Roldur - Kommentare
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Alle Kommentare von Roldur
Joker (2019)
Zugegebenermaßen, als ich den Namen „Todd Phillips“ in Verbindung mit „Joker“ gehört hatte, war meine Vorfreude doch stark gedämpft. Wer braucht überhaupt eine Origin-Story für Batmans bekanntesten Schurken? Ich habe mich geirrt, denn anscheinend war das eine goldrichtige Entscheidung.
Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) arbeitet als eine Art Clown-Dienstleister im New York (Gotham) der frühen 80er. Die Straßen sind voll mit Müll, Dampf quillt aus Gullideckeln, während Arthur Flecks leicht gekrümmte, tragische Gestalt sich seinen Weg durch die Stadt bahnt. Arthur ist krank und wird von Sozialarbeiter zu Sozialarbeiter gereicht, um sich neue Medikamente abzuholen. Bis Arthurs Leben in einer nächtlichen U-Bahn eine dramatische Wendung nimmt.
Nein, „Joker“ ist kein Film der leisen Töne, zumindest nicht im Verhältnis zu seinem großen Vorbild „Taxi Driver“. Am Ende ist Todd Phillips Film doch näher am Mainstream, als er es selbst glauben mag. Doch das muss nicht zwangsläufig etwas schlechtes sein.
„Joker“ ist ein Film der großen Gesten und Bilder. DC beweisen endlich Mut und verpassen ihrem wohl bekanntesten Schurken eine Origin-Story, die pures Dynamit sein könnte.
Irgendwie gelingt es dem Gespann aus Todd Phillips und Joaquin Phoenix, dem Joker einen Charakter zu verpassen, den wir so noch nicht kannten. Arthur Fleck ist ein Produkt seiner Umwelt. Der brodelnde Hass Gothams und das empfinden tiefster Ungerechtigkeiten schlagen sich nach und nach in Arthur Flecks Gesicht nieder, der sich vom unter Krämpfen lachenden Außenseiter, hin zu einer tickenden Zeitbombe entwickelt.
Phillips „Joker“ reißt viele Themen an, auch wenn Dreh- und Angelpunkt noch immer Arthur Fleck selbst ist. Im Verlaufe der Handlung, entwickelt sich Fleck mehr und mehr zum Symbol einer benachteiligten Gesellschaft, die sich aber dennoch nicht richtig für ihn zu interessieren scheint. Arthur ist ein Mann, der nicht gesehen wird, der, wie er selber sagt, unsichtbar durch die Straßen Gothams läuft. Phoenix gibt dem Charakter eine beängstigende Unmittelbarkeit. Man möchte mit Fleck sympathisieren, spürt aber durchgängig die Gefahr, die von ihm Ausgeht.
Ob die Gesellschaftskritischen Töne, die „Joker“ anschlägt, funktionieren oder nicht, ist daher schon fast zweitrangig. Der Film versteht sich vorrangig als eine Charakterstudie, die sich unaufhaltsam auf einen schrecklichen Ausgang hinbewegt. Es muss als Kompliment verstanden werden, dass man den Film in Amerika als „Aufruf zu Gewalt“ versteht. Dabei findet das alles eher im Hintergrund statt. Fokus liegt hier ganz klar auf der Tatsache, dass hier eine Stadt einen schwer gestörten Menschen zum Symbol für Freiheit macht und dieser immer weiter in seinem Wahn verschwindet.
„Joker“ ist hart anzusehen. Es ist schwer zu sehen, wie Fleck angestrengt seinen Einsatz sucht, als er endlich in einer Comedy-Show auftreten darf. Es ist schwer zu sehen, wie nach und nach die Gewalt Eintritt in sein Leben nimmt. Es ist schwer zu sehen, wie seine ursprüngliche Person zu verschwinden scheint, um endlich gesehen zu werden.
Ich hätte nicht gedacht, dass „Joker“ mich derart bewegen würde. Der Film lässt mich mit einem unbehaglichen Gefühl zurück, welches wir wohl vor allem Phoenix kühner Interpretation des Charakters zu verdanken haben. Durchaus aber auch Phillips wütender, teils auch infantiler Regie, die vor großen, im positivstem Sinne, plakativen Bildern nicht zurückschreckt. So ist „Joker“ zu dem geworden was er ist und kommt seinem Charakter wohl so nahe wie selten zuvor. Eine bösartige, irre lachende Gefahr von Film.
„For my whole life, I didn't know if I even really existed. But I do, and people are starting to notice.“
Nach dem desaströsen Ende von HBOs Flagschiff „Game of Thrones“ mussten die Kanalbetreiber etwas in Petto haben, was diverse Abonnenten daran hindert sofort nach dem Finale ihr Abo zu kündigen. So kam also ein paar Wochen vor Finale ein Trailer für „Chernobyl“ raus, der es in sich hatte. Showrunner ist Craig Mazin, seines Zeichens der Autor von „Hangover 2“ und „Superhero Movie“.
Das wirkt erst unseriös und seltsam. Wenn die ersten Bilder in düsteren Grüntönen aber über den Bildschirm flimmern, hat mich „Chernobyl“ bereits in seinem Bann. In fünf Teilen erzählen Mazin und sein Team die Geschichte einer unfassbaren Tragödie. In Bilder getaucht, die nicht zuletzt an die Farbpalette eines Kieslowski erinnern. Geprägt vom gleichen Fatalismus, die auch die Ostblock-Filme der 70er und 80er oft so großartig machte.
Und wenn nicht jetzt, wann dann? Eine Serie, die von Lügen und deren Auswirkungen handelt und der Ignoranz gegenüber riesigen Umweltkatastrophen, könnte aktueller kaum sein. „Chernobyl“ ist im besten Sinne bedrückend.
Mit Jared Harris („The Terror“) und Stellan Skarsgard („Nymphomaniac“) hat man sich gleich auch einen großartigen Cast an die Spitze geholt. Auch wenn Harris und Skarsgard bis zur kleinsten Nebenrolle ebenfalls von beeindruckenden Darstellern unterstützt werden.
„Chernobyl“ ist der wahre Horror. Die fünfteilige Serie strahlt aus dem Fernseher raus. Ein seltsames Gefühl von Beklemmung hatte mich über die Stunden absolut im Griff und wollte nicht loslassen. Dabei ist es nicht so, dass die Serie Heldentum und Aufopferung komplett vergisst. „Chernobyl“ schafft vielseitige Figuren, die irgendwo zwischen verklärter Vaterlandsliebe und Angst vor dem KGB Entscheidungen treffen, die so nicht in jeder Gesellschaft getroffen worden wären. So sehen wir nicht nur die schrecklichen Ergebnisse des Unfalls sondern lernen auch ein System aus Lügen und Bespitzelung kennen, welches das Unglück beinahe verschlimmert hätte.
Die Serie schafft eine seltene Mischform aus überzeugendem Drama und Katastrophenfilm, entwirft monumentale Bilder ohne dabei pathetisch zu werden. Mazin und sein Team scheinen etwas tiefgreifendes über russische Filmästhetik verstanden zu haben.
Wer sich diese fünf Stunden den Atem nehmen lassen möchte, um letztlich mit den choralen Klängen von Hildur Gudnadottirs „Vichnaya Pamyat“ aus der Serie entlassen zu werden, der hat die richtige Entscheidung getroffen. „Chernobyl“ ist aufwühlendes und bewegendes Drama, welches im Miniserien-Bereich wohl so seit dem genialen „Band of Brothers“ nicht mehr geboten wurde. Absolute Empfehlung.
„In a just world I'd be shot for my lies. But not for this. Not for the truth.“
10/10
Als ich 2012 das erste Mal einen Blick in „Game of Thrones“ wagte, war die Fan-Gemeinde bereits sehr groß. Als „Herr der Ringe“-Kind war ich skeptisch, war jedoch am Ende der ersten Staffel begeistert. Zu Recht wuchs die Serie die letzten Jahre zum größten Fernseh-Phänomen der 2010er heran. Nun findet „Game of Thrones“ ein Ende.
„Game of Thrones“ war groß, vielleicht größer als alles was man sich im TV bisher vorstellen konnte. Die großen Zuschauerzahlen rechtfertigten Blockbuster-Budgets und bescherten der Serie gerade gegen Finale eine visuelle Schönheit, die man selten im TV sieht. Das politische Ränkespiel war außerdem für eine Fantasy-Serie überraschend erwachsen, düster und Wendungsreich. Während „Spartacus“ sich hauptsächlich mit Blut und Geschlechtsteilen schmückte, war „Game of Thrones“ zu seinen besten Zeiten ein finsteres Politdrama mit Fantasy-Anstrich. Was ist passiert?
Die Fassade bröckelte bereits ab Staffel 5. Die Bücher neigten sich dem Ende zu, viele Fans beschwerten sich über sogenannte „Filler“-Episoden. Letztlich konnte man aber immer noch mit starkem Finale und Wendungen überraschen. Helfen konnte auch die aufgebaute Sympathie für gewisse Charaktere. Schließlich darf „Game of Thrones“ einen größtenteils herausragenden Cast sein Eigen nennen, der selbst aus den mäßigsten Momenten noch großes Schauspiel herausholen konnte. Wie sehr mich Stannis Baratheons Geschichte berührt hat, wie verstört ich von Joffrey Baratheons Herrschaft war. All diese Momente wirken wie eine verklärte Erinnerung im Verhältnis zur aktuellen Staffel und auch Staffel 7.
Ich möchte nicht die Showrunner Benioff und Weiss alleine für den Fall der Serie verantwortlich machen. Immer wieder blitzen geniale, tragische Einfälle auf (wie z.B. in „The Bells“) und trotzdem knarzt es an allen Ecken und Enden. Ich bin kein großer Logikfanatiker und ich käme auch mit gelegentlichen Sprüngen klar, jedoch schreien die Drehbücher der Achten Staffel nichts als Faulheit. Die Achte Staffel trägt mit gelegentlich interessanten Einfällen eine große TV-Saga zu Grabe.
