Vitellone - Kommentare
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Alle Kommentare von Vitellone
[...] Musik ist ein stetiger Begleiter, eine Konstante in unserem Leben. So vielfältig und doch hören wir eine bestimmte Band, ein Album, einen Song immer wieder, weil sie uns an etwas erinnern, weil wir etwas mit ihnen verbinden. Viele Filmemacher sind daran gescheitert dieses komplexe Gefühlsspektrum auf die Leinwand zu bannen – Cameron Crowe (Vanilla Sky) ist es gelungen. Almost Famous glänzt dort, wo die meisten anderen Musikfilme versagen. In seiner fließenden Struktur erinnert der Film weniger an die klassische Dramaturgie herkömmlicher Produktionen, sondern entfaltet seine Wirkung ähnlich treibend und unstrukturiert wie ein Musikstück selbst. [...] Gleichsam nehmen wir die Rollen von Russell, Penny und William ein, erfahren eine Vielzahl ineinander verschlungener Blickwinkel und erhalten so einen fiktional verklärten Einblick, der stets zwischen Abgesang und Lobhudelei pendelt. Emotionen sind in Almost Famous zwar immer greifbar, aber nie klar zuzuordnen. Selten gibt es Momente, die sich in eine eindeutige Richtung bewegen. Stattdessen schwingt in den Augenblicken unbekümmerter Freiheit auch stets ein Funke Melancholie und Zukunftsangst mit, während in den tragischen Spitzen etwas zutiefst Menschliches und damit auch Erheiterndes schlummert. Die ausgelutschte Phrase Der Weg ist das Ziel scheint auf diese einmalige Mischung aus Musikfilm, Coming-of-Age Drama und Roadmovie tatsächlich zuzutreffen und vielleicht braucht es gelegentlich Filme, die uns an das erinnern, was wir zwar nicht vergessen haben, aber schon lange nicht mehr so aussprechen. [...]
[...] Sag Ja zum Leben, hieß es im Schlussakkord von Danny Boyles Kultfilm. Aber was passiert, wenn das Leben nicht Ja zu einem zurücksagt? Dieser Frage geht nun T2 Trainspotting nach, denn obwohl es die vier immer wieder probiert haben, stehen sie 20 Jahre später eigentlich genau dort, wo sie angefangen haben. Vielleicht nicht mehr an der Nadel, dafür jedoch auf Kokain. Irgendwann zu Geld gekommen, aber doch wieder alles verbraten. Nicht immer allein gewesen, aber letztlich doch nur eine Exfrau mit Kind, das man nie sehen darf. [...] Schon in der ersten Einstellung findet Boyle ein gelungenes Bild dafür. Damals ist Renton davongelaufen, nun befindet er sich am Laufband und tritt auf der Stelle. Dem Film selbst geht es dabei sehr ähnlich. Auch der tritt erzählerisch auf der Stelle und hat erwartungsgemäß recht wenig mitzuteilen. Rein inhaltlich wäre das nicht weiter schlimm, zeichnet sich der Vorgänger doch gerade dadurch aus, dass er weniger eine Geschichte im klassischen Sinn erzählen wollte, sondern vielmehr am Aufarbeiten eines Lebensgefühls, am Porträtieren eines Sujets interessiert schien. [...] Überhaupt scheint Danny Boyles Verlangen abermals einen Kultfilm abzuliefern omnipräsent im Raum zu schweben. Mit langen Montagen, schnellen Schnitten, grellen Filtern und unkonventionellen Bildern versucht er dem Zeitgeist gerecht zu werden und dem Film einen aktuellen Stempel aufzudrücken. Das ist der richtige Ansatz und stellenweise gelingt es ihm durchaus einige treffende Erkenntnisse in Bildern zu verpacken. Auf den kompletten Film bezogen ist das jedoch leider zu wenig und oftmals erscheinen seine Bilderfluten eher krampfhaft forciert, als tatsächlich gewinnbringend und aussagekräftig. Die gelungenen Einzelmomente, mal auf absurde Weiße amüsant, dann wiederum bitterböse, wollen im Gesamtkontext leider nie zu einer Einheit werden und so wirkt der Film final auch reichlich zerfahren. Am gewichtigsten wiegt wohl leider Boyles Unvermögen sich vom Vorgänger zu distanzieren. Ja, Nostalgie ist zwar in Mode und kann durchaus funktionieren, doch scheint der Regisseur schlichtweg damit zu übertreiben. Ein ums andere Mal reicht es nicht aus die Figuren breit über die Vergangenheit sinnieren zu lassen, nein, es braucht sogar Bildmaterial aus dem Vorgänger. Dabei hilft es auch nichts, dass der Film diese Rückbezüge selbst zum Thema des Films macht und auf einer Meta-Ebene in die Handlung verwebt. [...]
