DerDude_ - Kommentare
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Alle Kommentare von DerDude_
Rechtfertigt das James Gunn-Zitat nicht in gewisser Hinsicht das unsägliche Whitewashing ?
A CURE FOR WELLNESS ist eh DAS missverstandene Highlight des Jahres und dein mehr als feiner Kommentar hat mich damals dazu bewegt, mir den Film trotz seiner durchwachsenen Rezension zur Gemüte zu führen.
Danke dafür !
Erster Trailer :
https://www.youtube.com/watch?v=u77vsmBya2w
DIE MITTE DER WELT ist ultimatives Schmitt Jr/Filmanalysen-Kino.
Es ist das Ergebnis, wenn man den hippen Xavier Dolan-Stil mit deutscher Vorstadt-Biedereien mischt, dazu kommt dann noch ein bisschen USA-Obsession in Form einer amerikanischen, Alternativ eingestellten Mutter die natürlich so gar nicht in ihr spießiges Umfeld passt (welches wir im Film übrigens nie zu sehen bekommen).
Der jugendlich naive Erzähler klärt uns über sich und sein Leben auf, in der Montage erscheinen Bilder, mal steht er nackt unter, herunterfallendem Glitter und natürlich darf die Zeitlupe nicht fehlen. Wäre der Stil von Dolan in seinen eigenen Filmen nicht schon bieder genug, so bekommt man ihn hier in der Netto Discounter-Version vorgesetzt. Die Themen müssen mal wieder allumfassend sein : Konflikte innerhalb der Familie, die erste (schwule) Liebe und irgendwo gibt es da ja noch einen verlorenen Vater. Durch seinen Bonbon-Stil aber tötet Regisseur Jakob M. Erwa jeden Zwischenton ab, sodass jeder emotionale Moment zur reinen Behauptung mutiert. Alle Figuren (allen voran die bereits erwähnte Mutter) wirken beliebig, nie werden sie ausgefleischt und sind, innerhalb des Wohlfühl Indie-Kinos (wenigstens sind Dolans Filme oftmals unbequem) eigentlich nur Klischees. Der Protagonist hat natürlich wieder nur weibliche Bezugspersonen, alles andere würde den Zuschauer ja verwirren, die beste Freundin färbt sich die Haare permanent (=alternativer Lebensstil, ist klar), der schöne Love-Interest wirkt wie der Sohn einer Lindenstraßen-Familie und dann gibt es ja noch das nette Lesben-Pärchen von nebenan.
Man merkt der Romanverfilmung es mehr als an, dasss seine Vorlage über 500 Seiten verschlingt, denn selten wechselt ein Film zwischen Erzählsträngen und Rückblenden so sehr hin und her, ohne das sich je ein homogenes Ganzes bildet. Mal gibt es Zoff mit der Familie, mal Romanze mit dem Traumjungen, dann visuell verzerrte Kindheitsbilder und irgendwie führt das Alles in ein erzählerisches Nirvana. DIE MITTE DER WELT wirkt wie ein klaghaft erzwungener Versuch, der Welt mal zu zeigen, wie junges, hippes, deutsches Kino aussehen kann und ist dabei leider spießiger denn je. Hätte nie gesagt das ich das mal sage, aber : Wo ist Xavier Dolan, wenn man ihn brauch ?
Entsetzliche Liste.
Auf jeden kreativ gestalteten Film folgt eine weitere Disney/Illumination-Stangenwarenproduktion.
Ebenso ist es fraglich ob DIE TRADÖDIE DER BELLADONNA hier aufgeführt werden sollte, hatte er seinen Kinostart doch 1973 und wurde dieses Jahrzehnt schlicht wieder aufgeführt. In Anbetracht dieser Tatsache und was für ein Meisterwerk dieser Film ist, ist es um so schockierender das er nur auf Platz 15 gelandet ist, während ALLES STEHT KOPF auf Platz 4 thronen darf.
Auch traurig : Der schöne Western RANGO muss hinter zahlreichen Minion-Filmen und nutzlosen Disney-Fortsetzungen Platz nehmen. Ein Trauerspiel. Immerhin kann man die Top 3 durchgehen lassen.
Sofia Coppolas THE BEGUILED ist misslungen.
Ist der Film deswegen prinzipiell schlecht ? Keineswegs. Von seiner Bildsprache her übertrifft sich Coppola. Nach der zeitgemäßen Handy-Aufnahmen ihres gescheiterten Generationenpoträts THE BLING RING kann man hier wieder wahrhaft goldene Aufnahmen des verlassenen Südens von Amerika bestauen. Das Mädchen-Internat wird zum abgeriegelten Raum inszeniert, den Coppolas Figuren nur abtasten, aber längst nicht mehr erkunden können. Elle Fanning und die anderen Schülerinnen werden zu einer historishen Version der Virgin Suicides, so hat es den Anschein. Coppola verliert sich in weiblicher Befreiungsfantasien, die mal dominant (Internatsleiterin Kidman), mal sehnsüchtig hilflos (Lehrerin Dunst), mal neugierig (Fanning) daherkommt. Soldat Farrell wandert vom Erlöser zum Verführer und wickelt bald das gesamte Internat um den Finger. Und irgendwie wünscht man sich zwischen dem ganzen gegenseitigem Begaffen und Mistrauen etwas ausgefleischtere Charaktere. Man merkt, das der Stoff nicht von Coppola selbst stammt, zu sehr aber ist sie damit beschäftigt, ihr einen persönlichen Stempel aufzudrücken, sodass Nuancen leider auf der Strecke bleiben.
Die Schauspieler ziehen ihre Standard-Nummer ab und wurden allesamt mehr als passend ausgewählt, doch nie erreicht jemand den Punkt, an dem er wirklich glänzen kann. So interessant Colin Farrell den verwundeten, feindlichen Soldaten auch versucht zu gestalten, man hätte sich gerade bei seiner Figur mehr Tiefe gewünscht, da oftmals entweder nicht klar wird, was er nun von seinen weiblichen Gastgebern will, oder es einfach verdammt plump ist. Ansonsten sei höchstens Nicole Kidman erwähnt, die die gefasste Überfrau inzwischen wirklich glänzend beherrscht.
