EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

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    EddieLomax 07.06.2023, 23:54 Geändert 05.08.2023, 09:42

    THE SHADOW RIDERS von Routinier Andrew V. McLaglen entstand als Folge-Produkt zum TV-Zweiteiler THE SACKETTS nach einem Roman von Western-Autor Louis Llamour mit derselben Besetzung von Sam Elliott, Tom Selleck, Jeff Osterhage und Ben Johnson für's Fernsehen und bietet auch in weiteren Rollen einiges an Genre-Prominenz auf. Dabei wird das Rad nicht neu erfunden und das war auch gar nicht die Absicht, sondern einfach die Lust am Sujet, was sich auch auf den geneigten Zuschauer überträgt. Teils entspannt, teils rasant kommt die Story immer dann in Schwung, wenn es notwendig ist, sonst bleibt man erfreulich bodenständig und humorvoll, wobei gerade das Zusammenspiel von Elliott und Selleck eine gute Dynamik entwickelt, vor allem im Finale, wenn sich beide in die Action begeben und ineinandergreifen wie ein Uhrwerk. McLaglen gab hiermit nach 17 Western (und einigen Serien) seinen (Genre-)Ausstand und lieferte solides Handwerk für Fans.

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      New Black City - Es ist der 31.12.1922, ein sonniger Tag im Dezember. Wir befinden uns in Rosewood, Florida. Ein Fremder (Ving Rhames) kommt in die Stadt geritten. Er will sein Pferd neu beschlagen lassen, Munition kaufen, etwas essen. Ihm gefällt es in der idyllisch gelegenen Kleinstadt. Da die Munition im örtlichen Gemischtwarenladen John Wright's (Jon Voight) erst morgen wieder verfügbar sein wird und auch das Pferd einen Tag warten muss, beschließt Mr. Mann, so heißt der Fremde, zu bleiben. Schnell findet er eine Unterkunft im Hause des Musiklehrers Sylvester Carrier (Don Cheadle), eines selbstbewussten Mannes, der in Rosewood geboren und aufgewachsen, an den Zeitenwandel und die Überwindung des Rassismus glaubt und mit seiner Familie ein glückliches Leben führt.
      Doch so wird es nicht bleiben. Zwei zeitgleich geschehende Ereignisse werden für nachhaltige Veränderungen sorgen. Bald wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. Zuerst erreicht den Sheriff Walker (Michael Rooker) die Meldung, dass ein Gefangener aus der Strafkolonie geflohen ist. Dann begeht Fannie (Catherine Kellner), die Frau des Arbeiters James Taylor (Loren Dean), Ehebruch mit einem Handwerker vom fahrenden Volk (Robert Patrick), der sie anschließend übel verprügelt und dann verschwindet. Dabei wird er von Carrier's Mutter Sarah (Esther Rolle) beobachtet, die in dem Haus als Dienstmädchen arbeitet. Sie schweigt, denn sie kann sich noch gut an ihre Kindheit als Sklavin erinnern und weiß, dass sich die Zustände nicht wirklich geändert haben. Der Mann, der dem Bund der Freimaurer angehört, lässt sich vom Schmied, ebenfalls Freimaurer, zur unerkannten Flucht verhelfen, während Fannie zum Sheriff rennt und behauptet, die Tat habe ein Schwarzer begangen. Schnell wird der entlaufene Sträfling dafür verantwortlich gemacht. Ein Aufgebot findet mit Hilfe von Spürhunden schnell eine Spur, welche zum Schmied führt. Die Meute verwandelt sich in einen Lynchmob unter Wortführer Duke Purdy (Bruce McGill) und der Schmied wird deren erstes Opfer. Mr. Mann beobachtet heimlich alles. In der Gemeindekirche beraten die Bewohner Rosewoods über die Lage. John Wright ist als einziger Weißer dabei, bleibt aber unentschlossen und zögerlich. Einerseits kennt er die Afro-Amerikaner alle und verdient durch sie seinen Lebensunterhalt. Andererseits ist auch er den eigenen Vorurteilen unterworfen. Der charakterstarke Sylvester will in jedem Falle bleiben, glaubt er doch an Gerechtigkeit. Er wird bald zum nächsten Ziel des Lynchmobs, ist er doch ob seiner aufrechten Art vielen Weißen ein Dorn im Auge. Einen Tag später, am Geburtstag seines Sohnes, des kleinen Arnett, kommt es zu einer Katastrophe, in deren Verlauf ganz Rosewood in Flammen aufgeht.

      John Singleton war zur Entstehungszeit dieses ambitionierten Filmes einer der wichtigsten Regisseure des New Black Cinema. Angestachelt durch den Erfolg dessen Begründers Spike Lee, debütierte Singleton im Jahre 1991 mit dem starken Ghetto-Drama "Boyz n the Hood - Jungs im Viertel" und wurde dafür zurecht als jüngster Regisseur aller Zeiten, zudem als erster afroamerikanischer Regisseur überhaupt, mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Gute Karten für eine beginnende Karriere. Mit "Poetic Justice" (1993) und "Higher Learning" (1995) erregte er zwar weiter Aufsehen, konnte aber an den Erfolg des Erstlings nicht anknüpfen. Die Zeit war also reif für ein weiteres ambitioniertes Projekt. Ein Projekt wie ROSEWOOD. Basierend auf der wahren Geschichte des Rosewood-Massakers von 1923, bei dem schätzungsweise zwischen 50 und 150 Afroamerikaner ermordet wurden (Männer, Frauen und Kinder). Ohne die knallige Plakativität seines Regie-Kollegen Mario van Peebles, der sich in jenen Jahren mit POSSE ja ebenfalls dem Western zuwandte, inszeniert John Singleton mit Tiefgang behutsam und detailreich die erschütternde Chronik einer Tragödie, die symbolisch für die Geschichte des Rassismus in den USA gesehen werden kann. Singleton lässt sich viel Zeit, zeigt fast minutiös den Ablauf der Ereignisse, porträtiert die Bewohner Rosewoods beider Rassen und vermittelt so den Alltag dieses, an einer Stelle des Filmes von Sylvesters Tochter bezeichneten, Himmel auf Erden. Einer Stadt in der Schwarze und Weiße glücklich miteinander Leben können. Gerade durch diese genaue Darstellung der Familienverhältnisse und persönlichen wie beruflichen Verbindungen der Einwohner, erreicht der Film höchste Intensität wenn man dann sieht wie sich die Gewaltspirale immer weiter und weiter dreht. Das geht tief unter die Haut und treibt einem ein ums andere Mal Tränen in die Augen. In nicht wenigen Szenen erinnert der Film an, für uns Deutsche, nur allzu vertraute Bilder aus der NS-Zeit.

