Vitellone - Kommentare

Alle Kommentare von Vitellone

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    [...] Die Bezüge zu Federico Fellini, allen voran grotesk entliehene Figuren, verkommen nach und nach immer mehr zu Karikatur. Ob Lucy sich diese Gestalten in ihrem Realitätsverlust nur ausdenkt oder diese innerhalb der filmischen Wirklichkeit doch real sind, bleibt offen. Mit simpelster Lichtdramaturgie und überzogener Soundkulisse weist Regisseur Lexton überdeutlich auf die Stimmung jeder Szene hin, erstickt den Zuschauer in aufgezwungenen Emotionen und behauptet immer wieder Befindlichkeiten, die der Film zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck bringt. Die wunderbare Reise der Lucy vereint die schlechtesten Momente aus Nicholas Sparks Verfilmungen und Die fabelhafte Welt der Amelie zu einem kitschigen Einheitsbrei. Seltsam deplatziert wirkt auch der derbe Humor, dem der Regisseur gelegentlich Ausdruck verleiht. Taron Lexton fehlt es nicht an der richtigen Intention, sondern vor allem an einer formgerechten Umsetzung. In seinem weltfremden Opportunismus erstickt Die wunderbare Reise der Lucy jedoch an aufgesetzter Nostalgie, künstlicher Emotion und fehlgeleiteter Romantik. Nichts wirkt echt, alles seltsam erzwungen und in letzter Konsequenz dadurch auch furchtbar ärgerlich. Bei all dem Aufsehen, den der Film um das Oeuvre Fellinis macht, hätte man doch eine gewisse Portion an filmischen Verständnis von seinem Regisseur erwartet. [...]

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    • 3

      [...] Die schmuddelig eingefangenen Bilder zielen natürlich in erster Linie auf den reinen Schock ab, Umberto Lenzi will um jeden Preis polarisieren, für einen Skandal sorgen, auch wenn ihm eigene Ideen dazu fehlen. Eine Wirkung, die abgesehen von dem abstoßendem Tier-Snuff (einem wichtigen, aber dennoch mittlerweile eher leidigem Thema) nicht recht beim Zuschauer ankommen mag, dafür wirkt alles schlichtweg zu hölzern, billig und gestellt. Natürlich hält sich Lebendig Gefressen mit Gewaltorgien und Unappetitlichkeiten keinesfalls zurück und zeigt neben abgetrennten Brüsten, üppiger Schambehaarung und eingeschlagenen Schädeln auch eine Penetration mit einem riesigen Steindildo…wirklich schockieren kann daran jedoch nichts, weiß doch die stümperhafte Inszenierung Lenzis nie so etwas wie Echtheit oder Immersion zu suggerieren. Und wenn ein Mondofilm schon auf dieser Ebene versagt, für was ist er dann überhaupt zu gebrauchen? [...]

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      • 7

        “A man's reach should exceed his grasp, or what's a heaven for?”

        Die versunkene Stadt Z ist so etwas wie die Arthaus-Variante von Indiana Jones, gewürzt mit einer Portion Aguirre - Der Zorn Gottes und einem Schuss El abrazo de la serpiente. Mit gemächlichen Tempo und opulenten Bildern huldigt Regisseur James Gray dem Drang der Entdecker, den Abenteurern und Pionieren. Dabei distanziert sich der Film einerseits von unangebrachtem Pathos und romantischer Heldenverklärung, schafft es anderseits jedoch auch die Faszination und den Antrieb seines Protagonisten spürbar zu machen. Die versunkene Stadt Z ist in erster Linie die Geschichte eines Mannes, der zwischen Familie und seiner Passion hin- und hergerissen ist…sich zunächst immer wieder einredet pflichtbewusst und zum Wohle der Menschheit zu handeln, sich letztlich aber doch stets schmerzlich bewusst ist, dass er vor allem seinen eigenen Träumen nachjagt. Charlie Hunnams Performance ist auf dem Punkt, sein Gesicht spiegelt jene zwiespältige Faszination, die auch der Film selbst zum Ausdruck bringt. Ein Film voller Abschiede, immer wieder schmerzlich und doch gleichzeitig ein hoffnungsvoller Aufbruch. Die Aufnahmen des Dschungels, einnehmend, faszinierend und gefährlich, tragen maßgeblich zur elegischen Stimmung des Films bei. Es ist weniger die im positiven Sinne konventionelle und gemächlich erzählte Dramaturgie, die dem Film zu seinem verlockenden Sog verhilft, sondern vielmehr seine betörenden Bilder und die dichte Atmosphäre. Ein vergessener Höhepunkt des aktuellen Filmjahres.