THE BEGUILED verfügt über ein interessantes Konzept, das im derzeitigen politischen Klima bestimmt Diskussionen hätte ankurbeln können. Nur leider interessiert sich Coppola herzlich wenig für jenes. Naja, als Thriller ist das Ganze dann doch anschaubar.
Spoiler
Wahrscheinlich sind wir Menschen dazu verdammt, nie zu wissen, wo wir eigentlich hingehören. Unser Weg erscheint uns oftmals klar vor Augen und doch kann sich jede Richtung, die wir einschlagen, als die falsche herausstellen oder wir schlagen eine völlig andere Weggablung ein, von der wir nie dachten, das wir dazu jemals imstande sein würden.
Heute erscheinen die Möglichkeiten grenzenlos, heute kann man fast alles sein. Man kann die Welt erobern oder sich ihr unterwerfen, und doch war es scheinbar nie schwerer bei sich selbst anzukommen. Heute kann man sich fallen lassen, irgendwo landet man dann halt und wenn man auf die Schnauze fliegt, dann kann man es immer noch wie Faye betrachten : „Jede Erfahrung ist besser als keine Erfahrung“. Doch, wenn man sich immer irgendwo oder bei irgendwem fallen lässt, bleibt man auf der Stelle stehen. Man verweigert sich einem Prozess, der im Tiefsten des eigenen Inneren schlummerte und der seit dem Urknall unserer Existenz stetig in uns pulsiert.
Das Bedürfnis, irgendwo anzukommen, ich sage das mal mit meiner bescheidenen Lebenserfahrung, war wohl nie so groß wie in unserer modernen Welt. Wenn Musik nicht mehr nur ein Erlebnis auf einem Festival darstellt, sondern längst permanent abrufbar gemacht wurde. Alles, was dem Mensch etwas bedeutete, hat er optimiert und sich verfügbar gemacht, bis er, wie Musikproduzent Cook, irgendwann in einem glamourösen Irrgarten haust.
Müsste die Liebe nicht etwas Halt bieten ?
Den Anschein erweckt es zuerst : Faye, die von Liebesbeziehung zu Liebesbeziehung taumelt, findet ihr Glück bei dem gutherzigen Musiker BV. Am Anfang wirkt er auch nur wie eine weitere Erfahrung, in dem Sinne, das jede zwischenmenschliche Begegnung eine Erfahrung ist. Doch bald wird mehr daraus, seine Liebe wirkt ehrlicher, gefestigter. Und doch sind beide noch nicht reif für diese Liebe. Ihr innerer Prozess hat noch lange nicht den Punkt erreicht, bei dem man einem Menschen länger in die Seele schauen kann und diesen dasselbe tun lassen kann. Faye ist ihr Ziel gar nicht bewusst, sie wollte im Vergleich zu ihrer Schwester nur nicht als Versagerin dastehen, nicht als die, die trotz all der Privilegien die unsere westliche, großbürgerliche Gesellschaft besitzt, es zu doch nichts gebracht hat.
Cook hat es längst zu etwas gebracht. Er ist der Mann, der jeder der anderen gerne wäre, der alles möglich machen kann oder alles zerstören kann. Doch auch er wirkt festgefahren, seine Partys werden immer extravaganter, seine Events immer ausgelassener. Erfüllung ist für ihn ein Nebenprodukt auf dem Weg zum....ja, wohin eigentlich ? Rhonda, die Kellnerin die ihn liebt, wirkt zuerst wie ein Ausweg, doch Cook scheint das entweder nicht zu verstehen, oder es interessiert ihn nicht. Rhonda, wie alle anderen, will auch irgendwo ankommen und ihre Mutter glücklich machen. Cook baut ihr sogar ein Haus, legt ihr die Welt zu Füßen und doch weiß Rhonda irgendwann, dass sein Weg in eine Sackgasse führt und sie ihm dabei folgt.
BV, der verletzte Musiker, könnte diesen Weg ebenfalls gehen. Im Gegensatz zu Faye oder Rhonda hat er sich von seiner Familie, gelöst und am Ende ist seine Villa noch größer, als die von Cook. Aber er hat längst gelernt, das es Elemente in unserer Sinneswahrnehmung gibt, die sich nicht reproduzieren lassen, die sich nie in ihre Bestandteile zerlegen lassen und deswegen auch nicht auf die Spezie Mensch optimieren lässt. Kein Geld und auch keine Musik.
„Betest du für ihn ?“ fragt ihn BV´s Bruder über deren kranken Vater, worauf hin BV antwortet „Wozu denn ?“. Wenn in einer herzzerreißenden Szene BV dann seinen Vater sieht, dann entlarvt sich dieser Zynismus als Fassade, wenn BV weinend seinem Vater Krümel von dessen regungslosen Körper streicht („Du bist ganz schmutzig“).
Terrence Malick betrachtet diese Körper jenseits von Psychologie, sondern als das was sie sind : Körper, die sich entweder anziehen oder abstoßen, in Momenten, die wie von Lied zu Lied immer weiter gehen und scheinbar nirgends enden. Auf einer unterbewussten Ebene scheinen sie verknüpft und doch müssen sie sich physisch immer wieder voneinander entfernen. Am Ende geschieht ein Bruch : BV und Faye sehen sich wieder und lassen ihre extravagante Lebensweise hinter sich. BV wird ein Ölbohrarbeiter. Was man als „Zurück zur Natur“-Behauptung missverstehen könnte, ist in Wahrheit nur ein Zugeständnis an das, was in den Herzen der beiden schon immer schlummerte.
Malick beendet seinen Film mit dem Blick auf eine Wüste, während sich beide Liebenden im Arm halten. Es ist ein Ort, den beide schon einmal besucht haben, der zu einem Ort wurde, der sich nicht optimieren lässt, der nicht vereinfacht werden kann. Der nur für zwei Menschen eine Bedeutung trägt. Aber die ist gigantisch. Nach diesem Ort sucht Terrence Malick in SONG TO SONG und am Ende findet er ihn.
