenden Oberfläche des Films und lassen große Teile von „Civil War“ zu einer eher durchwachsenen Erfahrung werden.

                                          "Captain, while a great many people see you as a hero, there are some who prefer the word vigilante. You've operated with unlimited power and no supervision. That's something the world can no longer tolerate."

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                                            Seit einer gewissen Folge von „Alfred Jodokus Kwak“ hatte ich panische Angst vor Hexen. Eine Angst, die sich durch große Teile meiner Kindheit zog und letztlich auch zu einer größeren Faszination für das Sujet führte. Warum sollte das aber den Leser dieser Zeilen interessieren? Das soll eine Art Vorwarnung für Hartgesottene sein, die sich dem Thema „The Witch“ mit weniger Panik nähern.

                                            Amerika. Neuengland. Etwa um das Jahr 1630. Eine Familie mit fünf Kindern beschließt ihr Glück in der Wildnis zu finden. Umgeben von dichtem Gehölz, geplagt von schlechtem Wetter und zerrüttet von extremem Aberglauben, fängt die Familie an, eine Hexe für ihr Unheil verantwortlich zu machen.

                                            Wie schon 2009 in Lars von Triers „Antichrist“ spielt der Wald in „The Witch“ eine wichtige Rolle. Die knorrigen Äste umgeben die Szenerie zu jeder Zeit und sorgen schnell für ein unüberwindbares Gefühl der Bedrängnis. Die Familie ist der Natur ausgeliefert und kann ihr in letzter Konsequenz nichts entgegen setzen. Als dann die Hexe in den kollektiven Wahnsinn eindringt, droht die Gemeinschaft zu zerbrechen.
                                            „The Witch“ sorgt für ein ganz eigentümliches Gefühl bei der Sichtung. Robert Eggers Film fühlt sich im besten Sinne des Wortes „klassisch“ an. Wie eine Geschichte, die schon vor Jahrhunderten erzählt wurde und noch heute den gleichen Schrecken auslöst wie zur damaligen Zeit. Ein Film so atmosphärisch, dass er mit seinen Bildern, seinen Klängen noch weit über die Leinwand hinaus sein Unwesen treibt.

                                            „The Witch“ spielt mit altvorderer, dafür aber nicht weniger unheilvoller Symbolik. In jeder dunklen Ecke könnte das Grauen sitzen, jede Minute in diesem Wald könnte der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Vergleiche mit „The Shining“ scheinen das erste Mal in der Filmgeschichte gerechtfertigt zu sein. Mit fortschreitender Laufzeit blättert der Bezug zur Realität wie eine alte, billige Tapete und setzt das Schlimmste im Menschen frei. Der religiöse Wahn, die krankhafte Obsession ohne Sünde zu bleiben, raffen unsere Protagonisten dahin und Sorgen für eine allumfassende paranoide Stimmung, die letztlich sogar den Zuschauer trifft.

                                            Dabei wäre der Film natürlich nichts ohne seine grandiosen Darsteller, die fast immer liefern. Anya Taylor-Joy und Harvey Scrimshaw dürfen sich gerne nahtlos in die Reihe sehr talentierter Jungschauspieler einreihen. Bis auf gelegentliches Overacting seitens Kate Dickie, ist der Cast nicht nur durch sein Aussehen sehr glaubhaft gewählt worden, sondern kann die Existenzangst wunderbar transportieren. Die gewitzte Kombination aus dem Aussehen der Darsteller, dem genialen Sounddesign und der düsteren Optik, lässt „The Witch“ nahezu über die gesamte Laufzeit wie ein zeitgenössisches Gemälde wirken. Ein Look, den man in dieser Form noch nicht gesehen haben dürfte.

                                            „The Witch“ ist ein intensives Monstrum aus Religionskritik, Paranoia-Thriller und handfestem Horrorfilm. Der langsame Aufbau steht im perfekten Einklang mit der morbiden, biblischen Symbolik und lässt den Film zu einer unheimlich furchteinflößenden Erfahrung werden, die weit über den puren Horror hinaus funktioniert. Es gibt zwar ein paar kurze Szenen, die aus dem nahezu perfekte Raster fallen, im Gesamten bleibt „The Witch“ jedoch ein äußerst effektiver Film, den man unbedingt gesehen haben sollte.

