Vitellone - Kommentare
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Alle Kommentare von Vitellone
Gleich zu Beginn lässt Michael Althen verlauten, dass Auge in Auge keinesfalls den Anspruch einer allumfassenden Filmchronik erhebt, sondern wie der Titel bereits andeutet nur EINE und nicht eben DIE Geschichte des deutschen Films ist. Als schwärmerische Liebeserklärung wird dem heimischen Kino in all seinen Facetten gehuldigt, wobei sich das Werk glücklicherweise weniger um Kanonisierung, als vielmehr um persönlichen Bezug und eigene Geschichten schert. Neben Althen selbst, der als Sprecher einige interessante Anekdoten zum Besten gibt, kommen Filmschaffende wie Wim Wenders, Dominik Graf, Christian Petzold und viele mehr zu Wort und dürfen einen ihrer deutschen Lieblinge vorstellen. Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich deren Gedanken und Erfahrungen, welche die entsprechenden Filmszenen untermauern und dennoch weiß auch die Aufmachung abseits markanter Filmmomente zu überzeugen. Mit der Kulisse zahlreicher Lichtspielhäuser im Rücken versprüht Auge in Auge eben nicht nur die Leidenschaft zu den Filmen selbst, sondern auch zu ihrem ersten und auch besten Vorführort, dem Kino. Besonders eindringlich ist aber auch die Arbeit Althens, der das deutsche Kino immer wieder unter einzelnen übergeordneten Lichtpunkten bündelt und in großartigen Montagen darstellt, wie im deutschen Film geraucht, geküsst oder gelächelt wird. Ganz so als würde sich die Nationalität an diesen speziellen Augenblicken festmachen lassen und als käme es nur auf diese memorablen Momente an. Auge in Auge ist genau die Art von Film, die das deutsche Kino verdient und vielleicht auch gebraucht hat. Die leidenschaftliche und bisweilen auch unreflektierte Auseinandersetzung mit den heimischen Kulturgütern und das Lanzenbrechen für eine Filmnation, die gerade im eigenen Land furchtbar unterschätzt wird. Und auch seine Wirkung ist großartig, denn nach dem Abspann hat man ein starkes Verlangen danach, mehr als nur einen der besprochenen Filme (wieder)zusehen.
[...] Man kann von Passengers halten was man will, doch um einen uninteressanten Film handelt es sich gewiss nicht…um einen gelungenen hingegen noch viel weniger, denn die zweite Hollywoodarbeit von Morten Tyldum scheitert geradezu spektakulär. Kurioserweise hat es der Drehbuchautor vollbracht ganze drei Arten von Film in diesem Genre-Vehikel unterzubringen und tatsächlich kann das erste Drittel noch einigermaßen überzeugen. In einem doch sehr ruhigen Stil widmet sich der Beginn Themen wie Isolation und Einsamkeit, verhandelt die Belang- und Perspektivlosigkeit des einzelnen Menschen in einem größeren Kontext und ist damit sehr nah am Kern des Genres selbst. Was der Film daraufhin aus einem eigentlich überaus interessanten Konflikt macht, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, wandelt er sich doch zunächst kurz in eine romantische Komödie im Weltall und startet dann gegen Ende eine actiongeladene Rettungsmission, die in ihrer aufgesetzten Dramatik geradezu lächerlich wirkt. Dabei sind es weniger die katastrophalen Dialoge, die nichtssagende Regie oder die bestenfalls durchschnittlichen Leistungen von Chris Pratt und Jennifer Lawrence, die dem Film letztlich das Genick brechen. Das alles sind nur Symptome des überambitionierten und fast schon katastrophalen Skripts, von dem spätestens beim Abspann klar wird, warum Hollywood es zehn Jahre lang in der Mottenkiste versteckt hielt. [...]
[...] Als Mischung aus Nachkriegsdrama und Coming-of-Age Film wirkt Junges Licht oftmals recht unentschlossen, welcher Facette er sich vorrangig widmen will. Gelingt es ihm zunächst gut die Hoffnungs- und vor allem Ausweglosigkeit des alltäglichen Lebens der damaligen Zeit zu porträtieren, so verliert er sich später etwas zu stark im typischen Erwachsenwerdens des Protagonisten. Gerade ein Satz wie: „Abhauen gibt’s nicht, wär schön, aber gibt’s nicht“, welchen der einfache Familienvater gegen Ende des Films äußert, hallt nach. Im Kontrast zu all den Erwachsenen, die ihre Träume und Ziele bereits aufgegeben haben, funktioniert der junge Julian als Hauptfigur wirklich gut, auch wenn er immer wieder droht in etwas naive Klischees abzudriften. [...] Neben einer ruhigen und unauffälligen Inszenierung fallen immer wieder Spielereien mit dem Format auf, die den ansonsten sehr klassischen Film auflockern. Leider ist der Wechsel zwischen schwarz-weiß und der Sprung vom Breitbild- zum 4:3-Format, der immer wieder stattfindet, nicht mehr als reine Spielerei. Als simples Wachrütteln des Zuschauers funktioniert der auffällige Formatwechsel durchaus, doch darüber hinaus scheint er weder bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu folgen, noch von inhaltlicher Relevanz zu sein. Schade, hätte man diesen formalen Ansatz ernster genommen und bewusster eingesetzt, dann hätte der ansonsten eher im Erzählkino verankerte Film auch aus ästhetischer Hinsicht relevant sein können. So funktioniert das Ganze immerhin als markante Erinnerung daran, wie sehr sich das Medium in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat. Dennoch wäre mehr möglich gewesen und vielleicht ist dieser fehlende Wagemut auch symptomatisch für das, was im deutschen Kino noch viel zu oft fehlt. [...]