[...] Fences ist kein Film der feinfühligen Momente, obgleich er dies sicherlich gerne wäre. Um seiner Herkunft im Theater gerecht zu werden, setzt Regisseur Washington auf ebenjene Mittel. Eine regelrechte Flut an Dialogen muss der Zuschauer über sich ergehen lassen, getragen von deutlich überzeichneten, aber nichtsdestotrotz zum Duktus des Films passenden Schauspielleistungen. Besonders Viola Davis gebührt hierbei Lob, während es fast schon etwas Unangenehmes hat Denzel Washington dabei zuzusehen, wie er sich selbst in Szene setzt. [...] Nichtsdestotrotz gelingt es dem Film durchaus seinen tragischen Spitzen Geltung zu verleihen. Fences sucht und findet emotionale Höhepunkte in der überspitzen Darstellung der Situation, gemessen an seinem Ursprung erscheint das nur fair. Dennoch fehlt eine (charakterliche) Entwicklung und sich dabei auf den Stillstand der Rechte für farbige Bürger zur damaligen Zeit zu berufen, erscheint lediglich wie eine faule Ausrede dafür, dass man dramaturgisch keinen ordentlichen Bogen spannen konnte. So ist es durchaus interessant, dass die Hauptfigur zwar unter rassistischer Benachteiligung leidet, aber sich ebenso sehr darauf verlässt, diese als Ausrede für jedwedes Versagen zu gebrauchen. Nur die Katharsis fehlt und so schwebt Fences letzten Endes unabgeschlossen in der Luft ohne eine wirklich relevante Erkenntnis zu formulieren. [...]
[...] Tatsächlich kann The Sea of Trees das Niveau lange Zeit halten und obgleich immer wieder kleinere Unzulänglichkeiten Einzug halten, so weiß das Drama dennoch zu berühren. Das liegt einerseits natürlich an der Wahl der Darsteller. Matthew McConaughey, Ken Watanabe und Naomi Watts agieren gewohnt professionell und obwohl ihre Leistung sicherlich ein gutes Stück unter ihrem bestmöglichen Niveau angesiedelt ist, so wissen sie definitiv zu überzeugen. Zum anderen wird der Schauplatz des Geschehen selbst wohl zur größten Stärke des Films. Der Aokigahara (umgangssprachlich auch Selbstmord-Wald genannt) entwickelt sich in seiner zwiespältigen Wirkung zwischen meditativer Ruhe und bedrückender Todessehnsucht zum optimalen Resonanzkörper für eine Geschichte über Schuld, Trauer und Selbsthass. Zusehends scheint der Wald ein Eigenleben zu bekommen und so fungiert er als Erweiterung von McConaugheys Innenleben um dessen Zwiespalt zu visualisieren. Der Kampf gegen die Natur ist letztlich nur der Kampf gegen das eigene Ich. Abseits dieser atmosphärischen Wirkung fällt es deshalb nur gering ins Gewicht, dass die zweigeteilte Erzählstruktur ebenso wie manch aufgesetzte Emotion nur sehr bedingt funktioniert. Wirklich problematisch wird hingegen das Ende, denn Gus Van Sant gibt sich mit einem schlichten Drama nicht zufrieden und versucht seinem Film zu tragödienhaften Ausmaß zu verhelfen. Das wirkt jedoch dermaßen überzogen, dass es bereits in unfreiwillige Komik mündet und große Teile des vorangegangenen Films zerstört. Mit dem Holzhammer bringt er das bisher entstandene Konstrukt zum Einsturz und bedeckt die Trümmer mit aufdringlicher Symbolik und fast schon esoterischem Kitsch. [...]
[...] Historisch akkurat platziert sich The Mission in einem solchen Ballungszentrum in Südamerika. Bei einem opulent eingefangenen Wasserfall treffen Sklavenhändler, Jesuitenmönche und Ureinwohner aufeinander. Konflikte jedenfalls sind bei Roland Joffés (The Killing Fields) Film vorprogrammiert und dass diese nicht lange auf sich warten lassen, macht schon die aller erste Szene deutlich. Die Leiche eines Priesters treibt durchs Wasser, untermalt von den ungewohnten, aber sehr wirkungsvollen Klängen Ennio Morricones. Davon ausgehend verhandelt The Mission eine Vielzahl an Fragen über Schuld, Verantwortung, Glaube und Macht. Dabei wird nicht jedem Themenkomplex die nötige Fürsorge zuteil und dennoch vermengt der Film alles zu einem stimmigen Gesamteindruck. Natürlich ist es auch der Präsenz von Robert De Niro (Taxi Driver) und Jeremy Irons (Die Unzertrennlichen) geschuldet, dass The Mission über eine so eigensinnige Atmosphäre verfügt. Schnell entwickelt sich ein nicht reizloses Für- und Gegeneinander der unterschiedlichen Parteien, diverse Motivation werden innerhalb eines höheren Kontextes hinterfragt und in Wechselwirkung zueinander gesetzt. Dabei ist The Mission stets zugute zu halten, dass er obgleich aus der Perspektive der Mönche geschildert, nie deren Seite bevorzugt. Jeder kann und darf von jedem lernen, doch weil sich manch einer dafür zu stolz ist, endet es in mutwilliger Zerstörung. [...]
[...] Tatsächlich dringt bei diesem klassischen Western immer wieder der Versuch durch, an den festgefahrenen Strukturen des Genres zu rütteln. So präsentiert Schüsse peitschen durch die Nacht einen zunächst sehr ungewöhnlichen Protagonisten. Jim Trask (Jock Mahoney) kehrt nach dem Bürgerkrieg als ehemaliger Sheriff in seine Stadt zurück und trägt jede Menge Altlasten mit sich herum. So kann er den Tod seines guten Freundes nicht überwinden und ist deshalb sehr zögerlich mit dem Schießeisen. Wahrlich kein Held der alten Westernschule und sicherlich ein guter Ausgangspunkt für ein deutlich figurenbetonteres Drama, doch auf diesen Weg will sich der Film leider nicht begeben. Stattdessen liefert er dann doch den vom Genre geforderten Dienst nach Vorschrift und dümpelt merklich uninteressiert seinem Ende entgegen, bei dem natürlich das Herz einer Dame gewonnen und der kapitalistische Großgrundbesitzer besiegt werden muss. [...]