      ROSEWOOD ist warscheinlich John Singletons wichtigster Film, fand aber die wenigsten Zuschauer. Dabei funktioniert ROSEWOOD sowohl als Geschichts-Drama wie als spannender Western (oder eher Southern). In Deutschland lief er auf der Berlinale und wurde dann als Direct-to-Video-Premiere in geringer Auflage verramscht. Dabei handelt es sich hier um ein Zeit-Dokument, das betroffen macht. In Amerika floppte der Film ebenfalls gnadenlos, die Zuschauer waren und sind scheinbar immer noch nicht bereit für die Aufarbeitung ihrer Geschichte. John Singleton drehte danach fast nur noch Hollywood-Konfektionsware wie zuletzt ATEMLOS mit Taylor Lautner und verschwendet sein großes Talent bedeutende Filme zu machen. Schade eigentlich.

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        LE GRAND BLEU von Luc Besson fand heute im Rahmen der Reihe "Best of Cinema" seinen Weg zurück auf die deutschen Leinwände, restauriert und im Director's Cut versteht sich, wobei das epische Drama zwischen realistischem Autoren-Kino und poetischem Arthaus-Abenteuer den schwierigen Spagat hinbekommt, sowohl den vielschichtig gezeichneten Charakteren gerecht zu werden, wie in den detailliert geschilderten Tauchgängen eine dramatische Spannung zu erzeugen, die einen Luc Besson im Auftrieb zeigen, der nicht ohne Grund zu den bedeutendsten europäischen Regisseuren der 80er und 90er Jahre gezählt werden muss, bis er sich mit seiner EUROPACORP dem schnöden Mammon verschrieb. Hier ist alles noch ganz gänzlich rein und von neugieriger Offenheit und entwaffnendem Humor geprägt, woran der monolithische Jean Reno nicht unschuldig ist. Meisterhaft.