                                            „What went we out in this wilderness to find?“

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                                              Was kann nur daraus werden wenn man das Musikvideo „Bad Motherfucker“ von den „Biting Elbows“ als Spielfilm umsetzt? Bandmitglied und Regisseur Ilya Naishuller will es herausfinden und lässt mit „Hardcore Henry“ den ersten richtigen POV-Actioner auf die Publikum los.

                                              Deses Mal darf ich sogar endlich mal die Inhaltsangabe richtig kurz lassen, denn die Handlung von „Hardcore Henry“ ist quasi nonexistent. Henry hatte einen Unfall und wurde von seiner Frau gerettet. Ein Arm und ein Bein wurden durch maschinelle Teile ersetzt, durch die er unmenschliche Kraft erhält. Das ist auch gut so, denn kurz nach seinem Erwachen muss er seine Frau auch schon aus den Fängen des telekinetisch begabten Akan befreien.

                                              Mitsamt montierter „GoPro“ jagt Henry nun durch das Moskau der Gegenwart und schnetzelt sich den Weg zu seiner Angetrauten. Wir erleben den gesamten Film aus der Sicht des Protagonisten, was einiges an Eingewöhnungszeit abverlangt. Die ersten 10 Minuten ist man im Prinzip nur mit dem Verhindern leichter Kopfschmerzen beschäftigt. Wenn man das aber überwunden hat, dann kann die Party losgehen.
                                              Für viele dürfte „Hardcore Henry“ eine schwierige Nummer werden. Manche wird das Konzept nicht über 96 Minuten unterhalten, manche werden vorher den Saal verlassen um ihren Magen zu entleeren. Wer aber ein großer Freund altvorderer Egoshooter ist wie z.B. „Quake“ oder „Doom“, der wird hier eine ganze Menge Spaß haben. Es dürfte auch reichen ein Freund wahnsinniger Konzepte und damit verbundener Gewaltgeilheit zu sein, um „Hardcore Henry“ gebührend zu feiern.

                                              Was mich nach der Sichtung des Films überrascht hat, war Ilya Naishullers Gabe für die kreative Ausgestaltung einer Actionsequenz. Obwohl wir uns, wohl hauptsächlich aus Kostengründen, zum größten Teil in eher mäßig abgefahrenen Set-Pieces befinden, lässt Naishuller jede Sequenz zu einer wahren Achterbahnfahrt mutieren. Die großartige Arbeit in Sachen Stunts, nutzt die komplette Szenerie und geht unglaublich kreativ mit dem verschiedenen Räumlichkeiten um. An der famosen Agilität von Henry selbst, kann man auch erkennen, dass 13 verschiedene Schauspieler (darunter so einige Stuntmen) den Hauptcharakter verkörpert haben.

                                              „Hardcore Henry“ ist eine Bestie von Film. Naishuller weiß, dass der Film nicht für jeden gemacht ist und kann damit so einige Absonderlichkeiten in seinen Film einbauen. Dialoge sind eindeutig nicht seine Stärke, jedoch kann die visuelle Comedy in „Hardcore Henry“ so einige flache One-Liner retten. Wer aber allen die Show stiehlt ist Sharlto Copley (District 9), der als Jimmy so ziemlich jede Szene rockt. Sein Charakter ist an sich nicht nur eine total geile Idee (ich bin sehr objektiv, wie man merkt), Copley passt auch genau in gesamten Wahnsinn dieser Produktion. Sei es Penner-Jimmy oder Kiffer-Jimmy, jede Szene mit ihm ist pures Gold und wertet so einige mäßige Szenen nochmal mächtig auf.

                                              „Hardcore Henry“ ist eine superschnelle, extrem brutale und sehr sympathische filmische Grenzerfahrung. Der Film hat ein paar sehr miese Schauspieler zu bieten, kämpft immer wieder mit billigem CGI und dürfte die Hälfte des Publikums alleine durch seine Prämisse abschrecken. Wer aber schon hyperaktive Action im Stile von „Crank“ immer mochte, eine ganze Menge an ekelhafter Gewalt wegstecken kann und bei einem guten Soundtrack sowieso schon steil geht, der dürfte hier die Action-Erfahrung des Jahres machen. Unterhaltung für die Ritalin-Generation würden böse Zungen behaupten. Wenn das aber so ist, dann gehöre ich gerne dazu.