Die größte Schwäche von Staffel 8 dürften die tonalen Sprünge sein. So wird gerade in der letzten Episode nahtlos von Drama zu Comedy und wieder zurück gesprungen. Einige Folgen fühlen sich so wie ein wahlloses Figuren-Gewürfel an und enden in einem unangenehmen „Was wäre wenn“-Prinzip. Zeitweise hatte ich das Gefühl schlechter Fanfiction beiwohnen zu müssen. Kamera-CGI-Department und Schauspieler geben sich derweil alle Mühe nicht komplett unter den furchtbar missratenen Drehbüchern zu zerbrechen.
Dabei ist es so schade. Auch wenn viele sich über den dramatischen Wechsel in Daenarys Persönlichkeit aufgeregt oder gewundert haben, die Idee wäre mit etwas Vorbereitung brillant gewesen. Trotz diverser Logiklücken präsentiert die vorletzte Folge der Serie einen letzten Höhepunkt. Brutale Bilder von Krieg und Zerstörung werden zum Abschluss einer der größten Hoffnungen der Serie. Daenarys reaktionäre Haltung wird mit einer bösen Ironie entlarvt. Wenn auch mit dem Holzhammer.
Das ist die eigentliche Tragik dieser Staffel. Sie kreiert interessante, neue Ideen und lässt diese in stümperhafter Tonalität zerbersten.
Man hätte diesen Kampf um den Thron mit Würde beenden können, vielleicht mit etwas mehr Drama und etwas mehr Zeit. So wirkt die finale Staffel wie das merkwürdige Konzept einer Serie, die ein zu frühes Ende gefunden hat. Verärgert bin ich nicht, man ließ mich nur seltsam leer zurück. Ein chaotisches, verbautes Ende für eine Serie, die bereits seit 2017 im Sterben lag.
War Stephen King jemals out? Kein anderer Horror-Autor wurde häufiger verfilmt und wir scheinen dank „Es“ wieder auf einer neuen King-Welle zu reiten. Kein Wunder also, dass sein Klassiker „Friedhof der Kuscheltiere“ ebenfalls wieder eine neue Generation erfreuen darf. Aber sollte man tote Dinge wirklich wieder zurückbringen?
Als Familie Creed nach Maine zieht, erwartet sie das Grauen. Ihr Haus ist nicht nur abgelegen, sondern hat auch eine Schnellstraße direkt vor der Tür. Es dauert nicht lange, da wird die süße Familienkatze von einem schnellen Truck zermatscht. Wie es der Zufall aber so will gibt es in der Nähe einen Indianerfriedhof, der das Unglück schnell wieder beheben kann. Oder doch nicht?
Es ist immer schwer Buch mit Film und umgekehrt zu vergleichen. Es schmerzt mich aber sagen zu müssen, dass auch die neue Verfilmung nicht die morbide Atmosphäre des Buches einfangen kann. Kevin Kölsch („Starry Eyey“) gibt sich alle Mühe eine Mischung aus modernem Horror und altmodischer Spukhaus-Optik zu schaffen. Letztlich sorgen seine Änderungen aber nur für fehlende Dramatik in seinem ohnehin schon sehr behäbigen Film.
„Friedhof der Kuscheltiere“ verlässt sich sehr auf althergebrachte Horror-Elemente und mischt dichten Nebel mit vorhersehbaren Jumpscares. Das mag einen gewissen Charme haben, verblasst aber schnell neben kreativen Genre-Monstern wie „Hereditary“ oder „Us“. „Friedhof der Kuscheltiere“ macht es sich einfach.
Hinzu kommen leider auch sehr mäßig geschriebene Exposition-Dialoge, die nur mit Not von den exzellenten Darstellern gerettet werden können. Selten ergibt sich dem Film die Möglichkeit den schleichenden, morbiden Horror der Vorlage zu entwickeln. Vielmehr ergibt sich mit fortlaufender Spielzeit das Gefühl, dass wir es hier mit bloßem Flickwerk zu tun haben.
Wie die wiederbelebten Lebewesen im Zentrum der Handlung, fühlt sich dieser „Friedhof der Kuscheltiere“ auch überraschend tot an. Alles ist zwar im Grunde da, wo es hingehört aber irgendwas stimmt nicht. Rostig und knarzend schleppt sich der Film durch seine tragische Handlung und lässt nur an wenigen Stellen das Potential vermuten, welches er am laufenden Band verschenkt.
Ich möchte nicht sagen, dass „Friedhof der Kuscheltiere“ nicht kompetent gemacht wäre. Er hält sich nahezu an alle Regeln, die zwei Jahre zuvor der neue „Es“ aufstellte, lässt aber dessen Charme absolut vermissen. Am Ende haben wir hier einen Film, der nur an wenigen Stellen Fahrt aufnimmt oder originelle Entscheidungen trifft. Alles hat man schon gesehen und leider oft auch besser. Für den kleinen Horror-Hunger zwischendurch oder John Lithgow, sicher einen Blick wert aber lange nicht Horror-Offenbarung, die die Vorlage eigentlich bieten müsste.
„Sometimes, dead is better.“
Über Dan Reeds Dokumentation „Leaving Neverland“ zu schreiben fühlt sich falsch an. Aber wieso tut es das? Im Folgenden werde ich mich dafür entscheiden, den Opfern zu glauben.
Wie kommt es dazu, dass Wade Robson sich jetzt gegen seine unter Eid getätigte Aussage wendet und das Gegenteil behauptet? Mit dieser Frage lässt uns „Leaving Neverland“ nicht im Raum stehen, sondern startet in 4 Stunden Laufzeit einen Erklärungsversuch.
Sollte man sich in der Postion befinden und die 4 Stunden nicht damit verbringen ungläubig seinen Kopf zu schütteln, dann dürfte „Leaving Neverland“ zu den unangenehmsten Film-Erfahrungen gehören, die man sich anschauen kann.
Die chronologisch durch Interviews erzählte Geschichte von jahrelangem Missbrauch aber auch Freundschaft und Liebe ist herzzerreißend und, man muss es leider sagen, sehr glaubwürdig. Robson und Safechuck machen es verständlich, warum das Schweigen so lange anhielt, warum man sich in Widersprüche verstrickte.
„Leaving Neverland“ geht den gefährlichen Schritt und setzt sich nur mit der Opferseite auseinander, was im Verlaufe des Films sehr viel Sinn ergibt, sein Standing bei zahlreichen Fans aber deutlich erschwert. Jedoch handelt es sich nicht bloß um aggressiv heraus geschriene Anschuldigungen, sondern um eine verstörende und seltsam ambivalente Geschichte. Auch an dieser Stelle ist ein oft zitierter Satz aus dem Film angebracht:
„Michael Jackson was one of the kindest, most loving people I knew. He helped me tremendously with my career and my creativity. He also sexually abused me for seven years.“
Interviewt werden die beiden Opfer und ihre Familien. Mit langsamen Aufbau und sorgfältige Einführung in die gottgleiche Verehrung Jackson, leitet der Film in seine schockierende Geschichte ein. Wir haben es hier im Falle von Robson mit großen Fans zu tun, mit einem Kind, dass durch Jackson seine tänzerische Ader entdeckte. Robson spricht mit größtem Respekt von einem Mann, der ihn jahrelangem Missbrauch aussetzte. „Leaving Neverland“ zeichnet außerdem ein Bild von vollkommen naiven Familien, die dem Wort „Starstruck“ eine ganz neue Bedeutung geben. Selbst wenn der Film keine massiven Anschuldigungen gegenüber Jackson nach sich ziehen würde, ist er ein erschreckend detaillierter Einblick in die Mechanismen von Gehirnwäsche und damit verbundenem Kindesmissbrauch. Jackson schaffte es der Welt zu vermitteln, dass es das Normalste auf der Welt wäre, tagelang am Stück mit Kindern in einem Bett zu schlafen. In einem Zimmer, das durch mehrere Türen von der Außenwelt getrennt war, in einem Flur, der mit Alarmglocken versehen war und das weit, weit entfernt vom Schlafraum der Eltern. Jackson ist ein Kind geblieben. Ein Kind, das sich alle paar Jahre neue Freunde sucht, sobald die Anderen zu alt werden. Ein Kind, das nur mit Jungs befreundet sein kann.
Natürlich liefert „Leaving Neverland“ keine handfesten Beweise. Niemand hat Fotos in Jacksons Räumlichkeiten zum Tathergang gemacht. Wie soll jemals etwas bewiesen werden können, wenn Robson und Safechuck immer allein mit Jackson waren, wenn es zum Missbrauch kam. Im Falle von Safechuck und Robson, sehe ich aber schwer verstörte Menschen, die von einer Doku keine finanzielle Vergütung erwarten können. Menschen, die sichtbar schmerzhafte Aussagen treffen und sich damit in eine äußerst undankbare, öffentliche Position begeben. So eine Doku wäre ohne das „Me Too“-Zeitalter nicht möglich gewesen und dafür sollte man dankbar sein. Wem der Leser dieses Kommentars glaubt, steht jedem offen, ich glaube den Opfern und das auch nach stundenlanger Auseinandersetzung mit „Gegenbeweisen“.
St. Pauli 1970. Das siebte Glas Fanta-Korn tropft Fritz Honka (Jonas Dassler) bereits aus allen Poren. Nach seiner letzten Romanverfilmung „Tschick“, bannt Fatih Akin dieses Mal Heinz Strunk auf die Leinwand. Ein Film, der jetzt schon die Gemüter erhitzt, angewiderte Presse provoziert und Zuschauer in Scharen aus den Kinos treibt. Ein waschechter Skandalfilm? Aus Deutschland?