„Here's to the ones who dream, foolish as they may seem”
Rekordgewinner bei den Golden Globes, durchgefeiert von der Kritik und an jeder Häuserecke plakatiert. La La Land macht sich mit der größtmöglichen Menge an Vorschusslorbeeren auf, auch die Zuschauer vor den deutschen Leinwänden zu verzaubern und schultert gleichzeitig die immense Last dieser gewaltigen Erwartungshaltung. Dass dabei auch kritische Stimmen laut werden, war nur eine Frage der Zeit und so findet man neben Ausrufen der Verzückung auch immer mehr enttäuschte Meinungen oder gar Verrisse. Abermals positioniert sich eine nicht zu unterschätzende Zahl an Zuschauern gegen den Newcomer Damien Chazelle, dem zuletzt bereits bei seinem Musikerdrama Whiplash der Vorwurf unterstellt wurde, faschistoide Ideologien zu vertreten. Dahingegen sind die Schmähungen von La La Land gewissermaßen harmlos, wenn auch nicht weniger diskreditierend. Viele davon kann man leichtfertig abtun, etwa das immer wieder auftauchende „Ich mag einfach keine Musicals“, doch wiederum andere Kritikpunkte sind durchaus vorhanden und selbst als durch und durch begeisterter Zuschauer nachzuvollziehen. Denn in der Tat ist La La Land ein extrem gefälliger Film, der Hollywood in seinem nostalgischen Anstrich auf fast schon unverschämte Art huldigt und dabei weder sonderlich tiefgreifende Themen verhandelt, noch vielschichtige Figuren kreiert. Doch zu alledem steht der Film, denn er ist durch und durch eskapistische Unterhaltung, voll von magischen Momenten und fantastischen Schauwerten. Gewissermaßen die Essenz Hollywoods und in dem zugegeben einfachen Bestreben, welches ihm innewohnt, perfekt. Dabei stimmt es durchaus, dass Ryan Gosling und Emma Stone weder die talentiertesten Tänzer, noch die begnadetsten Sänger dieses Planeten sind und dennoch haben sie etwas weitaus essentieller und weniger Reproduzierbares, nämlich echte Leinwandchemie, ehrliche Emotionen und schlichtweg Charisma. Über weite Strecken lebt der Film aber nicht nur von diesem bezaubernden Zweiergespann, sondern auch von der pulsierenden und leidenschaftlichen Energie, mit der Chazelle den Film in Szene setzt. Seine Inszenierung ist ebenso energetisch wie der wunderbare Soundtrack und allein der Gedanke an bestimmte Momente treibt unweigerlich ein Grinsen in mein Gesicht. Darüber hinaus schlägt der Film durchaus gelungen eine Brücke zwischen Tradition und Moderne, arbeitet mit ansprechender Symbolik und schafft es mit seinem Ende die Fragwürdigkeit vorausgegangener Ereignisse interessant zu hinterfragen. La La Land ist kitschig, über die Maße nostalgisch, klischeebeladen und dazu absolut großartig. Kein Film für den Kopf, sondern einer fürs Herz.
[...] Mit dem Film verhält es sich letztlich ähnlich wie mit allen anderen Verschwörungstheorien auch. Die Idee an sich ist interessant, aber auf 90 Minuten gestreckt will das nicht recht funktionieren, denn überzeugen kann eher der Gedanke selbst und weniger die denunzierte Ausführung des selbigen. Das formale Konzept ist nett, aber schafft es trotzdem nicht seinen einzigen Zweck (nämlich Echtheit zu suggerieren) gerecht zu werden. Dafür ist die Inszenierung zu bedacht nostalgisch und altmodisch, die Konflikte ein Stück zu konstruiert und die Geschichte selbst zu sehr darauf ausgelegt dramaturgischem Regelwerk zu folgen. Ein Reinfall sieht trotzdem anders aus, denn die ein oder andere Anekdote macht ebenso viel Spaß wie der zwar sehr gefällige, aber nichtsdestotrotz wirkungsvolle Soundtrack. [...]
[...] Abermals beweist Yates, dass er zwar durchaus gelungene Einzelmomente beschwören und gelegentlich mit visuellen Einfällen auftrumpfen kann, doch darüber hinaus kein wirklich begabter Filmemacher ist. Stärker als alle drei Regisseure vor ihm, bedient er sich bei einer sehr generischen Bildsprache und schafft es kaum sich vom Usus gängiger Hollywoodproduktionen zu befreien. Das schlägt sich vor allem auf die misslungene Dynamik schnellerer Szenen nieder und so findet Harry Potter und der Orden des Phönix fast nie das richtige Tempo. Vieles wirkt arg lieblos aneinandergereiht um allen essentiellen Punkten der Vorlage gerecht zu werden, doch die notwendige Zeit um all diese Konflikte auch mit dem Zuschauer resonieren zu lassen, findet der Film nicht. Kaum eine porträtierte Emotion ist wirklich greifbar, weil der Film bereits mit dem Aufbau des nächsten Kapitels beschäftigt ist und so hilft es wenig, dass der fünfte Teil rein inhaltlich wohl bisher am meisten zu bieten hätte. [...]
