Chainsaw Charlie - Kommentare

Alle Kommentare von Chainsaw Charlie

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    Chainsaw Charlie 04.06.2022, 12:58 Geändert 05.06.2022, 13:12

    "Hellraiser: Deader" ist nun eine Produktion von Stan Winston, auch wenn Rick Bota hier wieder Regie führt und der Film auf einem ursprünglich nicht als "Hellraiser"-Film gedachten Manuskript basiert. Auch dieser Abgrund ist ein Direktvertrieb auf DVD, wobei das Budget für einen Kinofilm ausreichend hoch gewesen war, wäre da nicht die Skurrilität der Handlung und die fehlende Markttauglichkeit eines weiteren willkürlichen Plots mit zenobitischen Höllenwesen, die es erschweren, die Relationen zwischen den Charakteren zu ergründen. Die schauspielerische Leistung ist diesmal angemessener. Leider wird Pinhead (Doug Bradley) im Gegensatz zu den Schlitzern Jason und Freddy weiterhin in eine kleine, kaum unterstützende Rolle verbannt, fast wie ein weiser alter Mann, der hilfreiche Ratschläge gibt, anstatt ihn an vorderster Front Chaos anrichten zu lassen. Dementsprechend ist das klobige Tor zur Hölle eher ein Nebenschauplatz als der Hauptweg ins Verderben. Pinheads Vasallen erhalten ebenfalls eine reduzierte Bildschirmzeit und treten in geringerer Stückzahl auf. Meistens sind es die menschlichen Übeltäter, die die größte Katastrophe anrichten.
    Und doch ist "Hellraiser: Deader" spannender, angsteinflößender, brutaler und auf alle Fälle gravierender als die vorherigen Teile der Filmreihe.

    Manipulative Jump Scares sind vorherrschend, zusammen mit sich häufenden Nahaufnahmen des aufgedunsenen, pastösen, weißäugigen Antlitzes einer toten Frau, während die Drehorte klaustrophobisch, modrig und mit Morast beschmiert sind. Es gibt auch einige exploitative Freizügigkeiten, einfach weil mehrere der Akteure und Darstellerinnen nicht abgeneigt waren, sich zu zeigen. Die Rockmusik ist nicht unbedingt stimmig, auch wenn die orchestralen Zwischensequenzen einen größeren Wohlklang haben, als es für diese Art von B-Movies typisch ist, und der Filmschnitt, der schnelle Zoomfahrten, Rückblendungen und Zeitraffer verwendet, ist insbesondere irritierend. In der Absicht, Wirklichkeit und Fantasie oder Wachalptraum und Albtraum im Schlaf zu vermischen, und in Anlehnung an die beiden vorangegangenen Episoden, in denen unzusammenhängende Handlungsstränge zu Pinhead-Garn verwoben wurden, schafft "Hellraiser: Deader" eine kurzweilige, teuflische Atmosphäre. Schade, dass Pinhead während des Climax von "Hellraiser: Deader" alles explizit erläutern muss und es dem Betrachter trotzdem nicht verständlich machen kann.

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      Chainsaw Charlie 04.06.2022, 10:55 Geändert 05.06.2022, 13:11

      Als ich Dean Winters in der Hauptrolle von "Hellraiser: Hellseeker" von Regisseur Rick Bota beobachtete, konnte ich mir ein gewisses Grinsen nicht verkneifen. Er ist ein Schauspieler, der sich am besten für komödiantische Rollen eignet, zumal selbst seine Fratze wie ein Grinsen erscheint. Die Wiedereinführung von Ashley Laurence als Kirsty Cotton aus den ersten beiden Filmen ist eine begrüßenswerte Maßnahme, die ein angenehmes Vertrautheitsgefühl hervorruft. Kurioserweise nimmt sie eine sehr kleine Rolle ein, die man hauptsächlich in Form von Reflexionen zu sehen bekommt. Während es zu Beginn der Reihe um außerdimensionale, sadomasochistische Peiniger ging, die Opfer suchten, um sie in die Hölle zu zerren und dort ewig zu martern, geht es in den letzten beiden Kapiteln um die persönliche Enträtselung paranoider, geistesverwirrter Seelen, die nicht in der Lage sind, eine angespannte Realität zu begreifen, die von den Zenobiten ständig manipuliert wird. Die Hölle ist letztlich eine von ihnen selbst geschaffene Enge, verursacht durch Schuld und Laster und begünstigt durch die Rätselkiste, die scheinbar vor langer Zeit ihren Intellekt und ihre Erinnerungen auflöste.

      Im Gegensatz zu den früheren "Hellraiser"-Filmen beginnt "Hellraiser: Hellseeker" mit einem Mann, der bereits unter dem Einfluss der geisteskranken Zenobiten zu stehen scheint. Es gibt auch eine Konzentration auf Schreckmomente, vom Telefonklingeln über Hundegebell bis hin zu plötzlichen, verstörenden Bildfolgen, die über den Schirm flimmern. Dieser neueste Eintrag in die Franchise nutzt merkwürdige, tranceartige Wahnvorstellungen, um Angst auszulösen, und fühlt sich dabei ähnlich an wie der Vorgänger "Hellraiser: Inferno", der sich nicht so sehr der Taktik des Monsterfilms bediente, sondern vielmehr auf psychologischen Tiefgang setzte.

      Wie bei einem Geisterfilm lässt die Kamera an den Rändern des Bildes viel Raum für Dinge, die darin umherschleichen. In einigen der beängstigendsten Szenen werden die typischen übernatürlichen Schocks von erkennbar makabrem schwarzem Leder und fahlem Fleisch kontrolliert. Bedauerlicherweise gibt es auch ein paar ungewollt lustige Situationen. Im Großen und Ganzen sieht es so aus, als hätte die Geschichte schon vorher existiert. Pinhead (Doug Bradley) und seine Legion lederumwickelter Missgeburten wurden in letzter Minute eingefügt, um den Titel "Hellraiser" tragen zu können - und sie bekommen nur sehr wenig Einsatzzeit. Anstatt neue, kreative, grauenerregende Kreaturen als Antagonisten zu erschaffen, entfernt sich die Filmreihe immer weiter von dem unheimlichen, aber fantastischen Slasher-Subgenre, das sie miterfunden hat.

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        Chainsaw Charlie 04.06.2022, 01:00 Geändert 05.06.2022, 13:11

        Eine unpassend artifizielle Kameraführung, gekoppelt mit deplatzierten Zeitlupen und noiristischer Filmmusik machen "Hellraiser: Inferno", der diesmal von Regisseur Scott Derrickson gerichtet wurde, weniger treu zur Franchise als alle anderen Teile. Es ist auch der erste Film, der direkt auf DVD veröffentlicht wurde und nicht einmal einen Kurzauftritt in den Lichtspielhäusern hatte. Die Vertonung von Walter Werzowa ist durchsetzt mit rockigen und jazztreibenden und nur gelegentlich quietschenden Violinen-Melodien, dabei muten die Rückblicke und Todesszenen wie Versatzstücke aus einem Psychothriller an. Die legendäre Horrorfilmkreatur Pinhead (Doug Bradley) tritt nur selten in Erscheinung und bekommt lediglich eine kleine Statistenrolle, die nur in Träumen zu sehen ist. Sein Gesicht ist in der gesamten ersten Hälfte des Films nur ein einziges Mal zu erkennen, danach gibt es nur noch eine begrenzte Sendezeit. "Hellraiser: Inferno" ist eine Noir-Narration, die in gewisser Weise nicht mit den traditionellen Slasher-Aspekten der Franchise harmoniert, wobei die typischen Blutbäder durch Tatorte substituiert werden.

        Die grausame Gewalt und die albtraumhaften, halluzinogenen Bildnisse sind wieder da, diesmal begleitet von beängstigenden Soundeffekten, die die Brutalität signifikant intensivieren. Ein weiterer Kritikpunkt ist die eher bescheidene Qualität der Schauspieler, allen voran Nicholas Turturro, der keine einzige Silbe authentisch formulieren kann. Der Auftritt von James Remar als Dr. Paul Gregory ist so etwas wie ein Überbleibsel seiner Rolle in "Dexter", während die Szenenbilder und das Ambiente die nervtötende Fremdartigkeit des "Silent Hill"-Videospiels aus dem vergangenen Jahr einfangen.

        Zum ersten Mal wird der Begriff "Lament Configuration" (Klagekonfiguration) verwendet, und der Terminus "Zenobit" taucht in Dr. Paul Gregorys Forschungen auffällig oft auf. Der Einsatz der Box und ihrer dämonischen Insassen dient dazu, Detective Joseph Thorne (Craig Sheffer) mental zu schikanieren und ihm schließlich eine Reihe von ruchlosen Mordtaten anzulasten, vergleichbar mit dem Plot von "Candyman" aus dem Jahr 1992, anstatt als Antagonisten in den Fokus zu rücken, die Seelen sammeln und in Angst verwandeln. Ihre Bestimmung besteht nicht mehr darin, die Hölle auf die Erde zu bringen, sondern vielmehr den zerebralen Verfall eines bestimmten Organismus zu begünstigen, um moralische Offenbarungen zu bewirken. Es ist schon enttäuschend, derartige furchteinflößende Filmmonster in einen nonsensischen Traum-im-Traum-im-Traum zu verpacken, der zu philosophisch knorrig für sein eigenes Niveau ist.

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          Chainsaw Charlie 03.06.2022, 03:04 Geändert 10.04.2023, 00:14

          Es dauerte nur drei "Hellraiser"-Filme an, bis sich die Reihe mit "Hellraiser: Bloodline" ins Weltall hinauswagte. Diesmal haben zwei Regisseure - Alan Smithee und Kevin Yagher - der Blutsuppe ordentlich Salz beigemischt. Das Dekor ist nicht sonderlich ansehnlich und präsentiert sich in abgedunkelten, langgestreckten Gangbildern, die von Rohrleitungen, Nebelschwaden und Eisengittern durchsetzt sind. Die Architektur bildet ebenso wie die Motive der Hauptfigur eine wichtige Komponente, wenn es darum geht, die Horrorfilmklischees an einem faszinierend beklemmenden Schauplatz festzumachen. Pinheads (Doug Bradley) Behausung und sein alptraumhaftes Laboratorium aus todbringenden Fluren weisen umfangreichere und fantasievollere Strukturen auf. Optisch ist dieser Eintrag in die Kinoreihe "Hellraiser III" sogar um Längen erhaben. Selbst Pinheads Dialoge klingen jetzt höllisch poetischer. Der Autor Peter Atkins kehrt zwar erneut zurück, aber diese verschachtelte, mit mehreren schlampigen Rückblenden montierte, Jahrhunderte andauernde Handlung, die teils eine Anekdote, teils eine Weiterführung darstellt, ergibt merkwürdigerweise mehr Logik als die letzten beiden Filme.

          Die Wirkung des verwendeten Maskings hat sich im Verhältnis zu den bisherigen Werken nur marginal verbessert, wobei mehr Blutkonserven und abscheuliche Gore-Effekte auf dem Bildschirm zu bestaunen sind. Zudem bringt es die Eingliederung von Regenwürmern, Fliegenmaden und anderen krabbelnden Schädlingen für ekelhafte Exzesse ins System zurück. Die Zenobiten-Truppen, die von Pinheads qualvollen höllischen Gerätschaften modelliert werden, sind exponentiell schöpferischer als im Vorgänger, was der optimierten Optik und der grafischen, brachialen Brutalität förderlich ist. Einige der Darstellungen sind der Ursprungsvision des Schöpfers Clive Barker wieder würdig, wie die Zwillingsmutanten und ein zenobitischer Hund namens Chatterer-Bestie, die für den klassischen Monsterfilmspaß eingesetzt werden, aber die Hinzunahme von Science-Fiction-Konzepten verändert den überwiegenden Teil der zuvor existierenden Unterhaltung über in der Traumwelt lebende Höllenmonster, die versuchen, die irdischen Herrschaftsgebiete zu betreten. Ein Raumschiff ist wirklich nicht der ideale Schauplatz für die dämonischen Visionen.