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        • 9

          [...] Noch bevor es die ersten Bilder zu sehen gibt, ertönt Rooney Maras Lachen aus der Dunkelheit. Hell, anziehend, betörend – und dennoch könnte man es fast mit einem Schluchzen verwechseln. Die ersten Bilder liefern Klarheit, in trauter Zweisamkeit kuschelt sie mit Casey Affleck auf der Couch, liebevoll umschlungen liegt bereits zu diesem Zeitpunkt eine ungeahnte Sehnsucht und Intimität in ihrem Beisammensein. A Ghost Story macht sich nicht einmal die Mühe, ihnen richtige Namen zu geben und doch zählt jede Berührung, jeder Blick, jede Geste – und sei es nur ein angedeutetes Lächeln – zu dem Zärtlichsten, was es in den vergangenen Jahren auf der großen Leinwand zu bestaunen gab. [...] Wie kaum einem anderen Filmemacher gelingt es David Lowery diesen formlosen Emotionen eine Kontur zu verleihen. Nach und nach entgleitet jeder greifbarer Handlungspunkt, in der Überschneidung zwischen Diesseits und Jenseits entsteht ein völlig neuartiger Raum, in dem Ort und Zeit relativ erscheinen. A Ghost Story ist ein Film, der dem Zahn der Zeit trotzt. Er erzählt sich durch Stillstand, durch bewussten Verzicht und sensorische Freiheit. Zu keinem Zeitpunkt zwingt Regisseur Lowery seinen Zuschauer eine bestimmte Ansicht auf, vielmehr geht es ihm darum dieser Fülle an Empfindungen Ausdruck zu verleihen, sie erfahrbar zu machen, mit dem Zuschauer zu kommunizieren – auch wenn diese Kommunikation nur daraus besteht, seine eigenen Fragen an ihn zurück zu geben. Natürlich liefert der Filme keine Antworten, zumindest keine universellen. Wie sollte er auch, schließlich stellt er Fragen, die schlichtweg keine eindeutige Klärung ermöglichen – oder ihr auch gar nicht bedürfen. Fragen über Vergänglichkeit und die Unendlichkeit der Liebe, über die Grenzen von Raum und Zeit. Eine melancholische Reise, vollends in sich gekehrt und dennoch absolut. A Ghost Story begreift Liebe als die einzige Möglichkeit, sich wenigstens für einen Augenblick als Teil dieser Welt zu verstehen. Er verweilt so lange in einzelnen Momenten, bis diese Momente selbst zu Geistern werden…bis das Laken schließlich fällt und alles sein Ende findet. [...]

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          • 8

            Wes Anderson auf dem Zenit seines bisherigen Schaffens. Abermals gewährt uns der kauzige Regisseur einen skurrilen, bunten und scheinbar unwirklichen Einblick in seine filmische Welt, gestaltet als abenteuerliche Familienreise über die Ozeane und erdacht als Hommage an den Pionier Jacques-Yves Cousteau (die rote Wollmütze lässt grüßen). Die Tiefseetaucher besticht natürlich durch die typischen Qualitäten seines Regisseurs, allen voran die formale Umsetzung, die man zwar gut und gerne mit möglichst vielen Synonymen des Adjektivs skurril beschreiben könnte, letztlich aber einfach von jedem Zuschauer individuell erfahren werden muss. Darüber hinaus beschäftigt sich Anderson einmal mehr mit ungewöhnlichen Familien, verhandelt in Form der Vater-Sohn-Beziehung wohl das zentralste Motiv seines Schaffens. Gleichsam emotional effektiv und reflektiert widmet er Gefühlen wie Zugehörigkeit, Selbstzweifel und der Suche nach einem Platz in der Welt eindringliche Bilder. Da überrascht es auch nicht sonderlich, dass Noah Baumbach seine Finger am Drehbuch hatte. Letztlich sind es bei Wes Anderson eben immer die Gefühle, die überzeugen. Die Figuren mögen überdreht, die Welt drapiert und die Handlung herzlich überzeichnet sein, aber die Emotionen bleiben immer echt, weil Anderson diese im Gegensatz zu allem anderen angemessen ernst nimmt.

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            • 3
              über mother!

              Darren Aronofsky und sein Größenwahn. Schon immer waren die Filme des amerikanischen Regisseurs aufdringlich, plakativ, um Aufmerksamkeit geifernd. Schon immer wussten seine Filme dadurch aber auch zu faszinieren, mit ihrer ureigenen Dynamik und Energie zu begeistern – vielleicht auch, weil Aronofsky damals noch die entsprechenden Inhalte hatte. War schon sein letztes Werk Noah eine geglückte Gratwanderung, sind dem guten Darren bei Mother! nun mindestens zwei Sicherungen zu viel durchgebrannt. So beginnt der Film als gar nicht mal so unstimmiger Abklatsch von Rosemaries Baby, nur um sich nach und nach in inkohärentem Geschwurbel, Symbolismusgewichse und allegorischen Bibelzitaten zu verlieren. Ist der Schalter erst einmal gefallen, so drängt sich jede Szene förmlich als christliches Motiv auf, die jede Sinnhaftigkeit außerhalb dieses Vergleiches komplett vermissen lässt. Der Gehalt, die Frage nach dem Warum, bleibt dabei vollends auf der Strecke. Die hysterischen Darbietungen und die selbstverliebte Regie tragen nur noch zusätzlich zur Lächerlichkeit des Films bei. Als Zuschauer muss man sich ab einem gewissen Punkt zwangsläufig die Frage stellen, ob Aronofsky das jetzt eigentlich alles ernst meint. Leider lautet die Antwort darauf ja…ja!...JA!...jedes grobkörnige Bild strebt nach Bedeutung und Anerkennung, bettelt darum, mehr zu sein, als nur die Summe seiner Teile. Hätte sich Mother! doch nur darauf beschränkt ein gelungener Genrefilm zu sein, nicht sonderlich kreativ oder gewagt, aber immerhin konsequent durchgezogen, so aber scheitert es katastrophal, das Evangelium nach Aronofsky.

