Vitellone - Kommentare
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Alle Kommentare von Vitellone
[...] Eine Siedlung kannibalischer Bodybuilder auf der einen, ein Dorf drogengeschwängerter Sektenanhänger auf der anderen Seite. In der eingezäunten Wüste eines dystopischen, von Kriminalität beherrschtem Texas, versteht sich. Dazwischen Arlen, die schon früh Bekanntschaft mit ersterer Gruppierung macht und zu den Klängen von All That She Wants jeweils einen Arm und ein Bein einbüßt. Auf einem Skateboard gelingt die Flucht, doch der Wahnsinn hat damit eigentlich erst begonnen. Dass The Bad Batch diese erste halbe Stunde ohne wirkliche Dialoge einfängt, ist symptomatisch für den weiteren Verlauf des Films. Mit ausdrucksstarken Bildern gilt es diese Welt zu erforschen, zu (über)leben und dabei so etwas wie Liebe zu finden. Auf der Tonspur mischen sich weiterhin poppige Klänge mit einer elektronischen Soundkulisse, während die durchstilisierten Bilder ihre eigene Geschichte erzählen. Auch wenn diese immer wieder zum totalen Stillstand kommt, verliert der Film dabei nie seine ureigene Faszination, denn dahinter steckt vor allem die ungezügelte Leidenschaft ungeniert auszubrechen. Die Regisseurin Ana Lily Amirpour bleibt sich damit treu. [...] So ist eben das Leben im abgesperrten Wüstengebiet einer von Kriminalität durchtränkten Dystopie. Und gerade dieses Selbstverständnis ist ein großer Pluspunkt der von Amirpour erdachten Welt, die sich nicht krampfhaft selbsterklären muss, sondern durch Atmosphäre und Bildkader einen fiebrigen Eindruck der wahnhaften Zukunftsvision vermittelt. In diesen Bildern der aus dem Nichts entstandenen Parallelgesellschaft schlummert auch der unterschwellig gesellschaftskritische Ton des Films, der sich glücklicherweise ebenso wenig aufdrängt wie die vielen abstrusen und kreativen Einfälle innerhalb der Szenerie. [...] In Anbetracht dessen wirkt der Schlussakkord fast schon zu versöhnlich, zu empathisch und einfühlsam, obwohl der Film eigentlich stets von dieser großen Sehnsucht berichtet. Damit ist The Bad Batch letztlich ein überaus konsequenter Film, auch wenn diese Konsequenz vielleicht darin besteht, einmal alle Regeln liegen zu lassen und im Sand der Wüste zu begraben. [...]
Dieser Text entstand als Teil einer Community-Blogaktion anläßlich des Geburtstages von Tony Leung. Der komplette Artikel mit weiteren tollen Texten zu Filmen mit Leung kann man unter folgendem Link finden: http://www.moviepilot.de/news/vertonte-geburtstagswunsche-fur-tony-leung-chiu-wai-191189
Boy meets Girl. Auf diese Art fängt ungefähr jede Liebesgeschichte an. Sei es nun im Film - oder auch im echten Leben. In Hollywood folgt dann meist bedeutungsloses Geplänkel oder wahlweise ein unüberwindbar scheinendes Hindernis, allen Widrigkeiten zum Trotz endet es dann sowieso in glückseliger Zweisamkeit. Das kann funktionieren (was natürlich maßgeblich mit der Chemie zwischen den beiden Hauptakteuren zusammenhängt), behält aber zumeist doch einen arg konstruierten und gekünstelten Beigeschmack.
Liebesfilme wirken schließlich immer dann am besten, wenn sie uns an unser eigenes Leben erinnern und dort geht es eben selten so geordnet und strukturiert zu, wie es uns etwaige Filmchen verkaufen wollen. Denn Glück und Unglück, Zweifel und Entschlossenheit sind keinesfalls sich ausschließende Gegenstücke, die nacheinander und konträr zueinander durchlaufen werden, sondern finden im echten Leben fast immer zeitgleich statt. Deshalb ist Wong Kar Wais Filmperle In the Mood for Love auch deutlich echter, greifbarer und näher als die meisten Genrevertreter – und das, obwohl er in einer völlig anderen Kultur mit grundverschiedenen, uns teilweise sogar unbekannten, Sitten und Gepflogenheiten spielt.
Aber wie gelingt Wong Kar Wai dieses Kunststück? Einerseits liegt das an der natürlichen Chemie zwischen der bezaubernden Maggie Cheung und dem talentierten Geburtstagskind Tony Leung Chiu Wai.
In ihren flüchtigen Blicken, undefinierbaren Gesten und notgedrungenen Interaktionen liegt von Beginn an etwas Ungreifbares und Anziehendes, was in ihren Worten nicht zur Geltung kommt, aber wie ein unaufhörliches Brodeln die Atmosphäre dieser Szene beherrscht. Andererseits kommt dem Film natürlich auch Wong Kar Wais Eigenart zugute, stets ohne Drehbuch zu filmen und sozusagen den flüchtigen Moment seiner eigenen Gedanken einzufangen. Ein riskantes Konzept, das in der Vergangenheit wahrlich nicht immer voll aufgegangen ist (obwohl es ohne Zweifel zu einzigartigen Filmen führt), hier aber seine volle Wirkung erzielt. Fast wahllos scheint er Momente aus dem Leben zu greifen, die zusammengenommen jedoch ein faszinierendes Mosaik ergeben und im Gesamtkonzept alle essentiell erscheinen. So ist der Film über eine verbotene Liebe, eine langsame Annäherung und letztlich unwiderrufliche Entfremdung ein Werk der kleinen Momente - und doch der ganz großen Gefühle.