                                              „You are half machine, half pussy!“

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                                                Roldur 26.03.2016, 14:01 Geändert 27.03.2016, 16:06

                                                Es bedarf momentan keinen besonderen Mut, um Zack Snyders neuestes Werk in Grund und Boden zu stampfen. Nach „Sucker Punch“ scheint das Publikum erneut die Schnauze voll von Snyders Filmen zu haben. Als großer „Batman“-Fan und neutraler Beobachter von „Man of Steel“, wollte ich es trotzdem mal versuchen.

                                                Die Welt fühlt sich unsicher. Nachdem Zod und Superman nahezu ganz Metropolis zerstört haben, ist das öffentliche Image von Supes angeknackst. Drüben in Gotham City hockt nun ein Batman mittleren Alters, der längst jeden Glauben an das Gute im Menschen verloren hat und beschließt diesem Alien ein Ende zu setzen.

                                                Wenn man den Trailer kennt, dann hat man leider auch schon große Teile der Handlung gesehen. Nicht, dass die Handlung der wichtigste Bestandteil von „Batman v Superman“ wäre, dennoch manifestiert sich schnell im Kopf eine Art innere Checkliste für markante Szenen des Trailers. Ein ähnliches Problem hatte auch schon „Deadpool“, der aber zumindest zeitlich etwas raffinierter mit diesem Fehler umging. Aber hat Snyders neuer Film denn sonst mehr zu bieten?
                                                Was Snyder meiner Meinung nach schon immer konnte, ist die Kombination von Bild und Musik. Was er hier teilweise optisch abliefert, das könnte man sich problemlos an die nächste Wand tapezieren. Dumm nur, dass Snyder seine Charaktere auch viel oft in ebensolche Szenen drängt, um ein gemäldeartiges Bild zu kreieren. Der Weg hin zu den ganz großen Bildern aus den Trailern ist oftmals hochgradig konstruiert und lässt das offensichtliche Ziel bereits Minuten vorher erahnen.

                                                Aber das sind Probleme, die man bereits von Snyder kennt. Er möchte in seinen Filmen sehr viel erreichen. Nicht nur eine actionreiche Handlung erzählen, er will auch gleich die Natur des Menschen erforschen. Das ist zwar jetzt überspitzt dargestellt, lässt sich aber wunderbar in „Batman v Superman“ erkennen. Seit „Watchmen“ scheint Snyder von dem Gedanken fasziniert zu sein, wie die Menschheit auf einen Übermenschen reagieren würde. Dass er aber dazu selten mehr zu sagen hat, als ein kurzes Plakat zu entwerfen, das enttäuscht dann doch. „Watchmen“ hatte das große Glück, dass es Alan Moores genialen Comic als Vorlage gab. Sobald man Snyder aber seine eigenen Entscheidungen überlässt, wirken die Gedankengänge verkürzt und werden niemals in der Konsequenz ausgeführt, die man gerne gesehen hätten. „Batman v Superman“ reißt Themen wie Terrorismus, Selbstjustiz und Rassismus an, geht damit aber leider total ungelenk um. Christopher Nolan hat in „The Dark Knight“ gezeigt, wie Terrorismus in einem Comic-Universum funktioniert. Wieso hat er das geschafft? Weil er sich auf das Wesentliche konzentriert und selten den Fokus verloren hat.

                                                Und das ist alles verdammt schade. Denn hinter „Batman v Superman“ steckt eine Menge Talent. Ein Gespür für monumentale Theatralik, ein toll gespielter, fast schon tragischer Batman und sogar ein engagierter Henry Cavill. Ben Affleck als Batman ist ohnehin der einzige überzeugende Grund „Batman v Superman“ im Kino zu sehen. Der gealterte, bitter gewordene Bruce Wayne ist eine nachvollziehbare Weiterentwicklung der Nolan-Version. Batfleck ist sogar so interessant, dass ich ihn sehr gerne in einem eigenen Film sehen möchte. Sogar so gut, dass man über ihn fast die unglaublich nervige Darstellung von Jesse Eisenberg als Lex Luthor vergessen könnte. Kann man aber leider nicht, denn da ist mehr. Ben Affleck tut mir aufrichtig Leid, dass er sein Batman-Debut in diesem inkohärenten Mittelmaß geben musste.

