Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 4 .5

    Trashmob 2

    Liebe Trashmobber, Zeit für ein kurzes Fazit der diesjährigen Aktion. Obwohl es Youtube nicht gut mit uns gemeint hat (das deutschsprachige Video wurde zwei oder drei Wochen vor der Aktion entfernt), haben dieses Jahr mehr Moviepiloten teilgenommen als letztes mal. Einige Leute aus dem letzten Jahr sind mittlerweile nicht mehr auf MP aktiv, manch andere haben aber auch extra für die Aktion ihre MP-Auszeit unterbrochen, was viele Teilnehmer offenbar genauso gefreut hat wie mich. :-) Danke an alle Trashmobber und auch an all jene, die unter den jeweiligen Filmkommentaren mitdiskutiert haben. Gemeinsam haben wir alle die Mutan-Bestien auf Platz 5 im Trending gehievt, wodurch unser Film sogar vor den 'Guardians of the Galaxy' lag; nach Platz 6 für 'Slime City' im Vorjahr ein weiterer schelmischer Coup. ^^ Danke an EudoraFletcher68, RoboMaus und expendable87 für die Unterstützung bei den Einladungen. Sorry an diejenigen, an die nach der Löschung des Videos bei Youtube keine Mail mehr rausging. Ein paar Kandidaten sollten eigentlich noch informiert werden. We're gonna make it up next time. ^^

    41
    • 4 .5

      Trashmob 2

      ++ Leichte Spoiler und eine dreiste Lüge ++

      Das Jahr 2071: Frisuren und Haarschnitte aus den 1960er Jahren sind noch erstaunlich modern, Autos fliegen immer noch nicht und Thomas Gottschalk moderiert nach wie vor 'Wetten Dass...?'. Allerdings ohne Fernsehzuschauer, denn der Zustand der Erde erinnert stark an Mordor. Durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen wurde der Planet nahezu unbewohnbar gemacht und die meisten der noch verbliebenen Menschen sind zu Humanoiden mutiert, die eher an Aliens aus Hollywoodfilmen erinnern. Glück im Unglück für diejenigen, die eine kleine Armee von Androiden in der Hinterhand haben, die es im Zweifelsfall mit den Mutanten aufnehmen kann. Weniger hilfreich sind wiederum Zeitmaschinen, die nicht richtig funktionieren. Es dürfte unschwer zu erraten sein, über was davon die Protagonisten dieser Geschichte verfügen...

      Trotz einer vergleichsweise schlanken Laufzeit von gut 80 Minuten könnte man während mehrerer Szenen meinen, man hätte hier den Director's Cut vorliegen. Das ausgiebige Spiel mit einer futuristischen Retro-Lichtorgel und so manche sinnfrei in die Länge gezogenen Dialoge erwecken zumindest den Eindruck einer Extended Version. Putzig sind auf der anderen Seite die „wissenschaftlichen“ Begründungen für diverse Phänomene. Gerne wird dem Gesprächspartner auch mal angedeutet, er werde die folgenden Ausführungen sowieso nicht verstehen, nur um dann irgendwelche Banalitäten hinterherzuschieben. Die Technik der Zukunft hat es aber auch in sich. Ein dicker Hund!

      Unter dem Strich bietet '2071: Mutan-Bestien gegen Roboter' durchaus charmant präsentierten 60er Jahre SciFi Trash, der sich ganz gut in die Traditionslinie einiger skurriler Werke aus den vorherigen beiden Dekaden einreiht. Etwas schade sind allerdings die etwas unscharfen Konturen dieser Produktion. Einerseits fehlen ein wenig das Augenzwinkern und der gewitzte Einsatz der Technik wie beispielsweise in Produktionen wie 'Dr. Zyklop' (1940), auf der anderen Seite ist die Handlung aber auch nicht so extrem schrottig, dass man kübelweise Spott darüber ausgießen möchte. Und so bleibt am Ende eben eine schräge Zeitreise zu seltsamen Robotern, noch eigenartigeren Mutanten und ungewöhnlich vielen dicken Hunden. 2071 eben – das Jahr in dem Thomas Gottschalk 121 Jahre alt werden wird...

      KURZFAZIT

      Trashlastiges Science Fiction Abenteuer, das sehr viel mehr über die 1960er als über die 2070er Jahre aussagt.

      49
      • 6

        Nachdem die erste Nutzung des Tierfriedhofs so wunderbar funktioniert hat, schreit das natürlich nach einer weiteren Bestattung auf dem idyllischen Waldfriedhof. Was sollte schon dagegensprechen?

        Zwar gibt es einige Überschneidungen mit der Handlung des Vorgängerfilms, etwa hinsichtlich der Örtlichkeiten, wodurch man durchaus von einem Sequel sprechen kann; auf der anderen Seite zeigt 'Friedhof der Kuscheltiere 2' aber auch deutliche Züge eines Spin Offs. Nicht nur das Drehbuch beschreitet hier neue Wege, sondern auch der Stil ist ein völlig anderer. Erzählt wird die Geschichte eines Jugendlichen, der sich als Neuankömmling in Ludlow mit einem Jungen anfreundet, der sehr unter seinem gewalttätigen Vater (Clancy Brown – wer sonst...? ^^) zu leiden hat. Nach einem verhältnismäßig konventionellen Auftakt nimmt die Handlung immer absurdere Züge an und bewegt sich über weite Strecken hart an der Schwelle zum Trash. Gerade daran dürften sich wohl auch die meisten Geister scheiden. Wer gern aus der Mülltonne nascht, bekommt hier eine überdrehte Hatz mit einem Gegenspieler, der völlig außer Rand und Band ist. Genau diese Übersteigerungen lassen aber auch viele Zuschauer sich mit Grausen abwenden.

        So oder so: Im Fall der Fälle die DVD mit dem Film bloß nicht auf dem ominösen Tierfriedhof begraben! Aus Gründen...

        KURZFAZIT

        Man kann Mary Lambert (Regie) vieles vorwerfen, ganz sicher aber kein Plagiat des Erstlings.

        42
        • 6

          ++ Minimale SPOILER ++

          Einer DER Klassiker schlechthin unter den Stephen King Verfilmungen. Nachdem ein Familienvater den Familienkater auf einem sagenumwobenen Tierfriedhof bestattet, geschehen mysteriöse Dinge. Der Kater kehrt zurück, aber er verhält sich sehr viel aggressiver als zuvor. Aber halb so wild, was soll ein wütender Kater schon anrichten? Hauptsache, es werden keine Menschen dort bestattet...

          Mary Lambert (Regie) inszeniert die Adaption von Stephen Kings Bestseller als einen leicht skurrilen, aber auch stellenweise melancholischen bis grimmigen Mystery-Horror-Thriller. So weit hergeholt die Prämisse auch sein mag, im Kern geht es auch um die Frage von Verlust und dem Umgang damit, sowie auch darum, wie sich solche Vorfälle auf Familien auswirken können. Wie so oft bei Stephen King steht der Horror nicht einfach selbstzweckhaft für sich, sondern bildet gewissermaßen auch ein Vehikel für einen Dramenstoff. Wirklich kompliziert wird es zwar nicht, aber gerade im Umgang mit Metaphern ist und bleibt King ein großer Meister seines Fachs. Dies abzubilden gelingt auch in Lamberts Inszenierung mehr als solide.

          Drei Jahre später sollte eine Fortsetzung dieses Filmes produziert werden, in der erneut jemand auf die vermeintlichen Vorzüge dieser Begräbnisstätte baut. Manche Dinge wiederholen sich eben immer wieder.

          KURZFAZIT

          Einer DER Klassiker schlechthin unter den Stephen King Verfilmungen. Nachdem ein Familienvater...

          38
          • 5
            Framolf 16.05.2023, 02:25 Geändert 07.01.2024, 07:51

            Oscar Madness Film 380 (7 Auszeichnungen, 4 weitere Nominierungen)

            Bei einem Blick auf die Rezeption von Sydney Pollacks Inszenierung von 'Jenseits von Afrika' fällt zunächst ganz besonders die enorm hohe Anzahl von sieben Oscarprämierungen (Bester Film, Regie, adaptiertes Drehbuch, Filmmusik, Kamera, Ton, Szenenbild) sowie vier weiteren Nominierungen (Kostümdesign, Schnitt, Hauptdarstellerin Meryl Streep, Nebendarsteller Klaus Maria Brandauer) auf. Ein Meilenstein der Filmgeschichte?

