00101001100 - Kommentare

Alle Kommentare von 00101001100

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    Mahlerisch!

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      Hitchcock, Dali und Psychoanalyse - eine traumartige Kombination.

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        00101001100 01.12.2020, 01:12 Geändert 01.12.2020, 01:12

        Die Geschichte von "Barry Lyndon" hätte wahrscheinlich auch irgendwie in 90 Minuten erzählt werden können. Die Tatsache, dass sie stattdessen in drei Stunden pures Kino übersetzt wurde, hat meine generelle Sicht auf diese audiovisuelle Kunstform für immer verändert. Es hat mir aufgezeigt, dass Film viel mehr als nur ein Erzählmedium ist. Film ist ein mächtiges Instrument, mit dem sich Atmosphäre, bildlicher Exzess und tiefere Bedeutung auf einzigartige Weise verknüpfen lassen. In diesem bestimmten Fall hat es mir die Augen dafür geöffnet, dass das Leben etwas ist, was sich immer durchsetzt. Es kann vielleicht für kurze Zeit getäuscht werden, aber nie dauerhaft. Dabei obsiegt das Leben stets voller Schönheit und Grässlichkeit, Freude und Verzweiflung, Wunder und Schrecken - und sollte für all diese Extreme geschätzt werden.

        "Barry Lyndon" vermittelt all dies und noch so viel mehr über einen reichen Überfluß an Kostümen und Kulissen, zeitweise überbordendes Schauspiel, gemäldegleiche Bildkompositionen, zirkulierende Musikstrukturen, filigrane Lichtsetzung und eine obsessiv-präzise Inszenierung. Dieser Film ist so historisch akkurat wie zeitlos, ein Kunstwerk, welches mich mit jeder erneuten Sichtung wieder und wieder überwältigen wird.

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          00101001100 21.08.2020, 18:15 Geändert 21.08.2020, 19:16
          über Waves

          "Waves" ist keinesfalls ohne Ecken und Kanten. So braucht die erste Hälfte des Films beispielsweise eine Weile, um wirklich zu funktionieren. In einzelnen Momenten wirkt die Inszenierung zu stylisiert und droht unter der gewaltigen Macht des pulsierenden Soundtracks und den überästhetischen Aufnahmen zu einem Musikvideo zu verkommen. Zudem wirken bestimmte narrative Entwicklungen wie erzwungene dramatische Mittel, nur um die benötigte Fallhöhe für nachfolgende Szenen zu erzeugen, ohne danach konsequent auserzählt zu werden. Sobald das Ganze aber erst einmal eine Eigendynamik bekommt und in die richtigen Bahnen gelangt ist, ist dieses Drama beeindruckend, emotional einnehmend, radikal ehrlich - und einfach nur handwerklich verdammt gut gemacht.

          Vor allem die zweite Hälfte von "Waves", welche soetwas wie einen radikalen Kontrapunkt zum ersten Teil gibt, rundet dieses Werk ab. Dazu muss gesagt werden, dass dieser zweite Teil nur in Zusammenspiel und Gegenüberstellung mit dem vorangegangenen funktionieren kann. Nichtsdestotrotz schöpft der Film erst hier sein volles Potenzial aus, indem er eine überraschende Kehrtwende macht und plötzlich all das in den Fokus rückt, was zuvor noch in erdrückender Energie verloren zu gehen drohte. Hier werden die leisen und zutiefst menschlichen Töne angeschlagen, welche die titelgebenden Wellen überhaupt erst auslösen, nur um dann selbst in ihnen unterzugehen.

          Die schauspielerischen Leistungen, vor allem der zentralen Darsteller*innen, sind durch die Bank hinweg toll und geben den Figuren Glaubwürdigkeit und Tiefe. Durch die eindrucksvolle Kameraarbeit und den zeitlich losgelösten, geradezu schwebenden Inszenierungsstil bieten sich Vergleiche mit den (besseren) Werken von Terrence Malick und Alfonso Cuarón an. Dennoch entwickelt Trey Edward Shults, bei allen möglichen Anlehnungen in seiner Regiearbeit, eine ganz eigene Filmsprache - eine, die in ihren besten Moment nachhaltig zu fesseln vermag.

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            Dieser wundervolle Film beweist, dass Erwachsene keinen blassen Schimmer davon haben, worum es im Leben wirklich geht.

