Beeblebrox - Kommentare

Alle Kommentare von Beeblebrox

  • 8 .5
    über Jin-Roh

    [...] Das ist lediglich ein Ausschnitt aus der komplexen Welt und Handlung von „Jin-Roh". Mit dem Prolog wird kaum mehr als das Grundgerüst einer alternativen Vergangenheit skizziert. Durch den bewussten Verzicht auf Namensgebungen – der Handlungsschauplatz etwa bleibt namenlos - wird der Film in seiner allegorischen Bedeutsamkeit bekräftigt, während gleichzeitig eine betäubende Stimmung der Anonymität geschaffen wird. Der hintergründige Politthriller arbeitet mit Kazukis moralischen Reflektionen aber nicht nur die Verantwortung des Einzelnen in einem politischen System heraus, sondern erzählt nebenher noch eine packende Liebesgeschichte. [...]

    5
    • 5 .5

      [...] Ab einem gewissen Zeitpunkt fühlt sich The Hobbit: The Battle of the Five Armies wie jene ausgelaugte Schlacht um Mittelerde-LAN-Runde an, die man längst hätte beenden sollen. Irgendeiner der Mitspieler will aber noch nicht ins Bett und es bleibt einem nichts anderes übrig, als geduldig abzuwarten, bis wirklich alle der zahlenmäßig überlegenen Gegner ausgelöscht sind. Ein Highlight wie das flott inszenierte Stelldichein mit den neun Ringgeistern ist zu diesem Zeitpunkt nur noch eine aufregende Erinnerung in einem außer Kontrolle geratenem Entstehungsprozess. Die spielerische Leichtigkeit dieser dynamischen Sequenz – komplett ungeachtet ihrer Sinnhaftigkeit oder eben Sinnlosigkeit – fängt Peter Jackson leider nur selten im späteren Fortgang der Handlung wieder ein. Ausgerechnet mit der Rückkehr ins Auenland pendelt sich das sehnsüchtige Gefühl ein, das seinerzeit die ersten Einblicke in die Hobbit-Produktion begleitete. Dann sagt der kleine Hobbit, der erneut wundervoll von Martin Freeman verkörpert wird, Lebewohl und Billy Boyd stimmt zum großen Abschied an. Ein Abschied, der einen unzufrieden zufrieden zurücklässt und die letztendliche Frage aufwirft, warum die unerwartete Reise genau scheiterte – oder warum es so schwer ist, diese so zu akzeptieren wie sie ist. Aber dann dann ruft jemand The eagles are coming und katapultiert einen komplett aus dem Abenteuer, sodass es nie möglich sein wird, sich vollständig in diesem zu verlieren.

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      • 7

        Ein Funken in der Nacht, der den Gedanken zur Revolution entfacht: Catching Fire fungierte nach The Hunger Games als konsequenter Ausbau des Exposition-Segments in minimal variierter Struktur. Erneut standen die Hungerspiele im Mittelpunkt der Geschehnisse. Ein Rangen, um dem vermeintlichen Credo Panem et circenses Tribut zu zollen. Ein Töten, um die Veränderung des Status quos der Dystopie zu verhindern respektive aufzuschieben. Dass Veränderung – nicht zuletzt aufgrund der unerbittlichen Vergänglichkeit durch Zeit – eine unvermeidbare Angelegenheit ist, das wusste sicherlich aus President Snow (Donald Sutherland), als er wissentlich in die Kamera grinste. Auch jetzt, wo der Spotttölpel zum Symbol der Revolution (sprich Veränderung) avanciert ist, bleibt dem Mächtigen eine zufriedene Erscheinung nicht abzuschreiben, wenn er Katniss Everdeens (Jennifer Lawrence) Angesicht über einen der gigantischen Bildschirme im Kapitol flimmern sieht. Es ist die Zufriedenheit eines Puppenspielers, für den das vorherrschende Chaos im schlimmsten Fall ein verschmerzbarer Kollateralschaden ist. President Snow scheint eine Schachpartie zu gewinnen, die er längst durchkalkuliert, wenn nicht sogar in ähnlicher Form bereits durchgespielt hat. [...]

