DerDude_ - Kommentare

Alle Kommentare von DerDude_

  • 7 .5
    über Grass

    Wundervolles alternatives Kino.
    Menschen in Konversationen, befreit von Konflikten, befreit vom lästigen Anker, der sich Plot nennt. Wir Menschen sind im Endeffekt nichts anderes als Grashalme. Einer wie der andere, aber leben können wir ohne sie nicht. Und kein Gespräch, keine Begegnung, ist wie das andere. Einzigartig und nie wieder zu wiederholen.
    Diese Art Film zu drehen bleibt eine Wohltat.

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    • 6 .5

      Eilmeldung !
      Wes Anderson HASST Katzen !

      Nachdem bereits der Tod eines dieser haarigen Wesen in GRAND BUDAPEST HOTEL für den wohl größten Lachflash des Filmes sorgte werden sie nun in ISLE OF DOGS endgültig zum Antagonisten-Bild gemacht. Ekelhaft sowas !

      Nun aber Spaß beiseite. Das nun zweite Stop Motion Abenteuer aus dem Hause Anderson ist eine einzige filmische Wundertüte. Wieder einmal versteht er es perfekt, eine ganze Welt in Miniaturen zum Leben zu erwecken und Bilder zu kreieren, an denen man sich kaum satt sehen kann.
      Die Arbeit die hinter den Settings und dem Design der Figuren steckt muss kolossal gewesen sein, davon zeugt zumindest die schiere Überwältigung mit der ISLE OF DOGS einen befällt. Andersons Bilder sind zwar umfangreich, aber mindestens genauso präzise, jedes Bild hält Überraschungen bereit und auch die Hunde sind mit ihren Kulleraugen ein Augenschmaus. Jene werden von dem typischen All-Star Cast mit viel Freude gesprochen, besonders anzuführen seien Bryan Cranston und Edward Norton, wobei gerade letzterer mit seinem trockenen Kommentieren eine Wohltat für das Ohr darstellt.
      Inhaltlich ist ISLE OF DOGS gewohnte Kost. Mit Spielfreude erweckt Anderson ein alternatives Japan zum Leben, in dem Hunde verpönt und ausgegrenzt werden, bis ihnen nur noch eine Insel, bestehend aus Müll bleibt. Jedoch ist es offensichtlich das sich jener Kampf gegen die Ungerechtigkeit sehr einfach auf soziale Probleme innerhalb rückständiger, festgefahrener Politik übertragen lässt. Auf diesem Gebiet macht es sich Anderson leider zu einfach. Er appelliert erneut an das Kind in uns allen, an das Mitfühlen und die Gerechtigkeit, die es in einem großen Abenteuer zu erkämpfen gilt. Und irgendwann wünscht man sich, er würde inhaltlich genau so große Haken schlagen, wie er es optisch tut, denn leider wirkt der Film fast etwas zurückhaltend. Dasselbe gilt für den Humor des Filmes : Trotz zahlreicher Lacher bleiben Lachflashs, wie oben erwähnter, aus.
      Das ändert aber nichts daran das ISLE OF DOGS von der ersten bis zur letzten Minute Spaß macht und den Gang ins Kino mit Kreativität und Freude versüßt. Man mag argumentieren, Andersons Stil würde sich nicht fortbewegen. Aber in Wahrheit entwickelt er ihn beständig weiter und erschafft so immer größere Welten, bei denen man nicht umhin kommt, sich in ihnen zu verlieren.

      20
      • 5

        Der deutsche Titel.
        Alter......

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        • 9
          DerDude_ 06.02.2018, 21:01 Geändert 07.02.2018, 04:57

          "How much sorrow can I take ?
          Blackbird on my shoulder,
          and what difference does it make ?"

          Es ist schwer zu sagen ob Mut eine Rolle spielt wenn es darum geht, Liebe zuzulassen. Die meisten Gefühle sind sowieso nicht erklärbar und das meiste "passiert" einfach. Es wird in dem Augenblick geboren und kann in jenem auch wieder sterben. Wie lange jener Augenblick andauert ist relativ.
          Es kann nur 1 Sekunde sein, ein ganzes Jahr oder ein ganzes Leben. Im Fall von CALL ME BY YOUR NAME ist es ein einziger Sommer. Norditalien blüht in goldenen Farben, an der sich der 17 jährige Elio gar nicht satt sehen kann. Er ist zu jung um schon genau zu wissen, was er vom Leben erwartet und verlangen tut das sowieso keiner von ihm. Als der ältere Oliver in sein Leben tritt kann er die wachsenden Gefühle zwischen den beiden nicht in Worte fassen und noch weniger bändigen. An dieser Stelle trifft man bereits auf einen der vielen Punkte, die CALL ME BY YOUR NAME so auszeichnen : Der menschlichen Sexualität wird Raum geboten sich zu entfalten und nicht ins Off verbannt. Zwar ist der Film keineswegs so explizit wie z.b. ein Film von Bertolucci und geht auch Nacktszenen fast völlig aus dem Weg, dennoch ist die aufblühende Körperlichkeit zwischen den beiden Männern in den gemeinsamen Szenen ein nicht zu verdrängender Faktor. Egal ob nun zwischen den beiden, für beide einzeln oder mit einer Frucht. Schade an dieser Stelle dass das Verspeisen von jenem Objekt der Lust nicht aus der Romanvorlage (mit der ich, zugegeben, nicht vertraut bin) übernommen wurde, ganz so weit geht der Film dann doch nicht, aber was solls ?
          Es ist das Märchen vom Sommer, der dein Leben verändert. Vom Schmerz und vom Wunder der wirklich ersten, großen Liebe. Diese simple Prämisse erzählt der Film mit einer Intimität und einem Gefühl für alle Sinne. Bäume und Felder erleuchten die Leinwand, das Essen sieht aus als könnte man gar nicht genug davon kriegen und das Tanzen bei einem nächtlichen Fest lädt dazu ein, sich anzuschließen. Mitten in dieser Idylle scheint alles erlaubt, den Sinnen wird keine Grenzen gesetzt, es sind Ferien für den Verstand. Nur muss man dann auch mit dem Schmerz leben. Luca Guadagnino bewegt sich auf einem Grad zwischen jugendlich naiven Treiben und alternder Weisheit, auf der auch Elio und Oliver sanft tänzeln. Elio ist für sein Alter unglaublich gebildet und gibt sich seiner sexuellen Neugier dennoch naiv hin, wie könnte er auch anders ? Neuentdeckung Timothée Chalamet erweist sich als schauspielerischer Gigant, wenn er Elio zwischen Gewitztheit und hemmungsloser Neugier interpretiert. Sein Spiel und das von Leinwandpartner Armie Hammer erheben diesen Film auf ein schwebendes Trapez bei dem jedes Wort fast überflüssig wirkt, weil die Blicke alles sagen.
          Erst gegen Ende hin gibt sich CALL ME BY YOUR NAME als Drama über das Finden der Identität zu erkennen. Wie soll man jemanden lieben, wo man sich doch gar nicht im klaren ist, was man langfristig will ? Und welche Wahl hat man ? Der Mensch braucht Zuneigung und muss sie irgendwann zulassen, egal wie weh das gebrochene Herz am Ende tun wird. Nur die Ungewissheit ist eine Große. Wenn ich mich selbst schon nicht kenne, was weiß ich dann über die Liebe ? Über den Menschen, den ich nicht mehr gehen lassen will ? Ist Sex nicht im Endeffekt nur ein unsicheres Abtasten eines Körpers, dessen Inneres ein ewiges Rätsel bleiben wird, das ich gerade deswegen lösen will, in der Gewissheit, das ich es niemals kann ?
          Die Frage, die im Film zitiert wird : Reden oder Sterben ?
          Doch wo ist der Unterschied. Ich selbst habe für mich entschieden, lieber zu reden. Doch ein Teil von mir stirbt jedes Mal, wenn ich es tue und wie kann ich das je erklären ?

