BobbyStankovic - Kommentare

Alle Kommentare von BobbyStankovic

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    über Kinatay

    2009 war Brillante Mendoza in Cannes mit seinem “Kinatay” der Titel “Skandalfilm des Festivals” sicher. Die Story, denkbar einfach: Wir beobachten in dokumentarisch angehauchten Bildern eine Gruppe von Verbrechern und korrupten Polizisten, wie sie eine Prostituierte für ihre nicht bezahlten Schulden bestialisch ermorden. Genauso oft, wie man “Kinatay” dafür menschenverachtend nannte, wollten Kritiker in dem Drama auch eine Abrechnung mit dem Kapitalismus erkannt haben. Dabei ist beides falsch bzw. unzureichend. Denn eine Geschichte wie “Kinatay” (Tagalog für “Schlachten”) wäre ja genauso gut auch in Kuba oder Venezuela denkbar. Ähnliche Grade der Bestialität kennen wir auch vom Islamischen Staat, der eine bekennende Opposition zum westlichen Kapitalismus darstellt. Was ist also der Grund für dieses Ausmaß der Gewalt in Mendozas spannendem und, um das noch einmal zu erwähnen, keinesfalls mitschuldigen, keinesfalls wirklich menschenverachtendem Film?

    Eine heile Welt

    Die filmische Strategie von “Kinatay” ist eine brillante (pun). Wir werden in eine heile Welt eingeführt, lernen unseren Protagonisten Peping kennen, ein junger Polizei-Kadett, der gerade seine Frau heiratet. Die beiden sind gut gelaunt und späßeln mit ihrer Familie. Gehen essen (in einem Fast-Food-Restaurant) und Peping sagt diesen fatalen Satz, dass er mal eine Waffe wie James Bond tragen will. Peping hat die Welt zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennengelernt, Gewalt kennt er in direkter, erlebter Form nur als etwas Abstraktes, als Unterhaltung in einem Hollywood-Film wie James Bond. Aber am selben Abend noch nimmt ihn sein Freund mit auf ihre “Arbeit” und es kommt zu der Ermordung der Prostituierten, die der Film in einer beachtlichen Simulation von Echtzeit erzählt. Am Ende entlässt der Film seinen Protagonisten zurück in seine heile Welt, die immer noch heile ist, aber nicht mehr als heile wahrgenommen werden kann, denn Peping hat sich verändert.

    Psychologie der Bestialität

    Vordergründig ist der Mord an der Prostituierten (die wir als Zuschauer kaum kennenlernen) eine monetär motivierte. Es geht um Schulden. Auch hat die ökonomisch getimte Ermordung von ihr sicher auch einen kapitalistischen Charakter und trotzdem ist das wirtschaftsideologische System, in dem die Philippinen eingebunden sein mögen, ein nicht ausreichendes Erklärungsmotiv. Es erklärt maximal die Umstände, die zum Mord führten. Aber was in Erinnerung bleibt, ist vor allem die immense Brutalität, die an den Tag gelegt wird und die in der Welt von “Kinatay” längst Routine ist. Und vor allem die Frage danach, wie eine Gruppe von Menschen mit so einer Alltäglichkeit die Prostituierte ermorden als sei es ein gewöhnlicher Handwerksjob. Die Psychologie ist das fehlende Element, das sich meiner Meinung nach nicht nur durch den Verweis auf Angebot und Nachfrage aufklären lässt.