            Das Drehbuch, das auf Karen Blixens autobiographischem Roman 'Afrika, dunkel lockende Welt' sowie einigen weiteren Schriften derselben Autorin basiert, erweist sich als hoch stilisierte Schilderung von Episoden aus dem Leben einer dänischen Auswanderin. Unabhängig von der Frage, wie es um den Wahrheitsgehalt der einzelnen Szenen bestimmt sein könnte, wird schnell deutlich, dass die Hauptfigur in einem klar definierten Licht präsentiert werden soll und dieser Maßgabe offenkundig auch dramaturgische Aspekte untergeordnet werden. Die Erzählung ist voll und ganz auf die Protagonistin zugeschnitten und soll sie als vergleichsweise moderne und starke Frau darstellen. In dieser Hinsicht sagt Kurt Luedkes Drehbuch in Einheit mit Sydney Pollacks Inszenierung mindestens ebenso viel über den Zeitgeist der 1980er Jahre aus wir über die 1920er Jahre, in denen ein überwiegender Teil der Handlung angesiedelt ist. In Bezug auf das Afrika-Bild und die Präsentation der Natur lässt sich ein ähnlicher Befund treffen. Die handelnden Personen sehen sich einer ganzen Reihe an Launen der Natur ausgesetzt, doch letztlich schaffen sie es meistens, zu triumphieren. Fast schon selbstverständlich spielen auch die vermeintliche kulturelle und wissenschaftliche Überlegenheit eine große Rolle, wenn europäischen Neuankömmlingen auf Anhieb Dinge gelingen, die so manchen Einheimischen unmöglich erscheinen.

            In ästhetischer Hinsicht fällt auf, dass sowohl die Bilder als auch die Klänge mit überwiegend großer Kunstfertigkeit, aber auch viel Kalkül umgesetzt wurden; jedoch erscheinen auch hier einige Grundsatzentscheidungen durchaus fragwürdig. Eine lange Flugszene beispielsweise, in der ausgiebig die Landschaft gezeigt werden soll, liefert zwar durchaus sehenswerte Bilder; weshalb man mit dem Flugzeug jedoch gefühlt die halbe Fauna des Landes aufscheuchen muss, erscheint nur bedingt nachvollziehbar. Gut, der Mensch – und offenbar ganz besonders die von Meryl Streep und Robert Redford dargestellten Charaktere – haben eben das Sagen in dieser Gegend; was auch immer man mit dieser „Information“ anfangen möchte.

            Jedenfalls verfestigt sich im Verlauf der Handlung immer mehr das Bild, dass hier eine zwar auch wahren Begebenheiten basierende Geschichte erzählt werden soll, allerdings keineswegs objektiv (was auf Basis einer Autobiographie ja ohnehin nicht möglich ist), sondern immer unter der Prämisse, ein ganz bestimmtes Bild von einigen Charakteren zu zeichnen. Ganz offenkundig gibt es einen großen Markt für derlei Stoffe, es gab aber sicherlich auch schon so einige Filme, die mit ähnlich vielen Awards prämiert wurden, aber eine etwas schwergewichtigere Geschichte zu erzählen hatten.

            KURZFAZIT

            In audiovisueller Hinsicht überzeugende Romanverfilmung, deren Inhalt jedoch nur bedingt mit der äußeren Form Schritt halten kann.

            34
            • 7 .5
              Framolf 11.05.2023, 01:19 Geändert 07.01.2024, 07:48

              Oscar Madness Film 379 (1 Nominierung)

              Der junge Künstler Eric (Rutger Hauer) ist verliebt; nämlich in sich selbst. Er findet sich so unwiderstehlich, dass möglichst viele Frauen etwas von seiner Großartigkeit abbekommen sollten. Also schnell rein in die Kiste und danach hochkant wieder raus mit den Damen – und zwar schneller als sie „gib mir wenigstens meine Unterwäsche wieder“ sagen können. Auch mit anderen Personen geht er nicht gerade zimperlich um und offenbar ist keiner vor seinen Geschmacklosigkeiten sicher. Lustig findet das außer ihm selbst ganz offenkundig niemand. Eric benimmt sich also seit vielen Jahren wie eine Mischung aus einem schwererziehbarem Kind und einem spätpubertierenden Jugendlichen, der eigentlich fünf mal dieselbe Klasse wiederholen müsste. Eines Tages trifft er auf eine Frau, die sein längerfristiges Interesse weckt. Zunächst läuft für ihn alles wie gewohnt weiter, nur mit dem Unterschied, dass er in seinem vermeintlichen Kampf gegen das Establishment nun eine Mitstreiterin an seiner Seite hat, was ihm neue Möglichkeiten für seinen Schabernack eröffnet. Doch dann kommen Entwicklungen in Gang, die womöglich alles verändern werden.

              Gewissermaßen ist Paul Verhoevens Frühwerk 'Türkische Früchte' (1973) also auch ein Coming of Age Film über einen Mann, der nur auf dem Papier erwachsen ist. Für den niederländischen Berufsprovokateur also die perfekte Basis, um es auf der Leinwand ordentlich krachen lassen zu können und trotzdem nicht die Erzählung einer Geschichte mit Substanz aus dem Blick zu verlieren. Die Story über das rebellische Pärchen ist eine Sache. Mindestens ebenso aussagekräftig ist jedoch auch der Umgang ihres Umfeldes mit den Eskapaden der beiden. So ist beispielsweise Olgas Mutter von Anfang an empört über die Liaison der beiden. Um das Wohl ihrer Tochter geht es ihr dabei aber nur sekundär. Wichtig ist ihr erstmal, dass das Getuschel der Nachbarn über die wilde Ehe aufhört. Des Spießbürgers größte Sorge eben...

              Verhoeven erzählt seine Geschichte schroff und an vielen Stellen auch nicht gerade subtil, in vereinzelten Szenen aber dennoch mit einer gewissen Hintergründigkeit. Dem Protagonistenpärchen zu folgen kann spannend sein, aber auch anstrengend. Oder auch faszinierend und abstoßend zugleich. Bis zu der Phase, in der der Erzählton komplett umschlägt und die Handlung eine entscheidende Wendung nimmt. 'Türkische Früchte' ist alles andere als Hochglanzkino, aber vielleicht auch gerade deshalb sehenswert.

              KURZFAZIT

              Provokativ, aber auch mit einer gewissen inhaltlichen Substanz. Ein waschechter Verhoeven eben.

              37
              • 8

                ++ Leichte SPOILER ++

                Im niederländischen(!) Western 'Brimstone' wird eine Geschichte in drei Episoden erzählt, deren detaillierter Zusammenhang sich dem Publikum erst nach und nach erschließt. Alles beginnt mit einer komplikationsbehafteten Entbindung, die mit schweren Vorwürfen an die Geburtshelferin endet. Könnte man zumindest meinen. Denn im weiteren Verlauf wird klar, dass der eigentliche Anfang der Tragödie, die sich hier abspielt, sehr viel früher anzusiedeln ist. Im Kern geht es dabei um einen Priester, der mit Attributen wie übergriffig, sadistisch oder gewalttätig noch sehr zurückhaltend beschrieben ist. Innerhalb seiner Gemeinde verfügt er über nahezu uneingeschränkte Macht, die er auch skrupellos für seine Zwecke ausnutzt.

                Es erscheint denkbar, dass die in 'Brimstone' erzählte Handlung als Kommentar zu den zahlreichen Missbrauchsvorwürfen gegen Geistliche zu verstehen ist, die sich in den vergangenen Jahr(zehnt)en angehäuft haben. Da es in einer derart drastischen Form vermutlich alles andere als leicht sein dürfte, Inhalte dieser Art finanziert zu bekommen und sie letztlich auch auf die große Leinwand zu bringen, erscheint es durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Handlung daher in den wilden Westen verlegt wurde. Zwar ist dieser Gedanke reine Spekulation, aber es erscheint zumindest nicht völlig abwegig, dass Regisseur und Autor Martin Koolhoven seine Geschichte nicht ausschließlich auf auf das 19. Jahrhundert bezogen sehen möchte.