[...] Innerhalb der kompletten Reihe ist Harry Potter und der Feuerkelch der wohl speziellste und damit auch umstrittenste Beitrag. Die völlig außer Kontrolle geratenen Frisuren von Harry und Ron sind dabei ein gutes Sinnbild für den Film selbst, denn auch der scheint den Beteiligten an manchen Stellen schlichtweg aus der Hand gerutscht zu sein. Zwischen der düsteren Rahmenhandlung um Lord Voldemort (wer hat meine Nase: Ralph Fiennes) und den lebensgefährlichen Aufgaben des Trimagischen Turniers widmet sich der Film mit ähnlicher Ernsthaftigkeit den Problemen hormongesteuerter Teenager. Wenn Harry also sagt, dass der Kampf gegen einen Drachen der Einladung eines Mädchens zum Schulball vorzuziehen sei, dann beschreibt er damit passenderweise auch die Gewichtung des Films. Das Kurioseste daran ist aber, dass dieses so widersprüchliche Konzept tatsächlich aufgeht und der Film an manchen Stellen ebenso tragisch, wie an anderen amüsant ist. Diese Mischung aus magischer Highschoolkomödie und düsterem Abenteuer macht den vierten Teil zu einem Unikat innerhalb der Reihe und dadurch zu einem sehr eigensinnigen, aber durchaus liebenswerten Eintrag im Harry Potter Universum. [...]
[...] Dieser einfache Kniff des Rückwärtserzählens ist ebenso effektiv wie intelligent, führt er doch von vornherein den Aufbau jedes Rachefilms ad absurdum. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion und jede Wirkung hat eine Ursache. Doch nicht so in Irreversibel, denn hier gibt es keine Rechtfertigung und keine Katharsis. [...] Doch Irreversibel ist nicht nur als filmische Erfahrung unfassbar wirkungsvoll, sondern übertritt darüber hinaus auch die Grenzen des Kinos. In dieser Wechselwirkung aus urbaner Paranoia und abstoßendem Exzess schafft das Werk etwas Bedeutendes, denn es gibt der Gewalt im Film ihre Gravitation zurück.Schändlich und ungeschönt. Gewalt als das, was sie eben ist, wederrechtfertigend noch verharmlosend. Als überflüssiger, aber nichtsdestotrotz omnipräsenter Teil unserer Welt, als lauernder Abgrund in der menschlichen Seele und als unabwendbarer Makel der Realität. Noés Opus Magnum sprengt die Fesseln der Fiktion, denn wenn Monica Bellucci minutenlang vergewaltigt und ein Gesicht miteinem Feuerlöscher bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert wird, dann liegt darin all jener Schmerz, der auch in der echten Welt lauert. Und wir Zuschauer leiden mit, so intensiv als wären wir selbst das Opfer. [...]
[...] Wie viele Rachefilme verlässt sich The Chaser auf ein ebenso wirksames wie simples Ursache-Wirkung Prinzip, welches jedwede Gewalt als Bestrafung eines noch brutaleren Übels rechtfertigt. Daran ist in diesem Fall jedoch nichts verwerflich, denn weder führen die benutzen Mittel zu wirklichem Erfolg, noch scheint der Film etwas Erbauliches in seinen expliziten Spitzen zu sehen. Vielmehr nutzt er diese Momente um die Dringlichkeit hinter den thematisierten Problemen zu betonen und das Bild einer zerrütteten Gesellschaft weiter zu verdichten. [...] Mit fast schon diebischer Begeisterung macht sich The Chaser daran Druck und Anspannung aus der Erwartungshaltung des Zuschauers zu generieren. Wenn der vermeintliche Zufall bestimmte Figuren aufeinanderprallen lässt, der Betrachter bereits auf das unweigerliche Ende der Begegnung wartet und Regisseur Na das Unabwendbare weiter hinauszögert, dann sind das Momente, die in ihrer kalkulierten Eskalation Musterbeispiele für einen gelungenen Spannungsaufbau darstellen. Aufgelöst werden diese manchmal ebenso intelligent, wie sie an anderer Stelle in eine plumpe Gewaltorgie münden, denn nicht immer findet der Film das richtige Gleichgewicht aus dem was er explizit zeigen sollte und dem was nur subtil angedeutet wird. The Chaser ist durch und durch kompromissloses Thrillerkino, dynamisch in Szene gesetzt und noch dazu gesellschaftspolitisch überaus aktuell. [...]
[...] Alfonso Cuarón versteht die Umsetzung nämlich nicht als reine Visualisierung des Buches, sondern formt Harry Potter und der Gefangene von Askaban nach allen Regeln seines Handwerks zu einem formidablen Film. Seine Regie ist deutlich auffälliger und präsenter, sei es durch die sehr bewusste Trennung von Vorder- und Hintergrund oder auch den Einsatz von düsterer Symbolik. Den Fokus des Abenteuers selbst verlagert er vom eigentlichen Entdecken und Erforschen stark auf das dramaturgisch wirkungsvolle Finale, welches uns erstmals als wirklich bedrohlich verkauft wird und die Reihe gekonnt von etwaigen Altlasten befreit. Für das in der Vorlage ebenfalls zentrale Alltagsleben eines jungen Magiers scheint hingegen wenig Platz zu sein. Eine gute Entscheidung, denn was im Roman wunderbar funktioniert, droht in komprimierter Filmform schnell banal und uninteressant zu werden. [...]
