Beeblebrox - Kommentare

Alle Kommentare von Beeblebrox

  • 8 .5
    über Jackie

    [...] Im Verlauf des Films verweist Jackie Kennedy mehrmals auf das oben zitierte Musical von Frederick Loewe und Alan Jay Lerner – insbesondere jenen Song, in dem Richard Burton diesen wundervollen Ort besingt, an dem sich einfache Menschen zusammengefunden haben, um für das Gutes zu kämpfen. Wenngleich dieses wiederkehrende Motiv nicht zu den subtilsten Merkmalen von Jackie gehört, vereint es sehr gut die große Stärke von Pablo Larraíns vielschichtigem Werk: Auf einfache Weise bündeln sich in einer unscheinbaren Sache – in diesem Fall dem Song – sämtliche Ebenen der Geschichte. Das Öffentliche und das Private, der Mythos und die Wahrheit, die Figuren und ihre Beziehungen. Es geht um das Erlebte, das Vermächtnis und die Balance dazwischen. Zum Schluss besteht Jackie Kennedy darauf, ihre eigenen Worte zu redigieren. Erst dann sind sie zur Veröffentlichung freigegeben. Doch was die Welt aus ihnen macht, dass kann weder Jackie Kennedy mit ihren Worten noch Pablo Larraín mit seinen Bildern bestimmen. Das bestimmt die Welt ganz alleine, in ihrem unergründlichen Lauf der Dinge.

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    • 6 .5

      [...] Aus ganz vielen verschiedenen Perspektiven will J.A. Bayona das Innenleben seines Protagonisten beleuchten, um die Situation, in der er sich befindet, begreifbar zu machen. Trotz hervorragender Vorarbeit stößt A Monster Calls im Bereich des Begreifbaren allerdings an seine Grenzen, da es dem Film selbst nicht so recht gelingt, die letzte große Hürde zu nehmen, ähnlich, wie sich Connor davor drückt, sich seiner eigenen Angst zu stellen. Das Monster wird nicht müde zu betonen, dass im finalen Akt der Erzählung eine vierte Geschichte wartet, die von Connor selbst erzählt werden muss. Es ist der Schlüssel zur Erlösung, die in Vergebung und Liebe schlummert. Ab diesem Moment wiegt sich der Film – und vor allem seine Dramaturgie – zu selbstsicher in der Gewissheit, das Trauma mit einem einfachen Gleichnis aufzuschlüsseln und somit zu eliminieren. Gerade aufgrund der vielschichtigen Auseinandersetzung zuvor hinterlässt diese schemenhafte Herangehensweise ein irritierend unvollständiges Gefühl. [...]

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      • 8 .5

        [...] Ob La La Land perfekt ist? Diese Frage stellt sich im Epilog gar nicht mehr, denn es gibt so viel mehr in all den Bruchstücken und ungedeckten Augenblicken zu entdecken, als ein schnörkelloses Bilderbuch zu bieten hat. Gerade in puncto Inszenierung wandelt der Film auf einem schmalen, aber spannenden Grat: Aufwendige Plansequenzen und einstudierte Choreographien laden verführerisch dazu ein, jedes Detail in Kontrolle zu ertränken. Doch dann blitzt da immer wieder der ganz natürliche Makel durch, etwa so, wie Mia verstohlen durch die Tore einer riesigen Studiohalle blickt. Für einen kurzen Augenblick offenbart sich Atemberaubendes. Dann ist der Moment jedoch schon wieder vorbei, ehe man ihn für die Ewigkeit festhalten kann.

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        • 5 .5

          [...] Wo eben noch der romantische Aspekt der Liebesgeschichte zwischen Jim und Aurora im Vordergrund stand, legt Morten Tyldum urplötzlich einen anderen Gang ein, um etwas von Ridley Scotts Alien und Steven Soderberghs Solaris-Remake abzubekommen. Ab einem gewissen Punkt wirft Passengers jedoch bloß noch mit verschiedenen Genre-Bausteinen um sich, ohne sich je Gedanken um die eingangs betonten Formen und Strukturen zu machen. Viele Dinge passieren, nur wenige davon sind von Belang. Irgendwie gelingt es Thomas Newman dennoch all diese Verschwendung mit seinen musikalischen Kompositionen in einem musikalischen Rahmen zu bündeln. Die Frage ist nur, ob dieser ultimativ betäubend oder sphärisch verblassend wirkt. Den Abgrund der Geschichte hat Passengers zu diesem Zeitpunkt allerdings schon lange passiert. Ein tragisches Missverständnis.