Fritz Honka ist klein, schief und hat kaum noch Zähne im Gesicht. Nichts ist dem 39-Jährigen Hamburger geblieben außer dem Suff und einer unzähmbaren Triebhaftigkeit. Im „Goldenen Handschuh“, einer Hamburger Kiez-Bar, kann er ungestört seiner Sucht nachgehen und rutscht nach und nach in einen immer tieferen Abgrund.
Man kann „Der goldene Handschuh“ fast schon riechen. Pin-Up-Bilder kleben an der Wand in Honkas Bude, der stechende Geruch von Fichtennadel-Duftbäumen und Verwesung dringt in die Nase. Was Setdesigner und Schauspieler hier an Glaubwürdigkeit aufwarten ist atem- und geruchsberaubend. Akin hat ein absolutes Vakuum an Würde heraufbeschworen und lässt den Film wie einen nie enden wollenden Schwall an Erbrochenem auf den Zuschauer herunterprasseln. Im positivsten Sinne. Klingt komisch, ist aber so.
Manch einer mag sich daran stören, dass im Gegensatz zu Strunks Vorlage einige Streichungen vorgenommen wurden und wir uns sehr viel Honkas wahnsinnigem Alltag ausgesetzt sehen. Ohne Honkas Gedanken und Spiegelbilder aus anderen Ecken St. Paulis, kann doch keine zweite Ebene entstehen. Ich habe diese Ebene in Dasslers Spiel wiedergefunden, der in Honka nicht nur das widerwärtige Monster findet, sondern eine am Leben gescheiterte Gestalt, die wie ein blutrünstiger Geist durch das trostlose Nachkriegs-Deutschland wandert.
Auf den ersten Blick ist „Der goldene Handschuh“ vielleicht eine Schlachtplatte aus Schlagern, furchtbarem Frauenhass und Unmengen an Korn. In den Zwischentönen entpuppt sich der Film aber ebenso wie Strunks Buch als eine ungemein niederschlagende Studie über menschliches Scheitern.
Medien gehen getrennte Wege. Aufgrund des Kinoformats geht die Filmversion von „Der goldene Handschuh“ natürlich den einfachen Weg und nimmt Honka als Hauptfokus. Während seine Serienmorde erst spät Bestandteil des Buches wurden, leitet Akin direkt mit diesen ein. So geht zwar leider einiges an Strunks präzisen Beobachtungen verloren, verkommt aber (wie leider oft behauptet) selten zur Karikatur. Vielmehr entwickelt sich „Der goldene Handschuh“ zu einer äußerst seltenen Mischung aus Terrorfilm und Drama. Man will einfach, dass es aufhört, dass man diese Welt verlassen kann und nie, nie wieder Alkohol trinken muss. Man muss dem Grauen nicht mehr, wie in Strunks Buch, zuhören, man muss ihm direkt in die Augen schauen und ertragen, wie es mit zittrigen Händen nach der fünften Flasche Korn greift.
Man muss Kino als Ort der Erfahrung sehen und nicht zu sklavisch an Strunks Vorlage festhängen, um diesen Film genießen zu können. Wenn man das kann, dann ist „Der goldene Handschuh“ Fatih Akins bisher radikalstes Werk. Spaß kann man hier im Kino nicht wünschen, denn hier dürften sich nur die wenigsten wohl fühlen. Grimmiger und hoffnungsloser war deutschsprachiges Kino seit Gerald Kargls „Angst“ nicht mehr. Dass Akin jetzt dermaßen negative Presse entgegenschlägt ist nur ein weiterer Beweis für die Wirkung seiner bösartigen Charakterstudie.
Wenn Dan Gilroy, Regisseur von „Nightcrawler“, einen neuen Film mit Gyllenhaal dreht, dann werde ich hellhörig.
Wenn Kunstwerke für Millionen über die Theke gehen, dann kann etwas nicht stimmen. Die elitären Auswüchse der Kunstszene sind dekadent, pervertiert und versnobt. Als Morf Vandewalt (Jake Gyllenhaal) aber auf die verstörenden Gemälde eines Verstorbenen aufmerksam wird, scheint sich seine Realität aufzulösen.
Was in „Nightcrawler“ noch die herzlose Welt der Nachrichtensendungen war, das wird hier durch desillusionierte Künstler und gierige Kunsthändler ersetzt. Während sich der Horror in „Nightcrawler“ noch aus der kranken Gedankenwelt des Protagonisten ergab, nimmt er hier Einzug in die reale Welt. Ob das Abdriften in paranormale Gefilde die beste Idee war, sei dahingestellt.
„Velvet Buzzsaw“ will viel zu viel. Gilroy möchte hier spannenden Horror erzählen und zugleich eine allgemeingültige Kunstsatire erschaffen. Dabei geht leider beides ordentlich in die Hose, wenn auch mit Grazie.
Man sieht „Velvet Buzzsaw“ in jeder Ecke Ambition an und einzelne Momente, wie z.B. in einer Tonkammer, dürfen sich auch als großartig bezeichnen lassen. Jedoch tröstet das über Gyllenhaals unkontrolliert grimassierendes Schauspiel und überraschend ideenlose Gruselmomente kaum hinweg.
Ähnlich wie Duncan Jones „Mute“, nur nicht ganz so uninteressant, füllt „Velvet Buzzsaw“ seine Welt mit kuriosen Charakteren, weiß aber nichts mit ihnen anzufangen. So geben großartige Dartsteller von Rene Russo bis John Malkovich ihr Bestes, müssen aber letztlich gegen eine Karikatur ankämpfen, die nie echtes Leben zu entwickeln scheint. So ist der Film letztlich so leer und aufgeblasen, wie die Szene die er kritisiert. Man hatte wohl große Momente im Kopf, wollte diese verfilmen, wusste aber nicht so recht, wie man die am Ende verbinden soll.
Irgendwo in dieser bunten Suppe aus Overacting, blöden Jumpscares und zerfahrenem Pacing, sitzt ein guter Film. Ich kann Gilroy für diesen Film kaum böse sein, denn dieses Wrack von einem Film ist auf kuriose Weise interessant aber eben auch sehr misslungen. Wer Filme auch für Einzelmomente sehen kann und bei Horror gerne mal zwei Augen zudrückt, der verschwendet hier nicht seine Zeit. Genre-Fans sollten alleine wegen „Hoboman“ und einigen gelungenen Seitenhieben auf die Kunstszene einen Blick wagen.
„The admiration I had for your work has completely evaporated.“
Interessante Liste ! "Das Mädchen aus dem Norden" ist leider anscheinend nur kurz im Kino erschienen und das wars. Würde den sehr gern sehn!
Split-Screen, Videoclip-Ästhetik und rote Trenchcoats? Sind wir denn alle komplett wahnsinnig geworden? Nach „Spring Breakers“ dachte ich, dass Frauen mit Baseballschlägern exklusiv in Horrorfilme und Marteria-Videos verbannt seihen.
Was passiert, wenn auf einen Schlag alle privaten Daten eines schönen amerikanischen Vororts veröffentlicht werden. Browser-Historie, private Bildchen und Porno-Suchbegriffe. Kein Wunder, dass der Ort schnell einen Schuldigen sucht. Gut, dass Lily und ihre Clique aus Vorzeige-Girls des Social-Media-Zeitalters sich geradezu anbieten.
Mit bildfüllenden Fonts stürzt sich Sam Levinsons Film direkt mit diversen Warnungen ins Geschehen. Man warnt vor exzessiver Gewalt, verbaler Gewalt, Transphobie, Homophobie und sexueller Gewalt. Mit Begriffen wie „Trigger Warning“ und „#blessed“ bedient sich Levinson schnell zeitgemäßem Vokabular, geht damit aber so scharfzüngig um, als ob er wirklich einen Teil der Internet-Kultur verstanden hat. Wenn man das denn so nennen kann.
„Assassination Nation“ bedient sich der schrillen Rücksichtslosigkeit unserer Zeit und lässt einen Vorort Amok laufen. Mit plakativen Kontrastfarben versehen und brüllend geschmacklosen Outfits ausgestattet, wirft der Film mit Kommentaren zu Internet-Bewegungen um sich und ist dabei eine überraschend treffende Satire geworden.
Auch wenn „Assassination Nation“ nicht unbedingt sonderlich schlau mit seiner Sozialkritik umgeht, ist er in gleichen Teilen eben auch erfrischen respektlos. Das spiegelt sich im herrlich enthemmten Schauspiel der Mädels-Clique wieder, in aufwändigen und äußerst ungewöhnlichen Kamerafahrten und exzessiver, sadistischer Gewalt.
„Assassination Nation“ verrennt sich leider gegen Ende etwas sehr in „The Purge“-Anleihen, bietet aber eine Punk-Attitüde wie sie lange kein Film mehr hatte. Wer also lange nicht mehr ästhetisch komplett überfordert wurde und inhaltlich auch herbe Schläge daneben aushält, der ist hier genau richtig. Auch ein gutes Plus: Wenn man das Wort „Absurd“ im positiven Sinne verwendet. Als Satire nicht unbedingt perfekt aber den Versuch war es wirklich, wirklich wert.
„So here’s the thing that really bothers me. Who sees a naked photo of a girl and their first thought is, “Yo, I got to kill this bitch?” Turns out, way more people than you’d think.“
Auch wenn mich die letztjährigen Cannes-Gewinner seit „Blau ist eine warme Farbe“ kaum noch so gepackt haben wie ebendieser, bin ich jedes Jahr aufs Neue gespannt, was da auf mich zukommt. Mit „Shoplifters“ von Hirokazu Koreeda schaffte es also ein kleines japanisches Familiendrama die Cannes-Jury zu begeistern.