[...] Der Film selbst bedient sich abermals an einem recht klassischen Spannungsaufbau, indem er nach und nach weitere Informationen um das große Mysterium im Hintergrund enthüllt und dazwischen kleinere Höhepunkte einstreut um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Leider ist es nicht das große Geheimnis, das mutige Entdecken und große Abenteuer was den Reiz des Werkes ausmacht, sondern vielmehr einige plump generierte Spannungsmomente, die für eine kurzweilige Adrenalinsteigerung sorgen. Tatsächlich scheint unseren Helden alles ein Stück weit zu sehr zuzufallen und so kann man vieles nicht recht ernst nehmen. Da hilft es auch wenig, dass die unterschwellige Rassismusthematik erstmals Einzug erhält, denn Harry Potter und die Kammer des Schreckens ist dramaturgisch schlichtweg zu zerfahren um wirklich zu funktionieren. [...]
[...] Es mag der ohnehin altmodischen Art des Films geschuldet sein, doch bei einem Transfer ins Jahr 2017 muss sich Harry Potter und der Stein der Weisen primär auf nostalgische Schauwerte verlassen. So wirklich funktioniert das nicht, schließlich hat sich das erste Abenteuer des berühmten Zauberlehrlings früher nicht ganz so harmlos und kindgerecht angefühlt, wie es heute zweifelsohne der Fall ist. Das mag einerseits den so jungen Darstellern geschuldet sein, denn entweder hat man sich die Romanfiguren damals aufgrund ihrer Taten als deutlich reifer vorgestellt oder man war eben selbst im entsprechenden Alter und nahm sie als solche auch anders war. So präsentiert sich der Film in vielerlei Hinsicht als enttäuschend, arbeitet er zwar pflichtbewusst alle relevanten Stationen der Vorlage ab, reduziert diese jedoch auf kindgerechte Schauwerte und schießt somit final an den eigentlichen Interessen des Romans vorbei. [...]
[...] Für manche Zuschauer dürfte The Wailing durchaus zu einer Geduldsprobe verkommen, erzählt er seine Geschichte doch keinesfalls pointiert und direkt, sondern schweift immer wieder ab um sich in atmosphärischer Tristesse dem Leid und der Verwirrung seiner Figuren zu widmen. Dabei reichert der Film seine Erzählung früh mit religiöser Symbolik an, die sich größtenteils jedoch erst nach dem Ende erschließt und zuvor reichlich nebulös zur allgemeinen Verunsicherung beiträgt. Über weite Strecken ist man der Hauptfigur gleich im schieren Wahnsinn der Situation gefangen ohne dabei einen wirklichen Ausweg zu erkennen und so gilt es fröhlich im Dunkeln zu tappen, bis man irgendwann das Licht am Horizont erblickt. [...] Selbst wenn man die ohnehin grundverschiedenen Sehgewohnheiten außenvorlässt, ist The Wailing immer noch ein sehr eigensinniger und andersartiger Film. Als düsteres Potpourri bedient er zahlreiche Elemente des Dramas, sowie des Horror-, Mystery- und Thrillergenres, gibt sich jedoch nicht mit den typischen Mustern zufrieden, sondern denkt viele Aspekte auf interessante Weiße um. Lange tappt man als Zuschauer ebenso wie der tollpatschige Protagonist im Dunkeln, ehe sich gegen Ende alle Fäden vereinen und die bisherigen Geschehnissen in einem anderen Licht beleuchtet werden. Erst dann offenbart The Wailing seine inhaltliche Raffinesse, ebenso wie einen Bezug zu weltlichen Geschehnissen, was ihm final noch eine deutlich stärkere Tragkraft verleiht. [...]
[...] Red River erzählt gleichermaßen die Geschichte einer großen Reise wie auch die eines großen Stillstandes. Verkörpert wird dieser Stillstand durch John Wayne, einem sturen Cowboy, der schon allein durch seine Präsenz etwas Massives und Unbewegliches zum Ausdruck bringt. Wie alle Traditionalisten scheut er keinen Konflikt um seine Position aufs Äußerste zu verteidigen, er ist ebenso zielstrebig wie dickköpfig, sowohl entschlossen als auch uneinsichtig. Für eine solche Person scheint die bevorstehende Reise fast zwangsläufig zum Scheitern verurteilt, doch um mit seinen beinahe zehntausend Stück Vieh nicht in den finanziellen Ruin zu stürzen, tritt er sie dennoch an. Wie so viele Western verhandelt auch Red River den Konflikt zwischen Tradition und Moderne, nur verleiht er ihm in Form von John Wayne und seinem Ziehsohn Montgomery Clift (Ich beichte) einen ungewöhnlichen und damit wunderbar erfrischen Anstrich. Dem zentralen Konflikt dieser Vater-Sohn Beziehung ist es zu verdanken, dass der Film nicht nur auf symbolischer, sondern auch auf emotionaler Ebene wunderbar mit dem Zuschauer resoniert. Die Regie von Howard Hawks tut ihr Übriges, fängt die trostlose Umgebung in bedächtigen schwarz-weiß Aufnahmen ein und verleiht ihnen wenn nötig auch ein beinahe überraschendes Maß an Dynamik. Jegliche Art von Gefecht versteht der Film nämlich als plötzlich hereinbrechendes Übel, welches auch die Kamera aus heiterem Himmel aufsprengt und auf virtuose Weiße über die Szenerie huschen lässt. [...]