                Fast schon beängstigend unterkühlt stellt Guy Pearce diesen Pfarrer dar, der Menschen aus seinem engsten Umfeld die Hölle nicht nur androht, sondern sie ihnen gleich auf Erden bereitet – und sich sogar noch Rechtfertigungen zusammenphantasiert, mit denen er seine Opfer noch weiter verhöhnt. Die religiöse Symbolik, die Koolhoven an mehreren Stellen einfließen lässt, legt den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht zwingend um einen Einzelfall handeln muss, sondern dass der Reverend das System mindestens als ideologischen oder spirituellen Unterbau seiner Taten nutzt, wenn nicht sogar noch mehr.

                Aus diesen Gründen bietet Koolhoven mit 'Brimstone' so ziemlich genau das exakte Gegenteil von unbeschwerter Unterhaltung. Doch vielleicht ist dieser Western auch gerade deshalb ganz besonders sehenswert.

                KURZFAZIT

                Ein Pfarrer aus der Hölle versaut den Menschen in seinem Umfeld das ohnehin schon schwierige Leben in einer kargen Landschaft.

                35
                • 6

                  Regisseur Frank Coraci legt mit 'In 80 Tagen um die Welt' (2004) eine doch recht freie Interpretation der Vorlage von Jules Verne vor. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf Michael Andersons mehrfach oscarprämierte Version von 1956. Im Vergleich dazu ersetzt ersetzt Coraci die Spanien-Szenen durch einen Zwischenstopp in der Türkei und wartet mit einer Vielzahl an neuen Figuren auf. Auch in Bezug auf die Länder, denen in beiden Filmen ein Besuch abgestattet wird, könnten die Unterschiede kaum größer sein. Rein in Bezug auf die Länge der allermeisten Zwischenhalte findet eine enorme Straffung statt und im Grunde wird an wirklich jeder Station eine völlig andere Geschichte erzählt als im Filmklassiker aus den 50er Jahren. Auch die Zahl der Cameo-Auftritte ist in der neueren Verfilmung deutlich überschaubarer, aber dennoch tummelt sich auch hier eine Reihe bekannter Namen auf der Besetzungsliste (neben Jackie Chan, Steve Coogan, Cécile de France und Ewen Bremner sind beispielsweise Arnold Schwarzenegger, Kathy Bates, John Cleese, Rob Schneider, Mark Addy, Jim Broadbent sowie Luke und Owen Wilson involviert). Umso bedauerlicher erscheint es daher, dass Coraci hier vorrangig auf Slapstickeinlagen setzt. Zwar ist auf diese Weise für ein paar heitere Augenblicke gesorgt, doch mehrere renommierte Darsteller werden so regelrecht verheizt. Für die Produzenten scheint nur interessant zu sein, mit deren Namen werben zu können, statt die Darsteller auch angemessen zu fordern. Und so bleibt am Ende eben eine temporeiche Komödie mit ein paar gelungenen Humoreinlagen, doch in Bezug auf die Darsteller hätte man den Schwierigkeitsgrad sicherlich höher ansetzen können. Ähnliches könnte man zwar auch über den Inhalt sagen, allerdings muss man fairerweise einräumen, dass die literarische Vorlage auch eher leichte Kost ist.

                  KURZFAZIT

                  Inhaltlich unnötig, aber immerhin kurzweilig.

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                  • 6 .5
                    Framolf 08.05.2023, 01:30 Geändert 07.01.2024, 07:50

                    Oscar Madness Film 378 (5 Auszeichnungen, 3 weitere Nominierungen)

                    Von Michael Andersons und John Farrows Adaption von 'In 80 Tagen um die Welt' (1956) kursiert eine erkleckliche Anzahl verschiedener Schnittfassungen auf dem Markt. Die meisten davon beginnen mit einem doch recht kuriosen Prolog. Ein Moderator doziert kurz über Jules Verne und es wird eine Zusammenfassung von George Méliès Kurzfilmklassiker 'Die Reise zum Mond' gezeigt. Im Anschluss daran beginnt die eigentliche Handlung, in der ein von David Niven dargestellter Gentleman mit einigen Club-Mitgliedern wettet, dass man in 80 Tagen um die Welt reisen könne, was er auch beweisen wolle. Gesagt, getan und er bricht mit seinem Butler zu einer Reise auf, die ihn unter anderem nach Frankreich, Spanien, Indien, China und in die Vereinigten Staaten von Amerika führen soll. In welches Land sie auch kommen, das Drehbuch lässt dabei so gut wie kein Klischee aus. Ein Stierkampf in Spanien, eine problematische Bestattungszeremonie in Indien und ein Sioux-Überfall auf einen Zug in Amerika sind nur einige Beispiele. Dass das Drehbuch 1957 dennoch mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, sagt vermutlich mehr über den damaligen Zeitgeist aus als über die literarische Qualität des Skripts.

                    Weitere Auszeichnungen gab es für die Kamera, den Schnitt und die Musik sowie in der Königskategorie für den besten Film. Hinzu kommen Nominierungen für das Szenenbild, das Kostümdesign und die Regie. Ein Blick auf diese Berücksichtungen unterstreicht den bahnbrechenden Status, den diese Produktion dazumal innehatte. In vielen Teilbereichen befindet man sich – gemessen am Produktionsdatum und den technischen Möglichkeiten – nahe an der Perfektion. Bemerkenswert erscheint jedoch, dass es zu keinerlei Berücksichtigung für die Darsteller kam. Zu wirklichen Höchstleistungen wurde zwar niemand von ihnen getrieben, aber rein in Bezug auf die mitwirkenden Namen liest sich die Besetzungsliste wie das who is who Hollywoods. Die Anzahl an Cameo-Auftritten ist so irrwitzig hoch, dass vielen der Stars nur wenige Minuten oder gar Sekunden bleiben, ihre cineastische Visitenkarte abzugeben. Besonders hervorzuheben wären beispielsweise Marlene Dietrich, John Carradine, Buster Keaton und Cesar Romero oder auch die Oscar Preisträger Frank Sinatra und Charles Coburn; doch diese prominenten Namen bilden nur die Spitze eines absurd hohen Eisbergs mit mehr als 40 Gastauftritten. Einer der großen Vorteile dieser Starparade dürfte sicherlich sein, dass angesichts regelmäßiger Überraschungen im Cast trotz einer üppigen Laufzeit kaum Langeweile aufkommen dürfte. Notfalls kann man sich eben auch einen Spaß daraus machen, nach berühmten Gastdarstellern Ausschau zu halten; denn sicher ist man vor diesen zu praktisch keinem Zeitpunkt. Selbst in den unerwartetsten Rollen und Augenblicken tauchen bekannte Gesichter auf, die man an den jeweiligen Stellen kaum erwarten würde. Auch wenn viele Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung ein Großteil der Beteiligten sicherlich nicht mehr denselben Stellenwert wie damals aufweisen dürfte, bleiben doch immer noch zahlreiche Hollywoodgrößen übrig, die nach wie vor über einen außerordentlichen Bekanntheitsgrad verfügen. Und so können auch rund drei Stunden wie im Flug, pardon, wie während einer Ballonfahrt vergehen, auch wenn hier und da eine gewisse Straffung sicherlich nicht unangemessen wäre. Aber dafür existieren dann ja mehrere Schnittfassungen, unter denen für so ziemlich jeden die passende dabei sein dürfte.

                    KURZFAZIT

                    Handwerklich überragend, inhaltlich über weite Strecken klischeehaft und stellenweise aufgebläht.

                    36
                    • 5
                      Framolf 07.05.2023, 07:04 Geändert 07.05.2023, 09:12
                      über Der Eid

                      ++ Enthält SPOILER ++

                      Der Chirurg und Familienvater Finnur erträgt es nicht mehr, dass seine Tochter mit einem Dealer zusammenlebt, weshalb er sich zur Selbstjustiz entscheidet. Um dem besagten Dealer das Handwerk zu legen bzw. um sich an ihm zu rächen, wird der Arzt selbst zum Einbrecher, Gewalttäter, Räuber, Erpresser, Kidnapper und SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER Totschläger SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE Der Dealer wiederum reagiert mit Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Erpressung.

