Beeblebrox - Kommentare

Alle Kommentare von Beeblebrox

  • 5 .5

    [...] So viele Themen The Magnificent Seven im Rahmen der umfangreichen Laufzeit auch ansprechen könnte: Zum Schluss fehlt dem Film selbst die Kraft, die Geschehnisse zu kommentieren, geschweige denn, zu verurteilen. Die Frage nach Rache und Gerechtigkeit wird kurz in den Raum geworfen, während der historische Kontext wie eine triviale Randnotiz wirkt, als tatsächliche Bereicherung wird sie seitens der Drehbuchautoren, Nic Pizzolatto und Richard Wenk, allerdings nicht wahrgenommen. Selbst wenn Haley Bennett als einzige (!) Frau im Main-Cast mehrfach (!!) erwähnt, sie würde gerne Seite an Seite mit den Männern kämpfen, wird ihr Anliegen lediglich nickend zur Kenntnis genommen und damit als erledigt erklärt – fast ein bisschen Dreist, diese fröhliche Ignoranz der Dinge. Schlussendlich fasst sie den ungehobelten Ritt der glorreichen Sieben im Jahr 2016 aber ganz gut zusammen.

    5
    • 6
      • 8

        [...] Das Resultat gleicht einem unendlichen Bewusstseinsstrom der vernetzten Welt, der dank feiner wie präziser Akzentuierungen Unbeschreibliches wie Mitreißendes schafft. Alles ist lebendig in Jason Bourne, alles ist in Bewegung. Dann spielt es keine Rolle mehr, auf welchem Level des Fortschritts das ekstatische Tohuwabohu vonstattengeht. Am Ende sind es wieder die Körper aus Fleisch und Blut, die sprichwörtlich im Schlamm und Matsch aufeinandertreffen. Das Lichtermeer von Las Vegas ist auch nur eine Oberfläche; der wahre Kampf findet im Untergrund statt, wo weder echtes noch künstliches Licht seinen Weg hinfindet. Und in dieser faszinierenden Schattenwelt (des Kinos) bewegt sich Jason Bourne, die überwältigende Schönheit zwischen den Bildern offenbarend.

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        • 6

          [...] Paul Feig weiß um die verschiedenen Stärken seiner Darstellerinnen und kombiniert diese genauso clever, wie er es zuvor in Bridesmaids getan hat. Das Resultat bewegt sich hervorragend auf dem schmalen Grat zwischen Action, Komödie und Grusel – jede Szene legt dabei ihren eigenen Schwerpunkt, sodass am Ende der zwei Stunden Laufzeit ein ausgeglichener wie zufriedenstellender Eindruck bleibt. Außerdem bringt Paul Feig viele seiner Talente mit, die er zuletzt in der Agenten-Komödie Spy unter Beweis gestellt hat: Trotz des beherzten Bewusstseins für die Absurdität und Übertreibung des Geschehens ermöglicht Ghostbusters ein aufregendes Abenteuer zum Mitfiebern. [...]

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          • 3 .5

            [...] Vermögen einzelne Passagen tatsächlich die Größe dieses gewaltigen Opus zu offenbaren, das David Ayer offensichtlich schaffen wollte, wirkt der fertige Film nur noch wie ein umständlicher bis schlampiger Kompromiss, kalkuliert von Produzenten, die panisch auf die gespaltene Rezeption von Batman v Superman: Dawn of Justice reagieren – und hat somit jeglichen Reiz verloren. Gelegentlich blitzt er noch durch, der dreckige Albtraum im strömenden Regen und Neonfarben, der die Grenze zwischen Gut und Böse gänzlich verschwinden lässt und sich in der Moral des Wahnsinns verliert. Letztendlich stolpert Suicide Squad aber bloß von Set Piece zu Set Piece und verpasst sogar die Chance, den Akt des Stolperns clever zu nutzen. Stattdessen liefern sich Flashbacks und Handlungsbruchstücke ein holpriges Wettrennen um die Inkohärenz des Geschehens und verlassen sich blind auf die vereinende (sprich: verwässernde) Kraft des musikalischen Getöses im Hintergrund. [...]