    Die Banalität des Bösen

    Vielmehr, glaube ich, ist in “Kinatay” das Moment entscheidend, dass Hannah Arendt die “Banalität des Bösen” genannt hat. Arendt tat dies um die Gräuel der NS-Verbrecher zu beschreiben und stieß auf großen Widerstand, da sie damit die Nazis vermenschlichte und damit teilweise auch entschuldigte. Und natürlich hatte sie Recht damit. Die Nationalsozialisten waren allesamt Menschen, wie es auch die Figuren in Brillante Mendozas Film sind. Sie sind aber in einer psycho-sozialen Struktur aufgewachsen, die menschliches Leben relativiert hat. Und dadurch ist in der Geschichte des NS-Terrors eine interessante Eigendynamik entstanden, in der sich die Frage nach Schuld und Unschuld schwer aufschlüsseln lässt. Es stimmt ja, dass der NS-Machtapparat den Genozid an den Juden und politischen Gegnern diktiert und organisiert hat. Es stimmt auch, dass der NS-Machtapparat bewusst ein psycho-soziales Klima initiiert hat, dass man als “Gehirnwäsche” bezeichnen möge und die deutschen Bürger zu eigenen Hass auf Juden und politische Gegner erzogen hat. Es stimmt aber nicht, dass jeder einzelne Mord exakt durch die oberste Machtinstanz des NS-Regime abgesegnet wurde. Es gab eben eine Menge chaotische Willkür; Pogrome, unangeordnete Erschießungen etc. An einem bestimmten Punkt bekam der NS-Terror also auch einen Perpetuum-Mobile-Charakter und die Frage wäre eigentlich sehr interessant, wie erfolgreich Hitler damit gewesen wäre, wenn er sein Unrecht erkannt hätte und versucht hätte, sein eigenes Werk zu stoppen.

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    http://meinungsimperialismus.de/kinatay/

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    • Die Headline ist der Hammer, Leute.

      Aber ich hab's ja gesagt. Wenn einer Lav den Hauptpreis gibt, dann ist's Venedig. Alles richtig gemacht! :)

      Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Lav bringt in einem Jahr zwei Filme raus. Einen achtstündigen und einen vierstündigen. Also insgesamt zwölf Stunden Spielzeit. Jeder, der sich mal selbst der Filmemacherei versucht hat, weiß wie lang man schon für einen Zehnminüter braucht, wenn man sich Mühe gibt.

      Vor allem sind seine Filme jetzt beileibe keine Kamera-Anlass-Filme in denen man zehn Minuten zuschaut, wie jemand ein Glas Wasser trinkt. Also seine Filme sind sicher langsam, aber es passiert eine große Menge in seinen Werken. Allein schon wie komplex seine Bücher sind.

      Und dann läuft er in einem Jahr in zwei der drei wichtigsten Festivals der Welt. Liefert auf der Berlinale den besten Film des Wettbewerbs ab, bekommt dafür den Alfred-Bauer-Preis und als krönender Abschluss jetzt noch den Löwen in Venedig.

      Mieser Hund!

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      • Chicken Run und ich schäme mich keinen Meter. Ein bis heute absolut großartiger Film.

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        • In Deutschland geht es übrigens auch einzig und allein um die Risiken auf das Wohlbefinden des Zuschauers. Das wird nur hin und wieder vergessen, wenn die eigentlich sehr tolerante FSK einen Film "zu niedrig" bewertet und damit einen Eklat auslöst ("Keinohrhasen"). Dann rudert man brav zurück. Bei Filmen, die eh nur ein Spartenpublikum schaut, wird es nicht bemerkt ("There Will Be Blood").

          Wobei ich mich nach dem Ansehen des Trailers auch sehr über die 16-Einstufung wundern muss, die mir viel zu hoch erscheint.

            • Ist ganz interessant. Bin mir gerade nicht sicher, ob's eine KOQ-Folge über Sekten gibt, es gibt aber definitiv eine über ein Schneeballsystem und generell immer mal wieder die Thematisierung von solchen Knebel-Organisationen. Die Rolle des Naivchen fällt in der Serie aber immer Doug zu und Carrie ist die Smarte, die nie drauf reinfällt. Tja, im Privatleben schien's andersrum zu sein.

              Ich kann mich auch noch dran erinnern, dass es hieß, dass die Serie abgesetzt wird, weil Jerry Stiller zu alt war, aber auch, weil Leah Remini noch ihre Karriere ausbauen wollte. Hat wohl eher nicht geklappt.

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              • Skeletor ist ein Alien? Habt ihr mir jetzt eine krasse Story-Wendung in meiner Lieblingsserie gespoilert?