Als die kleine Yuri eines Nachts einsam vor ihrer Tür steht, weil die Eltern eher mit Streit beschäftigt zu sein scheinen, nimmt sich der Ladendieb Osamu ihrer an. Ohne große Umschweife wir das kleine Mädchen in die seltsame Familie aus einer alten Frau und diversen Ladendieben integriert und lernt dort, was Familie eigentlich bedeutet.
„Soplifters“ verlässt sich vollkommen auf seine Charaktere. Und das zu Recht. Koreedas Film ist eine zutiefst menschliche Abhandlung über Familie oder das, was man eben so nennt, geworden. So spielt sich „Shoplifters“ hauptsächlich in einem kleinen Vorort Tokyos ab. Man hört den Regen auf die dünnen Wände prasseln, erfährt mehr über die rätselhaften Beziehungen der Protagonisten und lässt sich letztlich auch auf die Ruhe ein, die dem Film innewohnt.
Tatsächlich verzichtet „Shoplifters“ auf das große Drama und ist dabei angenehm „Off-Beat“ in seinen filmischen Bestrebungen. Vor allem durch die Leistung von Sakura Andô als Nobuyo und ihrem „Freund“ Lily Franky, wird „Shoplifters“ zu etwas ganz Besonderem. Die Beiden machen greifbar, woran manch' ein anderer Film schon gescheitert ist. Sie zeigen Liebe abseits von staatlicher Moral. Weitergehendes würde zu viel verraten, „Shoplifters“ wirft aber ein Auge auf Armut und Erziehung, welches weder verurteilend ist, noch Diebstahl bagatellisiert.
Man sollte dabei auch nicht die große optische Qualität des Films vergessen. Cinematograph Ryûto Kôndo, gibt dem Film einen ganz eigenen Look, der auch in dunklen, kleinen Räumen große Schönheit findet. Während zum Beispiel der diesjährige „Roma“ in fantastischen Totalen seine Geschichte erzählte, ist Kôndos Visualität viel näher an den Protagonisten und lässt dennoch nie ein Gefühl von Klaustrophobie aufkommen.
Wer „Shoplifters“ ansieht, muss etwas Geduld mitbringen. Das meine ich hier aber im positivsten Sinne. Koreedas Film ist gänzlich an seinen Charakteren interessiert und bedient bis kurz vor Ende kaum einen klassischen Spannungsbogen. Wenn man sich aber darauf einlassen kann und den Film als einen Einblick in ein (je nach Zuschauer) gänzlich anderes Leben betrachtet, dann ist „Shoplifters“ etwas ganz Besonderes. Wenn selbst in den kleinsten Wortfetzen eine große Poetik wohnt, dann weiß man wofür Kino gemacht ist.
„If someone hits you and tells you they are doing it because they love you, they are a liar.“
„Netflix“ stockt auf! Nachdem bereits „Auslöschung“ einige Abonnenten überraschte, legt der Streaming-Dienst Ende 2018 mit zwei Krachern nach. Der neue Film der Coens-Brüder „The Ballad of Buster Scruggs“ und jetzt noch das neue Herzensprojekt des Mexikaners Alfonso Cuarón.
Mexiko 1971. Cleo (Yalitza Aparicio) ist die Mixtekische Haushälterin einer wohlhabenden Familie in Mexiko. In Zeiten politischen Aufruhrs und dem Zusammenbruch ihrer Familie, kämpft sie zunehmend mit Problemen in ihrem eigenen Leben und den gesellschaftlichen Strukturen Mexikos zu jener Zeit.
Cuarón, seines Zeichens mittlerweile Blockbuster-Regisseur mit Titeln wie „Gravity“ in seiner Filmographie, begibt sich wieder zurück zu seinen Wurzeln. In wundervollen Bilder und gänzlich monochrom, porträtiert er in „Roma“ ein Jahr im Leben einer ganz und gar zurückhaltenden Persönlichkeit.
Zunächst profitiert „Roma“ ungemein von seiner Protagonistin Yalitza Aparicio, die man niemals als Laie identifizieren könnte, selbst wenn man wollte. Das zurückhaltende Schauspiel der jungen Mixtekin ist Dreh- und Angelpunkt der überraschend ruhigen Erzählweise des Films. Auch wenn „Roma“ in großen, aufwändigen Totalen erzählt wird, bleibt stets eine innere Ruhe. Eine Ruhe, die den Film weit intimer werden lässt, als man erwarten könnte. Es ist überraschend, dass „Roma“ trotz weitgehendem Verzicht auf Close-Ups oder besonders emotionalem Soundtrack eine dermaßen anrührende Stimmung schafft. Trotz beeindruckender Statisten-Choreographien im Hintergrund und großem Aufwand in Sachen Locations und Set, entwickelt der Film nie einen Anflug von Größe. Das natürlich im positiven Sinne.
„Roma“ hat leider in Deutschland nicht viele Leinwände erreicht und ist mit seiner Visualität sicher ein Film, den man am Besten auf großer Leinwand genießen sollte. Wer aber ohnehin „Netflix“ Abonnent ist und etwas Geduld mitbringt, der sollte sich „Roma“ nicht entgehen lassen. Nicht umsonst wollten die Lobeshymnen angesehener Festivals auf „Roma“ kaum verklingen. „Roma“ ist ein poetischer, zurückhaltender und ergreifender Film.
„We are alone. No matter what they tell you, we women are always alone.“
Das Jahr ist fast um, da trudeln noch einige Filme ins Kino, darunter zum Beispiel „Robin Hood“. Dank der Sneak konnte ich mal einen Blick wagen, auch wenn das Ding erst 2019 erscheint. Vorweg: „Robin Hood“ von Otto Bathurst, dürfte das Potential haben selbst der schlechteste Film 2019 zu werden.
Robin von Loxley, seines Zeichens ein junger Lord, sieht sich vor einigen mäßig coolen Tatsachen. Geschunden durch diverse Traumata während der Kreuzzüge, kehrt er nach Nottingham zurück und seine ehemalige Heimatstadt ist besetzt von einer radikalen Kirchenregierung und seine Ländereien gepfändet.
„Robin Hood“ dürfte jeder kennen. Alle Jahre wieder werden wir mit einer Verfilmung beglückt. Zuletzt traute sich Ridley Scott und versagte, jetzt ist also Otto Bathurst dran. Nachdem es die Trailer bereits vermuten ließen, ist „Robin Hood“ dann tatsächlich die seelenlose Massenware geworden, die man befürchten konnte. Trotz markantem Cast mit Taron Egerton („Kingsman – The Secret Service“) und Ben Mendelsohn („Bloodline“), ist „Robin Hood“ ein Frankenstein-Monster aus allem was gerade so „hip“ ist. Nur eben ohne Können, ohne Seele und vor allem ohne Spaß.
Was benötigt eine „coole“ Neuauflage noch? One-Liner, flotte Action und viele, viele Schnitte. Nicht, dass man das nicht machen könnte. Wenn auch kontrovers aufgenommen, beweist „King Arthur“ von 2017, dass Guy Ritchie eine angestaubte Legende erfolgreich modernisieren kann. „Robin Hood“ wirkt so, als hätte Bathurst mal von „King Arthur“ gehört, ihn nicht einmal angesehen und dann versucht das Ding zu imitieren. Das mühselige Konglomerat aus Go-Pro Ästhetik, Freeze-Frames und anstrengender Action-Cam wäre gerne „Crank“, fühlt sich aber an wie das mittelmäßige Skate-Video eines 12-Jähirgen.
Und dann musste man Egerton und Co. auch noch zwingen die Dialoge aus dem Drehbuch zu sprechen. Wer immer mal erfahren wollte, wie man Dialoge nicht schreiben sollte, der sollte diesen Film nicht verpassen. „Robin Hood“ katapultiert die schützende Hand quasi vor das Gesicht, so groß ist die Fremdscham. Triefender Schmalz trifft auf unendlich verblödete politische Anspielungen. Bathurst „Robin Hood“ versucht flippig, modern und politisch zu sein und erreicht kein einziges Ziel. Genre kann man da auch noch den unglaublich versemmelten Versuch erwähnen altmodische Kleidung mit neuer Ausstattung zu vermischen. Schön, wenn der Sheriff von Nottingham gerne mal eine spacige 80er-Jacke trägt und aussieht wie der mies gelaunte Bruder der Frontmänner von „Modern Talking“.
Wer im Kino dieses Jahr noch keinen Brechreiz hatte, es mit „The House that Jack Built“ und „Suspiria“ versucht hat und der Ekelfaktor einfach nie groß genug war, der darf endlich seine Kotztüte auspacken. „Robin Hood“ ist nicht einmal gut gemeint. Der Film ist der verblödete Versuch auf den nicht vorhandenen Erfolg von „King Arthur“ aufzuspringen. Wer aber schon immer mal sehen wollte, wie man die Kreuzzüge inszeniert wie den Irakkrieg, der sollte dringend mal einen Blick wagen.
Wer den schillernden Höhepunkt aus Dario Argentos Karriere namens „Suspiria“ kennt, der dürfte auf diesen Film ganz besonders gespannt sein. Jahrelang galt ein Remake als ausgeschlossen unter Horrorfans, als dann aber Luca Guadagnino („Call Me By Your Name“) als Regisseur genannt wurde ich hellhörig.
Frisch aus Amerika angereist, fängt Susie Bannion (Dakota Johnson) ihre Ausbildung an der „Tanzschule Helena Markos“ an. Die junge, talentierte Tänzerin muss jedoch sehr bald bemerken, dass die Tanzschule, günstigerweise direkt an der Berliner Mauer gelegen, ein dunkles Geheimnis birgt.
