angucker - Kommentare

Alle Kommentare von angucker

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    angucker 30.05.2023, 08:37 Geändert 30.05.2023, 09:01

    Regie-Kino vom Feinsten: Mit Laien gedreht, mit einer fast lässigen Inszenierung produziert, so dass sich der Film wirklich anfühlt wie eine Doku. Mit einer überlauten, dafür sehr informativen Tonspur, welche die Dialoge nach Lautstärke und Gewicht in den Hintergrund drängt. Mit grandiosen Kindern, auf deren Gesichtern und in deren oft sinnlos/kindisch wirkenden Aktionen die Welt der Erwachsenen gespiegelt und aufmüpfig durcheinander gebracht wird. Überhaupt die Blickbeziehungen. Ganz oft passieren Dinge abseits der Kamera, die wir Zuschauende nur dadurch ahnen und zu sehen meinen, dass die Darstellenden dahin schauen. Inhaltlich geht es um einen Abschied vom harten Landleben - die Plantage muss einem Solarpark weichen. Die Bagger schieben sich akustisch und optisch immer mehr in den Film. Anfangs noch Spielzeug für die Kinder, zuletzt wie Panzer das kleine Haus der Familie umzingelnd. Ohne große Entwicklung, Moral oder Zeigefinger erlaubt uns der Film einen Einblick in die verworrenen Familienverhältnisse (ich hatte extreme Probleme, die familiären Zusammenhänge in diesem Gewusel von Alt und Jung zu durchschauen), zelebriert einen Abschied vom einfachen Leben auf dem Land, erlaubt (ohne dabei politisch zu werden) einen Schlenker in die Kritik der von Konzernen und internationaler Nachfrage gelenkten Agrarindustrie, an deren Anfang die hier porträtierten Menschen stehen. Trotzdem: Eine gewisse Zähigkeit kann ich dem Film nicht absprechen - das ist wohl gewollt und Teil des Gesamtpakets.

    Das erinnert mich ganz stark an das beiläufig grandiose Regie-Kino von Anna Muylaert ("Der Sommer mit Mama"), erreicht aber nicht dieselbe Tiefe. Als perfekt beiläufig inszenierte Pastorale mit Anspruch aber sicherlich ein verdienter Goldener Bär 2022.

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      angucker 28.05.2023, 18:05 Geändert 06.06.2023, 08:10

      Ein erkennbar preiswert gedrehtes B-Movie mit im Wesentlichen nur 3 Locations, aber die überzeichneten Charaktere tragen mit den lakonischen Dialogen viel dazu bei, dass es charmant und lustig bleibt. Allein die neurotische Familie der Ex-Freundin vom KGB (Kaitlin Doubleday) - mit Flanger synchron sprechende Zwillinge und einem Kontrollfreak als Ehemann und Waffenvorbereiter. Zum Piepen. Dies alles gilt nur für den englischen O-Ton mit dem immer wieder lustig betonten russischen Akzent der Kurylenko und der immer noch samtweichen Stimme von Don Johnson. Die deutsche Synchro ist farblos und richtig schlecht -> Liste "Nur im O-Ton, bitte!"

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        angucker 28.05.2023, 09:14 Geändert 30.05.2023, 09:05

        Es beginnt mit konzentrierten Dialogen als Milieustudie und Charakterdrama.

        " You're out of bounds, Ahmed" sagt der von Jake Gyllenhaal gespielte Sergeant "... just translate."

        "I'm not a translator, i'm an interpreter" antwortet dieser.

        Der allmähliche Aufbau von Vertrauen zwischen einem Berufssoldaten, der in Gedanken nach seinem letzten Einsatz schon daheim ist und einem Afghanen, der seine erheblichen Sprachkenntnisse nur deshalb den US-Streitrkräften anbietet, weil die mit seiner Familie verbundenen Drogenhändler seinen Sohn getötet haben - bestes Drama. Dies und die beeindruckenden Kameraeinstellungen von einem kargen Haufen Steine genannt Afghanistan, wo es nur Gewalt und Drogen gibt - etwa eine Stunde bestes Kino.