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              00101001100 17.07.2020, 08:53 Geändert 17.07.2020, 09:00

              Auf den ersten Blick scheint "Und das Leben geht weiter" nicht viel herzugeben. So wirkt die Geschichte unfertig und elliptisch, wir werden ohne richtigen Anfang hinein geworfen und auch nicht zu einem klaren Ende geführt. Ebenso bleibt die Hauptfigur, ein Filmemacher mittleren Alters, welcher mit seinem jungen Sohn unterwegs ist, ohne spürbare Entwicklung und scheint stets auf emotionaler Distanz zu bleiben - hier handelt es sich also keinesfalls um eine Heldenreise, aus der jemand geläutert und erfahren zurückkehrt. Dafür funktioniert "Und das Leben geht weiter" umso stärker als eine symbolische Parabel und als solche hat der Film mich auch nachhaltig beeindruckt und beschäftigt.

              Ein offensichtlich gut situierter Großstädter aus Teheran reist Anfang der 1990er Jahre gemeinsam mit seinem Sohn und per Auto in den iranischen Norden, nachdem dort kurz zuvor ein verheerendes Erdbeben passiert war. Er hat das kleine, abgelegene Dorf Koker zum Ziel, in dem er Jahre zuvor zusammen mit einem Teil der Bevölkerung einen Film gedreht hatte und sich nun scheinbar nach deren Befinden erkundigen möchte. Bereits auf dem Weg nach Koker, welcher durch die Umstände und zerstörte Straßen und Wege recht beschwerlich ist, treffen Varer und Sohn auf große Zerstörung, Chaos, Leid und hektischen Wiederaufbau. Zwar tritt der Filmemacher dabei wiederholt in den Dialog mit den Menschen, auf die sie stoßen, gefühlt bleibt er jedoch emotional unberührt und scheint stets nur das Ziel der Reise im Hinterkopf zu haben. Er fragt sie zwar oberflächlich nach ihrem Schicksal, aber sein eigentliches Interesse gilt dem Erreichen von Koker.

              In seiner Art wirkt der Protagonist dadurch wenig sympathisch und in den schlimmsten Momenten sogar hochnäsig, selbst dann, wenn er selten mal seine Hilfe anbietet. Er erscheint wie ein störender Fremdkörper in einer Umgebung, welche alles andere gebrauchen könnte, außer gerade ihn. Aber gerade dadurch wird er zum Vehikel dieser parabelgleichen Erzählung. Im Kontrast mit seiner ignoranten Art wirkt alles drumherum so lebendig, authentisch und greifbar. Abbas Kiarostami schafft es, auf semi-dokumentarische Weise und mit starken Bildern großes Leid, Verlust und Elend zu zeigen, ohne den betroffenen Menschen dabei ihre Würde zu nehmen. Ganz im Gegenteil, denn wie der Titel es schon verrät, wird hier gezeigt, wie diese wahnsinnigen Rückschläge überwunden werden und sowohl Mensch, als auch Natur sich ihren weiteren Weg bahnen. Kiarostami bedient sich dafür seinem altbewährten Mittel des Roadmovie: Er lässt seine Hauptfiguren zunächst hauptsächlich aus dem Auto heraus agieren und auch später bleiben sie überwiegend in dessen Nähe - stets darauf bedacht, die Reise fortzusetzen.

              Faszinierend ist bei all dem auch die Figur des Sohnes, welcher sich nach und nach als eigentlicher Protagonist von "Und das Leben geht weiter" entpuppt. Im Gegensatz zu seinem Vater scheint er mit aufrichtiger Neugier an allem interessiert, was ihn umgibt und so tritt er dementsprechend aufrichtig mit den Menschen in Kontakt. Bezeichnenderweise löst er sich über den Verlauf der Reise hinweg immer weiter von seinem Vater und taucht irgendwann ganz in die Wirklichkeit ein, während der Filmemacher diesen Schritt nie geht und ungeachtet seinen Weg fortsetzt - als wäre dies sein Schicksal. Und auch wir überlassen den Filmemacher am Ende des Filmes auf ähnliche Weise seiner Suche, um selbst wieder in die Realität einzutauchen und dabei das Gesehene nachwirken zu lassen.