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                  [...] “Lampedusa”, ein Wort, das heutzutage nur noch auf seine Funktion als Auffangort für Flüchtlinge reduziert wird. Wir sind darauf konditioniert beim Wort “Lampedusa” an Flüchtlinge zu denken. Und trotzdem ist Lampedusa in erster Linie einfach eine italienische Insel im Mittelmeer. Das will uns Gianfranco Rosi auch zeigen. Er zeigt einen kleinen Jungen, Samuele, wie er auf der Insel aufwächst, mit seiner Zwille auf Kakteen schießt und zum Augenarzt geht. Und doch ist Lampedusa eben für alle Zeit nicht mehr einfach eine Insel. Dieser Ort ist eben längst fester Teil eines Diskurses geworden und auch das zeigt uns “Seefeuer”. Eindringliche Bilder von Flüchtlingen. Wir sehen lebene Flüchtlinge, die fast schon mit industrieller Routine abgefertigt werden und die Tore nach Europa passieren dürfen. Wir sehen auch tote Flüchtlinge. Wir sehen spektakuläre Rettungsaktionen, mit einer Kamera auf einem Motorboot, mitten im Getümmel. Hier hat dieser ansonsten eher ruhige, wenig reißerische Film seinen Sensationswert. Was wir nicht sehen, sind Flüchtlinge als Individuen. [...]

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                    Jeder seufzte ein wenig vor sich hin als hätte man es schon genau vorher gewusst. Vielleicht hat man das auch. Die Berlinale, ihres zeichens politischstes Filmfestival zeichnete den Flüchtlings-Dokumentarfilm “Seefeuer” mit dem Hauptreis aus. Dass man für das bloße Bedienen des Flüchtlingsthemas einen Festival-Hauptpreis bekommen kann, ohne dies auch wirklich zu verdienen, hat bereits “Dheepan” in Cannes auf besonders traurige Weise gezeigt. Zum Glück ist “Seefeuer” kein schlechter Film, sicher auch einer des besten Drittels des Berlinale-Wettbewerbs. Neben der Thematik und seiner letztendlichen Umsetzung interessiert an dieser Jury-Entscheidung aber auch die Tatsache, dass es sich hierbei um einen Dokumentarfilm handelt bzw. um einen mit dramatischen Elementen. Ist der Dokumentarfilm die filmische Form der Gegenwart?

                    Lampedusa: ein Wort, das kein Zurück kennt

                    “Lampedusa”, ein Wort, das heutzutage nur noch auf seine Funktion als Auffangort für Flüchtlinge reduziert wird. Wir sind darauf konditioniert beim Wort “Lampedusa” an Flüchtlinge zu denken. Und trotzdem ist Lampedusa in erster Linie einfach eine italienische Insel im Mittelmeer. Das will uns Gianfranco Rosi auch zeigen. Er zeigt einen kleinen Jungen, Samuele, wie er auf der Insel aufwächst, mit seiner Zwille auf Kakteen schießt und zum Augenarzt geht. Und doch ist Lampedusa eben für alle Zeit nicht mehr einfach eine Insel. Dieser Ort ist eben längst fester Teil eines Diskurses geworden und auch das zeigt uns “Seefeuer”. Eindringliche Bilder von Flüchtlingen. Wir sehen lebene Flüchtlinge, die fast schon mit industrieller Routine abgefertigt werden und die Tore nach Europa passieren dürfen. Wir sehen auch tote Flüchtlinge. Wir sehen spektakuläre Rettungsaktionen, mit einer Kamera auf einem Motorboot, mitten im Getümmel. Hier hat dieser ansonsten eher ruhige, wenig reißerische Film seinen Sensationswert. Was wir nicht sehen, sind Flüchtlinge als Individuen.

                    Flüchtlinge als Menschenmasse

                    Filmische Individuen sind in diesem Film nur italienische Einheimische, allen voran natürlich unser “Protagonist”, der kleine Junge Samuele. Warum man Flüchtlinge in diesem Film immer nur als Menschenmasse, ja, als etwas das man mit Aufwand “verarbeiten” und “transferieren” muss. Es ist ein realistischer Fokus, den der Film dabei behält und nie wird er in der Draufsicht auf die Flüchtlinge zynisch oder offenkundig negativ. Rosi weiß, dass man diesen Menschen helfen muss, aber dennoch irritiert ein bisschen diese extreme Detailverliebtheit, in das Leben des kleinen Jungens Samuele zu blicken als frappierend starkes Gegengewicht zu dem, was wir über die Flüchtlinge als Einzelne zu sehen bekommen. Natürlich kann man ganz pragmatisch davon ausgehen, dass es gar nicht einfach ist, als Dokumentarfilmer ein engeres, geschweige denn filmreifes Verhältnis zu einer Person aufzubauen, die erst seit wenigen Tagen oder sogar Stunden im sicheren Europa ist und davor (womöglich) durch die Hölle gegangen ist. Rosi hätte dadurch vermutlich seinen Film noch weiter in Richtung Doku-Drama verschieben müssen als er es ohnehin schon tut.

