Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 5 .5

    Dänischer Mix aus Psychodrama und Psychothriller über ein Hotel, das Beihilfe zum Freitod als Dienstleistung anbietet. Doch es handelt sich dabei um kein herkömmliches Hospiz. Vielmehr geht es hierbei um „inszeniertes“ Sterben. In kalter (menschlicher sowie witterungsbedingter) Atmosphäre werden zum Beispiel kleine Parties organisiert und am Ende der Reise übernehmen Schauspieler auf Wunsch einen Part als Angehörige. Und mittendrin ein Versicherungsdetektiv (Nicolaj Coster-Waldau), der eine verschwundene und vermeintlich tote Person sucht, aber auch persönlich von der Sterbethematik betroffen ist.

    Ebensowenig wie der Protagonist kann man hier auch als Zuschauer seinen Wahrnehmungen trauen. Denn eines ist offenkundig: Irgendetwas stimmt in dieser Szenerie nicht. Allein schon die Tatsache, dass es kein Rücktrittsrecht vom Sterbevertrag gibt, wirft dabei Fragen auf.

    Was hier ein wenig nach Mystery klingt (und sich auch während einiger Szenen so anfühlt), hat natürlich einen handfesten Hintergrund, auch wenn die Inszenierung nur sehr zögerlich auf den Punkt kommt – wenn überhaupt. Selbstbestimmtes Sterben, ein lebenswertes Leben, Krankheit in jungen Jahren, Loyalität in der Partnerschaft und ähnliche Themen werden hier zwar behandelt, allerdings durch die hier gewählte Herangehensweise auch ein wenig verwässert. So bringt man zwar etwas Rätselhaftigkeit und auch ein Minimum an Spannung und Thrill mit hinein, allerdings auf Kosten einer gewissen dramaturgischen Schwere und Wucht, die hier eventuell möglich gewesen wären. So bleibt am Ende ein etwas kauziger und (nicht zuletzt auch deshalb) sehenswerter Versuch, sich dem Thema „Sterben“ mal auf etwas andere Weise anzunähern. Schwer zu sagen, wem man diesen Film empfehlen kann und wem nicht. Aber einen Versuch ist er allemal wert.

    (@Eudora: Es bricht jemand ins Eis ein.)

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    • 5 .5
      Framolf 30.01.2021, 23:40 Geändert 30.01.2021, 23:41

      Eigentümliches Filmchen aus Dänemark. Ein Ehepaar, beide um die 70, lebt sich auseinander und bewegt sich auf die im Raum stehende Scheidung zu. Der Weg dorthin ist gepflastert mit einigen skurril-augenzwinkernden Szenen und einer ganzen Reihe an Klischees. So weit, so mittelmäßig. Wäre da nur nicht der vielleicht mutloseste Soundtrack der jüngeren Filmgeschichte. Offenbar im Shuffle-Modus wird eine bunt zusammengewürfelte Auswahl an bekannten Hits unter oder über die Handlung gelegt – ganz unabhängig davon, ob es gerade passt oder nicht. „Für Elise“ zum Schäferstündchen, „Hit the Road Jack“ zum visuellen 'Thelma & Louise' Zitat usw. Zumindest ein klein wenig mehr Mut bei der Musikauswahl hätte jedenfalls ganz sicher nicht geschadet. Denn wenn das Drehbuch schon nicht die größeren Register zieht (was zugegebenermaßen auch sehr schwer ist), bleibt ja immer noch die Inszenierung als Faktor. Diese ist aber leider ähnlich bieder wie der Protagonist. Angesichts der Zielgruppe ist das zwar absolut nachvollziehbar, aber zumindest etwas mehr Esprit hätte es ruhig sein dürfen. Auf der Habenseite stehen dagegen ein paar satirische Kommentare und Überzeichnungen bzgl. eines Protagonisten, der ein regelrechter Prototyp für eine ganze „Zunft“ ist – womit sich die Geschichte dann auch wieder durchaus nahe am realen Leben bewegt.

      5 - 5,5 Punkte.

      23
      • 5

        Das Romantik-Drama 'The Secret' (Alternativtitel: 'Traue dich zu träumen') dreht sich um ein Geheimnis, das eigentlich gar keines ist. Ein bisher fremder Mann will einer Witwe eine Nachricht überbringen, wird aber immer und immer wieder unterbrochen, wenn er ihr die besagte Mitteilung machen will. Oder es wird ihm anderweitig ein Strich durch die Rechnung gemacht (er trifft die Dame nicht an, ein Sturm „verweht“ den Briefkasten usw.) Diese Karte wird derart oft gespielt, dass es schon in einen albernen Bereich geht. Und zwar so sehr, dass es fast schon ärgerlich wird.

        Abgesehen davon bietet dieser Film aber eine ruhige Wohlfühlgeschichte zum Entspannen. Ganz ohne große Aufreger und im Grunde genommen auch ohne nennenswerte Wendungen – zumindest ohne unvorhersehbare. Wirklich gut ist das alles nicht, schlecht allerdings auch nicht. Und Katie Holmes und Josh Lucas spielen ihre Parts routiniert und ohne große Ausreißer nach oben oder unten.

        → Angemessene Wahl für einen gemütlichen Filmabend. Ein Film, den man ohne Weiteres komplett sichten kann. Aber trotzdem verpasst man nicht viel, falls man einschläft... Mit etwas mehr Sorgfalt und Kreativität beim Drehbuch wäre hier locker ein Punkt mehr drin gewesen. Da hier aber gut und gerne ein halbes Dutzend mal dieselbe Karte gespielt wird, reicht es eben nur zu etwas uninspiriertem Mittelmaß.

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        • 5 .5

          James Franco, Kate Hudson und Omar Sy in einem Gangsterthriller der relativ unscheinbaren Art. Nachdem man sich eine ganze Weile munter durch die Historie des Subgenres zitiert, plagiiert und variiert, lässt das Schlussdrittel dann doch einigermaßen aufhorchen. Zwar bietet es nichts, was man nicht ebenfalls schon an anderer Stelle gesehen hätte, doch zumindest das Tempo sowie der Unterhaltungsfaktor steigen zusehends. Denn statt einer reinen Jagd wird den Zuschauern eher eine Art Katz- und Mausspiel der gewalttätigen Art geboten. Auf diese Weise kommt dann doch noch etwas Würze in die ansonsten relativ farblose Kriminalgeschichte.