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              • 7

                In vielerlei Hinsicht die logische Konsequenz des ersten Teils. Nicht nur seine reine Existenz, die dem überraschenden Erfolg des Erstlings geschuldet ist, sondern vor allem seine inhaltliche und formale Ausrichtung. Getreu dem bewehrten Mittel für Fortsetzungen lautet die Devise Höher, Schneller, Weiter...und im Fall von John Wick 2 auch besser. Inhaltlich bleibt alles wie gehabt, auf jede Aktion folgt eine Reaktion und um was es dieses Mal konkret geht, bleibt bestenfalls eine Randnotiz. Stattdessen wurden formal an allen Ecken und Enden gefeilt, die Choreografien sind eine Nummer stilsicherer, die Action brachialer und nichtsdestotrotz kunstvoller. Im Grunde bleibt jedoch alles bestehen, was bereits zum ersten Teil gesagt wurde. Eine Symphonie aus Blut, Fäusten und Kugeln, in der sich Körper auf fast schon abstrakte Art und Weiße annähern und wieder voneinander abwenden, bis einer von ihnen als kalte Leiche auf dem Boden aufschlägt. Mit dem aktuellen Genreprimus The Raid 2 kann es der Streifen zwar noch nicht aufnehmen, gerade für amerikanische Verhältnisse überrascht jedoch die direkte und selbstbewusste Ausrichtung des Werkes. Ein Regisseur, der sich den nötigen Stärken und unnötigen Schwächen seines Vorgängers bewusst war und daraus die richtigen Konsequenzen gezogen hat.

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                • 7

                  Keanu Reeves Werdegang zum Actionhelden. John Wick, ein Name, den man als Zuschauer ebenso wie die Figuren im Film, so schnell nicht mehr vergisst. Ein Protagonist, der in seiner Attitüde wie maßgeschneidert zu diesem Film passt. Geradlinig, stilvoll, ikonisch und dennoch emotional greifbar. John Wick besticht jedoch nicht nur durch seine stilistisch konsequent durchgetakteten Actionsequenzen, die mit angemessener Härte und einer sauberen Choreographie punkten, sondern vor allem durch die Welt, die er in seinen gut 90 Minuten etabliert. Eine Welt voller Auftragskiller und Gangsterbosse, in der es keine normalen Bürger zu geben scheint und die ihr eigenes Wertesystem aus Regeln und Traditionen entwickelt hat. Durch und durch angefüllt mit Genreklischees, die jedoch deshalb so herrlich funktionieren, weil die Figuren sich wunderbar ernst nehmen, während es der Film selbst nicht tut. Diese Balance ist ausschlaggebend, John Wick weiß genau welche Art von Film er ist und macht keinen Hehl daraus, dass seine Rachegeschichte 08/15 Ware von der Stange ist. Die oftmals verspottete Prämisse ist deshalb ohnehin nur Mittel zum Zweck und funktioniert emotional durchweg ausgezeichnet. Angenehm altmodische Action, geradlinig durchgezogen und überzeugend umgesetzt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – und damit an der Speerspitze des amerikanischen Actionkinos.

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                  • 7

                    [...] Zwölf Jahre Kino und Film werden dabei beleuchtet, zwölf Jahre unter Führung des NS-Regimes, zwölf Jahre im Schatten von Adolf Hitler und unter der Kontrolle von Joseph Goebbels. Über 1000 Spielfilme, selten offene Propaganda wie etwa die Werke von Leni Riefenstahl (Triumph des Willens), doch allesamt unter staatlicher Führung und mit bestimmten Absichten produziert. Manipulativ, mit dem Ziel Millionen von Menschen zu beeinflussen, die ihre Träume im Kino lebten und ihre Emotionen und Sehnsüchte auf die große Leinwand projizierten. Hitlers Hollywood – der Name ist Programm, denn nicht weniger wollte das Kino der damaligen Zeit sein. Eine Traumfabrik, nicht weniger glänzend, aber weitaus perfider als das Vorbild auf der anderen Seite des Ozeans. Ein Instrument, das für den Staat arbeitet, während der normale Bürger davon gar nichts wissen wollte und seine Träume in überzogener Weiße gespiegelt sah. Aber wie funktionierte diese Propaganda? Dies ist nur eine der Fragen, die Hitlers Hollywood in seiner knapp zweistündigen Laufzeit beleuchtet. Zunächst lädt die Dokumentation den geneigten Filmenthusiasten auch rein informativ dazu ein, die Kino- und Filmlandschaft der damaligen Zeit zu begreifen und zu erschließen. Beliebt waren vor allem all jene Werke, die oberflächlich voll und ganz dem Eskapismus frönten. Lustspiele, Komödien, Operetten und Liebesfilme. Auch Dramen hatten ihren festen Platz, während man auf jede Art von Genrefilm verzichten musste. Jene Vielfalt, die Deutschland in den 20er Jahren noch zur wohl fortschrittlichsten Filmlandschaft gemacht hat, war verloren. Unter der Doktrin der 1942 verstaatlichten Universum Film AG (kurz: UFA) wurde alles strengstens kontrolliert und so sollte auch der Ruhm mancher Regisseure und Darsteller ein äußerst brüchiges und zwiespältiges Vergnügen bleiben. [...]

