Sigmund - Kommentare

Alle Kommentare von Sigmund

  • Alle habt ihr recht, vor allem Thomas: Kann sich jemand an eine halbwegs anspruchsvolle deutsche Komödie in den letzten Jahren erinnern? Auch nur eine einzige??
    Ich glaube, ich denk mir mal was aus. Und die Dialoge schreibt dann hoffentlich Stu! ;)

    5
    • 8 .5

      Erstaunlich wie ehrlich dieser Film doch ist – trotz seiner vielen Kuriositäten.
      Bei früheren Sichtungen fand ich CELEBRITY immer etwas unbefriedigend und einen der schwächeren Filme von Altmeister Allen. Heute ging es mir anders. Vielleicht lag es an meiner Erwartungshaltung, vielleicht an der Tagesform? Im besten Fall lag es an der Bereitschaft, etwas Ungeschöntes zu sehen, das nicht wie die meisten Filme von heuchlerischer Sehnsuchtserfüllung oder Moralhuberei verklärt ist.
      Bei aller lärmenden Leichtigkeit, mit der wir hier durch die Welt der Berühmten torkeln, ist CELEBRITY ein erstaunlich trauriger Film. Wir ahnen zwar schon von Anfang an, dass Berühmtsein nicht nur eine trunkene Melange aus Bewundertwerden und süßen Privilegien mit sich bringt, sondern auch Falschheit, Egomanie und Oberflächlichkeit an jeder Ecke lauern – aber wirklich schmerzhaft ist vor allem jenes eher beiläufige Gefühl von Verzweiflung, das hinter dem Getöse mitschwingt wie ein leiser Mollakkord.
      Eine Verzweiflung, die an Motten erinnert, die sich unendlich angezogen fühlen von einer Flamme, die immer unerreichbar bleiben wird – oder im Moment der Verschmelzung das Ende besiegelt. Bei genauerem Hinsehen scheint für Frieden und Erfüllung kein Platz in dieser Welt, nur für die Illusion und die Gier danach, und natürlich für die entsprechenden Tantalusqualen. Furchtbar!
      Und doch ist der immerwährende Kreislauf aus süßer Verheißung, zahllosen Demütigungen, kurzen Glücksmomenten und bitterer Ernüchterung so etwas wie ein Motor, der einen am Laufen hält. Ein Auf und Ab, das in ähnlicher Form wahrscheinlich sogar die meisten Bereiche des Lebens betrifft, immer und immer wieder.
      Wenn wir mal ganz ehrlich sind.

      22
      • Das wird mal wieder ein Fest(ival)!
        Double-like!

        1
        • 9 .5

          Private Filmgeschichtchen, Folge 15:
          Obwohl mir die Oscars nicht viel bedeuten, hat sich seit 1997 die Tradition eingeschlichen, die Verleihung jedes Jahr mit ein paar Leuten live durchzustehen.
          Um die Sache spannend zu machen, loben wir dann immer eine Wette oder eine kleine Prämie aus, die normalerweise der davonträgt, der in den meisten Kategorien richtig lag. Der Gewinner wird beispielsweise bekocht oder auf einem Stuhl durch die Schanze getragen, mit Pappkrone auf dem Kopf.
          2006 bezog sich die Wette nicht auf alle Kategorien sondern nur auf den besten Film. Wir waren zu dritt, und die Dame des Abends wollte nicht mitmischen, weil sie keinen der Filme gesehen hatte. Blieben also mein Freund M und ich. M setzte auf L.A.CRASH, ich auf BROKEBACK MOUNTAIN.
          Beim Skat würde man sagen: ein Oma-Spiel, denn hier trat ein reißerisches Episodenfilmchen mit Kitschglasur gegen eines der am meisterlichsten geschriebenen, inszenierten und gespielten Dramen seit vielen, vielen Jahren an.
          Wer bei den Oscars aber Qualität als höchsten Maßstab vermutet, liegt bekanntlich oftmals falsch. Gewonnen hat CRASH, und ich durfte morgens gegen sieben vor aller Augen splitternackt runter auf die Straße laufen um dort „DDR“ in den Schnee zu pinkeln.
          Vielen Dank, Academy!

          P.S.: Im Nachhinein frage ich mich allerdings, für wen das Ganze letztlich demütigender war – für mich Nackedei oder für die verantwortlichen Oscarheinis, die einem der großen Meisterwerke des neuen Jahrhunderts ein längst vergessenes Blenderfilmchen vorgezogen hatten...