Ausgehend von der letztjährigen OscarsSoWhite-Debatte im Speziellen und der stetig geführten Diskussion um Sexismus und Rassismus im Filmbusiness im Allgemeinen ist Hidden Figur wohl jener Film, der alle Kritiker besänftigen sollte – zumindest in der Theorie. Wie so oft sieht die Wirklichkeit jedoch anders aus. Sicherlich ist der Gedanke die Geschichte dreier schwarzer Frauen zu erzählen, die sich in der vorurteilsbehafteten NASA der 60er-Jahre durchgesetzt haben, löblich, doch fällt es schwer das fertige Werk überhaupt als wirklichen Film und nicht als kalkuliertes Produkt zu bezeichnen. Denn über sein Thema hat er freilich nichts zu erzählen, was über den gängigen Konsens und einige Allgemeinposten hinausgeht. In seinen Höhepunkten biedert sich Theodore Melfis Film dann dermaßen pathetisch an, dass selbst die gefälligsten Oscarfilmchen in bedachtes Staunen geraten. Solide Schauspielleistungen und ein ordentliches Handwerk verkommen dabei zu bloßen Randerscheinungen, denen ohnehin kein großartiger Stellenwert eingeräumt wird. Es ist schade einen Film dermaßen auf seine Thematik zu reduzieren, doch Hidden Figures fordert dies zu jeder Sekunde heraus. Seht mich an, wie ich für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit kämpfe, scheint uns der Film entgegenzubrüllen – und zwischen den Zeilen hört man ein Flüstern, dass der Oscar ihm eigentlich doch lieber wäre. Die ohnehin auch erzählerisch nicht sonderlich gelungene Umsetzung eines wichtigen Themas ist letztlich doch nur ein Vorwand, jede Argumentation eine billige Ausrede. Da ist es vielleicht sogar erfreulich, dass Hidden Figures unterm Strich viel zu belanglos ist, um an irgendeiner Stelle wirklich Erwähnung zu finden. Selbst in Bezug zum oben geschilderten Diskurs dreht er sich im Kreis, wurde der Film selbst doch erneut von einem weißen Mann inszeniert.
[...] Diese Provokation ist natürlich ein Mittel, welches Lanthimos ganz kalkuliert einsetzt um seinem Film den nötigen Nachhall zu verleihen. Dogtooth will seine Zuschauer vor den Kopf stoßen, provozieren, ekeln, verwirren und ordentlich in die Magengrube treten. Auch darin liegt ein Wert und das blanke Unverständnis vieler Betrachter sagt wohl mehr über das Publikum als über den Film und seinen Macher aus. Schon allein deshalb handelt es sich bei Dogtooth um einen höchst anspruchsvollen Film, weil er es bis zu einem gewissen Grad ein geschultes Gespür dafür voraussetzt, den porträtierten Irrsinn zu kategorisieren, interpretieren und abstrahieren. Natürlich lässt er sich auch als reine Seherfahrung konsumieren, als groteskes Feel-Bad-Movie, doch wird man seiner komplexen Tragweite damit leider kaum gerecht. [...] Doch welche Tiefen schlummern unter der oberflächlichen Provokation? Natürlich lässt sich der Film einerseits als gelungene Politparabel lesen, als Allegorie eines totalitären Systems, welches augenscheinlich nur seinen eigenen Regeln unterliegt. Zentraler ist jedoch jener Aspekt des Films, der als wirkungsvolle Dekonstruktion unserer Wirklichkeit fungiert. Nach und nach bröckelt die Fassade, doch was dahinter zum Vorschein kommt, will man vielleicht gar nicht sehen. Wie brüchig unser Verständnis der Welt wirklich ist, macht Lanthimos eindringlich deutlich, denn letztlich ist auch die Welt nur ein Käfig. [...]
In Japan geboren, doch nur im Himmel daheim. Eine Leidenschaft, die er mit seinem Regisseur teilt.
[...] Diese Entwurzelung zu Beginn speist den zentralen Konflikt des Films. In ihrer neuen Wohnung angekommen, kommt es zu einem Unglück. In der Erwartung ihres Mannes lässt Rana die Haustüre offenstehen und zieht sich daraufhin ins Badezimmer zurück. Als Emad dann kurze Zeit später wirklich nach Hause kommt, findet er Blutspuren vor und erfährt von seinen Nachbarn, dass seine Frau mit einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Verantwortlich dafür ist ein unbekannter Mann, der, so die Annahme, zur Vormieterin der Wohnung wollte, die ihr Geld durch Prostitution verdient hat. Schnell offenbart sich hierbei ein politischer Diskurs, den Farhadi ansonsten sehr beiläufig und subtil verhandelt hat. Fortan geht es stark um die Rolle der Frau im Iran, wie geht sie und ihr Umfeld mit der Situation um? Erneut kommt dem Film dabei Farhadis feinfühlige und realitätsnahe Charakterzeichnung zu Gute, welche den Film über weite Strecken zu einer mitreißenden und glaubhaften Angelegenheit macht. Lediglich gegen Ende verliert sich der Film immer mehr in der männliche Perspektive und konzentriert sich verstärkt auf Emads Rachegedanken. Mit der Ausführung der selbigen scheint Farhadi jedoch etwas übers Ziel hinauszuschießen und so drängt er seinen Film in eine Richtung, die ihm augenscheinlich weniger guttut. Zwar sind diese Momente in ihrer Stimmung nicht weniger bedrückend als der restliche Tenor des Films, doch findet die Zuspitzung der Ereignisse auf eine Art statt, die weniger natürlich als der vorangegangene Film wirkt. [...]