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            Chainsaw Charlie 03.06.2022, 01:19 Geändert 05.06.2022, 13:10

            Der Film ist Teil meiner Liste "Chainsaw Charlie's Kommentar-Wunschliste für MP-Buddys". Hier rewatche ich von mir bewertete Filme, zu denen ich keinen Kommentar geschrieben habe, meine MP-Buddys aber gerne etwas von mir zu lesen würden.
            https://www.moviepilot.de/liste/kommentar-wunschliste-von-chainsaw-charlie-chainsaw-charlie

            Der Dude von Nebenan bat mich, einen Kommentar zu seinem Lieblingsfilm "12 Moneys" zu schreiben, was sich als äußerst schwierig erwies. Also bin ich in der Zeit zurückgefallen, um mich in die Lage zu versetzen, alles klar erkennen zu können. Ich werde noch mal 9 Punkte aufschreiben, auch wenn ich Gefahr laufe, in die Welt der Schmerzen einzutreten.

            Wenn es nach Regisseur Terry Gilliam ginge, wären 1997 fünf Milliarden Menschen an einem tödlichen Virus gestorben, und die wenigen glücklichen Überlebenden hätten sich von der Erdoberfläche in den Untergrund zurückgezogen. So heißt es in einem Auszug aus einem Interview mit einem umherschweifenden, wahnsinnigen, schizophrenen Patienten in einer Irrenanstalt in Baltimore. Dies ist die Grundlage für den Film, in dem James Cole (oscarwürdig, Bruce Willis), der in dieser höllischen Zukunft lebt, von Träumen eines Mannes heimgesucht wird, der auf einem Flughafen niedergeschossen wird. Eine blonde Frau eilt ihm zur Seite, seine blutverschmierte Hand liebkost ihr Gesicht, begleitet von schwermütiger Orchestermusik, wie in den Traumsequenzen von "Brazil". Diese Visionen sind ein dunkler Schatten für den verurteilten Gewaltverbrecher, der in einem postapokalyptischen unterirdischen Gefängnis sitzt, wo er freiwillig gefährliche Botengänge für die Regierung durchführt, um seine Haftstrafe zu reduzieren. Bei diesen Einsätzen geht es um Zeitreisen in die Vergangenheit, um Informationen über das Virus zu beschaffen, von dem man annimmt, dass es von einer Terrorgruppe namens "Armee der Zwölf Affen" als bakterielle Bedrohung eingesetzt wurde.

            Als James Cole versehentlich in den April 1990 nach Baltimore zurückversetzt wird, statt wie erwartet ins Jahr 1996, erhält er Besuch von der Psychiaterin Dr. Kathryn Railly (Madeleine Stowe), die ihm das Datum mitteilt. James Cole ist von der Zeitreise verwirrt und kommt nackt, wie der Soldat in "Terminator", in ein Bezirkskrankenhaus, wo er allmählich sein Gedächtnis wiedererlangt, aber die Ärzte nicht überzeugen kann, dass er nicht geisteskrank ist. Er freundet sich mit Jeffrey Goines (ebenfalls oscarwürdig, Brad Pitt) an, einem psychisch gestörten Individuum, das seine Gedanken, Launen und körperlichen Aktivitäten nicht ganz im Griff hat. Seine Medikation zeigt scheinbar keine Wirkung. Aber er ist irgendwie mit den Zwölf Affen verbandelt. James Cole wird in die desolate Gegenwart zurückversetzt, wo der Irrtum korrigiert und er erneut transportiert wird, diesmal in den November 1996, wo er nach Dr. Kathryn Railly sucht, der einzigen Person, von der er glaubt, dass sie ihm bei seiner Mission helfen kann, das reine Virus zu finden, bevor es zu einer lebensbedrohenden Epidemie mutiert.

            Die Charaktere sind allesamt skurril, die Kameras verzerren Gesichter und Horizonte oder sitzen in ungeraden Winkeln, das Licht ist überladen, die Bewegungsabläufe sind überspitzt, und die Musik passt nicht zu den bizarren Klängen eines Akkordeons. Die Story bewegt sich in Serpentinen und gibt nur spärlich Anhaltspunkte für die Absicht und den Zweck der Handlung, anstatt einer erkennbaren Erzählstruktur zu unterliegen. Wie nicht anders zu erwarten vom visionären Filmemacher Terry Gilliam, der ein weiteres Science-Fiction-Meisterwerk geschaffen hat, diesmal nach dem bahnbrechenden Kurzfilm "La Jetée - Am Rande des Rollfelds" von Chris Marker. Diese Komplexität verbindet sich mit den verschiedenen Rollen, um sich auf die Charakterentwicklung zu konzentrieren und sie mit Details auszuschmücken, die vor allem ihre wahrgenommene Irrsinnigkeit vertiefen. Brad Pitt ist besonders überzeugend als spastischer, nervöser, quasselnder Spinner, der einen wankelmütigen Rebellen darstellt, der zu fast jedem spontanen Impuls imstande ist.

            Das unglaublich verworrene Rätsel entfaltet sich durch immer neue Teile von James Coles Traum und durch wiederholte Zeitreiseepisoden, die ihn in die futuristische Gegenwart und wieder zurück versetzen, wo es viele Sonderbarkeiten gibt und die Kommunikation so abstrus ist, dass es mehrere Minuten dauert, das Verwirrspiel zu durchschauen. "12 Monkeys" ist verrückt und einzigartig, auch wenn er letztlich wie ein Weltrettungsthriller mit einer tickenden Uhr und ungläubigen Komplizen daherkommt, die nur widerwillig bei einer rücksichtslosen Such- und Vernichtungsaktion mitmachen. Der Film erinnert an Hitchcock, indem er eine kurze Szene aus "Vertigo" einbaut, die Verkleidungs- und Verwechslungskomponenten widerspiegelt und an die schräge zentrale Beziehung in "Der verkehrte Sherlock Holmes" appelliert.

            Es gibt eine Einstellung, in der James Cole von Jeffrey Goines' Dinnerparty weggezerrt wird, eine Wendeltreppe hinunter, wobei sich die Kamera mit dem Gefangenen im Kreis dreht. Es ist ein wunderbar symbolisches Bild, um den komplexen, spiralförmigen Verlauf der Handlung und die Obskurität dessen, was echt ist und was nicht, zu suggerieren, inklusive James Coles Sichtweise, die häufig in Frage gestellt oder als bloße Kopfstimmen oder als Hirngespinst eines wahnhaften Geistes interpretiert wird. Noch komplizierter wird es, wenn er sich sehnt, dass seine heile Welt eine Utopie ist und die Wirklichkeit der Vergangenheit ein Geschenk. Jedes Puzzleteil trägt zu einer faszinierenden Odyssee bei, die mit einem unvergesslichen Finale abgerundet wird, das bei mehrmaligem Hinsehen noch faszinierender wird.

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              Chainsaw Charlie 02.06.2022, 12:39 Geändert 05.06.2022, 13:09

              Vertraute Musik eröffnet "Hellraiser III" unter der Regie von Anthony Hickox. Die unorthodoxe Rekapitulation, die im zweiten, unvermuteten Kinokapitel eingeführt wird, ist die erste, die von der Protagonistin Kirsty Cotton (Ashley Laurence) abweicht. Der Ton ist derselbe wie in den Vorgängern, aber die Sensibilität hat noch weiter abgenommen, was das Kernproblem von "Hellbound: Hellraiser II" war. Der Drehbuchautor Peter Atkins, der aus der ersten Fortsetzung zurückkehrte, hat bei seinem Versuch, eine schlichte Grundlage für schaurigen Horror zu konzipieren, so viele Abstriche gemacht, dass die Handlung jeglichen Erfindergeist vermissen lässt. Den Zuschauern bleiben nur ein paar blutige Impressionen und gelegentlich interessante Maskenbilder.

              Das primäre Übel an "Hellraiser III" ist, dass er sich nicht die Mühe macht, Regelungen für die Übernatürlichkeit zu entwickeln, das ergibt einfach keinen richtigen Sinn. Wie in den Vorgängern muss ein Charakter Menschenopfer sammeln, um aus einer außerkörperlichen, fremden Dimension freigesetzt zu werden. Aber es wird nie plausibel erklärt, vor allem nach Pinheads (Doug Bradley) Ableben in "Hellbound: Hellraiser II", wie es dazu kam, dass er sich im Inneren der Säule befand, warum eine Ansammlung von Frischblut seine leibliche Gestalt entladen würde und warum er sich in einen Duplikanten verwandelt hat, um temporäre Güte zu zeigen.

              Die verfluchte Kiste wird als Tor zur Hölle beschrieben, als eine Art Purgatorium, aber ihre Fähigkeiten sind dementsprechend zweideutig. All diese Obskurität wird ergänzt durch gummiartige Gore-Effekte und eine auffallend dürftige Darstellerleistung. Während die Traumsequenzen relativ unterhaltsam sind, ebenso wie die Vorstellung von Zenobiten, die sich auf der Straße an ihre Beute heranpirschen, ist die Ideenlosigkeit, mit der die neuen Soldaten der Hölle dargestellt werden, sehr frustrierend. Hier verwendet Regisseur Anthony Hickox eher dröge und von praktischen Requisiten inspirierte Verstümmelungen als die krankhaft abartigen, höchst einzigartigen Ausarbeitungen des kontroversen Originals von Clive Barker.

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                Chainsaw Charlie 01.06.2022, 17:08 Geändert 05.06.2022, 13:09

                All die bluttriefenden Unikate und der extreme visuelle Look des Originals "Hellraiser - Das Tor zur Hölle" kehren ein Jahr später in der treffend benannten Fortsetzung "Hellbound: Hellraiser II" zurück, dieses Mal mit Tony Randel auf dem Regiestuhl. Die betäubend grafischen Make-up-Effekte und die blutigen Abgründe sind noch besser und plastischer geworden, obwohl die Filmhandlung dieses Mal so surrealistisch und abwegig ist, dass fast nichts einen echten Zusammenhang ergibt. Mit dem Wiedererscheinen von Pinhead (Doug Bradley), dem König des Leids, einer legendären Leinwandikone, die in die Annalen des Horrorgenres eingegangen ist, kommt dieser Film den Reaktionen des Zuschauers immer noch am nächsten an die schockierenden Momente des vorangegangenen Kultklassikers heran.

                "Hellbound: Hellraiser II" beginnt mit einem Rückblick, wie er eigentlich nur in Fernsehserienepisoden vorkommt. Er setzt unmittelbar nach den Ereignissen des ersten Films ein und wurde etwa ein Jahr nach der erfolgreichen Premiere von "Hellraiser - Das Tor zur Hölle" gedreht. Die Spezialeffekte haben sich nicht verbessert, auch nicht die handgezeichneten Animationen. Die überstürzte Produktion und das gekürzte Budget haben ihren Tribut gefordert, obwohl das Aussehen und die Gewalt immer noch beeindruckend sind und sich insbesondere in Julia Cottons (Clare Higgins) lächerlich grausamer, bluttreibender Wiederauferstehungsszene verdoppelt haben. Pinhead, der mit Abstand das unterhaltsamste Element der gesamten Franchise ist, erhält einen grandiosen Auftritt wie ein Wrestling-Star mit Lichteffekten und entsprechender Musik. Es ist evident, dass er der unvergessliche Held ist, für den die Fans immer wieder gerne zurückkehren.