Der Tod ist die Pforte zwischen Leben und Historie
Im Jahr 1966 veröffentlichte der Regisseur Roberto Rosselini seinen Fernsehfilm DIE MACHTERGREIFUNG LUDWIGS XIV. Der, als historisch sehr akkurat gelobte, Film beschreibt den Aufstieg zur Macht des legendären Sonnenkönigs Ludwig XIV, der Zeit seines Lebens die reinste Verkörperung des Absolutismus war und bist heute oft als einer der größten Herrscher Frankreichs bezeichnet wird.
Rosselinis Film eröffnet jedoch mit einem anderen Fokus : Zu Beginn des Filmes stirbt Ludwigs Berater, Cardinal Mazarin. Nach dessen Tod erst baut Ludwig sein Imperium immer weiter aus, bis er in der letzten Szene des Filmes endlich in seinen goldenen Mauern alleine sein darf.
Nun, über 50 Jahre später, wiederholt sich dieser Prozess, nur dieses mal wird es das Leben des Sonnenkönigs sein, dass ein Ende findet. Seinem Tod werden wir 2 Stunden folgen und der Blick auf den König, wird bis zu seinen letzten Atemzügen nicht von ihm lassen. Der spanische Regisseur Albert Serra hat mit DER TOD VON LUDWIG XIV. eine herausfordernde, sein Publikum oftmals provozierende Elgie geschaffen, dessen Wirkungskraft jenseits jeglicher Zeit zu liegen scheint.
Von der Eröffnungsszene einmal abgesehen verlässt die Kamera das Schlafgemach des Monarchen und dessen Vorräume kein einziges Mal. Besonders zu Beginn wird auffällig, wie wenig sich die Kamera für die Räume seines Kammerspiels interessiert, obwohl diese, für einen Historienfilm üblich, sehr opulent ausgestattet sind. Permanent klebt die Kamera am korpulenten Körper Ludwigs und lässt fast nur von ihm ab, wenn es die Gesichter seiner Ärzte und Berater in den Fokus nimmt. Ludwig ist schon zu Beginn so schwach, dass er ohne Hilfe nicht einmal mehr aufstehen kann (und es im Film auch nie tut). In den letzten seiner Tage, geht sein Zustand von Schlecht zu Katastrophal über, bis dem König jede Kraft genommen wurde.
Das Verhalten seiner Berater reicht von bemüht, bis hin zu frustriert. Während einige Berater fest am Gesundheitszustand des Königs festhalten scheinen einige von ihnen seinen baldigen Tod längst akzeptiert zu haben. Ludwig selbst, die totale Verkörperung eines Herrschers, der in sich selbst einen gesamten Staat sieht, versucht in wenigen Szenen an seiner Königswürde festzuhalten, wenn er sich weigert, Wasser aus einem normalen Glas zu trinken. Die Vorschläge der Ärzte werden immer hilfloser, irgendwann wird sogar ein Elixier, bestehend aus Stierblut und Stiersperma, sowie zahlreicher anderer körperlicher Sekrete in Erwägung gezogen, während das Bein des sterbenden Herrschers zu Beginn nur schwarze Flecken trägt, um am Ende wie ein riesiges Stück Kohle auszusehen.
Die Leinwandlegende Jean-Pierre Leaud verkörpert diesen König in seinen letzten Zügen. Sein Körperspiel (ober besser gesagt : Sein Anti-Körperspiel) bereichert diesen Film ungemein. Aus heutiger Sicht ist es mehr als ein befremdliches Erlebnis, den Antoine Doinel-Darsteller in so einer Rolle zu sehen. Den Jungen, der einst in Francois Truffauts SIE KÜßTEN UND SIE SCHLUGEN IHN vital und energiegeladen durch die Straßen von Paris rannte, nun als korpulenten, verfaulenden Körper 2 Stunden lang beim abtreten betrachten zu dürfen, ist alleine um Leaud auf der großen Leinwand betrachten zu dürfen, mit eine der größten Stärken dieses Filmerlebnisses.
Serras Film spielt mit dem Zuschauer. Die Dramaturgie des Filmes ist von der ersten, bis zur letzten Minute nur auf den Sterbeprozess des Königs ausgerichtet. Irgendwann hat der Körper von Ludwig für uns jede Bedeutung verloren, während er für dessen Umgebenen alles darstellt, dass es zu bewahren gilt. Ludwigs königlicher Status erlischt vor unseren Augen, es gibt für den Herrscher nichts mehr zu tun. Serras Film verzichtet fast vollständig auf Musik, und wenn sie dann erklingt, ist es trügerisch. Ein Mozart-Stück ertönt, während Ludwig nur in seinem Bett liegt und für fast 2 Minuten regungslos in die Kamera starrt. Serra zelebriert hier eine Form von Stillstand, wie man sie selten im modernen Kino sieht.
Die Bilder des Filmes tragen den Charakter eines Gemäldes. Beleutet werden Sie oft nur von Kerzenlicht, während die Bewegungsfähigkeit von Ludwig immer weiter abnimmt. Seine Haut ist schon zu Beginn kreidebleich, seine Haare ein zerzaustes Wirrwarr, als würde er selbst bald zu einem Gemälde werden. Serras Film verhandelt einen, oftmals vergessenen Teil der Historienaufarbeitung : Nämlich das ein Teil jeder Geschichte auch dessen Auslöschung ist. Ludwigs Tod stellt den Übergang zwischen einem Mensch und einer historischen Figur dar. Ein Verwesungsprozess, der sein Erbe zwar vollendet, ihn aber körperlich dekonstruiert.