“Choose life... But why would I want to do a thing like that? I chose not to choose life. I chose somethin' else. And the reasons? There are no reasons. Who needs reasons when you've got heroin?”
Zweifelsohne ist Trainspotting einer der großen Kultstreifen der 90er-Jahre und hat den jungen Danny Boyle damals gleichsam in höhere Sphären der Regiekunst gehievt. Ein Status von dem er auch nach 20 Jahren noch zehren kann, obgleich er die Klasse dieses Films freilich nie mehr erreichen konnte und wohl auch nicht mehr wird. Der demnächst startende Nachfolger hat es indes schwer, wird er zwar durchaus dazu in der Lage sein die simplen Gelüste einiger unbedachter Fans zu befriedigen, doch darüber hinaus müsste sich Boyle wohl neuerfinden, wenn er an seinen Erstling anknüpfen will. Denn Trainspotting ist eindeutig ein Produkt seiner Zeit, das Kolorit einer Mentalität, die so wohl nur an ebenjenem Ort zu ebenjener Zeit möglich war und mitnichten nostalgisch heraufbeschworen werden kann. Dabei wurde Trainspotting in jenen Tagen nicht nur positiv rezensiert, gerade die augenscheinlich wenig kritische und dafür fast schon surreal sinnliche Darstellung des Drogenkonsums sorgte immer wieder für Aufruhr. Zwar ist das Argument nicht per se falsch, doch wird es dem Werk und seiner Wirkung in keinerlei Weiße gerecht. Gerade die dadurch eingenommene Perspektive erlaubt einen immersiven Blick auf das porträtierte Sujet und gewährt so Einblicke, die eine kritisch distanzierte Darstellung nie erfahrbar machen könnte. Diese formale Angleichung an den eigentlichen Inhalt macht Trainspotting so gelungen, denn erst durch sie werden die Mechanismen des Plots wirklich wirkungsvoll. So kurzweilig der Film auch sein mag, seine angeschnittenen Thematiken sind ebenso reichhaltig wie tiefsinnig und so interessiert sich Boyle weniger dafür ihr Verhalten zu kritisieren, sondern mehr daran nachzufragen, welche sozialen und individuellen Abgründe sich für ein solches Leben verantwortlich zeichnen.
[...] So ist Brokeback Mountain über weite Strecken ein Film über wahre Liebe, die sich jedoch nie so entfalten kann, wie sie es eigentlich verdient hätte. Beide Männer heiraten, zeugen Kinder und leben ihr eigenes Leben. Doch wirklich erfüllt sind sie nur in jenen rar gesäten Augenblicken der Zweisamkeit, wenn sie sich unter dem Vorwand eines Jagd- oder Angelausfluges für einige Tage aus ihrem Alltag loseisen können. Ihre Zuneigung zueinander muss der Film nie an großen Gesten festmachen, denn die offenbart sich von ganz allein. In der Art und Weiße wie sie sich ansehen, miteinander reden oder auch einfach nur beieinander sitzen. Auch Ang Lees Betrachtung der beiden Männer ist zärtlich, geradezu intim fängt er ihr Beisammensein ein und vermag es so allein durch die Nüchternheit der Lage selbst zu bewegen. [...] Selten bricht der Film aus seinen stillen Betrachtungen aus, doch wenn es passiert, dann hinterlassen diese Momente einen bitteren Nachgeschmack. Wenn in einem kurzen Rückblick geschildert wird, dass einer der beiden bereits früh mitansehen musste, wie ein Mann wegen seiner sexuellen Orientierung brutal verstümmelt wurde, dann sind das die ersten Risse, die auch in ihrer Beziehung sichtbar werden. Denn obgleich sich die beiden Männer lieben, ist die Art wie sie ihre Beziehung führen irgendwann zum Scheitern verurteilt. Und so kommt dieser Moment mit einem gewaltigen Schlag in die Magengrube daher und offenbart eine Form von Tragik, die wir dem bis dahin so zärtlichen Film gar nicht zugetraut hätten. Alles zerbricht und wir können nichts weiter tun als die Splitter einzusammeln. Doch selbst wenn man sie alle zusammensetzt, dann wird nichts so sein wie früher. [...]
