Vitellone - Kommentare

Alle Kommentare von Vitellone

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    Das Heiligtum fernöstlicher Animationskunst wurde im Westen hauptsächlich auf zwei tragenden Säulen errichtet. Zum einen Akira, Otomos Cyberpunk-Dystopie und zum anderen Ghost in the Shell, Oshiis philosophisch angehauchte Auseinandersetzung mit zukünftigen Technologien. Beide Werke waren wegweisend, ihre Popularität ist leicht erklärt. Neben einer atmosphärisch dichten und stilistisch prägnanten Zukunftsvision warten beide Animes mit erstaunlich erwachsenen Inhalten auf, was gerade in westlichen Gefilden zur damaligen Zeit ein Novum war. Nicht nur die grafische Darstellung von Gewalt, sondern vor allem die existenzialistischen Themen adressieren gezielt ein älteres Publikum. Mit aufwendig bebilderten und zeitlos gelungenen Animationen schafft es Ghost in the Shell dynamische Action und philosophische Konzepte auf eine Weiße zu vereinen, wie man es meistens nur in Animes erlebt. Gerade durch seine Reduktion aufs Wesentliche vermag es der Filme die entscheidenden Fragen zu stellen, die in einer maschinellen Mischwelt von Belang sind. Was macht einen Menschen aus? Wo verwischen die Grenzen zwischen künstlich und natürlich? Sind Gehirnaktivitäten und Körperfunktionen letztlich nicht auch nur messbare und somit reproduzierbar Daten- und Informationsströme? Wie nebensächlich in einer solchen Welt der Körper, die fleischliche Hülle ist, macht das Finale eindringlich deutlich – ebenso wie die Erkenntnis, dass scheinbare Grenzen irgendwann hinfällig werden. Für die in der Morgendämmerung nahende Hollywoodadaption stehen die Vorzeichen freilich nicht allzu rosig. Verspricht der Trailer zumindest eine stilistisch überzeugende Umsetzung, so lassen der Regisseur und die FSK 12 Freigabe einen generischen Actionblockbuster vermuten, der die philosophisch tiefgehenden Thematiken der Vorlage zugunsten einer unterhaltenden Oberfläche in den Hintergrund verbannt. Hoffen wir mal, dass ich damit Unrecht behalte.

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    • 4

      [...] Mit einer Mischung aus Größenwahn, Wagemut und ehrlicherAnerkennung versammelt Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen ein buntes Potpourri an literarischen Größen, angefangen bei Kapitän Nemo über Dorian Grey bis hin zu James Moriarty. Ausgestattet werden die Figuren dabei mit den rudimentären Charaktermerkmalen ihres jeweiligen Vorbilds, so dass auch Nichtkenner niemals überfordert werden. Überraschenderweise führt das zu einererstaunlich homogenen Gruppierung, obwohl die Wurzeln der Figuren freilich schnell hinter sich gelassen werden. Eine wirklich interessante Auseinandersetzung findet genau so wenig statt, wie man sich auf der anderen Seite plumpe Wortspiele und überflüssige Anspielungen erspart. Trotzdem liegt allein in dieser Versammlung literarischer Helden bereits die größte Stärke des Films, denn ein jeder von ihnen ist größer als dieser bestenfalls mittelmäßigeBlockbuster und birgt dadurch Facetten und Faszinationen, die ein eigens erdachter Charakter in einem solchen Actionvehikel niemals leisten könnte. Warum Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen nichtsdestotrotz ein ärgerlicher Film ist, liegt auf der Hand und ist sicherlich nicht nur dem vergeudeten Potential geschuldet. Obgleich die 90er mit ihren katastrophalen CGI-Effekten bei Drehstart bereits drei Jahre zurücklagen, machen sich die Ausläufer dessen noch immer schmerzlich bemerkbar.In diesem Effektgewitter droht gerade bei längeren und unglaublich repetitiv gestalteten Actionszenen jegliche Orientierung und Anspannung verloren zugehen. Gerade der zu Beginn durchaus funktionale Unterbau einer typischen Weltrettungsmission gerät zusehends ins Schwanken und verschwindet bald komplett. [...]