[...] Denn als Erfahrung ist der fünfte Spielfilm der Coens abseits seiner überdeutlichen Vorbilder in der Filmgeschichte nur schwerlich zu (be)greifen, präsentiert er New York doch als die eigenartig drapierte Traumstadt, die wir in zahlreichen Hollywoodproduktionen der Marke Capra und Co. in den 30er und 40er Jahren kennengelernt haben, die aber so wohl nie wirklich existiert hat. Dennoch – so war es damals und so ist es noch heute – hat auch dieses Werk eine ungemeine Freude dieses so lebendige Bild einer Stadt mit der ihr angemessenen Fülle an Träumen, Sehnsüchten und dunklen Abgründen zu füllen. Ein Sinnbild dafür ist wohl auch die Firma von Waring Hudsucker (kurz, aber prägnant: Charles Durning), die mit ihren 45 Stockwerken einen gar irrsinnigen Mikrokosmus des Kapitalismus darstellt, den die Coen Brüder als Mischung zwischen rasanter Achterbahnfahrt und groteskem Gruselkabinett in Szene setzen. In den unteren Stockwerken wird hektisch geschwitzt während es weiter oben zwar nicht minder zügig, aber doch deutlich kontrollierter zugeht. Wünsche und Ideen werden, so sagen es zumindest die eingefangenen Gesichter, irgendwo dazwischen abgegeben, in der nicht enden wollenden Fahrstuhlfahrt von Ebene zu Ebene. [...] Dabei bedient Hudsucker – Der große Sprung eine durchaus naive Romantik, die das Herz aber definitiv am rechten Fleck hat. Ein von innen heraus wohlig wärmendes Glühen geht von dem Film aus, genau die Art von liebenswerter Überzeichnung, die man nur im Kino finden kann. Sei es auf Dinnerpartys oder im Büro, wirklich bodenständig ist nichts an diesem Film. Außer vielleicht die Beziehung von Robbins und Leigh, die zwar altbekannt, aber doch so ehrlich geschildert wird, dass einem dabei das Herz aufgeht. Denn hinter jedem Lacher und jeder Karikatur schlummert ein Stück weit Wahrheit, eine nicht zu verleugnende Tatsache, die den Film letztlich doch greifbarer macht als es zunächst scheint. [...]
[...] Von den eigentlich so markanten Coen-Brüder bekommt man dabei reichlich wenig geboten. Nur selten blitzen ihre typischen Stärken in Form von irrsinnigen Wortgefechten oder einfallsreichen Nebenfiguren auf und über weite Strecken agieren lediglich Clooney und Zeta-Jones erstaunlich chemielos ihren Geschlechterklischees entsprechend. Für jeden kreativen Augenblick mit dem teufelsgleichen und an Kabeln baumelnden Chef der Kanzlei oder dem Hundeliebhaber Heinz, Baron Krauss von Espy muss man mindestens ein Dutzend weniger berauschende Gespräche von deutlich uninteressanten Figuren erdulden. Recht desinteressiert arbeitet sich der Film an den typischen Klischees ab und präsentiert den altbekannten Geschlechterkampf nach Maß. Das kann bisweilen durchaus amüsant sein, ist jedoch niemals im Stande einen kompletten Film zu tragen und lenkt erst recht nicht von der eigentlichen Banalität des Streifens ab. Denn für die romantischen Streithähne geht es auch dann noch hin und her, wenn auch der unaufmerksamste Zuschauer bereits genauestens Bescheid weiß, wie die Geschichte enden wird. [...]
[...] Nur weil Tom Ford der Modewelt entsprungen ist, sollte man es nicht per se verteufeln, dass dem Ästhetischen und Schönen ein großer Stellenwert zugesprochen wird. Nocturnal Animals entpuppt sich schnell als optischer Leckerbissen, der brillant inszeniert und vor allem montiert wurde und allein dadurch als spannungsgeladener Thriller funktioniert. Darüber hinaus bietet der Film abgesehen von einigen plumpen Provokationen aber auch eine intelligente Auseinandersetzung mit dem Erzählen selbst, indem er bekannte Elemente auf ungewohnte Art in die Geschichte einbindet. Insofern ist die typische Rachegeschichte im abgelegenen Texas nicht bloß reines Genrediktat, sondern auch ein Spiegel für die Geschehnisse um Amy Adams. Dadurch zeigt Nocturnal Animals einen Weg, bekanntem und möglicherweise auch ausgelutschtem Material zusätzliche Tragweite zu verleihen und letztlich bestehendne Geschichten nicht durch ihren Inhalt, sondern durch die Art des Vortrags etwas Neuartiges zu verleihen. Ein Ansatz, der, obgleich nicht bis zum letzten konsequent umgesetzt wurde, dennoch eine interessante und auch wichtige Thematik im aktuellen Filmgeschehen anspricht. [...]