So wirkt In the Mood for Love schlichtweg aus dem Leben selbst gegriffen. Durch eine überschaubare Anzahl an Schauplätzen, der intimen, nahezu zärtlichen Kameraarbeit und der fließenden Erzählstruktur, die den Film angenehm von Aspekten wie Zeit und Raum löst, entwickelt er schnell eine intensive Sogwirkung. Es gibt nur wenig Filme, bei denen Form und Inhalt zu einer dermaßen deckungsgleichen Einheit gebracht werden, wie hier. Das Ergebnis ist ein wunderbar mäanderndes Werk, das sich primär durch kleine Momente artikuliert, nie auf die Tränendrüse drücken muss, sondern durch Subtilität die kraftvollsten Emotionen auslöst.
Und mittendrin Tony Leung Chiu Wai, ein Glücksgriff, nicht nur für diesen Film und Wong Kar Wai im Speziellen, sondern für die komplette Kinolandschaft im Allgemeinen. Mit seinem unaufgeregten Charisma besitzt er das Talent eine Szene unterschwellig zu füllen, zu beherrschen. Nicht nur, aber auch deshalb, hat er in den vergangenen Jahren mit so gut wie allen namhaften Regisseuren seiner Heimat gedreht und dabei mehr als nur einen memorablen Film abgeliefert.
Alles Gute, Tony. Auf weitere 55 Jahre!
Leben.
Schon bei seiner Ankündigung war der Film wohl für unzählige Zuschauer eine faustdicke Überraschung. Kein geringerer als Werner Herzog sollte also ein Remake von Abel Ferraras wahnhaftem Copdrama Bad Lieutenant drehen, einem Werk, das er laut eigener Aussage noch nicht einmal gesehen hat – noch dazu mit Nicolas Cage, der in die Fußstapfen von Harvey Keitel treten sollte. Als der Film dann einige Zeit später in die Kinos kam, sahen die Reaktionen besagter Zuschauer wohl nicht großartig anders aus. Unglauben, Verunsicherung, Irritation und Unverständnis sind zweifelsohne Empfindungen, die einem während der Sichtung beinahe zwangsläufig in den Kopf kommen. Denn Werner Herzog hinterfragt einmal mehr jegliche (Hollywood)Konventionen, indem er ihre Existenz schlichtweg ausblendet, neutralisiert und verneint. Zwischen Witz und Wahn, Heiterkeit und Tobsucht, inszeniert der deutsche Regisseur einmal mehr abseits jeder Grenze. War das Original noch durch die Sinnsuche seines Protagonisten bestimmt, so geht es in Herzogs Version lediglich um das rauschhafte Treiben, um die Omnipräsenz und Unausweichlichkeit einer lebensuntauglichen Sinnlosigkeit. Erpressung, Sex, Drogen, Glücksspiel, Mord, Korruption und Diebstahl sind zwar die einzigen Inhalte im Leben des bad Lieutenants, gleichsam aber nicht mehr als schemenhafte Randnotizen, die sich in scheinbar unendlicher Wiederholung durch seine Existenz ziehen. Herzog fängt das alles auf unnachahmliche und auch einzig mögliche Art und Weiße ein, als groteske Sinnlosigkeit (oder auch Reflexion darüber), exzessiv und wahnhaft, mit einem Nicolas Cage der völlig neben der Spur und gleichzeitig auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist. Was nun ironisch ist und was ernst, inwiefern Elemente Hommage oder Parodie sind, gilt es im Laufe der zwei Stunden zu entschlüsseln – oder auch einfach zu erfahren.
[...] Soweit alles wie gewohnt, was The Day After Tomorrow jedoch angenehm von einem Großteil dieser Filme abhebt ist sein kleiner, fast schon familiärer Fokus. Zugegeben, die notwendige Prise Pathos in Form eines heldenhaften Präsidenten darf nicht fehlen, davon abgesehen bleiben die Motivationen der Figuren jedoch verhältnismäßig bodenständig. Hier will keiner die Welt retten, die Katastrophe bekämpfen oder der große Held sein. Überleben lautet die Devise, nicht jeder für sich, aber trotzdem allein gegen die Welt. So gibt es neben den generischen Spannungsmomenten auch gelungene Szenen voller Selbstzweifel, Hoffnungslosigkeit und Resignation. Nein, zu einem guten Film fehlt Emmerichs Katastrophenvehikel natürlich ein gutes Stück, denn dafür klammert er sich über weite Strecken schlichtweg zu sehr an angestaubte Genremechanismen, aber im Kontext entsprechender Referenzfilme ist die drohende Eiszeit dennoch eines der besseren Werke seiner Art. [...]