Der (Anti)kriegsfilm zählt seit jeher zu den fragwürdigsten und auch schwierigsten Genres der Filmgeschichte. Diesen Status speist schon allein der Widerspruch, der ihm naturgegeben innewohnt. Während es den meisten Filmemachern einerseits ein Bedürfnis erscheint den Krieg in all seinen Facetten zu verteufeln, so kommen sie andererseits kaum drum herum, das Kampfgeschehen in seiner Dynamik eindrucksvoll zu bebildern und damit dem Unterhaltungsdrang des geneigten Zuschauers zu entsprechen. Im Laufe der Jahre gab es einige Regisseure, die diesen paradoxen Strukturen entweder bewusst ausgewichen sind oder den Zwiespalt selbst auf intelligente Weiße zum Thema ihres Films gemacht haben. Für solche Feinheiten braucht sich ein Mel Gibson freilich nicht zu interessieren, denn schließlich hat sich sein überlebensgroßer Holzhammer in der Vergangenheit schon des Öfteren bewehrt. Und tatsächlich tut er das erneut, zumindest in Amerika, denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sprechen Kritikerstimmen, Nutzerwertungen und nicht zuletzt Oscarnominierungen eine eindeutige Sprache. Dabei hat die Gigantomanie und Exzentrik, die seinem Unterfangen innewohnt, beinahe etwas Großartiges. Der bibelfeste Patriot Gibson ist symptomatisch für ein Land, das zwischen Donald Trump und Hillary Clinton wählen musste und seit jeher deutlich stärker an übertriebenen Gesten als an feinfühligen Argumenten interessiert scheint. So gesehen wäre Hacksaw Ridge ein gelungener Film, wäre er denn als Parodie auf sein Land oder zumindest seine Filmindustrie angelegt worden. Doch Mel Gibson meint es ernst, denn außer seinem Glauben ist ihm vor allem Amerika heilig. Das zeigt sich schon zu Beginn, wenn er das Leben des einfachen Farmers mit zuckersüßem Kitsch, Heimatidyll und Nationalstolz überzieht und den debil dreinblickenden Andrew Garfield als weltfremden Protagonisten etabliert. Darauf folgt die obligatorische Grundausbildung, inklusive brüllendem Kommandanten und Kameradenmobbing – hat man ja noch nie gesehen. Der Höhepunkt des Films sind dann freilich jene Momente auf dem Schlachtfeld, in denen mit brachialer Gewalt Körper zerfetzt und Gliedmaßen verstümmelt werden. Dass diese Sequenzen von vielen Zuschauern als höchst spannend beschrieben und Desmond Doss als wahrer Held bezeichnet wird, ist bezeichnend. Zwischenstufen scheint es nicht zu geben. Und wenn Andrew Garfields Rettung gegen Ende als Himmelfahrt inszeniert wird, dann ist das die Wahrheit. Schließlich hat Mel Gibson es so gesagt.
[...] Den Ereignissen angemessen geht es deswegen vorwiegend um einen geradezu intimen Einblick in ihr Innenleben, um das komplexe Bildnis einer zwiespältigen Frau. Regisseur Larrain bringt die innere Zerrissenheit Jackies bereits durch die filmische Form des Werkes beeindruckend zum Ausdruck. Seine Bildgestaltung ist suggestiv, elliptisch und sprunghaft erzählt er von diversen Begegnungen, in denen uns stets eine etwas andere Jackie gegenübersteht. Schnell entwickelt der Film einen genüsslichen Sog, der den Zuschauer tiefer in das mosaikartig angelegte Porträt der ehemaligen First Lady zieht. Dabei agiert er stets auf einer sehr menschlichen Ebene. Einen politischen Diskurs spart er sich ebenso wie den Anspruch auf historische Korrektheit, denn im Zentrum steht einzig und allein das Innenleben Jackies. [...] Denn die wird als unfassbar ambivalente Figur gezeigt, faszinierend und abstoßend zugleich, stets im öffentlichen Interesse der Nation und deshalb nie sie selbst. Wenn Natalie Portman also genüsslich an einer Zigarette zieht und dabei mit entschiedener Stimme verkündet, dass sie nicht raucht, dann bringt dieser kurze Augenblick den Film perfekt auf den Punkt. Jackie ist ein Werk voller Wiedersprüche. Das Porträt einer gespaltenen Frau, deren Inneres unheimlich schwer zu fassen ist. Wer ist die echte Jackie Kennedy und haben wir sie überhaupt gesehen? Darauf liefert der Film keine eindeutige Antwort, denn letztlich geht es vor allem um eines, nämlich Selbstdarstellung. [...]
[...] Alains Züge sind eingefallen, seine Augen glanzlos und ein Lächeln huscht ihm nur sehr selten übers Gesicht. Er ist trocken, lebt seit einem halben Jahr in einem Sanatorium und laut Aussage seines betreuenden Arztes vollkommen geheilt. Doch er weiß es besser, von seiner Existenz überdrüssig beschließt er beinahe nebensächlich, dass morgen der Tag sein wird, an dem er stirbt. Seine letzten 24 Stunden will er deshalb in Paris verbringen, der Stadt, die er einst geliebt und die ihn so frühzeitig verbraucht hat. Doch sein Besuch ist nicht das von Freunden und Bekannten erhoffte Wiedersehen, sondern schlichtweg ein Abschied. Zwar räumt Alain ausreichend Platz ein, sich erneut vom Leben überzeugen zu lassen, doch letztlich weiß er ebenso wie wir, wie es enden wird. Die Art und Weiße wie er Dinge betrachtet reicht für diese Erkenntnis eigentlich schon aus und so sagt er später selbst, dass er sich außerstande sieht, etwas wirklich anzufassen. Das Irrlicht ist das Porträt eines gebrochenen Mannes, der sich seiner selbst schmerzlich bewusst ist. Als Verschollener kehrt er zurück in eine Welt, die vormals seine eigene war, aber heutzutage nicht mal mehr das geringste Zeichen des Wiederkennens aus seinen Gesichtszügen locken kann. Der Versuch der Eingliederung, seine vergebliche Hoffnung erneut vom Leben überzeugt zu werden, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn die Kälte und den Egoismus seines Umfeldes hat er angesichts seiner eigenen Probleme unlängst als solche erkannt. [...] Obgleich Das Irrlicht formal zurückhaltend gestaltet ist, ist Malles Regie nie unsichtbar oder unbedacht. Die ruhigen Kamerabewegungen stehen im Einklang mit Alains Lethargie und sind stets bereit uns mehr über dessen Charakter zu berichten. Wahrscheinlich ist der Film auch deshalb so einnehmend, weil Form und Inhalt in perfekter Synergie eine Einheit bilden und stets in die gleiche Richtung steuern. [...] Überhaupt scheint man just nach dem Abspann selbst in diese leicht eigensinnige Melancholie des Films einzutauchen und mehr oder weniger ziellos vor sich hin zu philosophieren. Leicht abschütteln lässt sich Das Irrlicht wahrlich nicht, dafür ist er zu immersiv und eindrucksvoll. In seinem Abschiedsbrief schreibt Alain, dass er einen unauslöschlichen Makel auf uns hinterlässt. In diesem Moment spricht der Film uns direkt an, denn fortan soll Alains Schicksal ein Teil von uns sein…uns stets daran erinnern, dass wir lebendig sind und auch die traurigen Momente im Leben schätzen sollten, weil wir überhaupt im Stande dazu sind, sie zu fühlen. [...]