        • 7 .5

          Das wahre Verbrechen, das sind die Kollateralschänden des Passiven. Sie bilden jenseits des roten Fadens den schwarzen Teppich, der irgendwann die geradlinige Struktur vollends umhüllt, sodass es keinen Ausweg mehr gibt. Zwar passiert es nicht unmittelbar. Dennoch lässt sich die offensichtliche Grausamkeit in wenigen Sätzen konkret auf den Punkt bringen, so auch in den ersten Minuten von Calvary. Schnell ist gesagt, was falsch läuft beziehungsweise falsch gelaufen ist. Das Problem ist zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr die Tat, sondern alles, was seitdem geschehen ist. Ein Trauma, das erst durch die zwangsläufige Reflexion der Zeit sein tatsächliches Ausmaß erreicht – und genau da setzt der unerträgliche Nebeneffekte jeglichen Handelns ein. Das Passive zerstört, gerade weil es nicht greifbar und selbst wenn unbegreiflich ist. In sieben Tagen muss der gute Priester sterben, am Sonntag ist er tot. [...]

          10
          • 8

            Immer wieder ergibt sich in Gone Girl die Möglichkeit, aus dem Bestehenden auszubrechen, den gesetzten Rahmen zu sprengen – ja, sogar alles komplett auf den Kopf zu stellen. Die Geschichte schlägt einen Haken nach dem anderen, manipuliert sowohl Ensemble als auch Publikum und befindet sich stets auf der Suche nach der unerwarteten Kehrtwende. Bei dieser Achterbahnfahrt, deren Ausgang zweifelsohne ein ungewisser ist, entzieht sich jegliche Variable ihrer vermeintlichen Konstanz. Doch die Freiheiten, die aus entsprechender Unzuverlässigkeit resultieren, weiß weder Nick Dunne (Ben Affleck), noch eine andere Figur in David Finchers jüngstem Werk zu nutzen. Niemand nimmt die Chancen wahrhaftig war, um aus seiner misslichen Lage auszubrechen, um sein altes Leben hinter sich zulassen und mit einer Entscheidung den vollständigen Neuanfang zu wagen. Bereits beim Versuch scheitert ein Großteil der Beteiligten; zu tief sitzt der Schmerz, das Trauma, die Wurzeln der Beziehung(en). Und dann dreht sich die Welt in Gone Girl sowieso wie ein Karussell, aus dem es kein Entkommen gibt. Am Ende blickt man in dieselben Augen wie am Anfang und erneut breitet sich ein Mantel unangenehmer Ohnmacht in Anbetracht der Unberechenbarkeit des jeweils anderen aus. [...]

            8
            • 8 .5

              Gelacht, geweint. Liebe das Ensemble, diese Gruppendynamik und vor allem: Wie es die Serie schafft im Bruchteil einer Sekunde vom gutgelaunten Comedy-Geschehen in den düster-dramatischen Abgrund des Lebens zu kippen. Dabei entstehen Dialoge par excellence, die federleicht daherkommen und gleichzeitig von einer viel grausameren Tragik künden. Und dann singt Regina Spektor Remember all their faces / Remember all their voices / Everything is different.