          34
          • 7

            Guter Film.
            Abzüge gibt's wegen der vielen, arg crowdpleaserigen "Jetzt hab ich's dir aber gegeben!"-Momente und wegen der Schwarzweiß-Zeichnung (höhö) von so mancher Figur.

            13
            • Sehr sorgfältig und treffend geschrieben!
              Eine schöne Würdigung für einen der meisterlichsten Klassiker der Westerngeschichte, der wegen seiner irritierend widersprüchlichen Charakterzeichnung manchmal als etwas unbefriedigender empfunden wird als einfacher gestrickte Verteter des Genres. Dabei ist insbesondere in der Ambivalenz der Hauptfigur seine größte Qualität zu finden, die den Film so faszinierend lebensecht und tiefgründig macht.

              4
              • 8 .5

                YOUNG ADULT entpuppt sich bei aller erzählerischen Leichtigkeit als eine der interessantesten Charakterstudien der letzten Jahre.
                Das exzellente Regie/Autoren-Gespann Reitman/Cody zeichnet seine blendend aussehende, aber innerlich arg verkümmerte Protagonistin so egozentrisch und soziopathisch wie man es bei einer Hauptfigur nur selten erlebt: Obwohl Mavis mit ihrem perfekten Aussehen und beruflichen Erfolg reich ist an allem, was nicht nur der amerikanische Traum als oberste Maxime ausgibt – ist ihr Selbstwertgefühl so tief im Keller, dass sie nach jedem Strohhalm greift um sich über ihre daheim gebliebenen, ehemaligen Mitschüler zu erhöhen.
                Mit dem verbohrten Ziel, ihren früheren Highschoolschwarm zurückzuerobern, liefert sie ein treffliches Porträt jener Jugendgeneration reiferen Alters, die zur Egopflege einem monströsen Narzissmus fröhnt – und sich wundert, dass so etwas wie wirkliche Selbstachtung trotzdem ausbleibt.
                Charlize Theron verkörpert diese Rolle so beeindruckend realistisch, dass man sich die Haare raufen möchte über die Blindheit der Academy, sie dafür nicht für den Oscar zu nominieren. Der Grund könnte unter anderem darin liegen, dass die klügsten Filme so gut wie immer dem Massengeschmack ihrer Zeit voraus waren.

                26
                • 9
                  über Gnade

                  Von den drei deutschen Wettbewerbsbeiträgen auf der 2012er Berlinale hat mich überraschenderweise GNADE am meisten überzeugt.
                  Ausgerechnet Matthias Glasner, der noch in den 90ern prätentiöse Peinlichkeiten wie DIE MEDIOCREN und FANDANGO angeboten hatte und auch in seinem letzten Film THIS IS LOVE so manchen kreissägenartigen Misston produzierte, gelingt hier ein Schulddrama von erstaunlicher Vielschichtigkeit und Tiefe.
                  Dabei ist der Auslöser der Geschichte, ein Unfall mit Fahrerflucht, ein denkbar häufig erzähltes Motiv mit hoher Klischeegefahr. Doch das meisterliche Drehbuch des Dänen Kim Fupz Aakeson (EN SOAP, EINE FAMILIE) umschifft die abgegriffenen Aspekte des Themas und legt anhand seiner modernen, selbstreflektierten Charaktere neue Dimensionen frei.
                  Auch die titelgebende Gnade spielt eine interessante Rolle, wenn mehrfach das alte Drehbuchgesetz, das die schlimmstmögliche Wendung fordert, gebrochen wird. Nein, die fast schon christlichen Werte Demut und Dankbarkeit angesichts der vielen Unkontrollierbarkeiten des Lebens, die uns z.B. in Form anderer Menschen schnell mal am Wickel haben – und doch meist vor dem Schrecklichsten verschonen – haben sich mir schon lange nicht mehr so nachhaltig offenbart.
                  Undramatisch ist der Film trotzdem in keinem Moment. Glasner erzählt unaufgeregt, aber präzise und intensiv – kleinere Regieschnitzer wie die Besetzung eines Mädchens, das ein paar Jahre zu alt ist für ihre Worte „über den Regenbogen gehen“ (als Euphemismus für den Tod), fallen nicht ins Gewicht. Die polare Landschaft und die vielen norwegischen Schauspieler erzeugen eine einzigartige Atmosphäre, und auch Birgit Minichmayr unterstreicht eindringlich, dass ihr grandioses Spiel in ALLE ANDEREN kein Zufall war.