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          Cowboyz N The Hood - Kuba 1898 - Amerikanisch-Spanischer Krieg:
          "Zuckerbrot und Peitsche" ist das Motto des exzentrischen Südstaatendandys Colonel Graham (Billy Zane), der seine Soldaten, vornehmlich Afro-Amerikaner, auf eine heikle Mission hinter die feindlichen Linien schickt. Allen voran der unfreiwillig rekrutierte Jesse Lee (Mario Van Peebles), den man vor die Wahl Gefängnis oder Krieg gestellt hatte. An seiner Seite kämpfen der tumbe Riese Obobo (Tiny Lister), der gebildete Weezie (Charles Lane), das weiße Schlitzohr Little J (Stephen Baldwin) und noch einige andere (u.a. Tone Loc). Sie haben eines gemeinsam. Keine Lust auf Krieg. Während eines Überfalls auf ein Lager des Feindes fällt ihnen zufällig die spanische Kriegskasse in die Hände. Kurz entschlossen beschließen sie mit der Beute zu desertieren und setzten sich nach New Orleans ab. Von hier aus machen sie sich als POSSE, unter Führung des erfahrenen Revolvermannes Jesse Lee, auf den Weg nach Westen. Denn der hat in Freemanville noch einige Rechnungen zu begleichen, für die er sich fünf goldene Kugeln gießen ließ. Doch der skrupellose Colonel Graham ist ihnen dicht auf den Fersen und auch in Freemanville hat sich einiges verändert.
          "Einer von drei Cowboys war schwarz!" Woody Strode (Sergeant Rutledge, John Ford 1960), der als Erzähler in der Rahmenhandlung den geschichtlichen Hintergrund erklärt, ist natürlich die denkbar beste Wahl für einen Western, der mit den Missständen der Genre-Historie aufräumen will.
          Regisseur Mario Van Peebles (New Jack City, 1991), seinerzeit neben John Singleton (Boyz N The Hood, 1991) eines der Aushängeschilder des NEW BLACK CINEMA, verkündete während der Werbetour für seinen Film, den ersten schwarzen Western gedreht zu haben und die absolute Wahrheit über den Wilden Westen zu erzählen. Damit ist er wohl ein wenig über das Ziel hinaus geschossen. Denn weder ist POSSE der erste Film seiner Art, da gab es z.B. BUCK AND THE PREACHER (1971) von Sidney Poitier, noch erzählt er uns die reine Wahrheit. Dafür zeichnet er doch mit einem etwas zu dicken Pinsel. Ein populistischer Stil, der ihm bei seinem nächsten Film PANTHER (1995), über die Black Panther Bewegung, bereits zum Verhängnis werden sollte.
          Allerdings gibt es über POSSE auch viel positives zu berichten. So ist er ein brillant gefilmter wahrer Bilderstürmer (Kamera: Peter Menzies Jr.) im so genannten MTV-Style (wie zuvor die beiden YOUNG-GUNS-Filme) und schafft durch den gewagten Soundtrack-Mix aus R'n'B, Blues und Soul eine ganz eigene Atmosphäre. Die Odyssee der Gang führt durch alle typischen Western-Landschaften und bietet einige Möglichkeiten für gelungene Reminiszenzen an herausragende Vertreter des Genres, wie etwa THE THREE GODFATHERS (John Ford, 1948). Das mag hin und wieder Selbstzweckhaft wirken, ist aber aufrichtig und kompetent inszeniert. Wie auch die Actionszenen, die schnell, hart und kompromisslos daherkommen. Vor allem im Showdown gibt es so manche Hommage an klassische Konfrontationen zu entdecken. Das Drehbuch von Sy Richardson und Dario Scardapane bleibt dabei recht unvorhersehbar und schwächelt allenfalls in einigen belanglosen, da zu langen Dialogszenen im ersten Drittel, fängt sich aber später wieder.
          Der größte Pluspunkt bleibt jedoch die erlesene Besetzung, bestehend aus Veteranen wie Richard Jordan in seiner letzten Rolle als Sheriff von Cutterstown, der gleichzeitig Anführer des KU-KLUX-KLAN ist, sowie Blaxploitation-Größen wie Pam Grier und Isaac Hayes. Charakterdarsteller wie Blair Underwood, als unmoralischer Sheriff von Freemanville, sind punktgenau besetzt und besonders interessant ist der Auftritt von Mario's Vater Melvin Van Peebles, der mit seinem legendären Underground-Klassiker SWEET SWEETBACK's BAADASSSS SONG (1971) maßgeblich daran beteiligt war, das BLACK CINEMA aus der Taufe zu heben. So wird also nicht nur dem Western-Genre, sondern auch der Geschichte des schwarzen Filmes massiv gehuldigt und das zu Recht. In kleineren Nebenrollen tummeln sich illustre Gestalten wie Sänger Aaron Neville, Regisseur Paul Bartel sowie Drehbuchautor Stephen J. Cannell.
          Kontrovers war für die Amerikaner sicherlich in erster Linie, das Van Peebles hier ungehemmt die Enteignung schwarzer Siedler durch die Eisenbahngesellschaft thematisiert, ein Umstand der wohl bisher nur den wenigsten bekannt war. Für politischen Zündstoff ist bei Mario Van Peebles also gesorgt und auch für Western-Fans gibt es im Abspann noch viel zu entdecken.
          Sieben von Zehn goldenen Patronen für einen waschechten Blaxploitation-Western der knackigen Art mit leichten Abzügen in der B-Note für einen nach starkem Beginn schleppenderen ersten Akt und einen starken Bösewicht (Billy Zane), der leider zu wenig Screentime hat um sich angemessen entfalten zu können. Trotzdem ein Film der es wert ist, wiederentdeckt zu werden.

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            EddieLomax 05.06.2023, 22:51 Geändert 05.06.2023, 22:54

            THE HARDER THEY FALL von Jeymes Samuel ist nicht der erste schwarze Western und ganz sicher auch nicht der letzte seiner Art, was gut ist. Interessant ist, dass alle paar Jahre einer daherkommt und dieses Etikett für sich proklamiert, was schlussendlich keine Rolle spielt. Die Titel-Anspielung auf den jamaikanischen Kultfilm gibt eigentlich nur den Reggae-Rhythmus vor, während der Film selbst mit seiner coolen Attitude irgendwo zwischen Italo-Western a'la IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO oder Blaxploitern wie THE LEGEND OF NIGGER CHARLIE voranprescht, nach einem starken ersten Drittel deutlich die Geschwindigkeit drosselt und dabei neben seinem visuellen Reichtum leider seine erzählerische Armut offenbart, was bedeutet, dass wir einen enorm langgezogenen Mittelteil serviert bekommen, der außer als Bindeglied zum Finale zu fungieren nur wenig inhaltliches bietet, was schade ist, birgt doch gerade diese Genre-Spielart reichlich Potenzial, wie beispielsweise Mario van Peebles mit seiner POSSE einst bewies. Vor allem aus historischen Persönlichkeiten wie Bass Reeves, die für sich genommen genügend Stoff für eigene Filme böten, so wenig herauszuholen, hat weder die Figur, noch ihr Darsteller Delroy Lindo verdient. Wobei gerade die Besetzung punkten kann, so illuster sie ist. Im Schneideraum um fünfundvierzig Minuten erleichtert, hätten wir hier ein echtes Highlight, so reicht es für mich nur zu origineller Unterhaltung, was ja ebenfalls nicht zu verachten ist.

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              MR. DEEDS GOES TO TOWN von Frank Capra kann als exemplarisch capraeskes Werk gesehen werden, weil hier alle Zutaten seiner Meisterwerke vereint sind. Sei es die einfache Geschichte des Jedermannes, dessen Lebenssituation aufgrund äußerer Umstände auf den Kopf gestellt wird, oder die sozialkritische Grundierung begleitet von der Offenlegung gesellschaftlicher Missstände, oft herausgestellt durch die charakterlichen Defizite der sogenannten normalen Bürger, die meist nichts anderes im Sinn haben, als den rechtschaffenen Protagonisten in die Bredouille zu bringen. Freilich kann Gary Cooper als Provinz-Boy hier glänzen mit all seinen Manierismen und Marotten, die seine zurückhaltend leise Komik wunderbar zur Geltung bringen. An seiner Seite hat es Jean Arthur etwas schwerer, was schlicht der Tatsache geschuldet ist, dass Capra ihr nicht genügend Raum gibt, etwas das er in anderen Werken deutlich ausgewogener hinbekam. Dennoch gehört auch DEEDS (mit seinem Regie-Oscar) natürlich zum bedeutenden Capra-Kanon der 30er und 40er Jahre, als er zu den Grundpfeilern des Golden Age zählte.