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          • 3
            • 9

              [...] Selbst in dieser wohligen Umgebung, die so viel Heimat ausstrahlt wie keine einzige Kulisse zuvor, bleibt Chiron in der Gegenwart des alten Freundes ein Fremder. Plötzlich wird er mit den verschiedenen Identitäten konfrontiert, die er sich über die Zeit angelegt hat, um mit seiner Umwelt zu verschwimmen. Am Ende bleibt allerdings trotz tougher Maskerade die große Unsicherheit eines Jungen, der sich nach wie vor auf der Suche befindet. Leise greifen Nicholas Britells andächtige Klaviertöne und ein heimlich aufbrausender Streicher lässt im Hintergrund die unendliche Tragik dieses zerbrechliches Wiedersehens durchblitzen. Barry Jenkins hat allerdings noch längst keinen Schluss und erst recht kein Happy End für sein Märchen im Mondlicht gefunden. Chiron und Kevin blicken sich in die Augen, im Wissen über das, was hätte sein können, das, was ist, und das, was entgegen aller vorherigen Ereignisse noch werden kann. Dennoch bleibt sie, die Ungewissheit vor dem entscheidenden Schritt.

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              • 8

                [...] Entgegen aller satirischen Elemente, die verborgen im Herzen von Billy Lynn’s Long Halftime Walk schlummern, lässt sich Ang Lee zu keinem Zeitpunkt auf das Niveau bloßstellender Gesten herab. Selbst wenn sich eine naive Liebesgeschichte als zerreißende Enttäuschung herausstellt, bleibt das ironische, überhebliche Zwinkern aus. In aller Künstlichkeit des Spektakels interessiert sich Ang Lee nur für das Menschliche, das sich durch unbeschreibliche Abgründe quält, aber nie am friedlichen Ort aller Sehnsüchte gelangt: der Heimat. Zwischen Feuerwerken und Destiny’s Child befindet sich diese sicherlich nicht, im staubigen Schützengraben unter Beschuss allerdings auch nicht. Selbst zum Schluss offeriert Ang Lee keine eindeutige Antwort auf diese Frage nach diesem Ort der Geborgenheit – und das macht Billy Lynn’s Long Halftime Walk so wertvoll. Schon lange war der Diskurs in einem Drama dieses Kalibers dermaßen vielschichtig und berührend wie zur Halbzeitpause dieser universellen Odyssee.

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                • 5

                  [...] All diese Überlegungen bekommen in Assassin’s Creed aber kaum Platz geboten, den sie so dringend benötigen, um sich ordentlich zu entfalten. Selbst im Angesicht der üppigen Laufzeit gelingt es Justin Kurzel zu keiner Minute, seinen Film richtig zum Leben zu erwecken. Meistens geistern die Figuren durch leere Hallen, die festlich gedeckt sind, jedoch völlig statisch in ihrem Überschwang ersticken. Lediglich in einer Action-Sequenz, die sich über die Dächer der Spanischen Inquisition erstreckt, gibt Assassin’s Creed Ausblick auf das Feuer, das tief im Inneren des Films verborgen liegt, allen Bemühungen zum Trotz aber nie aussbrechen kann. Es ist eine schmerzliche Tragödie und eine Enttäuschung, bei all dem vorbildlichen Ehrgeiz, der dahinter steckt. Bleibt zu hoffen, dass Alicia Vikanders Tomb Raider-Reboot endlich denn Bann der Videospielverfilmungen im Kino bricht.

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                  • 9 .5

                    "I hope your life's filled with wonder, Daniel."

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                    • 9

                      Unter tosendem Beifall ging sie unter, die Demokratie in Star Wars: Episode III – Revenge of the Sith. Seitdem herrscht Chaos, obgleich eine neue Ordnung aus der Asche der Republik entstanden ist. Das Imperium spaltet die Galaxie, überall breiten sich Unruhen es. Es ist eine Zeit der absoluten Unsicherheit, in der sich niemand über Freund noch Feind im Klaren sein kann. Genau in dieser Zeit treffen zwei Männer aufeinander, beide unheimlich ehrgeizig in ihren Ambition. Ehe sie sich jedoch versehen, werden sie von etwas Gewaltigem überschattet, das viel größer ist, als sie es je sein werden.