                  15
                  • Hm, jeder der Genannten hat in seiner Laufbahn schon wesentlich interessantere Werke abgeliefert (Hazanavicius mal ausgenommen). Bei Scorsese und Malick lässt sich sogar die Meinung vertreten, es sei deren jeweils schwächste Regiearbeit überhaupt.
                    Also bin ich für Woody Allen, auch weil er das seltenste Genre der Filmwelt hochhält: die intelligente Komödie.

                    7
                    • Mag ja sein, dass die Welt der Filmfestivals keine perfekte ist – aber die besseren unter ihnen gehören neben ein paar ausgewählten Programmkinos trotzdem zu den wenigen Orten dieser Branche, an denen Ausdrucksstärke, künstlerische Eigenständigkeit und das Ringen um Wahrhaftigkeit überhaupt eine Rolle spielen.
                      Bitte nicht vergessen.

                      11
                      • 8

                        Einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre.
                        Mit beachtlichem Feingespür gelingt es Debüt-Regisseur Florian Cossen und seinen Hauptdarstellern eine Geschichte zu erzählen, der genug Dramatik innewohnt um sie nicht plump forcieren zu müssen. DAS LIED IN MIR beleuchtet anhand seines Kindsraub-Themas den geradezu unlösbaren Konflikt des Opfers und vermittelt eindringlich die damit verbundene seelische Grausamkeit – ohne jemals larmoyant zu werden.
                        Jessica Schwarz, die nach vielversprechendem Karriereanfang zuletzt hauptsächlich Trash wie WARUM MÄNNER NICHT ZUHÖREN... , DIE TÜR, ROMY oder DIE WILDEN HÜHNER... gedreht hatte, beweist dass sie im Charakterfach noch immer ernstzunehmen ist und glänzt durch reduziertes Spiel, wenn sie beispielsweise ihren unerwartet nachgereisten Vater nicht übermäßig besorgt fragt ob etwas passiert sei.
                        Auch Michael Gwisdek und die furiose Beatriz Spelzini geben ihre Rollen ausgesprochen glaubhaft und berührend – was nicht zuletzt das Verdienst des jungen Regisseurs ist, auf dessen Zweitling ich schon mit Spannung warte.

                        10
                        • 2
                          über Zettl

                          Vor schmerzhaften Fehlern können einen oft die einfachsten Weisheiten bewahren. Zum Beispiel die profundeste aller Autoren-Regeln: Wenn du nichts zu erzählen hast, erzähle nichts!
                          Helmut Dietl scheint von diesem naheliegenden Leitsatz entweder nie gehört zu haben oder ihn nicht ernst zu nehmen. Die Folgen sind bitter, denn das Fundament von ZETTL, sein Drehbuch, steht so gezwungenermaßen auf tönernen Füßen. Da können auch großartige Schauspieler wie Dagmar Manzel oder die überirdische Sunnyi Melles nicht mehr viel rausholen, und auch keine Kamera-Koryphäe wie Frank Griebe. Der ganze Sermon ist so visionslos, undurchdrungen und ermüdend, dass es die Suche nach Rechtschreibfehlern im Abspann war, die mich noch am ehesten unterhalten hat.
                          Und das von einem, der einst SCHTONK schuf.

                          21
                          • 5

                            THE ARTIST ist ein recht konsequentes formales Experiment und eine liebenswerte Hommage, der man anmerkt, dass sie mit großer Freude an der Sache entstanden ist. Dafür die Punkte.
                            Auf der anderen Seite sind die Geschichte selbst und ihre Figuren reichlich dünn bis abgedroschen. Fast alles ist auf naive Niedlichkeit getrimmt, weit mehr noch als in jenem anderen französischen Megahype der letzten Wochen.
                            Millionen begeisterte Zuschauer scheinen momentan einen großen Hunger auf besonders nette Harmlosigkeiten zu verspüren und sich dafür auch gerne mal in die eigene Tasche zu schwindeln. Oder kann sich hier jemand vorstellen, dass irgendein Mensch – beispielsweise die Darsteller von THE ARTIST – im wirklichen Leben auch nur annähernd so schlicht und rührig wären wie ihre Rollen?
                            Vielleicht ist in dieser Diskrepanz auch der Grund zu finden, warum Jean Dujardin und Berenice Bejo für ihre Arbeit so hochgelobt werden. Sicher, sie machen ihre Sache solide und charmant – aber ich wüsste eigentlich keinen halbwegs talentierten Schauspieler, der in ähnlicher Charge nicht zu Vergleichbarem in der Lage wäre.
                            Wie auch immer, ab sofort schaue ich bei der Kategorie „knuffig und nett“ etwas genauer hin – vor allem, wenn die Nasen länger und länger werden.