          21
          • 7

            „Wer in diesem Beruf keine Milliardäre provoziert, macht etwas falsch.“ (sinngemäß)

            Die Dokumentation 'Nobody Speak' rollt zunächst einen reichlich bizarren Fall rund um Medienrechte bezüglich eines Videos über Hulk Hogan auf und nutzt diesen als Köder und Türöffner, um dem Publikum das eigentliche Anliegen näherzubringen: Die Vereinnahmungen von Medien durch Milliardäre und deren Interessen. Wo liegen die Grenzen zwischen journalistischer Freiheit und Persönlichkeitsrechten? Natürlich handelt es sich bei dem Thema Pressefreiheit um ein sehr viel weiteres Feld als nur diese Frage, auf die 'Nobody Speak' zugespitzt wird, aber in Anbetracht der Kürze der Zeit erscheint eine derartige Pointierung durchaus nachvollziehbar.

            Deutlich kritischer zu sehen ist hingegen die Tatsache, dass auch hier (ähnlich wie bei vielen anderen gesellschaftspolitischen Dokumentationen, die auf Netflix laufen) wieder der Eindruck entsteht, Gefahren seien weniger systemimmanent, sondern vielmehr auf einige Einzelakteure zurückzuführen, deren Gebaren man einfach nur einschränken müsse. Irgendwie scheint man beim Streamingdienst mit dem roten N zwar ganz gerne eine gewisse Empörungskultur zu bedienen und zu befeuern, so wirklich an die Wurzeln von Problemen geht man allerdings nur höchst selten bzw. belässt es bei Andeutungen.

            So ist auch 'Nobody Speak' eine weitere jener Dokumentationen, die zwar irgendwie schon gut gemeint zu sein scheinen und auch den einen oder anderen validen Punkt erzielen, aber im Grunde genommen trotzdem nur mit Paintballs schießen. Zum Markieren von ein paar „Gefahrenquellen“ reicht's, doch wirklich treffen kann man damit kaum jemanden.

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            • 6

              Michael Pena und Lizzy Caplan auf der Flucht vor Angreifern von einem anderen Planeten.

              In einem apokalyptischen Szenario und einer ansprechend gesetzten Atmosphäre nehmen die Gegner buchstäblich keine Gefangenen. Stattdessen wird drauflos geballert, was das Zeug hält. Ähnlich wie beim Ton verhält es sich auch mit den visuellen Effekten: Neben ein paar gelungen Elementen merkt man dem Film hier und da aber auch stark an, dass das Budget (gemessen an den Erfordernissen des Drehbuchs) ganz offenkundig zu knapp bemessen ausfällt.

              Dennoch: Für Fans düsterer Science Fiction Filme a la 'Cloverfield' durchaus einen Versuch wert.

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              • 6
                Framolf 28.01.2021, 02:01 Geändert 28.01.2021, 02:12

                Vorneweg: Ein passenderer Titel wäre gewesen: 'GoldenEye – Der Mann, der gern James Bond gewesen wäre'. Denn hier wird eine Legende um Ian Fleming konstruiert, wie sie – zumindest in machen Facetten - wohl kaum den Tatsachen entsprechend dürfte. Die Szene um die „geplante Erschießung“ des kunstturnenden Chinesen im Hotelzimmer spricht in dieser Hinsicht Bände und erinnert eher an eine Räuberpistole, die man während des letzten Bieres am Stammtisch zum Besten gibt...

                Doch was der Inhalt nicht hergibt, macht die (zumindest in Teilen charmante) Inszenierung wieder wett. 'GoldenEye' ist nur so vollgestopft mit Referenzen auf Fleming und seine berühmte Agentenreihe. Zwar wird es hier so verkauft, als hätten ihn wahre Begebenheiten dazu inspiriert (und bei manchen Ereignissen wird es sicherlich auch so gewesen sein), aber hier und da scheint auch ein ordentliches Maß an (wohlwollend formuliert) künstlerischer Freiheit mit im Spiel zu sein.

                Einerlei, eine große Vielzahl an bondtypischen Motiven hat es jedenfalls auch in dieses Biopic geschafft: Der geschüttelte Martini, ein Zimmer mit der Nummer (1)007, das berüchtigte Kartenspiel unter Spionen, ein Verweis auf Venedig als Sehnsuchtsziel, die berühmte Bikiniszene am Strand, ein Tauchgang zu einem U-Boot, ein (allerdings etwas schrofferes) Rollenvorbild für Miss Moneypenny, der Ornitologe James Bond (der Fleming kurioserweise um ein Autogramm in seinem vogelkundlichen Werk bittet), der Verweis auf die Herkunft des Kürzels „M“ (Mama), ein kauziger Anzugträger mit einer weißen Katze, die GoldenEye-Villa und eine Vielzahl von Szenenbildern mit Kulissen und Fahrzeugen, die auch für eine Bond-Verfilmung gedient haben könnten (und es vielleicht sogar haben?).

                Wahrscheinlich ist diese Aufzählung noch nicht einmal annähernd vollständig, aber so oder so ist klar: Diese Vielzahl kleinerer Details und teils mit dem Holzhammer übermittelter angeblicher Fakten macht aus 'GoldenEye – Der Mann, der James Bond war' eine Art Schnitzeljagd mit Versatzstücken aus dem Bond-Universum. Dass hier und da auch ganz offenkundig über das Ziel hinaus geschossen wird... Geschenkt! Beispielsweise wird Fleming (Charles Dance) hier so präsentiert, als wäre er in Typ und Auftreten ähnlich wie der Doppelnullagent, nur (laut eigener Aussage) rücksichtsvoller gegenüber der Damenwelt.

                Mit Müh' und Not gerade noch 6 Punkte.

                Fun Fact: In einer kleineren Nebenrolle taucht Christoph Waltz ('Spectre') als deutscher Spion auf.

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                • 5

                  Egal, was man von Netflix hält, eines muss man ihnen lassen: Sie haben ein ganz eigenes Subgenre erfunden: Die 5 Punkte Komödie. Zwar gibt es auch viele mittelmäßige Blödelfilme anderer Produktionsfirmen, aber keine von ihnen spuckt sie in einer vergleichbaren Menge, Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit aus wie das Label mit dem roten N.