        Danach wird es leider zu einer platten Heldenstory mit viel BumBumm, bei der zuletzt nur noch die Fanfarenmusik fehlt.

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          über Citadel

          Ein Hoch und Hurra auf die deutsche Synchro! Wie da geatmet, stimmlich gezittert, genauestens den Regungen der englischsprachigen Darstellenden gefolgt wird - das ist ganz großes Synchro-Kino (und übrigens viel viel besser als das Original). Ich bemerkte es erst in der ziemlich lahmen Szene, wo Stanley Tucci gefoltert wird: Die Synchron macht wirklich jeden Atemzug plausibel, spricht nicht nur sondern atmet, schluckt und kaut mit der Rolle. Und so geht das durch die ganzen Episoden, die ich bisher gesehen habe.

          Aber: Zu viel CGI, kaum echte Action, viel Weltverschwörung und sehr harmlose Story.

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            Komplexe Figuren, eine Fülle geradezu aberwitziger Intrigen, die stets im richtigen Moment "gezündet" werden, Dialoge wie Florettfechten auf Weltmeisterschaftsniveau - dies ist die beste aktuelle Serie, die ich seit Jahren gesehen habe. Ich war schon immer ein Fan von Keri Russel ("The Americans"), die mit ihrer enormen Physis (die Frau ist Tänzerin und Athletin - wenn die zittert oder wütend ist, sieht man das in jedem Schritt) und ihrer trotzdem durchsichtigen Erscheinung hier perfekt besetzt ist. Sie und die übrigen Darstellenden geben dem Affen Zucker ohne Ende, man erfährt ziemlich viel über Politik in Zeiten des Populismus und drohenden 4. Weltkriegs und deutsche Synchro (ich sage nur Thilo Schmitz als Sprecher des britischen Außenministers) ist atemberaubend gut.

            Allerdings sind das Tempo der Dialoge und die Tiefe der Intrigen manchmal so brutal, dass entweder die Replay Taste ins Spiel kommt oder überforderte Zuschauende aussteigen werden. Wie auch einige der Besprechungen hier zeigen. Und der Cliffhanger in der 8ten Episode ist episch. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Staffel!

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              Ghetto Kid wird Virtuose (Klavier). Daraus hätte eine typische Hollywood-Produktion einen Wettbewerb gemacht mit 10 oder mehr niedlichen Jugendlichen, die trotz gewisser Schwierigkeiten ihr Herz auf dem rechten Fleck haben und gewinnen. Regie Altmeister John Schlesinger ("Marathon Man") macht daraus mit Hilfe einer oft in langen Passagen nur wortlos schauenden Shirley McLaine (Madame Soutsatzka, eine Klavierpädagogin mit osteuropäischen Wurzeln) und einem insgesamt überzeugenden Cast (Supermodel der 60er Twiggy in einer kleinen Nebenrolle) einen Film über die schwierigen Veränderungen im Leben, das Loslassen von Schülern und der alten Umgebung, über die Bedeutung von Freundschaft und die Macht der Musik (und deren Vermarktung). Jede Einstellung sitzt, die Abrissbirne im Umfeld der Klavierpädagogin, die mit vielen älteren Nachbarn in einer Londoner Siedlung lebt, welche von Spekulanten verkauft und für die nächste Generation aufgehübscht wird, die zauberhaft unperfekte indische Mutter des Jungen, der selbst um seine Begabung weiß und so wild spielt, so pubertär aufbegehrt (und seinen ersten Geschlechtsverkehr sucht) wie dies ein 15jähriger auch im wirklichen Leben tun würde. Die Außenaufnahmen sind entzückend (wie das von kommerziellen Sponsoren ausgerichtete Festival, wo das junge Talent zuerst präsent wird), die Dialoge kommen "voll auf die 12" und immer wieder reißt die von Könnern eingespielte Musik von Schumann bis Beethoven mit - ein in jeder Hinsicht gelungener Musikfilm, ein liebenswertes Charakterdrama und eine der vielen herausragenden Rollen, die Shirley McLaine gespielt hat. Warum der Film beim Publikum durchfiel und in Vergessenheit geriet? Keine Ahnung!