Albert Serra hat mit DER TOD VON LUDWIG XVI ein herausforderndes Filmerlebnis geschaffen, dass viele Zuschauer verschrecken sollte. Doch in den Bildern steckt eine gewaltige , unangenehme Atmosphäre, die darauf hinweist, was Kino auch sein kann. Nicht nur Körper in Bewegung, sondern auch Körper bei der Verwesung. Der, wohl schwer zumutbarste Film des Jahres und dennoch ein ganz eigenes Erlebnis, dass nur die Leinwand so stämmen konnte.
"Please watch over my soul
and lift me up so gently
so as not to touch the ground
may your light shine all around"
GEORGE WASHINGTON. Dieser Titel passt irgendwie nicht. Das klingt nach Biopic, nach bedeutender Historie, nach Signifikanz. Doch stattdessen werden wir in eine Kleinstadt in North Carolina geworfen, wo nichts wirklich wichtig zu sein scheint. Die Erwachsenen verbringen ihren Tag mit Arbeit, während ihre Kinder in der brutzelnden Sonne spielen, mehr läuft hier nicht.
Immer wieder verschlägt es die Kinder in verfallene Gebäude und Ruinen, darüberhinaus verdürrte Einöden, Orte die (frei übersetzt), so wirken, "als sein ein Tornado zweimal durch sie gefegt". Orte, die zwar allesamt irgendwie Privatbesitz von jemandem sind, den aber niemand kennt und im Endeffekt geht dort sowieso jeder hin. Egal ob sich auszutoben oder um einfach mal alleine zu sein, so abgelegen ist diese Gegend. Wenn hier ein Hund stirbt, dauert es ewig, bis er überhaupt gefunden wird. Bei einem Menschen sieht das nicht anders aus.
GEORGE WASHINGTON ist die Geschichte der Kinder, für die dieser Ort ein Spielplatz geworden ist, weil ihnen nichts anderes bleibt. Egal ob ihre familiären Verhältnisse gut oder schlecht sind, im Endeffekt muss jeder für sich erwachsen werden und mit sich klar kommen. Jeder hat seine eigene persönliche Tragödie und eines Tages verbindet eine größere Tragödie drei Freunde und dennoch muss wieder jeder mit seinem Dilemma, seiner eigenen Schuld, alleine klar kommen.
Der Titelgebende George wünscht sich, er wäre ein Superheld oder einmal Präsident der Vereinigten Staaten zu sein. Die 12-jährige Nasia, die in ihn verliebt ist, schwärmt im Voice-Over von diesem Jungen, zu dem wir als Zuschauer doch nie ganz durchdringen können. Ob George versucht gegen seine Schuldgefühle anzukämpfen oder nicht, können wir nur erahnen, er hat seine eigene Form der Verarbeitung gefunden. Doch er scheint zu wissen : In dieser Gegend ist man entweder ein Held oder ein weiterer Niemand, oder man haut hier ab.
Obwohl David Gordon Greens Film eindeutig dem Neorealismus zuzuschreiben ist, so badet er nie in Tristesse. GEORGE WASHINGTON ist eine sensible Erforschung der Gefühle von Heranwachsenden, erzählt durch ihre Umgebung.
Nennt man so etwas Poesie ? Ich nenne es schlicht eine unvergleichliche Offenheit zu seinen Figuren. Inspiriert von Terrence Malicks DAYS OF HEAVEN weiß Green das Voice-Over eines Kindes zu nutzen um uns in eine naive Außenseiter-Position zu platzieren, bei der wir dann doch mehr mitbekommen als wir es vielleicht sollten und es doch mit unseren Augen sehen dürfen. Dazu kommt eine Kameraarbeit die die Kleinstadt weder romantisiert, aber einem Sonnenuntergang nicht seine Schönheit und Erhabenheit nimmt.
Greens Film gilt heute als eine Art Wegbereiter des "Real America"-Cinema, einer Neorealismus-Bewegung der auch Regisseure wie Kelly Reichardt angehören. Der patriotische Titel verweist darauf : Hier sehen wir ein anderes Amerika, eins das jeder erst für sich entdecken muss und das in den Köpfen zahlreicher vielleicht erst ankommen muss. Mit GEORGE WASHINGTON kommt es vielleicht in den Köpfen und den Herzen derer an, die diesem einzigartigen Film ihre Zeit schenken.
"...I just wish I had my own tropical island, I wish... I wish I was... I could go to China, I wish I could go out of The States... I wish I had my own planet....."
Wo Jean-Luc Godard aufhört, fängt Lucifer Valentine erst an...
Wer dabei sein möchte, wenn sich in jeder erdenkbaren Form an dem Medium Film vergangen wird, dem sein SLAUGHTERED VOMIT DOLLS wärmstens ans Herz gelegt. Das fängt schon damit an, dass auch nur der Ansatz eines Plots in der permanenten Bild- und Tonverzerrung untergeht. Valentines Werk ist ein überlanges Erbrech/Fetisch-Video, dass durch ein merkwürdiges Schnittmassaker zusammengehalten oder auseinander gerissen wird. Dazu werden Szenen von abstoßender Gewalt gemischt, die sich selbst immer wieder in ihrem Gore- und Ekelfaktor übertreffen wollen.
Ja, es ist schwer an diesem Film irgendetwas Brauchbares zu finden. Die Pseudo-Handlung einer, an Magersucht leidenden, Prostituierten, die das Ganze entweder halluziniert oder erlebt hat, lässt sich als solche nahezu gar nicht identifizieren und wirkt sowieso wie ein selbst gegebener Pseudo-Arthouse Anspruch. Dennoch aber muss ich zu meiner Schande gestehen, in all dieser Suppe aus Blut und Erbrochenem, einen gewissen Reiz gefunden zu haben. Ähnlich wie AUGUST UNDERGROUND will SLAUGHTERED VOMIT DOLLS ein grenzenloses Mitternachts-Movie sein und ist in diesem Anspruch noch ein Stück weiter gegangen als andere Vertreter seiner Zunft. Es stimmt nämlich nicht, dass hier nur Ekel zelebriert wird, dafür ist Valentines Film viel zu unzugänglich und wird selbst die Erwartungen zahlreicher Gorehounds an die Wand fahren, auch wenn diese letztendlich mehr als auf ihre Kosten kommen werden, wenn sie sich erst einmal durch die herausfordernde Verzerrungsästhetik gekämpft haben.