                      Diese Gegenüberstellung dürfte bereits erahnen lassen, welches Dilemma sich hier auftut: Der vermeintlich friedliebende und gesetzestreue Familienvater mutiert zu einer Art Dexter für Arme und begeht dabei Verbrechen, die sogar noch gravierender sind als die seines Kontrahenten. Um einen gewöhnlichen Kriminellen zu stoppen, wird er also selbst zum Kapitalverbrecher. Das ohnehin schon heikle Konzept der Selbstjustiz wird durch die überzogene Eskalation durch den Protagonisten komplett ad absurdum geführt. Baltasar Kormákur lässt diesen Sachverhalt quasi unkommentiert stehen und überlässt es dem Publikum, das Geschehen einzuordnen. Das Ende fällt dementsprechend ambivalent aus.

                      KURZFAZIT

                      Wenn zwei sich streiten, freut sich...

                      ...in diesem Fall niemand (außer vielleicht einige Zuschauer).

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                      • 5

                        Zwei Brüder (Adrien Brody und Mark Ruffalo), die bereits von klein auf verschiedene Betrugsmaschen beherrschen, planen ihr bislang größtes Ding. Doch wie es das Schicksal will, findet einer der beiden das auserwählte Opfer deutlich attraktiver, als es dem anderen lieb sein könnte.

                        'Brothers Bloom' erzählt eine Genauergeschichte, wie sie prototypischer kaum sein könnte. Zwei Profibetrüger hecken einen komplizierten Plan aus und reisen dabei (gefühlt) einmal um die ganze Welt. Die Taktung der einzelnen Szenen ist dementsprechend hoch und es müssen nur wenige bis gar keine ereignisarmen Passagen überbrückt werden. Zumindest teilweise steht sich Regisseur Rian Johnson hier aber auch selbst im Weg, denn eine Herausforderung bei vielen Con Artist Movies ist eben auch die selbstgeschaffene Erwartungshaltung. Wer mehr als zwei Filme aus diesem Subgenre gesehen hat (also so gut wie jeder Zuschauer), dürfte wahrscheinlich hinter nahezu jeder gezeigten Handlung eine Finte oder einen Plan vermuten. In den meisten Fällen vermutlich zurecht, wodurch oftmals der Überraschungseffekt leidet. Spekuliert man hingegen zu unrecht auf eine spektakuläre Wendung, steigt das Risiko einer Enttäuschung. Vielleicht wäre es im Fall von 'Brothers Bloom' besser gewesen, das Publikum etwas länger über die Backstory der beiden Brüder im Unklaren zu lassen. Somit steht die Frage im Raum, ob sich derlei Änderungen auch positiv auf das ernüchternde Box Office Ergebnis ausgewirkt hätten. Auf der anderen Seite spricht die Publikumsresonanz in Form von tendenziell eher wohlwollenden Bewertungen auf diversen Filmportalen dafür, dass Johnson hier doch einen Nerv getroffen haben könnte. Aber wie der große Philosoph Lothar Matthäus schon sagte: „Wäre, wäre, Fahrradkette.“ Falls alles nur ein Trick war, um die Geldbeutel der Kinozuschauer zu plündern, ging er jedenfalls gründlich in die Hose...

                        KURZFAZIT

                        Wendungsreiche Gaunergeschichte mit namhaften Darstellern, aber einer vielleicht zu großen Menge an kalkulierten „Überraschungen“.

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                        • 4 .5

                          Das Jahr 1944. Die japanische Regierung hat eine Insel im Pazifik mehr oder weniger aufgegeben. Doch die örtlichen Streitkräfte wissen von dieser Entscheidung nichts, weshalb sie auch weiterhin mit Mann und Maus die Insel verteidigen. Ihre US-amerikanischen Kontrahenten wiederum stehen vor der Frage, wie man die japanischen Soldaten zu einer gesichtswahrenden Kapitulation bewegen kann. Zwar haben sie einen Captain mit profunder Sachkenntnis über die japanische Kultur in ihren Reihen, doch sein Colonel (Daniel Baldwin) schlägt dessen Ratschläge in den Wind, wodurch sich die Kampfhandlungen um etliche Monate verlängern.

                          In 'Codename: Fox' wird von Angriffen der Amerikaner auf die Zivilbevölkerung berichtet, aber auch von einem japanischen Befehlshaber, der aufgrund seiner gewieften Kriegstaktiken von der Gegenseite „Fox“ genannt wird. Zwar krankt dieser Kriegsfilm an einer offensichtlichen Unterfinanzierung, doch zumindest in einzelnen Szenen vermag die Inszenierung durchaus zu überzeugen – u.a. indem Spannung aufgebaut wird oder Einzelschicksale gezeigt werden. In visueller Hinsicht liegt hier jedoch einiges im Argen. Die Spezialeffekte sind eher zweckmäßig und die verwendeten Farbfilter erhöhen die Schauwerte auch nicht gerade. Und so steht am Ende ein solider Kriegsfilm, in dem voller Pathos eine Geschichte über eine etwas ungewöhnliche Episode im 2. Weltkrieg erzählt wird.

                          KURZFAZIT

                          Durchschnittlicher Kriegsfilm.

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                          • 6
                            Framolf 04.05.2023, 06:36 Geändert 07.01.2024, 07:48
                            über Bullitt

                            Oscar Madness Film 377 (1 Auszeichnung, 1 weitere Nominierung)

                            Eine Polizeieinheit erhält den Auftrag, einen wichtigen Kronzeugen zu beschützen. Bereits nach kurzer Zeit kommt es zu einem blutigen Zwischenfall. Lieutenant Frank Bullitt (Steve McQueen) steht von da an vor der Aufgabe, in dem verworrenen Fall zu ermitteln, während er selbst permanent in Gefahr schwebt. Zu allem Überfluss ist auch der ermittelnde Staatsanwalt keine Hilfe für ihn, sondern er verkompliziert die Lage noch zusätzlich, indem er seine ganz eigene Agenda verfolgt.

                            Auch wenn Details der Handlung vermutlich bereits wenige Wochen nach der Sichtung wieder verblassen dürften, so hat die ausladende Verfolgungsjagd im Zentrum der Inszenierung von Regisseur Peter Yates ('Vier irre Typen – Wir schaffen alle, uns schafft keiner') nicht weniger als Filmgeschichte geschrieben. Knapp zehn Minuten lang heizen ein Ford Mustang und ein Dodge Charger durch San Francisco und das Umland der Metropole. Dass aufgrund der „kantigen“ Straßen in San Francisco temporeiche Autofahrten dort traditionell ruppiger wirken als andernorts, verstärkt die Wirkung der spektakulären Hatz noch zusätzlich. Kurios ist jedoch, dass der Charger in dieser Sequenz mehr Radkappen verliert, als er Räder hat. Überhaupt konnte sich eine beachtliche Zahl an Goofs in diese Verfolgungssequenz einschleichen, was dem Vergnügen an der Verfolgungsjagd und der Reputation des Filmes jedoch keinen Abbruch tut.

                            Honoriert wurden die Errungenschaften, die in dieser Szene, aber auch mit dem Rest der Inszenierung erreicht wurden, 1969 unter anderem mit einem Oscar in der Kategorie „Bester Schnitt“ sowie einer weiteren Nominierung in der Sparte „Bester Ton“, wohingegen das Ergebnis an den Kinokassen höchst überschaubar ausfiel. Dem langfristigen Ansehen dieser Produktion hat dieser finanzielle Aspekt jedoch keineswegs geschadet, denn über Jahrzehnte hinweg konnte sich 'Bullitt' den Ruf eines sehenswerten Actionthrillers bewahren.

                            KURZFAZIT

                            'Bullitt' enthält eine der wohl berühmtesten Actionszenen der Filmgeschichte, hat aber noch sehr viel mehr zu bieten. Denn erzählt wird in diesem Thriller eine Kriminalgeschichte, deren Inhalt auch mehr als ein halbes Jahrhundert später noch zu unterhalten vermag.