[...] Dabei markiert Hannah und ihre Schwestern einen essentiellen Punkt im Schaffen des quirligen Amerikaners, gibt er sich doch als großer Fan Ingmar Bergmans (Schreie und Flüstern) und lehnt sein Werk dementsprechend an den schwedischen Meister an. Ebenfalls bezeichnend ist daher die Verpflichtung Max von Sydows (Das siebente Siegel), der den Film in der Nebenrolle des eigensinnigen Malers mit seiner einmaligen Leinwandpräsenz durchdringt. Überhaupt scheint die Besetzung eine der essentiellen Stärken des Films zu sein, transportieren doch gerade die punktgenauen Schauspielleistungen die Feinheiten des vielschichtig gestalteten Figurenensembles. [...] Woody Allens Regie hingegen ist zurückhaltend, aber seziert die Szenerie punktgenau und räumt seiner großen Stärke, dem Drehbuch, den nötigen Platz ein. Voll von präzisen Wortwitzen und kuriosen Situationen vermengt er gekonnt Humor und Dramaund führt sein komplexes Figurenkabinett durch den Wahnsinn des alltäglichen Lebens. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge beweist Hannah und ihre Schwestern ein dermaßen sensibles Gespür für die Befindlichkeiten seiner Figuren, dass man Allen für sein Verständnis des modernen Menschen schlichtweg bewundern muss. Selten entlädt sich das Drama in großen Momenten, viel spielt sich durch zarte Berührungen, flüchtige Blicke und kleine Geste ab. [...]
[...] Vor allem in seinen Montagen beweist Danny Boyle ein ums andere Mal, dass er weder ein sonderlich guter Menschenkenner ist, noch die Gedankengänge echter Aussteiger irgendwie nachvollziehen kann. Sein Verständnis davon ist simpel, geradezu plump. Lagerfeuergeschichten, minimaler Aufwand und den ganzen Tag Kiffen: Planspiel eigene Zivilisation. Bei ihm wird gefährliche Arbeit zum Spaß und selbst aus einer Beerdigung entsteht eine fröhliche Tanzparty. Schließlich sind ja alle frei und glücklich. Wieder in der Gesellschaft angekommen wird desillusioniert auf den Computerbildschirm gestarrt, ein treffendes Bild für die simplifizierte schwarz-weiß Darstellung des Films. Auch die überstürzte Charakterentwicklung Leonardo DiCaprios passt wunderbar in dieses Konzept, denn auch er pendelt von normal zu völlig verrückt und wieder zurück in wenigen Augenblicken. The Beach macht es sich in vielerlei Hinsicht zu leicht und zielt primär darauf ab sein oberflächliches Spektakel am Leben zu erhalten. Wer aufpasst sieht jedoch die zahlreichen Risse im Konzept, durch die der Film auch früher oder später in sich zusammenfällt. [...]
Manchester by the Sea. Ein Titel, so schlicht wie der Film selbst. An der bedächtigen Ruhe, die sich von Beginn an wie ein Leichentuch über die Szenerie spannt, kann auch der stellenweise unnötige Soundtrack nichts ändern. Manchester by the Sea artikuliert sich primär über Kleinigkeiten, ähnlich wie sein emotionaler Dreh- und Angelpunkt Casey Affleck, der, egal ob Oscarauszeichnung oder nicht, eine fantastische Performance abliefert. Eine zurückgehaltene Träne hier, eine angedeutete Umarmung dort. Hinter seiner oftmals stoischen Fassade scheint es gewaltig zu Brodeln und die zurückgehaltenen Emotionen, das sieht man vor allem seinen Augen an, sind vielfältiger Natur. Als emotionale Achterbahnfahrt funktioniert der Film selbst jedoch nur bedingt. Dafür ist er der Humor an vielen Stellen nicht präzise genug dosiert und Kenneth Lonergans Regie ein Stück zu apathisch und distanziert. Nichtsdestotrotz befällt ihn eine bedrückende, manchmal sogar deprimierende Atmosphäre. Seine angestauten Emotionen entlädt der Film, anders als sein Protagonist, immer wieder in Höhepunkten, die kraftvoll genug sind, sich über die formale Neutralität hinwegzusetzen. In seinem Kern trifft Manchester by the Sea dabei eine sehr deprimierende Aussage. Nicht jede Wunde kann geheilt, nicht jedes Problem gelöst werden. Es gibt Einschnitte, die ein Leben unweigerlich und ohne Vorwarnung für immer verändern. Man kann darauf reagieren, ja, doch letztlich handelt es sich dabei immer nur um ein Arrangement. Gerade deshalb ist das Ende des Films auch so gelungen. Mit den schlichten Buchstaben des Abspanns ist auch unsere fast schon törichte Hoffnung dahin, es würde unerwartet Rettung und Hilfe nahen, wie es in Hollywood doch so oft der Fall ist. Doch Manchester by the Sea ist ein Film wie das Leben selbst und deshalb bestenfalls an Kompromisse und nicht an Lösungen interessiert.