Das hier jemand seinen Emetophilia-Fetisch auf Video auslebt, versucht der Film an keiner Stelle zu verheimlichen, wodurch der Film, wohl oder übel, ungezwungen wirkt. Das Erbrochene tropft auf die Kamera und damit auch auf uns Zuschauer herab, der Bildschirm verkommt zum Objekt der Selbstbefriedigung.
Das ist so gut, wie es übel ist, wodurch SLAUGHTERED VOMIT DOLLS letztendlich ein Film, jenseits von allen anderen ist und selbst in seinem Genre alleine stehen kann. Das der Film sein Medium von der ersten Sekunde an, eigentlich nur entstellt, tut er (selbstverständlich) unfreiwillig und von einem guten Film wird man hier nicht reden können. Dennoch kann man Würgereiz nicht ohne Reiz schreiben.
Komplette Zustimmung bei allen, nur nicht bei einem : Marky Mark soll bitte noch viele Filme drehen ! Auch wenn seine Actionfilme in Sachen Belanglosigkeit nicht mehr zu toppen sind, in Komödien funktioniert der Mann für mich wunderbar. Gerade in seine, oftmaligem Zusammenspiel mit Will Ferell kann Wahlberg glänzen und selbst unterdurchschnittliche Filme werden durch seinen (Anti-)Charme bei mir herbe aufgewertet.
Wen ich persönlich hingegen noch ergänzen würde : Jennifer Lawrence !
Kaum eine andere Schauspielerin missversteht heutzutage alles, worauf es beim Schauspielern ankommt (Na gut, zusammen mit Redmayne). Lawrence drängt sich mit ihren Grimassen und ihrer erzwungenen Quirkieness (schreibt man das so ?) in ihre Rollen, und geiert so sehr um die Aufmerksamkeit des Zuschauers und oftmals habe ich sogar das Gefühl, sie versuche andere Schauspieler aus dem Fokus zu drängen. Glaube aber das wir das elendige Phänomen Lawrence in spätestens 2 bis 3 Jahren los sind, irgendwann werden sich sogar ihre Hardcore Fans an ihr satt gesehen haben.
http://www.hollywoodreporter.com/news/daniel-day-lewis-says-hes-quitting-acting-1015235
Fuck, ist hoffentlich ne Ente
Wie wäre es mit : Niemand bekommt einen Safe-Space !
Was soll dieser Unsinn überhaupt ? Gibt es Frauen da draußen, die alleine von der Anwesenheit eines Mannes sich so getriggert fühlen, dass Sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen ? Finde das ziemlich beleidigend, um es mal genau zu sagen, denn damit wird mehr oder weniger jedem Mann eine Unfähigkeit zur Empathie unterstellt. Nur weil ich keine Frau bin, heißt dass doch nicht, das ich Sie nicht verstehe. Sowas baut wieder nur Mauern, statt Brücken.
Sorry, bei allem Emanzipations-Gerede : WONDER WOMAN ist im Endeffekt auch nur ein weiterer Blockbuster und das wir hier eben eine Frau, statt einem Mann, als Titelheld vorgesetzt bekommen, wird rein gar nichts ändern. Ist schön, das auch mal die Frauen austeilen dürfen, aber WONDER WOMAN ist nicht der erste weibliche Actionheld, weder dieses Jahrzehnts, noch überhaupt dieses Jahres (RESIDENT EVIL *hust*). Die Seitenhiebe auf die regressive Gesellschaft verkommt im Film zum Comic-Relief, es ist unterhaltsam, aber im Endeffekt völlig irrelevant.
Viel interessanter wäre es doch, dem pösen pösen White/Cis/Male/Killyourself/Mainstream-Audience mal eine KOMPLEXE Frauenrolle vorzusetzen, nur bewegt sich WONDER WOMAN, genau wie alle Filme seiner Zunft, in einem Rahmen, der an komplexen Figuren allgemein uninteressiert ist.
Und was soll der inklusive Bullshit schon wieder ? Es ist schön zu sehen, dass das Team um WONDER WOMAN bunt gemischt erschien, ein paar charakterliche Überzeichnungen sind völlig legitim, denn im Endeffekt ist es eine COMIC-Verfilmung ! Dasselbe gilt für den Einwurf "Auf der Insel gibt es keine Männer, also sind alle lesbisch". Klar, in jeder Realität vielleicht schon, aber Fantasy-Welten funktionieren so nicht.
Und warum darf Dr Poison kein vernarbtes Gesicht haben ? Das die Frau ne fiese Foltertante ist, die im Laufe des Krieges bestimmt einiges abbekommen hat, sollte dir nicht entgangen sein. Sie ein vernarbtes Gesicht tragen zu lassen ist nur logisch.
Somewhere > Lost in Translation > Virgin Suicides > Marie Antoinette > Bling Ring
Auf The Beguiled kann man nur gespannt sein !
Büddö :
http://www.moviepilot.de/liste/top-10-dc-comic-filmadaptionen-derdude_
"Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce, 1080 Bruxelles"
?
Dieser umständliche Titel deutet schon an, das hier etwas Gnadenloses auf uns zu kommt.
Name, Straße, Ort : Ein einfaches Profil, welches der Film ist. Für 200 Minuten werden wir in eine Voyeur-Position gedrückt. 3 Tage lang werden wir an der Hausfrau und Prostituierten Jeanne Dielman hängen. Wir werden ein Teil ihrer Routine, ihres Tagesablaufs. Chantal Akerman fängt in JEANNE DIELMAN alle Momente ein, die normalerweise in jedem Film längst dem Schnitt zum Opfer gefallen wären, und schenkt ihnen die Leinwand. Langsam lernen wir Jeanne kennen, sehen jeden ihrer Schritte, fast nie verlassen wir ihre Position. Die Bilder lassen Jeanne mit ihrer Umgebung verschmelzen, sie wird ein Teil ihrer Wohnung. Nie wird ihr Innenleben angetastet, nie erleben wir Jeanne außerhalb ihrer Routine. Als sie das erste Mal ihre Kartoffeln verkocht, ist die Besorgnis in ihrem Gesicht das höchste Maß an Emotionen, das wir aus ihr herauslesen können.