[...] In Arrival geht es sogar in zweifacher Hinsicht um Kommunikation. Zunächst auf kleinerer Ebene um das reine Verstehen, um die Kontaktaufnahme und das Verständnis zweier Individuen – später um Diplomatie, Kompromisse und Vertrauen, um die Fähigkeit die eigenen Bedürfnisse in Hinblick eines übergeordneten Ziels zurückzustellen. Seinen Reiz entfacht der Film jedoch nicht nur dann, wenn beide Arten der Kommunikation letztlich an ihre Grenzen stoßen und diese nur durch die Leistung eines Einzelnen überschritten werden können, sondern auch in der denunzierten Betrachtung, die er der Herbeiführung dieser Prozesse entgegenbringt. Mit der Tradition des Science-Fiction-Films vor Augen ist es bemerkenswert wie Denis Villeneuve die Ankunft Außerirdischer nicht schleunigst in ein Kriegsszenario überführt, sondern vor allem den Konflikt unterhalb der Menschheit durch die mögliche Bedrohung des Ungewissen nährt. Im emotionalen Fahrwasser von Interstellar bindet auch Arrival das Schicksal der Menschheit an den inneren Konflikt seiner Hauptperson und findet so genreuntypische Regionen zum Verhandeln seiner Konflikte. In weitestgehend ruhigen Tönen fasziniert der Film vor allem dann, wenn er jedwede Hektik fallen lässt und sich mit ehrlicher Neugierde den Möglichkeiten von Kommunikation und dem Erforschen des Unbekannten widmet. Eine Zuspitzung der Ereignisse, wie sie uns Arrival gegen Ende präsentiert, hätte es in dieser expliziten Form zwar nicht gebraucht, aber die vorangegangene Begeisterung kann auch davon nur leicht gedämpft werden. [...]
[...] Elle bedient schon früh typische Elemente des Rape-and-Revenge Genres, beginnt erwartungskonform mit der notwendigen Vergewaltigung und lässt diese im weiteren Verlauf omnipräsent im Zentrum des Films verweilen. Der Erwartungshaltung des Zuschauers verweigert sich Verhoeven jedoch konsequent und so kommt es im Fortgang immer seltener zu bekannten Momenten. Schnell findet der Film seine eigene Struktur, die in ihrem Kern von der aufopfernden Darstellung Isabelle Hupperts getragen wird und so werden simplifizierte Genreklischees konsequent zu einem vielschichtigen Diskurs umgeformt. Denn nach der einleitenden Vergewaltigung, die wie so viele Momente des Films mit beachtlicher Intensität inszeniert wurde, senkt sich beinahe ein bedächtiges Schweigen über die, so scheint es zumindest, gedemütigte Michele. Die Spuren werden schleunigst beseitigt, die Polizei bleibt uninformiert und sie setzt ihr alltägliches Leben als Kopf einer Videospielfirma fort. Lediglich unter ihrer Oberfläche scheint es zu brodeln, vor Ärgernis, Wut und Scham…aber auch vor Erregung. Nicht viele Darstellerinnen sind zu solch subtilen und anspruchsvollen Emotionen fähig, doch Huppert meistert die Herausforderungen des Films gewohnt mühelos und verkörpert eine äußerlich selbstsicher, aber innerlich verunsicherte Frau, die von den zahlreichen Herausforderungen des Lebens verschluckt zu werden droht. Darüber hinaus behandelt Elle eine Vielzahl an Themen, die es lohnen den Film mehrmals zu sehen und durchaus zu ausgiebigem Diskussionen einladen. [...]
Es war schon lange nicht mehr so kalt in den intergalaktischen Weiten des Star-Wars-Universums. Dieses unbarmherzige Gefühl der Leere, wenn man die allgegenwärtige Dunkelheit durchquert, nachdem man seinen Vater verloren, seine Befehle missachtet oder seine Heimat hat untergehen sehen. Rogue One bündelt eine Vielzahl dieser Empfindungen in einer trüben Stilistik und erwächst so zu einer überraschend erwachsenen Auseinandersetzung mit Themen wie Gewalt, Krieg und Rebellion. An dem düsteren Tenor des Films können auch die regelmäßig eingestreuten Witzchen nichts ändern, die mit großer Sicherheit dem im Vorfeld verfluchten Nachdreh geschuldet sind, der wie ein Damoklesschwert über und in den Köpfen der erwartungsvollen Zuschauer spukte. Interessant für Fans ist wohl auch das hochfrequentierte Aufkommen von Cameos, die sich im Bereich von unpassend (Bail Organa und Leia) über unnötig (C-3PO und R2-D2) bis hin zu großartig (Darth Vader) bewegen. Mit einem merkwürdig verzerrten Soundtrack im Gepäck werden zunächst einige Nebenkriegsschauplätze angesteuert, bevor es im gewaltigen Finale um alles oder nichts geht.