                      Rogue One: A Star Wars Story, der erste Anthologie-Film im Star Wars-Universum, entführt exakt in diese Zeit, in der ein ungewisser Nebel über den Feldern von Lah'mu liegt. Weit ab des Zentrums der Galaxie soll an einem windigen, regnerischen Tag das Schicksal seine ersten Spuren hinterlassen, wenn sich die Wege der eingangs erwähnten Männer gleichermaßen kreuzen wie trennen. Das Resultat ist der Grundstein einer Odyssee, die aus der Distanz betrachtet wohl nie mehr sein als eine Randnotiz sein großen Gefüge wird. Dennoch hat Gareth Edwards mit der Bebilderung dieser noch so unscheinbaren Notiz ein unfassbar mitreißenden Weltraummärchen geschaffen, das spätestens im finalen Akt alle Dimensionen sprengt. [...]

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                      • 5 .5

                        [...] Das ist schade, insbesondere, da Allied in einzelnen Momenten durchblicken lässt, was für ein großartiger Film sich hinter der hölzernen Fassade versteckt. Spätestens, wenn die Handlung so weit fortgeschritten ist, dass gewisse Entscheidungen nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, entfacht endlich der Funke, der so lange Zeit im Verborgenen schlummerte. Dann bewegt sich auch Robert Zemeckis selbstsicher Richtung Rollfeld, um ein prächtiges Finale im stürmischen Regen zu entfesseln. Leider hat sich Allied auf diesen letzten Metern keine der überschwänglichen Gesten verdient. Ein kurzer Schrei, der so schnell verhallt, wie sich Alan Silvestris behutsamer Score über das Geschehene legt. Zum letzten Mal erklingt die zärtliche Melodie, die eine der größten Liebesgeschichte des Kinojahres hätte untermalen können, wäre sie in diesem Moment nicht schon komplett verblasst.

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                        • 8
                          über Sully

                          [...] Ein Mann alleine hat hier keine 155 Leben gerettet, sondern ein komplexes Konstrukt ist letzten Endes dafür verantwortlich, dass binnen weniger Minuten alle Betroffenen in Decken gehüllt vom Ufer des Hudson Rivers das Flugzeug im eiskalten Wasser untergehen sehen können. Auf einmal spielt der Weltuntergang keine Rolle mehr. Stattdessen geht es um jenem atemberaubenden Augenblick, wenn alle New Yorker Hände gemeinsam helfen. Genau dann findet Sully nicht nur seine amerikanischen Helden (Plural!), sondern ebenso die entscheidende menschliche Komponente. Und das ist mitreißend wie ergreifend.

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                          • 7
                            über Vaiana

                            [...] Zu dieser Form von Dialog gehören ebenfalls zahlreiche Gespräche zwischen Moana und ihrem mehr oder weniger unfreiwilligem Wegbegleiter Maui, der zuerst einmal in seinem blinden Stolz gebrochen werden muss. „If you wear a dress and have an animal sidekick, you’re a princess!“, posaunt er in der Gegend herum, um Moana zu verdeutlichen, dass sie definitiv die falsche Person für Heldentaten sei. Charakterentwicklung und Metaebene in einer Szene: Dieses eine Zitat kann stellvertretend für alle Entwicklungen der jüngeren Disney-Filme genannt werden. Beim genauen Hinsehen mag es folglich nicht neu erscheinen – überholt ist es deswegen allerdings noch lange nicht. Wenngleich Jared Bushs Skript gelegentlich zu oft das Bedürfnis hat, sich zu rechtfertigen und dadurch ganz scharf an der Grenzen zum Theoretischen vorbeischlittert, kann Moana seine Botschaft gar nicht ausdrücklich genug betonen. In seinem letztendlichen Zauber stört es den Film keineswegs – dafür sorgt neben den prächtigen Bilderwelten Hamilton-Schöpfer Lin-Manuel Miranda, der mit seinen Kompositionen eine weitere aufregende Facette dieses Abenteuers geschaffen hat.

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                            • 8

                              [...] Ohne je wie eine Parabel zu wirken, erzählte schon Harry Potter eine Geschichte von essentieller Allgemeingültigkeit. Seien es die Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern oder die geschichtlichen Verweise, die in unterschiedlichster Form die Zauberwelt gestalteten: Auch Fantastic Beasts weiß über die Grenzen eines Spielfilms hinaus zu erzählen und verbindet diesen willkommenen Umstand stets mit hoffnungsvoller Magie. Vielleicht hätte dieses mitreißende Märchen zu keinem denkbar besseren Zeitpunkt ins Kino kommen können. Und es stimmt optimistisch, dass wir uns noch mindestens vier Mal mit Newt und Co. in neue Abenteuer, in neue Welten stürzen können. "Alohomora!"