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            • 8 .5

              [...] Was bleibt, ist ein kleines Wunderwerk, das auf der einen Seite für sich alleine steht und auf der anderen Seite wunderbar in den Fluss der 3. Staffel von BoJack Horseman passt. Die Suche, nach dem, was glücklich macht, zieht sich wie ein roter Faden durch die Serie und wird auch in dieser Episode in inspirierender Variation aufgegriffen. Es ist beeindruckend, wie leichtfüßig und bewegend das Motiv transportiert wird - vor allem durch die Körpersprache der mit aller Sorgfalt gestalteten Figuren. Dann erzählt eine minimale Nuance in der Bewegung mehr, als es ein umfangreicher Dialog in seiner Gänze könnte. Das Tolle ist zudem die Erkenntnis, dass all diese feinen Elemente unlängst Bestandteil von BoJack Horseman sind. Selten kamen sie jedoch so schön zur Geltung wie in diesem einmaligen, zeitlosen und hochkonzentrierten Kapitel. Und vielleicht erschafft Fish Out of Water in seiner unkonventionellen Aufmachung ein neues Bewusstsein dafür.

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              • 8 .5

                [...] Als Anlass für die Rückkehr fungiert nun eine gewisse Festivität des Glücks, tatsächlich jedoch wartet dieses Glück nicht mit offenen Armen an der Pforte der Metropole. Nein, es versteckt sich tief in ihrem Inneren, tief in ihrem Herzen. Patrick muss sich erst langsam wieder vortasten, in diese Welt, der er eigentlich den Rücken kehren wollte. Dementsprechend zerbrechlich wirkt jeder Augenblick dieser letzten Atemzügen in vertrauter Umgebung. Und dann passiert er, dieser ultimativ emotionale Höhepunkt. Noch bevor die Kamera zum Schluss aus einem Café in die menschenleeren Straßen der Nacht zoomt, ertönt Hood von Perfume Genius und Patricks Blick schweift in einem Moment absoluter Frustration durch Raum.

                Was er sieht? Das sind Menschen – Menschen, die ihm etwas bedeuten, die ihn auf seinem Lebensweg begleitet haben, ob er wollte oder nicht. Ein unglaublich beruhigender wie versöhnlicher Gedanke bahnt sich plötzlich seinen Weg in den Mittelpunkt. Und er kommt nicht von ungefähr, sondern erschließt sich 18 überaus sorgfältig geschrieben, inszenierten wie gespielten Episoden. Dann haben es Michael Lannan und Andrew Haigh geschafft, den letzten, schmerzlichen Akt über die Bühne gebracht und tatsächlich einen Abschluss für diese tolle Geschichte gefunden, die eigentlich jede Fortsetzung dieser Welt verdient hätte. Aber vielleicht verbirgt ab jetzt in diesem stillen Schluss und einer anschwellenden Klavierbegleitung das größtes Geheimnis von Looking.

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                • 2
                  • 7 .5

                    [...] Warum er überhaupt hier draußen ist, gibt Kirk im begleitenden Voice-over zweifelnd zu Protokoll und im Bruchteil einer Sekunde wird klar, dass dieser Star Trek-Film weit mehr als kurzweilige Science-Fiction-Unterhaltung sein will. Verloren zwischen Raum und Zeit streift der Captain durch sein Schiff und fürchtet, sich am Ende der Reise komplett von sich selbst entfremdet zu haben. Beachtlich sind diese nachdenklichen Töne, die Simon Pegg und Doug Jung ganz beiläufig ins Drehbuch einfließen lassen, denn sie liefern letztendlich das Grundgerüst für die emotionale Reichweite des Spektakels, das kurze Zeit später Einzug in die Geschichte von Star Trek Beyond erhalten soll. Egal, ob verbindende Geste oder flüchtiger Blickwechsel – alles hat Gewicht und Konsequenzen. [...]