              5
              • 3 .5

                Turn the right corner in Sin City, and you can find anything, flüsterte Josh Hartnett vor neun Jahren seinem Opfer im Fahrstuhl zu, bevor die Schwärze des Abspanns das Unvermeidbare in den Mantel der gewissen Ungewissheit hüllte. Knapp eine Dekade später kehren Robert Rodriguez und Frank Miller in die Stadt der Sünde zurück. Dieses Mal befindet sich das kreative Gespann auf der Suche nach einer Frau, für die gemordet wird. Einer Frau, die der vollkommenen Inkarnation einer Femme fatale entspricht, wie sie die Popkultur aus den Ursprüngen im Film noirs der 1940er Jahre geformt hat. Im Schwarzweiß findet die Erinnerung, die Hommage einen nahezu grenzenlosen Rahmen, um ungehemmt in Erscheinung zu treten, verführerisch manipulierend und unberechenbar bösartig. Ava Lord (Eva Green) will jedoch mehr sein als dieser ikonische Rollentypus und kann trotzdem nicht aus dem Gefängnis der Nostalgie (und damit einhergehend: faule Ideenlosigkeit) ausbrechen, denn Sin City: A Dame to Kill For gibt sich schlicht mit der Wiederbelebung altbekannter Mythen und Legenden zufrieden. Schlimmer noch: Robert Rodriguez und Frank Miller verlieren sich im Labyrinth der Redundanz, um den längst etablierten Status quo wieder und wieder zu betonen, ohne die vorgelegte Vision aufzugreifen und in ungeahnte Ecken ihres Sündenschlunds zu expandieren. [...]

                9
                • 5 .5

                  [...] Jetzt versuchen die Soldaten zu reden, zu kommunizieren, um irgendwie taktische vorzugehen. Doch das unbändige Dauerfeuer lässt kein Wort durchdringen; pures Chaos. Egal ob über Wasser oder unter Wasser: Steven Spielberg reichert seine Inszenierung mit unglaublich vielen Details an. Details, die das Grauen greifbar machen. Sei es der Soldat, der eben noch Kontakt mit einem oberen Mitglied der Befehlskette herstellen wollten und plötzlich erschossen im Gelände liegt, als sich der Captain wieder zu ihm umdreht. Oder sei es der Sanitäter, der unter unmöglichen Umständen die Blutung eines schwer verletzten Kameraden stoppt und trotzdem kein Leben retten kann. Absolute Vergänglichkeit im unbegreiflichen Gewaltakt: Steven Spielberg findet schonungslose Momentaufnahme für den Terror des Krieges und löst seine D-Day-Sequenz erst dann mit (Halb)Totalen auf, als die Amerikaner den Hügel gestürmt und das deutsche Verteidigungsbollwerk in ihre Kontrolle gebracht haben. [...]

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                  • 9

                    Sie sind größer denn je, die Spielberg Faces. Sowohl Mund als auch Augen nehmen unheimliche Proportionen an, verwandeln das Gesicht in ein pulsierendes Etwas, das sich nur mit absoluter Konzentration zusammenreißen kann. Anders als zuvor dient in War of the Worlds jedoch keine Euphorie im Angesicht des Stauens als Auslöser über dieses unverkennbare Spiel der Mimik. Nein, es ist die Angst, die den Menschen ins Gesicht geschrieben steht. Angst vor einer Bedrohung, die trotz ihrer augenscheinlichen Erscheinung unmöglich zu definieren ist. Jetzt staunt das Kind nicht mehr, wenn das extraterrestrische Wesen die Erde betritt. Um an die Magie dieses gleichermaßen ersten wie unerwarteten Kontakt zu glauben, haben Rachel (Dakota Fanning) und Robbie (Justin Chatwin) schon zu viel zerstörte Realität erlebt, wenngleich das Verhältnis in Elliotts Familie vor der Ankunft des Außerirdischen ebenso zerüttelt war. Nun geht die freundschaftliche Begegnung allerdings in kriegerische Konfrontation über und dennoch schweißt der Eingriff der dritten Art die Familie zusammen. Einen Vorgang, den Steven Spielberg am Ende seiner Überlebens-Odyssee mit einem glücklichen Wiedersehen beantwortet, das auf der Oberfläche wie die unglückliche Erfüllung konventioneller Hollywood-Mechanismen wirkt. Tatsächlich sind die Wunden aber immer noch offen und egal wie beflügend das, durch die herbstlichen Straßen fegende, Laub versöhnen mag: Diese Wunden werden nie geschlossen. [...]