Wenn sich ein Ausnahme-Regisseur wie Guadagnino an ein neues Genre traut, dann darf man äußerst gespannt sein. Bereits mit der Ortsverschiebung der Handlung von „Suspiria“ nach Berlin, wir das Remake bereits in eine ganz andere Richtung manövriert. Guadagninos Suspiria ist deutlich länger und verkopfter als Argentos Version. Während Argentos Original eine perfekte Mischung aus treibendem Score und expressionistischer Optik war, ist Guadagninos Film inhaltlich wie ästhetisch in einer unsicheren, brüchigen Atmosphäre angesiedelt. Der neue „Suspiria“ evoziert über seine 152 Minuten eine fast durchgängig bedrohliche Atmosphäre.
Man kann sich über Guadagninos Entscheidungen hier und da streiten. Mit seiner kruden Mischung aus Giallo-Ästethik, historischem Teppich und entsättigter Optik, ist dieser „Suspiria“ nicht leicht zu lieben. Lange durfte man nicht mehr einen derart ambitionierten Film im Genre-Bereich erleben. Guadagnino will berühren, erschrecken und den Geschichtsprofessor raushängen lassen. Das kann man hassen oder eben auch lieben. Ich entscheide mich für Letzteres.
Denn trotz überlangen Passagen mit Dr. Josef Klemperer (Lutz Ebersdorf) und Dauerbeschallung über die RAF, fängt mich die Atmosphäre des Films ein. Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt und das ist bei einer derartigen Laufzeit bemerkenswert. „Suspiria“ bietet atemberaubende Tanzpassagen, die ein überraschend gut funktionierendes Gegenstück zum genialen „Climax“ aus diesem Jahr bieten. Die Choreographien verbunden mit Thom Yorkes Soundtrack sind pures Kino und wären selbst bei Versagen des gesamten Films ein Argument ins Kino zu gehen. Nicht zu vergessen sind auch die tollen Locations, die eindeutig auch inspiriert von „Possession (1981)“ ausgesucht wurden und Sayombhu Mukdeeproms wunderschöne Kameraarbeit.
Nicht zu vergessen ist auch der Cast, der angeführt von Tilda Swinton absolute Meisterklasse abliefert. Sei es Dakota Johnsons beeindruckende Physis, die einen überraschenden Kontrast zur Protagonistin des Originals bietet, oder Tilda Swinton, die hier in einer Dreifachrolle alles gibt. Swinton ist ohnehin das Herzstück des Films, denn sie darf hier alles geben und sämtliche Facetten ihres Schauspiels präsentieren. Besonders herausstechend ist aber ihre hintergründig-verstörende Performance als Madame Blanc.
„Suspiria“ ist filmgewordene Ekstase, ein ungelenkes Monster von Film, welches man einfach weiter anstarren muss. Auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt, macht „Suspiria“ so vieles richtig. 2018 scheint das Jahr des Kino-Obskuritäten zu sein, denn „Suspiria“ hat mich nicht zuletzt auch wieder etwas an „Mandy“ erinnert, der ebenso gerne mal alle Konventionen vergisst, dabei aber in eine vollkommen andere Richtung geht. Man kann „Suspiria“ kaum beschreiben und viele werden sich an dem Film die Zähne ausbeißen. Wer aber Body-Horror, teils skurriles Over-Acting wie in Argentos Filmen oder beinharte Psycho-Thriller mag und experimentierfreudig ist, dem lege ich den Film ganz klar ans Herz. Ich könnte noch so viel mehr schreiben, denn „Suspiria“ läd' wirklich zum diskutieren ein. Viel Spaß im Kino, sei es mit Hass oder mit Liebe.
Kann es sein, dass der Slasher-Film zurück ist? Maskierte Killer waren in den 80ern das, was heute Poltergeister und Exorzismen sind. Pünktlich zum 40-Jährigen Jubiläum des Massakers in Haddonfield, kehrt Michael nun also zum elften Mal auf die Leinwand zurück und ignoriert alles bis auf John Carpenters Originalfilm.
40 Jahre hat sich Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) vorbereitet und endlich ist Halloween da. Michael Myers, der nach den brutalen Teenie-Morden seit 40 Jahren weggesperrt ist, gelingt nach einer missglückten Verlegung die Flucht. Es ist also erneut Zeit, die Messer zu wetzen und den Bewohnern Haddonfields ein paar zusätzliche Löcher zu verpassen...
David Gordon Green („Ananas Express“) ist wahrlich kein Veteran im Horror-Genre. Wer aber Carpenter zu einer erneuten Zusammenarbeit in einem elften Sequel bewegt, der hat mein Interesse geweckt. Als großer Fan von Michael Myers, Jason, Freddy und Pinhead sollte man dieses Review natürlich mit Vorsicht lesen, denn ich bin großer Fan des Genres.
Als die orange glimmende Schrift auf der schwarzen Leinwand auftaucht und Carpenters neue Version der klassischen „Halloween“-Theme erklingt, bin ich natürlich voll dabei. Audiovisuell ist der neue „Halloween“ sehr nah an seinen Vorgängern, dürfte einige der späteren Sequels auch um Längen übertrumpfen. Der neue Soundtrack vermischt alte Tracks hervorragend mit neuen Komponenten und Kreationen und wirkt in seinen besten Momenten so treibend wie im Original.
Wahre Highlights des Films dürften aber Ms. Curtis als Laurie und Michael himself sein. Wo Green in einigen Horror-Momenten schwächelt, so ist die Inszenierung der Beziehung zwischen Laurie und Michael sehr gelungen. Das visuelle Schauspiel von Curtis und die eiskalte Inszenierung Michaels erinnern stark an das Original und fangen perfekt dessen Atmosphäre ein. So werden die Momente zwischen beiden zu den Highlights des Films. Seit „Halloween 2“ war Michael nicht mehr so nah an „The Shape“ und Curtis nicht so engagiert.
Doch wie das bei „Halloween“ sein muss. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Green scheint als relativ unerfahrener Horror-Regisseur auch einige Jahre an Entwicklung einfach vergessen. Gerade in Sachen Dialog und Schauspiel der Nebendarsteller, fängt sich „Halloween“ eine ganze Menge an Sequel-Krankheiten. So müssen druckvolle Terror-Momente immer wieder einer öden Teenie-Schmonzette weichen, die zwar nicht wirklich schmerzt aber viel von der ikonischen Kraft des Films stiehlt. Auch scheint Green das Konzept in vielen Bereichen detailliert ausgearbeitet zu haben, verlässt sich aber in der Charakterisierung oft auf hohle Phrasen und Twists, die nicht unbedingt schocken. So kann das Psychologen-Paar lange nicht an die leeren Augen eines zutiefst verstörten Dr. Loomis heranreichen, der von Michael aus „Evil on two legs“ spricht.
„Halloween“ bildet eine glorreiche Rückkehr in ein verloren geglaubtes Genre. Brutal, verstörend, auf audiovisueller Ebene wunderschön aber auch nicht sonderlich originell. So ist „Halloween“ kein Meilenstein aber eine wirklich starke Fortsetzung, die jeden glücklich stimmen sollte, der über kleine Schwächen hinwegsehen kann. Michael ist nicht mehr der Redneck-Killer aus Zombies „Halloween“ sondern älter und rücksichtsloser als je zuvor.
„I always knew he'd come back. In this town, Michael Myers is a myth. He's the Boogeyman. A ghost story to scare kids. But this Boogeyman is real. An evil like his never stops, it just grows older. Darker. More determined. Forty years ago, he came to my home to kill. He killed my friends, and now he's back to finish what he started, with me. The one person who's ready to stop him.“
Als sich Gaspar Noe 2015 zuletzt mit „Love“ meldete, blieb ich enttäuscht zurück. Wo war die Radikalität von „Irreversible“ geblieben, die traumwandlerische Schönheit von „Enter the Void“ und der unbändige Menschenhass aus „Seul Contre Tous?
1996. In einer abgelegenen Turnhalle vor Paris findet eine ungewöhnliche Tanzparty statt. Alle scheinen die Zeit ihres Lebens zu haben, bis sich die gefährlichen Inhaltsstoffe des Sangria bemerkbar machen. Die Bowle ist voll mit einer massiven Überdosis an flüssigem LSD.
Und erneut werden wir mit pumpenden Beats in eine Welt voller Grausamkeit gezogen. Noe hat das Nachtleben verstanden und bannt es wie kein Anderer auf die Leinwand. Was mit überraschend menschlichen Interviews beginnt, verwandelt sich nach und nach in einen Alptraum. Einen Alptraum der, für Noes Verhältnisse, überraschend menschlich ausgefallen ist.
Durch Selva (Sofia Boutella) bekommen wir eine Art Hauptcharakter, der den Zuschauer durch diese Vorhölle führt. Boutella funktioniert als Protagonistin großartig und legt sogar eine astreine Hommage an „Possession“ hin. Bizarre, beeindruckende Tanzchoreographien mit einem wilden Mix aus sogenanntem „Krumping“ und „Waacking“, weichen einer fiebrigen, unberechenbaren Stimmung. Die Gewalt ist unangekündigt und bösartig-explosiv, „Climax“ fängt die Grobe Art überdosierter/stark zugedröhnter Menschen perfekt ein. Erneut versteht sich „Climax“ perfekt auf subjektive Kameraführung und ist zugleich wunderschön wie furchtbar desorientierend.
Man merkt „Climax“ seine extrem kurze Drehzeit von zwei Wochen an. Im positiven Sinne. „Climax“ besitzt eine geordnete Struktur, die zwar aus Improvisation entstand, narrativ aber wunderbar funktioniert. So hat jeder Tänzer seine eigene Persönlichkeit, Tanzstil und Probleme. Dialoge und Tanzszenen finden eine Ordnung im Chaos und sind dadurch äußerst realitätsnah. Gerade durch die anfänglichen Interviews und Dialoge wird ihr Abstieg in den LSD-induzierten Wahnsinn umso tragischer.