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                          über Crash

                          Wie ein Sargdeckel schließt das Cabrio sein Dach über den Figuren, das Auto wird als zentrales Motiv gleichermaßen zum Grab und Sehnsuchtsort des Films. Autounfälle und Sex. Was zunächst im abgetrennten Gleichschritt stattfindet, verdichtet Regisseur David Cronenberg mit fortschreitender Laufzeit zusehends, bis beide Elemente zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen sind. Cronenberg und Ballard mag eine naheliegende Kombination sein, die Konsequenz mit der die beiden Künstler an ihre Werke herantreten ist jedenfalls faszinierend. In den kühl und distanziert wirkenden urbanen Schauplätzen liegt eine Sehnsucht zum Ausbruch, eine Neigung zur Realitätsflucht. Spader glänzt als distanzierter Jedermann mit nichtssagendem Blick, auf der Suche nach etwas, von dem er keine Ahnung hat. Lust, Sinnlichkeit und Eskapismus müssen in Crash zu einem hohen Preis erkauft werden, denn wer aus seinem Leben ausbricht, tut das absolut und unumkehrbar. Die zerbrechlichen Körper scheinen den bulligen Massen aus Stahl so stark unterlegen, dass jede Aktion die letzte sein könnte. Immer schneller, immer härter, immer extremer. Erotik als Wahn. Crash ist eine Gradwanderung zwischen lustvoller Erotik und abschreckender Perversion, gleichermaßen anziehend und abstoßend, was dem Film zu seiner einzigartigen Atmosphäre verhilft. Eine sinnlich morbide (Horror)Fantasie, in der Leidenschaft radikalisiert und Körper demontiert werden. Präzise beobachtet, zynisch ohne dabei seine Figuren zu verachten und empathisch ohne sich in Emotionen zu verlieren. Unverkennbar Cronenberg und schlichtweg genial, in welch virtuoser Weise die einzelnen Elemente ineinandergreifen. Meisterwerk.

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                            Mit einer Archivaufnahme zu Beginn steckt Atomic Blonde seinen Handlungsrahmen in wenigen Sekunden ab. Berlin, Herbst 1989, kurz vor dem Mauerfall und obwohl der Film schleunigst behauptet kein Interesse am Ost-West-Konflikt zu haben, kommt er nicht ohne das ein oder andere Bild mit weltpolitischer Spannung aus. Nichtsdestotrotz, das sollte jedem Zuschauer klar sein, will Atomic Blonde kurzweiliges Action-Kino sein. Dafür steht David Leitch, bereits beim Actionfest John Wick involviert, mit seinem Namen. Statt Keanu Reeves heißt es nun Charlize Theron, die nach Mad Max: Fury Road einmal mehr ihre Qualitäten als knallharte Actiondarstellerin unter Beweis stellt und definitiv zu den Highlights des Films zählt. Wenn die Körper unter der treibenden Kamera im dynamischen Gleichschritt der Actionszenen aufeinanderprallen und sowohl Bild- als auch Tonebene von ernstzunehmenden Konsequenzen berichten, dann sind das diejenigen Momente, in denen Atomic Blonde seine Zuschauer wirklich mitreißen kann. Der Best-of-80s Soundtrack ist gefällig, aber erfüllt seinen Zweck (Das 99 Luftballon Cover ausgeklammert) und auch die meisten Nebenfiguren, abgesehen von McAvoys spastischem Rumgezappel, wissen im Rahmen des Films zu überzeugen. Es lässt sich nicht verleugnen, dass Atomic Blonde Stil hat und in Kombination mit seinem oftmals etwas trashigem Charme als kurzweilige Actionsause durchaus Freude bereitet. Wäre da nicht die viel zu konfus vorgetragene Handlung, die sich ihrem erzählerischen Unvermögen zwar durchaus bewusst ist, dieses jedoch mit noch mehr Wendungen überspielen will. Aufs wesentliche konzentriert, gekürzt und mit stärkerem Fokus auf seine stilisierten Actionsequenzen hätte Atomic Blonde formidables Genrekino sein können. So ist er eben nur schwankendes Mittelmaß.