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                angucker 26.05.2023, 16:34 Geändert 27.05.2023, 12:28
                über Zola

                Dieser Film auf Basis von 148 Tweets (hab's nicht kontrolliert) adressiert mehrere Ziele:
                1. Beweis dafür, dass dumm und nicht in der Schule auch für leidlich hübsche Mädchen als Sexarbeiterin enden kann.
                2. Lehrfilm für angehende Sexarbeiterinnen - Kundengewinnung per SocialMedia, Preisgestaltung, schnelle Abfertigung von Kunden, praktische Probleme von Gang Bang bis Zuhälter.
                3. Enthält das obszönste Gebet der fettesten Stripperin aller Zeiten - so tief kann die Frau sinken, wenn es nur noch um die Kohle geht. Witzig war das jedenfalls nicht.
                4. Hat mit dem Boyfriend der weißen Sexarbeiterin die dümmste männliche Rolle im Film seit Jahren. Woody Harrelson hätte das aber besser gekonnt.

                Der Film ist trotzdem in seiner formalen Gestaltung nicht schlecht. Die irrwitzige Abfolge von Gesichter, Rücken, Pos und Geschlechtsteilen von 16 Freiern (in einer Nacht) mit einem Umsatz von 16 x 500 = 8.000 $ ist in ihrer Beliebigkeit und Banalität fast richtiges Kino. Aber das pausenlose Präsentieren von Zungen, Brüsten, Lippenstift, Pobacken und anderen Körperteilen in Verbindung mit Ghetto-Sprache "ey, Bitch!" eher schwer zu ertragen.

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                  angucker 25.05.2023, 17:25 Geändert 25.05.2023, 17:26

                  Faszinierend erzählter, gefilmter und gespielter Standard-Krimi (nach einer Vorlage von Sjöwall/Wallö - sozusagen der europäische Standard im Kriminalroman). Der Film verlegt die Handlung nach Korea, bindet lokale Spezialitäten wie Schildkrötenfarm, raue Berge, Nebel und die ebenso dezenten wie präzisen Darstellenden ein, garniert das Ganze mit höchst eleganten Kameraeinstellungen und einer speziellen (oft komplett ohne Nebengeräusche oder Musik) daher kommenden Tonspur. Das Ganze dann noch in satter Überlänge und die Zuschauenden sind gehalten genau aufzupassen: Es passiert ziemlich viel, die Anschlüsse und Verbindungen führen manchmal in die Irre und das Ganze ist ein Mittelding aus ZDF-Krimi, Arthouse Kino, Gruselfilm und Psycho Teil 13.

                  Man merkt dem Film die hohen Ansprüche des Regisseurs Park Chan-wook und dessen umfassende Kenntnisse des Mediums Film in jeder Sekunde an. Er arbeitete lange als Filmkritiker, hat offensichtlich nicht nur einige, sondern sehr viele auch amerikanische und englische Klassiker gesehen und verarbeitet das (für meinen Geschmack) ebenso kunstvoll wie Tarantino, nur ohne dessen vordergründige Derbheit. Da gucken Hitchcock, das französische Kino und etwas Wong Karwei um die Ecke. Nichts für Zuschauer ohne Muße und Spaß an komplizierten Puzzlespielen, wie die durchaus zahlreichen schlechten Bewertungen hier zeigen. Aber mir hat es in seiner stillen, souveränen und niemals langweilenden Kunstfertigkeit gut gefallen.