                    5
                    • 8

                      [...] Zum wahren Künstler wird Jaume Collet-Serra jedoch erst dann, wenn er sich völlig in der Wellenbewegung von The Shallows verliert und den Film einfach treiben lässt. Sorgte eben noch der Aufschlag von Körperteilen auf festem Gestein unter Wasser für unmittelbare Schmerzen, zaubert die nächste Sequenz nach hektisch geschnittenen Aufnahmen einen Moment absoluter Ruhe in der klaren Finsternis der See, bevor der nächste Zusammenstoß mit der Bestie erfolgt. Generell verlässt sich Jaume Collet-Serra auf die direkte Kollision entsprechender Kontraste: Die Poesie im Schmerz etwa, wenn der Fluchtweg durch ein Quellenmeer für den Bruchteil einer Sekunde die tödliche Kraft der Masse vergisst und stattdessen einen magischen Anblick der Unendlichkeit offenbart. Und inmitten dieses Gemäldes befindet sich Blake Lively mit ihrer unantastbaren Aura, als könnte sie genauso problemlos übers Wasser gehen wie schlicht darin versinken und nie wieder auftauchen. Es sind faszinierende Widersprüche, die The Shallows antreiben, doch Jaume Collet-Serra hat sie alle fest im Griff. Am Ende singt Sia Bird Set Free. Vermutlich hätte der Film nicht treffender enden können.

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                      • 7 .5

                        [...] Im besten Fall fliegt dann ein voller freudiger Erwartung und Aufregung grinsender Doktorfisch in Zeitlupe durch die Gegend, während sich die Stimmen von Sigourney Weaver und Louis Armstrong im Ausblick auf eine bessere Welt vereinen. In dieser Sekunde ist Dory tragische Figur und rettender Anker zugleich und die Fragestellung wird umgedreht: „What would Dory do?“, heißt es, als Marlin und Nemo verzweifelt nach einem Ausweg aus einer misslichen Lage suchen. Denn Dory verkörpert nicht die Leidende, die sich allem Unheil unterwirft. Nein, sie nimmt die Sache selbst in die Hand, steht nicht als Opfer auf Seiten der Verlierer, sondern setzt ihren eigenen – mitunter brillanten – Kopf durch, egal wie unorthodox ihre Vorgehensweise dabei auch sein mag.

                        Am Ende gewinnt Dory, denn sie wagt den erneuten Schritt in den Abgrund – und das sicherlich nicht, weil sie sich an etwaige Gefahren nicht mehr erinnern kann, sondern weil sie tief in ihrem Inneren genau weiß, dass es sich lohnt, dieses Wagnis einzugehen. Da kann sich Finding Dory noch so blind auf altbekannte Plotbausteine verlassen: Gegen das lebensbejahende wie ansteckende Selbstbewusstsein dieses Films kommt nur wenig an.

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                        • 8

                          [...] Es ist nicht selbstverständlich, dass Maria Schrader auf eine dermaßen schlichte, aber irgendwie auch elegante bis genussvolle Inszenierung zurückgreift und dank Spielereien, die zu Raffinessen werden, auch noch wahnsinnig davon profitiert. Am Ende offenbart sich in einer Einstellung, die anfangs noch ganz „leer“ ist, die gesamte (Welt-)Geschichte. Immer größer wird der (filmische) Raum und selbst das kleinste Detail, das zuvor völlig unerkannt seinen Weg in den Film gefunden hat, erhält eine abschließende Erwähnung, obgleich diese nicht ausgesprochen wird. Dann lösen sich all die nachdenklichen Untertöne in Begeisterung auf, denn Vor der Morgenröte ist ein absoluter Triumph – und das, ohne stolz und aufdringlich zu sein.

                          8
                          • 6 .5

                            Schönheit. Vermutlich gibt es keinen Begriff, der für The Neon Demon, Nicolas Winding Refns jüngstes Werk, von größerer Bedeutung ist. Geradezu jede Faser des Films dürstet nach der Entdeckung jener vollkommenen Form, die jeglichen Zweifel in ihrer schlichten Erhabenheit zerschellen lässt. Es ist folglich kein Wunder, dass immer wieder das Bild einfriert und die Zeit stehen bleibt. Kein einziges Detail darf der Kamera entgehen, denn es könnte sich dabei genau um diesen einen Funken Schönheit handeln, der The Neon Demon auf gewisse Weise vervollständigen würde. Und tatsächlich geht Nicolas Winding Reff in jeder Einstellung sicher, dass dem nicht so ist, so forciert dringt er in die unendlichen Räume seiner verträumt-bedrohlichen Los Angeles-Odyssee vor. Nichts darf dem Zufall überlassen werden; der beiläufigste Wimpernschlag verwandelt sich in einen tosenden Sturm der Eindrücke – doch welcher dieser Impressionen ist eine bleibende? [...]