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                              [...] Formal gleicht sich Regisseur Juho Kuosmanen dem Inhalt des Films an. Unaufgeregte schwarz-weiß Bilder erzählen von Ollis bodenständiger Natur, seinem ruhigen Charakter, der von all dem Trubel herzlich wenig wissen will. Sein Objekt der Begierde ist weniger der Weltmeistertitel, sondern vielmehr eine Frau, für die er seinen Beruf auch jederzeit aufgeben würde. Im Gegensatz zu vielen anderen Genrevertretern greift dies nicht Hand in Hand…wer Boxweltmeister wird, der gewinnt nicht automatisch das Herz seiner Traumfrau – und andersherum. So überzeugend manche dieser Ansätze auch sind, so sehr verlieren sie mit zusehender Laufzeit an Wirkung. Wenn Olli Mäki zum dritten Mal unaufmerksam im Interviewraum sitzt, dann hat der Zuschauer das Ziel der Szene längt verstanden. Da hilft auch nicht der kurzweilige Endkampf, der einmal mehr gekonnt die Erwartungen seiner Zuschauerschaft unterwandert. [...]

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                              • 7

                                Mancherorts scheint die Zeit stillzustehen. So auch in einem kleinen, italienischen Gebirgsort, der zwar nach und nach von Zivilisation und Moderne heimgesucht wird, aber gerade im Inneren seiner Bewohner noch von mittelalterlichen Verhältnissen geprägt ist. Lucio Fulci nutzt dieses Setting als kriminalpsychologische Spielwiese, auf der er gnadenlos die fehlgeleitete Rückständigkeit solcher Weltbilder anprangert. Voodoo-Kult und Hexenwerk treffen auf Katholizismus und vorgetäuschte Frömmigkeit, ein fruchtbarer Boden für Verbrechen und Selbstjustiz. Im Vergleich zu Fulcis späteren, oftmals sehr brachialen Werken, ist Don’t Torture a Duckling ein erstaunlich ernsthafter und vielschichtiger Film. Auch wenn die oberflächliche Kriminalhandlung nicht ohne beklemmende und erschreckende Bilder auskommt, ist das Werk dennoch weit entfernt vom expliziten Blutrausch vieler seiner anderen Filme. Stattdessen zeichnet sich der lose mit den Gesetzten des Giallos spielende Film durch seinen Subtext aus, in dem in erster Linie Konservatismus verhandelt wird, damit verbunden aber auch Pädophilie, Drogen und Sexualität eine Rolle spielen. Natürlich besticht auch dieser Genrehybrid erneut durch Fulcis grandioses Gespür für suggestive Bildkompositionen und so gelingen einige einnehmende Bilder, die sich förmlich beim Zuschauer einbrennen. Ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass Lucio Fulci nicht nur ein grandioser Stilist, sondern eben auch ein vielseitiger Filmemacher war.

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                                • 7

                                  Natürlich könnte man Über dem Jenseits mit wenigen Worten abtun, als inkohärent, konfus, platt und recht dümmlich abstrafen – und damit gleichzeitig seine engstirnige Herangehensweise ans Horrorgenre unter Beweis stellen. Denn von jenem inhaltlichen Ballast hat sich Lucio Fulci in seiner elliptischen Erzählstruktur längst verabschiedet, um all jenen Aspekten eine Bühne zu bieten, auf die es wirklich ankommt. So modelliert er seine irrationalen Albtraumlandschaften auf einer Basis aus Okkultismus und Wahn, deren typische Elemente zwar aufgegriffen, aber fast alle halbgar wieder fallengelassen werden. Das Fragmentarische, der Verzicht auf zeitliche und inhaltliche Logik, sorgt dabei für ein Gefühl des Verlorenseins, ein Gefühl von Gefangenschaft und Auslieferung. Fulci reicht seinen Zuschauern nicht einmal den kleinen Finger, geschweige denn seine komplette Hand. Es gibt keinen Strohhalm, an den man sich klammern kann. Die einzige Alternative besteht darin, den Horror über sich ergehen zu lassen. Und der ist gerade deshalb so effektiv, weil sich Fulci wie kaum ein anderer darauf versteht mit einer kongenialen Mischung aus Bild und Ton das Unbewusste im Zuschauer zu adressieren. Mit seinen Bildern schürt er Ängste, von denen wir oftmals selbst noch nichts gewusst haben. So gehen der wirkungsvolle Klangteppich von Fabio Frizzi und die virtuose Kameraarbeit von Sergio Salvati eine beängstigende Symbiose ein und sorgen atmosphärisch für ein weiteres Glanzstück im italienischen Genrekino. Jene legendäre Spinnenszene zählt gemeinsam mit dem nihilistischen Ende des Films zu den ganz großen Höhepunkten in Fulcis Schaffen.

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                                    „I am the last guy in the world that you wanna fuck with.”