[...] Denn mit seiner Thematik des Überwachungsstaates greift Der Staatsfeind Nr. 1 einen hochaktuellen Konflikt auf, und das im Jahr 1998. Ob das nun dem Zufall, der Kreativität oder einer erstaunlichen Weitsicht geschuldet ist, sei dahingestellt. Entscheidend hingegen ist, wie präzise und auch frei von reißerischen Momenten er diesen Diskurs schildert. Freilich ist politische Korruption ein gängiges Thema in dieser Art von Thriller und den Mut nicht einen einzigen Mann, sondern den kompletten Staatsapparat als verantwortlich darzustellen, geht auch diesem Werk ab. Doch es sind gerade die Reaktionen der Bürger, die als interessant gelten. Das Gesetz zur totalen Überwachung wird nämlich öffentlich verhandelt, nur zu kümmern scheint es niemanden. [...] Gebündelt wird das alles von Scotts dynamischem Handwerk, der ein gutes Tempo findet und den übergeordneten Konflikt auch immer wieder mit persönlichen Einschüben auflockert. So wird Dean zu einer angenehm greifbaren Figur und als stellenweise ahnungsloser Protagonist eine gute Projektionsfläche für den Zuschauer. [...]
[...] Ganz New York ist seine Bühne, wenn er schäbig auf dem Fahrersitz seines Taxis versinkt und auf seinen nächtlichen Touren den gesellschaftlichen Morast von den Bürgersteigen auflesen muss. Beinahe demütig gibt sich De Niro diesem Charakter hin. Man sieht nicht ihn, sondern nur Travis Bickle, einen desillusionierten Vietnamheimkehrer, der, wie es die triste Bildgestaltung von vornherein verdeutlicht, unter unausgesprochenen Problemen leidet. Er ist einer von vielen, der versucht ein funktionierender Teil der Gesellschaft zu werden und in seinem Unvermögen seine eigenen Probleme in einen übergeordneten Konflikt projiziert. Seinen Diskurs verhandelt Taxi Driver primär in diesem Spannungsfeld aus Charakterdrama, Gesellschaftskritik und Milieustudie, was gerade in der gegenseitigen Wechselwirkung ungeahnte Dimensionen eröffnet. [...] Gegen Ende offenbart Taxi Driver bissigen Zynismus, wenn Travis verzweifelter Gewaltmarsch als Rettungsmission und seine egoistische Opferung als selbstlose Tat missverstanden wird. Er ist ein Mann, der möglicherweise das Richtige tut, aber aus den falschen Beweggründen handelt und sich dafür bei den falschen Mitteln bedient. Damit porträtiert der Film auch die Gratwanderung zwischen Opfer, Täter und Held, sowie die Fragwürdigkeit medialer Darstellung. Wie schnell das augenscheinlich Normale in sein Gegenteil kippen kann, führt Scorsese auch immer wieder formal vor. Indem der Film eine Einstellung einen Moment zu lange hält, einen Zoom einen Hauch zu nah ans Geschehen bringt oder ein Geräusch einen Tick zu laut abspielt, erzeugt er ein Unwohlsein, welches Travis Gefühlswelt eindringlich einfängt. Die Stärke der Inszenierung liegt in dieser sehr unscheinbaren, aber unglaublich wirkungsvollen Immersion. Travis als sozialer Außenseiter, aber auch als Symbol unserer Angst davor ausgeschlossen zu werden. [...]
[...] Seine noch immer anhaltende Indizierung rechtfertigt Muttertag – Ein Alptraum aus Blut und Gewalt freilich nicht mehr. Die dramaturgisch sehr simple, aber gewohnt wirkungsvolle Rape and Revenge Struktur lockt heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor und die Gewaltspitzen sind oftmals eher peinlich amüsant als schockierend und abstoßend. Seinen Skandal und damit verbunden den Kultstatus in heimischen Gefilden hat sich der Film damals also durchaus erarbeitet, nur wer sich im 21. Jahrhundert noch ernsthaft schockiert zeigt, der hat bisher wohl sehr wenig Genrebeiträge gesehen. Am fragwürdigsten ist wohl die oberflächliche und klischeehafte Darstellung der jungen Protagonistinnen im Kontrast zu den durchaus memorablen Figuren der Gegenseite. Während man die Gesichter der Mädchen längst vergessen hat, so hat man die kaltblütig berechnende Fratze der titelgebende Mutter noch eindringlich vor Augen – oder zumindest das krankhaft rückständige und verrückte Gebärden ihrer beiden Söhne. [...] Etwas wirklich Interessantes hat der Film leider nicht anzubieten, denn erzählerisch ist er ebenso belanglos wie auf formaler Ebene auch. Als (un)freiwillig komischer Trash kann man dem Werk (je nach persönlichen Vorlieben) vielleicht etwas abgewinnen, doch einen relevanten Beitrag zum Weltkino markiert die Troma Produktion keinesfalls – einen gelungenen oder auch nur unterhaltsamen leider noch viel weniger. Am meisten gibt es tatsächlich bei der Mutter zu holen, denn als kontrollierende und denkende Kraft über ihren gewaltbereiten und unmoralischen Söhnen ist sie mit Sicherheit der gefährlichste und auch interessanteste Charakter des Films. Spätestens seit Alfred Hitchcocks Psycho ist die Mutterfigur als Überich der freudschen Psychoanalyse auch eng mit dem triebhaften Verhalten ihres Nachwuchses verknüpft und so entstehen in diesem Spannungsfeld auch oftmals ödipale Konflikte. Wirklich geltend macht Regisseur Charles Kaufman diesen potentiellen Diskurs freilich nie, denn dafür ist der Film viel zu stark an reißerischer Gewalt und plumpen Exzess interessiert. [...]