          Words don´t come easy....

          29
          • 8

            Es ist nahezu unmöglich die Filme von Lav Diaz unabhängig von ihrer Laufzeit zu betrachten. Jene erfüllt in jedem seiner Filme einen Zweck und sei es nur der Fülle an Handlungssträngen wegen. THE WOMAN WHO LEFT ist auf diesem Gebiet relativ straightforward und gehört mit 226 Minuten noch zu den kürzeren Werken des Regisseurs. Das realistische Empfinden der Zeit und ihres Vergehens erweist sich im Kontext des Filmes als entscheidener Kniff. Schließlich ist unsere Protagonisten Horacia auch jemand, dessen Wahrnehmung der Zeit nun eine bedeutend andere ist. 30 Jahre verbrachte unschuldig sie hinter Gitter. Nun, nachdem ihre Unschuld bewiesen wurde, ist sie wieder auf freiem Fuß und kennt nur noch einen Gedanken : Rache an dem Mann, der ihr das angetan hat.
            Aus diesem simplen Plot hätte eine austauschbare Story um Schuld und Vergebung hervorgehen können, doch Diaz ist als Filmemacher zu realistisch für derartige Lösungen. Schließlich gestaltet sich THE WOMAN WHO LEFT zur Odyssee durch die Armenviertel der Philippinien. Horacia wird zur einsamen Wanderin und wohnt den Geschichten dieser enteigneten Schicht bei. Da ist ein Händler, der jede Nacht auf Trägern sein Essen verkauft, der ihr fast beiläufig erzählt, im Gefängnis mehrfach vergewaltigt worden zu sein und der doch noch am optimistischsten wirkt, einfach weil er keine Wahl hat als sich mit seinem Schicksal abzufinden. Nicht nur mit ihm schließt Horacia Freundschaft. In ihrer Aufgabe sah sie sich als Rache-Engel, aber letztendlich wird sie fast wirklich zu einer Art "echtem" Engel. Dennoch aber ist jede Sekunde in der ihr Peiniger noch am Leben ist eine Qual, auch ihr bleibt nichts anderes übrig, als ihn zur Strecke zu bringen.
            Diaz zeichnet mal wieder ein pessimistisches Bild der Geschichte der Philippinien, ohne Beschönigung, dafür aber mit etwas Glaube an die Menschlichkeit. Angesiedelt in den 90ern, bleibt das politische Geschehen nur als Stimme aus dem Radio wahrnehmbar. Obwohl Politik in seinen Filmen immer eine Rolle spielt geht es nie konkret um sie, sondern immer um das Individuum. Da wäre zum Beispiel das fehlerhafte Justizsystem, das jenes Dilemma überhaupt erst verursacht hat. Diaz ist Meister darin, soziale Probleme durch die Auswirkungen auf einen Einzelnen abzubilden und dadurch zu verarbeiten. Mit THE WOMAN WHO LEFT liefert er eine beklemmende Parabel über Mitgefühl ab und wie Zuneigung selbst aus dem Hass entstehen kann. Aber letztendlich ist das hier, wie bereits gesagt, das Werk eines Realisten und auf jede Hoffnung folgt Verzweiflung. Es ist eine lange Reise, die man mit Horacia durchmacht und am Ende wirkt alles viel zu einfach. Tatsächlich war es das aber nie und bleibt es auch nicht.

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            • 6

              Die andere Seite des Indie-Kinos.