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                            • 6

                              [...] Vergleichbar kraftlos und dennoch mit wuchtigem Einschlag steuert Money Monster auf ein Finale zu, dass ebenfalls die Veränderung scheut und stattdessen ein bisschen verloren ins unglückliche Nichts driftet. Es ist eine beiläufige Oberflächlichkeit, mit der Jodie Fosters ehrgeizige Vision zwischen ironischer Note und emotionalem Paukenschlag endet. Egal wie gut George Clooney und Julia Roberts zahlreiche Momente herausspielen: Insgesamt bleiben ihre Figuren nur Vehikel für eine Geschichte, die prinzipiell für etwas Größeres steht, nach der Sensation aber lieber verlegen beim Kicker den nächsten Ball einwirft, anstelle wirklich einen Schlussstrich zu ziehen.

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                              • 7 .5

                                [...] In Anbetracht dieser Einstellung ist es kein Wunder, dass sich sein jüngstes Werk, Everybody Wants Some!!, fast ausschließlich um einen solch unscheinbaren Moment dreht. Wie bereits in Dazed and Confused, dem Vorgänger im Geiste, geht es hier um nichts und schlussendlich trotzdem alles. Erneut schafft Richard Linklater eine außergewöhnliche Momentaufnahme, die den kleinen großen Posen frönt und sie leidenschaftlich auslebt, gleichzeitig aber nie künstlich oder gar gezwungen wirkt. Jedes Zucken dieser Anekdote über ein paar Jungs, die Bier trinken, Baseball spielen und in den verlockenden Untiefen der 1980er Jahre versinken, findet mit spielender Leichtigkeit seinen Weg in den Film, selbst wenn das Gezeigte auf den ersten Blick einem Gedankenstrom des Belanglosen gleicht. Doch gerade in dieser unauffälligen Geste entdeckt Richard Linklater Gewaltiges. Manchmal passiert es in romantisierter Form, manchmal ganz bescheiden: Wichtig ist, dass es die Entdeckung nie zur Behauptung verkommt und kränkende Leere Einzug in die schwelgende Erinnerung an jenes Sommerwochenende erhält, um das sich in Everybody Wants Some!! alles dreht. [...]

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                                • 7 .5

                                  [...] Selbst wenn X-Men: Apocalypse (leider) nicht der beste Film aller Zeiten geworden ist, liefert Bryan Singer eine aufregende Superhelden-Alternative, die trotz ihres konventionellen wie überaus einfach gestrickten Grundgerüsts mit tiefschürfenden Zwischentönen zu verblüffen weiß. Vielleicht setzt sich alleine aus dieser Mischung die gesamte Faszination und große Stärke der X-Men zusammen. Was zum Schluss bleibt, ist eine aufrichtige Comic-Adaption, die sich ihrer Herkunft stets bewusst ist, gleichzeitig aber keineswegs die düsteren Facetten des eigenen Abenteuers scheut. Ein aufregender Balanceakt, der gerade dann Unglaubliches entfesselt, wenn er den Anschein erweckt, sein Gleichgewicht zu verlieren.

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                                  • 6 .5

                                    "Homecoming." Immer wieder fällt dieses Wort in Captain America: Civil War und wurde nicht zufällig erst vor ein paar Tagen als offizieller Zusatztitel des kommenden Spider-Man-Reboots gewählt. Heimkehr ist das Zurückkehren in die Heimat und setzt voraus, dass man sie verlassen hat. Etwas beruhigendes geht mit diesem Wort einher, ein Abschluss des Vorhergegangene oder zumindest eine Station, die einen Wendepunkt markiert. Auch wenn der erste Avenger, seines Zeichens geboren in den Mythen des Zweiten Weltkriegs, nach Hause zurückkehrt, ereignet sich ein jener Umbruch, der alles im Marvel Cinematic Universe verändert; ein Bürgerkrieg findet statt.