                            23
                            • 8

                              Wer über heftige Auseinandersetzungen in der Partnerschaft klagt, hat wahrscheinlich noch nie POSSESSION gesehen.
                              Eine Eskalation jagt hier die nächste, und ich übertreibe nicht wenn ich sage: ein hysterischeres Stück Poesie ist mir noch nicht untergekommen. Brüllen, beißen, bluten ohne Ende, und natürlich auch noch die berüchtigte Octopus-Vögelei.
                              Da dieser Film direkt auf meinen Zulawski-Liebling NACHTBLENDE folgte, lässt sich vermuten, dass der Regisseur die flirrende Intensität des Vorgängers mit buchstäblich allen Mitteln noch zu toppen versuchte. Man muss dem Mann allerdings sehr gewogen sein um nicht einen Großteil des Ergebnisses als Trash abzutun – für Schubladenfreunde könnte auch der Stempel "Splatter-Melodram" der Veranschaulichung dienen.
                              Mir wäre es ja lieb gewesen, wenn zumindest ab und zu etwas Erdung den Film gestriffen hätte, doch POSSESSION hat seine eigenen Gesetze. Und, was soll ich sagen, es ist durchaus eine Freude, sich von diesem cineastischen Orkan mal ganz hirnfrei durchpusten zu lassen.
                              Isabelle Adjani platzt fast vor Präsenz und bietet eine Tour de Force, die ihr bis auf Weiteres die Spitzenposition unter den filmischen Drama Queens sichern dürfte. Und Sam Neill bleibt im Vergleich so blass, dass ich POSSESSION den Herren der Schöpfung als bizarres Vorspiel für inspirierte Schäferstündchen anempfehlen kann: Während man als Mann im Nachhall des Films nämlich nicht sonderlich in Zugzwang gerät, wird die Dame des Abends mutmaßlich einiges an Finesse auffahren um nicht zu sehr im Schatten der Femme-Fatale-Fantasie Adjani zu stehen... aber das nur am Rande. ^^

                              22
                              • Super Text! Starke Bezüge, die das Wesentliche auf den Punkt bringen.
                                Mit das Beste, was ich an dieser Stelle bisher gelesen habe.

                                5
                                • 9
                                  über Shame

                                  Nach dem etwas glatten Trailer hatte ich schon befürchtet, es könne dem englischen Regisseur Steve McQueen mit seinem zweiten Film SHAME ähnlich ergehen wie Kollege und Landsmann Duncan Jones, der nach seinem beachtlichen Debüt MOON ebenfalls in Amerika gedreht und einen armseligen Zweitling abgeliefert hatte.
                                  Zu meiner großen Freude war die Sorge unbegründet: SHAME erweist sich nach HUNGER erneut als Glanzstück der meist leisen aber umso treffenderen Töne und Bilder. Hatte Jones mit SOURCE CODE versucht auch die Trottel abzufischen, richtet sich McQueen wie schon bei seinem Erstling an ein Publikum, das sich mehr wünscht als Klischees und Ablenkung.
                                  Michael Fassbender verkörpert hier ausgesprochen glaubhaft einen smarten New Yorker Geschäftsmann, der Tag für Tag mit immer neuen Frauen genau das in die Tat umsetzt, was die meisten Menschen auf Youporn nur virtuell erleben. Und doch genügt es ihm nicht. Seine Sucht ist wie bei Spielern oder Junkies das einzige, was ihn lebendig fühlen lässt – zumindest kurzfristig – denn nach und nach wird deutlich, dass hinter seiner bemerkenswerten Souveränität eine gespenstische innere Armut herrscht.
                                  Auch seine Schwester, die bei ihm einzieht, irrlichtert etwas verloren durch die Welt. Sie singt in Bars, mit einer Stimme, die an Zartheit und Verletzbarkeit ihresgleichen sucht und etwas von der gemeinsamen Tragik durchscheinen lässt, die Bruder und Schwester verbindet.
                                  Es würde mich freuen wenn man Carey Mulligan dafür bald mit dem Nebenrollen-Oscar zuwedelte, und die Chancen stehen nicht mal schlecht – denn schon ihr erster Auftritt bewirbt sich für einen Platz im Olymp der prosaischsten und uneitelsten Kopf-bis-Knie-splitterfasernackt-Szenen der Filmgeschichte.
                                  Die eigentliche Sensation aber ist Steve McQueen, der mit SHAME bestätigt, dass er nicht nur sagenhaft talentiert ist sondern es auch ernst meint mit den guten Geschichten.