                    7
                    • 10

                      Am Anfang: die Wogen des Meeres, ein Tosen, ein Toben, ein Grollen. Ganz unbarmherzig treffen die Wassermassen aufeinander und brechen in sich zusammen. Ein Gewaltakt der Natur, unabwendbar und dennoch ein Augenblick voller Würde und Vollkommenheit. Elegant, geradezu andächtig geht die Welt zu Grunde. Schlussendlich bleiben von diesem monströsen Schauspiel nur Regentropfen übrig, die sich ihren Weg an einer Glasscheibe entlang bahnen. Unangenehm beruhigend plätschern, stömen und fließen sie nach dem verheerenden Sturm von der unberührt glatten Oberfläche herab und offenbaren die Silhouette von dem, was überlebt hat: eine Gestalt – unkenntlich, ob Mensch, ob Maschine. Der Wandel der Zeit hat sowieso alles ins Chaos gestürzt und von althergebrachten Wahrheiten existieren bloß Erinnerungen, am ehesten in Sehnsüchte, Träume und Wünsche verpackt. Die Menschheit durchläuft im fortgeschrittenem Stadium eine Phase, die bereits als Wiederholung gewertet werden kann, wie es eine der Schöpfungen im späteren Verlauf von A.I. – Artificial Intelligence im Angesicht des Todes verlauten lässt. [...]

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                      • 6 .5

                        [...] Ein Augenblick, in dem alles stimmt – gerade weil er im Affekt passiert und sich keineswegs vor den zerreißenden Gefühlen versteckt. Kurz bevor die Sonne am Horizont aufgeht, findet auf den Dächern über der Stadt ein Abschied statt, vollkommen unwiderruflich und endgültig. Ein Abschied aus freiem Willen in einer Zeit, in der ewiges Leben mitsamt übernatürlicher Ereignisse keine Utopie und schon gar kein Geheimnis mehr ist. Zum Schluss bleibt ein Mensch und seine Tränen, die Rätsel der Existenz und Erlösung verharren jedoch im betäubten Zustand des Nimmerwiedersehens. Das kalte Wesen stellt sich dem Licht und Nathan Barrs Score tut sein Übriges. [...]

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                        • 7 .5

                          Das Rauschen des Maises, gleichermaßen unbändig wie durchdringend: Die Kamera jagt dem flüchtenden Tom hinterher, der im Anschluss übel zugerichtet wird. Auch im weiteren Verlauf von Tom à la ferme nimmt diese sowohl physische als auch psychische Qual kein Ende. Der Peiniger schlägt zu, wie es ihm beliebt. Und Xavier Dolan erschafft mit jeder weiteren Minute ein Werk, das anfangs bedrohlich vor sich hin brodelt und schließlich zur unangenehmen Bestie mutiert. Kaum stehen sich zwei der Figuren aus dem überschaubaren Ensemble gegenüber und wechseln ein paar Worte, entfaltet der Film eine beängstigende Atmosphäre, die den Atem stocken lässt. Genauso scharf, trostlos und feindselig wie die Blätter des Maises im Herbst brennt sich Tom à la ferme ins Gedächtnis ein. Gnadenlos geht das von statten. Es gibt kein Entkommen aus diesem Labyrinth der Ungewissheit. Nur am Ende bleibt die vertraute Stimme von Rufus Wainwright und besingt die beklemmende Tristesse, zu deren Umschreibung zwar jegliches Synonym fehlt, deren Echtheit jedoch keineswegs bezweifelt werden kann.