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                Das in den Kollaborationen von Maureen O'Hara und John Wayne oft verwendete Konzept DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG funktioniert zum wiederholten Male auch hier im launigen Western-Klamauk MCLINTOCK, der wie jede gute Komödie immer wieder bestens unterhält, auch weil er gar nicht erst versucht erinnerungswürdige Szenen zu entwerfen, sondern immer ganz leicht und an der Oberfläche aus purem Spaß an der Sache bleibt. Perfekte Unterhaltung.

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                  Unglaublich komplex aufgeladenenes Spin-Off zur besseren Matt-Damon-Trilogie, welches irgendwann nur noch eine Action-Szene an die andere reiht und dabei handlungstechnisch einfach in sich zusammenfällt. Zum Glück gut besetzt und gespielt.

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                    Ein in allen Belangen gescheiterter Versuch einer vertrackten Spionage-Komödie, allerdings mit exquisiter Besetzung und teurer Ausstattung. Davon abgesehen, pure Zeitverschwendung

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                      Ja, es ist der Tag an dem er geheiratet hat. Und ja, es ist auch der Tag an dem er sein Amt niederlegen wollte. Doch der neue Marshall kommt erst morgen. Frank Miller, ein Verbrecher den er vor einigen Jahren dingfest gemacht hat, nimmt jedoch keine Rücksicht auf das was Will Kane gerade macht oder machen wollte. Denn er will Rache. Und sein Bruder, der gemeinsam mit zwei weiteren Halsabschneidern am örtlichen Bahnhof darauf wartet, dass der frisch aus dem Gefängnis Entlassene pünktlich zur nahenden Mittagsstunde eintrifft, interessiert sich ebenfalls herzlich wenig für Will Kane's Bedürfnisse. Doch nicht nur sie kümmern sich nicht darum. Auch Kane's frisch angetrautes Eheweib möchte diese Stadt am liebsten sofort hinter sich lassen. Sie mag es gar nicht gern sehen, das ihr neuer Ehemann nun freiwillig bereit ist Überstunden zu machen, aus einem Verantwortungsgefühl gegenüber den Bürgern der Stadt heraus. Den selben Bürgern, die ihm einer nach dem anderen ihre Hilfe verweigern, deren er sich zuvor so sicher war. Damals, als er Miller das erste Mal verhaftet hatte, standen sie alle an seiner Seite. Damals hatte er aber auch sechs Deputys, die alle mit dem Colt umgehen konnten. Jetzt hat er nur noch einen. Und der trinkt, weil er frustriert ist. Die Stunde Null rückt näher. Und damit der Moment der Wahrheit. Ein schlechter Zeitpunkt um seine Prinzipien über Bord zu werfen. Was passieren soll, passiert. So oder so.

                      Fred Zinnemann, österreichischer Exilant in Hollywood, schuf mit HIGH NOON einen Film der nicht nur zu den berühmtesten Western zählt, sondern auch zu den berühmtesten Filmen überhaupt. Das liegt zum einen daran, dass er in erster Linie als spannender Western eine einfache, für jeden nachvollziehbare Geschichte erzählt. Zum anderen, dass man sehr viel in ihn hinein interpretieren kann. Manches gewollt und zurecht (z.B. McCarthy/Faschismus), anderes bleibt spekulativ. Es ist ein Western, der die Freunde des Genres in zwei Lager teilt. Aber es ist ebenso ein Film, mit dem auch Menschen die normalerweise keine Western schauen, etwas anfangen können. Das es sich hierbei um ein Werk von großer Meisterschaft handelt, steht außer Frage. Film ist Team-Arbeit. Die Kamera orientierte sich an Originalaufnahmen aus der Zeit in der der Film spielt. Realismus war oberstes Gebot. Dimitri Tiomkins Titelmelodie „Do Not Forsake Me, Oh My Darling“ hat jeder schon mal gehört. Mit einfachsten Mitteln dreht Zinnemann stetig an der Spannungsschraube. Coppola zitiert den berühmten Schwenk zur Wanduhr ausgiebig in RUMBLE FISH. Das Howard Hawks und einige andere ihre Version der selben Geschichte erzählt haben zeigt, dass man den Film auf unheimlich viele verschiedene Arten betrachten kann. Zu kritisieren wäre eventuell, dass dem Film ein bisschen zu sehr die konzeptionelle Machart anzusehen ist, dass er nicht gerade leichtfüssig daherkommt und sich vielleicht etwas zu ernst nimmt. Das dürfte aber Zinnemanns typischem analytischem Stil geschuldet sein. Schwere Themen lagen ihm. Soweit ich weiß hat er sich, bis auf ein Musical, nie an einem leichten Stoff versucht. Lustigerweise gab es von HIGH NOON 1980 eine Fortsetzung mit Lee Majors als Will Kane und David Carradine als Bösewicht und 2000 dann ein (Fernseh)-Remake mit Tom Skerrit als Kane und Michael Madsen als Miller the Killer. Was Fred Zinnemann wohl davon gehalten hätte?