              Versucht man den Begriff Independent-Kino vernünftig zu definieren, so beschränkt man sich auf Filme, die schlichtweg unabhängig von einem großen Hollywood-Studio produziert werden. Es sind Filme in denen die Macher mehr kreative Freiheiten genießen und in denen sich eigenständige Visionen durchsetzen lassen. Schaut man sich das Programm des Sundance Filmfestivals, ein Ort der ja für Indie-Kino in Massen steht, so wird man oft ernüchtert. Die meisten Filme die heutzutage als Independent gelten beschränken sich oft auf Wohlfühl-Romanzen für Teenager. Filme die den selbstgebauten Kokoon aus Quirkiness und Edginess, und was es sonst für moderne Adjektive für Verschrobenheit gibt, um jeden Preis aufrecht erhalten wollen, anstatt etwas neues zu liefern. In dieser Hinsicht ist das Independent-Kino nicht besser als die, Innovationen abtötenden, Massenprodukte aus Hollywood.
              THE ROOM war im Jahre 2003 ein Musterbeispiel dafür, was Indie-Kino auch sein kann. Eigenständig produziert, inszeniert und mit sich in der Hauptrolle brachte der vampir-eske Tommy Wiseau seine Vision auf die Leinwand. THE ROOM zu sehen heißt, dieser Vision beizuwohnen und bis heute ist es ein unbeschreibliches, abgefucktes Erlebnis zwischen Fassungslosigkeit, WTF-Momenten und Lachen aus vollem Halse. Was THE ROOM bis heute so unfassbar macht ist zum einen was der Film alles versucht und wie hemmungslos inkompetent er in jeder Szene versagt, aber auch wie unschuldig der Film wirkt. Es ist ein Film, ohne jegliches Bewusstsein für die eigene Unfähigkeit und genau daraus resultiert seine Faszination, die bis heute anhält. James Franco hat sich mit THE DISASTER ARTIST die unmögliche Aufgabe gemacht, hinter die Kulissen dieses Filmes zu blicken. Unmöglich deswegen, weil der Mensch Tommy Wiseau einfach nicht erklärbar ist. Das gesteht sich der Film auch mehrfach ein, wenn ein Running Gag immer wieder auf dessen, scheinbar unendliches, Bankkonto verweist oder das Herkunftsland von Wiseau ein ungelöstes Rätsel bleibt. Umso mehr aber hat Franco diesen Gott der Talentlosigkeit getroffen : Sein Lachen, sein Akzent, der sich jeglicher Fähigkeit der Identifikation entzieht, all das findet man in Francos Performance wieder. Man merkt Franco seine Faszination für ihn an und das überträgt sich auch auf den Rest von THE DISASTER ARTIST, der in seinem Gesamtpaket ein humorvolles Stück Sekundärliteratur für einen Meilenstein des Trashfilmes darstellt. Nur bleibt es dabei, denn wer mit THE ROOM oder der Person Wiseau nie etwas anfangen konnte wird an diesem Film ziemlich verzweifeln. Denn das Gefühl, mit THE DISASTER ARTIST einen reinen Fanfilm vor sich zu haben, wird man nie richtig los. So liebevoll Franco die Geschichte der Freundschaft zwischen Wiseau und Mark-Darsteller Greg Sestero auch zeichnet, im Endeffekt wirkt sie nicht besonders genug um den Film zu tragen. Verkneifen hätte der Film sich auch seine Versuche, immer wieder auf die Absurdität von THE ROOM hinweisen zu müssen, denn die Inkompetenz dieses Filmes spricht schließlich mehr als für sich. Das ändert dann aber nichts an der Tatsache das THE DISASTER ARTIST der lustigste Film seit langem ist und dazu animiert, sich schnellstmöglichst in einen Smoking zu werfen und erst mal ne Runde Football zu spielen. Anyway, how is your sexlife ?

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              • 9

                Paul Thomas Andersons zweiter (großer) Liebesfilm.

                Ja, so unterschiedlich beide Filme auch aussehen, in mehreren Aspekten lässt sich PHANTOM THREAD sowohl als Kehrseite, als auch als Spieglung von Andersons 2002 vorausgegangenem PUNCH-DRUNK LOVE sehen. Doch dort wo die Geschichte von Außenseiter Barry Egan endete setzt die Geschichte von Reynolds Woodcock erst ein. War in PUNCH-DRUNK LOVE Liebe die Heilung, die Erlösung aus der Verwirrung und aus dem Schmerz, wird sie in PHANTOM THREAD zum Gift.
                Modedesigner Reynolds und Kellnerin vom Lande Alma verbindet auf den ersten Blick nur sie. Während sie, zumindest auf den ersten Blick, die einfache Zuneigung sucht, ist er verschroben, eitel und in seiner Routine verankert.
                Woodcock kennt für alles das richtige Maß und niemand kann ihm etwas anderes erzählen. Seine Fokussierung auf seine Arbeit übersteigt nicht nur jeden privaten Aspekt, es ist sein einziger privater Aspekt. Für Woodcock sind die Kleider die er fürsorglich und professionell entwirft ein Abdruck seiner Selbst. In seinen Kleidern kann er Geheimnisse verstecken, sie nach außen tragen und sie trotzdem Geheimnisse bleiben lassen. Wer das nicht versteht, der muss es entweder akzeptieren oder an diesem Mann zugrunde gehen. Die einzige Person die ihn wirklich für das sieht was er ist, scheint seine Schwester Cyril zu sein, die vielleicht auch die einzige ist, die es mit ihm und seinen Manieren aufnehmen könnte und es dann doch nie tut. Vielleicht aus Frustration, vielleicht aber auch weil es den beiden nichts bringen würde.
                Doch Liebe ist dazu da, solche Grenzen einzureißen. Seine neue Geliebte Alma muss hinter diese Fassade aus Samt und Seide blicken und starrt schon bald in eine verworrene Seele. Man muss an dieser Stelle wohl zu den Lobpreisungen für Daniel Day-Lewis Performance kommen. Es ist nichts Neues zu sagen, das sich hier ein Meister des Schauspiels selbst übertrifft, es sei auch erwähnt das wohl von allen, noch aktiven, Größen des Schauspiels nur Day-Lewis diesen Part so eindringlich hätte verkörpern können. Ihm ist es wohl auch zu verdanken das wir für diesen eitlen, festgefahrenen Mann nie völlige Ablehnung empfinden. So herzlos Woodcock mit den Menschen in seinem Umfeld auch umgeht, nie verteufeln wir ihn, sondern respektieren ihn viel eher. Respekt für die Hingabe zu seiner Arbeit, zu seinem Leben, aber gleichzeitig macht er uns auch Angst. Seine elegante Präsenz lullt uns ein, sodass uns ein "Fuck off!" seinerseits dann wie ein Tritt von Hinten trifft. Auf der anderen Seite : Vermeintliche Ruhepole. Nach ihrer zahlreichen Arbeiten in den Filmen von Mike Leigh wirkt Lesley Manville als Schwester Cyril auch in einem PTA-Film mehr als passend mit ihrer kühlen Ausstrahlung, wobei uns das Feuer in ihr auch nie weit weg erscheint. Und die Entdeckung ist natürlich Vicky Krieps. Als Geliebte Alma findet sie ihren eigenen Weg in diesem Machtgeflecht sich durchzusetzen und bald ist es offensichtlich das das Band zwischen ihr und Woodcock sich ins Fleisch beider schneiden wird.
                So elegant und betörend PHANTOM THREAD auch wirkt, es sind die Wortgeflechte in diesem Dreiergespann, das den Herz des Filmes ausmacht. Gespräche und Wörter sind in Andersons Film nie nur das, sie sind Angriffe, Gesten der Zurückhaltung und unterschwellige Aggressionen. Anderson verfolgt dieses Spiel, das sich immer mehr anspannt so lange, bis das Hinzufügen eines Butterblocks in eine Pfanne wie die diabolischste Geste seit Ewigkeiten wirkt.
                Für Liebe muss man aufgeben, man muss lernen, für sie zu kämpfen. Die Erkenntnis, das man nicht jeden Teil von sich für jemanden aufgeben kann zeigt Anderson mal wieder als den gnadenlos ehrlichen Menschenkenner, der er ist.
                Auch sonst scheint er noch präziser geworden zu sein. Waren die beiden letzten Filme, THE MASTER und INHERENT VICE, mit denen PHANTOM THREAD nun so etwas wie eine Trilogie über die Verlorenheit des modernen Menschen bildet, zwar genauso perfekt, waren sie beide chaotisch und liquid. PHANTOM THREAD wirkt gesetzter, gefasster und zusammengesetzter, aber dennoch nie stabil. Hier kann alles zerfallen, zu jeder Sekunde und selten tut ein Akt der Berührung und der Zuneigung so gut, wie er weh tut.
                Egal wie wenig wir einander verstehen, es ist gut einander zu haben. Mit dieser simplen, wohl viel zu optimistischen These, kann man PHANTOM THREAD irgendwie abschließen. Ich kann von mir jedenfalls sagen, das irgendwo in meinem Sonntagsanzug ich mir ein Teil dieses Regisseurs eingravieren lassen will. Das wirkt nur konsequent.