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                00101001100 26.06.2020, 08:46 Geändert 31.08.2020, 02:01
                über Ava

                Es gibt noch wildes und ungezähmtes Filmemachen in unserer Zeit! Wer in "Ava" ein klassisches Coming of Age-Drama vermutet, wird höchstwahrscheinlich völlig überfordert sein. So ist der Film von Beginn an sinnlich, instinktiv, sperrig, lustig, gefühlvoll, widerspenstig, explizit, unvorhersehbar und sogar verstörend zugleich. Er ist sowohl eine Erzählung vom lebensverändernden Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter durch die erste große Liebe, als auch eine so grausam ehrliche wie erfinderische Darstellung davon, wie es sich wohl anfühlen muss, bereits im jungen Alter bei vollem Bewusstsein das Augenlicht zu verlieren.

                Für den Großteil seiner Laufzeit ist "Ava" toll inszeniert, gefilmt und montiert und setzt zudem noch fantastische Filmmusik ein. Die einzige leichte Enttäuschung sind, zumindest für mich, ein paar Szenen gegen Ende des Films. Vor allem die Sequenz mit dem Raubzug hätte großartig sein können, geriet jedoch leider eher unaufregend und fade. Allerdings muss man sich dabei schon fragen, welcher andere Coming of Age-Film überhaupt je derartige Dinge versucht. Und in welchen anderen Coming of Age-Filmen, mal ganz abgesehen von der "Herr der Ringe"-Trilogie, spielen bitteschön Nazgul eine Rolle?!

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                  00101001100 19.06.2020, 02:18 Geändert 19.06.2020, 07:53

                  Auf dem Papier könnte ein drei Stunden langer Dokumentarfilm über die New York Public Library ausufernd und dröge wirken. Und obwohl "Ex Libris" tatsächlich mehr Aufmerksamkeit und Geduld einfordert, als es wohl ein herkömmlicher Dokumentarfilm würde, strahlt dieser Film im Gegenzug so viel Leben, Kultur und Begeisterung aus, wenn man sich darauf einlässt. Frederick Wiseman besitzt ein genaues Auge für die wahre Bedeutung der Institution 'Bibliothek' in der heutigen Zeit: ein liberaler Ort, an dem zumindest im Idealfall jeder Mensch die gleichen Rechte und Chancen erhält, um auf eigene Weise die Welt kennenzulernen. Hier können mithilfe von Büchern, Filmen, Kunst und einer Fülle anderer Hilfsmittel nahezu unzählige Möglichkeiten erkundet und ausgeschöpft werden. Darüber hinaus kann eine Bibliothek ein sozialer Treffpunkt, ein Rückzugsort oder ein Schlafplatz sein. Wiseman zeigt uns all diese Aspekte und noch viele mehr ohne dabei jemals auf verbale Kommentare zurückgreifen zu müssen - und das Resultat ist schlichtweg wunderbar.

                  So ist "Ex Libris" ein Lobgesang auf eine Institution und all die Leute, ohne deren harter Arbeit diese gar nicht bestehen könnte. Zudem ist dieser Dokumentarfilm eine Ode an die menschliche Gemeinschaft, wenn er mit uns zusammen die facettenreichen, kreativen und wissbegierigen Weisen erkundet, in denen Menschen sich Bibliotheken zu nutze machen. Der Film wirkt gar selbst unstillbar neugierig, wenn er immer wieder aufs Neue in Präsentationen, Konzerte, Aufführungen, Gesprächsrunden und Diskussionen eintaucht - stets gerade lang genug, um ein Gefühl von Faszination und Entdeckungsdrang für jede dieser Angelegenheiten zu wecken. Er berührt jedoch auch verschiedenste Komplikationen, mit denen eine öffentliche Bibliothek im modernen Amerika zu kämpfen hat. Es sind endlose Gespräche über die niemals ausreichenden Gelder zu sehen, genauso wie Diskussionen über Voreingenommenheit und Ungerechtigkeit. Nach und nach legt "Ex Libris" bloß, dass auch (oder besser: gerade) eine öffentliche Bibliothek in den USA abhängig ist von politischen Machtspielen und reichen weißen Geldgeber*innen, was in einem Hang zu arrogant-intellektueller Kultur, Ausgrenzung und Diskriminierung resultiert. Nichtsdestotrotz betont Frederick Wiseman mit seinem Film letztendlich immer die Wege, auf denen es Bibliotheken schaffen, diese Befangenheiten zu unterwandern und dadurch eine der letzten wahrhaftig demokratischen Institutionen zu bleiben.