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                            • 6 .5
                              Framolf 03.05.2023, 01:01 Geändert 03.05.2023, 01:31

                              Eine junge Medizinerin möchte gerade Feierabend machen, als es außerhalb der regulären Öffnungszeiten an der Praxistür klingelt. Sie beschließt, die Türe nicht zu öffnen. Als sie wenig später den Grund des abendlichen Besuchs erfährt, ist sie zutiefst erschüttert und beginnt eigene Nachforschungen.

                              In ihrem Kriminaldrama 'Das unbekannte Mädchen' erzählen die belgischen Regisseure Jean-Pierre und Luc Dardenne ('Zwei Tage, eine Nacht') die Geschichte einer jungen Frau, die von einem Tag auf den nächsten in eine tiefe Krise gerät und auf eigene Faust in einem Fall recherchiert, der sie auch ihr eigenes Leben sowie ihre Pläne und Ziele hinterfragen lässt. Ruhig und betont unaufgeregt tragen die Dardennes ihre Geschichte vor, die - wie bereits angedeutet - auf zwei Ebenen funktioniert. Einerseits im Sinne einer Kriminalgeschichte, noch mehr allerdings als Psychogramm einer jungen Frau, die mit den Konsequenzen einer Fehlentscheidung kämpft. Wer beiden Dimensionen nicht viel abgewinnen kann oder temporeiche Erzählungen bevorzugt, wird vermutlich deutlich weniger Freude an diesem Film haben als Fans von Filmen, in denen sich ein wesentlicher Teil der Handlung zwischen den Zeilen abspielt.

                              6 - 6,5 Punkte.

                              KURZFAZIT

                              Ruhig inszeniertes Kriminaldrama für einen gemächlichen Filmabend.

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                              • 6
                                Framolf 02.05.2023, 01:50 Geändert 02.05.2023, 01:51

                                Zwei junge Frauen haben knapp ein Jahr nach einem tragischen Kletterunfall die glorreiche Idee, ihr Trauma durch ein nicht minder riskantes Projekt zu bewältigen. Gut, streng genommen geht es der einen darum, ihre Social Media Accounts zu pushen und die andere lässt sich mit der bestechenden Argumentation überreden, dass sie nie wieder vor irgendetwas Angst haben müsse, wenn sie nach einjähriger Kletterauszeit ohne Vorbereitung auf einen 600 Meter hohen Turm klettere. Also: Mal eben schnell mit unzureichender Ausrüstung den Turm hoch und Prüfungsängste, Bindungsängste, Verlustängste und alle möglichen sonstigen Phobien gehören auf einen Schlag für alle Zeiten der Vergangenheit an. Wenn das mal kein gut durchdachter Plan ist! Es kommt natürlich, wie es kommen muss, und der Verlauf der Tour entpuppt sich als deutlich komplizierter als die beiden es erwartet haben. Jetzt ist guter Rat teuer und es stellt sich die Frage, wie sich die beiden aus ihrer misslichen Lage wieder befreien können – vielleicht ja sogar so, dass noch ein gutes Video für die Follower dabei herausspringt...

                                Regisseur Scott Mann liefert mit 'Fall – Fear Reaches New Heights' im Grunde eine Variation der '47 Meters Down' Filme; nur eben mit dem Unterschied, dass es hier in luftige Höhen geht statt auf einen Tauchgang. Immerhin hat sich das Prinzip längst bewährt und man weiß als Zuschauer im Grunde schon vorher, was man bekommen wird. So gesehen offerieren Filme wie dieser auch einen ehrlichen Deal. Zwar muss man als Zuschauer gleich mehrere dummdreiste Charaktere in Kauf nehmen, deren Handeln komplett unreflektiert erscheint; auf der anderen Seite wird dafür jedoch auch durchaus spannende Unterhaltung geboten, die in mehreren Einstellungen sehenswert bebildert ist. Die Blicke hinab in den Abgrund fallen mitunter spektakulär aus und erzeugen Unbehagen. Überhaupt erweist sich die Inszenierung als durchaus spannend. Denn auch wenn die wesentlichen Handlungsstationen mehr oder minder vorhersehbar erscheinen, manövrieren sich die beiden Protagonistinnen immer wieder in Situationen, die für sich genommen doch recht fesselnd wirken. Wirkliche Überraschungen bleiben zwar aus, doch das erscheint angesichts der handwerklich grundsoliden Inszenierung halb so wild. Und so dürfte bezüglich einer möglichen Enttäuschung die Fallhöhe für eingefleischte Genrefans nicht allzu hoch sein. Denn runter kommen sie alle. Die Frage ist nur, in welchem Zustand...

                                KURZFAZIT

                                I muas aufi, aufi aufn Turm!

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                                • 4 .5

                                  Die Erzählung von 'The Good Guy' beginnt verhältnismäßig unkonventionell. Gezeigt wird der Tiefpunkt einer noch jungen Beziehung zwischen einem Broker und einer jungen Frau, die durchschnittlicher kaum sein könnte – zumindest in Bezug auf ihr Verhalten. Eingenommen wird bei der Erzählung vorwiegend die Perspektive des männlichen Parts, wenn auch nicht gerade konsequent. Offenkundig hatte man (die mit Sicherheit nicht unbegründeten) Bedenken, die gesamte Handlung auf dem Fundament einer Figur mit extrem zweifelhaften Verhaltensweisen aufzubauen. Offenbar um dem Charakter, aus dessen Sicht die Geschichte geschildert wird (die Bezeichnung „Protagonist“ wäre hier nur bedingt richtig), zumindest einen Hauch von Würde zu verleihen, wurde in Person des Abteilungsleiters eine Figur ins Drehbuch geschrieben, die sich sogar noch asozialer verhält als der Erzähler und regelmäßigen Schikanen völlig sinnfrei und ohne jeglichen erkennbaren Nutzen freien Lauf lässt. Auch seine beiden Kollegen bzw. Wingmen schicken sich nicht gerade an, einen Sympathiepreis zu gewinnen. Stattdessen reißen sie lieber großspurige oder abfällige Sprüche, denen sie aber keine erfolgreichen Taten folgen lassen.

                                  Bei so viel ruppigem und selbstgefälligem Verhalten fällt es dann auch nicht weiter schwer, eine gewisse Sympathie für die einzige Relevante männliche Figur aufzubauen, die ein wenig Demut und Rücksichtnahme an den Tag legt. Der Rest der Inszenierung ist im Grunde Fließbandarbeit. Das Ergebnis ist solide und dürfte zumindest für Genrefans mehr oder minder interessant sein.

                                  KURZFAZIT

                                  Nur selten wird in einer RomCom gleich mehreren moralisch zweifelhaften Charakteren derart viel Screentime eingeräumt. Der Gedanke dahinter mag durchaus gut gemeint sein, aber man kann sich fraglos interessantere Figuren im Zentrum eines Filmes vorstellen.

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                                  • 6 .5

                                    Was kann bei einem historischen Liebesdrama mit solch renommierten Darstellerinnen wie Kate Winslet und Saoirse Ronan in den Hauptrollen schon schiefgehen? Genau, eigentlich gar nichts. Pech nur für Francis Lee (Regie), dass rund ein Jahr vor der Produktion von 'Ammonite' mit 'Porträt einer jungen Frau in Flammen' bereits ein ähnlich gelagerter Stoff verfilmt wurde, der das Publikum nicht zuletzt durch eine Reihe von intensiv inszenierten Szenen begeistern konnte.

                                    Zwar legt man auch in 'Ammonite' großen Wert auf eine realitätsnahe Charakterzeichnung und verpasst den Figuren zahlreiche Ecken und Kanten, die sie vergleichsweise lebensecht wirken lassen, doch die emotionale Intensität von Céline Sciammas Inszenierung wird hier – auch wenn dieser Eindruck womöglich subjektiv sein mag – allenfalls ansatzweise erreicht.