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                        PRISONERS OF THE GHOSTLAND von Sion Sono ist ein postapokalyptischer Bilderwahnsinn in Japan nach dem atomaren Supergau, der es sich irgendwo zwischen Takashi Miike's SUKIYAKI WESTERN: DJANGO und den Endzeit-Italo-Western-Hybriden von Ferdinando Baldi mit Tony Anthony, wie GET MEAN oder COMIN' AT YA! bequem macht, allerdings ohne deren ätzend-satirisch-grotesken Humor-Eskapaden. Dabei verweigert sich das Werk bewußt einer klassischen Dramaturgie und feiert sich lieber in seiner eigenen Abgedrehtheit, was Dank der Personalie Nicolas Cage natürlich bestens funktioniert.

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                          William Friedkin's Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Tracy Letts ist eine Killer-Groteske der abseitigen Art mit einem famos aufspielenden Matthew McConaughey und nichts für zarte Gemüter.

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                            EddieLomax 01.06.2023, 11:01 Geändert 01.06.2023, 11:05

                            Differenziertes Ensemble-Drama über die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt mit All-Star-Besetzung.

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                              `"'Das Leben ist sehr lang.', T.S. Eliot." Beverly Weston (Sam Shepard) erklärt der von ihm neu eingestellten Haushaltshilfe Johnna (Misty Upham) das Wesen der Beziehung von seiner Frau Violet (Meryl Streep) und ihm. Dann verschwindet er auf nimmer Wiedersehen. Als Violet klar wird, das er nicht zurückkehren wird, ruft sie ihre Schwester Mattie Fae (Margo Martindale) und ihre drei Töchter zu sich, die allesamt mit ihren Familien anrücken. Ivy (Julianne Nicholson) wohnt noch in Osage County, ist zuerst da. Mattie Fae und ihr Mann Charlie (Chris Cooper) treffen als nächstes ein, allerdings warten sie noch auf ihren Sohn Little Charles (Benedict Cumberbatch), der sich verspätet. Die älteste Tochter Barbara (Julia Roberts) kommt mit ihrem Mann Bill (Ewan McGregor) und der pubertären Tochter Jean (Abigail Breslin). Zu guter letzt und mit dem größten Auftritt fliegt Tochter Karen (Juliette Lewis) mit ihrem frisch verlobten Windhund Steve (Dermot Mulroney) aus Florida ein. Die Familienberatung um das Rätsel von Oberhaupt Beverly's Verschwinden beginnt gerade, als der Sheriff mit der Nachricht hereinplatzt, das man dessen Leiche in einem See gefunden hat. Nach der Beerdigung provoziert Violet beim Leichenschmaus alle Beteiligten, so das nach und nach alle kleinen und großen Lügen und Familiengeheimnisse hervorbrechen, die sich in einem wahren Orkan von einem Streit entladen, aus dem niemand unbeschadet hervorgehen wird.

                              Nachdem sich Regisseur John Wells in seinem Charakterdrama COMPANY MEN (2010) vorrangig mit der männlichen Psyche auseinandersetzte, sind nun in erster Linie die Frauen an der Reihe. In dieser dritten Verfilmung eines Theaterstücks von Dramatiker und Gelegenheitsschauspieler Tracy Letts, nach den beiden William-Friedkin-Filmen BUG (2006) und KILLER JOE (2011), geht es anders als in den Vorgängern weniger um die Verbindung von psychischer und physischer Gewalt, als um ein Abtauchen in die Abgründe der menschlichen Seele am Beispiel einer Familie des Bildungsbürgertums und deren provinziellen Wurzeln. Dafür hagelte es Lob und Preise, besonders das Schauspieler-Ensemble wurde dabei berücksichtigt. Mit Recht, doch ohne die Leistung John Wells', dem das Kunststück gelingt jeden Verweis auf die Bühnenherkunft des Stückes mit seiner Inszenierung zu überdecken, was nicht einfach ist, wäre der Film nur halb so sehenswert. So oft es geht, holt er die Protagonisten aus den Räumen des Herrschaftshauses heraus und nutzt die sonnendurchflutete Landschaft Oklahomas immer wieder um die innere Leere und Zerissenheit der einzelnen Charaktere zu kommentieren. Zum Beispiel in einer Szene wenn Meryl Streep aus dem Wagen flüchtet und sich sprichwörtlich in ein weites Feld verrennt, während Julia Roberts versucht sie einzuholen. Deutlicher kann man Entfremdung nicht darstellen. Dies nur, um die unterschätzte Regie zu würdigen. Hauptattraktion ist natürlich dennoch die fantastische, punktgenaue Besetzung der Familienmitglieder, angeführt von der einmal mehr großartigen Meryl Streep, die von einer Julia Roberts unterstützt wird, der es endlich wieder gelingt an ihre Top-Performance in ERIN BROKOVICH (Steven Soderbergh, 2000) anzuknüpfen. Doch nur ihnen beiden alle Lorbeeren zu verteilen, würde die Gesamtleistung der versammelten Schauspielerschaar herabsetzen, die jeder für sich in ihren Szenen zu begeistern wissen. Beginnend mit Sam Shepard, der wie ein Schatten über der Geschichte schwebt, spürbar anwesend bleibt obgleich wir ihn nicht mehr zu sehen bekommen, sind Tracy Wells Figuren derartig vollkommen unvollkommen skizziert, das alle Schauspieler ihre Bühne zu nutzen wissen, ohne sich dabei je in den Vordergrund zu spielen, stets der Gemeinschaft im Dienst der Sache verpflichtet bleiben. Wer sich also an einem durchaus derben Dialog-Stück um dunkle Familiengeheimnisse, bei dem auch der (reichlich vorhandene) schwarze Humor nicht zu kurz kommt, erfreuen kann, der sollte sich diesen Film unbedingt zu Gemüte führen.
                              Willkommen zu einem Familientreffen der besonderen Art!