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                  • 00101001100 18.06.2020, 23:22 Geändert 18.06.2020, 23:23

                    Schade, dass dich "Schildkröten können fliegen" scheinbar nicht so ganz überzeugen konnte. Aber abgeschreckt hat er dich ja auch nicht... Vielleicht versuchst du es stattdessen einmal mit "Zeit der trunkenen Pferde"? Für mich der ganz klar ausgereiftere Film und Bahman Ghobadis Meisterwerk.

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                      00101001100 28.05.2020, 16:25 Geändert 28.05.2020, 17:04

                      Nachdem ich ursprünglich erwartet hatte, dass es sich bei "Dark Eden" um eine Doku handelt, welche schlicht einen generellen Einblick in und ein paar Informationen über das Fracking nach Ölsanden im Norden Kanadas gibt, war ich doch sehr erstaunt, wie persönlich und emotional vielschichtig der Dokumentarfilm ist. Interessanterweise kommentiert dies die Filmemacherin Jennifer Schönmann sogar selbst, wenn sie erzählt, dass sie eigentlich "nur" einen Film über die Ölsandgewinnung in Fort McMurray drehen wollte, bis sie ihren zukünftigen Ehemann Michael kennenlernte und sich dort tatsächlich niederließ. Dieser Hintergrund lässt "Dark Eden" um einiges tiefgründiger werden, da Schönmann ihre Protagonist*innen ziemlich genau kennenlernen und ihre jeweiligen Entwicklungen über lange Zeiträume hinweg zeigen kann, anstatt ihnen einfach nur vereinfachte Rollen im Sinne ihrer Haltung zur Ölsandgewinnung zuzuweisen.

                      Dadurch können auch wir als Zuschauer*innen nachvollziehen was es für die portätierten Menschen bedeutet, aus verschiedensten Gründen im kalten Norden Kanadas zu landen und dort auf die Arbeit in der Ölindustrie angewiesen zu sein, obwohl sie fast alle stark davon beeinträchtigt werden. Dementsprechend kann der Dokumentarfilm eine um einiges komplexere und menschlichere Liste an Gründen für und gegen die gezeigten Vorgänge anbieten, als es eine herkömmlichere Doku könnte. Darüber hinaus konnten Jennifer Schönmann und ihr Team über einen ausgedehnten Zeitabschnitt hinweg eine große Menge an eindrucksvollen Aufnahmen sammeln, welche die sonst nur schwer zu glaubenden Geschehnisse in Fort McMurray greifbar machen.

                      Der entscheidende Nachteil an dieser eher persönlichen, individuelleren dokumentarischen Form ist der daraus resultierende Mangel an Objektivität und wissenschaftlichem Einblick in das Thema. Auch wenn immer darüber diskutiert werden könnte (und auch sollte), inwieweit ein Dokumentarfilm überhaupt etwas objektiv abzubilden vermag, hätte ein genereller Überblick der prozessualen Vorgänge in Fort McMurray zur damaligen Zeit womöglich noch mehr belastbare Erkenntnisse gebracht. Nichtsdestotrotz ist "Dark Eden" ein faszinierender und mitunter auch beunruhigender Film, den es zu schauen lohnt.

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                        00101001100 25.05.2020, 08:36 Geändert 25.05.2020, 08:37
                        über Lourdes

                        Dieser Film meistert die schwierige Aufgabe, mit einer minimalistischen Präzision und Skepsis an das schwierige Thema religiösen Glaubens heranzugehen und zugleich ein Gefühl für Wunder und Ehrfurcht aufrecht zu erhalten. Jede Einstellung wirkt technisch sorgfältig geplant und arrangiert, während die gezeigten menschlichen Emotionen so scheinen, als könnten sie jederzeit übersprudeln. Letzterer Aspekt wird vor allem durch das Schauspiel getragen, das wirklich sehr gute Schauspiel, und schafft eine spannende, unvorhersehbare Atmosphäre, welche den ganzen Film durchdringt. Im Zusammenspiel mit der akribischen Montage bildet sich so ein faszinierender Kontrast zu der sonst so ruhigen Erzählung über eine Wallfahrts-Erfahrung heraus. Darüber hinaus schafft es "Lourdes" sogar mit einem trockenen Sinn für Humor zu unterhalten. Auch wenn diese satirischen Anklänge mitunter etwas über die Stränge zu schlagen drohen, lockern sie das Gesamtwerk doch merklich auf.