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                    Schön gefilmter Thriller, der trotz seiner Längen viel Atmo mitbringt. Schon zu Beginn ergötzt sich die Kamera (für die Handlung völlig unwichtig) an langen Fahrten durch eine verrottete Heizungsanlage, schweift mit dem einen Hausmeister spielenden William Hurt durch die Keller eines Wolkenkratzers, in dem der Film auch überwiegend spielt. Überhaupt – die Innenansichten: da gibt es vermüllte Apartments, hochherrschaftliche Patriziervillen mit Marmorfußboden und schummrige Kneipen. Erst nach einer halben Stunde nimmt der Film langsam Fahrt auf und erschließen sich allmählich die Zusammenhänge zwischen einem bildungsbürgerlich-ambitionierten Klaviertrio mit Sigourney Weaver am Flügel und einer ziemlich schleimigen Rede des einmal mehr wunderbar sinister spielenden Christopher Plummer. Erst jetzt wird klar, dass der Film seine Handlung im Milieu jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion ansiedelt, die versuchen, einen gehobenen Lebensstil im teuren Amerika mit einer aktiven Unterstützung von Israel zu verbinden. Nach einigen kleinen Schlenkern (der harmlos wirkende Hausmeister ist natürlich ein kampferprobter Vietnam-Veteran, ein aberwitzig gefährlich wirkender Dobermann und Pferde spielen wichtige Nebenrollen) kommt es dann endlich zum großen Showdown. Schauspielerisch überzeugend, mit beeindruckend gefilmten Tierdressuren und sehr viel Atmo erinnert mich der Film ganz stark an den thematisch ähnlichen, aber im London der 2000er Jahre angesiedelten Film von David Cronenberg "Eastern Promises". Trotz der eher vernachlässigbaren Handlung macht es Spaß, der Film hat einige schöne Twists und im Gegensatz zu einigen anderen Moviepiloten kann ich nur feststellen, dass Sigourney Weaver damals zwar immer streng gekleidet aber ebenso wie der immer etwas verträumt wirkende William Hurt hochgradig attraktiv wirkte.

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                      angucker 23.05.2023, 13:01 Geändert 22.05.2024, 21:16

                      Pausenlose Szenenwechsel und Altherrenwitze über Wein und Weib können nicht darüber hinweg helfen, dass dies ein lustloser Film über einen langweiligen Heist-Job mit klischeesatten Figuren ist. Da wird geredet und gewitzelt und selten gibt es Action, die noch dazu so klinisch rein inszeniert ist, als ob der Film FSK 6 anstreben wollte. Und dazu noch mächtig Schleichwerbung. In fast jeder Szene werden Marken in Bild und Text in die Einstellungen gerückt, als wolle man den Film damit allein bestreiten. Aubrey Plaza ist als Darstellerin farblos und das Ganze ist ansonsten eine Männersache mit vielen Spielzeugen und Touristik ohne Ende.

                      Zweitsichtung: Immer wieder guter Rhythmus - Ritchie Style. Aber das Gesamtpaket ist einfach zu belanglos. -> 3 auf 5.

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                        angucker 19.05.2023, 05:22 Geändert 24.05.2023, 18:42

                        Ganz kurz: Fantastische Inszenierung eines mittelmäßigen Stücks. Licht, Kamera, Szenenwechsel und natürlich die vier Darstellenden machen dies zu einem der Klassiker der 60er. Richard Burton bringt auf seine zurückhaltende Art die Leinwand zum Glühen und ich möchte lieber nicht darüber spekulieren, ob dies mit viel Alkohol Method Acting der ungesunden Art war. Warum der Mann dafür keinen Oscar bekam, ist nur noch mit kollektiver Verblödung der Academy zu erklären und ein ewiger Skandal.

                        Aber das Stück ist in meinen Augen eher bescheiden. Mein Interesse für ein Alkoholiker-Ehepaar, das pausenlos gegen den eigenen Partner und andere wütetet, ist äußerst gering. Und die von Albee als Showrunner eingebauten Rätsel um Sohn und Abtreibung auch nicht so ergiebig.

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                          Richtig bescheiden: Die tollpatschige Polizistin macht im Traum auf Superheldin und nervt ihren Mann mit zerstörtem Geschirr und nächtlichen Fitness-Übungen. Das würde gehen, wenn es jemals originell wäre oder Klischees vermeiden würde. So aber sehen wir eine ständig vor sich hin grimassierende Hauptdarstellerin im Komödienstadel - ich war nach 30 Minuten raus. Länger kann ich jedenfalls diesen Mist nicht ertragen.