                                    Der Vergleich mit der Konkurrenz soll den Gesamteindruck von Lees Verfilmung jedoch keineswegs schmälern; er soll lediglich veranschaulichen, dass neben den durchaus guten Ergebnissen, die hier erzielt wurden, die Bäume noch höher in den Himmel hätten wachsen können. Die Konstellation der Geschichte um die Fossiliensammlerin und ihren Gast birgt einige interessante Facetten. Denn trotz zunehmender Hingabe zueinander fremdeln die beiden dennoch über die gesamte Erzählung hinweg. Auch wenn die Distanz zwischen ihnen immer geringer wird, so entstammen sie doch zwei völlig unterschiedlichen Welten. Analog zu den Gezeiten des Meeres kann sich diese Entfernung verkürzen oder auch wieder vergrößern. Nicht leichter wird es durch den Umstand, dass Steine nun mal die Tendenz haben, oft über lange Zeit hinweg am selben Ort zu verharren; es sei denn, man bewegt sie – oder sie werden zerschmettert...

                                    KURZFAZIT

                                    Ein Film, wie ein Stein: Je nach Wetterlage überhitzt oder unterkühlt. Dabei handelt es sich, um in der Metapher zu bleiben, um keinen Stein, der bereits durch die Witterung oder fließende Gewässer rundgespült wurde, sondern um einen mit Ecken und Kanten sowie möglichen Bruchstellen. 'Ammonite' erweist sich einerseits als schroff, ist aber auch von rauer Schönheit und birgt in seinem Inneren vielleicht sogar ein Fossil.

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                                    • 7 .5

                                      In Jean-Jacques Jauffrets episodenhaft inszeniertem Drama 'Après les Sud', das auch unter dem Titel 'Heat Wave' vermarktet wird, wird ein Tag im Leben mehrerer Menschen gezeigt, die alle in derselben Stadt bzw. sogar im selben Viertel wohnen. Zwar sind einige von ihnen sehr eng miteinander verbunden, jedoch leben sie teilweise eher nebeneinander her als gemeinschaftlich zu wirken. Jede der Personen hat mit mindestens einem großen Problem zu kämpfen, das es enorm erschwert, die Alltagstätigkeiten, die gerade anstehen, zu meistern. Zu allem Überfluss stehen sich zudem alle von ihnen auch selbst im Weg. Jeder von ihnen kämpft also gegen äußere Widrigkeiten, von denen aber auch viele fahrlässig, wenn nicht gar mutwillig herbeigeführt wurden. Und das ausgerechnet an einem Tag, an dem ohnehin schon das Wetter den Menschen zusetzt.

                                      Die Erzählung von 'Après le Sud' beginnt zunächst betont nüchtern, aber keineswegs belanglos. Chekhov's Gun hängt von Anfang an an der Wand und es liegt permanent eine gewisse Schwüle in der Luft. Das verheißt keine guten Entwicklungen. Doch vielleicht täuscht der Eindruck ja auch?

                                      Als Zuschauer folgt man den Charakteren in Jauffrets Inszenierung schließlich wie ein stiller Begleiter durch Situationen, die zum Hoffen, Nachdenken, Träumen, Kopfschütteln oder auch Fremdschämen einladen. Die realitätsnahe Umsetzung erweist sich so als gutes Mittel zum Zweck, um das Publikum mit einzubinden – was aber vermutlich nur bei Zuschauern mit gutem Sitzfleisch gelingen dürfte. Zwar werden durchaus Eskalationsspitzen gesetzt, doch zu diesen muss man eben erst einmal durchdringen. Und so verwundert es nicht, dass dieses Drama über nur einen verhältnismäßig geringen Bekanntheitsgrad verfügt und sich in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich unter Wert schlägt. Immerhin kann sich Jauffret somit ans Revers heften, einen kleinen Geheimtipp im Dramengenre geschaffen zu haben, was auch nicht zu verachten ist.

                                      KURZFAZIT

                                      Episodenhaftes Drama, das zunächst recht nah am alltäglichen Leben bleibt und gegen Ende hin deutlich intensiver wird.

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                                      • 7
                                        Framolf 28.04.2023, 01:26 Geändert 28.04.2023, 01:26
                                        über 120 BPM

                                        Im Paris der 90er Jahre findet sich eine Gruppe politischer Aktivisten zusammen, die kaum heterogener zusammengesetzt sein könnte. Was sie eint, ist das Ziel, die Lage für HIV-infizierte Menschen zu verbessern. Viele von ihnen sind persönlich betroffen, weil entweder sie selbst oder Angehörige sich durch Geschlechtsverkehr, verunreinigte Spritzen oder Blutkonserven infiziert haben, andere wirken aus Solidarität mit. Diese vielfältige Zusammensetzung der Gruppe sorgt einerseits für ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ist auf der anderen Seite jedoch auch immer wieder eine Ursache für interne Spannungen. Wie bei so vielen politischen Bewegungen werden auch hier hitzige Diskussionen darüber geführt, welche Mittel des Protests legitim und vor allem auch zielführend sind. Sind strafrechtlich relevante Handlungen der Bewegung abträglich oder lässt sich dadurch die dringend benötigte Aufmerksamkeit erzeugen?

                                        Neben derlei Debatten zeigt Robin Campillo (Regie) auch zahlreiche Einblicke in das Privatleben diverser Akteure. Wie unschwer zu erahnen ist, widerfahren einigen von ihnen äußerst tragische Schicksale. Während also auf der einen Seite politische Kämpfe (vor allem für besseren Zugang zu Medikamenten) ausgefochten werden, geht es für einige Aktivisten um das nackte Überleben. Campillo richtet den Scheinwerfer zunächst vorrangig auf die Protesttätigkeiten und verschiebt ihn dann sukzessive in Richtung privater Aspekte, wodurch die Erzählung immer stärker an Intensität zunimmt. In Bezug auf die Rahmenumstände erzählt er zudem ein Stück Zeitgeschichte nach. Der Stil der Inszenierung wirkt weitgehend ungeschliffen und kraftvoll, woraus auch eine gewisse Alltagsnähe resultiert. In einem mehr oder minder semidokumentarischen Stil wird das Publikum auf diese Weise auf eine Zeitreise mitgenommen, deren Bezug zur Gegenwart in mehrerlei Hinsicht groß erscheint.

                                        7 – 7,5 Punkte.

                                        KURZFAZIT

                                        Fiktionalisierte Chronik von Ereignissen, die gleichermaßen erschütternd, turbulent und bedeutungsvoll sind.

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                                        • 7 .5

                                          ++ Enthält leichte SPOILER – und eine Wildlederjacke ++

                                          Ich werde nie wieder eine Jacke... Nein, vergiss es! Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, was ich anziehen soll!

                                          Ein Hochstapler (Jean Dujardin) quartiert sich in einer Kleinstadt ein und gibt sich dort als Filmemacher aus. Doch es handelt sich dabei nicht einfach nur um irgendeinen beliebigen Gauner, sondern um den mit der geilsten Wildlederjacke aller Zeiten. Denkt er zumindest selbst. Er findet dieses Kleidungsstück sogar so atemberaubend sexy, dass er täglich damit spricht. Kann aus diesen Gesprächen etwas Gutes herauskommen? Seine einheimische Gefährtin Denise (Adèle Haenel) ist fest davon überzeugt. So einem Burschen leiht man schließlich gerne Geld. Immer und immer wieder. Gut, das Rohmaterial für seinen Film ist noch verbesserungswürdig, aber mit besserer finanzieller Ausstattung wird das schon!

                                          Quentin Dupieux tischt dem Publikum einmal mehr eine Geschichte auf, die wirklich nur aus seiner Feder stammen kann. Elegante Mode, heiße Flirts, brutale Verbrechen, preisverdächtige Filmkunst – alles vorhanden in diesem Meisterwerk! Doch bei aller Leichtigkeit erscheint wirklich bemerkenswert, wie reflektiert sich Hauptdarsteller Jean Dujardins Blick auf die Interpretation seiner Rolle darstellt. In einem Interview über die Dreharbeiten gibt er faszinierende Antworten über das Konzept seiner Darbietung und seinen Blick auf die Vorstellung seiner Kollegin Adèle Haenel. Was auf den ersten Blick vielleicht nach Geblödel aussehen mag, ist hier einmal mehr das Ergebnis intensiver Überlegungen und Abwägungen. Vielleicht ist gerade das einer der Faktoren, die sowohl Dupieuxs Filme, aber auch viele der Interpretationen von Dujardin und Haenel so besonders machen. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit fällt dann auch entsprechend sehenswert aus – zumindest für Fans des eigenwilligen Filmemachers.