                                    Die Heimkehr löst entgegen der friedlichen Annahme die verheerenden Katastrophe aus, die ein gesamtes Narrativ in Frage stellt – sprichwörtlich sogar, wenn das "Homecoming" zur Aktivierung des gehirngewaschenen Winter Soldiers führt und die Welt nach 1991 nicht mehr die gleiche ist. Spätestens an diesem Punkt haben Joe und Anthony Russo, die nach Captain America: The Winter Soldier erneut die inszenatorischen Zügel eines MCU-Films in Händen halten, neben Steve Rogers und Bucky Barnes die dritte, entscheidende Hauptfigur des zentralen Konflikts etabliert: Tony Stark aka Iron Man, jenem Superhelden, der vor acht Jahren das Tor zu einem gigantischen Filmuniversum öffnete, das noch nie so kraftvoll aus der eigenen Historie schöpfen konnte wie im Rahmen seines jüngsten Segments. [...]

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                                    • 8

                                      [...] So überhöht sich die Umschreibung jener zentralen Sequenz in Batman v Superman: Dawn of Justice anhören mag: Sie ist ein Versprechen, das Zack Snyder im gesamten Film nie einlösen wird. Das Kräftemessen beider Titanen versteckt sich zum Schluss hinter dem Schein purer Behauptung, obgleich im überlangen, aber durchaus nicht uninteressanten Vorspiel die Erwartungen auf den ersten Faustschlag ins unerträgliche gepeitscht werden. Wenn es dann endlich zur Sache geht, zerschellt die Superhelden-Konfrontation jedoch auf der großen Leinwand. Egal, wer am Ende blutet: Vor lauter Krawall hätte es sowieso niemand bemerkt. Im tosenden Chaos erstickt ein Jahrhundertsclash, der eigentlich selbst zu einer Hochzeit der Comic-Adaptionen, wie wir sie gerade im Kino erleben, für Aufsehen sorgen sollte. Immerhin gibt es neben den titelgebenden Heroen auch den ersten Auftritt von Wonder Woman (on point, nur leider viel zu random: Gal Gadot) im DCEU zu bestaunen. Aber selbst bei einem namhaften Line-up wie diesem, das alleine durch seine Konstellation für Neugier sorgt, schaltet Batman v Superman: Dawn of Justice ab einem gewissen Punkt auf Autopilot und lässt sich widerstandslos unter den Trümmern einer endlosen Materialschlacht begraben. [...]

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                                      • 8 .5

                                        The Forbidden Room von Guy Maddin und Evan Johnson gehört zu jener Art von Filmen, aus denen Albträume gemacht sind. Hier passiert alles in verstörender Ausführung, selbst der einfache Gang in die Badewanne wird danach nie wieder der gleiche sein. Das Bild frisst sich selbst oder wird von einer neuen Ebene überlagert, sodass nie Gewissheit über das vonstattengehende Geschehen einkehrt. Keine Sekunde bewahrt die Ruhe der Übersichtlichkeit. Nein, stets springt etwas hin und her, verwandelt sich oder verschwindet komplett – nur, um später völlig unerwartet andernorts zu erscheinen. Das Fieber steigt und irgendwann ist es unmöglich zu erkennen, was abseits von Gesichtern und Schattierungen wirklich passiert.

                                        Guy Maddin und Evan Johnson bieten nur Bruchstücke eines Kunstwerks, die Idee, einen Entwurf. Verzweifelt versucht man, sich bei der Betrachtung an etwas Wahrhaftes zu klammern, meistens jedoch ohne Erfolg. Das Verblüffende im Rückblick: Jeder einzelne wie angebliche Frame birgt mehr Wahrhaftigkeit in sich als die meisten Filme überhaupt in zwei Stunden zustande bringen – so überlebensgroß erobern die mannigfaltigen Motive die große Leinwand, wenngleich von einer Eroberung gar nicht mehr die Rede sein kann. The Forbidden Room überrumpelt das Kino, reißt den gesamten Saal ein und sprengt die herkömmlichen Dimensionen durch das Begehren nach einem wahnsinnigen, pulsierenden, assoziativen Rausch.