                                    Thief ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich. Michael Mann inszeniert dermaßen stilsicher, selbstbewusst und präzise, dass man dem Film seinen Entstehungszeitraum Anfang der 80er ebenso wenig abkauft, wie seine Existenz als Regiedebüt. Gewissermaßen ist der Film also wegweisend für die spätere Karriere seines Regisseurs, der sowohl thematisch, als auch stilistisch immer wieder zu seinen Anfängen zurückkehren sollte. Zurück zu Einzelgänger und Dieben, Auftragsmördern und undurchsichtigen Polizisten. Zurück in die Dunkelheit, jene rauen Grau- und Schwarztöne, die von einer Farbpalette aus blinkenden Lichtern, gedämpften Flimmern und grellen Explosionen erweitert werden. Dazu ein sattes rot, die Farbe des Blutes, dass in Thief zwar erst reichlich spät, dafür aber umso wirkungsvoller vergossen wird. Brachial und ungeschönt, wie von Mann gewohnt zeigen Treffer auch ihre Wirkung. Doch ist Thief eben nicht nur ein sensorisches, ein stilistisches Highlight, sondern auch auf inhaltlicher Ebene überraschend reif und tiefgründig (obwohl diese Ebenen bei Mann ohnehin stets Hand in Hand greifen). Der von James Caan eindrucksvoll verkörperter Titelheld ist gefangen in einer (klein)kriminellen Welt aus Gewalt und Diebstahl. Weder kann, noch will er daraus fliehen, denn sie ist alles was er kennt und beinhaltet alles was er kann. Und dennoch wird sie dem Mann mit der harten Schale und dem weichen Kern zum Verhängnis, seine Sehnsucht nach Familie und Geborgenheit hat ihren Preis. Denn wie der deutsche Zusatztitel bereits verrät, ist jene Glückseligkeit nicht von Dauer…letztendlich geht sie in den Flammen unter.

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                                    • 6
                                      über Dunkirk

                                      Ist Dunkirk ein typischer Film von Christopher Nolan? Ja und nein…noch mehr als all seine Vorgänger gleicht er einer Maschine. Ein Ticken auf der Tonspur erinnert allgegenwärtig an diesen Umstand. Dunkirk gleicht einem Uhrwerk, das in perfekter Logik und abseits jeder Menschlichkeit vor sich hin läuft. Sekunde um Sekunde, Minute um Minute und Stunde um Stunde. Dieser Umstand eint beinahe alle Filme des beliebten Regisseurs, woran es Dunkirk jedoch mangelt ist jene erzählerische Ebene, die Nolans andere Werke zwar nicht zu komplexen Filmen, aber doch zu filmischen Rätseln macht. Trotz seiner technischen Perfektion war er in erster Linie schon immer ein Geschichtenerzähler. Der Inhalt stand stets über der Form, nutzte er diese doch in erster Linie dazu, seine Geschichten möglichst eindrucksvoll zu transportieren. Zwar bedient er sich auch hier eines erzählerischen Tricks, einer Aufteilung in drei Ebenen, die jeweils eine Woche, einen Tag und eine Stunde an der schicksalshaften Küste von Dünnkirchen einfangen und sich deswegen auch immer wieder überschneiden. Jedoch ist dieser Ansatz in aller erster Linie ein reines Gimmick, nahezu wirkungslos und auf jeden Fall unnötig. Dennoch ein Film, der eindrucksvoll deutlich macht, zu welch audiovisuellen Bombast Nolan im Speziellen und das Kino als Vorführort im Allgemeinen fähig ist. Leider jedoch auch ein Film, der schmerzlich vor Augen führt, wo Nolan an seine eigenen Grenzen stößt. Wenn es seinen Filmen an etwas mangelt, dann ist es Gefühl. Auch Dunkirk ist dermaßen mechanisch, dass Emotionen im Keim erstickt werden und auch wenn sein Konzept der möglichst realistischen Darstellung für Immersion sorgen soll, bleibt diese aus. Dunkirk ist somit auch ein Statement, eine klare Aussage. Film als Erlebnis, welches man in dieser Form eben nur auf der großen Leinwand erfahren kann. Überwältigungskino, das durch seine bombastische Inszenierung auf keinem heimischen Bildschirm auch nur annähernd so viel Wirkung erzielen könnte, wie er es im Lichtspielhaus tut. Und Christopher Nolan? Der sieht sich selbst als Wegbereiter, als Pionier und Freidenker – wenn er sich da nicht etwas zu viel vorgenommen hat…

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                                        „Long live the New Flesh!”