Rogue One fällt als eigenständiges Spin-Off dabei eine komplett andere Rolle zu als dem letztjährigen Erwachen der Macht, bei dem es galt den Grundstein für eine neue Trilogie zu legen. Regisseur Edwards nimmt sich deshalb die Freiheit seine ohnehin zum Untergang verdammten Figuren nur sehr oberflächlich zu etablieren und sie eher auf funktionaler, als auf emotionaler Ebene wirken zu lassen. Was einerseits natürlich als Schwäche betrachtet werden kann, erfüllt jedoch im Gesamtkonzept des Films seinen Zweck und schlägt sich nach den ersten unrhythmischen Minuten in einer angenehmen Dynamik nieder. Vor allem im dritten Akt spürt man es förmlich pulsieren und knistern, wenn Rogue One seinen emotionalen wie filmischen Höhepunkt erreicht und die Rebellion auf das Imperium krachen lässt. Vor allem dann erweist sich das Werk als waschechter Kriegsfilm, der jedoch keinesfalls in Pathos und hochstilisierter Gewalt untergeht, sondern nach seiner anfänglich kritischen Auseinandersetzung mit den Folgen von Widerstand ein Plädoyer für Hoffnung und Zusammenhalt darstellt.
[...] Besonders interessiert scheint Assayas jedoch an der Wechselwirkung zweier augenscheinlich komplett unterschiedlicher Mentalitäten. Während Personal Shopper einerseits dem Okkulten und Spirituellem frönt, platziert er sich andererseits überaus gelungen im Wendekreis der Technologisierung und der Medien. Diese Widersprüche lässt der Film nicht bloß koexistieren, sondern vor allem miteinander interagieren, und dies so feinfühlig, dass sie nie zu plumper Kritik oder unreflektiertem Jubel verkommen. Personal Shopper spielt vor allem zwischen den Zeilen, bündelt seine Ambivalenz in Form von Stewarts Selbstfindung und findet Harmonie in scheinbaren Gegenteilen. [...] Dass seine Geschichte mitunter unstimmig ist, weiß Assayas selbst, und so wirkt es beinahe selbstreferentiell wie lose und uneindeutig er einzelne Handlungsfäden zusammenführt, abschließt oder auch einfach fallen lässt. Das wahre Talent liegt darin wie er seinen Film verkauft, was keinesfalls heißen soll, dass man Personal Shopper auf seine Oberfläche reduzieren sollte. In Cannes wurde der Film mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet, doch Assayas Regie ist keine der optischen Reize oder der Oberflächenpolitur. Er versteht wie stark die Wirkung eines Films von diesem Faktor abhängt und so erzählen seine Bilder abseits jeder Ambivalenz und Offenheit überaus prägnant und stimmig. Mehr denn je ist das Kino mit Personal Shopper angekommen, angekommen im Jahr 2016. [...]
Dieser Kommentar ist im Rahmen der User-Wichtel-Aktion 2016 entstanden und ist eine Überraschung für (VincentVega).
Wenn es stimmt, dass Antonioni dem Gefühl von Einsamkeit die größtmögliche Schönheit und Poesie abgerungen hat, dann muss es Melville sein, der ebenjenes Empfinden an ein Maximum an Coolness und Tragik koppelte. Unweigerlich geben es die ersten Einstellungen bereits voraus: Jef Costello liegt lethargisch in seinem Zimmer und raucht. Es dauert etwas, bis man ihn erkennt, denn vom leblosen und tristen Ambiente des Raums sticht er kaum hervor, lediglich die fahlen Rauchschwaden verraten seine Anwesenheit. Wortlos bekleidet er sich mit Mantel und Hut, blickt emotionslos auf sein Ebenbild im Spiegel, welches längst ikonenhaft in die Filmgeschichte eingegangen ist. Das Stadtbild von Paris ist von einer ähnlichen Tristesse befallen. Grau in Grau reiht sich Häuserfront an Häuserfront, alles ist verregnet, unfreundlich und steril. Wie nur wenige andere Werke versteht sich „Le Samourai“ darauf die innerlichen Befindlichkeiten seiner Hauptfigur auf dessen Umgebung zu projizieren und dadurch einen omnipräsenten Raum zur Konfliktverhandlung zu erzeugen.
Überhaupt scheint Jef Costello eine der faszinierendsten Figuren zu sein, die das Kino jemals hervorgebracht hat. Das liegt natürlich an Alain Delon, der mit seiner Darstellung nicht nur den Begriff von Coolness neu geprägt, sondern auch unwiderruflich in den Schauspielolymp aufgestiegen ist. Um die rätselhafte Titelfigur erzeugt er eine undurchdringbare Mauer, eine Oberfläche, die jeden Rückschluss auf dessen Persönlichkeit für ungültig erklärt. Jef Costello kann, und das ist das Erstaunliche, nicht durchschaut, psychologisiert oder analysiert werden. Seine Figur wirft jeden Ansatz zurück, unweigerlich bleibt unser Blick an seiner Fassade heften und vermag es nicht tiefer in dessen Inneres vorzudringen. Die gewaltige Faszination liegt in der Ambivalent seiner Figur, indem Melville selbst keine eindeutigen Erkenntnisse erlaubt, ist er für uns Zuschauer genau das, was wir in ihm sehen wollen oder auch nicht übersehen können.
Doch auch darüber hinaus ist „Le Samourai“ schlichtweg ein Film von herausragender Präzession. In allen Belangen so perfekt, als wäre das Kino all die Jahre zuvor nur auf diesen Punkt zugesteuert und als hätte es danach stillschweigend akzeptiert, dass man diese Makellosigkeit ohnehin nicht mehr übertrumpfen kann. Es wirkt beinahe selbstverständlich wie alle Bildkompositionen ineinandergreifen, wie instinktiv sich die dialogfreien Szenen erschließen und wie treffend jede Einstellung die Szenerie seziert. Natürlich steckt dahinter das Talent eines außerordentlichen Handwerkers, Melvilles Gespür für das Visuelle und seine Faszination für die Kriminalgeschichten vergangener Tage. Und auch wenn es hinsichtlich der durchgehenden Klasse des Werkes beinahe unmöglich erscheint eine einzelne Szene hervorzuheben, so ist die letzte des Films dennoch eine der tragischsten, die das Kino je hervorgebracht hat.