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                              • 5

                                [...] Ein bisschen frustrierend ist es durchaus, wie Doctor Strange einen Widerspruch nach dem anderen… vereint. Auf der einen Seite die unendlichen Möglichkeiten des puren Eskapismus, auf der anderen Seit die klaren Bestimmungen einer Marke, die es intaktzuhalten gilt: Wo Doctor Strange eben noch einen verheißungsvollen Ausblick auf das gab, was da noch kommen mag, vernichtet er im nächsten Moment sämtliche Erwartungen mit dem braven Gehorsam gegenüber all den Regeln und Richtlinien, die das MCU im Guten wie im Schlechten definieren. Immerhin liefert Scott Derrickson eine dermaßen flüssige Inszenierung ab, dass die Zeit ziemlich zügig vergeht. In wenigen raren Augenblicken blitzt er sogar durch, der funkelnde LSD-Trip, der Doctor Strange hätte werden können.

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                                • 5

                                  [...] Irritierend ist es vor allem dann, wenn Danny Elfman mit aufbrausendem Orchester den Showdown einleitet, der das gespaltene Wesen von The Girl on the Train im Endeffekt sehr gut auf den Punkt bringt: Um sich ernsthaft mit seinem Thema auseinanderzusetzen, hängt der Film zu sehr an stilisierten, bedeutungsschwangeren Genre-Tropen und traut sie nie, eine klare, deutliche Ansage zu machen. Gleichzeitig schielt Tate Taylor immer wie unbeholfen Richtung David Fincher, der zuletzt mit Gone Girl in einem ähnlichen Metier wütete, allerdings beherzt die Pulp-Facetten der Gillian Flynn-Adaption auslebte und dadurch ein cleveres Kunststück schaffte.

                                  Ein Blick von Rosamunde Pike vermittelte dort mehr Unbehagen als The Girl on the Train in seiner gesamte Laufzeit, so erhaben Emily Blunt im nebligen Feld der Ungewissheit auch wandeln mag. Bei Tate Taylor verlaufen sich all diese gespaltenen wie spaltenden Blicke im Nichts. Selbst der Vergeltungs-/Erlösungsschlag auf der Zielgeraden kann sich nicht entscheiden, ob er lieber bissige Satire oder ehrliches Drama sein will. Es ist ein unbefriedigendes, enttäuschenden Dilemma. Was hätte The Girl on the Train für ein bedeutsamer Film werden können, was hätte The Girl on the Train für ein bedeutsamer Film werden müssen.

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                                  • 8
                                    über Arrival

                                    [...] Auch in Arrival, Denis Villeneuves einnehmendem Science-Fiction-Film, ereignet es sich, dass die gesamte Menschheit – nach all den Erfahrungen, die sie im Lauf der Vergangenheit mühsam gesammelt hat – diesen schicksalhaften Punkt erreicht und nicht einmal dazu in der Lage ist, „Hallo“ zu sagen. Es ist frustrierend und verblüffend, genauso wie der Film selbst, der vor seiner immensen Bedeutung nahezu selbst erzittert. Letzten Endes darf er das aber auch, weil es so unfassbar wichtig ist, den Dialog anzustreben und in der Kommunikation eine Lösung zu finden. Abgesehen davon: Sollte das Überleben der Menschheit tatsächlich von Amy Adams abhängen, müssen wir keine Sorgen mehr machen. [...]

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                                    • 6
                                      über Inferno

                                      [...] Es ist der Eskapismus, den eine aufregende Schatzsuche mit ungewissem Ziel verspricht und an verwunschene Orte mit unglaublichen Geheimnissen entführt. Befeuert wird diese Odyssee durch all die faszinierenden Archetypen, die zwar dermaßen knapp an der Unerträglichkeit vorbeischrammen, aber gerade deswegen eine unwiderstehliche Faszination ausstrahlen. Etwa Felicity Jones als unerwartete Weggefährtin in einer Verfolgungsjagd ohne klaren Hintergrund oder Irrfan Khan, der sich im Verlauf von zwei Stunden auf mindestens drei verschiedenen Ebenen im Gut-gegen-Böse-Geflecht bewegt und sich somit trotz konventioneller Charakterzüge als unberechenbare Konstante in diesem ewigen Versteckspiel entpuppt. Am wichtigsten ist jedoch, dass sich Inferno ständig in Bewegung befindet, wenngleich dieser Umstand in einem Gros aller Szenen zur Folge hat, dass die Figuren durch die Gegend rennen. Durch Straßen, über Dächer, unter Gebäuden: Es gibt keinen Fleck dieser Erde, den Robert Langdon nicht per pedes erreichen könnte. Ein schöner, beruhigender Gedanke – gerade bei einem solch hektischen wie ungewissen Einstieg in ein Abenteuer, das einfach passiert ist, obwohl keiner danach gefragt hat.