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      • 7

        Wenn Werner Herzog etwas zu berichten hat, dann ist es stets lohnenswert, zuzuhören. Da stellt auch seine neueste Dokumentation Wovon träumt das Internet? keine Ausnahme dar. In fast schon etwas zu kurz geratenen 98 Minuten gibt der Filmemacher einen umfassenden Einblick in die Welt des Internets und schneidet zugleich verwandte Themenkomplexe wie Künstliche Intelligenz und Robotik an. Dabei ist es wohl am erstaunlichsten, dass Herzog auch für sich selbst das Neuland Internet erobert. Sein Blick gleicht stets dem eines ehrlich interessierten, aber dennoch sehr skeptischen Schülers, der aufgeschlossen, aber nicht zu euphorisch an das breite Themenfeld herantritt. Eingeteilt in diverse Unterkategorien ist es auch Herzogs subtile Manipulation, die ein ums andere Mal zum Tragen kommt und so diktiert er den Film von Beginn an. Wäre das Projekt bei anderen Filmemachern sicherlich zu einem sehr lustlosen Geschichtsbilderbuch verkommen, so kitzelt die eigensinnige Art des erprobten Regisseurs spürbar Potential aus der Thematik. Mit interessanten, exzentrischen und ehrlich offenen Fragen lockt er so manchen Interviewpartner aus der Reserve und beweist auch im Schnittraum ein deutliches Gespür dafür, dass nicht nur verbale Antworten, sondern vor allem Zögern, Schweigen, Gesten und anderweitige Reaktionen von Belang sind. Stellenweise wäre zwar eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem ein oder anderen Thema wünschenswert gewesen, doch letztlich liegt auch im kurzweiligen Anschneiden diverser Aspekte ein Reiz. Typisch Werner eben, denn man fühlt sich bereits gut aufgehoben, wenn zu Beginn seine markante Stimme aus dem Off ertönt und uns behutsam in die Thematik einführt.

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        • 5

          [...] Im Grunde könnte man Tanna kurzerhand als Romeo und Julia im Dschungel bezeichnen. Recht viel mehr bräuchte man eigentlich gar nicht zu sagen, was gleichermaßen für wie auch gegen den Film spricht. In dieser Verlagerung liegt durchaus ein Reiz, auch wenn die Handlung selbst natürlich reichlich abgestanden schmeckt. Wie einfach sich Shakespeares Geschichte indes auf einen völlig fremden Kulturkreis übertragen lässt, ist erstaunlich, spricht jedoch eher für die Vorlage und weniger für Tanna. Eigene Impulse, die über den sehr rudimentären Einblick in die Sitten der Ureinwohner hinausgeht, sucht man vergebens und so ist der Film letztlich vor allem eines, nämlich reichlich egal. [...]

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          • 7

            [...] Seine Wurzeln kann und will Gilliam dennoch nie verbergen. Obwohl König der Fischer im Grunde ein eher tragischer Film ist, kommt der abgedrehte Humor des Regisseurs immer wieder zur Geltung. Schließlich wäre es auch verschenktes Potential Robin Williams (Good Will Hunting) in die Rolle eines egozentrischen Karrieremenschen zu stecken. Nein, diese Position wird dann doch besser von Jeff Bridges (The Big Lebowski) bekleidet, während Williams den psychisch verwirrten Straßenpenner gibt. Durch eine unglückliche Fügung des Schicksals werden die beiden miteinander verbunden, müssen sich zunächst akzeptieren und dann lieben lernen. Wirklich köstlich sind deswegen vor allem jene Szenen, die vollends von dem ungleichen Duo ausgefüllt werden und zwischen wahnwitziger Komik und tragischer Offenheit schwanken. Dabei mutet das Konzept des ungleichen Paars zunächst wie ein recht abgestandenes Mittel zum Zweck an, dem sich im Laufe der Jahre vor allem mittelmäßige Komödien bedient haben. Terry Gilliam verwandelt es hingegen in eine herzerwärmende Geschichte über Freundschaft und Vergebung, gebündelt unter dem omnipräsenten Motiv der Gralssuche. So versteht sich König der Fischer eben auch als Aufruf zur Nächstenliebe und als klares Statement gegen Vorurteile. [...]