"It's a strange world"
Die Ikonografie des amerikanischen Vorstadtidylls ist fest im Duktus der gängigen Bildsprache verankert. Gleichsam hübsch drapierte Häuschen mit einem liebevoll gepflegten Grün, spielenden Kindern und blitzenden Autos. Der (Alb)traum abhängiger Selbstständigkeit, der im Laufe der Jahre wohl öfters enttarnt als idealisiert wurde. Im Gegensatz zu anderen Werken Lynchs ist Blue Velvet narrativ greifbar, ein vom Film Noir angehauchter Psychothriller über Voyeurismus, Perversion und Fetischismus, der in den Untiefen der nächtlichen Dunkelheit trotzdem zu jenem rauschhaften Trip ins Unterbewusstsein wird, der so nur von einem David Lynch erfahrbar gemacht werden kann. Die Abgründe einer Kleinstadt, in denen es beträchtlich zu brodeln scheint, gefangen zwischen zwei Welten, die eigentlich doch ein und dieselbe sind. Momente voller Lust, Angst und genüsslichem Schmerz – zwiespältig und doch harmonisch. Bei all dem Wahn und Irrsinn sollte man jedoch nicht vergessen, wie liebevoll und zärtlich Lynch das zögerliche Annähern seiner Hauptfiguren in Szene setzt. Neben jener unterschwelligen Dekonstruktion der Wirklichkeit, ist Blue Velvet eben auch ein unheimlich menschlicher Film, der sich abseits der bedrohlichen Dunkelheit eine aufrichtige Faszination für ehrliche Liebe erhält – auch wenn diese wohl immer von Perversion und Ekstase untergraben wird. Vielleicht braucht es diese Wechselwirkung, ebenso wie das Rotkelchen und die Kakerlake.
[...] Obwohl diese Art der suggestiven Erzählung gerade einem Virtuosen wie David Lynch ausgezeichnet liegen sollte, findet er kaum entsprechende Mittel um das Gleichgewicht zwischen der komplex angelegten Geschichte und der exzentrisch verrückten Welt aufrechtzuerhalten. Über die mäßig gealterten Effekte könnte man leicht hinwegsehen, wenn der Film dafür die philosophische Komponente seiner Vorlage überzeugend umsetzen würde. In der vom Studio veröffentlichten Fassung bleibt jedoch stets der enttäuschende Eindruck bestehen, zu wenig von der überaus interessanten Welt gezeigt und erklärt zu bekommen. Zu viel bleibt unklar, doch ist es nicht jene Unklarheit, die Lynch in unseren Köpfen mit Phantasien, Ideen und Imaginationen füllen kann, sondern schlichtweg ein unter den Tisch kehren bestimmter Inhalte, die den Rahmen der Produktion sprengen würden. Letztlich muss man sich wohl widerspruchslos eingestehen, dass Dune – Der Wüstenplanet ein gescheiterter Film ist – auch wenn in diesem Scheitern durchaus ein gewisser Reiz liegt. [...]
[...] Schon zu Beginn wartet Eraserhead mit alptraumhafter Qualität auf. Die grobkörnigen schwarz-weiß Bilder offenbaren den Blick auf eine brachliegende Industrielandschaft, die ihren Ursprung irgendwo zwischen den realen Abbildern vergessener Hinterhöfe und den Schutthaufen dystopischer Zukunftsvisionen findet. Darin befindet sich auch die schmal bemessene Wohnung unseres Protagonisten Henrys (Jack Nance), die darüber hinaus immer wieder als Sprungbrett in tiefere Ebenen seines Unterbewusstseins fungiert und irgendwo zwischen abartigem Horrorkabinett und rätselhafter Traumlogik zu verorten ist. Allein diese beinahe gänzliche Losgelöstheit von klaren Zeit- und Raumstrukturen verhilft dem Film zu seiner treibenden und wahnhaften Energie, die den Zuschauer mühelos durch die 90-minütige Laufzeit trägt. David Lynch gräbt seine Klauen tief ins Fleisch des gebannten Betrachters und lässt ihn an den teils nur vage miteinander verknüpften Ergüssen surrealer Qualität teilhaben. So erzeugt Eraserhead eine Vielzahl an Empfindungen, die wohl nicht nur von Zuschauer zu Zuschauer, sondern auch von Sichtung zu Sichtung schwanken. In Kombination mit dem maschinellen Klangteppich führt das Gezeigte aber beinahe unweigerlich zu Irritation, Unverständnis und Desorientierung, was sich in weiterer Konsequenz auch in raushaften Formen von Hilflosigkeit, Ekel oder Angst entladen kann. In seiner eigenen Logik begründet, visualisiert Lynch die komplexe Gefühlswelt seines Protagonisten und verlässt dabei die Räumlichkeiten gewohnter Seherfahrungen. Bizarr findet er in den eigentümlichen Bildern eine ganz eigene Art von Schönheit und Zärtlichkeit, weil er sich vollends der audiovisuellen Wirkung seines Kunstwerkes hingibt. Während Kommunikation als Mittel gänzlich uneffektiv bleibt, spricht die Bildsprache Bände und festigt das Bild eines zerrütteten Geistes. [...]