                                        Wie ein Schlachtruf schallt die Aussage durch den Film. Aufrührerisch, provokant, mysteriös und vor allem prägnant. In gewisser Weiße symptomatisch für einen Regisseur, auf dessen Filme diese Worte wie maßgeschneidert zu sein scheinen. David Cronenberg hat es in der allgemeinen Wahrnehmung nie zu flächendeckendem Ruhm gebracht. Wie sollte er auch - bei der Art von Filmen, die er dreht? So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch Videodrome an den Kinokassen alles andere als ein Erfolg war. Ein Film, der seiner Zeit voraus war – und das, obwohl er seine Zeit reflektiert. Verschlüsselte Sender, Videokassetten, Sex und Gewalt. Auf rein inhaltlicher Ebene scheint Videodrome mittlerweile natürlich veraltet, doch was darunter im Dunkeln schlummert und wuchert ist heute aktueller denn je. Denn es geht gleichsam um Obsession und Wahn, um Fantasie, Wirklichkeit und die verschwommene Grenze dazwischen, um Bodyhorror und Sozialkritik. Alles ist konfus und doch verständlich, geschmacklos und trotzdem überaus stilsicher. Cronenberg entfernt sich weit genug von einem gängigen Narrativ, um durchgehend zu faszinieren und bleibt doch immer auf Tuchfühlung, um seine Zuschauer in einem Strudel aus Perversion, Voyeurismus und Gewalt nicht zu verlieren. Wir konsumieren ohne Unterlass - tagein, tagaus. Aber was löst dieser Konsum in uns aus? Im heutigen Medienzeitalter stehen die Türen offen, alles scheint möglich, denn letztlich stellt Cronenberg auch die Frage, wann der Voyeur zum Täter wird. Ein zeitloser Film, ein Meisterwerk.

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                                          [...] Bei Jacques Becker indes gibt es keine sadistischen Wärter, kein knastinternes Gesellschaftssystem und auch keine Gefühlsduselei. Das Leben im Gefängnis wird als genau das dargestellt, was es ist. Ein von Monotonie und Hoffnungslosigkeit durchsetzter Alltag, in dem Zucht und Ordnung dominieren und jedweder Ungehorsam umgehend mit dem entsprechenden Preis bezahlt werden muss. Von diesem Leben gibt es jedoch reichlich wenig zu sehen, Das Loch spielt fast ausschließlich in der Zelle von fünf Leidensgenossen, welche sich gemeinsam einen Weg in die Freiheit erkämpfen wollen. Beckers Fokus liegt dabei zweifelsohne auf Details, auf Kleinigkeiten, die gemeinsam ein größeres Bild ergeben. Sein wichtigstes Instrument zum Spannungsaufbau ist dabei der Realismus. Bis zum Abspann wird auf Filmmusik verzichtet, zahlreiche Einstellungen werden minutenlang ohne Schnitt gehalten und auch der Einsatz von Laiendarstellern sorgt für den nötigen Grad an Glaubhaftigkeit. Seine Zuschauer erreicht der Film dabei auf dem kleinsten Nenner, mit einfachen Gefühlen, die jeder nachvollziehen kann. Die Angst erwischt zu werden, der Druck, möglichst leise zu sein und unerkannt zu bleiben. Nur koppelt Becker diese grundlegenden Emotionen an deutlich schwerwiegendere Folgen und dementsprechend komplex werden auch die Beziehungen unter den angeblichen Freunden. Letztlich traut jeder dem anderen eben nur so weit, wie er selbst den größten Nutzen daraus schlagen kann. [...]

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                                            Der harte Umgang und die Indizierung vieler seiner Filme ist schon Beweis genug, dass Lucio Fulci von einem Großteil der Filmliebhaber oftmals falsch verstanden wird. Zugegeben, seine Werke sind schmuddelig, ranzig, räudig und irgendwie auch billig – und trotz alledem oder vielleicht gerade deswegen ganz große Filmkunst. Das Filmische, die Symbiose aus Bild und Ton, führt er in suggestiven Wirkung auf ihren Ursprung zurück, ebenso wie er es mit dem Mythos der Untoten tut. Mit George A. Romeros stilprägenden Klassiker Zombie hat das Werk deshalb reichlich wenig zu tun, obwohl es zu seiner Zeit als dessen Fortsetzung vermarktet wurde. Statt Gesellschafts- und Kapitalismuskritik geht es um eine Seuche, hervorgerufen vom Voodoo Zauber der Ureinwohner. Ohnehin lautet die Frage bei Fulci nicht was, sondern wie. Und die Antwortet darauf unnachahmlich, eigensinnig, grandios und überaus wirkungsvoll. Welcher Regisseur lässt sonst die beliebten Untoten über eine sonnendurchflutete Südseeinsel laufen, ja sogar einen Unterwasserfaustkampf mit einem Hai austragen? Angetrieben von Fabio Frizzis waberndem Score fängt die Kamera all jene beklemmenden, erschreckenden und oftmals brachial abstoßenden Momente auf eine Art und Weiße ein, die uns Zuschauern die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Inhaltlich alles andere als kohärent, vielleicht könnte man es post-narrativ nennen, setzt Fulci in erster Linie auf Atmosphäre um seine untote Grauensvision ins Unterbewusstsein seiner Zuschauer zu brennen. Ein großes Highlight des (italienischen) Genrekinos.