Akermans Film ist eine Geduldsprobe in vielerlei Hinsicht. Immer wieder blicken wir minutenlang auf Jeanne, wartend auf einen erlösenden Schnitt, der nie kommt und dann doch passiert. Es ist eine merkwürdige Erfahrung, alles und doch nichts zugleich von einem Menschen zu sehen. Akerman isoliert jeden, nicht an die Realität gebundenen Faktor. Musik findet nur durch ein Radio Verwendung und wenn mal gesprochen wird, so beschränkt es sich auf die trockenen Konversationen zwischen Dielman und ihrem Sohn, der übrigens genauso verbohrt in seiner Routine gefangen zu sein scheint.
Irgendwann hat Akerman den Zuschauer in der Repetition des Geschehens gefangen und hypnotisiert ihn dennoch weiter. Immer wieder wünscht man sich einen Ausbruch, irgendetwas, wodurch sich Jeanne Dielman als Mensch vor uns manifestieren könnte. Doch nie kommt etwas. Wir sehen sie nur in ihrer Rolle als Hausfrau, Mutter und Prostituierte. Sie lebt nur für Andere und wenn sie mal für sich ist, dann scheint sie mit dieser Ruhe nichts anfangen zu können. In einer Szene sitzt sie in einem Cafe, und blickt auf etwas, außerhalb der Perspektive der Kamera. Minutenlang lässt ihr Blick nicht davon ab. Minuten, von der wir als Zuschauer jede Einzelne spüren werden.
Es ist unwichtig, was Jeanne in diesem Moment sieht, die Frage ist eher, ob sie überhaupt etwas sieht. Könnten wir in ihren Kopf hineinschauen, was würden wir finden ? Eine Frau, die sich nichts mehr erlaubt oder eine Frau, die schlichtweg unfähig ist, etwas zu empfinden ? Akerman ist an solcher Psychologie nicht interessiert und richtet ihren Blick weiter auf die Bewegungen und Handlungen von Hauptdarstellerin Delphine Seyrig.
VORSICHT, in diesem Absatz wird das Ende angedeutet, ab nicht verraten.
Was sich die gesamte bisherige Laufzeit wie eine detaillierte Examination einer Existenz unter strengster Routine anfühlte, wird in den letzten 10 Minuten völlig umgeworfen. Am Ende gibt uns Akerman etwas preis, was schon ewig in unserem Kopf herumgespukt hat. Unsere gesamte Sicht ändert sich radikal, wenn uns am Ende bewusst wird, dass wir gerade 3 Stunden lang einer Frau langsam beim durchdrehen zugesehen haben. Wie Dominosteine scheinen die Momente des Tages in sich zusammen zu fallen, sodass es am Ende zu einer Katastrophe kommt. Anschließend lässt uns Akerman in reiner Finsternis zurück. JEANNE DIELMAN ist der wohl längste Spannungsaufbau der Filmgeschichte und ein Film, der auf den zweiten Blick voll von psychologischer Angst ist. Die Routine der Jeanne Dielman wirkt immer zwanghafter, sie sorgt nicht für Ordnung, sie beunruhigt den Zuschauer mit zunehmender Laufzeit immer mehr. Sämtliche Szenen erhalten eine andere Bedeutung. Zweimal im Laufe des Filmes muss Jeanne auf ein Baby aufpassen. Beim ersten Mal legt sie dessen Krippe kommentarlos auf den Küchentisch, das Baby und dessen Geschrei ist für sie ein Störfaktor. Beim zweiten Mal aber nimmt sie das Kind in den Arm und spielt mit ihm. Möglicherweise ein erster Hinweis darauf, das ihr Zustand zunehmend emotionaler wird, um am Ende dann vor unseren Augen in sich zusammen zu fallen.
JEANNE DIELMAN wurde zur Zeit seines Erscheinens bereits als eines der radikalsten Experimente der Filmgeschichte anerkannt und darüberhinaus als eine Art feministisches Manifest (die Crew des Filmes war ausschließlich weiblich) gefeiert. Auch aus heutiger Sicht lässt sich der Film so deuten, da Akerman hier konsequent den Alltag einer Hausfrau / einer Prostituierten beleuchtet. Arbeit, die im kollektivem Bewusstsein meist für eine Frau bestimmt ist und in so expliziter Form wohl vorher noch nie im Kino zu sehen war. Wurden 200 Minuten Laufzeit meist historischen Monumentalepen geopfert, so braucht Akerman sie für 3 Tage im Leben einer Frau.
Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, das JEANNE DIELMAN ein Film über die abtötende Anonymität unserer Gesellschaft, sowie unsere oftmalige Unfähigkeit, mit einander wirklich zu kommunizieren.
JEANNE DIELMAN zu sehen ist eine der einzigartigsten Filmerfahrungen, die einem das Kino bietet. Ein Film über den Wahnsinn im Alltag, den Horror in der Routine. Oder auch einfach : Ein Meisterwerk.
Harmony Korine
- Kurzfilmbewertungen :
"Blood of Havana" (2010), ca 3 Minuten
Einer der Trash Humpers ist aus irgendeinem Grund in Havana gelandet und scheint dort weiterhin seinem Anti-Sozialem Lebensstil zu folgen. Als Extra auf der TRASH HUMPERS Dvd zu finden, wirkt dieser Film wie eine kleine Ergänzung zu Korines Experimentalfilm, die auch eine Post-Credits Szene hätte sein können.