                Kirsty Cotton (Ashley Laurence) ist auch nicht cleverer geworden und marschiert blindwütig in das Haus von Dr. Philip Channard (Kenneth Cranham) mit der Absicht, Julia aufzuhalten. Nur mit standhaftem Trotz und einem erstaunlich starken Magen gewappnet, ist sie gezwungen, planlos durch die escherähnlichen Labyrinthe der Hölle zu irren, die mit nicht enden wollenden Tunneln und Spinnwebenwäldern aufwarten. Nichts kann sie oder den Zuschauer auf die heillos bizarren Traumsequenzen, phantasmagorischen Sinnestäuschungen und dämonischen Visionen vorbereiten, die versuchen, die fast unverständlichen Handlungen zu verdeutlichen. Es ist, als hätte Regisseur Tony Randel seine Crew dazu gedrängt, alles noch abgefahrener zu machen als im Original, auch wenn das natürliche Resultat die totale Sinnlosigkeit ist. Und es gelingt ihm, wenngleich selbst diese sehr durcheinander geratene Inszenierung die letzte der vielen Sequels ist, die den Ton und die Atmosphäre von Autor Clive Barker beibehält.

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                  Chainsaw Charlie 01.06.2022, 13:25 Geändert 05.06.2022, 13:08

                  Die Genialität von Clive Barkers "Hellraiser - Das Tor zur Hölle", der auf seiner Novelle "The Hellbound Heart" basiert, liegt zum einen in den unleugbar gewaltigen Bildern und zum anderen in seiner Begabung, eine einzigartige Welt des Horrors zu erschaffen, die kaum durch die halluzinatorischen Regeln einer teuflisch verdrehten Fantasie beschränkt wird. Jede Facette dieses düsteren Meisterwerks schreit nach Originalität, von den blutgetränkten Albträumen und dem verstörenden Surrealismus bis hin zu den quälenden Darstellungen der schurkischen Zenobiten und ihrem verzerrten, alternativen Reich von Lust und Schmerz. Nur wenige Künstler haben jemals eine so erkennbar schreckliche und unvergesslich abschreckende Vision geschaffen wie "Hellraiser - Das Tor zur Hölle".
                  Die imposantesten Merkmale dieses Thrillers aus den späten 80er Jahren sind die zahlreichen blutigen Szenen und die unglaublich lebendige Bildsprache. Die raffinierten plastischen Effekte in Kombination mit der geschickten Maskenbildnerei von Bob Keen sorgen für etliche herzzerreißende Terrormomente, vor allem in Frank Cottons (Sean Chapman) grässlicher, klebriger Reinkarnation, in Kirsty Cottons (Ashley Laurence) purpurnem Alptraum am Sterbebett und in dem entsetzlich brutalen Schluss. Zusätzlich zu diesen faszinierenden Beschwörungen bietet "Hellraiser - Das Tor zur Hölle" die verräterischen Inkubi der Zenobiten, deren gotisches Kolorit und sadomasochistische Bondage-Kleidung zusammen mit den grausamen Ausrüstungsgegenständen und Waffen Clive Barkers Gespür für makabre Einfälle unter Beweis stellen. Einem von David Cronenbergs Lieblingsmotiven folgend, untersucht "Hellraiser - Das Tor zur Hölle" die Kontraste zwischen organischen und anorganischen Gegenständen, wie dem kalten Stahl der harschen Architektur, metallischen Werkzeugen, Stacheldraht und starrem Leder gegenüber spongiösen Organen, melkiger Haut und verstümmeltem Fleisch. Wenn das alles nicht so bestechend einzigartig wäre, dann wäre es unerträglich hässlich.

                  Der mittlerweile legendäre Pinhead (Doug Bradley) ist vielleicht der stilvollste von allen, der in seinem schwarzen Gewand und mit einem Gesicht voller Stecknadeln auftritt. Wie Freddy Krueger und Jason Voorhees vor ihnen sind die barbarischen Zenobiten so populär geworden, dass sie ihre Wurzeln als Antagonisten hinter sich gelassen haben und zu Stars geworden sind, wie ihre Rollen in den zahlreichen Fortsetzungen (Rezensionen folgen) zeigen. Ihre originelle Widerlichkeit wird durch die unaufhörlich unmenschlichen Handlungen und den konsequenten Tonfall perfekt ergänzt - ein tödlich ernster Horrorfilm mit zahllosen Sequenzen von anhaltendem Abschlachten.

                  Ein paar klischeehafte Dialoge, ein unausgereiftes Schauspiel und eine fragwürdige Blitzanimation aufgrund von Budgetbeschränkungen in letzter Minute können einen der kreativsten und einzigartigsten Horrorfilme des Jahrzehnts nicht schmälern. Die Musik von Christopher Young spiegelt die bedrohlichen Töne von "Aliens - Die Rückkehr" ein Jahr zuvor wider, die verfallende Kulisse ist nach wie vor ein formidables Geisterhaus, und die kompetente Kameraführung macht diesen einmaligen Horrorfilm zu einem echten Highlight. "Hellraiser - Das Tor zur Hölle" war seiner Zeit weit voraus und ist auch heute noch ein einflussreicher Höhepunkt des Slasher-Subgenres, der das Aufkommen des Torture Porn mehr als ein Jahrzehnt später vorwegnimmt.

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                    Chainsaw Charlie 31.05.2022, 12:17 Geändert 05.06.2022, 13:06

                    In "Der Nomade - Auf den Spuren von Bruce Chatwin" von Regisseur Werner Herzog, hält er mitten in einer Anekdote darüber inne, wie er und Bruce Chatwin einmal ohne Ausrüstung in einen Bergsturm gerieten und zwei Tage lang in Eislöchern liegend überleben mussten, errötet leicht und sagt: "Ich bin hier nicht der Protagonist." Es ist, als ob ihm gerade etwas bewusst geworden ist, was wir anderen schon seit Jahrzehnten in seinem Werk sehen.

                    Alle großen Beobachter der menschlichen Natur beginnen mit dem Selbst, weil es einfach am leichtesten zugänglich ist. Obwohl dies wahrscheinlich Werner Herzogs persönlichster Film ist, erinnert die Häufigkeit, mit der er Ausschnitte aus anderen Filmen aus der Vergangenheit einfügt, daran, dass dies alles Stationen auf demselben Weg sind. Bruce Chatwin - Reisender, Geschichtenerzähler, Abenteurer - war ein Freund von ihm und auch ein Mann, mit dem er anscheinend durch ihre zufällige Anziehung zu denselben Arten von Landschaften, Relikten und Geheimnissen verbunden war, was dazu führte, dass sie unabhängig voneinander einige der gleichen Entdeckungen machten. Es geht ihm nicht darum, Bruce Chatwins Geschichte zu erzählen, sondern vielmehr darum, eine Reihe ähnlicher Suchen zu unternehmen, ein Prozess, der die beiden auf indirekte Weise einander näher bringt. Oft kann man aus den Leidenschaften einer Person mehr über sie erfahren als aus biografischen Details. Werner Herzog zeigt Bruce Chatwin so, wie er sich in all den Jahren gezeigt hat. Es ist eine wirklich schöne Laudatio.

                    Wir beginnen mit der Erinnerung an ein Stück Tierhaut, das einst ein Familienschatz war, verloren ging, bevor Bruce Chatwin es für sich beschaffen konnte, und erst viel später wiedergefunden wurde. Dieses Stück, so wurde behauptet, gehörte einst zu einem Brontosaurus, obwohl seine dichte Behaarung dem aufmerksamen Betrachter schon früh einen Hinweis auf das Gegenteil liefert. Beim Besuch der Höhle, in der es gefunden wurde, trifft Werner Herzog auf eine Parade von Touristen, die sich von Bruce Chatwins Büchern inspirieren lassen. Sie posieren neben der Statue eines Bären vor dem Eingang. Die Höhle beherbergt unzählige Geschichten, denn, wie Werner Herzog schon sagte, stammen die ältesten Geschichten der Menschheit und die ältesten Formen des Kinos aus Höhlen. Die Höhle ist ein geeigneter Ort, von dem aus man sich auf den Weg nach draußen machen kann, wo man zahlreichen seltsamen Landschaften begegnet, die Geschichten von Kulturen kennenlernt, die heute völlig verloren sind, und Erzählungen entdeckt, die über den Tod hinausgehen und solche, die von ihm abgeschnitten sind.

                    Bruce Chatwin war fasziniert von den Ureinwohnern Australiens, die sich mit Hilfe von Geschichten und Liedern einen Weg durch den riesigen Kontinent bahnten. Es gibt hier ein Buch voller Weisheiten, die nie in die Hände von Weißen gelangen sollten. Werner Herzog fotografiert es in respektvoller Unschärfe, aber nicht ohne den Titel zu verraten. Es ist ein Eingeständnis, dass manche Geschichten privat sind. Die Frage, ob Informationen eingeschränkt werden sollten oder nicht, bleibt offen. An anderer Stelle befasst sich der Film mit den alten Überlieferungen von England und Wales, wobei die Kamera besondere Formen der Magie beobachtet, die durch schräges Licht in den Ästen der Bäume eingefangen werden.

                    Unter dem Blick von Werner Herzog wird alles lebendig, aber selten hat er so viel von sich selbst direkt preisgegeben. Wenn er von Bruce Chatwins The Viceroy Of Ouidah spricht, den er als "Cobra Verde" verfilmte, erklärt er, dass er ihn haben musste, weil er sonst von David Bowie verfilmt worden wäre, eine Möglichkeit, die er offensichtlich für unerträglich hält. Er spricht davon, dass er ein wenig Abstand zu Bruce Chatwin gehalten hat, und zwar in einer Form, die auf die Angst schließen lässt, von der Geschichte eines anderen überwältigt zu werden, von der Anziehungskraft eines Mannes, dessen Leidenschaft für die Welt um ihn herum seiner eigenen fast gleichkommt.

                    Mit seinen 78 Jahren nähert sich Werner Herzog der Welt nach wie vor mit einem kindlichen Staunen, das ihn im Kontrast zu seiner Gelehrsamkeit manchmal absurd erscheinen lässt. "Der Nomade - Auf den Spuren von Bruce Chatwin" hält Bruce Chatwins Abenteuern einen Spiegel vor und wirft dabei Licht auf seine eigenen. Es ist dieser Tanz des Lichts auf der Leinwand, der die Magie ausmacht.

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                      Chainsaw Charlie 30.05.2022, 12:27 Geändert 05.06.2022, 13:04

                      Abgesehen von der vielleicht besten Verfolgungsszene, die jemals gefilmt wurde und die innovativerweise nicht zwei Fahrzeuge auf derselben Ebene beinhaltet, ist "French Connection - Brennpunkt Brooklyn" von Regisseur William Friedkin ein hervorragender Cop-Thriller, der die Härte der Unterwelt Brooklyns, der Drogendealer und der Strafverfolgungsbehörden, mit schockierender Gewalt, gespickt mit Kunstblut, humorvoll-düsteren Dialogen und einer dokumentarischen Herangehensweise an die Filmografie mit offensichtlichen Handkamera-Techniken, die der Regisseur als "induzierte Dokumentarfilme" bezeichnete, vermischt. Es ist einer der unterhaltsamsten Versuche, eine fiktionalisierte wahre Geschichte durch die Anreicherung einer Sachbuchgrundlage mit beträchtlichen kreativen Freiheiten darzustellen, die Ernest Tidyman nach dem Buch von Robin Moore vorgenommen hat, und ist gerade wegen dieser Änderungen und Übertreibungen erfolgreicher.