Als 1977 David Lynchs Eraserhead uraufgeführt wurde, war wohl kaum damit zu rechnen, dass selbiger Filmemacher nur wenige Jahre später ein humanistisches Drama drehen würde, dass mit 8 Nominierungen zu den Favoriten bei der kommenden Oscarverleihung zählen sollte und darüber hinaus sogar die Kategorie Bestes Make-up begründete. Vom Mitternachtskino in die geerdeten Territorien des amerikanischen Mainstreams…ein augenscheinlich weiter Weg, der dennoch überraschende Überschneidungen aufzeigt. So erhält sich Lynch nicht nur seine schwarz-weiß gestaltete Bildästhetik, die sich in einer bedrückenden Atmosphäre niederschlägt und sogar gelegentlich zu suggestiven Traumsequenzen führt, sondern ebenfalls eine gewisse Faszination für körperliche Deformationen und Missbildungen. Meisterlich verkörpert John Hurt den titelgebenden Elefantenmenschen, der durch seine äußerlichen Verunstaltungen ein menschenwidriges Leben als Vorführobjekt einer Freakshow fristet. Gerettet wird er zunächst von einem nicht minder fähigen Anthony Hopkins, der als Arzt zwar andere Ideale folgt, aber letztlich ein ebenso plumpes Prestigeobjekt aus dem geplagten Individuum macht. In den oberen Klassen des wunderbar stimmig eingefangenen viktorianischen Londons gehört es bald zum guten Ton seine Zuneigung auszudrücken, was ungeachtet der deutlich besseren Konsequenzen dennoch nicht minder verwerflichen Motivationen zugrunde liegt. So ist Der Elefantenmensch eben nicht nur eine tränenrührende Auseinandersetzung mit dem tragischen Schicksal einer bemitleidenswerten Person, sondern auch ein intelligenter Diskurs über Oberflächlichkeit.
Auch wenn es die Wertungen suggerieren, mit dem letzten Spielfilm Werner Herzogs (Queen of the Dessert) hat Salt and Fire herzlich wenig zu tun. War dieser nicht nur reichlich uninspiriert, sondern auch viel zu zahm und langatmig im Vortrag, knüpft sein neuestes Werk nahtlos an den Irrsinn vorheriger Spielfilme an. Die Handlung ist schnell umrissen: Ein dreiköpfiges Forscherteam macht sich auf den Weg nach Bolivien, um dort einer Umweltkatastrophe auf die Spur zu kommen, doch schon am Flughafen werden sie von maskierten Männern entführt und verschleppt. Was sich nach einem rudimentären Thrillerplot anhört, ist in Wirklichkeit die reinste Farce. Völlig ungeniert spottet Herzog über Genremechanismen und moderne Sehgewohnheiten, in vollem Bewusstsein bricht er immer wieder die Regeln, denen ein Großteil aller Filme zu folgen scheinen. Figuren werden eingeführt und verschwinden dann aufgrund akuten Durchfalls für die restliche Spieldauer auf der Toilette (eine obskure Hommage an Antonionis L'avventura?), erheben sich nach der Hälfte des Films aus ihrem Rollstuhl („I only use the wheelchair when I’m tired of life“) oder führen seltsame Dehnübungen aus. Die Abneigung des Großteils seiner Zuschauer ist ihm damit gewiss, ebenso wie das Unverständnis der meisten Kritiker. Überhaupt ist Salt and Fire ein Film der Widersprüche, weil Herzog den Film gleichermaßen ernst wie albern meint und man diesen Zwiespalt als Zuschauer nur äußerst schwer durchdringen kann. Da erscheint es nur konsequent, dass sich Sätze wie „Truth is the only daughter of time“ mit Ausrufen wie „This is the mother of all diarrhea“ abwechseln. Gegen Ende des Films ist Werner Herzog dann ganz bei sich. Die Ohnmacht des Menschen im Angesicht der schier übermächtigen und erschreckend unwirklichen Natur manifestiert der Film in Momenten erdrückender Leere, gefolgt vom blanken Unsinn. Wenn dann ein Rollstuhl mit einer übergroßen Flasche Schampus in die Wüste davondüst und die großartige Steadicam ein letztes Mal ihre Bahnen zieht, dann muss man diesen Film eigentlich lieben.
Tristesse in schwarz-weiß, verregnete Straßen und hochgeschlagene Mäntel. Willkommen in der Welt von Jean-Pierre Melville. Einer Welt, in der Zigarettenrauch wie ein dichter Schleier im Raum steht und man beim Betreten einer Bar schon als Zuschauer den Geschmack von abgestandenem Tabak und billigem Fusel auf der Zunge hat. Vertrauen? Fehlanzeige. In diesen Filmen kämpft jeder für sich und wer dennoch so töricht ist, sich jemandem anzuvertrauen, der muss spätestens zum Ende des Films dafür mit seinem Leben bezahlen. Anders können solche Filme jedoch auch nicht enden, denn dafür sind ihre Helden zu cool und deren Melancholie zu allgegenwärtig. Auch Der Teufel mit der weißen Weste stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Film Noir trifft auf französische Eleganz und so entwickeln Darsteller wie Alain Delon oder hier Jean-Paul Belmondo eine ganz eigene Art von ungerührter Anziehungskraft, an der sich selbst jemand wie Humphrey Bogart die Zähne ausbeißen würde. Das faszinierendste an diesen Filmen ist, wie sich ihre Antihelden von Beginn an ihr eigenes Grab schaufeln und wir dennoch gespannt an ihrem direkten Weg Richtung Tod teilhaben. In Der Teufel mit der weißen Weste ist es die Jagd nach einem (vermeintlichen) Polizeispitzel, der den scheinbar so kleinen Kosmos der Pariser Unterwelt durcheinanderbringt. Zwischen vorgehaltenen Revolvern, gestohlenem Schmuck und falschen Fährten entwickelt sich zusehends ein Sog aus ungezügelter Gewalt und erschreckender Konsequenz, der alle Figuren zu verschlingen droht. Was nüchtern, aber dennoch präzise beginnt, entwickelt mit zunehmender Laufzeit auch eine emotionale Bandbreite, die unsere Zuschaueremotionen mehr als einmal durcheinanderwirft. Großes Gangsterkino, mit dem Melville einmal mehr seine Klasse unter Beweis stellt.