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                          Für mich ist dies die viel bessere (und auch viel frühere) Version von "The Shawshank Redemption". Der Film albert nicht lange herum, konzentriert sich auf die Aspekte, welche in einem Gefängnis-Ausbruchs-Streifen entscheidend sind, und hat dennoch ein paar emotionale Momente, ohne einen gleich in Schmachtattacken ersticken zu müssen. Letztlich erfrischt "Escape from Alcatraz" auch noch mit einem überraschend offenen Ende.

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                          • Es freut mich sehr, dass du jetzt auch einen Film von Kelly Reichhardt gesehen hast und er dir derart gefallen hat. Mir ging es genauso, "Night Moves" war ebenfalls der erste Film, den ich von ihr gesehen habe und ich wurde genauso kalt erwischt. Dieses Erlebnis hat mich derart beeindruckt, dass ich unbedingt mehr von ihr schauen wollte und bisher wurde ich noch nicht einmal enttäuscht. Neben "Night Moves" hat mich von ihr wohl "Certain Women" noch am meisten begeistert und nachhaltig beschäftigt (siehe meinen Kommentar dazu) - den würde ich dir also auf jeden Fall empfehlen!

                            "Wendy & Lucy", "Old Joy" und auch "Meek's Cutoff" finde ich alle toll, jedoch in dieser Reihenfolge leicht absteigend. Den Neuesten habe ich leider noch nicht sehen können, freue mich aber schon sehr darauf.

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                              00101001100 23.04.2020, 11:57 Geändert 23.04.2020, 12:08

                              Ich habe dieses Buch geliebt, als ich jung war und bin mir ziemlich sicher, dass ich auch diese Verfilmung gemocht hätte, wenn ich sie damals hätte schauen können. Sie behandelt die Vorlage überwiegend mit Liebe und Vorsicht, wodurch sie einiges an magischer Atmosphäre bewahren kann. Ich mag die Besetzung zum großen Teil, vor allem die der Erwachsenen-Rollen, und obwohl der Humor des Films nicht immer funktioniert, so ist er doch wenigstens nicht überbordend eingesetzt. Auch die verwendeten visuellen Effekte funktionieren recht gut, zumindest für einen mittelgroßen deutsch-europäischen Fantasy-Film.

                              Leider rutscht die Verfilmung an einigen Punkten in den Kitsch ab und wirkt dementsprechend mitunter wie eine Schnulze. Dies könnte jedoch lediglich in den Augen eines Erwachsenen relevant sein, junge Zuschauer*innen lassen sich sicherlich nicht so sehr davon stören und können den Film ungehindert genießen.

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                                über Martha

                                Mit "Martha", seinem wohl opulentesten und überbordensten Film, kanalisiert Rainer Werner Fassbinder seine ganz eigene Version einer kubrickianischen Horrorvorstellung, indem er zeigt, wie es wäre mit "Peeping Tom" leben zu müssen und nicht entkommen zu können. "Martha" ist ein Meisterwerk und einer der erschreckendsten Filme aller Zeiten.

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                                  00101001100 23.03.2020, 11:10 Geändert 23.03.2020, 11:12

                                  "Indecent Proposal" ist in allen technischen Belangen gut gemacht und sieht wirklich nicht schlecht aus, selbst die darin schauspielenden Personen leisten ordentliche Arbeit. Nur leidet dieser Film an einigen der schlechtesten Charakterzeichnungen der Filmgeschichte. Die Beweggründe, Emotionen und Handlungen der Hauptfiguren (gespielt von Demi Moore, Woody Harrelson und Robert Redford) ergeben über weite Strecken hinweg einfach keinen Sinn und sind dementsprechend auch nie wirklich nachvollziehbar. Letztendlich machen diese Figuren aber gerade den Kern dieses Films aus - er hat darüber hinaus nichts zu bieten.