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                          • 6 .5

                            Das Besondere an Jalil Lesperts Biopic Yves Saint Laurent ist die Intimität. Intimität, die sich hinter einer geradezu perfekten Oberfläche versteckt. Intimität, die sich in den seidenen Vorhang der überproportional gefilterten Bilder hüllt. Intimität, die im zarten Klang des Klavierspiels der Kompositionen von Obrahim Maalouf zerbricht. Egal wie oberflächlich, konventionell und abgeklärt das Geschehen anmuten mag: Die Intimität ist immer da, in jeder einzelnen Sekunde des Films – nur eben nicht offensichtlich im Mittelpunkt platziert. Dort finden sich viel mehr die wichtigsten Stationen im Werdegang des titelgebenden Modeschöpfers wieder. Großartig verkörpert von Pierre Niney bleibt Yves Saint Laurent jedoch die gesamte Spielzeit über ein Fremder, ein Geheimnis. Lediglich das schüchternes Herantasten seitens seines Freundes und langjährigen Wegbegleiterts Pierre Bergé (Guillaume Gallienne) ermöglicht ein Begreifen dieser fragilen Persönlichkeit, die sich niemals vollständig offenbaren wird oder womöglich gar nicht offenbaren will/kann. [...]

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                            • Ich kann das Double Feature zu Planet der Affen 3 und Step Up 6 jetzt schon nicht mehr abwarten! :)

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                              • 7 .5

                                [...] Reflexion war bereits im Rahmen der seriellen Abenteuer von Veronica Mars ein essentieller Bestandteil des Formats. Begleitet von Veronicas (Kristen Bell) unermüdlich sympathischem Voice-over positionierte die Serie binnen weniger Minuten ein Gros des späteren Ensembles im sozialen Umfeld des Haupthandlungsortes, namentlich die kalifornische Kleinstadt Neptune. Als Kind einer Familie aus der Mittelklasse gerät Veronica dank der Stellung ihres Vaters, Keith Mars (Enrico Colantoni), in einen Kreis von Schülern, die sich im Überdruss der etablierten Schicht wälzen. Geschickt entwarf Rob Thomas in der Serie eine Wirklichkeit, die sich perfekt im Gleichgewicht von authentischer Coming-of-Age-Geschichte und spannenden Krimi-Plotpoints eingeplendelt hat. Lediglich Rian Johnson gelang später mit seinem außerordentlichem Erstlingswerk Brick ein vergleichbares Experiment: Auf den Spuren des Film noirs stolperte hier Joseph Gordon-Levitt durch das Ambiente einer High School sowie ein undurchsichtige Netz aus Intrigen, Machtspielen und Manipulationen unter den dazugehörenden Schülern. Plötzlich wird diese Welt allerdings von keinen Jugendlichen mehr bevölkert. Nein, Veronica und ihre Crew sind gereift, sind älter, sind erwachsen geworden. Der Ernst des Lebens hat Einzug in die unbeschwerte Existenz der Kinder erhalten und entfaltet sich nun in seiner ganzen Pracht, unbarmherzig und mit einer durchdringenden Kraft, die einiges über den Haufen wirft. [...]

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                                • 9
                                  über Solaris

                                  Selten war das Grün der Blätter beruhigender – gerade weil dieser unbehagliche Nebel mitsamt seinem Dunst die Landschaft in eine irdische Flecken verwandelt, die einem Märchenwald gleicht und im Gegensatz zum organisierten Tumult auf den Straßen unermüdlich im Chaos versinkt. Der Schleier, der sich davor erhebt, scheint nie zu verschwinden. Erst, wenn der Wagen der linienförmige Strömung des Fortschritts folgt, nehmen die Gedanken in Andrei Tarkowskis Solaris an Form an. Und dann taucht dieser Film in die fantastischen Gänge der Raumstation ein, scheut sich nicht vor der Tristesse des Weltraums und fürchtet ebenso wenig den perfekten Lens Flare im dramaturgischen Augenblick. Sie sind kaum zu bezwingen, diese Gänge. Ewig lang und verwirrend, wie ein Labyrinth, aus dem es keinen Ausweg gibt. Trotzdem reißt die Strömung alles mit, egal ob anfangs das Schilf im Wasser oder später die Vehikel auf der Kraftfahrtstraße. Ein ewiger Prozess, ein Materialisieren und ein Entmaterialisieren. Das Einzige, was beständig existiert – vollkommen ungeachtet wie gebogen, wie verdreckt und wie heruntergekommen – sind die Gänge in ihrer abstrakten wie gleichzeitig authentischen Beschaffenheit. Und eine Blume, eingeklemmt in den Seiten eines Buches, konserviert bis in alle Ewigkeit und dementsprechend unabhängig von Raum und Zeit. Selbst wenn am Ende nur noch der Puls des Unerklärlichen bleibt und verschlingt alles in sich.