                  Und so ist es auch im Fall von 'The Sleepover'. So ziemlich alles an dieser 'Nacht der Abenteuer' Variation fühlt sich an, als hätte man es anderer Stelle bereits mehrfach gesehen. Die Produzenten gehen nicht den Hauch eines Risikos ein und zitieren bzw. plagiieren sich fröhlich durch diverse Vorgänger im Komödiengenre. Das Ergebnis ist im Grunde genommen der Inbegriff an filmischer Redundanz, den man ganz sicher nicht gesehen haben muss, zumindest aber gefahrlos zum Einschlafen, Bügeln oder was auch immer schauen kann.

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                  • 7 .5
                    Framolf 27.01.2021, 02:33 Geändert 27.01.2021, 02:34

                    Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 8/8
                    Oscar Madness Film 10 (1 Nominierung)

                    ++ Leichte SPOILER ++

                    Historiendrama mit paranormalen Einschlägen. Die Geschichte beginnt mit einem Töpfer, der sich selbst als möglichen Kriegsgewinnler sieht und in grenzenloser Naivität auf gute Geschäfte mit herannahenden Kriegern hofft. Doch nach seiner Vertreibung gibt er sich nicht geläutert, sondern schlägt noch ganz andere Saiten an... Mit einem seiner Freunde verhält es sich ähnlich in Bezug auf Ruhm und Ehre. Denn dieser wäre gerne Samurai und zieht aus einer ersten Enttäuschung vergleichbare Schlüsse wie der erstgenannte Herr. Dumm nur, dass sie dabei das Wohl ihrer Ehefrauen aus den Augen verlieren und dabei – jeder auf seine Weise – immer tiefer in einen (moralischen) Sumpf geraten, aus dem es kein leichtes Entrinnen gibt. Denn, wenn man so möchte, schmort jede(r) der vier Protagonisten in seiner/ihrer ganz eigenen Hölle. Manche von ihnen unverschuldet, andere durch eigenes Zutun.

                    Präsentiert wird diese Parabel auf die Gier mit einigen raffinierten erzählerischen Kniffen und unter Zuhilfenahme einiger übersinnlicher Phänomene. Irgendwo zwischen magischem Realismus und (nach heutigen Begriffen) Mystery-Drama, werden nach einer kurzen Exposition die Schrauben immer enger gezogen; nicht nur in dramaturgischer, sondern auch in atmosphärischer Hinsicht. Speziell die Bootsfahrt durch den Nebel, die nur von minimalistischen Trommelklängen begleitet wird, wirkt in ihrer Düsternis sowohl malerisch-schön als auch morbide-bedrohlich zugleich, um nur ein Beispiel zu nennen. Selbiges gilt auch für die späteren Szenen in der Villa, die an ein beliebtes Motiv in der deutschsprachigen romantischen Literatur erinnern (vgl. z. B. Joseph von Eichendorff – 'Das Marmorbild').

                    Im Fahrwasser von Akira Kurosawas 'Rashomon', das das Prinzip des unzuverlässigen Erzählens für das internationale Kino wohl endgültig salonfähig gemacht haben dürfte, tritt hier noch die Unzuverlässigkeit der Sinne und des Urteilsvermögens der Charaktere hinzu. Dies beginnt mit dem Einmarsch der Soldaten, steigert sich hoch zu der besagten Bootsszene im Nebel und gipfelt letztendlich in den Geschehnissen in der Villa und allen Ereignissen, die darauf folgen. Ab einem gewissen Punkt lässt nahezu jede der Szenen Raum für mehr als nur eine Deutungsmöglichkeit. Das Bemerkenswerte daran: Unabhängig davon, für welche der Interpretationen man sich entscheidet, landet man gegen Ende immer bei derselben (oder zumindest einer ähnlichen) Moral der Geschichte. Nämlich dass für die (womöglich sogar erfolglose) Jagd nach der Taube auf dem Dach unter Umständen ein exorbitant hoher Preis zu entrichten sein kann. Daher: Töpfer bleib bei deinen Leisten...

                    Zur Oscarverleihung 1956 gab es eine Nominierung für das beste schwarz-weiß Kostümdesign. Kein Wunder, alleine schon die edlen Kimonos und die Samurairüstungen sind es wert. Die begehrte Trophäe ging jedoch an 'Und morgen werd' ich weinen'. Man könnte durchaus die Meinung vertreten, dass auch dem metaphernreichen Drehbuch – nicht zuletzt aufgrund der clever konstruierten Ambivalenz und einer bemerkenswert innovativ gestalteten Erzählstruktur - eine Nominierung gut zu Gesicht gestanden hätte; doch dazu kam es leider nicht.

                    ('Ugetsu war ein sehenswerter Abschluss für den diesjährigen Japanuary. Weiter geht es nächstes Jahr mit acht anderen Filmen aus der Oscar-Reihe.

                    Danke an EudoraFletcher68 für den Streaming Gutschein!)

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                    • 8 .5
                      Framolf 27.01.2021, 02:20 Geändert 27.01.2021, 02:20

                      Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 7/8
                      Oscar Madness Film 9 (1 Auszeichnung)

                      Prämiert mit dem Oscar als bester animierter Kurzfilm.

                      'Haus aus kleinen Schachteln' erzählt auf poetische Weise und in einer sehr stilsicheren Ästhetik von einem Mann, dem das Wasser buchstäblich bis zum Halse steht, weshalb er sein Wohnhaus immer wieder aufstocken muss. Eines Tages taucht er hinab in die tiefergelegenen Stockwerke und erinnert sich dabei einiger wichtiger Wegmarken seines Lebens.

                      Während die Prämisse in Anbetracht des Klimawandels womöglich gar nicht mal zwingend metaphorisch gemeint sein muss, bemüht das Drehbuch mit dem (Tauch-)Gang in die unteren Stockwerke ein beliebtes literarisches Motiv, das die Vergangenheit und den Keller zueinander in Bezug setzt. Und angesichts des inzwischen enorm hoch angestiegenen Wasserpegels ist das Tiefgeschoss im Haus dieses Seniors mittlerweile höchst imposant geraten und bietet dementsprechend viel Raum für Erinnerungen.

                      Die visuelle Gestaltung trägt dabei eine ebenso prägnante Handschrift wie eben auch die Erinnerungen eines Individuums. Jedes Leben ist anders; und so ist es auch nur konsequent, hier keine 08/15 Visualisierung zu verwenden (was in animierten Kurzfilmen aber ohnehin eher selten der Fall ist). In kurzen Erinnerungs-Episoden erfolgt nochmal ein wehmütiger Blick zurück auf vergangene Tage, während – der Zukunft entgegen – das Haus stetiger Aufstockungen bedarf. Es muss (bzw. sollte) schließlich irgendwie weitergehen. Und mit Kulturprodukten, ach was, mit Kunstwerken wie 'Haus aus kleinen Schachteln' macht dies auch gleich noch viel mehr Spaß. Natürlich wird auch dieser Kurzfilm nach der Sichtung zu einer Erinnerung. Aber bei den allermeisten Zuschauern ganz bestimmt zu einer, zu der man gerne hinabtaucht.