                    Zu wenig Kontextualisierung

                    So sind die Bilder, die wir von den Flüchtlingen bekommen die dokumentarischeren. Es sind die ehrlicheren und gleichzeitig sind sie unbefriedigend. Denn es fällt in Gianfranco Rosis Film schwer, sich mit diesen Menschen zu identifizieren. In einer Szene sehen wir einen Schwarzafrikaner, der fast schon hymnisch seine Reise nach Europa besingt. Er singt davon, was er alles durchgemacht und durchlitten hat. Wie Leute inhaftiert, vergewaltigt und getötet wurden. Er singt von Rassismus und dem Islamischen Staat. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man ihm sein Leben nicht glauben, da seine Art zu singen (ein gebetsartiger Sprechgesang) schlichtweg zu fröhlich ist. Was dem Film an dieser Stelle fehlt, ist schlichtweg eine Kontextualisierung seiner dokumentarischen Bilder. Um verstehbar zu machen, wie ein Mensch nach all dem Leid noch so singen kann oder meinetwegen auch welche kulturellen Gründe es dafür gibt, dass dieser Mann sein Leid auf diese Weise ausdrückt. In “Seefeuer” sehen wir die Flüchtlinge, obwohl wir an ihnen zweifellos sehr nah dran sind, zu wenig als “verstehbare” Individuen. Diese Verstehbarkeit braucht ein europäisches Publikum aber mehr als alles andere. Wenige, kleine Momente mehr des Kontexts, des Abtauchens in diesen mobilen Mikrokosmos Flüchtlingszwischenlager hätten dafür schon genügt.

                    Samuele als symbolistisches Vehikel

                    Stattdessen konzentriert sich “Seefeuer” deutlich mehr auf den kleinen italienischen Jungen Samuele und dies in deutlich gestellteren, zumindest sorgfältig organisierteren Bildern, die ihn Richtung Dokudrama gehen. Dieser dokudramatische Blick auf Samuele ist das Rätsel in diesem Film. Es ist gleichzeitg Stärke und Schwäche des Films. Das, jedenfalls, an dem sich der Film beurteilen lassen muss. Der kleine Junge Samuele trifft sich mit Freunden, mit seiner Familie. Wir bekommen gerade eine Exposition des Menschen Samuele und auch seines frechen Charakter, der gar ein wenig an die Figur des jungen Dealers im Flüchtlings-Drama “Mediterranea” erinnert. Das alles ist ziemlich detailreich aufgelöst und erinnert nicht selten an einen Spielfilm. Nur Gianfranco Rosi weiß, wie unverfälscht das Gezeigte tatsächlich ist.
                    Und wozu das Ganze? Offensichtlich dient Samuele als ein symbolistisches Vehikel in diesem Film. Vor allem zwei Metaphern vereinen sich in dem kleinen Jungen, die auf ziemlich hübsche Weise mit einander verknüpft sind.

                    Die erste Metapher: Gewalt und Heilung

                    Die erste Metapher sind die Zwille bzw. die China-Böller, mit denen Samuele und sein Freund Kakteen zerstören, nur um sie danach wieder mit Klebeband zusammenzuflicken. Diese Metapher ist simpel und eindeutig: Samuele durchlebt hier die Realität, die ihn umgibt. Er erzeugt Gewalt an Kakteen, die sinnbildlich für die Flüchtlinge stehen und hilft ihnen danach wieder. Mit einem gewissen Selbstverständnis. Einfach, weil es der Alltag ist, wie ihn der Junge eben erlebt. So wie Kinder eben immer die Erwachsenenwelt immitieren, um diese zu ergründen. In der Simplizität dieser Metapher liegt aber noch eine tiefere Komplexität, denn wir wissen nie so ganz genau, ob der Part der Gewalt (Zwille/Böller) oder der Part des Heilens (Klebeband) hier mehr “nur dazugehörendes” Spiel-Element ist und welches mehr das tatsächliche identifikationsstiftende und spaßmachende Element ist. Und eigentlich ist es naheliegender, dass es in diesem Fall das Element der Gewalt ist. Wie viel Freude am Leid der Flüchtlinge hat Samuele eigentlich? Das wissen wir nicht. Nie spricht Samuele darüber und so richtig glauben kann man es dem Film eigentlich auch nicht, dass der freche Samuele niemals auch nur ein Wort über das diffuse Phänomen dieser schier überwältigenden Menschenmassen hat. Womöglich hat sich Rosi die Ambiguität seiner Metapher also durch einen Trick der Selektion erkauft.