Das könnte jetzt wie ein „Best Of“ anderer Filme von Gaspar Noe klingen, der Schein trügt aber. Ja, „Climax“ ist fast durchgängig unangenehm wie zum Beispiel „Irreversible“, zu gleichen Teilen aber auch enthemmt verliebt in den Tanz seiner Darsteller. „Climax“ rammt die Klinge in den Bauch und bricht sie ab und das ohne dabei so brutal zu werden wie andere Filme von Noe. Im Vergleich zu „normalen“ Filmen natürlich trotzdem unerträglich heftig.
Der Film ist ein diabolischer, wahnwitziger Trip und zeigt Menschen so animalisch, wie man sie selten in einem Film gesehen hat. Wer sich dieses Wahnsinn untermalt von einem genialen Soundtrack und einer schwindelerregenden Kameraführung anschauen kann, der wird nicht enttäuscht werden. Und kann ein schlechter Trip schöner sein als in grelle Neonfarben getaucht und untermalt durch Sounds von Aphex Twin, Thomas Bangalter und M/A/R/R/S?
„What does dance mean to you?“ - „Everything.“
2013 war es „Joe“, heute ist es „Mandy“. Immer wieder sind wir kollektiv überrascht, dass Nicolas Cage ein toller Darsteller sein kann. Da vergisst man gerne mal Meisterwerke wie „Leaving Las Vegas“ oder „Wild at Heart“. Kann sich „Mandy“ also außerhalb von der Anerkennung als „ein guter Film mit Nic Cage“ noch weiter beweisen?
Red (Nicolas Cage) ist ein etwas in die Jahre gekommener Holzfäller, der mit seiner Freundin Mandy (Andrea Riseborough) in einem abgelegenen Waldstück wohnt. Als sie durch einen schrecklichen Zufall Nachts von einer Sekte heimgesucht werden, schwört Red bittere Rache.
Man könnte „Mandy“ als stylischen Rache-Actioner missverstehen und sich bereits zu Anfang über das fehlende Tempo wundern. Regisseur Panos Cosmatos (Beyond the Black Rainbow) wählt hier aber einen ganz anderen Ansatz. So findet man sich schnell in einer blutgetränkten, dunklen Welt wieder, die in ihrer elegischen Erzählweise eher an Gaspar Noés „Enter the Void“ erinnert als an Rache-Actioner wie zum Beispiel „Taken“.
Während sich die große Nostalgie-Welle der 80er momentan eher im Bereich der Mystery-Familien-Filme aufhält („Stranger Things“, „Super Dark Times“, „Summer of 84“), prescht Cosmatos „Mandy“ aus dunkleren Ecken hervor. Unweigerlich denkt man an Clive Barkers„Hellraiser“ und ähnlich düstere Werke.
Aber auch abseits von Zitaten funktioniert „Mandy“ in seiner ganz eigenen Dimension. Offenbar stark inspiriert durch H.P. Lovecrafts Romane, entwirft „Mandy“ Fetzen einer Vorhölle und bietet in Verbindung mit Jóhann Jóhannssons Soundtrack eine bizarre Filmerfahrung, wie man sie selten zu Gesicht bekommt.
Wie in David Lynchs besten Zeiten nimmt „Mandy“ eine handelsübliche Handlung und dreht diese durch eine Art Traumfilter. Alleine Nicolas Cage als Protagonist dürfte für viele Fragezeichen sorgen. Wer sich aber darauf einlässt, wird von Cage in eine ganz neue Dimension des Wahnsinns geführt. Eine Obskurität aus übertriebenem Filmkorn, expressionistischen Farben und einem fantastischen Soundtrack zwischen Doom-Metal und sakralen Synthie-Klängen.
Ein surrealer (Alp-)Traum mit gewöhnungsbedürftigem Pacing aber dafür von ungewöhnlicher Schönheit. Absolute Empfehlung und wohl jetzt schon eine der besten Leinwanderfahrungen des Jahres.
„Under the crimson primordial sky, the wretched Warlock reached into the dark embrace.“
Wenn man das Nischen-Genre „Rape & Revenge“ kennt, dann fallen sicher Titel wie „I Spit on your Grave“ oder „The Last House on the Left“. Ob man in genannten Filmen frühe feministische Filmwerke sieht, oder einfach brutale Schlachtplatten sei dahingestellt. Coralie Fargeats Debutfilm möchte genau dieses Genre bedienen.
Jen (Matilda Lutz), die eigentlich ein ruhiges Wochenende mit ihrer Affäre Richard (Kevin Janssens)verbringen will, staunt nicht schlecht, als plötzlich zwei Jäger vor ihrem Ferienhaus stehen. Was folgt ist ein grauenhaftes Ereignis und Jens blutrünstige Rache.
Klingt jetzt nicht sonderlich komplex. Ist es auch nicht. Regisseurin Fargeat konzentriert sich lediglich auf die wesentlichen zwei Aspekte eines solchen Rachefilms. Kompromisslose, abstoßende Gewalt und eine voyeuristische, unangenehme Atmosphäre. Einprägsam wird der Film aber vor allem durch seine ruhige Erzählweise und eine audiovisuelle Klasse, die im Genre nicht üblich ist. Der großartige Soundtrack von Rob (Maniac) und Robrecht Heyvaerts (The Ardennes) Cinematographie, helfen auch über das streckenweise zerfahrene Pacing hinweg.
Im Zentrum steht aber die wunderschöne Matilda Lutz, die mit wenig Dialog vor allem physisch überzeugen muss. Wenn Jen durch Liter von Blut watet, Knochenbrüche wegsteckt und ihr Peiniger niederstreckt, überzeugt Matilda Lutz mit einer Verletzlichkeit, die den neuen Teilen der Videospiel-Reihe „Tomb Raider“ nicht unähnlich ist.
Coralie Fargeats Film ist letztlich nicht mehr als eine Fingerübung im Genre. Das ist aber eben auch nicht schlimm, denn „Revenge“ zeigt schon in seinem Titel, dass es sich hier um pure Genre-Wahre handelt. Der Film bietet fast durchgängig eine angespannte Atmosphäre und ist zugleich eine Verneigung vor dem Exploitation-Genre und eine Modernisierung des weiblichen Racheengels. „Revenge“ ist sicher etwas zu lang und macht gerade in Sachen Plot keine Luftsprünge, erreicht seine Zielsetzung aber locker und macht dabei eine ganze Menge richtig.
„Women always have to put up a fight!“
Manchmal braucht es das große Drama. Die große Liebe, die große Trennung oder vielleicht auch den großen Kitsch. Diese Sparte bedient bei mir meistens Baz Luhrmann. Gespannt war ich trotzdem auf „Deine Juliet“.
In dem britischen Drama mit dem deutlich längeren Originaltitiel „The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“ steht Julie Ashton (Lily James) mitten im Leben. Sie ist erfolgreich, verlobt und geht ihrem Traum, als Autorin zu arbeiten, nach. Glücklich ist sie trotzdem nicht wirklich. Als sie jedoch auf die faszinierende Geschichte des Buchclubs der Insel Guernsey stößt, scheint sich ihr Leben auf positive Weise zu verändern.
Mike Newell hätte mit seiner Insel voll skurriler Gestalten und dem Nachkriegs-Setting etwas Interessantes anstellen können. Das scheint nicht geklappt zu haben. „Deine Juliet“ verliert sich bereits in den ersten 10 Minuten in schöner Ausstattung und scheint zu 90 Prozent aus Exposition zu bestehen.
Newell will offensichtlich ein großes Drama erzählen, schafft es jedoch nie das Interesse zu halten. So trifft Julie ständig auf schweigsame Inselbewohner, die alle nach demselben Schema agieren. Dabei ist das Schweigen eher schwer erklärbar. Der Krieg ist vorbei, das Trauma sitzt tief, dennoch wirkt das nie so. Selbst tolle Darsteller wie Penelope Wilton wirken an den schrecklich banalen Dialogen verschwendet. So wird „Deine Juliet“ zu einer überlangen Geduldsprobe, die auch durch die sehr konservative Kamera nicht wirklich spannender wird.
„Deine Juliet“ ist ein anstrengend mittelmäßiger Film. Das Drehbuch bleibt durchgehend vorhersehbar und lässt keinerlei Spannung aufkommen. Würde man sich die Blaupause für ein historisches Liebesdrama vorstellen, dann wäre wohl dieser Film entstanden. Da hilft weder die fehlende Chemie der Protagonistin mit Schweinebauer Dawsey Adams (Michiel Huisman), noch die komplette Abwesenheit jedweder Erotik. Da die Geschichte um das „Geheimnis“ des Buchclubs kaum bei der Stange hält, wird „Deine Juliet“ zu einer Abfolge an Belanglosigkeiten, die höchstens zum Gähnen bewegen.
Handwerklich ist „Deine Juliet“ in Ordnung. In nahezu jedem anderen Bereich knirscht es aber an allen Ecken und Enden. Der Film ist ohne jede Ambition, fürchterlich verstaubt, spießig und mäßig geschrieben. Eine große Verschwendung solider Darsteller wie zum Beispiel Lily James (Baby Driver) oder auch Matthew Goode (Watchmen) und letztlich auch eine lachhaft-respektloser Umgang mit den Nachkriegs-Setting.
„I've seen things I never thought could happen happen.“
Wie kann ausgerechnet Teil 6 einer nunmehr 22 Jahre alten Filmreihe noch Interesse auslösen? „Mission: Impossible“ scheint das zu schaffen. Seit „Phantom Protokoll“ arbeitet sich Tom Cruise in mein Action-Herz und „Fallout“ sollte meinen mittelmäßigen Kino-Sommer retten.