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                      • 7
                        Framolf 26.01.2021, 01:52 Geändert 22.10.2021, 06:14

                        Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 6/8
                        Oscar Madness Film 8 (1 Auszeichnung, 1 weitere Nominierung)

                        „Hast du nie von dem Dämon gehört, der entsetzt erkannte, wie schlecht die Menschen sind, und geflohen ist?“

                        Die Bedeutung von 'Rashomon – Das Lustwäldchen' wird in der Filmwissenschaft auch (und gerade) sieben Jahrzehnte nach Veröffentlichung noch sehr hoch eingeschätzt, da Akira Kurosawas Inszenierung seinerzeit das Prinzip des unzuverlässigen Erzählens regelrecht auf ein neues Level hob und innovative dramaturgische Möglichkeiten aufzeigte. Schließlich wird hier nicht nur eine Geschichte aus vier verschiedenen Perspektiven geschildert (bei denen jeder Erzähler eigene Interessen zu verfolgen scheint), vielmehr werden diese teils auch noch zusätzlich von einem Zuhörer wiedergegeben, was für eine weitere Komponente mit subjektiver Wahrnehmung sorgt. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, spricht das Opfer des Kriminalfalles auch noch durch ein Medium aus der Welt der Toten heraus. Im extremsten Fall haben wir hier also die Erzählung eines Mannes, die von einer Spiritistin wiedergegeben wird, wovon ein weiterer Beobachter berichtet, dessen Aussage wiederum mittels des Mediums Film zum Publikum transportiert wird. Recht viel mehr „Stille Post“ geht eigentlich nicht mehr.

                        Fünf Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, der auch mit einer medialen Propagandaschlacht (auch und besonders im Kino) sondersgleichen einherging, stößt ein derartiges Konzept natürlich in Räume vor, die jahrelang mehr oder weniger un- oder zumindest unterbesetzt blieben. Kurosawa plädiert auf diese Weise gewissermaßen auch für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Medium Film und tut dies mit einer handwerklichen und künstlerischen Raffinesse (Kamera, Montage, Szenenbild, Einsatz von Musik), die auch Jahrzehnte später noch große Anerkennung hervorruft.

                        Sicher, das Menschenbild, das er dabei zum Vorschein kommen lässt, zeugt nicht gerade von Vertrauen in seine Zeitgenossen – doch wen wundert das, so kurz nach zwei verheerenden Weltkriegen? Die Dame in der Binnenhandlung wird als manipulativ dargestellt, der Räuber als selbstbezogen und triebgesteuert und der Ehemann als kaltherzig und illoyal; zudem wohnt allen dreien eine emotionale Kälte sowie ein großes Maß an Rücksichtslosigkeit inne. Immerhin federt Kurosawa diesen Pessimismus gegen Ende jedoch deutlich ab, indem er aufzeigt, wie sich durch aufrichtiges Bekennen von Fehlern auch wieder neues Vertrauen gewinnen lässt. Und so lange neue Generationen folgen, besteht stets auch Anlass zur Hoffnung.

                        Ausgezeichnet wurde 'Rashomon' mit einem Ehren-Oscar als bester ausländischer Film. Im darauffolgenden Jahr gab es eine Nominierung für das beste Szenenbild, die entsprechende Trophäe ging jedoch an 'Stadt der Illusionen'. Später in seiner Karriere sollte Akira Kurosawa auch mit 'Dodeskaden', 'Uzala der Kirgise', 'Ran', 'Die sieben Samurai', 'Kagemusha – Schatten des Kriegers', 'Yojimbo, der Leibwächter' und für sein Lebenswerk wieder mit Nominierungen und/oder Auszeichnungen bedacht werden, wodurch 'Rashomon' neben der künstlerischen Bedeutung sicherlich auch eine Art Türoffnerfunktion (sowohl für Kurosawa selbst als auch für das japanische Kino) für den internationalen Markt zukam.

                        (Kurios: Das Balkendiagramm mit der Bewertungsverteilung zeigt eine unfassbar hohe Zahl an Nullerwertungen und 274 mal wird der Film lt. Statistik als Hassfilm genannt, aber es lässt sich kein einziger Filmkommentar dazu finden. Die Kommentatoren haben durchweg mindestens 3 Punkte vergeben.)

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                        • 7
                          über Ran

                          Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 5/8
                          Oscar Madness Film 7 (1 Auszeichnung, 3 weitere Nominierungen)

                          Stilistisch höchst eigenständiges Epos von Akira Kurosawa. Die Geschichte, die dabei im Vorgrund erzählt wird, könnte auch heute noch kaum aktueller sein (wenn auch vielleicht nicht ganz so blutig): Ein Vater dreier Söhne trifft bei seiner Nachfolgeregelung eine schwerwiegende Entscheidung, die (im wahrsten Sinn des Wortes) verheerende Konsequenzen nach sich zieht. Auf einer zweiten Bedeutungsebene funktioniert diese Geschichte sicherlich auch als Kommentar zu politischen Vorgängen, doch das können Kenner der japanischen bzw. ostasiatischen Politik ganz gewiss besser einordnen als ich.

                          → Oscar für das beste Kostümdesign sowie Nominierungen für das Szenenbild, die Kamera und die Regie. Besonders das Szenenbild weist einen Wiedererkennungswert auf, das seinesgleichen sucht. Kurosawa setzt dabei auf erstaunlich viele Außenaufnahmen in oftmals ungewohnt kargen Landschaften. Im Verbund mit einigen spektakulären Drehorten erschaffen diese ein Produktionsdesign, das man in dieser Form wahrscheinlich nur in einer späten Karrierephase realisiert bekommt. Viele jüngere Regisseure wären von den Produzenten vermutlich zu einem deutlich weniger eigenständigen Look gedrängt worden. Die Kamera wechselt dabei munter zwischen einigen höchst konventionellen und schlichten Einstellungen auf der einen Seite und raffinierten Bilderwelten auf der anderen Seite (wie beispielsweise dem Aufeinandertreffen zweier Armeen auf einem Hügel, das aus weiter Entfernung von einigen Offizieren beobachtet wird, 2:19:32).