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                    http://meinungsimperialismus.de/seefeuer/

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                    • La La Land wird doch bestimmt voll scheiße.
                      Ich freue mich über die Ankündigung eines Scifi-Films von Amat Escalante und vor allem über Lav Diaz' zweite Einladung zu einem der drei großen Festivals.
                      Und ich glaube Venedig ist ein guter Schachzug, da man ihm im experimentierfreudigen Venedig den Hauptpreis eher geben wird als im politikbesessenen Berlin oder in Cannes mit ihrem Loyalitätsfimmel.
                      In Lav we trust.

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                          Eine lange Zeit spielt “Toni Erdmann” ein gefährliches Spiel, eine Ansammlung an Slapstick-Momenten zu werden, der sich aus der deutschen Urangst vor der Peinlichkeit speist. Schon “Stromberg” funktioniert genauso. Peinlichkeit auf realistische und ernsthafte Weise vortragen, um uns so an die Absurdität unserer Alltagsrealität zu erinnern. Der Stromberg-Humor ist eben kein eskapistischer. Wir lachen über uns selbst, sobald wir den Raum (Kino, Wohnzimmer) dafür bekommen. Die Figur Toni Erdmann bzw. Winfried Lau (Peter Simonischeck) ist ebenso wie Stromberg ein Clown innerhalb einer bierernsten Gesellschaft (wenn auch freiwilliger!). Mitten hinein in die piekfeine, durchritualisiert seriöse Welt der BWLer-Tochter Ines kommt der Alt-Hippie Vater Winfried und ist sich für keinen peinlichen Scherz zu schade. Wenn man Menschen den Plot von “Toni Erdmann” pitcht, kommt man sich manchmal so vor als würde man eine 08/15-Komödie vortragen. Die humoristische Prämisse, auf die sich der Film in seinem schwachen Trailer auch selbst reduziert, ist nichts Besonderes und ein typisch deutscher Topos! Maren Ade sucht in ihrem Film aber die unnachgiebige Flucht nach Vorn. Sie bekämpft Feuer mit Feuer, deutsche Komödie mit deutscher Komödie. Im Bombenteppich der Peinlichkeiten merkt irgendwann auch der letzte Zuschauer, dass es in “Toni Erdmann” gar nicht so sehr um Situationskomik an sich, sondern um tieftraurige Charakter-Psychologie geht. Irgendwo in dem meisterhaften Drahtseilakt zwischen social-awkward-Komik und tragischem Subtext behält Maren Ades Film seine Würde und auch seinen Humor.
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                            “Desde Allá” erzählt uns von Armando, einem homosexuellen Mitglied der Bürgerschicht, der durch die Straßen von Caracas zieht und junge Burschen aus dem venezolanischen Präkariat mit unverschämt guter Bezahlung zur Prostitution bewegt. Eines Tages trifft er einen jungen Mann, Elder, der sich gegen ihn wehrt und niederschlägt. Offensichtlich fühlt sich Armando davon herausgefordert und womöglich auch erotisch angezogen und verfolgt ihn weiterhin, bis die beiden schließlich tatsächlich so etwas wie ein Paar werden, dass sich als Partner-/Freundschaft ausgibt. Darüberhinaus thematisiert “Desde Allá” die Elternhäuser der beiden Männer bzw. ihr Verhältnis zu ihren Vätern. Diese Perspektive hat wie fast immer im südamerikanischen Kino die Funktion, Unterschiede der sozialen Schichten zu erzählen. Die größte Schwäche dieses Films ist, dass er zu keinem Zeitpunkt so richtig weiß, ob er von Homosexualität in Venezuela oder von einem Ständekonflikt erzählen will. Er erzählt eben nicht beides miteinander verknüpft, sondern auf äußerst umständliche Weise konstruiert er einen Zusammenhang zwischen den beiden Themen, der nie so richtig funktional wird, da die beiden Themen erst im Finale so wirklich gegeneinander ausgespielt werden. Besagtes Finale ist für diese Schwäche der Inkonsequenz symptomatisch, da es zwar letztlich ziemlich deutlich den sozialen Unterschied als Thema betont, sich aber nicht erschließt, warum der Film dann davor zu 80% von homosexueller Liebe erzählt hat. Eine Liebe, die mit Machtverhältnissen und intransparenter Psychologie, einiges an spannendem Potenzial zu bieten hätte, aber sich auch durch die ein oder andere klischeehafte Narrativ-Station mäandert.
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                              • Wie alt ich schon bin, dass mir eine 16-jährige erzählen kann, dass sie Kick-Ass in der Grundschule gesehen hat. Der ist doch gefühlt quasi gestern rausgekommen ...