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                            Eigentlich eine interessante norwegische Komödie um Asylsuchende und Flüchtlinge. Aber: Die Handlung verläuft immer wieder ins Nichts, Probleme werden aufgetan (das Essen, die Versorgung mit gesägtem Alt-Brot) und verschwinden wieder, die Charaktere sind schlampig ausgearbeitet (die Beziehung der passiv-aggressiven Ehefrau des Hoteliers zu ihrem Mann - was tut die Frau und warum) und die Gags sind billig (alle Flüchtlinge wollen nur Playstation und große Fernseher). Trotz einiger Schmunzler zwischendurch wäre da sehr viel mehr möglich gewesen, zumal die Darstellenden interessant gecastet sind.

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                              angucker 15.05.2023, 16:17 Geändert 15.05.2023, 21:58

                              Ein Film wie eine gekonnt inszenierte Salonkomödie: Nichts ist überraschend, alles ist vertraut, aber wir lachen trotzdem. Ich habe nicht gewusst, dass die Nordfranzosen so eine merkwürdige Aussprache haben sollen. Aber offenbar bedient diese Posse über sprachliche und kulturelle Unterschiede (immerhin die erfolgreichste Komödie Frankreichs) eine ähnliche Ecke wie die Ostfriesenwitze in Deutschland. Bemerkenswert ist, wie gekonnt die Schauspieler die oft vorhersehbaren und derben Witze servieren: Mimik, die sprachlichen Verrenkungen - alles sehr gut gemacht und allein schon an Kad Merad und den beiden schönen Frauen und ihren Umtrieben können die Zuschauenden Freude haben. Uns hat's gefallen und den Synchronschaffenden offensichtlich auch, denn die kauen sich mit Inbrunst durch die Sch'tis und sprachlichen Verrenkungen (die großkotzige mundartliche Bestellung im Restaurant bei einem schwulen Kellner aus Paris!) - es macht Spaß!

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                                angucker 14.05.2023, 22:19 Geändert 16.05.2023, 11:00

                                Dieses schwache Remake von „Bloodfather“ und "Parker" (letzterer ebenfalls mit Jennifer Lopez) zeigt nur, dass Jennifer Lopez wirklich eine ziemlich harte Braut ist, aber keine richtige Schauspielerin. Als weiblicher Jason Statham funktioniert das nicht und ist beliebig. Aber im letzten Drittel hat der Film Momente, wenn es um die Mutter Tochter Beziehung geht.

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                                  In Frankreich war diese krawallige Komödie ein großer Hit. Die Hauptperson ist eine knapp 40jährige Anwältin in stets zu kurzen Röcken mit zwei nur durch Babysitter betreuten Kleinkindern, die in ihrer völlig vermüllten Wohnung halb nackt auf dem Boden sitzen und spielen. Außerdem zerrt diese von Virginie Efira durchaus gekonnt gespielte Knallcharge von Blondine jeden Mann in ihr ungemachtes Bett, der nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Und verteidigt nebenher noch unter Missachtung jeglicher Standesregeln den narzisstischen Bräutigam ihrer Freundin. Auch ihr Bekanntenkreis benimmt sich nicht viel anders. Enthemmt ist hier noch eine vornehme Umschreibung.

                                  Das soll wohl weibliche Selbstermächtigung auf die Leinwand bringen, die Zuschauenden sollen sich fremdschämen mit dieser stets auf ihr eigenes Wohl bedachten Hedonistin, die ihre Intelligenz, ihr Aussehen und ihren Witz nur dazu nutzt, Krawall zu machen. Dem Drehbuch gelingen zwar zwischendurch immer wieder großartige Momente der Screwball Comedy, wenn etwa der junge Ex-Klient, Babysitter, Assistent und Ex-Dealer bei einem Streit wie ein alter erfahrener Therapeut immer wieder übersetzt, was die sich anbrüllenden "Erwachsenen" da wohl sagen wollen. Und doch ist es unterm Strich nicht viel mehr als eine französische Variante von "Party Animals 4" im Justizmilieu.