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                                    "Kids" trifft auf "Trainspotting" trifft auf "He Got Game" - nur in nicht wirklich ganz so großartig, wenn man alle Dinge berücksichtigt. Einige der Kulissen, Lichteffekte und Schnittentscheidungen wirken eher billig und der gezogene dramatische Bogen kommt insgesamt eher unausgewogen daher. Die besten Aspekte von "The Basketball Diaries" sind (zumindest zeitweise) die Kameraarbeit, welche mit allerlei Tricks experimentiert, das Zeitlupen-Basketballspiel im Drogenrausch unterlegt mit Musik der Doors, sowie tatsächlich Leo, der durchgängig aufs Ganze zu gehen scheint.

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                                      00101001100 18.03.2020, 20:48 Geändert 18.03.2020, 20:54

                                      "Diego Maradona" demonstriert eine fesselnde, gründlich recherchierte und großartig montierte Verwendung von archivarischem Filmmaterial. Es ist wundervoll, diese vielen interessanten Aufnahmen auf sich einwirken zu lassen, welche teilweise mit Audioaufnahmen von Interviews und Originalkommentaren unterlegt sind. Diese Art und Weise die Facetten und Geschichten einer Person der Öffentlichkeit einzufangen, derer sich Asif Kapadia auch schon so erfolgreich bei weiteren Filmen bedient hat (z.B. "Amy" und "Senna"), ist einfach erfrischend im Vergleich zu konventionelleren biografischen Dokumentationen, welche eher dazu neigen, gezeigte Aufnahmen kaputtzuerklären. Auch der Einsatz von Musik funktioniert stets sehr gut bei Kapadias Dokumentarfilmen.

                                      Was diesen Dokumentarfilm in meinen Augen davon abhält, makellos zu sein, ist das ständige Bemühen darum, Diego Maradonas Status als Legende irgendwie zu bewahren. Auch wenn er in die unschönen Seiten von Diego Maradonas Karriere und Lebensweise eintaucht, beispielsweise in dessen Drogenmissbrauch und Unaufrichtigkeiten, so scheint doch immer als alles entschuldigende Erklärung dafür herhalten zu müssen, dass Maradona das Opfer der unrealistischen Erwartungen seiner Umgebung ist und war. Eine derartige unfaire Idealisierung und der Druck, welcher von außen auf ihn eingewirkt haben, mögen durchaus einflussreiche Faktoren in Maradonas Werdegang gewesen sein, aber dennoch wirkt der Film letzten Endes so, als ob er vor den wirklichen Kontroversen und Ungereimtheiten zurückschreckt, welche doch ein jedes Leben ausmachen - sicherlich auch das einer solch schillernden Persönlichkeit. Das Gesamtbild, welches er vermittelt, scheint schlichtweg zu vereinfacht. Sicher hat die Tatsache, dass ein großer Teil der verwendeten Interviewaufnahmen von Diego Maradona selbst stammt, einen Anteil an diesen Inkonsequenzen.

                                      Nichtsdestotrotz weisen allein die verwendeten Aufnahmen eine derart große Komplexität auf und sind auch technisch so gut verarbeitet, dass "Diego Maradona" ein sehr sehenswertes Erlebnis bleibt.

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                                        über Lucy

                                        Ramsch, der Raum, Zeit und Sinn überwindet. Einfacher ausgedrückt: Einer der lustigsten Filme seines Jahrzehnts.

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                                          00101001100 09.03.2020, 17:13 Geändert 10.03.2020, 01:11

                                          Direkt von Beginn an wirkt "Performance" sehr erfrischend durch seine unkonventionelle und energetische Montage, seine experimentellen Schichten aus Klang, Erzählkunst, Zeit und Raum. Jedoch hebt der Film erst in eine andere Dimension ab und wird wirklich großartig, sobald er sich in die künstlerischen Extravaganzen rund um Mick Jagger und dessen diverse Auftritte stürzt. Bis zu diesem Punkt funktioniert er eher wie eine intelligentere Abwandlung gewöhnlicher Gangster-Filme, danach verwandelt er sich in eine schräge und zumeist unterhaltsame, aber mitunter auch erschreckende filmische Reise. Definitiv eine sehenswerte Erfahrung!