Als Schweigis Computer nicht mehr hochfährt. Traumatisierend...
[...] 39 ist die magische Zahl, auf die sich bei Bela Tarrs (Satanstango) Film Die Werckmeisterschen Harmonien immer wieder berufen wird. Es ist die Anzahl an Einstellungen, aus denen der 145 Minuten lange Film besteht. Schon rein rechnerisch lässt sich daraus die Erkenntnis gewinnen, dass der Film mit zahlreichen Plansequenzen arbeitet. Sechs Kameramänner waren für diesen Kraftakt vonnöten und doch sprengt das tatsächliche Ergebnis alle mathematischen Vorstellungen. Wie kraftvoll und präzise sich die Kamera entfaltet, oftmals minutenlang in beobachtender Stille an Figuren haftet, nur um dann wiederum völlig unkontrolliert auszubrechen, lässt sich kaum beschreiben, sondern muss mit eigenen Augen erlebt und gefühlt werden. Dass es sich dabei wohl um eine der eindringlichsten Kameraarbeiten der kompletten Filmgeschichte handelt, ergibt sich fast nebensächlich, denn Tarr geht es niemals darum seine handwerkliche Brillanz auszustellen oder damit hausieren zu gehen. [...] So ist Die Werckmeisterschen Harmonien in aller ersten Linie reines Stimmungskino, das keine Geschichte im klassischen Sinn erzählt, sondern durch seine grandiosen Bilder, der opulenten Musikuntermalung und der natürlichen Gestaltung eine Sogwirkung erzeugt, die es zu erfahren gilt. Dabei ist Tarrs Film auch eine Konfrontation mit unseren eigenen Sehgewohnheiten. Warum erscheint es uns befremdlich, wenn wir einem Mann mehrere Minuten dabei zusehen, wie er einen Feldweg entlanggeht, obwohl diese Bilder deutlich näher an unserem Alltag sind, als jenes Schnittgewitter, das in Hollywood über uns hereinbricht? Die Werckmeisterschen Harmonien ist eine sinnliche Reflexion über die Macht der bewegten Bilder und in seiner völlig eigenen Bildsprache so einzigartig, dass man dieses Werk gesehen haben sollte. [...]
Happy Birthday, Michl!
[...] Auch die Ehepartner Georg und Anna werden von einer solchen Welt – oder vielmehr der Hoffnung dadurch ihrem alltäglichen Trott zu entkommen – angezogen. Nur ist ihr Fluchtpunkt nicht etwa der Titel eines Films, sondern das Plakat eines ganz und gar unwirklich anmutenden Strandes, der sich zumindest der knallroten Aufschrift nach, in Australien befinden soll. Aber letztlich ist es doch einerlei, ebenso wie das Foto unter der Sonnenblende im Auto. Ein Symbol für eine unerreichbare Hoffnung, die man nur ihrer selbst willen am Leben erhält. [...] Sie personifizieren den oberen Mittelstand einer westlichen Wohlstandsgesellschaft und fügen sich dadurch erstaunlich gesichtslos in die Masse. Als Triptychon inszeniert, zeigt der Film drei Ausschnitte im Leben der Familie. 1987 als ausführlichen Einblick in ihr Leben. 1988, in dem erste Risse spürbar werden. Und letztlich 1989 als jenen Schlag in die Magengrube, den man von Haneke nur zu gut gewöhnt ist. Dazwischen, wie so oft, Ratlosigkeit, Irritation und Unverständnis. Einmal mehr liegen die Menschen auf Hanekes Seziertisch und der macht sich gewissenhaft daran, sie feinsäuberlich zu zerlegen. [...] Immer stärker offenbaren sich die profillosen Figuren als Gefangene im System. Ein Leben nach Maßstab, Anleitung und gesellschaftlichen Vorgaben. Warum sollte man sich beschweren? Schließlich hat man doch alles. Doch hinter diesem Gefühl, welches Haneke selbst so treffend als emotionale Vergletscherung beschreibt, liegt eine tiefere Sehnsucht. Danach etwas zu erleben, etwas aus seinem Leben zu machen und auszubrechen. Doch jeder Versuch ist zwecklos, weil es keinen Platz gibt, an den sie fliehen könnten und das Leben selbst ihr Gefängnis ist. Wie festgefahren die Familie in ihren aufgebundenen Zwängen ist, zeigt sich erst zum Schluss. In einer Orgie der Zerstörung wollen sie zunächst ihren kompletten Besitz vernichten und dann sich selbst Töten. Wir müssen systematisch vorgehen, heißt es dabei. Selbst in Augenblicken der puren Anarchie sind sie Gefangene. Die folgenden Szenen sind dann so etwas wie ein deutscher Gegenentwurf zum Finale von Zabriskie Point. Nur ist Haneke weder Hippie noch Punk und sieht darin eben keine Schönheit und Befreiung, sondern nur noch mehr Schmerz und Leid. Wenn dann am Ende eine tote Familie vor dem flackernden Fernseher sitzt, dann bringt schon der erste Kinofilm des Österreichers die Essenz seines Schaffens auf den Punkt. Einmal mehr ist der Regisseur mehr Pathologe denn Psychiater. Vielleicht macht das den Film so schmerzhaft. [...]