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                                  • "Wir werden nicht viel Geld damit verdienen. Es ist vielmehr eine Marketing-Sache, es ist auch gut für das Image der Marke."

                                    Aha. Und Image hat rein gar nichts mit Geld zu tun :D

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                                    • Auch wenn hier eindeutig Filme weggelassen wurden, deren Kinostart 2016 ist aber schon in der Vergangenheit liegt ("Cemetery Of Splendour" etc.), eine ziemlich dürftige Ausbeute.

                                      • Für mich eines der größten Rätsel der letzten Jahre. JEDER Mensch der Welt, vom Mainstream-Kino-Dude bis zum cinephilen Freak hält "Carol" für ein Meisterwerk und KEINER kann mir so richtig verraten warum.

                                        Und dann kommen immer so rumschwurbelnde Pseudo-Argumente, wie sie auch (No Front) hier zu finden sind.

                                        "CAROL ist ein wunderbares, gefühlvolles Drama, das Todd Haynes uns präsentiert."
                                        "Ihre großartige Performances sind zum Dahinknien und selbstverständlich auch zum Mitfühlen. Da sie so authentisch und glaubhaft spielen, gönnt man ihnen alles auf der Welt."
                                        "CAROL ist, abschließend gesagt, ein prachtvoller Film voller Liebe, unfassbar vielen - auch handwerklichen - Details, die beim wiederholten Sichten immer noch ihren Glanz verspüren. "

                                        Das sind alles so Sätze, die man auf jeden halbwegs gelungenen Film beziehen könnte.
                                        Die auf DVD-Covers stehen könnten, zitiert aus TV-Movie-Empfehlungen.

                                        Kann mir einer mal radikal-analytisch verraten, was handwerklich soooo anders (im Sinne von gut) an dem Film im Gegensatz zu anderen Filmen sein soll? Oder welche spannenden Lesarten der Film ermöglicht? Was der Film mehr ist als eine okaye Lovestory zwischen zwei Lesben, also etwas, das heutzutage für sich allein absolut nichts Besonderes mehr ist?

                                        • Das erste Jahr, dass ich keinen der nominierten Filme gesehen habe. Bei dem einen oder anderen vielleicht zu Unrecht, aber trotzdem kein gutes Zeichen. Schätze, man kann wohl von einem schwachen Jahrgang sprechen.

                                          Aber nächstes Jahr gewinnt ja "Toni Erdmann" und alle klopfen sich brav auf die Schultern.

                                          • Wie der Film hier sich erdreistet, einen ähnlichen Posterfarbton wie der fast namensidente Shion-Sono-Film zu haben, damit man ihm aus Versehen eine 7 gibt.

                                            Schäm dich für den Versuch!