                      Auch die Gespräche sind frech und bissig. Detective Jimmy "Popeye" Doyle (Gene Hackman) verhört Verdächtige und Kontaktpersonen mit verwirrenden, konfusen Ausdrücken sowie polizeilicher Brutalität und Kugeln, die nicht zu überhören sind. Zwischen dem ruppigen Polizisten und seinem loyalen Partner kommt es immer wieder zu improvisierten Dialogen voller Zynismus und Rassismus. Sogar stille Duelle zwischen Jäger und Raubtier finden statt, wenn sie die Kapazitäten wechseln und sich gegenseitig auf die falsche Fährte bringen. Vor allem Gene Hackman bietet eine Glanzleistung als widersprüchlicher Antiheld in der Art von Harry Callahan oder Frank Bullitt, aber mit noch mehr Realismus und Biss, und würde für seine Leistungen mit einem von fünf Oscars belohnt werden.

                      In vielerlei Hinsicht ist der Film eine Reihe von Verfolgungsjagden, einige im Inneren von kreisenden Geschossen, andere zu Fuß und wieder andere als visuelle Beobachtung, wie eine Observierung oder ein Überfall. Aber die Pirsch nach seinem Ziel ist für Detective Doyle eine fixe Idee, die nicht durch eine einfache Festnahme befriedigt werden kann. Das Finale ist in der Tat eine Art verpatzte Konfrontation, die in einer Tragödie und Frustration endet. Auch für das Publikum sind die Intrige der Ermittlungen, das Geheimnis und der Thrill der Jagd weitaus befriedigender als ein abruptes Ende. Und doch ist "French Connection - Brennpunkt Brooklyn" von der Eröffnungsszene des Films, in der jemand ermordet wird, der Alain Charniers Geschäften zu nahe kommt, über die Erschießung eines Ganoven - ein ikonisches Standbild, das für das Kinoplakat verwendet wurde - bis hin zu den letzten Sekunden der Unordnung und Verleugnung ein unbestreitbares Meisterwerk des rohen, provokativen Realismus des Krimis.

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                        Chainsaw Charlie 29.05.2022, 18:00 Geändert 05.06.2022, 13:07

                        In "Gnadenlose Flitterwochen", geschrieben, inszeniert und animiert von Bill Plympton, sehen wir zwei Vögel beim Kopulieren im Flug. In Wirklichkeit handelt es sich eher um eine Vogelvergewaltigung, bei der der Eindringling so aggressiv vorgeht, dass die vereinigten Vögel gegen eine Satellitenschüssel prallen und in ein Knäuel aus Federn und Elektrizität zerplatzen. Zwei Wochen später versucht der Besitzer des Hauses, Grant Boyer (Tom Larson), krampfhaft, Papierkram zu erledigen, aber er kann seine neue Frau Keri (Charis Michelsen) nicht davon abhalten, ihn mit ihren unsubtilen Flirtversuchen abzulenken.

                        Auf lustige Weise werden mehrere nichtsexuelle Konzepte durch wahnsinnig ungewöhnliche Ideen in sexuelle Vorstellungen umgewandelt. Ein Bleistiftspitzer und ein Quittungsband sind nur zwei Gegenstände, die sich in einen Ersatz für einen Phallus und ein Ejakulat verwandeln. Soundeffekte werden hier perfekt eingesetzt, um die Aktivitäten des Paares noch unangemessener zu machen, während eine Reihe von Liedern durch einfallsreich visualisierte Grobheiten zusätzlichen Humor verleiht. Bill Plympton bekennt sich offen zum schlechten Geschmack, oder besser gesagt, er verzichtet fröhlich auf den guten Ton.

                        Später besuchen die Boyers Keris Eltern zu einem ungemütlichen Essen, bei dem Nörgeln, peinliches Schweigen und lautes Suppenschlürfen den Smalltalk dominieren. Während sie zu Abend essen, erleben die Schwiegereltern einige sehr beunruhigende Halluzinationen oder manifestierte Alpträume, als hätte Grant Superkräfte oder als wäre er in einer Magierschule eingeschrieben. Obwohl Keri zunehmend beunruhigt und verzweifelt über Grants unberechenbares Verhalten ist und irgendwann droht, ihn zu verlassen, schafft er es, einen Platz in der Jackie Jason Fernsehshow zu ergattern, wo seine sich ausbreitenden paranormalen Fähigkeiten Solly Jims Komiker-Karriere retten, während er sich auch mit seiner eigenen persönlichen Illusionsnummer als äußerst unterhaltsam erweist.

                        Von der massiven Gewalt bei einem Treffen des SmileCorp-Kommunikationsnetzwerks über ausuferndes Gefluche während eines Gebets, einen rachedurstigen Grashalm, der seinen Besitzer niedermähen will, bis hin zu Grant, der Keris Brüste in Ballontiere umformt, und unbelebten Objekten, die Sex praktizieren - "Gnadenlose Flitterwochen" strotzt nur so vor Skurrilitäten. Er enthält sogar soziale und militärkritische Kommentare. Abwechselnd ekelhaft, humorvoll und skandalös kreativ, ist der Film ein absoluter Hirntrip, in dem unvorstellbare Boshaftigkeiten zu brillantem und fieberhaftem Leben erwachen. Der Film könnte möglicherweise besser als Kurzfilm funktionieren, aber die Spielfilmlänge fühlt sich nie spezifisch überlang an, und er langweilt gewiss nicht.
                        Bill Plymptons simple Animation ist bei diesem Thema besonders wirkungsvoll, da ständige Verzerrungen, Mutationen, Abstraktionen und seltsame Perspektiven in einer Welt der ständigen Absonderlichkeiten fast natürlich auftreten. Alle Elemente stehen Bill Plympton zur persönlichen Disposition. Seine absurde, surreale, perverse und obszöne Fantasie kennt keine Grenzen. Gerade wenn man glaubt, dass es nicht mehr abwegiger werden kann, ist das Gegenteil der Fall. Und das alles ist auf eine verrückte, grausame, abartige, durchgeknallte Art und Weise unglaublich mitreissend und saukomisch.

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                          Chainsaw Charlie 29.05.2022, 15:22 Geändert 05.06.2022, 13:45

                          "Ghostbusters: Legacy" von Regisseur Jason Reitman beginnt mit einer rasanten Geisterjagd, doch die Fortsetzung des Originalfilms von 1984 geht schnell zur Standardformel einer modernen Familie über, die in ein Spukhaus mitten im Nirgendwo zieht. Die Art von Behausung, die man mit dem abgelegenen, verfallenen Gebäude aus "The Texas Chain Saw Massacre" assoziieren könnte, das einen neuen Anstrich braucht, umgeben von vertrockneten Feldern, Weltuntergangszeichen und einer gespenstischen Scheune. Es ist der am wenigsten ideale Ort für einen dringend notwendigen Neubeginn.

                          Mckenna Grace in der Rolle der intelligenten, frühreifen Teenagerin, die schlauer ist als alle Erwachsenen im Raum, macht diese abgegriffene Geschichte etwas erträglicher. Der Clou: Sie ist weitgehend gefühllos, was ihre unnatürliche Tapferkeit angesichts der unheimlichen Geschehnisse noch verstärkt, aber auch eine Abweichung vom typischen Design bedeutet. Sie ist sehr sympathisch in ihrer Eigenart, die gut zu der Unbeholfenheit ihres Bruders (Finn Wolfhard) und dem ernsteren Auftreten ihrer Mutter (Carrie Coon) kontrastiert. Gleichzeitig ist es faszinierend, eine jugendliche Perspektive in der Welt der Geisterjäger zu sehen, ähnlich wie Steven Spielbergs Vorliebe, Kinder in den Mittelpunkt erwachsener Dilemmas zu stellen, was dem Film ein ähnliches Flair verleiht wie "Die Goonies", "Poltergeist" oder sogar "Jurassic Park".

                          Der Kampf eines pragmatischen Wissenschaftlers gegen das Übernatürliche entfaltet sich hier mit dem Gefühl eines 80er-Jahre-Films, und das ist die größte Stärke dieser neuesten Iteration. Abgesehen von der unnötigen, hektischen Eröffnungssequenz, schafft es die erste Hälfte von "Ghostbusters: Legacy", die Stimmung eines älteren, klassischen Blockbusters einzufangen, indem er bestimmte, sympathische und nachvollziehbare Charaktere etabliert, bevor er sie in geisterhafte Missgeschicke stürzt. Es besteht eine gute Chance, dass der Betrachter sich tatsächlich dafür interessiert, was mit diesen Personen passiert, auch wenn es eine Weile dauert, bis die Handlung in Gang kommt, was das gegenwärtige Publikum paradoxerweise abschrecken könnte.
                          Leider hat der Film, sobald die Geister auftauchen, Schwierigkeiten, originell zu bleiben. Die Fortsetzung folgt der Handlung des Films von 1984 unter dem Deckmantel von Anspielungen und Rückblicken so eng, dass sie eher wie ein Remake als eine Weiterführung wirkt. Der letzte Akt wiederholt sich so deutlich, dass er zu einem Werk wird, das sich ausschließlich an langjährige Fans richtet, was nie deutlicher wird als während des Schlusses. Warum sollten die Schlüsselelemente nicht clever neu variiert werden, anstatt sie fast identisch wiederzugeben, ohne die Kreativität und den Reiz, den die Fortschritte der Computeranimation bieten könnten? Es ist sicherlich eine unterhaltsame Sache, die Ghostbusters-Franchise wieder aufleben zu lassen, vor allem, wenn man auf die visuelle und charakterliche Authentizität achtet, aber das Endergebnis ist zu viel Vertrautheit und zu wenig Innovation.

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                            Chainsaw Charlie 28.05.2022, 18:14 Geändert 05.06.2022, 13:46

                            Romantische Harfenmusik eröffnet "Das Haus der verlorenen Mädchen" von Regisseur Vidal Raski, einen auf den ersten Blick merkwürdigen Film über den kleinwüchsigen Olaf (Torben Bille), der eine junge Frau mit Hilfe eines batteriebetriebenen, laufenden Hundespielzeuges in seine Wohnung im Obergeschoss lockt. Als das unglückliche Opfer das unaufgeräumte Zimmer betritt, erhält es einen Schlag mit dem Rohrstock auf den Kopf. Und dann folgt die Abspannsequenz, die durch eine Montage von ausgestopften Figuren verdeutlicht wird, die wie aufziehbare Kuriositäten tanzen oder herumhüpfen, wie zum Beispiel ein Affe, der fieberhaft die Zimbeln zusammenschlägt.