(https://www.youtube.com/watch?v=y-aSsB3Yzf4)
"Act Da Fool" (2010), ca 4 Minuten
Ein schwarzes Mädchen lässt uns, begleitend von verwaschenen, verzerrten 8mm-Aufnahmen, an ihren schrägen Alltagsgedanken teilhaben. Ein magisch, realistischer Streifen, wenn auch viel zu kurz um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Dennoch, durch seine einzigartige Bild/Ton-Collage ein kleines Erlebnis.
(https://www.youtube.com/watch?v=BUsB3S0CfKE)
"Umshini Wan" (2011), ca 15 Minuten
Zwei Mitglieder der südafrikanischen Rap-Gruppe "Die Antwoord" tragen Pokemon-Kostüme, hocken auf ihren Rollstühlen und lassen es sich gut gehen. Es werden Maschinengewehre abgefeuert und übergroße Joints geraucht. Doch irgendwann hört der Spaß auf. Ein etwas anstrengendes Teil. Zum einen trifft der Film die perfekte Ebene der Verlorenheit wie TRASH HUMPERS oder GUMMO, nur ist das Spiel und auch die Geräusche der beiden Band-Mitglieder etwas nervig. Während das Intro aus einem Effektgewitter besteht, ist der Film dann wieder unglaublich reduziert. Sympathisch.
(https://www.youtube.com/watch?v=eMVNjMF1Suo)
"Snowballs" (2011), ca 5 Minuten
Wohl der faszinierendste Kurzfilm : Zwei Mädchen spielen Indianer und tragen dabei TRASH HUMPERS-ähnliche Masken. Sie treffen einen mysteriösen, alten Mann. Dieser Film verfolgt einen stark verfremdenden Effekt. Die Tonkulisse wird rauschaft, die Bilder werden von Sonnenstrahlen geflutet oder von der Nacht verschlungen. Schwer zu erklären, aber es wert erlebt zu werden. Ursprünglich war das Teil übrigens als Werbefilm für die "Native American"-Kleiderreihe gedacht.
(https://www.youtube.com/watch?v=V8F8K27Cr6U&t=1s)
"The Legend of Cambo" (2015), ca 10 Minuten
Eine Kurz-Dokumentation, die Korine für das Vice-Magazin gedreht hat. Korine interviewt einen jungen Mann, der 2 Jahre seines Lebens in der Wildnis verbrachte, weil er seinem heruntergekommenen Zuhause entfliehen wollte. Ein Individuum, das mit ziemlicher Sicherheit auch aus einem Korine-Film hätte stammen können. Darüberhinaus sind die Natur-Aufnahmen bildschön.
(https://www.youtube.com/watch?v=AFYIHwxY5dY&t=25s)
EVERY THING WILL BE FINE demonstriert eine andere Form des psychologischen Melodrams. Vergleicht man Wenders Film mit z.b. 21 GRAMM von Inarritu, der von einer ähnliche Form eines tragischen Unfalls handelt. Auch wenn der Rahmen von 21 GRAMM wesentlich größer ist und einige Motivationen verschieden sind, so wirken die Filme dennoch wie Kontraste : Während sich Inarritu von Schicksalsschlag zu meditativer Einsamkeit hangelt, ist es gerade die Ruhe von Wenders EVERY THING WILL BE FINE, die ihn so bedrückend macht. Während in 21 GRAMM Penn, Del Toro und Watts einander erdrücken, weil das Band, das sie verknüpft ihnen zu sehr weh tut, suchen Franco und Gainsbourg einander. Beide Menschen begegnen sich in einer Situation der Verzweiflung für einen kurzen Moment auf Augenhöhe, und der Moment bleibt still. Im Verlauf ist es die Stille, die den Film füllt und umgibt. In seinem 3D-Effekt funktioniert EVERY THING WILL BE FINE auf der Leinwand zwar nicht vollständig auf Dauer, dennoch eröffnen sie dem Zuschauer eine andere Perspektive : Sie verfremden eine Situation, die eigentlich nach Realität schreit und der aber die kommunikative Unfähigkeit ihrer Protagonisten im Weg steht.
EVERY THING WILL BE FINE fühlt sich wie das Gegenteil zu Wenders PALERMO SHOOTING an, der noch von Erfüllung in der Stille handelte, aber letztendlich im hemmungslosem Arthouse-Kitsch schwamm, konzentriert sich EVERY THING WILL BE FINE auf den Schmerz in der Stille. Für Wenders ist das untypisch, der Film selbst ist beachtlich.
"Sorry for the long silence. I've been busy packing the truck and am now heading home. After 17 years, we have completed the shoot of THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE.
Muchas gracias to all the team and believers. QUIXOTE VIVE!"
<3
Ist in der ersten halben Stunde noch ein Ansatz von Spielfreude und die Lust am absurden Abenteuer erkannbar, verweht jeder Wind den dieser fünfte Ableger der, ohnehin schon völlig aus dem Ruder gelaufenen Piraten-Saga, in seinen abgenutzten Segeln hatte. Die Figuren sind komplett uninteressant geraten, die Action nicht der Rede wert, die Handlung besteht nur aus einem endlosen Umhergurken bis zum Finale und der einzige Humor den dieses Teil hier vorweisen kann, ist der, dass seine Piraten alle scheinbar unsagbar hohl im Kopf sind.
Johnny Depp kaspert und wedelt sich durch den Film, als leide er inzwischen unter einer Zwangsstörung. Hätte er seinen Ruf nicht schon vor vielen, vielen Filmen dekonstruiert, man könnte seine Performance als Tiefpunkt abstempeln.
PIRATES OF THE CARIBBEAN 5 : SALAZARS RACHE ist nichts anderes als das Einreihen in eine Liste von unnötigen Fortsetzungen, dem in jeder Sekunde der Wahnwitz eines Gore Verbinskis fehlt.
4 Punkte gibt`s aus Liebe zu Kaya Scodelario.
SONG TO SONG = Bester Film 2017, bisher...
Ein sehr, sehr schöner Text deinerseits !
War wohl unvermeidbar das der Kollege hier auf Platz 1 landen wird.