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                          • 7 .5

                            Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 4/8
                            Oscar Madness Film 6 (1 Auszeichnung)

                            'Six Feet Under' auf japanisch... Ein junger Mann verliert seine Anstellung in einem Orchester und versucht sich in der Folge Bestattungshelfer. Nach einer Reihe von Sterbefällen verschiedenster Art verknüpft sich seine neue Tätigkeit auch mit seinem persönlichen Schicksal.

                            Am Anfang des Produktionsprozesses eines solchen Projekts stand sicherlich auch die Frage, welcher Tonfall sich wohl am besten für die Erzählung eignen würde. Und man kann gar nicht genug Hüte davor ziehen: Die Antwort, die Regie und Drehbuch auf diese Frage fanden, hätte passender kaum ausfallen können. Nüchtern und doch augenzwinkernd, traurig und dennoch gelegentlich mit einem leichten Schmunzeln, skurril und dennoch pietätvoll wird die Geschichte in einer Würde geschildert, die in scharfem Kontrast zu dem Ansehen zu stehen scheint, dass manchen Bestattern zuteil wird. Auf diese Weise verneigt sich 'Nokan' vor einem ganzen Berufszweig und ganz unaufgeregt auch noch vor dem Leben und dem Tod zugleich. Wenn das mal keine charmante Art ist, Vorurteilen vor dieser Tätigkeit und darüber hinaus auch Ängsten vor dem Umgang mit Toten den Zahn zu ziehen.

                            'Nokan – Die Kunst des Ausklangs' ist einer jener Filme, die von Understatement geprägt sind und dem Publikum ganz unaufgeregt einiges mit auf den Weg geben. Ganz ohne erhobenen Zeigefinger und schon gar nicht gönnerhaft, sondern eher wie ein weiser Mentor, der auf leisen Sohlen Einblicke anbietet und den potentiellen Zuhörern freistellt, ob sie ihm folgen wollen.

                            Prädikat: Sehenswert!

                            Im Oscar-Rennen um die Trophäe für den besten fremdsprachigen Film setzte sich 'Nokan – Die Kunst des Ausklangs' 2009 unter anderem gegen den deutschen Beitrag 'Der Baader Meinhof Komplex' durch.

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                            • 7

                              Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 3/8
                              Oscar Madness Film 5 (1 Auszeichnung)

                              'Chihiros Reise ins Zauberland' stellt mehr oder weniger die Quintessenz vieler Ghibli-Filme dar und vereint zahlreiche Elemente aus der Frühphase und späteren Phasen des Studios miteinander. Der Film wendet sich an verschiedene Altersstufen, indem nicht nur ein poetisches und metaphernreiches Drama, sondern auch eine phantasievoll und farbenprächtig bebilderte moderne Märchenerzählung geboten wird. Zwar kommt der Film noch nicht annähernd so bedächtig und „erwachsen“ wie 'Die rote Schildkröte', 'Erinnerungen an Marnie', 'Die Legende der Prinzessin Kaguya' und ähnliche Verfilmungen daher, doch von einer ausschließlichen Fixierung auf ein kindliches Publikum kann keine Rede sein. So gesehen hebt sich 'Chihiros Reise ins Zauberland' (ähnlich wie viele andere Filme aus demselben Studio) natürlich deutlich von jenen Studios ab, die ganz eindeutig auf eine ganz spezielle Publikumsschicht abzielen (zum Beispiel Jungen im Grundschulalter oder erwachsene Science Fiction Fans usw.) und die restlichen Zuschauer nur so nebenbei mitnehmen. Die Erwähnung, dass in ästhetischer Hinsicht einmal mehr ganz großes Kino geboten wird, erübrigt sich bei Ghibli ohnehin von selbst.

                              Das Ergebnis: Ein Oscar für den besten animierten Spielfilm, wobei u. a. die Konkurrenz von 'Ice Age' ausgestochen wurde.

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                              • 7 .5
                                Framolf 24.01.2021, 04:10 Geändert 24.01.2021, 04:47

                                Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 2/8
                                Oscar Madness Film 4 (1 Nominierung)

                                Poetisches Epos über ein Findelkind, das im Zeitraffer heranwächst und von seinen Stiefeltern (die aber eher eine Art Mentoren sind) im festen Glauben erzogen wird, eine Prinzessin vor sich zu haben. Was hat es mit ihrer Herkunft auf sich und wohin wird sie ihr Weg führen?

                                Die Visualisierung der 'Legende der Prinzessin Kaguya' erfolgt in einem für heutige Sehgewohntheiten zwar recht unkonventionellen, aber doch perfekt zur Geschichte passenden traditionellen Zeichenstil, der in manchen Einstellungen anmutiger kaum sein könnte. Gerade die oftmals recht aufgeräumten Bilder mit teilweise eher skizzenhaften Kulissen brechen zwar enorm mit den von Ghibli gewohnten Bilderwelten, die oft nur so vor Farbenpracht und Detailreichtum strotzen. Dennoch kommt der Stil dieser Verfilmung alles andere als minimalistisch daher und ist neben der episch erzählten Handlung der eigentliche Star dieser Inszenierung.

                                [Mini-SPOILER] Besonders das pazifistisch angehauchte Finale mit den zusammensackenden Kriegern und den sich in Blumen verwandelnden Pfeilen strotzt nur so vor Naturverbundenheit, Liebe und Poesie, dass man es auch in der deutschsprachigen literarischen Romantik verorten könnte. Besonders in der Szene ihrer Abreise äußert sich eine erstaunliche Dignität von bemerkenswerter Schönheit. Zahllose Standbilder aus dem Film ließen sich bedenkenlos in einer Ausstellung aufhängen. [/SPOILER]

                                In Würdigung dieser bemerkenswerten Leistungen gab es ein Oscar Nominierung in der Kategorie „Bester animierter Spielfilm“, in der die Trophäe dann letztlich aber an 'Baymax – Riesiges Robowabohu' ging.

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                                • 5 .5
                                  Framolf 24.01.2021, 04:03 Geändert 24.01.2021, 07:18

                                  (In den nächsten Tagen folgen acht Kommentare zu japanischen Filmen, die entweder einen Oscar gewannen oder dafür nominiert waren. Acht weitere folgen nächstes Jahr - sofern es MP dann noch gibt...)