                            Die Handlungsorte sind ausgesprochen verstörend und bieten mit abgeplatzter Farbe, weggeworfenem Müll, Spinnweben und allgemeinem Schmutz ein spektakulär überzeugendes Spukhaus. Die Beleuchtung ist jedoch nicht in der Lage, ein angemessenes Unbehagen zu erwecken, sondern taucht alles in ein helles, vergilbtes Licht. Aber das ist nichts im Vergleich zu den Texten, die außerordentlich schlecht sind, selbst wenn sie auf eine gestelzte, ungeübte Art und Weise vorgetragen werden, die sie seltsam komisch macht. Auch die Leistungen der Schauspieler sind erbärmlich, mit Ausnahme von Torben Bille, der sich mit seinem tiefen Knurrton und seinem grässlichen Grinsen nicht allzu sehr anstrengen muss, um grotesk furchterregend zu wirken. Für einen schockierenden Exploitation-Film oder Dwarfssploitation, wie es genannt wird, besitzt er nicht einmal genug von einer Geschichte, um peinliche Song-and-Dance-Sequenzen mit Kostümwechseln zu vermeiden, die versuchen, den Wahnsinn von Norma Desmond in "Sunset Boulevard" zu imitieren, kreischende Gespräche zwischen Betrunkenen und viele Pausen in der Handlung, in denen Peter Davis (Tony Eades) nachdenklich auf seine Drehbücher starrt oder Mary (Anne Sparrow) mit sich selbst spricht, um offensichtliche Pläne zu rekapitulieren.

                            Um die Sache aufzupeppen, wurde "Das Haus der verlorenen Mädchen" abwechselnd in einer ungeprüften Version mit dem Titel "Die entführte Braut" und einer dänischen XXX-Version mit dem Titel "Der Zwerg" veröffentlicht, die zusätzliche Hardcore-Filmmaterialien enthält - ein Gimmick, das einige Jahre später auch "Caligula" prägen sollte. Die Geschmacklosigkeit wird durch diese Zusätze noch verstärkt, aber keine der Kürzungen behebt die zahlreichen Probleme mit der Dramaturgie, der Kontinuität und dem gesunden Menschenverstand. Der absichtlich mindere Filmgenuss ist keine Rechtfertigung für die Untätigkeit der Filmschaffenden. Aber dieses Projekt ist eindeutig als ein Angebot für dreckigen Geschlechtsverkehr und Nacktdarstellungen gedacht und nicht als ein legitimes Horrorprojekt, was in den Vergewaltigungsszenen auf abstoßende Weise deutlich wird. Diese Szenen werden mit schriller Pornomusik und quiekenden Plüschtieren gespielt, als ob es sich um Comedy-Routinen handeln würde. Darüber hinaus gibt es grundlose Nacktauspeitschungen. Mary besteht darauf, direkt zur Polizei zu gehen, begibt sich aber unerklärlicherweise zuerst in die Folterkammer im Obergeschoss zurück. Olaf humpelt immer wieder mit einer Nadel in der Hand mehrere Treppen hinauf und Peter wird versehentlich zum Drogenkurier. Trotz der verdorbenen Dreckigkeit des Ganzen ist der unverzeihlichste Teil von "Das Haus der verlorenen Mädchen" die Wiederholung. Es gibt hier nicht genug unterschiedliches Material, um einen ganzseitigen Film zu füllen.

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                              Chainsaw Charlie 28.05.2022, 15:19 Geändert 05.06.2022, 13:47

                              Regisseur Jean-Claude Lords "Vindicator" ist ein früher, aber weitgehend erfolgloser Versuch, einen Cyborg-Thriller voller Gemetzel, explosiver Action und denkwürdiger Sci-Fi-Themen zu schaffen. Auch wenn der Film wie ein komplettes Plagiat von "Robocop" aussieht, gibt es ein paar positive Aspekte. Erstens wurde er mehr als ein Jahr vor dem bereits erwähnten Epos von Paul Verhoeven veröffentlicht. Visuell wird einiges richtig gemacht, aber viele Inszenierungen von beeindruckenden Szenarien oder intensiven Action-Sequenzen werden durch das erdrückende Defizit an einem originellen Racheplot stark abgeschwächt. Ein interessantes Kostümdesign und eine überzeugende Bösewichtin sind auch der Tatsache geschuldet, dass die zeitgenössischen Produktionen deutlich bessere Filme waren.

                              Ein paar hoffnungsvolle Impulse werden leider durch die grauenhafte Schauspielleistung und den grottenschlechten Soundtrack in den Schatten gestellt. Die Darbietungen sind allesamt ziemlich mies, mit Ausnahme einer Schlüsselrolle einer Darstellerin, die in den 70er Jahren für ihre anzüglichen Exploitation-Filme bekannt war: Pam Grier hat einen Auftritt als Hunter, eine knallharte Frau, die angeheuert wurde, um den Moloch zu zerstören. Ironischerweise ist sie die einzige Protagonistin, die auch nur den Funken einer Vorstellung davon hat, was vor sich geht, aber sie wird nicht dazu gebracht, dieses Bewusstsein zu nutzen. Neben der trostlosen Besetzung wird "Vindicator" von einem Techno-Soundtrack übertönt, der in den falschen Momenten dröhnt und in den Actionszenen sogar Lachanfälle provoziert. Frenetische Orchestermusik wäre angemessener gewesen, aber anscheinend reichte das Budget nur für eine Ein-Mann-auf-einem-Synthesizer-Band.

                              Auf der positiven Ebene sind das Maskenbild und die Aufmachung der Kostüme faszinierend, und der biomechanische Raumanzug des Vindicators ist der Stoff, aus dem Science-Fiction-Träume sind. Aber die Handlung schafft es nicht, Sympathien für den titelgebenden Cyborg zu wecken oder eine Verbindung zu irgendeinem anderen Charakter aufzubauen. Der Schluss ist zwar einigermaßen befriedigend, wenn man davon absieht, dass der Vindicator keine Chance auf ein normales Leben hat, aber es gibt einfach zu viele technische Schwachstellen und Handlungsprobleme, die im Film immer wieder zutage treten.
                              Der vielleicht interessanteste Punkt an "Vindicator" ist die Tatsache, dass er vor "Robocop" spielt, jedoch weder vor noch nach der Erscheinung von Paul Verhoevens Science-Fiction-Klassiker Beachtung gefunden hat. Der Film von Paul Verhoeven wurde zwar nicht davon beeinflusst, aber Robocops nahezu unzerstörbare Panzerung und seine Halb-Mensch-halb-Maschine-Persönlichkeit sind hier definitiv spürbar, kombiniert mit viel Brutalität und Action. Bedauerlicherweise findet all der Nervenkitzel, die Spannung und die Gesellschaftssatire, die in "Robocop" zu finden sind, in diesem Low-Budget-Film keinen Platz, was dazu führt, dass "Vindicator" einer der obskureren, düster-futuristischen Cyborg-Filme des Jahrzehnts bleibt.

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                                Chainsaw Charlie 28.05.2022, 03:30 Geändert 05.06.2022, 13:47

                                "Clerks - Die Ladenhüter" des Regisseurs Kevin Smith beginnt mit einigen obszönen Animationen um die View Askew Productions vorzustellen. Der eigentliche Film setzt damit ein, dass Dante Hicks (Brian O'Halloran) aus seinem Schrank fällt, in dem er offenbar nach Feierabend in der Nacht zuvor eingeschlafen ist. Nach einem Anruf, dass er für eine weitere Schicht wiederkommen soll, schnappt sich Dante eine Handvoll Anziehsachen aus einem Kleiderhaufen in der Ecke seines Zimmers und macht sich auf den Weg zu Quick Stop Groceries, wo er Zeitungen auslegt, Kaffee kocht und ein individuelles "Offen"-Schild anfertigt, nachdem er nicht imstande ist, die Fensterläden des Geschäfts zu öffnen. "Falls du planst, einen Ladendiebstahl zu begehen, sag uns Bescheid", steht auf einem Aushang an der Kasse, an der Dante für die nächsten Stunden festsitzen wird.
                                Im Laufe des Tages muss sich Dante mit allerlei merkwürdigen Gestalten herumschlagen, angefangen bei einem rauchfeindlichen Herumlungerer, über alte Bekannte, einen Mann, dessen Hand in einer Pringles-Dose steckt, bis hin zu den Drogendealern Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Kevin Smith) und vielen anderen kuriosen Kunden. Dazu kommen hitzige Diskussionen mit seiner Freundin Veronica (Marilyn Ghigliotti) und ein Schwätzchen mit seinem Kumpel Randal Graves (Jeff Anderson), dem Angestellten der Videothek gleich gegenüber. Die zahlreichen, angeregten Gesprächsthemen reichen von unzüchtig bis vulgär und sind überwiegend mit unflätigen Ausdrücken gespickt.

                                Als Slice-of-Life-Komödie über durchschnittliche und ein paar unkonventionelle Jugendliche, die eher im College- als im Highschool-Alter sind, untersucht "Clerks - Die Ladenhüter" alle möglichen Themen, die Heranwachsende betreffen, und befasst sich mit vergangenen und gegenwärtigen Beziehungen und der Monotonie von Angestelltenjobs, wobei sich die meisten Fragen um Sex und Pornografie drehen. Aufgrund der begrenzten Kulissen und der minimalen Anzahl an Charakteren liegt das Hauptaugenmerk auf den Dialogen, die durchweg unterhaltsam und mitunter zum Brüllen komisch sind. Egal, ob es um die Details hinter den Kulissen von Filmen geht, um blödsinnige Ausfragen oder darum, was in den Gehirnen besonders ausgefallener Kunden vor sich geht und nichts ist zu banal, um es im Detail zu behandeln.

                                Aufgeteilt in redundant benannte Kapitel, die bestimmte Witze, Themen oder Interaktionen bezeichnen, geht es in "Clerks - Die Ladenhüter" weniger um eine zentrale Geschichte als um eine Reihe von Vignetten, in denen Randal als derber, pervertierter Jiminy Cricket zu Dantes ambivalentem Durchschnittsmensch fungiert. Während er über sein Liebesleben, bevorstehende Veränderungen, die Ärgernisse mit seinem Chef, die beruflichen Anforderungen, ein Hockeyspiel, eine verflossene Liebe (Lisa Spoonauer) und vieles mehr nachdenkt, muss sich Dante auch mit einem immer größeren Ansturm von Kunden arrangieren. Und in dieser Kleinstadt weiß jeder ein Stück weit zu viel über den jeweils anderen, was die Konfrontationen umso befremdlicher gestaltet.

                                Auch wenn Einzelteile wie ein paar deftige Witze, absonderliche Charaktere und eine hanebüchene Problematik eher im Gedächtnis bleiben als das Gesamterlebnis, ist dieses eigenständige Billigprojekt fraglos ein beeindruckendes Werk. Trotz der unübersehbaren monetären Engpässe, des mangelnden Engagements professioneller Schauspieler, primitiver Klangeffekte und holpriger Schnitttechnik lauert die Kreativität hinter den Kulissen. Erfrischend originell wirkt dabei der Humor, erstaunlich schlicht gestaltet sich die Umsetzung der deprimierenden Borniertheit, und lebhaft präsentiert sich die musikalische Umrahmung. "Clerks - Die Ladenhüter" ist ein Beweis dafür, wie ein Film mit praktisch inexistenten Ressourcen außer Zielstrebigkeit und einem verschrobenen Drehbuch gelingen kann.

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                                  Chainsaw Charlie 27.05.2022, 23:11 Geändert 05.06.2022, 13:48

                                  Der 1958 erschienene Film "Die Fliege" von Regisseur Kurt Neumann beginnt mit einem ellenlangen Aufbau und gibt sich alle erdenkliche Mühe, Stimmung zu erzeugen. Die Geschichte zieht sich nahezu in die Länge, da sie ein Drittel der Laufzeit viele Minuten damit verbringt, über die Hintergründe eines mysteriösen, grausamen Todes und eine besessene Frau zu räsonieren, die nichts über ihre Verbindung preisgibt. In fast jedem Raum, den die handelnden Akteure bewohnen, schwirrt eine Fliege umher, was die Aufmerksamkeit auf ihren Sinn oder ihre Symbolik lenkt. Wie aus den Trailern und dem Postermotiv bereits ersichtlich, ist der zentrale Kern der Handlung der biologische Unfall eines durchgeknallten Wissenschaftlers mit einem gewöhnlichem Insekts, der sich als diabolischer Prozess gestaltet. Wie "Frankenstein" kommentiert "Die Fliege" den unheilvollen Eingriff in die Natur und die damit einhergehenden unheiligen Experimente, die naturgemäß zu Katastrophen und Tragödien führen, statt zu Fortschritt und Ruhm.