                                  24
                                  • 9

                                    Wie gerne wüsste ich ähnlich viel über das Leben wie die Brüder Dardenne!
                                    Was die beiden Belgier in ihren Filmen erzählen und wie sie es tun, zeugt nicht nur von handwerklicher Virtuosität, sondern auch von einer Klarsicht, die scheinbar alles durchdringt.
                                    Auch ihr neuestes in Cannes mit dem Großen Preis der Jury prämiertes Werk besticht durch sagenhaft dichtes, lineares Storytelling ohne falsche Töne.
                                    Der Film überzeugt als hartes Sozialdrama ebenso wie als anschauliche Studie zum Thema Geborgenheit und der Suche danach. Von einer höheren Wertung hält mich einzig und allein ab, dass man derart Brillantes von den Brüdern bereits gewohnt ist.
                                    Trotz des Heimkind/Pflegemutter Sujets ist LE GAMIN AU VELO in keiner Sekunde rührselig – jede kleinste Regung der hervorragenden Charaktere/Darsteller ist glaubhaft, aufs Stimmigste motiviert und für den Gesamtkontext von zwingender Bedeutung. Nimmt man eine beliebige Szene unter die Lupe und vergegenwärtigt sich, warum sie so und nicht anders inszeniert wurde, wird man bald feststellen, dass sie schlichtweg in dieser Form am treffendsten alle relevanten Erzählmittel vereint, wie z.B. visuelle Ausdruckskraft, Psychologie, Authentizität, Auslassungen, Spiegelungen, Rhythmus, sogar Spannungsaufbau – und dabei auch noch originell ist.
                                    Um alles nachvollziehen zu können, empfiehlt es sich allerdings, nicht völlig auf den Kopf gefallen zu sein. Denn die Dardenne Brüder halten sich weder mit Erklärungen noch mit „publikumsfreundlicher“ Anbiederung auf. Sie setzen ganz auf ihre faszinierend lebensechte Geschichte – deren Wucht und tiefe Menschlichkeit sich dem Zuschauer umso eindringlicher offenbart, je größer sein Interesse an der Beschaffenheit unserer innersten Natur ist.

                                    17
                                    • Ein interessantes Schlaglicht & eine schöne Anregung zum Weiterforschen! Noch ein Wort zu Václav Havel: Der Mann war, und ist auch nach seinem Tod noch, ein Vorbild an Bescheidenheit und Menschenliebe - zwei Eigenschaften, die gerade unter Politikern eher selten anzutreffen sind. Aber jede Ausnahme hält die Hoffnung hoch. Es lebe Václav Havel!