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                                über Noah

                                Noah (Russell Crowe) hat Visionen. Seit er als Kind die Ermordung seines Vaters Lamech (Marton Csokas) durch den archaischen Tubal-Kain (Ray Winstone) mit ansehen musste, hält er sich und die seinen von den Fleischfressern fern und lebt in Einklang mit der Natur. Eine Einstellung die er an seine Nachkommen weiter gibt. Nach einem plötzlichen Zwischenfall mit einer Gruppe von Jägern, suchen ihn die genannten Visionen heim und da weiß er was er zu tun hat. Mit Frau (Jennifer Connelly) und Kindern (u.a. Logan Lerman) bricht er auf. Schließlich ist ihm klar, das er vom Schöpfer auserwählt wurde eine Aufgabe zu bewältigen. Welche das ist, erfragt er bei seinem Großvater, dem weisen Methusalem (Anthony Hopkins). Eine Arche soll er bauen, die Schutz vor dem großen Regen bietet, der kommen wird um alles hinweg zu spülen. Viel Zeit bleibt ihm nicht, denn neben dem Bau muss er sich nicht nur um familiäre Angelegenheiten kümmern, sondern sich auch der herannahenden Gefahr durch Tubal-Kain und dessen zahlreiches Gefolge erwehren.

                                Nach seinem Doppel-Psychogramm THE WRESTLER/BLACK SWAN knöpfte sich das einstige Regie-Wunderkind Aronofsky den biblischen NOAH vor und macht ihn mit einer Paraderolle für Russell Crowe zum vorsintflutlichen Öko-Krieger. Der Mann braucht einfach derartige Rollen um glänzen zu können und vier Jahre nach seinem ROBIN HOOD war es einfach mal wieder an der Zeit für einen Auftritt dieser Größe. Seine Darbietung ist jeden Cent vom Eintrittsgeld wert. Auch die Nebendarsteller wissen größtenteils zu überzeugen, allen voran Ray Winstone, als gar nicht so böser Tubal-Kain, dem es gelingt, trotz wesentlich weniger Screentime einen ambivalenten Gegenpol zu Crowe's Noah zu schaffen, der für sich genommen schon mit sich hadert ob der Vereinbarkeit von Aufgabenerfüllung und Familienfrieden. Die Figurenkonstellation im Personengefüge ist somit auch das reizvollste an diesem Film, der sich im letzten Drittel seiner Schauwerte entledigt und fast nur noch im inneren der Arche spielt und hier seine stärksten Momente liefert. Zuvor herrschen Tricktechnik und pure Bildgewalt, eingefangen am Computer und in Island, ein eindrucksvolles Setting mit unverbrauchten Bildern von großer überwältigender Macht. Ein klassische Bibelverfilmung sollte man also nicht erwarten und dem entsprechend auch nicht enttäuscht sein wenn Fantasy-Wesen wie die Wächter genannten Steinriesen, ähnlich wie im HOBBIT ins Kampfgeschehen eingreifen. Erfreulich auch, das es Aronofsky nach dem ersten Drittel gelingt das Ruder etwas herumzureißen, befürchtete man schon schlimmstes im Gedenken an seine Esoterik-Plotte THE FOUNTAIN (ein Geschmäckle welches auch hier immer wieder aufstößt) und lässt seinen Star als Spiritual Warrior den Weg des friedvollen Kriegers verlassen. Das wirkt dann ein bisschen wie WATERWORLD ohne Zukunft, doch die vorherrschende Endzeitstimmung steht NOAH gut und ist so für ein breiteres Publikum konsumierbar.

                                Fantastische Bibel-Action mit Tiefgang, irgendwo zwischen THE FOUNTAIN und TIERE ESSEN.

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                                  TULIP FEVER von Justin Chadwick ist ein in opulente Bilder gekleidetes Historiengemälde nach einem Drehbuch von Altmeister Tom Stoppard, dem es bei ungewöhnlich schwacher Figurenzeichnung leider auch an erzählerischem Fokus fehlt. So plätschert der bis in die Nebenrollen ausgezeichnet besetzte und zudem verschwenderisch ausgestattete Film wenig mitreißend dahin, ohne seine sichtlichen Ambitionen je verleugnen zu können.

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                                    über FUBAR

                                    Triple G - generisch, geriatrisch, gewöhnlich. FUrchtBAR.

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                                      Kongeniale Verfilmung der Novelle von Giorgio Bassani mit preisgekrönter Musik von Ennio Morricone und beeindruckender Leistung von Philippe Noiret.

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                                        über Baarìa

                                        Großartiges Familien-Epos von Giuseppe Tornatore mit elegischem Soundtrack von Ennio Morricone.

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                                          Semi-Dokumentarische Episoden aus Neapels Vorstadt, bei denen einem Angst und Bange werden kann. Der Mafia-Film ist in der Realität angekommen. Nach einem Bestseller von Roberto Saviano.

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                                            Völlig unvorhersehbares und spannendes Suspense-Drama, eindrucksvoll gespielt und hypnotisch inszeniert. Italienisches Kino vom feinsten.

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                                              über Vincere

                                              Mailand 1914: Ida Dalser lernt den jungen aufstrebenden Politiker Benito Mussolini kennen und verliebt sich unsterblich in ihn. Um ihm seine Tageszeitung zu finanzieren, verkauft sie ihre gesamte Habe. Er heiratet sie und zeugt ein Kind mit ihr. Als der erste Weltkrieg ausbricht geht Mussolini an die Front. Sie zieht den Jungen allein groß. Nachdem sie lange Zeit nichts von ihrem Mann hört, erfährt sie von seiner Verwundung und besucht ihn im Lazarett. Hier trifft sie auf eine andere Frau an seinem Krankenbett, welche sich als seine Ehefrau ausgibt. Ida versucht Mussolini zur Rede zu stellen. Er verleugnet sie. Viele Jahre kämpft sie um Anerkennung, während Mussolini zum Duce aufsteigt. Übermächtig sorgt er dafür, dass Ida und ihr Sohn Benito Albino getrennt werden, sie in eine Nervenheilanstalt und er in ein Kinderheim eingewiesen wird. Erst Ende der Zwanziger Jahre gelingt es Benito Albino mit seiner Mutter Kontakt aufzunehmen. Der Duce sorgt dafür, das seine Vergangenheit und jeder der damit zu tun hat, im verborgenen bleiben muss.