                                  Japanuary 2021: Oscar Edition (Teil 1) Film 1/8
                                  Oscar Madness Film 3 (1 Nominierung)

                                  'Das wandelnde Schloss' erzählt eine detailreich ausgeschmückte Geschichte über eine jugendliche Seniorin [sic!], die vor dem Hintergrund eines aufziehenden Krieges einen Zauberer kennenlernt, dessen Kräfte die derzeitigen Herrscher unbedingt zu Kriegszwecken nutzen möchten. Der Stil und der Inhalt weisen dabei derart mannigfaltige Arabeske auf, dass eine Konzentration auf den Kern der Geschichte gar nicht mal so leicht fällt. Neben zahlreichen Ornamenten mit mutmaßlich reiner Dekofunktion finden sich auch Querverweise auf frühere Ghibli-Produktionen (wie etwas die Farbscheibe, die den Ausgang weist und in ähnlicher Form am Eingang zu Chihiros Zauberland zu sehen ist) sowie westliche als auch fernöstliche kulturelle Eigenheiten, deren Deutung nicht immer ganz leicht fällt. An manchen Stellen wirkt diese Inszenierung wie die Erzählung einer Gruppe aufgeregter Kinder, die in schnellen Sätzen soeben erlebte Geschehnisse schildern, sie mit einer Unzahl an Details anreichern und so oft durcheinander reden, dass es nicht immer ganz leicht fällt, die wesentlichen Kernpunkte herauszufiltern. Wenn man so möchte, handelt es sich dabei in Form und Struktur um einen radikalen Gegenentwurf zur neun Jahre später produzierten 'Legende der Prinzessin Kaguya' (bzw. umgekehrt). Inhaltlich ergänzen sich beide Erzählungen jedoch gegenseitig. Welcher der beiden Methoden man mehr abgewinnen kann und mag, wird aber jeder für sich selbst entscheiden müssen, denn wirklich messen lassen sich die „Qualitätsunterschiede“ nicht; schon gar nicht objektiv.

                                  Bei der Oscar-Verleihung hatte diese Produktion Hayao Miyazakis das Nachsehen gegenüber dem Stop Motion Film 'Wallace & Gromit – Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen'.

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                                  • 7 .5

                                    Werner Herzog montiert aus dem Videomaterial eines selbsternannten Umwelt- bzw. Tierschutzaktivisten eine Doku. Was kann da schon schiefgehen? Ganz genau: Nichts.

                                    Timothy „Grizzly Man“ Treadwell (bürgerlich: Dexter) verbrachte insgesamt 13 Sommer in einem Nationalpark, um dort mit Bären und Füchsen zusammenzuleben. Letztere traten ihm gegenüber offenbar wie Katzen auf. Mal folgten sie ihm auf Schritt und Tritt, mal schliefen sie neben ihm oder ließen sich von ihm streicheln und mal gingen sie ihre eigenen Wege. Die Bären blieben ihm gegenüber offenbar etwas stärker auf Distanz (Anmerkung: Ich habe diesen Satz ganz bewusst so und nicht umgekehrt formuliert. ;-) ), aber auch sie kamen Treadwell mitunter sehr nahe.

                                    Das Positive zuerst: Im Vergleich zu Joe Schreibvogel, dem nachgesagt wird, Tiere zu töten, sofern sie ihm keinen finanziellen Nutzen mehr einbringen, kauft man Treadwell seine Liebe zur Natur, der Wildnis und den Tieren durchaus ab. Zwar scheint sein Weltbild aus nur drei Farben bzw. Schattierungen gemalt zu sein (schwarz, weiß und rosa), doch zumindest in seiner Faszination für Wildtiere scheint er tatsächlich seine Erfüllung zu finden. So weit, so gut.

                                    Auf der anderen Seite erweist er den Grizzlies und Füchsen jedoch auch einen Bärendienst(!), indem er ihnen die Scheu vor dem Menschen, der schließlich ebenfalls ein Raubtier ist, nimmt. Was er also an Aufmerksamkeit für die Problematik bedrohter Wildtiere generiert, reißt er durch seine Methodik selbst wieder ein. So entsteht die bizarre Situation, dass er die eher friedlichen Exemplare unter den Bären durch die Gewöhnung an den Menschen noch zusätzlich in Gefahr bringt, während aggressive Tiere sich durch ihn womöglich noch zusätzlich provoziert fühlen.

                                    Herzog macht dieses Dilemma anschaulich sichtbar und wirft dabei Fragen nach den Grenzen des Menschseins und der Natur allgemein auf. Treadwell selbst tritt dabei oftmals in (offenbar teils selbst-stilisierter, teils authentischer) Naivität auf. Mal gibt er sich entwaffnend ehrlich, mal nimmt er ganzes Dutzend Takes seiner Kamera-Einstellungen und Monologe. Treadwells Figur (er wollte ursprünglich als Schauspieler Karriere machen) erscheint dabei ähnlich tragisch wie sein Lebensweg. Was bleibt, ist eine Mahnung, die mit einem Ausrufezeichen versehen ist, das dicker kaum sein könnte: Seid achtsam – zur Natur, aber auch zu euren Mitmenschen und euch selbst. Ein Vermächtnis, von dem ein Joe Schreibvogel nur träumen kann.

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                                    • 7 .5
                                      über Dogman

                                      Ein Hundesitter und Hundefriseur wird Opfer seiner eigenen Umstände und seines trostlosen Umfeldes. In einer verfallenen Kleinstadt, irgendwo in Italien, lebt der kauzige Marcello, Vater einen jungen Tochter, die ihn und seine tierische Kundschaft gelegentlich besuchen kommt. Immer dann, wenn sie ihn aufsucht, kommt etwas Sonne in seinen tristen Alltag, in dem er sich eigentlich nur auf die Vierbeiner verlassen kann (zumindest mehr oder weniger). Denn selbst sein Freund und Nachbar, der Goldhändler, meint es bei Transaktionen nicht besonders gut mit ihm. Und so geht das graue Leben eben seinen tristen Gang. Wäre da nur nicht der örtliche Kriminelle, der mit seiner körperlichen Präsenz und schier grenzenlosen Ignoranz und Dummheit die ganze Siedlung bedroht. Er stiehlt, droht Prügel an und versucht andere Bewohner des Ortes in seine kriminellen Pläne, die zumeist dümmer und unvorsichtiger nicht sein könnten, unter massiven Einschüchterungen mit einzubeziehen. Wo derlei „Abenteuer“ enden, kann sich jeder selbst ausrechnen. Und so zieht es Marcello, seines Zeichens eine Art duldsamer Michael Kohlhaas, immer tiefer in einen Strudel aus Gewalt, Vergeltung, Trostlosigkeit und Einsamkeit.