Verdammt, die Erde ist in Gefahr. Eine Organisation abtrünniger Ex-Agenten hat sich drei Plutoniumkerne unter den Nagel gerissen und möchte die Welt ins Chaos stürzen. Binnen 72 Stunden dürften „die Apostel“ in der Lage sein aus den Kernen drei Atombomben herzustellen und damit die Welt zu bedrohen. Klar, dass nur einer den Tag retten kann: Ethan Hunt (Tom Cruise).
Ethan Hunt ist ein guter Mann. Trotz intensiver Kontrolle durch seine Kollegen und eine menschliche Fußfessel August Walker (Henry Cavill) liegt ihm nur das Wohl der Menschheit am Herzen. Selbst in den widrigsten Situationen handelt Hunt vorbildlich und absolut moralisch. Das kann schon fast nerven. Wenn man aber darüber hinwegkommt, dass Ethan Hunt ein Mann ohne Makel ist und „Mission Impossible: Fallout“ trotz diverser Twists und Turns keine sonderlich anspruchsvolle Handlung hat, darf man sich hier auf den besten Action-Blockbuster seit Jahren freuen.
Tom Cruise ist eine Maschine. Was hier an Stunts geboten wird wurde andernorts nun auch schon oft erwähnt, kann aber auch hier nicht unerwähnt bleiben. Wer bereits bei „Rogue Nation“ seine Stuhllehnen malträtiert hat, der wird hier definitiv seinen Spaß haben. Durch McQuarries präzise Regie und den neuen Cinematographen Rob Hardy, ist jede Actionsequenz in atemberaubender Schönheit eingefangen. Wer bereits Fan der sauberen, wundervoll durchgeplanten Totalen aus „Ex-Machina“ war, der kann sich bei „Mission: Impossible Fallout“ auf Einiges gefasst machen. Ob in schwindelerregenden Höhen oder in den Straßen von Paris, „Fallout“ hat ordentlich Druck und lässt nur selten die Zügel locker. Mit seinen läppischen 56 Jahren rennt, fliegt und fällt Cruise sich durch nahezu 150 Minuten nonstop-Action und wirkt in keiner Minute ungelenk oder wesentlich gealtert.
Auch neben Cruise kann sich der Rest des Casts sehen lassen. Rebecca Ferguson nimmt ihre Rolle als Ilsa Faust wieder auf und bereichert vor allem die zahlreichen Paris-Sequenzen mit ihrer Präsenz enorm. Einen wirklich großen Gewinn stellt für mich aber vor allem Henry Cavill dar, der sich als August Walker nicht nur einen besonders feinen Schnurrbart wachsen ließ, sondern damit kurzerhand auch die letzte Ehre von „Justice League“ zerstörte. Cavill als bulliger Killer fühlt sich angenehm altmodisch an und gab mir nicht selten das Gefühl einen älteren Bond-Film zu sehen. Besonders gegen Ende nutzt McQuarrie Cavills Physis weit besser als ein Snyder das jemals getan hat.
„Mission: Impossible – Fallout“ ist nicht besonders schlau, versteht sein Handwerk aber in Perfektion. McQuarrie weiß, dass man hier kein Familiendrama erzählt und ist trotz großer Ernsthaftigkeit auch immer wieder selbstironisch, was sich vor allem wieder in Simon Peggs Rolle niederschlägt. Wer auch nur irgendwie Spaß an perfekten Choreographien, großen Spannungskino oder lebensgefährlichen Stunts findet, der sollte unbedingt mal der Hitze entfliehen und nahezu 3 Stunden auf der Kino-Achterbahn des Sommers 2018 verbringen.
„My running days are over. This is where it all ends.“
Villeneuve ist raus, Deakins ist raus und Teil 1 war doch eigentlich zu Ende erzählt, oder? „Suburra“ war der Grund, warum ich auf das Sequel zu „Sicario“ doch Lust hatte. Nun ist also Stefano Sollima auf dem Regiestuhl.
Als einige schwere Attentate in einem amerikanischen Supermarkt stattfinden, ist die US-Regierung gezwungen die Kartelle erneut unter die Lupe zu nehmen. Anscheinend sind nebst Einwanderern auch Terroristen über die mexikanische Grenze geschmuggelt worden. Ein Zustand, an dem nur Matt (Josh Brolin) und Alejandro (Benicio del Toro) etwas ändern können.
Zugegeben, der Plot klingt höchst bedenklich. Zunächst bedient „Sicario 2“ gerne amerikanische Urängste und schlägt dabei in eine politisch höchst unangenehme Richtung. Mit Taylor Sheridan („Wind River“) als Drehbuchautor, ist aber schnell klar wohin der Wind weht.
Stefano Sollima verzichtet auf die langsame Inszenierung des Erstlings und bietet mehr Action. Das bietet zum einen große Vorteile für Fans von brutaler Ops-Action, büßt aber über weite Strecken die Intensität des Vorgängers ein. Gerade in seiner ersten Hälfte ist „Sicario 2“ dominiert von markigen Sprüchen und einer fast schon peinlich testosteron-geschwängerten Atmosphäre. Durch Brolins und Del Toros übermenschliche Fähigkeiten an der Waffe läuft „Sicario 2“ regelmäßig in Gefahr, in Belanglosigkeit abzudriften.
Nach einem überaus intensiven Auftakt und dem obligatorischen Hänger, fängst sich Sheridans Drehbuch aber und geht sehr stark mit Sollimas Inszenierung einher. Gegen Ende entfernt sich „Sicario 2“ immer mehr vom bloßen Angstmacher hin zu den Grauzonen des Erstlings. Der Film entfesselt eine Kaskade an Gewalt, die in ihrer Konsequenz so einige flaue Mägen hinterlassen dürfte. Dabei fällt der politische Kommentar zwar nicht ganz so bissig aus, wie man es sich gewünscht hätte, jedoch bestätigt sich auch nicht meine Befürchtung, dass „Sicario 2“ lediglich harte Grenzkontrollen legitimieren wollte.
Es hätte „Sicario 2“ gut getan, wenn er eine weniger komplexe Geschichte erzählt hätte. Einmal versucht der Film politisch relevant zu sein, dann will er mehr Action bietet und letztlich stellt es sich immer wieder als holprig heraus Matt Graver in den Vordergrund zu rücken, der in „Sicario“ zu Recht nur eine Nebenrolle hatte. Am Ende ist „Sicario 2“ ein solide inszenierter Thriller mit einer tollen Performance seitens Benicio del Toro. Wer auf das Gefühl der konstanten Bedrohung aus Teil 1 verzichten kann und einen routinierten Thriller möchte, der wird hier seinen Spaß haben.
„I could throw a stick across the river and hit fifty grieving fathers.“
Ein paar böse Jokes (zugegebenermaßen jetzt nicht mega lustig) sorgen also dafür, dass man den bsten Regisseur im MCU feuert. Wow. Tolle Sache.
Als ich vor circa vier Jahren mit feuchten Augen vor dem ersten „Star Wars“-Teaser sah, war das Kind in mir geweckt. Klingt kitschig, ist aber so. In meinem Kopf sah ich eine glorreiche Kino-Zukunft voll mit meinem ehemaligen Lieblings-Franchise. 2018 sitze ich jetzt hier und wollte „Solo“ nicht sehen...
Der kontrovers aufgenommene achte Teil der „Star Wars“-Saga zerstörte einen großen Teil des Vertrauens der Fans in zukünftige Filme, mich eingeschlossen. „The Last Jedi“ war mir nicht zu extravagant oder mutig. Der Film konnte nur keines der Gefühle in mir hervorrufen, die ich noch mit „The Force Awakens“ hatte. Ohne Erwartungen haben ich jetzt also „Solo“ gesehen. Meine Erwartungen wurden erfüllt.
Han Solo (Alden Ehrenreich) ist ein junger Tagelöhner, der zusammen mit seiner großen Liebe Qi'ra (Emilia Clarke) auf ein Raumschiff spart, um dem Drecksloch Corellia zu entkommen. Dass dabei nicht nur legale Tätigkeiten zum Ziel führen, ist klar.
Anders als zum Beispiel „Suicide Squad“, sieht man „Solo“ seine turbulente Produktionsgeschichte tatsächlich kaum an. „Solo“ wirkt in großen Teilen wie ein klassischer Ron Howard Film. Mutlos, glatt und kaum einprägsam. Phil Lord und Chris Miller merkt man hier und da, diese Momente bleiben aber verschwindend gering.
Es ist nicht so, dass man mit „Solo“ keinen Spaß haben kann. Es gibt diesmal kaum aufdringlichen Blödel-Humor, der „The Last Jedi“ noch das Genick brach, es gibt aber auch nur seltenst wirklich grandiose Momente. Alden Ehrenreich fühlt sich nie wie Han Solo an. Ich würde nicht einmal so weit gehen zu behaupten, dass Ehrenreich nicht gut schauspielert, er wirkt nur wie ein gänzlich anderer Charakter. Würde er nicht zufällig Outfit und Namen mit Harrison Ford teilen, ich wäre nie auf die Idee gekommen hier Han Solo vor mir zu haben. Im Endeffekt spult „Solo“ nur eine mehr oder minder interessante Story ab, die mit zahlreichen dümmlichen Twists glänzt und durch einen extrem ermüdenden Auftakt langweilt. Höhepunkt dürfte Paul Bettany als Antagonist sein, der offensichtlich Spaß an seiner Rolle hat und jede Szene mit seiner Anwesenheit signifikant aufwertet. Das Lob für Danny Glover kann ich nicht ganz teilen, auch wenn ich den Darsteller in „Atlanta“ und „Community“ liebe, bleibt dieser Lando doch ganz schön blass. Schlecht ist Glover sicher nicht aber eben doch so gehemmt wie der ganze Film.