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                • 6

                  "When he looks at me, he doesn`t know how I am incomplete"

                  Wir Menschen fühlen uns alle manchmal unvollständig. Als ob uns ein Teil fehlt den jeder anderer besitzt und oft verbringen wir Jahre unseres Lebens herauszufinden, was genau uns fehlt und was wir tun können um irgendwie funktionieren zu können. Im Kalten Krieg der 60er, in dem THE SHAPE OF WATER angesiedelt ist, scheint jenes "funktionieren können" noch einen anderen Stellenwert gehabt zu haben als heute. Damals musste man funktionieren können um die Vereinten Nationen zu jeder Sekunde perfekt repräsentieren zu können, denn es gab ja ein äußeres Feindbild. Die Folge war das Ausgrenzung und gesellschaftlicher Spott nicht nur akzeptiert wurde sondern scheinbar sogar zum guten Ton gehörten. Die Putzfrau Elisa weiß was ihr fehlt : Sie kann nicht reden. Still fristet sie eine stumme Existenz voller Unerfüllung und unausgesprochenen Wünschen. Als sie einem amphibischen See-Monster begegnet scheint sie ausgerechnet in ihm das Wesen zu erkennen, das ihre klaffende Lücke schließen kann.
                  Ein solcher Plot kann eigentlich nur als Märchen funktionieren und genauso inszeniert Regisseur Guillermo Del Toro seinen Film auch. In pastellhaften, betörenden Aufnahmen breitet sich vor dem Zuschauer eine Welt aus Blau und Grün aus, zwischen Unterdrückung, Feindseligkeiten, aber auch zärtlichen Annäherungen. THE SHAPE OF WATER versteht sich als zaghafte, innehaltende Stimme gegen Verfolgung. Der Versuch von Elisa, sich mit dem See-Monster zu vereinigen steht stellvertretend als Angriff auf das System, als feuriger Kampf gegen Rassismus, Homophobie und allgemeine Unterdrückung. Im Kern aber erzählt er von der Lücke in uns allen und warum wir sie nicht schließen können. Das wird deutlich in den wenigen Gesten der Ambivalenz die man dem Antagonisten, dem Sicherheitsmann Richard Strickland zugesteht. Er steht stellvertretend für die rücksichtslose amerikanische Klasse an sozialen Aufsteigern, denen aber auch etwas fehlt. Seine Lücke versucht er mit Erfolg in seinem Job oder Konsumgütern wie einem neuen Auto zu schließen. Doch ein leeres Herz kann nur ein anderes füllen.
                  Diese Erkenntnis ist keine neue, doch durch die Augen von Del Toro wird uns die altbekannte Botschaft von der Kraft des Zusammenhalts und der Liebe sehr kreativ und spielerisch rüber gebracht. Man wünscht sich fast, Del Toro würde in seinen Bilderwelten etwas mehr verweilen, so betörend wie sie geraten sind, aber leider gibt es da ja noch einen Plot zu erzählen. Denn so ehrenhaft der Ansatz Del Toros auch ist, THE SHAPE OF WATER ist in seinem Kern ein zutiefst naiver Film. Seine strickte Einteilung in Gut und Böse ist zu schablonenhaft, seine Amphibien-Kreatur als Wunschmaschine eine zu einfache Lösung. Diesen schmalen Grat findet man auch im Cast : Auf der einen Seite die wundervolle Sally Hawkins in einer grandios, stummen Performance, gefolgt von einem fabelhaft diabolischen Michael Shannon, der sich alle Mühe gibt das sein Bösewicht nicht zu generisch ausfällt. Auf der anderen Seite wären da aber Vertreter wie Octavia Spencer, die mit erzwungen kecken Humor versuchen, die Situation aufzulockern. Allgemein wirkt der Humor des Filmes relativ infantil. Da werden Witze über Masturbation und Sex gebracht, kommt es dann aber endlich zum Akt der Liebe zwischen Elisa und dem See-Monster, schneidet der Film automatisch weg. Schade eigentlich, wäre der sexuelle Aspekt einer solchen Beziehung doch auch eine Ausarbeitung wert gewesen.
                  Letztendlich ist THE SHAPE OF WATER ein ehrenhafter Film, den er spricht sich gegen Zynismus aus. Gegen abtötende Gleichgültigkeit und für das Mitfühlen. Und sei es nur der Schmerz, den man teilt. Doch würde er sich nicht so rein gewaschen und klinisch perfekt anfühlen, mehr Emotionen würden auch beim Zuschauer ankommen und der Film hätte ein herausragender sein können.