                                      Aber wäre ein entspannteres Leben in einem derart problematischen sozialen Umfeld überhaupt realisierbar? Vermutlich nur sehr schwierig. Und so stellt sich die Frage, inwieweit das Schicksal des „Dogman“ auch als exemplarisch zu sehen ist. Exemplarisch für eine ganze Region, eine gesellschaftliche Schicht oder für Menschen in einer vergleichbaren sozialen Konstellation. Vermutlich sogar mehr, als einem lieb sein dürfte. Denn die Situation Marcellos ist trostlos und zunehmend auch hoffnungslos. Durchbrechen lässt sie sich vermutlich durch einen Neuanfang in ausreichendem Abstand zum bisherigen Wohnort. Ob es dort besser würde, bleibt dahingestellt, aber zumindest gäbe es eine neue Chance. Praktische Bedeutung für den Alltag und die Lebenswirklichkeit des Publikums? Vermutlich kaum eine. Aber am Ende steht dennoch eine relevante und sehenswerte „Fallstudie“.

                                      Anmerkung/Warnung: Das Filmplakat spoilert das Ende.

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                                      • 6 .5

                                        Dave Bautista, der in 'James Bond 007: Spectre' einen wortkargen Haudrauf gibt, schlüpft in 'Der Spion von nebenan' nun selbst in die Rolle des Agenten bzw. Helden. Oder sollte man besser sagen „Antihelden“? Denn wirklich die Hosen an hat er hier nur bedingt, zumal er sich den überwiegenden Teil der Handlung von einer Halbwüchsigen am Nasenring durch die Arena ziehen lässt. Aber das muss natürlich auch so sein, denn gerade aus dieser Konstellation bezieht dieser Film einen Großteil seiner Komik und seines Reizes. Zwar erzählt diese Produktion eine Geschichte nach altbekanntem Muster, aber gerade durch die komödienhaften Züge und die Tatsache, dass das sich der Film nicht besonders ernst nimmt, ist für mehr als solide Unterhaltung gesorgt.

                                        Wieso man sich aber beim deutschen Titel nicht stärker vom komplett anders gelagerten und nur mäßig erfolgreichen 'Die Jones – Spione von nebenan' (mit Gal Gadot) abgegrenzt hat, wird wohl auf ewig das Geheimnis des Verleihers bleiben.

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                                        • 6 .5

                                          Spionagedrama der ruhigeren Sorte – und somit quasi das genaue Gegenteil zur '007'-Reihe. Vielmehr wird hier eine Klientel bedient, die sich bei Filmen wie dem französisch-deutsch-israelischen Hybriden aus Thriller und Drama 'Aus nächster Distanz' gut aufgehoben fühlt. Die Spannung kommt auf recht leisen Sohlen daher und ohne krachende Actioneinlagen. Wie der Titel schon andeutet, steht weniger die Mission im Fokus, sondern vielmehr die Protagonistin.

                                          Oftmals steht und fällt ja vieles mit der richtigen Stimmung, in der einen ein Film erwischen muss. Im Fall von 'Die Agentin' wahrscheinlich noch mehr als bei vielen anderen Werken. Einen Versuch sollte es wert sein – aber nur für Zuschauer, die gerade ganz bewusst nach einem eher ruhigen Film suchen.

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                                          • 7 .5

                                            „Wie heißen nochmal die Chinesen, die sich mit den Deutschen verbündet haben?“ - „Japaner!“

                                            OSS 117, der personifizierte Inbegriff der Ignoranz, Ungebildetheit und politischen Inkorrektheit wird wieder in einen Einsatz geschickt. Dieses mal nach Rio. Doch während James Bond dort eine geschrottete Seilbahn und ähnliche Kollateralschäden hinterlassen hat, nutzt sein französisches Pendant die Reise lieber für legendäre Urlaubsfotos. Und natürlich zum Grillen eines Krokodils. Denn das isst er lieber als Obst; er braucht schließlich seine Vitamine.

                                            In Brasilien steht nun der Kampf gegen Nazis an, die bereits Pläne für das fünfte Reich ausgearbeitet und die Weltkarte entsprechend in Süddeutschland (Afrika), Westdeutschland (Amerika) usw. eingeteilt haben. Wer soll diese durchgeknallten Irren noch aufhalten, wenn nicht unser wohlbekannter durchgeknallter Irrer aus Frankreich?! Gut, vielleicht die israelische Spionin, die ihm zur Seite gestellt wurde. Oder ein paar hundert andere Spione. Vielleicht auch irgendwelche Polizisten. Oder Freiwillige. Oder Grundschüler. Aber wer sonst? Richtig, niemand! Also bleibt auch uns Zuschauern nicht viel anderes übrig, als ihn auf seinem irren Trip zu begleiten und zu hoffen, dass er die Welt retten wird. Denn bei einem ist sich OSS 117 sicher: Eines Tages wird die Zeit reif sein, dass sich Juden und Nazis gegenseitig verzeihen können. Was soll man dazu noch sagen...?

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                                            • 7
                                              Framolf 21.01.2021, 02:01 Geändert 21.12.2021, 07:49

                                              Hubert „OSS 117“ de La Bath (Jean Dujardin, der Sean Connery in einigen Einstellungen verblüffend ähnlich sieht) wird zu einer Mission nach Ägypten beordert. Schnell noch ein paar Fotos des französischen Präsidenten eingepackt (als Schmiergeld für Informanten) und ab nach Südosten, wo die Frauenwelt schon auf ihn wartet. Selbstverständlich nur, weil er so unwiderstehlich ist und nicht aus irgendwelchen anderen Gründen! Denn letzteres wäre ja völlig absurd – ähnlich wie ein Angriff mit einem Gummimesser.