[...] Hunt for the Wilderpeople gibt sich den Strukturen dieses Indie-Kinos vollends hin, so stoisch und perfekt, dass es sich dabei fast nur um eine Parodie handeln kann. Immer wieder sucht er die ikonischen Bilder, die uns Zuschauer schon längst zum Hals heraushängen. Angefangen bei sonnendurchfluteten Waldwipfeln, über Figuren, die ihre Eigenständigkeit feiern und die Natürlichkeit des Lebens im Einklang mit der Natur ausleben, bin hin zur allgegenwärtigen Bedrohung durch etablierte Organisationen. Waititi bemüht die Ikonografie des gegenwärtigen Independent-Films so angestrengt und allgegenwärtig, dass man die Zynik und den Spott, der darunter schlummert, fast schon mit den Händen greifen kann. [...] Verknüpft wird diese Kritik mit jeder Menge kreativem Humor. Die Tradition visueller Komik, die neben Waititi heutzutage kaum noch jemand wirklich pflegt (Edgar Wright wäre einer von ihnen), durchzieht den kompletten Film und generiert immer wieder Lacher. Sei es durch schnelle Schnitte, übertriebene Close Ups oder andere technische Spielereien. Durchgehend hat man als Zuschauer das Gefühl als wüsste Waititi sehr genau um die Wirkung seiner Bilder, als könnte er jede noch so alltägliche Situation auf rein formaler Ebene bereits in wahre Komik verwandeln. Auch die Verarbeitung von popkulturellen Themen nutzt er unfassbar intelligent, wenn er beispielsweise die Verantwortliche des Jugendamts zum personifizierten Bösen hochstilisiert und ihre Ankunft mit dem Helikopter genauso inszeniert wie das erste Auftreten von Darth Vader in Krieg der Sterne. Ausgesprochen wird dabei nichts, denn zum bloßen Namedropping lässt sich der Film nur selten hinreißen. [...]
Dieser Kommentar ist im Rahmen der User-Wichtel-Aktion 2016 entstanden und ist colorandi_causa gewidmet. Ich hoffe er weiß zu gefallen, auch wenn mich der Film scheinbar nicht ganz so stark berührt hat wie dich.
Wir verfolgen eine Handvoll Figuren durch die Metropole Hongkong. Im Hintergrund läuft ein Song: California Dreamin. Aber wovon träumen sie? Wovon kann man überhaupt träumen, wenn man halbherzig dem alltäglichen Trott nachgeht? Von Kalifornien? Wohl kaum. Von einem anderen Leben? Vielleicht. Von der wahren Liebe? Volltreffer. Fast schon traumwandlerisch gehen sie dieser Sehnsucht nach und da scheint es nur konsequent, dass diese letztlich auch ein Traum bleibt. Doch glücklicherweise gibt es Wong Kar Wai, der für diese Figuren einen Platz zu finden scheint. Manchmal einen Platz in der Sonne, und manchmal einen im Regen. Deshalb sollte man auch immer beides tragen, einen Regenmantel und eine Sonnenbrille. Denn die gezeigten Orte sind gleichsam existent und nichtexistent, irgendwie da, aber doch nicht greifbar. Ein Schnellimbiss. Eine Bar. Eine Wohnung. Eigentlich könnte dieser Film doch überall spielen, solange die verschwommene Allerweltskulisse es vermag die Gefühle von Einsamkeit und Entfremdung zu verdichten.
Was bleibt hängen, von diesen Orten? Nichts. Und was bleibt dafür bestehen, von den porträtierten Emotionen? Umso mehr. „Chungking Express“ artikuliert sich primär über Kleinigkeiten, sucht anders als gängige Liebesfilme seine Emotionen nicht in überschwelligem Pathos, sondern in den kleinen Momenten des Alltags. Wie einzelne Teile eines Mosaiks letztlich ein Gesamtbild ergeben, so definiert sich auch dieser Film hauptsächlich durch Nebensächlichkeiten, die für sich genommen banal erscheinen. Ein flüchtiger Blick, ein kurzes Nicken. Der Ansatz eines Lächelns. Es könnte so schön sein, wie im Film. Doch leider war die Musik zu laut, das Gespräch ist vorbei und die Chance verpasst. Es gibt so viele Menschen in der Stadt, und dennoch scheint jeder allein zu sein. In seiner verschwommenen Stilistik rückt Wong Kar Wai schon zu Beginn die Einsamkeit des modernen Großstädters in den Vordergrund. Wie die Kulisse sind auch die Menschen selbst konturlos, bis wir uns für sie interessieren. Du bist mir noch nie aufgefallen – oder ebenjenen Ort habe ich noch nie bemerkt. Vielleicht ist das der Anfang von Liebe.
Schöne Liste. Und die ein oder andere Überschneidung mit meiner vorläufigen Top 10 ist auch dabei. :)