Einmal mehr überzeugt das moderne Horrorkino als Genrehybrid aus traditionellem Gruselfilm und nachvollziehbarem Charakterdrama. Bei seinem Spielfilmdebut beweist Babak Anvari nicht nur ein feines Gespür für Genremechanismen, sondern bleibt darüber hinaus den Konflikten seines Heimatlandes treu. Angenehm gleichberechtigt kommen hier politische, gesellschaftliche und private Thematiken zusammen um eine fiktive Geistergeschichte vor historisch akkurater Kriegskulisse zu erzählen. Dabei ist Under the Shadow in seiner Symbolik zwar alles andere als zurückhaltend, aber nichtsdestotrotz verzeiht man ihm diese Direktheit gerne, weil sie nie zum Selbstzweck verkommt, sondern vordergründig als effektive Genrenarration fungiert. Wenn ein überdimensionales Kopftuch den Raum flutet, dann geht es in diesem Moment eben genauso um die unmittelbare Angst darin zu ersticken, wie die Szene auch die Gefangenschaft in einem reaktionären Wertesystem abbildet. Liegt zu Beginn dieses Kammerspiels noch eine strenge Trennung zwischen harscher Wirklichkeit und undefinierbarer Geisterwelt vor, so scheinen beide Aspekte zusehends miteinander zu korrelieren. Die Geister unterm Bett sind letztlich nicht weniger real als die Bomben über den Dächern und die Risse in der Wand sind denen in der Seele gleichberechtigt. Atmosphärisch ist das durchgehend stimmig, zudem eindringlich gespielt, genrebewusst inszeniert und in seinen Höhenpunkten sinnvoll dosiert. Abermals bäumt sich das zeitgenössische Horrorkino auf, um allen Unkenrufen zum Trotz zu beweisen, dass das Genre mehr kann, als Jumpscares (wobei sich auch bei Under the Shadow einige überraschend effektive Vertreter dieser Gattung finden lassen) und reißerisches Scheppern. Nämlich erwachsene Themen, stimmungsbewusst eingefangen und effektiv in Szene gesetzt. Gerne mehr davon.
[...] Ein verschwundenes Schiff voller Gold, Abenteuer in der Wüste und Verfolgungsjagden zu Wasser? Was sich zu Beginn nach einem relativ spaßigen Abenteuerfilm anhört, offenbart schon nach wenigen Szenen sein wahres Gesicht als freud- und motivationsloser Hollywoodbrei. Die Zutaten stimmen, doch das Resultat ist kaum genießbar. Angetrieben von einer müden Plotmotorik treffen Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club) und Penelope Cruz (Vicky Christina Barcelona) aufeinander um einer Seuche in Mali auf die Spur zu kommen und nebenbei noch ein paar Schätze abzugreifen. Er, sonnengebräunter Indiana Jones-Verschnitt, und sie, bestenfalls oberflächlich interessierte Ärztin (ohne Grenzen), finden währenddessen natürlich zueinander, während Steve Zahn (Rescue Dawn) als amüsanter Sidekick gewohnt leer ausgeht. Dabei ist Sahara keinesfalls die oftmals titulierte Katastrophe, in seinen gut zwei Stunden Laufzeit aber eine viel zu dröge, unmotivierte und letztlich reichlich egale Abhandlung typischer Abenteuerklischees. [...]
[...] Zwei Cops werden als Undercover-Agenten in die Strukturen eines weitreichenden Drogennetzwerkes eingeschleust, verlieren sich jedoch zusehends in ihrem doppelten Spiel, weil einer der beiden Männer eine verhängnisvolle Affäre mit der Freundin des Bosses eingeht. Ja, tatsächlich sind die Handlungsmuster, denen auch Miami Vice folgt, so klischeehaft und altbacken, dass der Film diesen Mechanismus sogar selbst in Form eines Dialoges kommentiert. Michael Mann (Heat) ist sich diesem Umstand indes also mehr als nur bewusst und erhebt seinen Film erzählerisch deswegen auf eine völlig andere Ebene. Schon in der aller ersten Szene wird das deutlich, wenn die fast schon willkürlich umherschwebende Handkamera in einem Nachtclub flüchtige Momentaufnahmen von Jamie Foxx (Django Unchained) und Colin Farrell (The Lobster) einfängt. Im Rausch des Moments werden sie zu konturlosen Oberflächen, in denen sich die unterkühlte und sterile Stilistik des Films spiegelt. [...] So erzählt der Film von einer ästhetischen und inhaltlichen Suche nach Konstanz und Sinnhaftigkeit. Doch beides ist ihm nicht vergönnt. Ein ums andere Mal scheitert die Kamera beim Versuch etwas Greifbares festzuhalten, wenn Körper unter der fleischlichen Lust des Liebesaktes miteinander verschmelzen oder von der Wucht umherfliegender Kugeln auseinandergerissen werden. In diesen Momenten offenbart sich nicht nur die aufgesetzte Coolness der Protagonisten als bewusst vorgeschobene Maskierung, sondern auch das Unvermögen sich von dieser zu befreien. Zeit und Glück, so heißt es, ist vergänglich. Für Foxx und Farrell ist beides außerhalb ihrer Reichweite, weil sie in einem selbstgebauten Gefängnis festsitzen, dessen Gitterstäbe Manns Inszenierung so eindringlich hervorhebt. Wenn es flimmert und surrt, wenn Lichter durch die Nacht flackern und im Rausch der Geschwindigkeit zu formvollendeten Augenblicken am Firmament werden. [...]