                                                „Batman v Superman“ erstickt an seinen Ambitionen. Snyder nähert sich seiner politischen Botschaft auf eine sehr plakative Art und Weise, entwirft tonnenweise pathetische Symbolik und lässt seinen Plot total zerfasern. Man möchte hier gerne alles abdecken und schafft damit leider nichts so richtig. Einzig durch seinen tollen Batman wird „Batman v Superman“ vor dem Totalausfall gerettet. Dabei könnte DC eine tolle Alternative zum Marvel-Universe sein.

                                                „Twenty years in Gotham. How many good guys are left? How many stayed that way? He has the power to wipe out the entire human race. I have to destroy him.“

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                                                  Es ist vermutlich von Vorteil, wenn man vor der Sichtung dieses Films nicht einmal den ersten „Cloverfield“ kennt. Die typische J.J. Abrams Geheimniskrämerei macht hier tatsächlich viel Sinn. Wer den Trailer zu „10 Cloverfield Lane“ gesehen hat, der weiß nichts über den Film. Dan Trachtenbergs Film ist ein Genre-Bender, der sich gewaschen hat.

                                                  Eigentlich würde hier eine Zusammenfassung der Handlung stehen, das lasse ich diesmal aber aus, um nicht zu viel zu verraten. So viel darf man wissen: Mary Elzabeth Winstead sitzt mit John Goodman und John Gallagher Jr. in einem Bunker. Weil draußen irgendein Unheil wütet. Ende. Mehr sollte man am Besten nicht wissen.
                                                  Was Trachtenbergs Film vor allem so besonders macht, ist das ganz besondere Verständnis für das Auslassen von Erklärungen. Statt in jeder zweiten Szene den Erklärbär auszupacken, hinterlässt „10 Cloverfield Lane“ viele, aber vor allem interessante, Löcher. Wer einen Film gerne mehrfach sieht, um jedes noch so kleine Geheimnis zu ergründen, der dürfte mit „10 Cloverfield Lane“ seine helle Freude haben.

                                                  Aber auch als eine eigenartige Mischung aus Horror und Thriller, funktioniert der Film wunderbar. John Goodman Charakter Howard ist furchterregend und sympathisch zugleich. Durch seine Darstellung wird Howard lebendig und man beginnt viel über seine mutmaßliche Vergangenheit nachzudenken. Ohnehin werden die Charaktere von „10 Cloverfield Lane“ durch generelle Erklärungsarmut, zu einem Buch mit sieben Siegeln. Aber auch das ist nicht schlimm, sondern trägt lediglich zur Atmosphäre bei. Die Ausmaße der Katastrophe sind so rätselhaft, wie auch die Vergangenheit der Protagonisten. Das erlaubt eine unglaubliche Dynamik innerhalb der örtlich stark begrenzten Handlung. Fast nie ist „10 Cloverfield Lane“ vorhersehbar, zumindest für mich. Das ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn mich hat sogar der Twist in „The Visit“ überrascht.

                                                  Tatsächlich kann man den Film wie eine Art Puzzle sehen. Viele Gegenstände, die man in den frühen Minuten des Films zu sehen bekommt, haben eine gewisse Rolle in anderen Teilen des Films. Mary Elizabeth Winsteads Charakter, ist kein hilfloses Dummchen, sondern ein nachvollziehbarer und intelligent handelnder Charakter, mit dem man sich äußerst schnell identifizieren kann und möchte. Dementsprechend wird man auch emotional über den Haufen geworfen, wenn Michelle etwas Unvorhergesehenes zustößt. Durch den flotten Schnitt kann man sich auch schnell überrumpelt fühlen, denn gerade im finalen Akt erreicht „10 Cloverfield Lane“ sehr eigentümliche Dimensionen. Während der Sichtung kann das zur Verwirrung führen, erschließt sich aber im Kontext dann doch relativ schnell.

                                                  Ich liebe es, dass „10 Cloverfield Lane“ wirklich versteht, wie man ein Mysterium schafft. Zunächst ist er nervenzerfetzend spannend, geht unbarmherzig mit seinen Portagonisten um und hat sogar eine der betsen Leistungen Goodmans überhaupt zu bieten. Der schnaufende Howard ist ein Charakter, der mir noch lange im Kopf bleiben wird. Hinzu kommt der etwas gehetzte aber dafür nicht weniger gruselige finale Akt und die Erfahrung ist vollkommen. Ein rätselhafter Film, der definitiv eine Sichtung verdient hat und für viel Gesprächsstoff sorgen dürfte. Ganz grob kann man "10 Cloverfield Lane" als eine Art abgefucktes Companion-Piece zu "Room" sehen. Kann man, muss man aber nicht
                                                  .
                                                  „Crazy is building your ark after the flood has already come.“

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                                                    Kann man nach einem nahezu perfekten Musikfilm (Meinung des Autors) wie „Frank“ noch einmal ein derartiges Meisterwerk auf die Leinwand bringen? Anscheinend kann man das, wie Lenny Abrahamson hier eindeutig beweist.