                                      1
                                      • 8

                                        Private Filmgeschichtchen, Folge 14:
                                        Im April 2009 hatte ich die Ehre, mit einer kleinen Gruppe von Leuten im Rahmen des Filmfestivals Kopenhagen CPH:PIX eine Führung durch die Zentropa Studios vor den Toren der Stadt zu erleben. Produzent Peter Aalbek Jensen schleuste uns durch das Gelände, eine ehemalige Kaserne, die in recht gemütliche Tonstudios, Materiallager, Werkstätten etc umgebaut worden war. Dort stehen auch einige grotesk winzige 4qm Blockhüttchen für die Autoren, zur absoluten Ruhe beim Schreiben. Außerdem kann man, hinter Glas, eine original Teetasse bestaunen, aus der die dänische Regie-Legende Carl Theodor Dreyer getrunken haben soll. Und natürlich auch die Büros der zeitgenössischen Herren Vinterberg und von Trier.
                                        Letzteren trafen wir kurz darauf in der Kantine, er sah im Gesicht besorgniserregend aufgeschwemmt aus, und mehr als ein kurzes Hallo gab die Situation leider nicht her.
                                        Am Abend dann, saß ich bei einer Dinnerveranstaltung einer gewissen Meta Foldager gegenüber, die sich als die Produzentin von ANTICHRIST entpuppte. Sie war gerade mal Anfang/Mitte 30, hübsch und überhaupt nicht der Typ knallharte Produzententante. Eher superfreundlich, offen und dänisch tiefenentspannt.
                                        Natürlich wollte ich ihr auch etwas über ihren Film entlocken, der erst kurz zuvor abgedreht worden war. Sie erzählte mit amüsanter Leichtigkeit, dass sie den Rohschnitt „wirklich heftig“ fände, aber natürlich auch „irgendwie großartig“, und dass Lars „nicht einfach“ sei, aber eben „ein echter Künstler“.
                                        Auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand berichtete sie, er befinde sich auf dem Wege der Besserung, und dass seine Depressionen für ihn immerhin auch den Vorteil hätten, „der perfekte Vorwand“ zu sein um sich vor „lästigen Gesprächen mit Finanziers zu drücken.“ Darauf kicherte sie mädchenhaft, und ich dachte mir nicht zum ersten Mal: Ich mag sie, diese Dänen.
                                        Den Film fand ich ein paar Monate später im Kino dann nicht durchweg so gelungen wie erhofft. Waren es die hohen Erwartungen? Insbesondere gegen Ende wirkten auf mich einige Passagen zu aufgesetzt und mehr dem Effekt einer Hauruck-Dramatik als erzählerischem Tiefgang geschuldet. Dennoch, ANTICHRIST ist ein Urviech von einem Film, mit größter künstlerischer Eigenständigkeit und manch unvergesslichem Visual – ich liebe ja diesen sprechenden Fuchs... und das gruselige Reh wird man so schnell wohl auch nicht mehr los – sowie einem Titel, der so kraftvoll ist wie Donnerhall.

                                        24
                                        • 7
                                          Sigmund 06.01.2012, 09:59 Geändert 16.04.2016, 18:24

                                          Wie angenehm!
                                          INTOUCHABLES macht so vieles richtig, was die meisten Komödien falsch machen: Der Film hat eine starke Grundkonstellation und lässt seine Figuren bis in die Nebenrollen wie echte Menschen sein. Die Tochter des Rollstuhlfahrers z.B. ist als überheblicher Teenager angelegt, und man staune: Sie erspart uns jede überdeutlich grimassierende Hochnäsigkeit, nein, sie ist einfach so wie überhebliche Leute IN WIRKLICHKEIT sind.
                                          Es ist diese Natürlichkeit, unterstützt von dem teils erstaunlich subtilen Spiel der tollen Darsteller, die meilenweit entfernt ist von den ewigen Plumpheiten jenes vielgeschundenen Genres. Während man in Deutschland ständig öde Formeln hört wie „Komödie heißt zuspitzen!“ ist bei diesem französischen Ultra-Erfolg (>16 Millionen Zuschauer in Frankreich) eigentlich kaum etwas zugespitzt, sondern – eher im Gegenteil – vieles unaufgeregt zurückgenommen.
                                          Generell wirkt alles weit weniger verkopft & schematisch als bei der Durchschnittskost unter den Mainstreamkomödien. Es werden auch keine überflüssigen Wendungen eingebaut, weil „da noch ne Wendung rein muss“, es wird weder allzu klischeehaft noch allzu sentimental (mit einer Ausnahme), und viele Szenen kommen sogar ohne Lacher aus, weil eben nicht aus jedem Furz ein debiler Gag gemacht wird.
                                          Wahrscheinlich entspringt die warmherzige Natürlichkeit des Films der wohl wichtigsten Gabe guter Filmemacher: das Leben zu kennen, seine Wahrheiten und Falschheiten, und zu wissen – zumindest weitgehend – was wirklich von Bedeutung ist. Und was nicht.