[...] Dabei ist Adaption nicht nur eine Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Schaffensprozess, sondern konterkariert darüber hinaus typische Mechanismen Hollywoods auf amüsante Art und Weiße. Selbst im sumpfigen Terrain einer Kriminalgeschichte besteht der Film durch seinen wahnwitzigen Anstrich und manövriert sich fröhlich von Konvention zu Konvention um dadurch etwas völlig Eigenes zu schaffen. So sprunghaft wie die Geschichte ist auch das emotionale Spektrum, welches Kaufman und Jonze abbilden. Den Wechsel von saftiger Melancholie zu aufbrausender Freude lassen die beiden wie eine unkomplizierte Fingerübung aussehen und so spielen sie die Klaviatur von leise bis laut in flüssigen Bewegungen. Ja, Adaption beweist einmal mehr, dass Charlie Kaufman zu den kreativsten und talentiertesten Schreibern gehört, die das amerikanische Kino aktuell vorzuweisen hat. [...]
Michael Haneke, zugleich Misanthrop und Humanist, beweist mit Die Klavierspielerin abermals, dass er weniger daran interessiert ist einen Spiegel für seine Figuren zu entwerfen, sondern diesen am liebsten zu Scherben zertritt. Während andere Filmemacher oftmals eine leere Hülle nutzen um dieser schrittweiße Leben einhauchen bis sich ein komplexes Gesamtbild ergibt, da beginnt Haneke bereits mit einem solche Abbild und arbeitet davon ausgehend minuziös darauf hin, dieses Bild zu entstellen, zu zersetzen, zu zertrümmern. Das ermöglicht ihm auch die großartige Isabelle Huppert, die ihre psychisch zerrüttete Figur mit einmaliger Ambivalenz ausfüllt. Ausgehend von der krankhaften Kontrolle ihrer Mutter hat sie sich zu einer masochistisch veranlagten Frau entwickelt, welche sich angetrieben von einem enormen Selbsthass keine Gefühle eingestehen will und als Klavierlehrerin im Wiener Konservatorium ein tristes Leben fristet. Als der talentierte Benoit Magimel auftaucht und Gefallen an ihr findet, entsteht schnell ein wechselseitiges Vexierspiel, welches der Regisseur ein ums andere Mal dazu nutzt, Erwartungshaltungen zu zerstören und tief im seelischen Leid seiner Hauptfigur zu wühlen. Michael Haneke bedeutet auch immer Grenzgang. Sowohl inhaltlich, indem er Konventionen über die Maße strapaziert und die Grenzen des guten Geschmacks mühelos übertritt, als auch formal. Seine langen und ruhigen Einstellungen, die in ihrer Ruhe zu Beginn fast schon Gemälden gleichen, evozieren nicht nur eine gewisse Echtheit, sondern positionieren auch uns Zuschauer zwangsweiße in die Rolle eines Voyeurs. Hoffnung findet man indes keine, auch das macht die Filme des österreichischen Regisseurs zu solch niederschmetternden Erlebnissen.
[...] Im Mittelpunkt des Films steht ein ganzes Ensemble an Figuren, die sich im Dialog miteinander angenehm vielseitig und glaubhaft weiterentwickeln. Immer wieder greift Regisseur Mills auf Montagen zurück, um den Charakteren zunächst eine grobe Form zu verleihen, die dann nach und nach feiner geschliffen wird. Dabei geht es weniger darum eine Geschichte im klassischen Sinne zu schildern, sondern vielmehr ein bestimmtes Lebensgefühl und die Mentalität der damaligen Zeit einzufangen. Das funktioniert stellenweiße ausgezeichnet, nur um dann wiederum über einige zeitgenössische Klischees zu stolpern. [...] Somit kreist 20th Century Women konstant um einen Dunstkreis verschiedenster Themen und stürzt sich sporadisch auf die ein oder andere Facette. In dieser Spontanität liegt ein großer Reiz, schließlich bleiben die Entwicklungen des Films dadurch angenehm verborgen. [...]
[...] Das Konzept von Gianfranco Rosi (Das andere Rom) mutet schon zu Beginn merkwürdig an. Obwohl er auf sehr dokumentarische, fast schon hyperrealistische Bilder setzt und dadurch einen Anschein von Echtheit suggeriert, agieren die Figuren, allen voran der 12-jährige Samuele mit einer kruden Mischung aus aufdringlicher Symbolik und gestellter Natürlichkeit. Der Regisseur scheint formal darauf zu beharren den Alltag der Mittelmeerinsel Lampedusa einzufangen, aber was die Charaktere tun und sagen stammt eindeutig aus einem Drehbuch. Dadurch entsteht eine Kluft, die niemals zusammenfindet, eine Divergenz zwischen Absicht und Wirkung. Mittendrin finden sich dann doch immer wieder wirkungsvolle Bilder, welche uns das grausige Schicksal der unzähligen namen- und gesichtslosen Flüchtlinge eindringlich vor Augen führt. Doch auch die wollen nicht wirklich zum restlichen Film passen, was Seefeuer fast wie ein Stückwerk erscheinen lässt. Ja, die Aussage dahinter stimmt und auch Preise lassen sich damit offensichtlich leicht gewinnen, doch in wenigen Jahren wird den Film keiner mehr im Gedächtnis haben. [...]