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                                  • 8

                                    [...] Wie erzählt man diese persönliche, ja, geradezu intime, Geschichte weiter? Matt Reeves hat für Dawn of the Planet of the Apes eine Antwort gefunden, die sowohl die Regularien eines konsequenten Sequels bedient als auch im Kern den Geist des Vorgängers einfängt: Der Affenaufstand bleibt eine emotionale Erzählung der Grausamkeit und Schönheit dieser Welt. Menschen fallen sich in die Arme, Affen tun dies ebenfalls. Sie reden, im gemeinsam Dialog – und trotzdem gibt es auf jeder Seite einen Wüterich, der nicht versteht oder einfach nicht verstehen will. Dawn of the Planet of the Apes exerziert auf diesem Level nahezu alle erdenkliche Versuchsanordnungen durch und erweckt dadurch gelegentlich den Eindruck, am liebsten einfach nur eine Parabel auf das aktuelle Zeitgeschehen sein zu wollen. Gleichzeitig entzieht sich der Film trotz aller löblichen Ansätze im Finale einer klaren Ansage, entfernt sich vom verurteilenden Charakter der ursprünglichen Dystopie und plädiert stattdessen naiv auf das Gute in dieser grausamen Welt, die sich aus unerklärlichen Gründen im Zustand ewiger Verdammnis befindet. [...]

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                                    • 8

                                      Obgleich der Titel etwas anderes erwarten lässt, beginnt Guardians of the Galaxy auf dem wohl unspektakulärsten Planeten dieses Sternensystem, namentlich die Erde. Im Mittelpunkt der ersten Minuten des anschließenden Weltraum-Abenteuers befindet sich ein kleiner Junge, der verzweifelt in den unendlichen Weiten, die ihm sein Walkman im musikalischen Zeitgeist der 1980er Jahre offenbart, zu verschwinden versucht. Unmittelbar darauf stirbt seine Mutter und und das verlorene Kind rennt in die Finsternis – nur, um im Anschluss von einem Raumschiff aufgegabelt zu werden. Was im Angesicht der hell leuchtenden Lichtstrahlen bleibt, ist eines der legendären Spielberg Faces; staunend und überwältigt. Und tatsächlich erweist sich das Opening von James Gunns‘ Debüt im Marvel Cinematic Universe als Verneigung vor verträumten Science-Fiction-Werken wie Close Encounter of the Third Kind oder E.T. the Extra-Terrestrial. Auch nach dem Zeitsprung, der eine Spanne von 26 Jahren hinter sich lässt und das Geschehen somit in die Gegenwart katapultiert, bleibt die referenzielle Nostalgie an filmische Vorbilder erhalten. Auf eine verspielte Raiders of the Lost Ark-Hommage folgt der Sprung zum legendärsten Weltrummärchen des popkulturellen Denkens und zwischendurch jubelt der Marvel-Neuankömmling ganz frech dem wilden Treiben den Sound bereits erwähnter Dekade unter: Come And Get Your Love. [...]