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                                            • 9

                                              Selten war Ingmar Bergman präziser im Sezieren von Gefühlswelten, selten hat er sich tiefer in die dunklen Abgründe der menschlichen Seele getraut, selten war das Ergebnis dabei von ähnlicher Perfektion. Herbstsonate ist keinesfalls die abschließende Aufarbeitung einer dysfunktionalen Mutter-Tochter-Beziehung, sondern vielmehr die Bestandsaufnahme einer offenliegenden Wunde. Aus gewisser Distanz sicherlich heilend, doch auf den ersten Blick schlichtweg schmerzlich. Dabei braucht der schwedische Meister wenig, um die volle Wirkung seines Films zu entfalten. Im Grunde kommt das kammerspielartig angelegte Werk mit einem Schauplatz und zwei Darstellerin aus, Liv Ullmann und Ingrid Bergman, denen Bergman alle Facetten ihrer darstellerischen Palette abverlangt. Das Ergebnis ist eine Wucht, emotional wie intellektuell ein ebenso niederschmetternd wie belohnendes Werk, welches seinem Zuschauer einiges abverlangt. Ungewohnt, aber wirkungsvoll, ist die Flut an Dialogen, die gemeinsam mit der Bildebene von den vielschichtigen Gefühlen der Frauen berichtet. Enttäuschte Erwartungen, verdrängter Schmerz, nicht enden wollende Trauer. Herbstsonate wird primär von tragischen Tönen dominiert, umso kräftiger wirken jedoch jene Momente kurz aufkeimender Hoffnung, die den Film vor der totalen Tristesse bewahren. Wenn das Psychogramm über Schuld und Verantwortung Platz macht für die kleinen Gesten von Annäherung und Zuneigung (egal wie klein diese auch sein mögen), dann wird einmal mehr klar, dass Bergman kein psychologischer Pathologe, sondern vielmehr ein Humanist ist.

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                                              • 5

                                                [...] Somit ist das Werk von Nicole Garcia auch nur ein weiteres Gesicht in der sehr breiten Masse an Filmen, in denen die Gefühle einer Frau in einer nicht gewollten Beziehung erstickt werden und diese sich nach Freiheit und wahrer Liebe sehnt. Diese Gefühlswelt bleibt zwar immer klar verständlich, aber allen Bemühungen von Marion Cotillard zum Trotz, nie emotional greifbar. Einen wirklichen Zugang zum Geschehen findet man nicht, dafür ist Die Frau im Mond – Erinnerungen an die Liebe viel zu sehr in sich selbst geschlossen, gerade so als würde man in eine Schneekugel blicken. Seinen ausgelutschten Motiven weiß der Film nur wenig hinzuzufügen und so fehlt es an Eigenheiten und Höhepunkten, um ihn nach der Sichtung nicht sofort wieder zu vergessen. [...]

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                                                • 6

                                                  Edgar Wrights neues Hochgeschwindigkeitsvehikel geht mit enormen Vorschusslorbeeren an den Start und lässt große Teile seines Potentials auf der Zielgeraden liegen. Aber der Reihe nach, vor allem in der ersten halben Stunde ist Baby Driver grandios, weil Wright seinem eigenen Konzept, haargenau zum Takt der eingespielten Musik zu inszenieren, völlig treu bleibt und so einen unglaublich dynamischen, energiegeladenen und kurzweiligen Einstieg in seinen Film schafft. Völlig egal, ob es dabei um eine spannende Verfolgungsjagd oder den alltäglichen Besuch im Coffeeshop nebenan geht, das Ergebnis ist das gleiche. Der Auftakt von Baby Driver hat mehr mit einem Musikvideo, als mit einem gewöhnlichen Film gemein – und es ist großartig. Im weiteren Verlauf verliert Wright dieses Konzept jedoch immer weiter aus den Augen. Natürlich kommt es immer wieder zu solchen Momenten, dazwischen gilt es jedoch eine recht generische Heist-Story von A-Z zu ertragen. Dabei wirken die Figuren plump und die sicherlich als pointiert, amüsant und kurzweilig geplanten Dialoge gehen eher in die entgegengesetzte Richtung. Immerhin schafft es Baby Driver mit Hilfe seiner Liebesgeschichte die Kurve zu kratzen. Die ist zwar keinesfalls kreativer gestaltet, funktioniert aber, weil Ansel Elgort und Lily James auf der Leinwand eine tolle Chemie haben – obgleich sich natürlich auch diese Beziehung stark beim Zuschauer anbiedert. Nichtsdestotrotz schafft es Wright im späteren Verlauf nicht einen Abschluss für seinen Film zu finden, und für ein Werk, das eigentlich Style over Substance sein sollte, rückt die Geschichte dabei auch viel zu sehr in den Mittelpunkt.

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                                                  • 9

                                                    [...] Im ausgedehnten Finale des Films findet Antonionis ohnehin makelloses Gespür für Ästhetik ihren Höhepunkt. Eine Villa aus Glas wird zum Brennpunkt der Gefühle, schön und doch so zerbrechlich, eine Party der Abgesang auf ein dekadentes und bedeutungsloses Leben. Die Gäste sind fremd in der Masse, schielen auf Exzess und erzwingen damit eine oberflächliche Glückseligkeit, die deutlich mehr mit Zerstreuung als mit Erfüllung zu tun. Der Raum ist nicht leer, er ist angefüllt mit Leere. Je weiter der Abend voranschreitet, desto deutlicher wird, dass die Gefühle dabei nur stillstehen. Irgendwann ist die Party zu Ende, was bleibt sind Tränen und Einsamkeit. [...]

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