Ein Double Feature aus Antichrist und Irreversibel
[...] Was zunächst ins Auge sticht, ist jedoch weniger erfreulich. Zwischen die noch immer wunderbar von Hand gezeichneten, stimmungsvollen Bilder, mischen sich teilweiße platte CGI-Hintergründe und -Animationen. Letztere zelebriert der Film sogar regelrecht in ausgedehnten Kamerafahrten, was dem Gesamteindruck einen merklichen Dämpfer verleiht. Stilistisch richtet sich der Film natürlich nach seinem Vorgänger und schafft es deshalb auch erneut die Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit der Figuren in einer technisierten Welt in ausdrucksstarke Bilder zu packen. Zur eigensinnigen Atmosphäre trägt auch der prägnante Soundtrack bei, der einen Hauch des Übernatürlichen evoziert. Auch Ghost in the Shell 2 – Innocence lässt dem Zuschauer ausreichend Raum zum Nachdenken. Fragen werden gestellt, aber nie eindeutig beantwortet. Es gibt Werkzeug und Denkanstöße, aber eine Meinung muss sich der Zuschauer letztlich doch selbst bilden. Und die gewonnenen Antworten sind folgenschwer, geht es doch schließlich um nicht weniger, als die menschliche Existenz selbst. Darum wer und was wir sind, was uns ausmacht und als eigenständig definiert. Der Blick in die Zukunft mag nicht real sein, aber ist nichtsdestotrotz erschreckend. Denn früher oder später wird sich die Menschheit mit diesen Konzepten auseinandersetzen müssen – und dann hoffentlich die richtigen Antworten parat haben. [...]
[...] War Martin Scorseses letzter Film The Wolf of Wall Street noch ein Werk, bei dem man angesichts des hohen Alters des Regisseurs in zweifelhaftes Staunen verfiel, so fühlt sich Silence nun angenehm nach der Arbeit eines Mittsiebzigers an. Über 20 Jahre hat es gedauert, bis Scorsese sein Herzensprojekt umsetzen konnte, altersmilde ist er hingegen keinesfalls geworden. Die erhabenen und ruhigen Bilder des Films leben nicht nur von ihrem expressionistischen Ausdruck, sondern ihnen scheint auch eine unglaubliche Intensität inne zu wohnen. Bemerkenswert, führt man sich vor Augen, dass Silence vor allem ein Film der inneren Konflikte ist. [...] Mit seinen knapp drei Stunden Laufzeit wird Silence zum filmischen Kraftakt, für den Zuschauer nicht weniger anstrengend als für die Figuren des Films selbst. Scorsese macht das Martyrium seines Protagonisten erfahrbar und stellt damit auch den Zuschauer vor unlösbare Aufgaben. Dass bei Scorsese Glaube auch immer eng an Leid geknüpft ist, wurde schon in Die letzte Versuchung Christi deutlich. In Silence bedeutet zu Glauben nun nicht mehr nur zu Leiden, sondern vor allem auch zu Zweifeln. [...] Vielmehr nähert er sich diesem Glaubenskonflikt aus der einzig möglichen, nämlich der persönlichen Perspektive seiner Hauptfigur und kommt dabei zu sehr ambivalenten Erkenntnissen. Dass man sich vor allem als ungläubiger Zuschauer an manchen Gedanken stoßen kann, ist verständlich, schließlich schießt der Regisseur hin und wieder merklich übers Ziel hinaus und gestaltet seinen spirituellen Einblick eine Spur zu explizit. Letztlich erscheint jedoch auch das nur konsequent, schließlich liegt kein Widerspruch darin, dass ein gläubiger Regisseur seinem eigenen Glauben den Weg bereitet – selbst wenn dieser mit der Meinung des Zuschauers kollidiert. [...]
[...] Tatsächlich hat sich wohl auch die Wirkung des Films im Laufe der Jahre gewandelt. Galt er zu Zeiten seiner Veröffentlichung noch als reine Parodie auf das damals sehr populäre Genre des japanischen Historienfilms, so funktioniert er aus heutiger Sicht wohl eher als Abenteuerfilm mit komödiantischen Anleihen. Das für damalige Verhältnisse gewagte Erzählen aus der Perspektive der unfähigen Comic Relief Nebencharaktere sorgt zwar noch immer für Lacher, aber bremst Dynamik und Spannung stellenweiße doch merklich aus. Der Einfluss und auch die Stärken des Werkes sind unbestreitbar, doch letztlich kann sich Die verborgene Festung dem Eindruck nicht verwehren, dass Kurosawa sich auf ernsteren Territorien wohler fühlt. Als gelungene und kurzweilige Abwechslung ist der Film deswegen noch immer mehr als sehenswert, zählt angesichts des beinahe unverschämt hochqualitativen Outputs des Regisseurs aber zu seinen schwächeren Filmen. [...]