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                                      • 3 .5

                                        [...] Dementsprechend unstrukturiert ebnen die konfusen Überreste der kolportierten Handlung dem nächsten Set Piece den Weg, allerdings ohne ein Bewusstsein für jegliche Art von Dynamik zu einwickeln. Wie es erst kürzlich bei The Amazing Spider-Man 2 der Fall war, lebt Transformers: Age of Extinction ausschließlich aus Posen, aus Ideen, die gut aussehen. Zweifelsohne findet Michael Bay überaus adäquate Bilder, um den bombastischen Wahnsinn respektive Blödsinn zu illustrieren, gleichzeitig fehlt dem Gesamtkunstwerk jedoch etwas Verbindendes, etwas Erdendes – insbesondere weil sich das alles selbst so ernst nimmt. Was folgt, ist unfreiwillig komisch: Die One-liner sind platt, der Humor ein grenzwertiger und wenn nicht gerade der bayhem’sche Fetischismus im Rahmen einer wohlgeformten Helikopter-Silhouette vor dem goldenen Sonnenuntergang seine Vollkommenheit erlebt, dominiert der Voyeurismus, der sich mit uneingeschränkter Hingabe auf die Hotpants von Nicola Peltz konzentriert, als müsste die (willkommene) Abstinenz von Rassismus und Homophobie zwanghaft durch eine Steigerung des Sexismus ausgeglichen werden. Dazwischen wird die amerikanische Flagge im Sekundentakt ein Stück höher gehisst, um das militaristische Propagandafest angemessen zu zelebrieren. [...]

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                                        • 6 .5

                                          Wenngleich in erhabenen Lettern im Abspann Anthony Minghella und Sidney Lumet gedankt wird, ereignet sich unmittelbar zuvor im wohltemperierten Showdown von The Two Faces of January eine tiefe Verbeugung vor Carol Reed. Genau genommen handelt es sich um eine Hommage an das Spiel aus Licht und Schatten in The Third Man, wenn das Ensemble aufgescheucht vom lebhaften Zitherspiel durch düstere Gänge und Straßenzüge eilt, bis das Geschehen im Angesicht der Determination ein verheerendes Ende findet. Das wahnsinnige Streicherwerk von Alberto Iglesias, der bereits Tinker, Tailor, Soldier, Spy mit einem subtilen Soundtrack der Extraklasse versehen hat, lässt derweil nichts dem Zufall überlassen: Eine stetige Steigerung des instrumentalen Apparats und seiner aufregenden Bewegung führt automatisch zur Steigerung des Spannungsniveaus – selbst wenn Hossein Aminis Regiedebüt zum Zeitpunkt der entscheidenden Minuten bereits ein bisschen die Luft ausgegangen ist. [...]

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                                          • 8 .5

                                            Ich mach dich fertig, du Scheißnutte!, brüllt ein Mann vollkommen außer sich vor Wut, als er wie ein Gangsterboss aus dem schicken Wagen springt, der soeben mit quietschenden Reifen die Szenerie in Aufruhr versetzte. Unmittelbar darauf sekundiert er seinen gehässigen Wortschwall mit der Betätigung des Abzugs seiner Knarre und ein ohrenbetäubender Schuss erschüttert die Umgebung. Der weibliche Auslöser seines Zorns bleibt jedoch flüchtig, den Rücken zur Furie gewendet. Es folgen weitere Schreie, Flüche und garstige Auswüchse von unfassbar beleidigenden Satzbausteinen – und das obwohl Jean-Luc Godard im Inbegriff ist, der Sprache eine Absage zu erteilen. Ein letzter Abschiedsgruß, kein auf Wiedersehen. Fortan hasten nur noch vereinzelte Fragmente der gesprochenen Kommunikationsmöglichkeit durch den essayistische Bilderreigen, der in seiner pulsierenden Eigenart die Leinwand regelrecht zur zerreißen droht. Französische, deutsche sowie englische Zungen erklingen aus dem Off und verbrüdern sich willkürlich mit dem unzuverlässigen Untertitel. Eine Garantie von Verständnis existiert in dieser Welt nicht mehr. [...]