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                  • 9
                    DerDude_ 20.01.2018, 22:19 Geändert 21.01.2018, 13:10

                    "Close your eyes"

                    Wer einmal in seinem Leben an Schlafparalyse gelitten hat, der weiß wie es sich anfühlt, seinen eigenen Atem nicht spüren zu können und zu glauben, jeden Moment zu ersticken. Es ist ein entsetzliches Gefühl, das nur ein paar Sekunden andauert, sich aber wie eine Ewigkeit anfühlt.
                    Nach diesem Gefühl scheint Joe süchtig zu sein. Unter einer Plastiktüte dreht er sich selbst den Atem ab und kann so seinen inneren Dämonen vielleicht eine Sekunde entkommen. Später spielt eine Schlüsselszene ebenfalls unter Wasser. Lynne Ramsays Meisterwerk YOU WERE NEVER REALLY HERE ist geprägt von Atemlosigkeit und erlaubt sich, den Geisteszustand seines Protagonisten in, oftmals nur sekundenlangen, Flashback preis zu geben.
                    Der Film bewegt sich auf einem Drahtseil zwischen der objektiv wahrnehmbaren Realität und ihrer Fokalisierung durch Joe. Ähnlich verfuhr Ramsay bereits in WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN in welchem sich die objektive Realität erst durch die Wahrnehmung der verstörten Mutter offenbart.
                    Wie sich ein Trauma auf einen Menschen auswirken kann versucht Ramsay hier erneut greifbar zu machen. Die guten Seiten von Joe werden in der Interaktion mit seiner Mutter spürbar, mit der er noch verspielt herumalbern darf. Ist Joe aber alleine, sieht man in seinen Augen nur noch einen tiefen Abgrund. Die Gewalt die in diesem muskulösen, kräftigen Körper zu stecken scheint, sehnt sich nach einer Entladung. Als Joe auf dem Nachhauseweg von einem Fremden attackiert wird, wirkt er fast enttäuscht nachdem sein Angreifer bereits nach einer Kopfnuss zu Boden geht. Gewalt ist für ihn reine Routine, deswegen wirkt der Hammer als zweckentfremdete Waffe auch so passend, er ist Joes Werkzeug. Joaquin Phoenix spielt diesen Charakter mit wütender Inbrunst, aber auch mit schmerzhafter Zärtlichkeit. Die deformiert wirkenden Arme von Joe können einem das Genick brechen, einen aber auch sanft in Sicherheit wiegen.
                    Ein zunächst alltäglicher Job vom Befreien eines Mädchens aus den Fängen von Menschenhändlern erweist sich schließlich als schwieriger als gedacht. Wie eine derartige Spirale aus Gewalt zur selben Zeit ein Charakterdrama sein kann, erzählt Lynne Ramsay wie so oft durch ihre geschickte Beobachtungsgabe, ohne das sie dabei zu provokant schocken müsste. Überhaupt ist YOU WERE NEVER REALLY HERE an einer Stilisierung von Gewalt nie interessiert, sondern bleibt voll und ganz bei seiner Hauptfigur.
                    Dass die Art und Weise, wie wir Menschen unser Traumata, das wir irgendwo tief in uns herum tragen, kompensieren (versuchen) letztendlich noch schädlicher für uns sein kann, ist eine beklemmend ehrliche Erkenntnis zu der uns YOU WERE NEVER REALLY HERE letztendlich führt. Als Joe schließlich Nina, dem entführten Mädchen, begegnet, wirkt es fast so, als etabliere Ramsay erneut einen Tropus den ich mal "Der Killer und das Mädchen" getauft habe. Jener ist bereits in Filmen wie TAXI DRIVER oder LEON DER PROFI vorzufinden und er handelt immer davon, das ein kaputter Mann ein junges Mädchen retten muss, um ihren Sinn für Ordnung in der Welt wieder herzustellen und somit zu verhindern, das sie selbst von Gewalt so gezeichnet wird, wie er es bereits ist. Die Augen von Nina aber sagen uns gar nichts. YOU WERE NEVER REALLY HERE stellt dieses Konzept schließlich auf den Kopf und als jeder Glaube an die Menschlichkeit verloren scheint heißt es plötzlich "Its a Beautiful Day".
                    Jonny Greenwoods Musik ist es am Ende, die diese 80-minütige Achterbahnfahrt schließlich vollendet. Sein treibender, pulsierender Score bewegt sich mit Joe und steht auch mit ihm still. Oft so still, als würde sich in ihm dessen Verlangen spiegeln, die eigene Existenz auslöschen zu wollen. Diese Selbsthass kann nur Kontraproduktiv sein, egal wie man ihn einsetzt. Doch manchmal reicht selbst die Hoffnung vom Licht am Ende des Tunnels um irgendwie weitermachen zu können. Vielleicht um endlich mal wirklich da zu sein.

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                    • 70 Jahre John Carpenter.
                      Das muss gefeiert werden !
                      Von mir gibts ein Dankeschön für die visuelle und technische Bereicherung, nicht nur im Sci-Fi- /Horrorgenre, sondern in allen Genres generell (in fast allen war Mr Carpenter nämlich stattlich vertreten).
                      In diesem Sinne : Alles Gute und, vielleicht, klappts ja mal wieder mit einem neuen Film. Irgendwie, irgendwann...

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                      • 5
                        • Wie schaut man die Verleihung heute Abend eigentlich am besten ? Mal angenommen man hat kein TNT Serie.

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                          • Für die nächsten Monate :
                            - A BEAUTIFUL DAY (Lynne Ramsay + Joaquin Phoenix)
                            - PHANTOM THREAD (Dürfte offensichtlich sein)
                            - CALL ME BY YOUR NAME
                            - ISLE OF DOGS

                            Auf unbestimmte Zeit :
                            - LOVELESS (wo ist der deutsche Kinostart ?)
                            - THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE
                            - RADEGUND (Malick !!!<3!!!)
                            - THE BEACH BUM (Korine <3)

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                            • 6 .5
                              DerDude_ 02.01.2018, 20:49 Geändert 02.01.2018, 20:50

                              Was ist eigentlich das mit Martin McDonagh und Zwergen ?