                                          16
                                          • 2 .5

                                            Wie unangenehm.
                                            Diese filmische Peinlichkeit wurde gerade von einem der größten hiesigen Filmbusiness-Portale zum deutschen Topfilm 2011 gewählt. Kein Scherz! Der nationale Oberkracher des letzten Jahres lautet wirklich: MÄNNERHERZEN UND DIE GANZ GANZ GROSSE LIEBE. Wow...
                                            Im Grunde kann man es den Krämerseelen des MovieBusiness eigentlich kaum vorwerfen, dass sie diesen Rotz prämieren – hat er doch einen Haufen Geld in ihre Kassen gespült. Der Schwarze Peter geht wie immer an all jene, die sich für ein paar abgedroschene Klischees und Fließband-Albernheiten mal wieder die Kohle aus der Tasche haben ziehen lassen.
                                            So ideenlos wie dieses Sequel am Trottel-Reißbrett entstanden ist, bin ich sicher, dass die Macher sich beim Kinostart in der oberen Etage eines Multiplexkinos versammelt haben, um laut lachend mit anzusehen wie ihr Publikum, einer Lemminghorde gleich, für diesen Hirnzellenbrater die Scheinchen rüberwandern ließ.
                                            Und das Beste daran: Durch Erfolge dieser Art bleibt bei heimischen Großproduktionen das gleichbleibende Niveau bis auf weiteres gesichert!

                                            18
                                            • Hm. Der Trailer ist ganz hübsch, könnte aber interessanter sein.
                                              Gehe trotzdem davon aus, dass der Film einiges zu bieten hat, ähnlich wie der beeindruckende HUNGER vom selben Regisseur.

                                              • Sönke Wortmann ist einer jener Regisseure, die ähnlich wie Wolfgang Petersen oder auch George Lucas irgendwann auf wundersame Weise ihr Talent verloren zu haben scheinen - wie einen Handschuh, den man versehentlich im Bus liegen lässt.
                                                Hatte Wortmann mit seinen Erstlingswerken ALLEIN UNTER FRAUEN und KLEINE HAIE noch jede Menge Charme und inspirierten Witz bewiesen, ging es spätestens ab DAS SUPERWEIB inszenatorisch steil bergab. Den Markstein bildete wohl DER BEWEGTE MANN, der noch durch gutes komödiantisches Timing glänzte, anders als die recht unverklemmte Comicvorlage aber allzu offensichtlich auch die schlichtesten Zuschauer ins Kino locken sollte. Was auch gelang.
                                                Alles was Wortmann nach diesem 6-Millionen-Zuschauer-Hit inszenierte, ist mit "uninteressant" noch freundlich umschrieben. ST. PAULI NACHT blieb trotz guten Drehbuchs blass, und Dünnsinn wie DER CAMPUS oder DAS WUNDER VON BERN sind so plump zusammengehauen, dass man kaum glauben kann, was wenige Jahre zuvor noch möglich war.
                                                Am ärgerlichsten ist eine schwache Regiearbeit immer dann, wenn die Geschichte weit mehr hergegeben hätte - wie z.B. der an sich reizvolle Stoff DIE PÄPSTIN. Hier gelingt es Wortmann in keinem Moment, Durchsichtigkeit oder Schwarzweißmalerei zu vermeiden. Scheinbar desinteressiert an der Materie formt er den griffigen Mythos zum platten Rührstück und ertränkt alle erzählerische Lebendigkeit in einem Meer von Klischees.
                                                Was genau es war, das zwischen seinem beachtlichen Früh- und seinem hinfälligen Spätwerk passierte, weiß vielleicht nicht einmal Wortmann selbst. Doch es bewirkte offenbar, dass seine Liebe für das Kino eines Tages auf der Strecke blieb.

                                                10
                                                • Poke Harbour ist schön bizarr, und das beschissene Eichhörnchen gefällt mir auch ganz gut.

                                                  • Wie schön, dass diese Ausnahmeregisseurin hier gewürdigt wird. Seit ihrem furiosen FISH TANK, der für mich zu den drei besten Filmen des Jahres 2009 zählt, freue ich mich auf jeden neuen Film der Engländerin - denn Andrea Arnold hat wirklich etwas zu erzählen. Anders als viele andere trendige Regisseure des Weltkinos ordnet sie sich inszenatorisch ganz ihren Geschichten unter und entfaltet mit ihrer ünerragenden Beobachtungsgabe eine erzählerische Intensität und Nachhaltigkeit, die man nur selten antrifft. Ich bin sicher, dass man sie schon bald in einem Atemzug mit den Granden ihres Fachs nennen wird.

                                                    1