                                                    Basierend auf Emma Donoghues gleichnamigem Roman, erzählt „Raum“ die Geschichte einer langjährigen Gefangenschaft und deren Auswirkungen im späteren Alltag. Jack (Jacob Tremblay) kennt seit seiner Geburt nur ein paar Dinge: Seine Ma (Brie Larson), den Himmel und den Inhalt des Raums. Um ihm das Leben in „Raum“ erträglicher zu machen, hat „Ma“ den Raum zur einzigen Wahrheit gemacht und Jacks Horizont rund um den Inhalt des kleinen Schuppens aufgebaut. Als Jack letztlich die richtige Welt kennenlernen darf, ist seine Integration schwieriger als gedacht.

                                                    Man könnte es sich bei einem solchen Film so einfach machen. Man müsste lediglich das Martyrium der Mutter abbilden, sich an dem Leid weiden und im Endeffekt erfolgreiches aber moralisch fragwürdiges Betroffenheitskino schaffen. So einfach macht es sich Lenny Abrahamson nicht. Wie schon in „Frank“ zeigt er aufrichtiges Interesse an seinen Protagonisten und verquickt, dank der Vorlage, einen klaustrophobischen ersten Akt mit einer melancholischen Ode an den Organismus unserer Gesellschaft. „Raum“ ist ein feinfühliger, zutiefst menschlicher Film, der zugleich traurig stimmt und doch so viel Hoffnung erlaubt.

                                                    Auch wenn lediglich Brie Larsons herausragende Perfomance bei den Oscars prämiert wurde, ist es die Mutter-Sohn-Beziehung, die den Film auf die Stufe eines Meisterwerks hebt. Mit gerade einmal 10 Jahren, verleiht Jacob Tremblay seinem Charakter leben und lässt ihn weit über die Leinwand hinaus existieren. Das Ausharren in der unmenschlichen Situation der Gefangenschaft und die unsichere Rückkehr in unsere Welt, ist eine Zerreißprobe für unsere Protagonisten und das spürt man auch. Das bedrückende Kammerspiel der ersten Hälfte ist unbedingt notwendig für das Verständnis der charakterlichen Entwicklung der beiden und lässt tiefer blicken, als man es von einem durchschnittlichen Drama gewohnt ist. „Raum“ schleicht sich langsam in meinen Kopf und macht die Situation der beiden nicht nur sichtbar, er macht sie fühlbar.

                                                    Dabei sollte man natürlich auch nicht die wunderbare Kameraarbeit vergessen, die dem Film erst ein richtiges Gewand verleiht. Durch die häufige Verwendung von Close-Ups bekommen wir einen detailreichen Einblick in Jacks kleine Welt, die sich nun immer weiter entwickelt. Nahaufnahmen weichen letztlich dem Blick auf eine ganz neue, riesige Welt. „Raum“ hat den Begriff „subjektive Kamera“ verinnerlicht und geht damit äußerst originell um. Der zurückhaltende musikalische Klangteppich schafft es auch durchgängig den richtigen Situationen den nötigen Charakter zu verleihen. Vielleicht nicht unbedingt einer der besten Soundtracks des Jahres aber ein durchaus passender Begleiter in so mancher Schlüsselszene.

                                                    Man kann „Raum“ wirklich kaum etwas vorwerfen. Abgesehen von seinem recht konventionellen Soundtrack, ist „Raum“ eine filmische Erfahrung, die man gemacht haben sollte. Abrahamsons Film nimmt nicht nur unglaublich mit, er schafft auch etwas ganz besonderes: Er sorgt dafür, dass wir unsere Umgebung etwas mehr schätzen können. Ich habe nach „Raum“ eine gewisse Art von Dankbarkeit empfunden und ich denke, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin.

                                                    "There's less time because the time has to be spread extra thin over all the places, like butter."

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