                                              Aber nun genug des Inhalts; schließlich ist der hier sowieso nur drittrangig – wenn überhaupt... Das größte Vergnügen speist sich ohne Wenn und Aber aus der genauen Beobachtungsgabe der Regie und der bemerkenswerten Detailverliebtheit, ach was Deatailversessenheit, mit der hier ans Werk gegangen wird. Kulissen, Requisiten, Frisuren, Kostüme, Farbfilter, mehr 'Bond'-Feeling geht eigentlich kaum. Und auch der alberne Protagonist bietet nur auf den ersten Blick sinnfreies Geblödel. In vielen Szenen wird offenkundig, dass er als eine Karikatur Bonds (besonders zu Zeiten von Connery, Moore und Lazenby) vorrangig diverse Marotten in dessen Charakterzeichnung sichtbar macht (aber natürlich auch einige Albernheiten hinzufügt). Das fängt an bei der kulturellen Ignoranz einiger Drehbücher (die zwar weniger Bond an sich betrifft, hier aber trotzdem in der Figur des Protagonisten personifiziert wird) und endet mit einigen klassischen Marotten der 60er Jahre (wie etwa der berühmt-berüchtigte 180-Grad-Blick bei Verfolgungen an jeder(!) Wegkreuzung). Obendrauf kommt noch eine ganze Serie politischer Inkorrektheiten und fertig ist die wilde Mischung.

                                              Insgesamt gelingt dem Team um Michel Hazanavicius ein Look, der kaum näher an den Originalen sein könnte. Bei einer Sichtung ohne Ton könnte man die beiden 'OSS 117' Filme mit Jean Dujardin glatt für Beiträge aus der echten 'Bond'-Reihe halten.

                                              In einem Punkt ist sich der Agent übrigens ganz sicher: Wenn er seine Mission erfolgreich beenden kann, wird über Jahrhunderte Frieden in Ägypten herrschen, denn schließlich wird sich der Islam ohnehin nicht durchsetzen.

                                              Gerade noch 7 Punkte.

                                              Zum Schluss noch eine kurze Frage an alle Moviepiloten: Wie ist das Frikassee?

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                                              • 7 .5
                                                über Beirut

                                                ++ Leichte SPOILER ++

                                                Agententhriller mit Jon Hamm, Rosamund Pike, Dean Norris (mit Haaren!) und Mark Pellegrino, dessen Handlung – zumindest in einigen Punkten – deutlich näher an der Realität sein dürfte, als es so manchen Bond-Fans womöglich lieb ist... Ähnlich wie der Doppelnullagent bechert auch der Protagonist aus 'Beirut' nicht gerade wenig; doch hier hat es weniger einen verherrlichenden Charakter. Vielmehr scheint er (treffenderweise gespielt von Jon Hamm) durch den enormen psychischen Stress und den offenbar nicht gerade geringen Alkoholkonsum immer mehr zu einem körperlichen und seelischen Wrack zu verkommen. Und genau das qualifiziert ihn für diese Mission, bei der offenkundig mehrere Parteien Interesse an einem (vermeintlich) schwachen Verhandlungsführer haben. Doch Mason Skiles erweist sich als erfahren, gerissen und nahezu furchtlos. Irgendjemand hat hier also doe Rechnung ohne den Wirt gemacht: Entweder er oder diejenigen, die ihn angefordert haben.

                                                Statt entspannt Martinis mit 30 Jahre jüngeren Frauen vor Postkartenkulissen zu schlürfen oder kriminelle Gegenspieler im Casino um deren hart ergaunerte Ersparnisse zu bringen, muss sich der zumeist verschwitzte Protagonist vor zerbombten oder aus sonstigen Gründen verfallenen Gebäuden um eine Vermittlung zwischen verschiedenen Parteien bemühen, von denen kaum eine vertrauenswürdig erscheint. Ein Menschenleben ist eben nicht viel wert in so einer Gemengelage, in der mehrere Parteien offenbar auch zu größeren Opfern bereit sind, sofern sie in irgendeiner Weise der eigenen Sache dienen könnten.

                                                → Filmische Antithese zur großen Welle an actionlastigen Agentenfilmen. Stilistisch und inhaltlich befindet man sich hier dementsprechend eher im Bereich von John le Carré als von Ian Fleming.

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                                                  Oscar Madness - Film 2 (1 Auszeichnung)

                                                  'Spectre' ist wieder einer jener Bond-Filme, die den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft spannen. Neben einigen klassischen Szenen und Motiven (etwa im Zug oder auf dem Berg) steht auch eine ganze Reihe von Sequenzen, die eher die moderne Bond-Ära repräsentierten (wenn beispielsweise James Bonds familiäre Vergangenheit streiflichtartig beleuchtet wird). In handwerklicher Hinsicht bleiben – wie man es seit der Neuverfilmung von 'Casino Royale' (2006) gewohnt ist, kaum Wünsche offen.

                                                  007 selbst tritt mal wieder auf wie die Axt im Walde und nimmt (vor allem in der Anfangssequenz) auch wieder massive Kollateralschäden billigend in Kauf. Warum auch nicht? Denn selbst wenn er mal wieder suspendiert ist, kann er schließlich wie gewohnt sein Ding durchziehen...

                                                  Eine Punktewertung dürfte im Fall von 'Spectre' damit stehen und fallen, welchen Wert man der zweifellos vorhandenen hohen handwerklichen Qualität beimisst. Denn die Form dominiert hier ganz klar den Inhalt. Den Goldjungen bei den Academy Awards gab es dementsprechend für den besten Filmsong ('Writings on the Wall' von Sam Smith und Jimmy Napes).

                                                  Meine (wahrscheinlich extrem subjektive) Wertung: 6,5 - 7 Punkte.

                                                  PS: Ob die Dame in Mexiko wohl noch immer auf ihn wartet?

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                                                    ++ Leichte SPOILER ++

                                                    Eine Frau klopft nachts an die Tür eines Paares, das abgeschieden am Waldrand wohnt, und bittet um Hilfe. Spätestens als der Mann, der dort wohnt, ihren Wagen untersucht, mit dem sie in der Nähe liegengeblieben ist, wird klar, dass hier etwas nicht stimmt (Nagelkette liegt zu nah am Reifen, Motorhaube offen bei Reifenschaden...). Nur was wird hier gespielt?

                                                    'Static' beginnt nach einem Konzept von der Stange, zieht dann aber immer stärker in eine eigene Richtung. Nach und nach lüftet sich das besagte Geheimnis, sodass der Erklärbär gegen Ende es eigentlich gar nicht mehr unbedingt doppelt erläutern müsste. Andeutungen hätten wahrscheinlich auch schon gereicht.

                                                    Wie auch immer: Auch und gerade wegen der Auflösung (die man allerdings auch in anderen Filmen schon in ähnlicher Form gesehen hat) kann sich eine Sichtung durchaus lohnen.

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