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                                              [...] "Ilegitim" ist vor allem ein Film, der von seiner Mittendrin-Atmosphäre lebt. Durchaus vergleichbar mit Sebastian Schippers Meisterstück "Victoria" beweist Sitarus Film, dass eine schwierige Handlung, fernab der durchschnittlichen Zuschauer-Welt, einzig durch das schauspielerische Erzeugen von wahrhaftiger Leinwand-Realität, funktionieren kann. Aber es ist eben nicht nur das. Bei "Ilegitim" liegen Form und Inhalt, wie bei jedem gutem Film, in einem wechselwirkenden Zusammenspiel. Und “Ilegitim” ist eben nicht nur handwerklich ein mutiger Akt, sondern auch in seiner intentionalen Stoßrichtung. Noch nie gab es meines Wissens eine Gesellschaft, die auf gesetzlich-politischer Ebene eine Eheschließung samt Recht auf eigene Kinder für Geschwister durchgesetzt hat. Im aktuellen Diskurs geht der Trend (zumindest in der "linken" Politik) zur Untergewichtung der biologisch gesunden Familie hin zur sexuellen Selbstbestimmung, aber eine vollständige Entkriminalisierung ist noch lange nicht in Sicht. "Ilegitim" fordert ziemlich deutlich und nachdrücklich eine solche Entkriminalisierung. Zumindest in dem Falle einer solch geschilderten Familiensituation zweier erwachsener einvernehmlicher Sexualpartner. Auf dem Weg dieser normativ revolutionären Läuterung wurde man als Zuschauer affektiv wie intellektuell gefordert. Nicht immer bleibt der Film gleichermaßen im Flow, aber diese kleinen Schwächen verzeiht man diesem kleinen Meisterwerk gerne. _Seems legit._

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                                              • Eine gewisse Toleranz für etwas dickere Augenbrauen vorausgesetzt, kann niemand abstreiten, dass Golshifteh Farahani total heiß ist!
                                                #offtopic

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                                                • *BobbyStankovic ignoriert jetzt Directors Guild of America.*

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                                                    [...] Wieder haben wir einen Vater-Sohn-Konflikt, der den Parteienkonflikt in der Galaxis auf eine persönliche Ebene verlagert, wieder müssen junge, unerfahrene Helden über sich hinauswachsen und am Ende das Böse zu zerstören. Und das genau wie früher, denn wieder muss ein Todesstern auf (haargenau dieselbe Weise) zerstört werden, abgesehen davon, dass dieser _größer_ ist als der frühere. Das trifft auch auf den Film zu. Er will in allem, was er tut, wie eine größere, aber dabei sonst vollkommen baugleiche Version der Kultfilme rüberkommen und entwickelt dabei genau gar nichts Neues. Vielmehr wird dadurch sogar die Dramaturgie extrem wichtiger Ruhephasen und vernünftiger Expositionen beraubt, um möglichst viel Radau auf der Leinwand zeigen zu können. Es ist ein frustrierend peinlicher Versuch, es einem Fan-Kollektiv rechtzumachen. An "Star Wars 7" zeigt sich in exemplarischer Weise die Seuche des Franchises, die versucht Kunst zu demokratisieren. Die ersten drei Teile des Star-Wars-Universum hatten noch etwas von einem Autoren-Film-Zyklus. George Lucas hatte eine Vision und die hat er umgesetzt. Auch wenn er sich für diese Vision auch vieler Vorbilder aus der Real-Geschichte und Popkultur bedient hat, gebührte ihm für diese ins Detail ausstaffierte Leistung Respekt.
                                                    "Star Wars 7" macht hingegen lediglich zwei Dinge: Erstens erzählt der Film quasi den Durchschnitt aller Fan-Fictions und _Fan_tasien, die sich das zahlende Publikum eben so wünscht und erzählt damit letzten Endes nur die leere Hülle einer Geschichte. Zweitens horcht der Film in die Demografie seines Publikums hinein und übernimmt Teile aus dem aktuellen Gesellschaftsdiskurs nachträglich in das Lucas-Universum. Frauen und Schwarze dürfen jetzt Lichtschwerter bedienen. Logisch, denn beide sind ja auch längst Teil des Publikums von Star Wars. Des Weiteren geht es bei Rey und Finn auch noch darum, das Märchen des Durchschnittsmenschen, der zum Held emporsteigt, nur weil er das Herz am rechten Fleck hat, noch weiter zu übertreiben und damit eine publikumswirksame Funktion weiter auszubauen: "Wir alle können Helden im Star-Wars-Universum sein" tönt es aus jeder Szene. [...]

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