                                              Erst im Jahre 2005 wurde bekannt, das Italien's Führer ein wohl gehütetes Geheimis hatte. Die herzzerreißende Geschichte der Ida Dalser liefert die Grundlage für diesen in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Film. Marco Bellocchio lässt den Film auf verschiedenen Zeitebenen starten und schneidet immer wieder Wochenschau-Aufnahmen dazwischen, welche die historischen Ereignisse dokumentieren, ohne dem Werk dabei jedoch den Charakter eines Doku-Dramas zu geben. Zu elegant und kunstvoll, zu versiert und schwungvoll fügen sich die Aufnahmen in die Geschichte. Opernhaft orchestriert und mitreißend komponiert bekommt der Zuschauer durch das Zusammenwirken von Bild und Soundtrack eine wuchtige Lehrstunde in Kinematographie, die ein Ausrufezeichen für das zeitgenössische italienische Kino setzt. Mit einfachsten Mitteln erreicht der Regisseur maximale Ergebnisse. Unterstützt wird er dabei von einem, bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend besetzten Schauspieler-Ensemble.

                                              In der Hauptrolle der Ida Dalser ist eine fulminant aufspielende Giovanna Mezzogiorno (Die Liebe in den Zeiten der Cholera, Mike Newell 2007) zu sehen, der das seltene Kunststück gelingt einerseits die dem charismatischen Politiker völlig verfallene Liebende, wie auch die später gepeinigte und verleumdete Patientin einer Irren-Anstalt zu porträtieren, ohne dabei je ihre Anmut und Würde zu verlieren. Als Benito Mussolini und auch später als dessen Sohn Benito Albino, sehen wir Filippo Timi (Engel des Bösen, Michele Placido 2010), der den Duce nicht als Monster sondern als getriebenen Mann darstellt, dem jedes Mittel recht ist um seine Ziele zu erreichen. Altmeister Marco Bellocchio beweist eindrucksvoll, das mit dem italienischen Kino zu rechnen ist.

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                                                Charlie 'Bubber' Reeves (Robert Redford) ist ein wilder Junge. Der Stadtrebell wenn man so will. Sein Aufbegehren hat ihm nicht den besten Ruf ein, ihn früh mit dem Gesetz in Konflikt gebracht. Jetzt sitzt er seit zwei Jahren im Gefängnis. Als er gemeinsam mit einem Schwerkriminellen flieht, sieht es zunächst nach reibungslosem Ablauf aus. Bis sie an einen Bürger geraten, der einem vermeintlich Verunglückten helfen will und seine Selbstlosigkeit mit dem Leben bezahlen muss. Bubber ist fassungslos, sein Kompagnon lässt ihn zurück. Zu Fuß streift Bubber nun durch die Wildnis, immer auf der Suche nach Nahrung. Er will sich zunächst nach Mexiko absetzen, kommt aber seiner Heimatstadt Tarl immer näher. Er muss im Verborgenen bleiben. Eine großangelegte Suche nach ihm läuft bereits. Das Fernsehen zeigt sein Konterfei, als Mörder gebrandmarkt zeigt die Öffentlichkeit kein Erbarmen, verurteilt hat sie ihn bereits.

                                                Derweil geht in Tarl die Nachricht von Bubbers Flucht um und bringt das kleinstädtische Gefüge gehörig aus dem Gleichgewicht. Denn manch einer fürchtet Bubber's Rückkehr. Wie der kleine Bankangestellte Edwin Stewart (Robert Duvall), der zusehends von seiner Angst übermannt wird und kaum noch in der Lage ist, seine untreue Ehefrau Emily (Janice Rule) zu bändigen, die sich schon lange keine Mühe mehr gibt die Affäre mit Edwin's Kollegen Damon Fuller (Richard Bradford) zu verheimlichen. Es ist der Tag an dem Bank-Direktor Val Rogers (E. G. Marshall), der uneingeschränkte Herrscher über Tarl, Geburtstag feiert und am Abend einen großen Empfang gibt. Auch er ist indirekt von Bubber's Flucht betroffen. Sein Sohn Jason (James Fox) pflegt eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zu Bubber's Ehefrau Anna Reeves (Jane Fonda).

                                                Der Einzige der dem Eintreffen des Flüchtigen zunächst ziemlich gelassen entgegen sieht, ist Sheriff Calder (Marlon Brando), ein Mann der sich, obgleich im Amt von Rogers' Gnaden, seine Integrität bewahren konnte, der seinen Job macht nach bestem Wissen und Gewissen und sich ausschließlich seiner Frau Ruby (Angie Dickinson) verpflichtet fühlt. Das er in Rogers' Schuld steht, ist für ihn kein Dilemma. Denn wenn man es genau nimmt, steht jeder in Tarl irgendwie in Roger's Schuld. An jenem Abend jedoch werden Ereignisse in Gang gesetzt, die Calder's Bild dieser Stadt und seiner Bürger nachhaltig verändern. Ereignisse welche sich während einer Nacht gleich einer Kettenreaktion entwickeln und an deren Ende nur noch Chaos, Tod und Zerstörung stehen.