                                  Wie die meisten großen Horrorfilme verbindet auch "Die Fliege" andere Gattungen auf vielfältige Weise. Hier dominiert das Thema Liebe die romantischen Komponenten, unter anderem Andre Delambres (David Hedison) Glück mit seinen wissenschaftlichen Entwicklungen und seiner Ehefrau Helene (Patricia Owens), sowie die Rudimente einer nicht realisierten Liebesdreisamkeit. Auch Science-Fiction-Vorstellungen werden thematisiert, mit den neonglühenden Lichtern eines Materietransportgeräts, das an die Übertragung von Fernsehsignalen grenzt, und dem kalten grauen Stahl des unterirdischen Laboratoriums eines Forschers. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, in Einzelfällen eher unbeabsichtigt, am markantesten bei der Erläuterung der Desintegration und Reintegration des unfreiwilligen Probanden Dandalo, der Katze. Er verschwand "im Raum - ein Strahl von Katzenatomen", wie Andre mit den Händen formuliert. Und schließlich beherrschen die Aspekte des Horrors, wenn sie eintreffen, das Szenarium auf sensationelle Weise, ausgehend von der bedrohlichen Metalltür des Labors, hinter der sich das entsetzliche Malheur verbirgt, das den Wissenschaftler zum Schweigen zwingt. Zu einem späteren Zeitabschnitt erscheint Andre mit einem verdeckten Antlitz und einer monströsen krallenartigen Hand, was auf eine gewaltige physische Bedrohung hinweisen soll. Die Kreatur selbst wird, wie in den allermeisten Monsterfilmen, erst relativ spät offenbart. Der Höhepunkt von "Die Fliege" ist eine unvergessliche Szene, mit klassischer Hollywood-Optik.

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                                    Chainsaw Charlie 27.05.2022, 19:22 Geändert 05.06.2022, 13:48

                                    "Der Vampir aus dem All" unter der Regie von Jim Wynorski beginnt mit einem gewagten, ungewohnt bescheidenen Akt: Der Vorspann zeigt Ausschnitte aus anderen Science-Fiction- und Horrorfilmen des Produzenten Roger Corman. Sie zeigen Monster und Gewalttätigkeiten, die die Beeindruckungskraft der bevorstehenden Produktion bei weitem übertreffen. "Der Vampir aus dem All" macht sich unverhohlen über seine eigenen Elemente lustig, von Mr. Johnsons (Arthur Roberts) tiefer, monotoner Stimme und seinem klischeehaften Gesülze, über die unpassende Unterhaltungsmusik bis hin zu den grundlos eingebauten Nacktszenen. Es gibt eine ganze Reihe von lächerlich konstruierten Momenten, in denen nacktes Fleisch präsentiert wird, darunter Prostituierte als leichte Opfer, ein Strippergramm, das für das falsche Haus aufgeführt wird, und Nadine Story (Traci Lords), die in freizügigen Dessous und Badeanzügen herumläuft oder einfach nur am duschen ist. Sie spielt auch die Hauptrolle in ihrer eigenen, in Zeitlupe gedrehten, aber sehr dürftig geschnittenen Sexszene, in der sie ihren Kopf ein paar Mal umherschleudert, während die Laken seltsamerweise zwischen den für den Fortpflanzungsakt obligaten Arealen verbleiben.

                                    "Der Vampir aus dem All" tut nichts Erlösendes, sondern bietet ebenfalls kümmerliche Spezialeffekte, hauptsächlich in Form von Stromstößen und fluoreszierenden, animierten Wolken, ein scheußliches Schminkkonzept und einer ausgesprochen schlecht formulierten Mundart. Völlig überraschend ist Traci Lords jedoch keine so miese Schauspielerin, wie man erwarten würde. Ihr aufrichtiger Umgang mit dem Material verleiht ihm eine zusätzliche Portion Würde, obwohl selbst die kurzen blutigen Ausbrüche für den Gesamtrealismus oder die Tiefe der Horrorvision trivial sind. Es gibt auch eine sinnlose Fülle von Hintergrundinformationen über unwichtige Charaktere, einschließlich der Schilderung von Jeremys (Lenny Juliano) früherem Leben als Verbrecher und der Theorien von Dr. Rochelle (Ace Masc) über Blutverdunstung. Zusätzlich werden Minuten für die Beobachtung von Officer Harry Sherborn (Roger Lodge), Nadines Freund, eingeplant, während der Abspann auf mögliche Patzer hinweist, die sicherlich weitaus kurzweiliger gewesen wären als das meiste vorangegangene Filmmaterial. Dieses Remake aus dem Jahr 1988 ist der zweite von drei Filmen mit demselben englischen Titel, die alle von Roger Corman produziert und mit sehr beschränkten finanziellen Mitteln gedreht wurden. In der letzten Verfilmung aus dem Jahr 1995 (nicht hier auf Moviepilot gelistet) sind zumindest mehr bekannte Schauspieler vertreten, darunter Michael York, Richard Belzer und Jennifer Coolidge.

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                                      Chainsaw Charlie 27.05.2022, 14:35 Geändert 05.06.2022, 13:49

                                      "Barbarian Queen II" von Regisseur Joe Finley nimmt so schnell Fahrt auf, dass er sich wie eine direkte Fortsetzung einer Episode aus einer Fernsehserie anfühlt. Dieser zweite "Barbarian Queen"-Film leiht sich jedoch lediglich den Namen und einige wiederkehrende Akteure. Keine der Charaktere oder Szenarien sind Fortsetzungen des Low-Budget-Schwert-und-Sandalen-Exploitationfilms von 1985. Das verwirrt ein bisschen, wenn man bedenkt, dass das Produktionsdesign im Grunde exakt so aussieht wie vorher, inklusive der schlecht geschnittenen Kostüme, der akzeptablen Kulissen und der Billigrequisiten wie einer Sense, die ein Bauer rückwärts hält, wenn er in die Schlacht zieht. Es scheint so, als hätten die Filmemacher zwar beschlossen, eine Fortsetzung zu drehen, doch die Namen in letzter Minute wegen irgendwelcher Urheberrechtsprobleme abgeändert.

                                      Aber das spielt im Grunde keine Rolle. Das Prozedere geht kaum als Film durch. Es ist lediglich eine Gelegenheit für die Teilnehmer, sich als Ritter und Amazonen zu verkleiden und sich in erbärmlichen Duellen zu messen. Schläge werden besonders weit ausgeholt, während Schwerter ihr Ziel um mehrere Meter verfehlen, unglücklich unter einem Arm hindurchgehen oder überhaupt keinen Kontakt mit einer anderen scharfen Waffe haben. Nur wenige Sekunden vor dem Kampf zwischen zwei Frauen wird ein Fass Wasser auf den Boden geleert, was zu einer Schlammschlacht führt, bei der Athalias (Lana Clarkson) Brüste und die ihrer Gegnerin auffällig aus ihren Kleidern hervorlugen, wie auch bei zahlreichen anderen Situationen, insbesondere wenn sie ein Schwert schwingt. Wäre da nicht die gratis Nackigkeit, gäbe es vielleicht nicht einmal einen gewissen Schauwert für das Softcore-Publikum.

                                      Die Nebenfiguren können kaum Enthusiasmus versprühen, die Textpassagen werden ohne Pathos wiedergegeben, die deutsche Synchronisation ist merklich verfehlt, und die Gespräche sind abwechselnd widerlich und unwillkürlich komisch. In einer Vergewaltigungsszene wird einer Bäuerin gesagt, sie solle es "wie ein Mann nehmen"; "Was für ein ekelhafter Anblick", ruft Hofrax (Roger Cudney), als er Athalias Mieder herunterreißt. Einige Akteure sind wahrscheinlich nur als Witzfiguren konzipiert, wie etwa die tollpatschige Noki (Elizabeth Jaeger), aber es ist schwierig, sich dessen sicher zu sein, wenn man bedenkt, wie leer viele der Spruchfetzen sind. Auch die einfachsten Details sind zu kompliziert, beispielsweise das Fesseln der Hände eines Mannes oder das Quälen von Hofrax, wenn er von den Rebellen gefangen genommen wird und sein goldener Umhang von den Schmutzfingern einer jungen Frau betatscht wird, bevor Athalia ihm mit sexuellen Avancen droht.

                                      Auch die Spezialeffekte sind passend zum Film wahnsinnig schlecht. Darüber hinaus schleppt sich die Handlung trotz einer Laufzeit von weniger als 90 Minuten dahin und weiß nicht, wie sie die sich wiederholenden Geschehnisse interessant halten soll. Aber am widersinnigsten und unhaltbarsten ist wohl, dass Lana Clarkson am Ende barbusig an eine Folterbank geschnallt wird, und das gleich zweimal, um die einzige denkwürdige Szene aus dem ersten "Barbarian Queen" zu duplizieren.

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                                        Chainsaw Charlie 27.05.2022, 02:32 Geändert 05.06.2022, 13:50

                                        "42 - Die wahre Geschichte einer Sportlegende" von Regisseur Brian Helgeland enthält alle Elemente, die ein inspirierendes Sportdrama zum Erfolg werden lässt. Leider ist es so, als ob der Film versucht, eine Quote zu erfüllen, indem er emotionale Momente, genug Widrigkeiten für jeden Außenseiter und einen Hauch von Manipulation bietet. Die Anwendung von Konzepten für diese Art von Filmen hat sich als kontinuierlich profitabel erwiesen. Aber braucht ein Werk, das auf der ohnehin schon starken Vorstellung von der konsequenten Integration schwarzer Spieler in den amerikanischen Sport Baseball basiert, wirklich eine harte Hand für die Umsetzung? Reicht es nicht aus, einen außergewöhnlichen Mann zu porträtieren, der sich dem überwältigenden Druck des Rassismus widersetzt, um einen Wandel in einer langjährigen Tradition anzuregen?
                                        Brian Helgeland, der zielstrebig, aber mit Bedacht inszeniert, wird durch viele mitreißende Reden und häufige musikalische Anschwellungen unterstützt. Die Charaktere führen weniger Gespräche als vielmehr Seifenpredigten, wobei ein kluger Spagat gemacht wird, um unerträgliche Frömmigkeit zu vermeiden. Brian Helgeland hat das Gespür, das Moralisieren abzuschwächen und die natürliche Sympathie für die Zielpersonen der Ignoranz zuzulassen, damit sie sich aufregen und reagieren. Zum Ausgleich für die trüben Szenen gibt es auch jede Menge Humor, mit Charakteren wie John C. McGinley als urkomischer, trockener Ansager, der keine einzige ehrliche Zeile von sich gibt, und Harrison Ford, der einige der lustigsten Sprüche klopft, während er jeden Satz, den er spricht, brummt. Christopher Meloni spielt den Trainer Leo Durocher, der seinen Text lauthals vorträgt, um das authentische Brodeln zu kompensieren, während Max Gail die Rolle von Burt Shotton übernimmt, einem ungewöhnlich ruhigen und stillen Ersatzmanager. "42 - Die wahre Geschichte einer Sportlegende" konzentriert sich klugerweise mehr auf das Überwinden von Hindernissen und das Zügeln von Denkweisen als auf das Baseballspiel selbst, auch wenn es ein paar kurze Momente gibt, die für diejenigen, die sich hauptsächlich für den Sport interessieren, unterhaltsam sind. Es ist ein Biopic mit einer Botschaft, die den Film gelegentlich langsam voranschreiten lässt und versucht, die Geschichte mehr zu erfassen als zu begeistern.