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                                      • 8 .5

                                        [...] Es ist ein ständiger Neuanfang: ein bisschen wie Adam Sandlers 50 erste Dates, ein bisschen wie Bill Murrays ewiges Erwachen am Murmeltiertag. Gerade in dem Moment, wo sich Hong Sang-soo der neuen Chance annähert, die im Vergessen schlummert, vergisst er nicht, die Ungewissheit jenes Augenblicks zu erwähnen. Auf einmal nimmt das Bier den Platz von Soju ein und man erkennt die Welt nicht wieder: Wie viele Filme zuvor versteht sich Yourself and Yours ebenfalls als Meditation auf Hong Sang-soos eigenes Schaffen. Durchströmt von unbeständiger Beständigkeit könnte geradezu der Eindruck entstehen, ein Werk gleicht dem anderen in Form und Ausführung. Gerade diese Form ist jedoch dermaßen intim und zerbrechlich, dass es unmöglich ist, zwei Mal das Gleiche zu konstruieren. Ob das etwas Schlimmes ist? Ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Es ist die Möglichkeit, in einem Kreislauf mit kleinen Details etwas Neues zu erschaffen. Und das ist unglaublich!

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                                          [...] Als wäre Damon Lindelofs Insel aus Lost in Form der Westworld zu neuem Leben erwacht, offenbaren sich fast im Minutentakt neue Geheimnisse und Konflikte, die das größere Bild der Serie erahnen lassen. „Smart enough to guess there’s a bigger picture, but not smart enough to see what it is.“, heißt es zu einem späteren Zeitpunkt gleichermaßen bedrohlich sowie die Spannung ins Unerträgliche befeuernd. Zweifelsohne ist diese Aussicht auf eine dermaßen reiche Welt die größte Stärke der Pilot-Episode, die mit Sicherheit zu den besten ihrer Art gezählt werden kann. Das Potential quillt aus allen Ecken und Kannten. Jetzt müssen Jonathan Nolan und Lisa Joy nur noch einen roten Faden finden, um an der schier erdrückenden Themenlast nicht zu ersticken. Vielleicht wissen die Kreativen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, was für seine Serie Westworld später einmal sein soll. Sicher ist nur, dass Westworld nach diesem fabelhaften Auftakt jede Serie dieser Welt werden kann – und damit auch eine der besten.

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                                          • 9

                                            [...] Dabei kreiert Andrea Arnold ein gewaltiges Epos, wie es zuletzt Harmony Korine im Rahmen von Spring Breakers getan hat: Ein pulsierender Rausch, der pure Energie ausstrahlt und sich ständig in Bewegung findet. American Honey ist das Portrait einer rastlosen Generation, die sich von den Konventionen der Gesellschaft lösen will und ihre eigene Stimme sucht. Schlussendlich bleibt ihr jedoch nicht mehr als der Amerikanische Traum, der sie genau zu jenen Wurzeln allen Übels zurückführt, denen sie eigentlich zu entkommen versuchen. Es ist frustrierend. Dennoch gibt es da immer noch diesen einen Moment dazwischen. Und dieser ist unendlich. [...]

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                                            • 7
                                              über Pitch

                                              [...] Kylie Bunbury, bisher aus Serien wie Under the Dome, Tut - Der größte Pharao aller Zeiten und Twisted bekannt, füllt diese Rolle großartig aus und bringt Leben in eine Figur, die im schlimmsten Fall zur bloßen Kopie unzähliger Vorbilder verkommen wäre, hätte jemand beim Casting kein glückliches Händchen bewiesen. Bei Pitch ist dies allerdings nicht der Fall. Ginny gehört zu jener Gruppe Protagonistinnen, die schon existieren, bevor die Handlung der Serie überhaupt angefangen hat, obwohl sie noch lange nicht da angekommen ist, wo sie eigentlich hin will. Kylie Bunbury verkörpert exakt diese Inspiration einer jungen Frau, die sich aller Widerstände zum Trotz in die Höhle des Löwen wagt. Dann ist es nicht der schockierende, völlig unerwartete Cliffhanger zum Schluss, der in der nächsten Woche zum Einschalten bewegt, sondern die Ausstrahlung einer Serienfigur und ihrer Schauspielerin, die hoffentlich noch viele weitere Episoden so stark bleibt wie in ihrem Debüt. Home Run!