[...] Ohne Zweifel ist Rampenlicht der persönlichste Film Chaplins und kann wohl nur dann wirklich funktionieren, wenn man bereits einige seiner großen Klassiker gesehen und sich darüber hinaus etwas mit seiner Person auseinandergesetzt hat. So besteht die Besetzung des Films zu einem großen Teil aus Freunden und Bekannten, während die Handlung selbst sehr offenkundig autobiografische Züge trägt. Gewissermaßen ist der Film damit so etwas wie ein letzter Gruß, gleichermaßen Geschichtsstunde wie aufregende Anekdote über das Showbusiness und in seiner nostalgischen Machart nie affektiert oder übertrieben. Chaplin selbst ist darin nicht nur optisch, sondern vor allem moralisch gealtert respektive gereift und gibt als vergessener Varieté-Star Weisheiten an eine jüngere Generation weiter. Doch auch der Chaplin hinter der Kamera scheint sich seiner selbst angenehm bewusst zu sein und entwickelt ein ehrliches und nicht immer wohlwollendes Porträt seiner selbst. [...]
[...] Am besten funktioniert der Film natürlich im direkten Anschluss an seinen Vorgänger, denn wo es diesem noch stellenweise an Tempo und Konflikt gefehlt hat, macht es der letzte Teil der Reihe mehr als gut. Schon zu gut, möchte man meinen, denn in vielerlei Hinsicht ist Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 2 überladen mit Action und Krawall. Vor allem die gestreckte Endschlacht verkommt schnell zu einer langwierigen Erfahrung, die natürlich immer wieder mit gelungenen Momenten auftrumpfen kann, aber darüber hinaus auch schnell ermüdet. Atmosphärisch ist das abermals stimmig und auch das Gefühl alles würde auf dem Spiel stehen vermag der Film glaubhaft zu vermitteln, doch leider geht im puren Bombast der finalen Konfrontation einiges verloren. Das liegt einerseits natürlich an dem heraufbeschworenen Chaos, welches nicht per se abzulehnen ist und ist wohl andererseits auch dem Regisseur geschuldet, der uns Charaktertode und Verwüstung nicht als wirklich relevante Geschehnisse verkaufen kann. [...]
[...] Sicherlich ist Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 1 nur so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm, ein reines Expositionsfest, wie es von manchen Seiten heißt – oder ein endlos langweiliger Campingausflug, wenn man noch garstiger werden will. Tatsächlich bewahrt sich der Film jedoch etwas, was seit den Anfängen der Reihe verloren gegangen ist, nämlich ausreichend Zeit. Zum ersten Mal wirken die Geschehnisse nicht gehetzt und vollgestopft, stattdessen gibt es endlich Augenblicke des Ausruhens, simple Charaktermomente und ehrliche Interaktion zwischen den Figuren. Das strapaziert natürlich die Sehgewohnheiten, denn sicherlich ist der Film dramaturgisch weniger wirkungsvoll als noch seine Vorgänger, ganz einfach deswegen, weil er die Aufgabe hat eine halbe Geschichte als eigenständiges Werk zu verkaufen. Glücklicherweise kann er diese notwendigen Defizite durch seine stimmungsvollen Bilder und der gelungenen Atmosphäre mehr als nur ausgleichen. Überraschenderweise scheint auch Yates mittlerweile verstanden zu haben, dass Düsternis und Tristesse keine Fragen des Farbfilters sind, sondern als Empfindungen auf den Zuschauer übertragen werden müssen. [...]
[...] In vielerlei Hinsicht offenbart sich Harry Potter und der Halbblutprinz als einfallslosester Teil der Reihe und so gibt es nur wenig nennenswerte Unterschiede zu seinem Vorgänger. Abermals ist Yates Regie ein sehr oberflächliches Spektakel, welches sich kaum vom gängigen Hollywoodstandart unterscheidet. Erneut werden krampfhaft düstere Momente heraufbeschworen um die Ernsthaftigkeit der Situation zu untermauen, nur sind dafür andere Mittel vonnöten als ein möglichst dunkler Filter. Was nicht passt, wird passend gemacht und so werden die Ecken und Kanten fein säuberlich abgeschliffen und komplexere Konflikte schlichtweg fallengelassen. Alles was etwas schwieriger zu adaptieren gewesen wäre, aber für durchaus notwendige Charaktermomente gesorgt hätte, wurde rigoros aus dem Drehbuch gestrichen um einen möglichst runden und gefälligen Blockbuster zu generieren. Das unterhält auf kurzweilige Art und Weiße, doch ist für Kenner der Vorlage wohl fast zwangsweiße eine Enttäuschung. [...]