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                                          • 3 .5

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                                            • 6 .5
                                              00101001100 29.02.2020, 09:29 Geändert 29.02.2020, 09:29

                                              Ich hatte tatsächlich einen noch nervigeren, noch patriotischeren und einseitigeren US-amerikanischen antikommunistischen Kitschstreifen erwartet, als ich mich entschloss, "Jagd auf Roter Oktober" anzuschauen. Und auch wenn der Film definitiv genügend von diesen Charakteristiken aufweist, so ist er über lange Strecken einfach ein gut gemachter und spannender verfahrensorientierter U-Boot-Thriller. Sean Connery spielt sich mit ziemlich beeindruckender Präsenz in den Mittelpunkt eines beeindruckenden Schauspielstabs und wurde sogar dazu gebracht, russisch zu sprechen - wenn auch nur für fünf Minuten. Insgesamt war das alles also gar nicht mal so schlecht!

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                                                King Vidors "Street Scene" beginnt als recht geradlinige Adaption eines Theaterstücks. Der Film konzentriert sich zunächst auf die Kulisse einer Hausfront in New York City (genauer gesagt auf die Treppe, welche zur Haustür führt), wo die Bewohner des Mietshauses dynamisch miteinander interagieren. Es handelt sich um eine heiße Sommernacht und es ergeben sich Spannungen aus den zahlreichen Vorurteilen, Ansichten und Verdächtigungen, welche Anwohner übereinander haben. Auf den ersten Blick und nur oberflächlich betrachtet unterhalten sie sich in freundlicher Art und Weise und scheinen recht vertraut miteinander zu sein, aber schnell kommen grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zum Vorschein, welche im Umkehrschluss zu Feindseligkeiten führen. Diese Meinungsverschiedenheiten entstammen den vielen unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Glaubensüberzeugungen, Weltanschauungen und Lebensentwürfen, welche in solch einem Mietshaus nun einmal aufeinandertreffen können.

                                                Schon dieser erste Teil von "Street Scene" ist großartig gemacht und zieht einen regelrecht in seinen Bann. Die Darsteller*innen sind perfekt besetzt, die Dialoge glaubwürdig geschrieben, mit beißendem Witz und auch viel Herz, und anstatt einfach nur in einer statischen Szene zu verharren, entsteht der Eindruck ständiger Bewegung, wenn Figuren ein- oder ausgehen, oder das Haus auf dem Gehweg passieren. Die Kamera ist dabei ebenfalls sehr dynamisch, sie bewegt sich ständig über die Kulisse, um die Straße und die Fenster der Häuser in ihr einzufangen. Der Fokus bleibt jedoch stets auf dem Mikrokosmos dieser einen Hausgemeinschaft und ihrer Heimat für diesen ersten Abschnitt des Films. Sie sind ein kleiner Teil der Welt und alles andere bewegt sich um sie herum, ohne sie wirklich zu beachten.

                                                Im zweiten Teil von "Street Scene" öffnet sich dieser enge Fokus jedoch schlagartig und mit dramatischem Effekt, als das alltägliche Leben dieser Gemeinschaft plötzlich erschüttert und dem Chaos ausgesetzt wird. Es ist diese unerwartete Wandel, welcher den Film zu dem Meisterwerk werden lässt, welches er ist. Bis zu diesem Punkt war sein Grundton noch recht komödiantisch und witzig, es wurden lediglich leicht nervöse und dramatische Untertöne angedeutet. Sobald sich der Film jedoch in vollem Maße der Anspannung und der Dramatik hingibt, trifft es uns ohne Vorwarnung und mit voller Wucht. Menschenmassen strömen herbei, der Verkehr kommt zum erliegen, alle wollen plötzlich wissen, was in diesem Haus geschehen ist, wollen Teil davon sein. Diese Szenen sind hektisch, unkontrolliert, angsteinflößend und wir verlieren die kleine Gruppe an Menschen, welche wir zuvor kennen und lieben gelernt haben, zeitweilig aus den Augen. Interessanterweise schafft es King Vidor zum Ende von "Street Scene" dann doch wieder, zum minimalistischen Mikrokosmos der Hausgemeinschaft zurückzukehren, aber bis dahin wurde bereits alles auf den Kopf gestellt und nichts ist mehr, wie es mal war. Für eine kurze, intensive Zeit, welche den Hauptteil des zweiten Abschnitts einnimmt, waren alle Augen auf diese kleine Gemeinschaft gerichtet, aber als alles wieder zur Normalität zurückgekehrt ist und die Aufmerksamkeit schwindet, sind sie wieder auf sich allein gestellt und müssen die Überbleibsel zusammenkehren. Und just zu diesem Zeitpunkt verlässt auch der Film die titelgebende Straßenszene und endet einfach. Nur wir bleiben zurück, übervoll mit Gedanken und Emotionen.