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                                              • 8 .5

                                                Es ist ein ewiger Kreislauf, dieses Leben. Niemand kann sich ihm entziehen. Auf jeden Montag folgt ein Dienstag, der wiederum von einem Mittwoch, Donnerstag und Freitag abgelöst wird, bevor Samstag und Sonntag den Weg für den nächsten Montag ebnen. Die Woche hat sieben Tage, jeder dieser Tage 24 Stunden und dazwischen existieren noch 1440 Minuten und 86400 Sekunden, die vergehen - ja, immer wieder von vorne vergehen. Dennoch gleicht dieser ewige Kreislauf einem Paradox, denn alles fließt, befindet sich in Bewegung und wird niemals bleiben. Das Erleben eines jeden neuen Tages scheint trotzdem ein mühseliges Schicksal zu sein. Eine anstrengende Aufgabe, die schnell zu trister Eintönigkeit führt.

                                                In der Wiederholung liegt der Ausbruch jedoch bereits verborgen. Um dieses Geheimnis zu entdecken, braucht es allerdings Zeit - und Zeit ist etwas, mit dem Jim Jarmusch seit Anbeginn seines Schaffens sehr bewusst und effektiv umgeht und umgehen kann, so auch bei seinem jüngsten Werk, Paterson, einer nachdenkliche wie berührenden Meditation auf den ewigen Kreislauf des Lebens. Der Film erzählt aus dem Alltag des titelgebenden Busfahrers, der nach der Stadt benannt wurde, in der er lebt und aufgewachsen ist. Adam Driver schlüpft nach seinen unbeherrschten Wutausbrüchen in Star Wars: The Force Awakens mit einer ebenso einnehmenden, aber deutlich zurückhaltenderen Performance in die Rolle des Protagonisten, der geradezu mit seiner Heimat verschmilzt und trotzdem ein Fremder ist. [...]

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                                                • 5 .5

                                                  [...] Dieser Stärke wird sich The Infiltrator schlussendlich aber viel zu spät bewusst, sodass ein Gros der aufgestauten Anspannung im Nichts verebbt. Erst im letzten Drittel reißt Brad Furman erschrocken das Steuer herum, als würde er wie Robert Mazur plötzlich erkannt haben, dass es kein Zurück mehr gibt. In diesem Augenblick lässt The Infiltrator auf eine notwendige, längst überfällig Investition ein, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Egal wie oft es zuvor behauptet wurde: Nun steht wirklich etwas auf dem Spiel und damit nimmt das Treiben automatisch etwas Form und Dynamik.

                                                  Der bemerkenswerteste Moment erfolgt dann tatsächlich im Finale: Nach all den Dingen, die Robert Mazur und seine Partnerin, Kathy Ertz (engagiert: Diane Kruger), hinter sich zurückgelassen haben, um das doppelte Spiel auf die Spitze zu treiben, müssen sie sich nun umdrehen und einen letzten Blick nach hinten werfen. Gerade die Sicherheit und Zuversicht, die The Infiltrator in dieser Sekunde ob des baldigen Endes ausstrahlt, sorgt für den grausamen Schmerz der Unehrlichkeit. Ein kleiner Triumph, nur leider auch ein unverdienter. Bryan Cranston bleibt dennoch eine unberechenbare Instanz in diesem Chaos.

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                                                    über Atlanta

                                                    [...] Abseits davon zehrt Altanta unheimlich von dem Umstand, dass die Musik nicht bloß der klassischen Untermalung dient, sondern genauso wie Atlanta als Handlungsschauplatz eine aktive Rolle in Donald Glovers Schöpfung einnimmt. Menschen und Milieu verschwimmen in den Beats der Musik, die sich mal nachdenklich, mal aufgeregt ihren Weg in den Mittelpunkt des Geschehens bahnt und dann genauso leichtfüßig wieder im Hintergrund verschwindet. All diese Dinge machen Atlanta nicht nur zu einem der verheißungsvollsten Neustarts der Herbstsaison, sondern des ganzen Jahres sogar. Es lässt sich nur ausmalen, zu was diese wundervolle Serie in den nächsten Wochen in der Lage ist. Das Versprechen (und der Titel) des Piloten hätte zumindest nicht besser eingelöst werden können: The Big Bang.

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