                                          Doch auch wenn die Sichtung von 'Monsieur Killerstyle' äußerst unterhaltsam ausfällt, sollte man den Inhalt nicht allzu ernst nehmen. Jedenfalls werde ich mit absoluter Sicherheit auch weiterhin Jacken tragen! Wäre ja noch schöner, wenn irgend so ein Irrer mir vorschreiben könnte, was ich traaaaaaaaaaa...

                                          Verdammt! :-(

                                          KURZFAZIT

                                          Verkauft eure Jacken und kauft euch von dem Geld diesen Film. Dann seid ihr wenigstens vorgewarnt, wenn der Freak in der Wildlederjacke auf euch zukommt. Sicher ist sicher!

                                          -----------
                                          PS: Cheers an alle Buddies, die den Film bereits kommentiert haben. Meine Sichtung ist bereits einige Monate her, aber ich hatte gehofft, beim Verfassen des Kommentars eine Jacke tragen zu können, die noch cooler aussieht und noch gefährlicher ist als die im Film. Leider ist es mir nicht gelungen, so ein Stück zu finden. Zum Glück wird es in den nächsten Monaten draußen erstmal wieder wärmer!

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                                          • 6

                                            ++ Minimal SPOILER ++

                                            Spider-Man gegen Batman. Captain Americas Kumpel, Alice im Wunderland, der Clown aus 'Es' und Harry Potters Cousin sind ebenfalls involviert – und das sind bei weitem noch nicht alle namhaften Darsteller, die hier mitwirken. Bei der Sichtung von 'The Devil all the Time' wird schnell klar, dass hier in Bezug auf die Besetzung keine Gefangenen genommen werden. Neben Tom Holland und Robert Pattinson sind unter anderem auch Sebastian Stan, Mia Wasikowska, Bill Skarsgard, Harry Melling, Jason Clarke, Riley Keough und Haley Bennet Teil des hochkarätig besetzten Ensembles, das sicherlich zu den schlagkräftigsten Argumenten für eine Sichtung dieser Verfilmung zählen dürfte.

                                            Gleich zu Beginn der Erzählung wird erwähnt, dass die Handlung in einem Ort angesiedelt ist, in dem nahezu alle Paare miteinander verwandt sind. Wenn das mal kein Fingerzeig ist. Und tatsächlich: In der Gegend, in der sich die Geschichte abspielt, geht man nicht gerade zimperlich miteinander um. Die Story beginnt mit einem ausführlichen Prolog, in dem verschiedene Handlungsstränge angerissen werden, von denen zunächst nicht klar ist, ob und wie sie miteinander zusammenhängen. Nach und nach fügt sich jedoch ein Mosaikstein an den anderen, bis nur noch einige wenige übrigbleiben – die schließlich im Zuge des Finales in das Gesamtbild eingefügt werden. Gezeichnet wird das Bild einer Gesellschaft, in der der ruppige – oder gar destruktive – Umgang miteinander auch gerne mal mit religionsbezogenen Scheinargumenten gerechtfertigt wird. Wer seinem Schöpfer gefällig sein möchte, sollte sich auf jedem Fall vor einem Priester entblößen, so eine der Lehren, die den Gläubigen hier vermittelt werden.

                                            Und so verwundert es kaum, dass es bei einer derartigen Gemengelage ordentlich unter dem Deck(mant)el der Bürgerlichkeit brodelt und sich Wut und Aggression regelmäßig eruptionsartig entladen. Genau dieses Gefühl vermittelt dann auch die Inszenierung durch Antonio Campos. Stille und Ereignislosigkeit stellen in so einer Welt eigentlich immer nur eine Ruhe vor dem Sturm dar. Probleme werden in der Regel durch die Ausübung von Macht geschaffen und durch Gewalt gelöst. Oder sie werden durch Gewalt geschaffen und überhaupt nicht gelöst. Keine gute Gemengelage für die Menschen, die in dieser rauen Umgebung zu überleben versuchen – schon gar nicht für die Schwachen unter ihnen.

                                            Die Handlung von 'The Devil all the Time' wird betont ruhig vorgetragen, eskaliert aber an mehreren Stellen deutlich. Geduld und gutes Sitzfleisch werden bei der Sichtung also durchaus belohnt. Speziell in Bezug auf die Atmosphäre kann sich die Inszenierung sowieso sehen lassen. Wer auf temporeiche Action hofft, dürfte aber höchstwahrscheinlich enttäuscht werden.

                                            KURZFAZIT

                                            Gemächlicher Thriller mit Starbesetzung.

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                                              Framolf 25.04.2023, 07:10 Geändert 06.01.2024, 08:35

                                              Oscar Madness Film 373 (2 Nominierungen)

                                              Verfilmtes Treffen einer ganz normalen Familie...

                                              Die Westons führen eine zerrüttete Ehe. Ihr Alltag ist geprägt von gegenseitiger Verachtung und einem weitgehenden Verzicht auf Nüchternheit. Als eines Tages Mister Weston (Sam Shepard) spurlos verschwindet, machen sich zahlreiche Angehörige auf den Weg zu seiner Ehefrau (Meryl Streep). Charaktere, die von Julia Roberts, Juliette Lewis, Ewan McGregor, Abigail Breslin, Benedict Cumberbatch, Chris Cooper, Margo Martindale, Julianne Nicholson, Dermont Mulroney und Chris Cooper dargestellt werden, bevölkern das Anwesen der Familie und wetzen regelrecht die verbalen Messer. Nahezu jeder von ihnen hat sein bzw. ihr Päckchen zu tragen und mehrere von ihnen streuen boshaft und fast schon genussvoll Salz in die Wunden der jeweils anderen. Das Hauen und Stechen unter ihnen nimmt sukzessive zu und die Situation eskaliert immer weiter. Als Zuschauer kann man durchaus froh sein, dass die Sippschaft der Westons auf den Bildschirm bzw. die Leinwand gebannt ist und man nicht persönlich an diesem Familientreffen des Grauens teilnehmen muss. Dass die Handlung als eine Art offenes Kammerspiel angelegt ist, intensiviert die vermittelten Eindrücke noch zusätzlich, denn das Publikum ist regelrecht gefangen mit diversen nicht gerade liebenswerten Charakteren.

                                              Speziell für Meryl Streep und Julia Roberts (beide oscarnominiert) bietet 'Im August in Osage County' zahlreiche Gelegenheiten zur Entfaltung und zur Schärfung des eigenen Profils (das in beiden Fällen ohnehin schon strahlenden Glanz aufweist). Julia Roberts wurde ihre Rolle regelrecht auf den Leib geschrieben; dementsprechend spielfreudig, engagiert und versiert absolviert sie ihren Part. Die Charakterzeichnung der Protagonistin, die von Meryl Streep verkörpert wird, ist sogar noch kapriziöser konzipiert als die ihrer Filmtochter, wodurch sie noch mehr Register ihres schauspielerischen Repertoirs ziehen kann. Hier und da wandelt sie auch einige Schritte jenseits der Grenze zum Overacting, doch im Großen und Ganzen setzt sie durch ihre Darbietung in der Rolle einer gebrochenen Frau, die aber auch selbst massiven Schaden in ihrem Umfeld anrichtet, einmal mehr ein bemerkenswertes Ausrufezeichen.

                                              Doch so sehr die Geschichte in manchen Szenen überzogen wirken mag, so nah ist sie in vielerlei Hinsicht am realen Leben. Denn gerade durch die Überspitzung mancher Auswüchse werden Brüche und Widersprüchlichkeiten offengelegt, die in vielen Familien auftreten dürften. Ein Urteil darüber, welcher Zustand letztlich als Normalität zu betrachten ist, bleibt letztlich den Zuschauern überlassen.

                                              KURZFAZIT

                                              Wer nach Zusammenkünften der eigenen Verwandtschaft nach einer Zugabe lechzt, könnte hier womöglich bestens aufgehoben sein...