                              Offenbar scheinen es ihm kleinwüchsige Leute irgendwie angetan zu haben. Spielt aber auch keine Rolle.

                              Mit THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING; MISSOURI hat McDonagh nach seinem, für meinen Geschmack etwas unbeholfenen, Ausflug in die Meta-Schiene 7 PSYCHOPATHS nun wieder zu seiner melancholischen Killer-Fabel Wurzeln zurück gefunden. Genau wie IN BRUGES, der lustigerweise zu seiner Zeit als Tarantino-Anleihe missverstanden wurde (und auch teilweise so vermarket wurde) assoziert man THREE BILLBOARDS... nun mit den Werken der Coen-Brüder. Tatsächlich aber kann man McDonaghs Film in keine dieser Sparten wirklich einordnen.
                              Es geht hier weniger um Gewalt, sondern viel mehr um die Auswirkungen von ihr. Auch die humoristischen Einlagen (meist angeführt von einem köstlich, göttlichen Sam Rockwell) wirken dann im Rückblick recht nebensächlich. Bei THREE BILLBOARDS... geht es, wie bereits bei IN BRUGES, um ein moralisches Problem.
                              Wie soll eine Mutter, deren Tochter vergewaltigt und ermordet wurde, mit diesem Verbrechen und solchem Verlust abschließen können, wo doch niemand Antworten liefern kann ? Das Aufstellen der Werbetafeln von Mildred Hayes wirkt zunächst wie ein Angriff auf die Gemeinde Ebbing (deren homophobe und rassistischen, aber vor allem aggressiven Tendenzen der Film immer wieder andeutet), aber letztendlich sind sie ein einziger Hilferuf. Mildred, so kämpferisch und eiskalt sie auch agiert, weiß nicht, wie weit sie gehen kann. Sie weiß das ihr Verhalten für ihr Umfeld nur kontraproduktiv sein kann, aber sie hat keine Wahl. Am Ende ist es vor allem Officer Dixon, der seine Wut scheinbar nicht von seiner Arbeit als Gesetzeshüter trennen kann, der am weitesten kommt, zumindest für sich selbst.
                              Vielleicht ist der einzige Weg hieraus der Zufall. Der sorgte im Endeffekt nämlich auch für dieses ganze Dilemma. Jemand war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Aber jeder fühlt sich irgendwie schuldig oder halt unschuldig. Deswegen verlässt Ebbing niemand unbeschadet, aber jeder wirkt einen Schritt weiter. Naja, fast jeder. THREE BILLBOARDS... wirkt, trotz seiner albernen Momente, wie ein aggressiver Appell an Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit. Daran, einmal das Richtige zu tun, und sei es auch für nichts.

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                              • 6 .5
                                über Thelma

                                Vielleicht ist es die Orientierungslosigkeit der Jugend, der es Joachim Trier angetan hat. Jenes Thema machte bereits OSLO, 31. AUGUST zu einem tonnenschweren Brocken von einem Film, in seinem neuen Film THELMA geht er mit Genre-Anleihen vor.
                                Die junge Titelfigur, die Studentin Thelma, ist verliebt und zwar in ein anderes Mädchen. Es ist eine Liebe, der eigentlich erst mal nichts im Weg steht. Thelmas Eltern sich zwar streng religiös, aber außerhalb der Reichweite und müssten von den beiden nichts erfahren. Was hier nicht stimmt ist, was in Thelmas Geist vor sich geht. Die junge Frau wird bereits bei ihrer ersten Begegnung mit ihrem Traum-Mädchen von epileptischen Anfällen heimgesucht, wenig später brechen wütende Tagträume auf sie hinein und darüberhinaus scheint Thelma über Kräfte zu verfügen, die man rational nicht erklären kann. Kräfte telekinetischer Natur.
                                Klingt erst einmal sehr nach CARRIE, nur in weitaus behutsamerem Gewand. Trier begleitet den Werdegang seiner Protagonistin (sehr schön von Eili Harboe verkörpert) und fängt ihren Alltag ein, nur um uns in flackernden Fieberträumen aus unserer Sicherheit zu reißen. Thelma hat nichts, was ihr Halt gibt, keine Orientierung, keine Stütze. Sie versteht sich selbst nicht und die Welt um sich herum auch nicht. Ihre Kräfte und deren verherenden Ausmaße sind, wie schon in Stephen Kings Kreation, das Resultat dieser Haltlosigkeit. Hin und her gerissen zwischen den konservativen Eltern, den Ansprüchen an sich selbst und schließlich ihren eigenen Wünschen pendelt Thelmas Charakter wie ein Damoklesschwert über den Menschen in ihrem Umfeld.
                                Fast wäre Joachim Trier hier ein kleiner Geniestreich gelungen, denn die Art wie er das Leben dieser verwirrten jungen Frau einfängt ist voll von Präzision. Nur leider kann er es im letzten Drittel nicht lassen und nach Erklärungen zu suchen, welche sich zwar angebracht anfühlen, die man aber dennoch nicht wirklich gebraucht hat. Plötzlich wird das familiäre Umfeld immer mehr in den Vordergrund gedrängt, der Fokus des Filmes verschiebt sich massiv und am Ende bleibt unklar, worauf der Film hinaus wollte. Auch die Wandlung in Thelmas Persona am Ende scheint der
                                Film zwar zu betonen, richtig fühlbar bleibt sie aber nicht.
                                Somit it THELMA "nur" gelungen, übertrifft sich selbst aber nicht wirklich, obwohl er es könnte.