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                                        • 6 .5

                                          [...] Rau und grobkörnig: Nicht nur der visuelle Rahmen passt sich dem durchtriebenen Protagonisten des Films an. Auch seine Charakterzeichnung beschäftigt sich mit den düsteren Facetten des Lebens in Rastlosigkeit. Im übergeordneten Handlungsstrang tritt ein heruntergekommenes Wrack auf, das verflossener Liebschaften nachtrauert. In den eingestreuten Rückblenden entsteht das Porträt eines unberechenbaren Mannes, der sich - im Gegensatz zu seiner perfektionierten Musik - überhaupt nicht unter Kontrolle hat. Die Gewalt gegen Frauen blendet Miles Ahead beispielsweise nicht aus. Gegen einen plakativen wie moralinsauren Grundtenor wehrt sich Don Cheadle allerdings gekonnt, indem er die Kritik mit der Geschichte verwebt, sie sozusagen organisch in seinen Film integriert. Besonders in puncto Schnitt ist Miles Ahead herausragend komponiert: Die einzelnen Zeitebenen verlaufen im assoziativen Kontext und lassen genügend Freiraum, um zwischen den Zeilen zu lesen. [...]

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                                          • 8

                                            [...] Die Reflexion fällt gleichermaßen praktisch wie persönlich aus und setzt sich in erster Linie aus Rudolf Thomes eigenen Worte zusammen. Darüber hinaus streut Serpil Turhan vereinzelte Zitate aus seinem Blog via Voice-over ein, um die Eindrücke zu verdichten. Von Interesse kann dabei sein, wie viele Menschen an einem Tag auf Moana geklickt haben, viele Likes das jüngste Video auf Vimeo bekommt hat und welche Rolle des Geld beim Filmemachen spielt. Bemerkenswert ist, wie sehr Rudolf Thome gewisse Details und Einzelheiten faszinieren und wie er sich mit ihnen auseinandersetzt. Unzählige Filmrollen und alte Kostüme von Hannelore Elsner lagern in einem Schuppen - die Hoffnung, dass sich irgendwann einmal jemand dafür interessiert, ist jedoch verschwindend gering. Allgemein steht die Frage nach dem (filmischen) Erbe und Vermächtnis im Raum. Auf wen Rudolf Thome im Lauf seiner Jahre neidisch war? Rainer Werner Fassbinder gehört sicherlich in den Kreis jener Persönlichkeiten, Wim Wenders eher nicht. [...]

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                                            • 8 .5

                                              „Why is the whole world staring at me?“, brüllt Brad Macallam in seiner Verzweiflung und Ernst Reijsegers Kompositionen untermauern den Urschrei, der aus seinem Inneren dringt. Erneut schleudert Brad die Worte in die Welt, bis er nur noch hauchen und flüstern kann. Erhört wird er allerdings von keiner Menschenseele. Das Bild gefriert und die Zeit bleibt stehen, sodass den Blicken der Außenstehenden nichts anderes übrig bleibt, als zu starren – trotzdem können sie den reisenden Bach vor ihren eigenen Augen nicht sehen. Mit erhobenen Händen nähert sich Detective Havenhurst dem Haus des Wahnsinnigen. Als würde sich in diesem Augenblick eine unsichtbare Wand vor ihm aufbauen, gelangt er jedoch keinen Schritt weiter. Allgemein scheint keine der Figuren dazu in der Lage zu sein, sich jener unberechenbaren Persönlichkeit zu nähern, die aller Wahrscheinlichkeit nach, die eigene Mutter ermordet hat.

                                              Lediglich eine Pizza schafft des mitsamt Karton durch einen kleinen Schlitz unter dem Garagentor. Bevor aber die vier SWAT-Teams das Haus stürmen, tritt Brad lieber freiwillig vor die Tür und lässt sich in Handschellen abführen. Endlich entkommen und trotzdem nimmt der Albtraum kein Ende: Vielleicht liegt es gerade am Zusammenspiel von Werner Herzogs Regie und David Lynchs Präsenz, der als ausführender Produzent fungierte, dass sich My Son, My Son, What Have Ye Done dermaßen hoffnungslos in der suburbanen Hölle San Diegos verliert. Selbst wenn die Sonne ungehemmt auf die Straßen knallen würde, kein einziger Sonnenstrahl hätte auch nur die Chance, tatsächlich den trockenen Asphalt zu berühren. Verdorben und böse sind die finsteren Gestalten, die sich hier herumtreiben und, ja, auch ein bisschen Surrealismus hat seinen Weg in das Werk gefunden, der zwischen all der Ekstase für verstörende Momente sorgt.