                                        Die historischen Ereignisse scheinen im Wesentlichen zu stimmen, auch wenn einige kleine Details fragwürdig sind. Die künstlerische Freiheit mag sich auf einige Szenen ausgewirkt haben, nämlich als Jackie Robinson erfolgreich die dritte Base stiehlt, obwohl er in einer Klemme steckt, als ein Pitcher so verwirrt ist, dass er den Ball vor einem Pitch aus der Hand fallen lässt, was zu einem Balken führt, der das Erzielen eines Runs ermöglicht, und als Jackie Robinson bei einer 3:0-Zählung gegen den Pirates-Pitcher Fritz Ostermueller einen Homerun schlägt. All dies ist ziemlich unwahrscheinlich, aber ihre Einbeziehung steigert auf jeden Fall die Attraktivität und die Leistungen des couragierten Ausnahmetalents.

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                                          Chainsaw Charlie 26.05.2022, 18:02 Geändert 05.06.2022, 13:50
                                          über Caniba

                                          "Caniba" von den Filmemachern Verena Paravel und Lucien Castaing-Taylor ist einer der intensivsten und verstörendsten Dokumentarfilme der letzten Jahre, der sich mit dem infamen japanischen Kannibalen Issei Sagawa beschäftigt. Issei Sagawa hat 1981 während seines Studiums an der Pariser Sorbonne eine Kommilitonin ermordet und danach teilweise verzehrt. Aufgrund eines Urteils des französischen Gerichts, das ihn für unzurechnungsfähig erklärte, und juristischer Formalitäten in Japan durfte Issei Sagawa als freier Mann in sein Heimatland zurückkehren, wo er weiterhin von seiner makabren Popularität lebt, während er von seinem älteren Bruder Jun betreut wird.

                                          Der Dokumentarfilm zeigt eine Art Interview, das mit Issei Sagawa beginnt, aber auch Jun daran teilhaben lässt, indem er seinem Bruder Fragen stellt und etwas über ihren Hintergrund erzählt, obwohl ab einem gewissen Punkt auch der Bruder auf bestürzende Weise in den Mittelpunkt rückt. Neben den Interviews enthält der Dokumentarfilm auch einige Aufnahmen aus ihrer Kindheit, Issei Sagawas Interaktion mit einem "Überraschungsgast" und einen ausführlichen Einblick in einen Manga, den er zu seinem kannibalistischen Akt gezeichnet hat.

                                          Verena Paravel und Lucien Castaing-Taylor gehen experimentell an ihr Thema heran, indem sie eine Reihe von langen Einzelaufnahmen und extremen, gelegentlich unscharfen Nahaufnahmen verwenden, meist in Perspektiven, die das Motiv von schräg oben oder von unten zeigen. Das Ergebnis ist äußerst schockierend, da dieser Ansatz dem Thema jede Art von Kunstfertigkeit zu nehmen scheint, die bei einem solchen artistischen Ansatz überraschend ist, und den Zuschauer dazu zwingt, sich auf die Worte und die Bilder auf dem Bildschirm zu konzentrieren, die mit der Zeit immer grotesker werden, und zwar in wahrhaft makelloser Ausführung. Gleichzeitig enthüllen die detaillierten Großaufnahmen allmählich, was in den einzelnen Sequenzen vor sich geht, und bauen so die Intensität für eine Reihe von extremen Bildmotiven auf.

                                          Der Schwerpunkt liegt jedoch nicht nur auf dem Abbildungsprozess, sondern auch auf den monologischen Gesprächen und den Reflexionen der beiden Brüder, die sowohl ihre Beziehung als auch jede einzelne von ihnen beleuchten. Wenn man Issei Sagawas Sätze wie "Ich wollte von Renee gefressen werden" oder "genährt von fetischistischem Verlangen" hört, wird man einmal mehr mit der Natur eines Mannes konfrontiert, der um seine Krankheit weiß, aber sowohl körperlich als auch geistig zu kaputt ist, um etwas dagegen zu unternehmen oder diese Erkenntnis auch nur zu bewahren. Darüber hinaus wird in den Dialogen die Hassliebe zwischen den beiden Brüdern auf erschreckende Weise deutlich, und die Frage, warum er sich für seinen Bruder entschieden hat, ist unausweichlich und lässt sich nicht einfach mit dem traditionellen Pflichtgefühl gegenüber Familienmitgliedern begründen.

                                          Mit all dem wollen die Regisseure zeigen, dass die Realität jede Fantasie übertreffen kann, in diesem Fall sogar die des japanischen Exploitationfilms, und sie fordern ihr Publikum gleichzeitig auf, über die Menschheit und ihre Grenzen nachzudenken. Zuletzt scheint eine weitere Frage während der gesamten Dauer des Films immer wieder aufzutauchen: Können wir uns in diese Menschen hineinversetzen? "Caniba" ist sicherlich kein Film für jedermann, nicht nur wegen der Thematik, sondern auch hinsichtlich der Präsentation.

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                                            Chainsaw Charlie 23.05.2022, 14:27 Geändert 05.06.2022, 13:30

                                            Der Film ist Teil meiner Liste "Chainsaw Charlie's Kommentar-Wunschliste für MP-Buddys". Hier rewatche ich von mir bewertete Filme, zu denen ich keinen Kommentar geschrieben habe, meine MP-Buddys aber gerne etwas von mir zu lesen würden.
                                            https://www.moviepilot.de/liste/kommentar-wunschliste-von-chainsaw-charlie-chainsaw-charlie

                                            Der Kommentar ist für Framolf und ich muss mich bei ihm entschuldigen, weil ich seinen Wunsch bezüglich "Broken Flowers" in der ersten Runde tatsächlich übersehen habe, weshalb er als Wiedergutmachung von mir zwei Filme in der aktuellen Staffel wählen durfte. Leider kann ich von seiner Seite aus keine Bewertung und/oder einen Kommentar zu diesem Film finden, aber ich gehe davon aus, dass er ihn genauso hoch einschätzt wie meine Bewertung von 10 Punkten, die sich auch nach meiner letzten Sichtung nicht geändert hat.

                                            Es gibt diejenigen unter uns, die mit wilder Hingabe und ohne Entschuldigung vor dem Altar von Regisseur Jim Jarmusch niederknien. In seinem schrägen Rhythmus und seiner bewusst nüchternen Ästhetik liegt eine eigentümliche und auffallende Erkenntnis darüber, wie die Menschen ihr Leben führen. Seine Filme, zu denen auch "Broken Flowers" gehört, sind bevölkert von Charakteren, von denen einige echte Außenseiter und andere nur ein wenig aus dem Takt geraten sind. Deren schräge Entscheidungen sind das Grundgerüst für Jim Jarmuschs Einblicke in die nihilistische Verzweiflung und die unwahrscheinlich beharrliche Hoffnung, die die Realität prägen. "Broken Flowers" ist ein episodenhaftes Roadmovie im Jarmusch'schen Stil, das bedeutet unvorhersehbar, skurril und gespickt mit absurdem Humor.

                                            Bill Murray spielt Don Johnston "mit einem 't'!", so der Running Gag des Films, einen wohlhabenden Rentner, der ein Vermögen mit Computern gemacht hat und nun seine Tage auf einer riesigen Ledercouch verbringt und fernsieht. Seine restliche Energie konzentriert sich darauf, Bindungen zu vermeiden, zuletzt mit Sherry (Julie Delpy), die sich gerade aus Dons Leben verabschiedet, als wir es betreten. Er sitzt schweigend vor dem Fernseher in seinem Jogginganzug, mit der Fernbedienung in der Hand. Er sieht sich Alexander Kordas Klassiker von 1934, "Das Privatleben des Don Juan", an. Beide Dons haben ihr Leben auf der Suche nach dem schönen Geschlecht verbracht, und in beiden Fällen hat es sie heimgesucht. In Don Johnstons Fall ist es ein Brief, der mit roter Tinte auf rosa Briefpapier geschrieben und in einem rosa Umschlag an ihn geschickt wurde, als seine Freundin, ebenfalls in Rosa gekleidet, ihn verlässt. Der Brief fällt sogar aus dem Briefkasten auf ihre rosa Schuhe und gibt ihr einen weiteren Grund, ihn zu verlassen, als sie annimmt, er sei von einer anderen Geliebten. Sie liegt richtig, aber nicht so, wie sie denkt. Er ist von einer alten Flamme, und statt süßer Worte enthält er eine explosive Nachricht über eine Kleinigkeit, mit der Don sie vor fast zwanzig Jahren allein gelassen hat. Don ist nicht sonderlich daran interessiert, die Identität des Autors herauszufinden, aber sein hyperaktiver Nachbar Winston (Jeffrey Wright), ein begeisterter Fan von Kriminalromanen, drängt ihn dazu, eine Liste möglicher Kandidatinnen zu erstellen.

                                            Während Don seine Zeit mit dem Gesicht nach unten auf dem Sofa verbringt oder im Dunkeln sitzt und schwermütige Musik hört, hat Winston Dons romantische Geschichte recherchiert und eine Reiseroute mit Flugbuchungen, Karten und Mietwagen organisiert. Er lässt sich nicht mit Apathie abspeisen, wenn Don sich lieber nicht mit seiner Vergangenheit, oder besser gesagt, seinen Vergangenheiten, auseinandersetzen möchte. Seine Reise ist voller Zeichen und Vorzeichen, denn jede der ehemaligen Freundinnen, die er besucht, in Gestalt von Sharon Stone, Frances Conroy, Jessica Lange und Tilda Swinton, bietet Überraschungen mit ihren radikal unterschiedlichen Willkommensgrüßen, die von Übermutter bis hin zu körperlicher Gewalt reichen, wobei kein Wiedersehen weniger als schmerzhaft unangenehm ist.

                                            Das zentrale Mysterium ist natürlich Dons Seelenleben, das er gerne dort versteckt, wo es niemanden stört, schon gar nicht ihn selbst. Das Problem dabei ist, dass diese Dinge zu einem Ärgernis werden können, wenn sie ignoriert werden. Es gibt eine hervorragende Metapher, als Don, von seinem sterilen, teuer möblierten Haus zu Winstons ausgelassenem Chaos gerufen wird, um den Zugang zu einer Website zu knacken, auf der es um das Schreiben oder die Lösung eines Rätsels geht, das Winston, ein unverbesserlich neugieriger Mensch, zu lösen versucht. Es ist typisch für den Stil von Jim Jarmusch. Jeder Moment ist in seiner künstlerischen Gestaltung und seinem Sounddesign so sorgfältig inszeniert, dass er genauso viel, wenn nicht sogar mehr aussagt als jeder einzelne Dialog.