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                                • 7

                                  Alejandro Jodorowsky assoziere ich immer mit einem alterndem Zauberer. So etwas wie Gandalf auf LSD oder Dumbledore auf Opium, wahrscheinlich weil er mir in seiner Performance als Alchemist in seinem surrealen Mammutwerk THE HOLY MOUNTAIN zu sehr im Gedächtnis geblieben ist.
                                  Als guter Zauberer sollte man bekanntlich nie seine Tricks enthüllen und als Jodorowsky mit THE DANCE OF REALITY nach Jahren zum Kino zurückkehrte, wirkte es zuerst so, als würde er uns hinter den Vorhang seines extravaganten Kabinetts führen. Ein autobiografischer Ansatz über seine Kindheit in Chile, kann so etwas Klarheit in das verschwommene Meer der Ekstase hinter den Filmen dieses einzigartigen Regisseurs bringen ?
                                  Bei jemandem wie Jodorowsky, nicht wirklich. Dafür hat er viel zu wenig von seinem Surrealismus verloren : Auch die Welt von THE DANCE OF REALITY soll zwar unsere Wirklichkeit abbilden, fühlt sich aber wie von einem anderen Planeten an. Angsterfüllte Horror-Träume mit einer Leiche begraben zu werden, Besuche beim Zahnarzt ohne Betäubung, der junge Alejandro bekommt die gesamte Palette an Steinen auf seinem Weg ins Erwachsenenalter in den Weg gelegt.
                                  Der wichtigste Bezugspunkt bleibt sein Vater Jaime (ironischerweise verkörpert von Jodorowskys eigenem Sohn), einem vom Kommunismus überzeugtem Mann der seinem Jungen harter Autorität erzieht und nur will, das er ein richtiger Mann wird. Gleichzeitig aber kämpft der Vater darum, einem politischen Fleck in der Geschichte seines Landes zu hinterlassen. Vom Attentäter zum Retter und schließlich zum Pferdehüter führt ihn sein Weg, Jaimes Autorität zufällt vor unseren Augen. Wir lernen : Er ist auch nur eine blinde Mücke in dieser gigantischen Ödnis, die sich Existenz nennt. So sehr Jaime auch vor uns bloß gestellt wird, gleichzeitig fühlt sich THE DANCE OF REALITY an, wie eine bedingungslose Liebeserklärung an einen Vater, der selbst seinen Platz noch nicht gefunden hat.
                                  Für Jodorowsky üblich sind sämtliche Sequenzen mit Allegorien vollgestopft, dennoch ist seine Narrative für die Verhältnisse eines derartigen Regisseurs fast schon linear. Da liegt vielleicht auch die Schwachstelle des Filmes : Ist es nun die Geschichte des Vaters oder des Sohnes ? Mitten im Film wechselt der Fokus, sodass wir mit den Eindrücken der ersten Hälfte nirgendwo mehr hin können.
                                  Jodorowsky selbst tritt in manchen Momenten auf, ist eine behutsame Schulter für sein jüngeres Ich und reflektiert einem Weg hinterher, der sich für ihn wohkl wie ein Traum anfühlt, der aber Realtät genannt wird.
                                  Unsere Vergangenheit bleibt schwer zu entschlüsseln, aber wir können immer wieder neu von ihr lernen. THE DANCE OF REALITY ist ein Testament für ein Land und für eine Kindheit. Jodorowsky dreht besser bis ans Ende aller Tage Filme.

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                                  • "Star Wars 8 - Die letzten Jedi hat versagt...."
                                    .....und wie es das hat.

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                                    • DerDude_ 30.12.2017, 09:47 Geändert 30.12.2017, 09:47

                                      mother! hätte ich gerne als das Gaga-Kino wahrgenommen, als das du ihn siehst. Doch leider lässt der Film seinen Wahnsinn erst im dritten Akt wirklich von der Leine und der Rest war für mich eher bieder und mit Küchen-Metaphern voll gestopft, sodass er sich permanent um das gleiche Thema kreist. Gleichzeitig ist der Film aber auch bei weitem nicht die prätentiöse Katastrophe zu der er oft gemacht wird.
                                      Eine sehr schöne Auswahl, wie eigentlich jedes Jahr !

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                                        • LADY MACBETH hat es nicht mehr rein geschafft ?
                                          Aber eine sehr schöne Liste, 3 Filme werden auch in meiner Top 10 dabei sein ;)

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                                          • 7

                                            Woah, das tatsächlich erste (!) Musical aus dem Lande Polen kann sich sehen lassen !
                                            Der Film der Regisseurin Agnieszka Smoczynska beginnt mit betörend, melancholischen Gitarrenklängen und steigert sich dann in exorbitante Songeinlagen mit beeindruckendem Bühnenbild und spektakulären Performances. Bereits beim Einkauftrip der beiden Meerjungfrauen in die Großstadt Warschaus, bei dem sich die verheißungsvolle Manipulation durch den Konsum schon sichtbar wird, und allerspätestens bei einer zuckend, eskapadischen Lichtershow im verruchten Nachtclub verfällt man diesem wilden Ritt.
                                            Frei nach dem Märchen Andersons wird hier ein tragischer Abgesang auf die Ideale eines Landes gesungen, dass ihre kostbarsten, scheinbar unschuldigsten Geschöpfe dem Showgeschäft opfert und ihre Körper mit Belustigungen vergiftet. In seiner zweiten Hälfte wird THE LURE dann zu einer tragischen Beobachtung der Dynamik der zwei Meerjungfrau-Schwestern, wo der Film seiner plötzlichen Konzentration auf die Charaktere leider nicht immer gewachsen ist. Schade ist auch, dass die wirklich grandiosen Songs immer mehr in den Hintergrund treten und der Werdegang der beiden Schwestern immer unmusikalischer erzählt wird. Was der Film stattdessen bietet ist zwar noch sehenswert, löst aber die Erwartungen der wirklich gelungenen ersten Hälfte des Filmes nur bedingt ein. Zudem kann er oft auf Klischees nicht verzichten.
                                            THE LURE will am Ende zu viel sein : Musical, Horror, Coming of Age, all das kann der Film nicht immer tragen, bleibt aber dennoch eine visuelle und musikalische Wucht, die definitiv einen Blick wert ist.