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                                                  00101001100 24.02.2020, 08:31 Geändert 24.02.2020, 18:27

                                                  Berlinale 2020, Retrospektive, 22.02.2020 (2K DCP):

                                                  Es heißt, King Vidor hätte sowohl sein Haus als auch sein Auto verpfändet, um die Dreharbeiten zu "Our Daily Bread" finanzieren zu können. Demnach muss ihm dieser Film ganz besonders am Herzen gelegen haben. Und tatsächlich ist spürbar, dass Vidor sein ganzes Herz in das Projekt gesteckt hat - und, dass sein Herz am rechten Fleck war.

                                                  Das niedrige Budget resultierte in einer Form des direkten Filmemachens, welche bereits den Neorealismus erahnen lässt und das, obwohl dieser erst gut zehn Jahre später aufkommen und sich hauptsächlich auf der anderen Seite des großen Teiches aufhalten wird. Was "Our Daily Bread" zu bieten hat, unterscheidet sich jedoch tiefgründig von neorealistischen Beobachtungen der Armut und Verzweiflung. King Vidor verfilmt stattdessen nämlich ein Manifest der Solidarität und Selbstversorgung und diese Intention fließt in jede Szene ein: Eine Gruppe von Menschen, welche sich alle am Boden der Gesellschaft wiederfinden, schließt sich zusammen, baut eine Siedlung und versucht, von dessen Grund und Boden zu leben.

                                                  Auch wenn es durchaus inspirierend zu sehen ist, wie Menschen zueinander halten und Dinge in die eigenen Hände zu nehmen versuchen, so wirkt die Inszenierung in diesem Film dennoch oftmals wie eine propagandistische Forcierung eines erwünschten Aktivismus. In jenen Momenten rutscht die Darstellung des Kampfes um Überleben und Selbstbestimmung in den Bereich eines stark vereinfachten Melodrams, was vor allem der exzessiven Verwendung von Musik und dem überzogenen Schauspiel geschuldet ist. Zudem konzentriert sich Vidor leider zu sehr auf seine männlichen Charaktere, was in einem Mangel an starken weiblichen Figuren resultiert. Ganz im Gegenteil, die Frauen in "Our Daily Bread" werden entweder als den Männern ergeben dienend dargestellt, wobei sie zugleich deren großartige Taten bewundern, oder als Femmes fatale, welche die ganze Operation durch ihre Eitelkeit jederzeit zu Fall bringen könnten.

                                                  Dennoch ist der Film trotz aller finanziellen Einschränkungen gut gemacht, hat einige starke Momente und bietet durchweg ein hohes Maß an Energie. Vor allem das große Finale ist sehenswert und beeindruckend - auch heute noch - und hat mich in seinem Größenwahn durchaus an Werner Herzogs "Fitzcarraldo" erinnert.

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                                                    Guy Maddin, Evan Johnson und Galen Johnson nehmen sich der einfach scheinenden Aufgabe an, mithilfe von Ausschnitten aus Filmen, welche ausschließlich in San Francisco gedreht wurden, Hitchcocks "Vertigo" nachzuempfinden, und machen so viel mehr daraus. "The Green Fog" ist sowohl eine komplexe Hommage an ein filmisches Meisterwerk, als auch Ode an eine Stadt, welche schon so lange eng mit dem Medium Film verbunden ist. Das Endprodukt ist atmosphärisch, traumgleich, überraschend, humorvoll, selbstreflexiv, faszinierend und schrill zugleich. Allein die von Jacob Garchik komponierte und vom Kronos Quartet eingespielte Musik ist ein Erlebnis. Und als ob all das noch nicht genug wäre, enthält der Film auch noch eine atemberaubende Montage der Schauspielkunst eines gewissen Chuck Norris.

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