Verwunderlich ist das nicht, ist Nolan doch inzwischen der fast einzige Regisseur geworden, der nur durch seinen Namen Zuschauer ins Kino bringt. Seine Filme sind immer recht überpräsent in ihren jeweiligen Erscheinungsjahren und Nolan sucht meist immer den Spagat zwischen Blockbuster und intellektuellem Diskurs (sei es jetzt über Träume oder Raumfahrt etc.), weswegen sie ein sehr breites Publikum abholen können.
Tatsächlich gibt es einiges was der Mann kann. Er inszeniert seine Filme mit sichtbarer Spielfreude und man merkt, das ihm das Thriller-Handwerk liegt. Das Problem ist nur das er oft versucht, seine Filme zur Spielwiese aus wissenschaftlichen Theorien zu machen, was dazu führt, das die Figuren teilweise in ausufernde Erklärmonologe verfallen. Besonders bei INCEPTION ist das ein großes Problem, zumal Nolan hier zwar immer wieder von den unendlichen Möglichkeiten innerhalb eines Traumes redet, die gezeigten Traumwelten dann aber sagenhaft steril und langweilig aufgearbeitet sind (Der im selben Jahr erschienene SHUTTER ISLAND von Martin Scorsese verstand das Prinzip eines Traumes im Film wesentlich besser). Weiterhin kann Nolan keine Action inszenieren. Zwar gibt es in THE DARK KNIGHT den ein oder anderen gelungenen Action-Moment, aber dennoch ist hier nichts besonderes zu erwähnen. THE DARK KNIGHT krankt zwar selbst daran, einen moralischen Diskurs in die Handlung zu integrieren, gleichzeitig aber beweist Nolan dadurch, wie ernst es ihm um die Batman-Geschichte war, weswegen der Film sich vom Rest zahlreicher Comicverfilmungen abhebt.
Groß sind die Filme von Nolan in ihrer Emotionalität. Oftmals hab ich das Gefühl, die Emotionen verstecken sich im Nolanischen Dickicht und dringen selten nach draußen. In seinem besten Film, INTERSTELLAR, konnte Nolan seiner Geschichte einen Kern der Gefühle geben, der den Film zu etwas besonderem machte.
Es sei nun DUNKIRK abzuwarten, hier scheint sich Nolan von einer anderen Seite zu zeigen.
Selbst wenn man schon 4000 und mehr Filme in seinem Leben gesehen hat, es existiert trotzdem noch Kino, das einem zeigen kann, wozu dieses Medium in der Lage ist. Die Filme von Andrei Tarkovsky gehören zu dieser Art Kino. Man erlebt hier eine wundervoll alternative Art, wie Filme auszusehen haben, verbunden mit einer Inszenierung, die nur als Bewusstseinserweiternd beschrieben werden kann. Zahlreiche der größten Sternstunden der Filmgeschichte finden sich in der Filmographie dieses einzigartigen Regisseurs.
Lieblingsfilm : Gibt so viel Geniales, aber ich sag mal STALKER.
Hätte Tarkovsky gerne auf der Eins gesehen, er ist so ein transzendenter Filmemacher, das er eigentlich nur über allen schweben kann, aber naja, dann wird es halt der Nolan....
Bei Regisseuren wie Denis Villeneuve steigt meine Vorfreude auf Christopher Nolans DUNKIRK urplötzlich. Während jemand wie Nolan in seinen Filmen zwar oft nicht den Spagat zwischen aufrichtiger Zwischenmenschlichkeit und intellektuellen Monologen findet, sind sie doch (fast) alle durchdacht und spielfreudig inszeniert. Villeneuves Filme sind so verklemmend dezent inszeniert, fast nie steckt Mut in der Erzählung. ARRIVALS großer Twist am Ende funktioniert nur, weil man dem Zuschauer vorweg Informationen verweigert hat. PRISONERS ist zu bemüht und auf seine Laufzeit selten interessant.
Schade, sein (in meinen Augen) bester Film ENEMY ist ein zweifelsfrei interessantes Erlebnis, nur sein Blockbuster-Kino schmeckt mir überhaupt nichts.
Aber mal schauen wie BLADE RUNNER 2049 so wird, ne ?
Es mag zwar sein, dass David Lynchs ERASERHEAD wohl immer die Krone in der Kategorie "Unangenehmste und bedrückenste Location der Filmgeschichte" aufhaben wird, dennoch dürfte Lynne Ramsays RATCATCHER nicht viele Plätze dahinter liegen.
Die Umgebung in RATCATCHER scheint alles zu verschimmeln, Kinder müssen im Dreck der elterlichen Wohnung groß werden, wogegen das schicksalhafte Spiel der beiden Jungs im Matsch eines Flusses fast natürlich und reinlich wirkt.
Der junge James muss sich mit der eigenen Schuld an einem tragischen Unfall auseinandersetzen und seine Umwelt scheint kaum einen Halt zu bieten. Er ist für seine Familie nur der Rattenfänger, eine andere äußere Identität repräsentiert er nach Außen nicht. Den Ratten wird ein Paradies in einer fernen Welt geschenkt, James kann nur davon träumen. Seine Ausflüge in eine Gegend, jenseits der heimatlichen Tristesse sind Augenblicke, in denen James sich erhaben fühlen darf, die Welt loslassen kann und vielleicht das Gefühl bekommt, ihm würde die Welt für einen Augenblick gehören. Diese Momente bleiben aber eben jene Momente, auch wenn sie in der Herzenslandschaft von James für immer verweilen dürfen.
Lynne Ramsays bedrückende Bilder bohren sich in den Kopf des Zuschauers, ihr Blick auf die britische Arbeitsklasse fängt ihn als ergrauten Raum ein, der jede eigene Entfaltung abtötet oder als Schwäche verspottet. Die Schuldgefühle eines Jungen bedeuten hier nichts, selbst wenn sie sein eigenes Universum einnehmen.
Es existieren wenige Filme, die Kindern so auf Augenhöhe begegnen, RATCATCHER ist einer von ihnen. Von der ersten Sekunde an ein luzides, bis ins kleinste Detail unangenehmes Kino.