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                                              • 8 .5

                                                Egal wie hässlich und chaotische dieses von Katrina verwüstete New Orleans scheint: Werner Herzog findet in den Überresten des Weltuntergangs die Kulisse eines Märchens, so abartig und verdorben, das es nicht nur irritierend, sondern mindestens auch verstörend ist. Die Boshaftigkeit des Lebens versteckt sich in jeder Faser von The Bad Lieutenant: Port of Call – New Orleans und lauert hinter jeder Ecke der titelgebenden Metropole, in der sich Werner Herzog so aufmerksam bewegt, wie in kaum einer anderen Stadt seiner Filme. Die Kamera versackt geradezu in den Straßen, interessiert sich für Telefonleitungsmasten und die Hinterhöfe heruntergekommener Bauten. Dann bahnt sie sich ihren Weg auf einen Parklatz, verfängt sich im rauen Widerstand des nassen Asphalts und jagt schließlich in verzerrten Aufnahmen durchtriebenen Menschen (und noch lieber Tieren) hinterher.

                                                Einer dieser Menschen ist Terence McDonagh. Ehe er sich versieht, befindet er sich im gleichen Fischglas, das er wenige Augenblicke zuvor noch in Gegenwart eines Goldfischs bestaunte. Wundern sollte er sich allerdings nicht – immerhin geht es auf seine eigene Entscheidung zurück, wie es Werner Herzog gleich im Opening illustriert. Ein Sprung ins kalte Wasser verwandelt den Bad Cop in einen Good Cop. Verzweifelt versucht er es trotzdem, jeglicher Moral zu entsagen. Der Gepeitschte schwimmt im Kreis, paddelt ums Überleben, schnappt nach Luft und bekommt diese dennoch nie zu greifen. Erst am Ende erfüllt sich das Schicksal in unverschämt hoffnungsvollen Bildern und der verlorene Protagonist kann seinem gläsernen, mit Wasser gefüllten Gefängnis entkommen, sodass er sich in unerwarteter Zweisamkeit sogar dagelegen lehnen kann. Ob man dieser wunderschönen Illusion trauen kann?

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                                                • 9

                                                  [...] Quentin Tarantino erschafft mit The Hateful Eight ein unfassbar nihilistisches Porträt, das die amerikanischen Werte als Schwindel entlarvt und sich provozierend an sein Publikum wendet. Denn das, was Quentin Tarantino zeigt, ist hässlich – sehr hässlich sogar. Der Umgangston fällt dementsprechend düster und hart aus, ebenso die zunehmenden (Gewalt)Taten nach der Intermission. Dennoch finden sich zwischen den polemischen Zeilen poetische Worte, die einmal mehr das Können des Regisseurs und Drehbuchautors unter Beweis stellen, der mit Inglourious Basterds und Django Unchained ein neues, spannendes Kapitel seiner Karriere aufgeschlagen hat.

                                                  Dieses Kapitel besteht nicht ausschließlich aus coolen One-linern und noch cooleren Figuren, die selbige in die Kamera sagen und dabei 100 Jahre Filmgeschichte Revue passieren lassen. Nein, Quentin Tarantino hat sich in einen wahrhaftigen Auteur verwandelt, der unlängst eine unverkennbare Sprache für seine eigenen Visionen gefunden hat. Diese Visionen fallen in The Hateful Eight – wie schon in den zwei vorherigen Regiearbeiten – durchaus politisch aus. Und es ist unheimlich aufregend, geradezu erfrischend, diese unverblümte Stimme von Quentin Tarantino zu hören – ganz zu schweigen davon, dass The Hateful Eight unter idealen Umständen zweifelsohne eine er ultimativsten Kinoerfahrungen der vergangenen Jahre ist.

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                                                  • Ein bisschen traurig bin ich gerade wirklich. Also eigentlich sogar sehr. :(

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