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                                            • Niemals! Dieser Verantwortung entkommst du nicht so schnell. :p

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                                              • 7

                                                Im Grunde ist Dante Lams Unbeatable eine Meditation über den Regen, der in allen möglichen Variationen besonders die ersten zwei Drittel des Films in Beschlag nimmt. Es tröpfelt, schüttet und schwemmt den Figuren regelrecht den Boden unter ihren Füßen weg. Eine ganze Wohnung steht unter Wasser und selbst die einzige Fluchtmöglichkeit aus dieser tristen Welt, ein Paar Kopfhörer, fällt dem kalten Nass zum Opfer. Später gesellt sich der Sound of Silence zum Schweiß der Körper, die vorzugsweise dem Regenerguss entgehen, um sich in spektakulären MMA-Kämpfen mit Blutergüssen zu übertreffen. Im Hintergrund begleitet immer wieder die Lichter des nächtlichen Macaus die dynamischen Montagen, die obgleich ihrer sich wiederholenden Inhalte nie die gleichen Muster und Strukturen aufweisen. Schließlich kann so ein Reifen auf den unterschiedlichsten Wegen bearbeitet werden und Dante Lam schreckt nicht davor zurück, diese Vorbereitung auf die bevorstehende Kollision der Gliedmaßen in beinahe poetischen Farbspektren zu illustrieren, inklusive dem fließenden Übergang in die Erinnerung einer Schwarzweißfotografie.

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                                                • 8 .5

                                                  Absurd, komisch und geradezu bizarr: Blind Detective kommt nie zur Ruhe, ist gleichermaßen aufgedreht wie lebensfroh und weiß dennoch seine quicklebendige Aura in den entsprechenden Momenten zu zügeln, um den düsteren Tenor seiner Rahmenhandlung atmen zu lassen. Und dann wird gegessen. Immer. Egal wann, wo und wie. Im Wagen des vermeintlichen Mörders, im Restaurant aus feierlichem Anlass oder eben ganz schnell zwischendurch einen Happen, um sich gestärkt ins nächste Abenteuer zu stürzen. Jedoch bleibt die Inszenierung der Mahlzeit nie ausschließlich beim Vorgang der Nahrungsaufnahme hängen, sondern umfasst ebenfalls den Akt der Beschaffung und Zubereitung sowie den des späteren Ausklangs der kulinarischen Köstlichkeiten. Superb!

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                                                  • 8 .5

                                                    Ein Hauch vom Grün des Waldes, vom sättigendenden Blau des Himmels und natürlich des feurigen Rots – egal ob als stellvertretende Markierung für das Leben oder den Tod. Das Blut spritzt in Hayao Miyazaki extraordinärem Märchen Prinzessin Mononoke (もののけ姫 / Mononoke Hime) und ebenso arrangieren sich abgetrennte Gliedmaßen bereits nach wenigen Minuten mit der atemberaubenden Einheit der Natur. Gleichzeitig zieren die kräftigen Farben das Angesicht der titelgebenden Protagonistin, einer Wilden, einer Kriegerin. Sie lebt im Einklang mit den Tieren, obgleich ihrer menschlichen Abstammung. Dennoch fungiert sie im weiteren Verlauf des Abenteuers als Brücke zwischen den planlos verfeindeten Welten. Die animalischen Geschöpfe des Waldes begegnen der verwerflichen Zunft der Menschen mit berechtigtem Misstrauen. Auf der anderen Seite sind es mitunter die Vierbeiner, die für Angst und Schrecken sorgen – sprich eine Gefahr, die man aus Sicht der Denkenden bannen muss und sogar bannen kann, wenngleich ein böser Dämon, der weder der einen noch der anderen Seite seinen Vorzug gewährt, als Initialzündung für den aufbrausenden Konflikt in Prinzessin Mononoke dient. [...]

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