                                  Ich hatte hier schon beruflich das Problem, solche grob überzeichneten Possen mit Anwälten in den Hauptrollen nicht witzig zu finden. Und auch der gediegene Gastauftritt von Laure Calamy konnte es dann nicht mehr reißen.

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                                    angucker 11.05.2023, 05:58 Geändert 11.05.2023, 14:32

                                    Das Drehbuch ist nach einem Roman von Elmore Leonard, dem wir u.a. "Justified", "Out Of Sight", "Schnappt Shorty" und viele andere Klassiker der geschliffenen Dialoge und genauen Beobachtung zu verdanken haben. Auch hier gelingt es ihm scheinbar mühelos und oft in nur wenigen Sätzen, Themen wie Diskriminierung, Ausbeutung, Unterdrückung und die "Indianerfrage" plastisch auf die Leinwand zu bringen. Das hat Klasse, ist witzig und bisweilen auch spannend.

                                    Mir hat es als Western eher nicht so gut gefallen. Zu geleckt der von einem schon reiferen Paul Newman verkörperte blauäugige Indianer, zu künstlich der ganze Coup und zu studiolastig die meisten Aufnahmen. Trotzdem ein Pflichtfilm nicht nur für Westernfreunde wegen der guten Geschichte und dem hohen Anspruch, einen witzigen und dennoch kritischen "Spätwestern" zu machen.

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                                      angucker 11.05.2023, 05:33 Geändert 11.05.2023, 05:34

                                      Eine insgesamt interessante Mediensatire um den durch ein rätselhaftes Ereignis zur bekannten Persönlichkeit und zum Social-Media Star avancierten Martin Kazinski (Kad Merad). Der ungeschminkt und mit tiefen Ringen unter den Augen, zuletzt nur noch im schmuddeligen Bademantel unterwegs sehr glaubwürdig durch eine Handlung stolpert, in deren Mittelpunkt ein medialer Coup steht. Das ist eine Parabel auf die allgemeine, hier offensichtlich durch die Medien verstärkte Hysterie. Passanten führen sich auf wie Irre, eine harmlos wirkende Frau schlägt und bespuckt den zuletzt völlig aufgelösten Star wider Willen und all das wird dank der gekonnt aufspielenden Darsteller immer mehr zu einem ironisch erzählten Alptraum ohne Auflösung. Nichts für Freunde der streng logisch entwickelten Handlung, aber doch immer wieder beängstigend und beeindruckend. Und dank der mal wieder ungeheuer charismatischen Cecile de France auch durchaus charmant.

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                                        Beeindruckender, sehr leiser Film über Cowboys am Rand der Zivilisation und Gesellschaft. Alles dreht sich um Armut, Drogen und Pferde. Sie werden geritten, gehandelt, gezüchtet und sind praktisch Teil der Familie. Brady, der mittlere Sohn, hatte einen schweren Unfall als Rodeoreiter und versucht, wieder zurück ins Leben zu kommen. Seine kleine Schwester ist minderbegabt und anhänglich - sie haut dafür die einfachen Weisheiten raus im Akkord, was dem Film viel Struktur gibt. Erst allmählich wird die Vergangenheit des ältesten Sohnes enthüllt, den wir anfangs nur im Rollstuhl kennenlernen.