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            • 8

              Ein Jahr nach dem „Erfolg“ des andalusischen Hundes taten sich Luis Bunuel und Salvador Dali ein weiteres Mal zusammen, um am Drehbuch eines neuen Films zu schreiben. War ihre erste Zusammenarbeit noch von erstaunlichem Einklang und geistiger Konvergenz geprägt, so wollte bei Das goldene Zeitalter keine Übereinstimmung entstehen. Später schrieb Bunuel, dass er zumindest eine Idee Dalis aufnahm, was in der Folge jedoch auch bedeutet, dass man diesen Film fast ausschließlich Bunuel und weniger Dali zuschreiben sollte. Das goldene Zeitalter ist in vielerlei Hinsicht die Konsequenz aus seinem Vorgänger und führte deswegen auch zu einem größeren Skandal. Über 50 Jahre war der Film verboten, weil er Religion und Gesellschaft der lächerlich preisgab und ihre Institutionen dadurch zutiefst brüskierte. Darin spiegelt sich bereits ein zentraler Aspekt Bunuels kompletter Filmografie wieder. Das goldene Zeitalter erweckt abermals die Essenz der surrealistischen Gedanken zum Leben, indem er leidenschaftliche Liebe in einem Rausch aus Bildern greifbar macht. Sexuelle Leidenschaft und Tod entwickeln sich zu den zentralen Eckpunkten der Geschichte, die in der rauschhaften Struktur zwar immer gegenwärtig, aber nur schwer greifbar sind. Auch dieses Werk ist ein sinnlicher Genuss, der sich nur zu gerne einer eindeutigen Interpretation entzieht und letztlich auf einen Skandal hinarbeitet. Obgleich merklich direkter und durchaus an Kritik interessiert, bannt auch dieser Film irrationale Bilder auf die Leinwand, die ihre Wirkung beim Sehen vollends entfalten können.

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              • 7

                [...] Paul Verhoevens Konzept von Subversion hat durchaus Verstand. Im Vordergrund steht bei ihm stets der Exzess, die Reizüberflutung und das Übertriebene. Seine kritischen Werke zeichnen sich weniger durch Kritik im klassischen Sinne, sondern vielmehr durch Affirmation aus. Wie etwa in Starship Troopers, in dem Militarismus dermaßen überspitzt gefeiert wird, dass er zusehends ins Groteske abdriftet. Auch Basic Instinct arbeitet auf ähnliche Art und Weise, auch dieser Film verweigert sich einem moralischen Regelwerk. Verhoeven gibt uns Schauwerte an die Hand, doch gilt es weniger sich an diesen zu ergötzen, sondern vielmehr darüber zu reflektieren. [...] Zunächst ist es jedoch Verhoevens Annäherung ans Sujet, die für Begeisterung sorgt. Es geht um Leidenschaft und Verführung, um glanzvolle Fassaden, dunkle Abgründe und nicht zuletzt fleischliches Begehren. Dementsprechend bringt der Film formal von Beginn an etwas Anrüchiges, Verwegenes und Unmoralisches zum Ausdruck. Basic Instinct lässt sich komplett in die Wogen seiner Geschichte fallen und schafft es dadurch seinen Inhalt als glaubhaft zu verkaufen. Besonders beachtlich sind dabei die erotischen Spannungen, die vom Bildmaterial ausgehen. Und wir sprechen nicht vom plumpen Abfilmen reizvoller Körperteile, sondern von der durch und durch knisternden Chemie zwischen Sharon Stone (Casino) und Michael Douglas (Wall Street). [...]

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                • 8

                  Ein andalusischer Hund ist zwar nicht die Geburtsstunde des surrealen Kinos und doch war er der erste Film, der die Essenz der Bewegung vollends auf die Leinwand bannen konnte. Luis Bunuels und Salvador Dalis Eintrittsticket in die Surrealisten-Gruppe um Breton ist ein wegweisender Bestandteil der Filmgeschichte, auch wenn beide Künstler es sich damals weder vorstellen konnten, noch gewünscht haben. In den Wochen nach seiner Uraufführung lies Bunuel sogar verlauten, dass der Film ein Aufruf zum Mord sei. Das war zwar keinesfalls seine wirkliche Absicht, aber verstärkte dennoch den Skandal um den Film, der zwar kontrovers aufgenommen wurde, aber aus Sicht der Surrealisten dennoch ein Stück zu populär war. Schließlich ging es bei der Bewegung immer um Provokation, man wollte nicht gemocht werden, denn das stand den eigentlichen Absichten im Weg. Dass fast alle Mitglieder der Surrealisten-Gruppe auf ihrem jeweiligen Gebiet zu den großen Künstlern des 20. Jahrhunderts gezählt werden ist eine amüsante Fügung des Schicksals, welche auch zur eigenen Erkenntnis führte, dass ihre Gruppierung letztlich gescheitert ist. Beim andalusischen Hund jedenfalls stand ein Gedanke im Vordergrund, nämlich „keine Idee, kein Bild zuzulassen, zu dem es eine rationale, psychologische oder kulturelle Erklärung gäbe; die Tore des Irrationalen weit zu öffnen; nur Bilder zuzulassen, die sich aufdrängten, ohne in Erfahrung bringen zu wollen, warum.“ Getreu Dalis und Bunuels Leitsatz funktioniert auch der Genuss des Films. Es ist natürlich nicht verboten den Bildern trotzdem eine Bedeutung zuzumessen und gerade die Analyse des Unterbewussten kann zu interessanten Erkenntnissen führen. Das reine Sehen, Film als sinnliche Erfahrung, tut Ein andalusischer Hund letztlich jedoch doch am besten.