„Solo“ ist gewolltes Mittelmaß. Ein Film, dem man alle Ecken und Kanten gestohlen hat. Das filmische Äquivalent zu David Guetta. Für Hass ist „Solo“ zu gut und für Liebe ist „Solo“ zu gefällig. „Solo“ schmeckt wie ein Glas Wasser, dass man zwei Tage vergessen hat und jetzt mit Staubschicht genießen soll. Das löscht schon irgendwie den Durst, schmeckt auch nicht total scheiße aber ist kein Vergleich zu frischem Wasser.
„You happen to notice that freighter down there? You know what's on it? About 30 hired guns. All I gotta do is give 'em the signal, you're surrounded.“
Knapp vor den Toren Disneylands, hinter bröckelnden Werbetafeln, Spielzeugläden und abgehalfterten Striplokalen, wachsen Moonee (Brooklynn Prince), Scooty (Christopher Rivera) und Jancey (Valeria Cotto) auf. Zwischen zerfallenden Neubauten, Silikonbrüsten und geschnorrtem Essen, ist letztlich doch mehr Spaß zu finden als gedacht.
„The Florida Project“ sucht Hoffnung in der Tristesse, Aufrichtigkeit bei fehlender Moral. Unsere Hauptcharaktere und nicht zuletzt Ziehmutter Halley, kongenial verkörpert durch Newcomerin Bria Vinaite, balancieren ständig am sozialen Abgrund. Statt jedoch mit erhobenem Zeigefinger auf seine Charaktere zu blicken, zeigt Sean Baker („Tangerine L.A.“) erneut seine humanistische Seite und findet so viel mehr.
In aller Aggression dürfte jede gewisses Identifikationspotential finden. Moonee und co. sind verzogen, klar, sind in all ihrer Ehrlichkeit aber vielleicht gekonntere Einwohner ihrer ärmlichen Welt als Halley, die an ihr zu zerbrechen droht.
Mit Sean Baker scheint sich eine ernsthafte Alternative zu Harmony Korine („Spring Breakers“) zu formieren. Während Korines Filme aber meist in einem asozialen, und dennoch wunderschönen, Limbo verweilen, wagt Baker mehr. „The Florida Project“ portraitiert eine aufrichtige Bindung zu seinen Charakteren und verkörpert diese zuletzt sogar durch Willem Dafoe als Bobby, der als Motel-Manager alles für seine schwierige Kundschaft tun würde.
„The Florida Project“ zeigt aus kindlich-naiver Perspektive, mit fantastischen Darstellern (Kinder wie Erwachsene) garniert, eine unbarmherzige Welt, taumelnd zwischen Armut und amerikanischer Freizeitpark-Dekadenz. Eine bittersüße Ode an die Kindheit, die jedem Zuschauer etwas geben kann und nur die wenigsten mit trockenen Augen aus dem Saal entlassen dürfte.
„Excuse me. Could you give us some change, please? The doctor said we have asthma and we have to eat ice-cream right away.“
Wenn junge Erwachsene ihre Gefühlswelt nicht ganz greifen können, dann ist die Eskalation meist' nicht weit. Zuletzt gesehen in „Carrie“ (2013), „Carrie“ (2002) und „Carrie“ (1976). Mit „Thelma“ versucht sich nun endlich auch Joachim Trier („Oslo 31. August“) am Thema.
Thelma (Eili Harboe) ist als Studentin frisch in Oslo angekommen und kann es kaum glauben, welche Freiheiten sie hier genießt. Als sich ihre erste große Liebe als weiblich entpuppt, entsteht ein innerer wie äußerer Kampf zwischen ihrer streng-religiösen Erziehung und ihrem Verlangen nach Freiheit und damit auch sexueller Selbstverwirklichung.
Was hat das nun mit „Carrie“ gemeinsam? Brian DePalmas Adaption von Stephen Kings Erstlingswerk setzte anno '76 auch auf starke paranormale Bildmetaphern ohne vollständig Klarheit über Realität und Fiktion zu schaffen, Trier wählt hier einen ähnlichen Weg, verleiht dem Film aber einen emotional wirkungsvolleren Anstrich.
Zunächst fallen die herausragende Qualität in Sachen Optik (Cinematograph Jakob Ihre leistet ganze Arbeit) und Setdesign auf. „Thelma“ ist in jedweder Hinsicht ein wunderschöner Film und erlaubt sich nur in Sachen CGI geringe Fehler gegen Ende. Die Bilder haften im Kopf und verleihen der dramatischen Geschichte eine Epik, die man von einem doch eher klein angelegten Drama kaum erwartet hätte.
Dreh- und Angelpunkt des Gelingens von „Thelma“ scheint jedoch Eili Harboe als Protagonistin zu sein. Die junge Darstellerin zeigt besonders in Szenen ohne Dialog eine emotionale Bandbreite, die man im Jahr 2017 höchstens noch bei der großartigen Perfomance von Timothée Chalamet in „Call me by your Name“ beobachten konnte.
„Thelma“ trägt dick auf und schreckt weder vor großen religiösen Bildern, noch vor gefährlichem Pathos zurück. Aber trotz dem extrem schwierigen Balanceakt zwischen paranormalem Thriller und feinfühligem Coming-Of-Age Drama, bleibt „Thelma“ würdevoll, ruhig und fast schon traumtänzerisch schön.
Auch wenn „Thelma“ definitiv Schwächen mitbringt, hier und da zu lang geraten ist und gegen Ende zu viele Fäden zusammenführt, die eigentlich nicht zusammengehören, bleibt der Film eine unbedingte Empfehlung. Trier schafft hier ein eiskaltes Drama mit emotionalen wie surrealen Qualitäten, das mit noch lange im Gedächtnis bleiben wird und in Sachen Schauspiel und Optik seine offensichtlichen Vorbilder um Längen übertrifft.
In Zeiten, die Science-Ficiton eher als große Blockbuster-Unterhaltung betrachten, großen Bombast auf die Leinwand bringen und melancholische Dystopien wie „Blade Runner 2049“ schnell mal in den finanziellen Ruin schicken, da wirkt ein Film wie „Auslöschung“ irgendwie unangebracht. Zu sperrig für das deutsche Kino und vielleicht der erste gelungene „Netflix“-Film seit Ewigkeiten?
Ex-Militär und Biologin Lena (Natalie Portman) staunt nicht schlecht, als ihr als verstorben geltender Ehemann Kane (Oscar Isaac) nach einem misslungenen Eisatz plötzlich wieder auftaucht. Während Kane mit schweren Wunden zu kämpfen hat, versucht Lena dem Ursprung seines Verschwindens auf den Grund zu gehen.
Komplett ohne Vorwissen genießt sich „Auslöschung“ wohl am Besten. Ich werde mich hier weitgehend bedeckt halten und rate auch vom Konsum des Trailers ab. Denn wie zuletzt mit „Ex Machina“ hat Garland hier auch wieder eine ambitionierte Sci-Fi Geschichte in petto.
Irgendwo zwischen wabernder Ungewissheit von „The Thing“, totaler Fremdartigkeit wie in „Under the Skin“ und in Nebelschwaden gehüllte Parallelwelt wie in „Walhalla Rising“. Ob diese Filme Garlands Vorbild waren, das sei dahingestellt. Hauptsächlich dürfte Jeff VanderMeers Roman „Auslöschung“ Vorbild gewesen sein.
Eine Lektion in Rätselhaftigkeit. Dröhnende, dissonante Geräusche, Flora und Fauna wie eine Krebswucherung mitten in einer Moorlandschaft. Garlands Truppe von Wissenschaftlern stößt in ein grünes Loch vor, welches keinerlei Antworten zu geben scheint. Motivation? Auslöser?
Mit graziler Zurückhaltung porträtiert Portman ihre Lena als ebenso rätselhaft wie die außerirdische Natur in „Auslöschung“. Auch wenn die Rückblenden als Rahmen dienen sollen, wirken sie eher angeheftet als wirklich relevant. Weitere Sichtungen dürften dem aber Abhilfe leisten. Lena bleibt bewusst eine Hülle, durch deren Augen wir in ein Mysterium eintauchen dürfte, gleichsam schön wie furchteinflößend. Man merkt „Auslöschung“ zwar immer wieder das dürftige Budget an, in ihrem Rahmen schaffen Alex Garland und Rob Hardy aber ungemein surreale Bilderwelten, die gerade gegen Ende zur Höchstform auflaufen.
Audiovisuell dürfte „Auslöschung“ ohnehin der bisher interessanteste „Netflix“-Film sein. Geoff Barrow und Ben Salisbury versehen Garldands Film nach „Ex Machina“ erneut mit einer Musikuntermalung, die sich hören lassen kann. Ätherische Klänge, die wie große Teile des Films, an Tarkovskis „Stalker“ erinnern, treffen auf die melancholischen Sounds von „Moderat“ und werden gegen Ende sogar fast schon Teil des Setdesigns.
„Auslöschung“ hat natürlich seine Probleme. Das Budget schlägt sich gerade im Bereich Horror eher negativ nieder, die Rahmenhandlung entzieht dem Film manchmal etwas Zauber und auch die „Zone“ hätte vielleicht etwas mehr Zeit zum Atmen gebraucht. Wer komplett aufgesogen werden möchte, wie zum Beispiel in „Stalker“, der sollte seine Erwartungen etwas dämpfen. Dennoch schafft „Auslöschung“ etwas, was nur wenige Sci-Fi-Filme in den letzten Jahren geschafft haben, er kreiert Mysterien, hat Nachklang und wirft Fragen auf. „Netflix“ bietet nach diversen Peinlichkeiten endlich einen Film, der das Potential hat mit weiteren Sichtungen zu wachsen und immer weitere Fragen aufzuwerfen.
"It's not destroying... It's making something new."