                                                Ein Jahr bevor Jane Fonda und Robert Redford für Gene Saks BARFUSS IM PARK spazieren gingen, durften sie unter der Regie von Arthur Penn als ein weitaus weniger glückliches Ehepaar gesellschaftlichen Schranken trotzen. Beide unterliegen dem strengen Gefüge der vorgegebenen Verhaltensweisen, beide setzen für ein selbstbestimmtes Leben ihren Ruf auf's Spiel, beide kämpfen gegen Grenzen, die ihnen durch ihr Umfeld immer wieder aufgezeigt werden. Ihr durch die Beziehung zum Sohn des reichsten Mannes der Stadt, ihm als Rebell, der sich nie um irgendwelche Vorgaben geschert hat, dessen Weg praktisch vorgezeichnet war. Das gleiche gilt für Marlon Brando und Angie Dickinson. Auch Sheriff Calder ist ein moderner Grenzgänger, einer der seinen moralischen Werten folgt und nicht denen derer, die ihn installiert haben. Er ist ein Pragmatiker, dem seine persönlichen Ziele wichtiger sind als politische Interessen, einer der sich nur auf seine Frau verlassen kann und sie sich auf ihn. Er ist ein New Frontier, ein Grenzgänger, einer der bereit ist weiter zu gehen als jeder andere vor ihm.

                                                Auf der anderen Seite gibt es die ganz normalen Bürger der Stadt, in deren Normalität sich manche Abgründe finden lassen. Seien es Untreue, Lüge oder Gier, hier hat niemand eine weiße Weste. Die gegenseitige Verachtung ist in dieser Kleinstadt ebenso präsent, wie der alltägliche Rassismus, der Sexismus und die unbedingte Gewaltbereitschaft gegen alles und jeden, die sogar zur Lynchjustiz führt. Hier ist der nette ältere Herr von nebenan nicht nur der gierige Gläubiger vieler Anwohner, sondern gleichzeitig der schlimmste Aufwiegler und Denunziant. Die ach so braven Bankangestellten sind entweder Feiglinge oder trunkene Rassisten, die beliebig Jagd auf jeden machen, der ihnen in dieser Nacht, ob schwarz oder weiß, über den Weg läuft. In ihrem prahlerischen Selbstverständnis sind sie zu jeder Zeit bereit über Leichen zu gehen. Dann ist da noch die Sippe Val Rogers', der sich volksnah gibt, wohlwissend jeden in der Hand zu haben und bereit diese Karte auch aus zu spielen wenn es nötig erscheint. Nur seinen Sohn kann er nicht halten, den einzigen Menschen den er liebt und braucht. Der Sohn, der sein Leben als Chose spielt um den familiären Schein zu wahren und innerlich in Wahrheit völlig zerrissen ist.

                                                Ja, es passiert unheimlich viel in diesem Film. Es gibt unzählige Charaktere und ihre Geschichten. Dabei fällt es nicht leicht den Überblick zu bewahren, der konservative Inszenierungs-Stil hilft einem aber dabei. Das erstklassige Schauspieler-Ensemble vereint das alte wie das neue Hollywood und bietet so ein perfektes Abbild der amerikanischen Gesellschaft, die 1966 kurz vor einem Umbruch stand, der sich hier als Tragödie abzeichnet. Der deutsche Titel wird dem Film natürlich nicht gerecht, suggeriert er doch einen eher spannungsorientierten Neo-Western, was THE CHASE zwar irgendwie auch ist, jedoch nicht vordergründig. Vielmehr steht der Kleinstadt-Kosmos als Parabel auf Amerika im Fokus, das zwischen dem europäischen Faschismus und der McCarthy-Ära größte Schwierigkeiten hatte, seinen Kurs zu finden. Eine ähnliche Thematik findet man im verwandten THE OX-BOW INCIDENT von William A. Wellman aus dem Jahr 1943, der die Geschichte tatsächlich als Western erzählt. Leider waren zur Entstehungszeit nicht alle Beteiligten zufrieden mit THE CHASE, musste Arthur Penn den Endschnitt an Sam Spiegel abgeben, der viele Szenen am Schneidetisch entfernte. Dann spielte der Film nicht sonderlich viel Geld ein, was an der falschen Vermarktung gelegen haben mag. Wenn man sich den Film heute in Ruhe zu Gemüte führt, sieht man ein hochklassiges, intelligentes und mutiges Gesellschaftsdrama mit Star-Besetzung, das keine Kompromisse macht, von einem Regisseur der auch ein New Frontier ist, der danach die Filmgeschichte nachhaltig verändern sollte indem er mit BONNIE AND CLYDE den Startschuss zum New Hollywood setzte. Vielleicht ist auch THE CHASE schon ein Meisterwerk, aber ein heimliches.

                                                Packendes Gesellschaftsdrama über Misstrauen, Intoleranz und Rassenhass am Beispiel einer texanischen Kleinstadt. Sensationell gespielt.

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                                                  Fahrradkurier und Tai-Chi-Kämpfer Tiger Chen gerät in die Fänge des mörderischen Veranstalters Donake Mark und nimmt aus finanziellen Gründen jegliche Herausforderung an, bis sich sein Gewissen meldet. Keanu Reeves Regiedebüt ist ein gänzlich um die furiosen Fights herumgebautes Kampfkunstspektakel mit allzu banaler Handlung.

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                                                    Pferdehändler Kohlhaas fordert nach einem Betrug sein Recht mit allen Mitteln. Heinrich von Kleist's klassische Parabel als Cevennen-Western, spröde und sperrig, doch nicht ohne Reiz.

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