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                  • Wenigstens hat sich das Wachbleiben dadurch doch noch gelohnt...

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                            • Hacksaw Ridge! Habe aus Vaterlandsstolz mein T-shirt zerrissen!

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                              • Wenn jetzt in den wichtigen Kategorien auch noch Überraschungen kommen, dann wirds interessant

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                                        • Moonlight und Hidden Figures, einer der beiden Filme ist tatsächlich wichtig

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                                                Von Beginn an arbeitet Lion gewissenhaft daran, jeden Punkt der Oscarcheckliste mit größter Sorgfalt abzuhaken. Aufdringliche Musik? Check. Übertriebene Schauspielleistungen? Check. Manipulative Gefühlsduselei? Check. Problemlos könnte man die Aufzählung noch eine Zeit lang fortsetzen, doch wer in seinem Leben schon ein paar Filme gesehen hat, der weiß worauf es letztlich hinausläuft. Lion ist ein Film der billig erkauften Emotionen, nie ernsthaft an seinen Figuren oder einem tiefergehenden Diskurs interessiert und doch unglaublich heuchlerisch im Vortrag. Die Geschichte eines verlorengegangenen Jungen wird zu Gunsten einer Handvoll plakativer Momente ausgeschlachtet und mit jeder Menge Wohlfühlesoterik wieder zugekleistert. Echte Gefühle werden dabei schon im Ansatz vom omnipräsenten Klaviergeklimper und der aufdringlichen Kameraarbeit erstickt. Noch plumper ginge es nur, wenn auf der Leinwand plötzlich eine Texttafel mit Jetzt bitte Weinen eingeblendet werden würde. An den Stellen wo tatsächlich ein interessanter Diskurs über Zugehörigkeit, Heimatgefühl und die eigenen Wurzeln entstehen könnte, zeigt man dann doch lieber einen niedergeschlagenen Dev Patel, der im Sonnenuntergang ein Bier trinkt oder eine weinende Nicole Kidman, die ihr Leid dem Zuschauer entgegenwirft. Am Ende von Lion steht dann ein Spendenaufruf für bedürftige Kinder in Indien, untermalt von Sias neuestem Pophit. Eigentlich ist damit bereits alles gesagt, was es über den Film zu sagen gibt.

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                                                    [...] Zunächst stechen aber die eindrucksvoll gezeichneten Bilder ins Auge. Für einen Animationsfilm, noch dazu einen, der ohne Dialog auskommt, ist die Frage des Zeichenstils natürlich essentiell und auch wenn die Bewertung davon immer mit persönlichen Vorlieben zusammenhängt, so kann man zumindest anmerken, dass er hier sehr passend ist und mit dem Inhalt des Films harmoniert. Gerade dieser Einklang wirkt sich auf die gemächliche Stimmung des Films aus und erzeugt eine durchaus mitreißende Sogwirkung. Problematischer hingegen ist die Handlung selbst. Denn obgleich die simplifizierte Darstellung durchaus ein Konzept des Films selbst ist, so erscheint der Plot dennoch ein Stück zu simpel und rudimentär. Vor allem eine tiefergehende Ebene, eine Botschaft über die sehr einfach gestrickte Geschichte hinaus, fehlt augenscheinlich vollends und so berührt der Film final nur sehr oberflächlich. [...]

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