                                            In Bill Murray hat er den Schauspieler schlechthin gefunden. Als Winston Don bittet, eine Liste der Frauen zusammenzustellen, die er vor 20 Jahren gekannt hat, gibt es die kleinste, fast unmerkliche Veränderung in Bill Murrays Gesicht, und doch die klare Erkenntnis, wie unmöglich das ist, zeitlich und gedanklich, ganz zu schweigen von den Erinnerungen, die es hervorrufen könnte. Es ist ein exquisiter Moment und genau das, was das Beste an Jim Jarmush ist, nämlich das, was nicht gesagt wird, sondern was so klar kommuniziert wird wie ein kräftiger Jodler, der durch die Alpen schallt. Ähnlich verhält es sich, wenn er bei einem ganz und gar höflichen, geradezu schrecklichen Abendessen mit einer seiner alten Freundinnen und ihrem unermüdlich gut gelaunten Ehemann sitzt: Die Art, wie er den Mund voller Karotten nimmt, vermittelt das Bedürfnis, die Mahlzeit, die niemandem schmeckt, zu beschleunigen und dabei lässig zu wirken. Bill Murray hat die besondere Gabe, in jeder Situation unser Mitgefühl für seine Notlage einzufordern, und "Broken Flowers" ist nichts anderes als eine Reihe von Vignetten, in denen genau das erforscht wird, und ein Lachen über die Absurdität des Ganzen zur gleichen Zeit und in gleichem Maße.

                                            "Broken Flowers" ist diese Dichotomie der Gefühle in einem größeren Maßstab. Die Figuren mögen todernst sein, aber sie sind unwissentlich in eine Geschichte verwickelt, die sie zur Pointe eines kosmischen Witzes macht. Jim Jarmusch bietet weder uns noch seinen Figuren einen Ausweg aus dieser Situation, aber er erlaubt uns, in der Farce des Ganzen zu schwelgen.

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                                              Chainsaw Charlie 23.05.2022, 11:30 Geändert 23.05.2022, 11:45

                                              Die ersten paar Saw-Filme waren düstere Horrorstreifen mit einigen ziemlich abgedrehten Gewaltszenen, aber sie waren jenseits des Gemetzels clever gemacht. "The Dare" von Regisseur Giles Alderson spielt mit großen Ideen, begnügt sich aber im Wesentlichen damit, dank einer unnötigen Fokussierung auf überzogene Torture-Gore-Filme nahezu unsichtbar zu sein.
                                              Giles Alderson scheint die Aufgabe anzugehen, so blutig wie nur irgendwie möglich zu agieren. Den meisten Szenen würde ein gewisses Maß an Zurückhaltung gut tun, damit die Phantasie des Publikums die Leerstellen ausfüllen kann. Giles Aldersons Zwang zu einem unnachgiebigen Umgang mit dem blutigen Geschehen bewirkt, dass der Film später kein höheres Niveau mehr erreichen kann. Irgendwann fällt es Giles Alderson schwer, die Gewalt immer weiter auf die Stufe 10 zu erhöhen, und die Steigerungen auf einen Wert von 11 und 12 wirken wie ein Überdruss. Giles Alderson und Co-Autor Jonny Grant versuchen schließlich, die Notwendigkeit der extremen Härte zu erklären, aber es ist nicht zufriedenstellend. Mehr zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen, aber die Motive des Mörders werden klar erklärt, auch wenn es nicht die logischsten Informationen sind. Der große Twist wird in der Mitte des Films aufgedeckt, aber er funktioniert nicht, weil die Verbindung zu stark gestreckt ist und mehr Gewicht hätte haben müssen, damit sie sich auszahlt.
                                              Für die Darsteller ist das ein Nachteil, da sie ihre Figuren bis zur großen Aufdeckung auf eine bestimmte und unnachahmliche Weise wiedergeben müssen. In diesem Zusammenhang ist es zu viel verlangt, dass sie eine glaubwürdige Verbindung zu ihren Charakteren entwickeln können. Allmählich werden zusätzliche Informationen preisgegeben, die jedoch nicht besonders förderlich sind und die Charaktermotivation eher noch mehr verwässern. Die Produktionswerte sind ausgezeichnet, mit einer klaren, atmosphärischen Belichtung und einem starken Ausstattungsdesign. Die Filmmusik ist gediegen und lenkt auch nicht vom Film ab.
                                              Der vielleicht misslichste Aspekt von "The Dare" ist, dass hier eigentlich genug Potenzial vorhanden ist, aber Giles Aldersons Besessenheit, "The Dare" zu einem derart blutrünstigen Spektakel zu machen, erschwert es einfach zu sehr, bis zum Abspann auszuharren. Giles Alderson hat das Potenzial, einer der stärkeren Vertreter des modernen Horrorfilms zu werden, wenn er es schafft, auch nur ein Minimum an übermäßigem Gore einzusparen. "The Dare" hätte etwas mehr Disziplin und ein stringenteres Drehbuch benötigt, um mehr zu sein als nur eine bleiche Kopulation von "Saw" und anderen Horrorfilmen der härteren Sorte.

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                                                Chainsaw Charlie 22.05.2022, 14:57 Geändert 22.05.2022, 15:00

                                                "The Brain" von Regisseur Charles Band ist einer dieser raren Filme, die so abscheulich sind, dass sie eigentlich ganz schön amüsieren. Ohne nennenswerte künstlerische Qualitäten, mit einer Fülle von willkürlichen, unnützen Nacktszenen und äußerst schwachsinnigen Dialogen ist die rettende Gnade des Films nur eine Handvoll unfreiwillig komischer Szenen. Diese Momente sind jedoch so übertrieben und unerwartet, dass man nicht umhin kann, sich an sie zu erinnern. Ein einziger Blick auf das Filmplakat sollte dem potenziellen Zuschauer eine vollständige Vorstellung davon vermitteln, was ihn erwartet.
                                                Es gibt überraschend viele Dialoge in "The Brain", was das Tempo des Films, der offensichtlich kaum mehr als ein billiges Exploitation-Projekt ist, etwas hemmt. Die Gespräche zwischen Howard (Gordon Jennison Noice), Loretta (Jacqueline Lovell) und Lance (Blake Adams) werden oft lästig und dienen nur dazu, die Protagonisten noch stupider erscheinen zu lassen. Die Handlung wird durch ihre fadenscheinigen Wortwechsel kaum vorangetrieben. Aber obwohl die Charaktere einen Flair des Blödsinns beibehalten, sind die Gespräche keineswegs formelhaft, sondern wirken oft so, als ob sie jede Rolle in unnötig stereotype Dimensionen steigern würden. Sobald Myron jedoch auftaucht, wird das Drehbuch etwas ausgeklügelter und zugänglicher.
                                                Der andere Aspekt, der sicherlich die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird, ist die exzessive Darstellung von Freikörperkultur. Die Kleidung rutscht im Schlafzimmer, auf dem Klo, im Restaurant und während Loretta an einen Pfahl gefesselt ist. "The Brain" macht keine Anstalten, die sinnlose Parade der Blöße von Schauspielerin Jacqueline Lovell einzuschränken, die später als Hauptdarstellerin in mehreren Pornofilmen berühmt werden sollte. Erfreulicherweise bringen die Aktszenen eine gewisse Komik mit sich, die der Film vortrefflich auskostet, insbesondere durch das unfassbar bizarre Ablecken einer Brustwarze. Zum Höhepunkt hin verschlechtert sich der Film jedoch zusehends. Er beginnt mit einer unwahrscheinlichen Menge an Selbstvertrauen während einer Folterung, bevor er zu einer Wiedergabe des Bühnenstücks von Jeanne d'Arc mit einer Gruppe von zombieartigen Gefangenen übergeht. Die unzureichende Finanzierung hat die Filmemacher offenbar daran gehindert, im Finale sogar echtes Feuer zu verwenden, und sie haben zu viel der Fantasie überlassen und nichts aufgelöst, als ob die Geschichte ohne klaren Schluss abläuft. Doch der doppelte Verzicht auf Plausibilität und Kleidungsstücke, gepaart mit einigen wenigen Stellen unverschämten, zufälligen Humors, machen diesen Kultfilm zu einem pervers erotischen, seltsam lohnenden Anblick.

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                                                  Full Metal Jacket
                                                  Scarface
                                                  Blue Velvet
                                                  Wie ein wilder Stier
                                                  Der Elefantenmensch
                                                  Das Boot
                                                  Fitzcarraldo
                                                  Batman
                                                  Mein linker Fuß

                                                  Bester Animationsfilm:
                                                  Mein Nachbar Totoro
                                                  Akira
                                                  Wenn der Wind weht
                                                  Balance
                                                  Herrscher der Zeit

                                                  Beste Serie:
                                                  Dragonball Z
                                                  Geschichten aus der Gruft
                                                  Real Ghostbusters
                                                  ALF
                                                  Eine schrecklich nette Familie

                                                  Bester Soundtrack:
                                                  Blue Velvet
                                                  Jäger des verlorenen Schatzes
                                                  Das Boot
                                                  Rain Man
                                                  Akira

                                                  Bester Schauspieler:
                                                  Klaus Kinski - Fitzcarraldo
                                                  Robert De Niro - Wie ein wilder Stier
                                                  Al Pacino - Scarface
                                                  Daniel Day-Lewis - Mein linker Fuß
                                                  Anthony Hopkins - Der Elefantenmensch

                                                  Beste Schauspielerin:
                                                  Michelle Pfeiffer - Scarface
                                                  Cristina Marsillach - Terror in der Oper
                                                  Hellen Mirren - Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber
                                                  Whoopi Goldberg - Die Farbe Lila
                                                  Charlotte Rampling - Angel Heart

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                                                    "Der Krieger und die Hexe" von Regisseur John C. Broderic ist ganz klar ein Aufguss von Sergio Leones "Für eine Handvoll Dollar", verlegt in ein Schwert- und Sandalen-Setting. Fast schon unverschämt ist, dass nur John C. Broderick und William Stout, ein Illustrator für "Conan der Barbar", als Autoren genannt werden. Trotz des völligen Defizits an Einfallsreichtum ist David Carradine in der Hauptrolle nicht gänzlich unglaubwürdig, obwohl er offensichtlich und größtenteils vergeblich Clint Eastwoods ikonische Rolle kopiert. Immerhin nimmt er die Rolle ernst, was dem Film die nötige Tiefe verleiht. Ihm zur Seite steht Maria Socas als Naja, die Zauberin, die zwar inhaltlich nichts zum Drehbuch beiträgt, aber in fast jeder Szene barbusig und angekettet zu sehen ist.
                                                    Die Handlung umfasst einige bescheidene Schwertkämpfe mit einer unoriginellen Choreographie, ein paar Verstümmelungen, begrenzte Scharmützel, sehr unqualifizierte Soldaten und zur Unterhaltung eine nackte Frau, die in einem gläsernen Tank ertrinkt, der auf satirische Weise die Dehydrierung der Stadtbewohner versinnbildlicht. Die Stunts sind ebenfalls mangelhaft, obwohl ein Duell mit einem zahnbewehrten, tentakeligen Gummimonster für Gelächter sorgt, und der finale Showdown ist einer der ehrgeizigeren Fantasy-Abschlüsse von Produzent Roger Corman. Aber im Ganzen ist der Gesamtwert der Inszenierung äußerst mager.
                                                    Dazu kommt jede Menge unbeabsichtigter Humor, vor allem in Form der debilen, kommunizierenden Eidechse, jämmerlicher dialektischer Einlagen, dürftiger Charakterzeichnungen, lauwarmer Kostümierung, lahmer musikalischer Untermalung, nicht überzeugender Ausstattung und exploitativer Freizügigkeit. Der Höhepunkt ist eine Stripteasetänzerin mit vier Busen, dargeboten von Cecilia North. Zumindest ist die gelegentliche Landschaft atmosphärisch treffend ausgeleuchtet und das Blutvergießen ist für eine New Horizons-Produktion reichlich. Leider ist "Der Krieger und die Hexe" selbst bei einer flotten Laufdauer von 80 Minuten einschließlich Abspann zu lang für den verblödeten Film.

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