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                                            • 6
                                              über I, Olga

                                              I, OLGA HEPNAROVÁ ist eine knifflige Angelegenheit.
                                              Diese biografische Aufarbeitung von Olga Hepnarová, einer Frau die in der Tschechoslowakei der 70er 8 Menschen mit einem Lastwagen tötete und schließlich 1975 hingerichtet wurde, bleibt permanent eine Suche nach Antworten. Nach Kausalität.
                                              Durch einzelne Etappen des Lebens der Hepnarová verfolgen wir sie. Wie sie immer wieder Opfer und Spielball ihres Umfelds wird. Wie sie sich in die Einsamkeit flüchtet. Ab und zu bleiben Begegnungen mit anderen Mädchen nicht aus, immer wieder blitzt die Suche nach irgendeiner Form von Nähe auf, nur um dann wieder zum scheitern verurteilt zu sein. Ihre Tat scheint irgendwie bereits von Anfang für dieses junge Mädchen festgelegt. Das Bild dieser Mörderin, das hier gezeichnet wird, bleibt ein unvollendetes, weil es die Täterin als widersprüchlichen Charakter zeichnet. Zwar such Hepnarová selbst die Einsamkeit, bittet aber wenig später einen Arzt darum, ihr vielleicht eine Freundin zu suchen.
                                              Petr Kazda und Tomàs Weinreb haben in erster Linie eine Studie über die Konsequenzen von Einsamkeit und gesellschaftlicher Isolation gedreht. In langen Einstellungen verschlingen einen die Schwarz/Weiß-Aufnahmen regelrecht und grenzen uns immer mehr ab. Die Stille wird irgendwann unerträglich.
                                              Ihre Annäherung an die Täterin bleibt intim gehalten, nicht selten lassen sie Hepnarová direkt zu uns sprechen. Es ist der Versuch, emphatisch mit jemandem umzugehen, der nie darum verlangt hat.
                                              Inwiefern dieser Versuch ambivalent bleibt, ist Ansichtssache. Dadurch das der Fokus so auf das Leid der Hepnarová gelegt wird, nimmt der Film auch oft Züge eines Passions-Weges an, bei dem uns nur die innere Erfahrung der Täterin als Perspektive dient. Die Darstellung des Umfelds, dem Polen der 70er, bleibt reduziert, und so rutscht der Film etwas in die Einseitigkeit und ins Exploitative ab. Dennoch ist der Film als Einblick in eine zerstörte Seele wirkungsvoll, weil er uns an unsere eigene Fahrlässigkeit in unserem gesellschaftlichen Miteinander erinnert. Dies spiegelt sich am Ende in der Bluttat wieder, die auf den ersten Blick dann auch für einen Unfall gehalten wird.

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                                                DerDude_ 08.12.2017, 16:07 Geändert 15.12.2017, 18:29

                                                Spoiler !

                                                Das 4:3-Format, in dem A GHOST STORY durchweg gefilmt ist engt die Perspektive des Zuschauers enorm ein. Als würden wir nicht mehr als eine Vision sehen, einen Blick durch ein Schlüsselloch in das Diesseits und natürlich in das Jenseits.
                                                Wir sind ganz nahe dran, als das Liebespaar (Casey Affleck & Rooney Mara), das im Abspann nur C und M ("See Me" ?) genannt wird, sich eng umschlossen aneinander kuschelt und die, eher grau gehaltenen, Einstellungen des Filmes mit unterschwelliger Wärme füllt. In Momenten wie diese weißt A GHOST STORY eine so fragile Zärtlichkeit auf, das man Angst bekommt, sie könne jeden Moment in sich zusammenfallen. Mit dem Tod von C scheint jenes dann auch einzutreffen, doch Gefühle sind stark, wie jeder weiß, so stark das ihnen der Tod nichts anhaben kann.
                                                Diese Vision des Laken-Gespenst, mit dem wir durch den Rest des Filmes wandern werden, versprüht natürlich zum einen eine kindliche Unschuld, aber auch viel Abstraktion. Was die Reise eines Toten durch das Leben nach ihm nun bedeutet, bleibt bis zum Ende recht uneindeutig. Wonach sucht er ? Nach Kontakt zu seiner Frau, selbst wenn diese letztendlich mit ihrem Leben weitermacht ? Nach Erlösung und wenn ja, in welcher Form ? Der Geist kann sich nur noch stumm artikulieren und ist aber an jenes Haus gebunden, jenes Haus das er so mochte, in dem er mit seiner Frau glücklich sein durfte. In jenem Haus, in dem sie bewusst einen Teil von sich begrub und er unbewusst dasselbe tat. Im Haus nebenan wohnt ein weiterer Geist, der schon lange vergessen hat auf wen er wartet. Das Jenseits nach David Lowery ist ein isoliertes, stummes in dem alles greifbar wird aber keine Berührungen mehr existieren. A GHOST STORY ist vielleicht so etwas wie die Kehrseite von Olivier Assayas PERSONAL SHOPPER, nur mit mehr Hang zur Transzendenz
                                                A GHOST STORY ist einer dieser Filme, die ich zwar zu keiner Sekunde an langweilig fand, die sich aber dennoch wesentlich länger anfühlen als 90 Minuten. Lowery spannt einen großen Bogen, der Geist muss nicht mal sein Haus verlassen um die Generationen, die vor und nach seiner so unbedeutenden Existenz lagen, mitzubekommen. Die Szene in der er 4-Minuten lang seine Frau dabei beobachtet, wie sie schluchzend am Boden gekauert einen Kuchen in sich reinwürgt, kann man nun Geduldprobe nennen, oder sie darauf loben, wie entwaffnend und voller Nähe sie ist. Wie das visuelle Äquivalenz einer zerbrochenen Umarmung, falls das Sinn ergibt.
                                                "You do what you can to make sure that you are still around, after you are gone" heißt es in einer Schlüsselsequenz. Tun wir das wirklich ? Wer bitte lebt denn wirklich für die Zeit nach ihm ? Selbst wenn wir jenes versuchen würden, endet es dann doch nicht nur in der Erkenntnis, das sich die Welt für dich nicht interessiert und nie interessiert hat ? Das du Gott, selbst wenn er existiert, wohl in diesem Leben nie in die Augen sehen wirst ? Das du dich in deiner Lebenszeit fast immer unvollkommen fühlen wirst, während dein Tod in jeder Hinsicht endgültig sein wird ? Und auch das wir, am Ende von all dem, wir vielleicht kein Gefühl haben um mit all dem abzuschließen ? Außer vielleicht Dankbarkeit.
                                                Dankbarkeit nicht, weil das Leben schön ist, sondern weil wir alle sind und sein durften. Weil das Echo unseres Lebens, egal wie schnell es wieder verhallt ist, die Stille der Existenz wenigstens für einen Augenblick unterbrochen hat. Ich weiß nicht, wie wahr das ist und kann es auch nicht wissen, glaube aber das ich so irgendwann selbst abschließen kann.

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                                                • Schönster Pixar-Film : TOY STORY-Trilogie
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