                                        Ohne großartige Dialoge entwickelt der Film mit Laiendarstellern (die Familie Jandreau spielt sich praktisch selbst) ein eindringliches Bild von Menschen, die mit Pferden als Cowboys leben, ohne wirklich Cowboys zu sein. Benachteiligt, arm und letztlich perspektivlos am Rande einer Gesellschaft, die ohne Rinderherden und Pferde einfach weiter gezogen ist. Das gelingt dank der großen Empathie des Films für seine Themen. Die baumlose Landschaft der Prairie, die riesig wirkenden Pferde, die kleinen, leicht verwahrlosten Menschen - all dies wird immer wieder gekonnt mit der Kamera eingefangen und lässt uns ahnen, wie es sich anfühlen muss, wenn das Leben der anderen einfach weiter gezogen ist. Gut gefallen hat mir, wie die Pferde in ihrer Wildheit in die Handlung eingebaut wurden. Sehenswert sogar für nicht reitende Zuschauer, wie der junge Brady in langen Sessions als Trainer mit schwierigen Pferden umgeht, diese anspricht, lenkt und an den Menschen gewöhnt. Und dramaturgisch perfekt das Ende - besser geht es kaum.

                                        Thematisch ähnliche Filme: The Mustang (2019), Hell or High Water (2016), Frozen River (2008). Vielen Dank meinen mp-Buddies @j.f.lannister und @dazlious für diesen Tipp - ohne Euch hätte ich diese Indie-Perle wohl kaum gefunden!

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                                          angucker 06.05.2023, 09:55 Geändert 09.05.2023, 18:33

                                          So geht "Die Unbestechlichen" (1976) im 21. Jahrhundert! Kein Drama über Me Too und das irre, toxische "System Weinstein". Sondern die flüssig inszenierte, jede Sekunde plausible Geschichte einer zehn (!) Jahre dauernden journalistischen Projektarbeit zweier durchaus nicht perfekter Journalistinnen, die mit Schlaflosigkeit, der eigenen Familie und deren Ansprüchen, eigener Schwangerschaft, ekligen sexistischen Stalkern, dem hysterischen Gehabe von Informantinnen (noch dazu aus der Filmwelt) einschließlich nächtlicher Anrufe und vielen vielen ängstlichen Rückziehern der Opfer zu tun haben. Das ist nicht glamourös, sondern eher Knochenarbeit, mühsames Suchen nach belastbaren Zeuginnen. Und dank dieser bodenständigen Perspektive bekommt das immer nur im Hintergrund schwelende Feuer massenhafter Vergewaltigungen eines mächtigen Filmproduzenten und (fast noch widerlicher) des umfangreichen Systems, das ihn deckte eine besondere Wucht. Ein kühler Film mit mächtig Feuer.

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                                            über AKA

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                                              angucker 04.05.2023, 15:42 Geändert 06.05.2023, 10:02

                                              Zweitsichtung. Ein Meilenstein des intelligenten, faszinierenden Kinos für 7 bis 70jährige Zuschauende vom Drehbuchautor und Regisseur Gary Ross, der hier einfach nur zaubert. Ich darf zunächst mal @robomaus zitieren, der ganz richtig geschrieben hatte:

                                              <<Wer noch daran zweifelt, dass Sex Farbe ins Leben bringt, wird in 'Pleasantville' eines Besseren belehrt :)>>

                                              Und das ist nur eine von vielen Ebenen des Films. Als cineastisches Kleinod funktioniert der Film perfekt und wortlos darüber, dass diese komische andere Welt schwarz-weiß angelegt ist und nur teilweise/allmählich farbig wird. Schlichter und geschickter kann ein Film einen so einfachen Effekt eigentlich nicht einsetzen. Es ist geradezu dramatisch, als hier das erste große (und von dem mal wieder unterkühlt/leidenschaftlich spielenden Jeff Daniels gemalte-) Bild auftaucht.