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                                              • 6
                                                Framolf 24.04.2023, 06:52 Geändert 06.01.2024, 08:35

                                                Oscar Madness Film 372 (2 Auszeichnungen, 5 weitere Nominierungen)

                                                Eine Gesellschaft, deren Zusammensetzung (in Bezug auf die charakterlichen Eigenschaften) vielfältiger kaum sein könnte, bricht zu einer Fahrt in einer Postkutsche auf. Im Verlauf der Reise reden sich einige der Passagiere regelrecht um Kopf und Kragen, andere erweisen sich als deutlich ehrenhafter als es der Rest der Gruppe anfangs vielleicht geglaubt haben mochte.

                                                John Ford legt mit seiner Version von 'Stagecoach' (Originaltitel) weit mehr als eine schnöde Abenteuergeschichte vor. Vielmehr widmet er dabei seinen Charakteren große Aufmerksamkeit, von denen nicht wenige als prototypische Vertreter ganzer gesellschaftlicher Gruppierungen betrachtet werden können. Zwar werden auch Actionpassagen mit teils spektakulären Stunts zum Besten gegeben, doch die inhaltliche Substanz von Fords Entwurf erscheint mehr als beachtlich.

                                                Kurios mutet indes an, dass 'Stagecoach' auf dem deutschsprachigen Markt neben dem Alternativtitel 'Ringo' auch unter dem reißerischen Namen 'Höllenfahrt nach Santa Fé' vermarktet wird, zumal das eigentliche Ziel der Reise in Lordsburg liegt. Über zwei Drittel der Spieldauer bezieht sich der Aspekt der Hölle eher auf innere Dämonen einiger Charaktere statt auf äußerliche Bedrohungen. Wirkliche Relevanz erlangen Überfälle und ähnliche von Gewalt geprägte Vorkommnisse erst gegen Ende hin.

                                                Zusammen mit 'Der Zauberer von Oz' hat John Fords 'Höllenfahrt nach Santa Fé' bei der Verleihung im Jahr 1940 die zweitmeisten Oscars gewinnen können. Unangefochtener Spitzenreiter der Gala war kein geringerer Beitrag als 'Vom Winde verweht', was anschaulich verdeutlicht, welch hochwertige Konkurrenz in das Rennen um die begehrten Trophäen ging. Neben fünf weiteren Nominierungen (Regie, Kamera, Szenenbild, Schnitt und bester Film) wurde Nebendarsteller Thomas Mitchell in seiner Rolle als Arzt und Trunkenbold ausgezeichnet. Er interpretiert seine durchaus vielschichtig angelegte Rolle mit einer gehörigen Portion Ambivalenz und Glaubwürdigkeit. Eine weitere Auszeichnung wurde an Richard Hagemann, William Franke Harling, John Leipold und Leo Shuken für die beste Filmmusik verliehen. Während die Reisepassagen mit Klängen unterlegt werden, die galoppartige Rhythmen abbilden, aber gleichzeitig eine gewisse Melancholie und Ungewissheit transportieren, dominieren gegen Ende hin eher „klassische“ filmmusikalische Einlagen zur Steigerung der Spannung oder Verstärkung wechselnder Stimmungen.

                                                Randnotiz: Neben John Wayne ist auch u.a. auch John Carradine, der Vater von David, Keith und Robert Carradine in einer tragenden Rolle involviert.

                                                KURZFAZIT

                                                John Ford vereint in 'Höllenfahrt nach Santa Fé' sowohl inhaltlich als auch stilistisch eine fast schon klassische Westerngeschichte mit einem Kammerspiel. Gut möglich, dass 'Stagecoach' eines der Werke war, die später Einfluss auf Quentin Tarantinos 'The Hateful Eight' haben sollten.

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                                                  Framolf 23.04.2023, 06:28 Geändert 23.04.2023, 08:12

                                                  In der auf einem Werk von Salman Rushdie basierenden Verfilmung 'Mitternachtskinder' wird das Schicksal einer Familie mit der Geburt der indischen Nation verknüpft. Ähnlich wie auch im dreifach oscarprämierten Episodenfilm 'Das war der Wilde Westen' (1962) sind die Mitglieder der Familie im Zentrum der Geschichte an eine ganzen Reihe von historischen Ereignissen involviert, die als Meilensteine der jeweiligen Nationen gelten. Im Vergleich zum Western von John Ford et al. setzt Rushdie noch einen weiteren Kunstgriff obendrauf und lässt zwei (bzw. streng genommen sogar mehrere) Charaktere exakt zu dem Zeitpunkt (wie der Titel schon andeutet um Mitternacht) das Licht der Welt erblicken, zu dem Indien seine Unabhängigkeit erlangt. Doch das ist bei weitem nicht das einzige phantastische Element der Handlung; vielmehr lässt sich die gesamte Erzählung dem magischen Realismus zuordnen. Wie es die Autorschaft von Rushdie schon vermuten lässt, liegt der Fokus bei dieser Geschichte zwar deutlich stärker auf der muslimischen (und letztlich auch pakistanischen) Perspektive als beispielsweise in der thematisch ähnlich gelagerten Verfilmung 'Der Stern von Indien' (2017), doch er lässt auch hier einmal mehr anklingen, dass seine Sichtweise keineswegs unkritisch ist.

                                                  Viele der Szenen sind mit einer beachtlichen Symbolik aufgeladen und bei der Wahl der Metaphern gibt Rushdie märchenhaften Elementen mehrfach den Vorzug gegenüber realitäts- oder alltagsnahen Handlungsentwicklungen. Durchaus bemerkenswert erscheint überdies, dass im Rahmen dieser Inszenierung auf die Besetzung einer Hauptrolle im klassischen Sinne verzichtet wird. Zwar gibt es durchaus eine Figur, die im Zentrum der Handlung steht, doch gewissermaßen geben sich die maßgeblichen Charaktere auch die Klinke in die Hand. Von einem Ensemblefilm kann man in Zusammenhang mit 'Mitternachtskinder' dennoch nur sehr bedingt sprechen.

                                                  KURZFAZIT

                                                  Kuriose und augenzwinkernd erzählte Geschichte über die Geburt einer Nation und das Schicksal einer Familie.

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                                                    über Climax

                                                    Gaspar Noé schockt mal wieder das Publikum – oder er versucht es zumindest. Einmal mehr lässt er seinem kalkulierten Wahnsinn freien Lauf und versucht ein Publikum zu provozieren, das sich zu einem überwiegenden Teil seine Filme ohnehin gerade wegen der zu erwartenden Provokationen ansieht. Und so kann es durchaus sein, dass sich der vermeintliche Schockeffekt ins Gegenteil verkehrt. Dasselbe gilt für die kreative Ausgestaltung seiner Filme. Während durch Werke wie 'Irreversible' oder 'Enter the Void' die Messlatte in Hinblick auf die Erzählstruktur relativ hoch liegt, erscheint es für spätere Produktionen entsprechend schwieriger, mit unerwarteten Strukturen aufzuwarten. Also verabschiedet sich Noé mit 'Climax' gleich ganz von einer Erzählung im klassischen Sinn und er lässt sein Publikum einfach nur der Party einer Gruppe von Tänzern beiwohnen. Dass diese beizeiten aus dem Ruder läuft, versteht sich ohnehin fast von selbst. Inhaltlich wagt sich Noé – wie gewohnt - an einige Grenzüberschreitungen heran, nach denen man mittlerweile im Grunde aber auch bereits die Uhr stellen kann. Auf formeller Ebene wird zudem die Reihenfolge diverser obligatorischer Elemente (Verleihlogo, Abspann etc.) durcheinandergewirbelt, die Kameraführung wird analog zum Zustand der Charaktere immer rauschhafter und fertig ist der Instant-Provokations-Mix.

                                                    Dann doch lieber eine Zweit-, Dritt oder Viertsichtung von 'Enter the Void'.

                                                    Vier von zehn Fahnen auf dem Filmplakat, die eher der rumänischen als der französischen gleichen.

                                                    KURZFAZIT

                                                    Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis der Zuschauer bricht...

                                                    ...oder einschläft.

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