                                              Diskriminierung, Monotonie des Alltags, Rassismus, Unterdrückung von Gedanken und Gefühlen, sogar sexuelle Freiheit werden hier verständlich, nachdenklich und ohne erhobenen Zeigefinger filmisch angerissen. Oft werden sich Zuschauende selbst erkennen: Die Verzweiflung des Gewohnheitstiers von Ehemann (William C. Macy in einer seiner besten Rollen) über die Abkehr seiner Frau. Das kaum unterdrückte Feuer dieser Ehefrau (Joan Allen), als sie anfängt auszubrechen. Das buchstäbliche Feuer vor dem Haus der Spießbürger (der brennende Baum, ein biblisches Zitat). Die bärbeißige Energie, mit der die von Reese Witherspoon in einer ihrer ersten großen Rollen gespielte "Blödtochter" ihre Reise in die Selbständigkeit beginnt ("das ist das erste Buch, das ich je gelesen habe und Du wirst das nicht verbrennen"). Und die aalglatte, bigotte Demagogie des Bürgermeisters "Big Ed" (J.T. Walsh) - ist völlig zwingend. Bei dieser freundlich-dicklichen Variante von Joseph Goebbels kann jener wirklich einpacken.

                                              Und bei alledem hat der Film viele handwerkliche Stärken: Keine seichte Filmmusik lenkt von dem stillen Feuer der Handlung ab. Dafür sind die Songs (Zitate der 50er bis 70er) geschickt eingesetzt. Und die Gags (der Film hat viele davon, bleibt trotz seine melancholisch abgeklärten Grundstimmung stets heiter) sind treffsicher gesetzt. Da ist buchstäblich für jede Altersgruppe etwas dabei. Und die humanistische Botschaft, die niemals belehrende Fabel als solche ist in dieser leise schmunzelnden filmischen Verpackung wohl fast einmalig in der Filmgeschichte.

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                                                Platt wie ein Frühstücksbrett ist dieses harmlose Filmchen und versucht, einen Wikipedia Artikel auf Spielfilmformat zu bringen. Die banale chronologische Erzählung, die Verharmlosung von Drogen, Gewalt und Ausbeutung und der verklemmte Umgang mit der lesbischen Beziehung - hier erfahren wir nichts Neues und werden noch dazu nicht unterhalten.

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                                                  angucker 01.05.2023, 12:22 Geändert 01.05.2023, 17:56

                                                  Regisseur und Drehbuchautor Hermann Zschoche war der Spezialist der Defa für Kinder- und Jugendfilme. Es gelang ihm hier eine Perle des Genres.

                                                  Mit straffer Laufzeit, schnellen Schnitten und für die damalige Zeit sehr beweglicher, stets origineller Kameraführung und hoch motivierten Laiendarstellern (mehrere Schulklassen aus dem damaligen Ost-Berlin spielen mit) erzählt er die Geschichte einer Liebe im Ferienlager mit einigen Schwierigkeiten. Und spiegelt das mit einer "Stück im Stück" Inszenierung von Shakespeare "Romeo und Julia". Besonders auch die meist nur wenige Minuten kurzen Theaterszenen zeigen, mit welcher Professionalität und Leidenschaft hier gearbeitet wurde. Die Jugendlichen sind bestens angeleitet und erreichen auch hier dank der rotzigen, fast punkigen Bildregie ein hohes Niveau. Der Abspann verrät, dass hier ein ganzer Stab von Theater-Fachleuten mit den Spielszenen geholfen hat - sehr gelungen.

                                                  Bezaubernd auch die zeitgeistigen Details. Vom irren Trainingsanzug der Lagerleiterin über unbekümmerte Nacktheit der Jugendlichen - die späten 70er sind hier gekonnt eingefangen. Macht Spaß, ist trotz der übersichtlichen Handlung kurzweilig und vermittelt sehr schön, dass es in der ehemaligen DDR durchaus eine "organisierte Freizeit" gab, die für die Kinder und Jugendlichen echte Freiheit war. Und sicher heute noch die Erinnerungskultur der in Ostdeutschland aufgewachsenen Generation bestimmt.

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                                                    Absoluter Rom-Com Schrott mit seichter Fahrstuhlmusik im Hintergrund, der nur durch den sehr illustren Cast wie Gerard Butler, Uma Thurman, Dennis Quaid, Catherine Zeta-Jones, Judy Greer und Jessica Biel (wer würde diese American Beauty jemals freiwillig gegen eine Bierdose eintauschen?) überhaupt erträglich wird. Für Gerard Butler sicherlich ein Karriere-Tiefpunkt.

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