HansNase - Kommentare
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Alle Kommentare von HansNase
Man kann "Deepwater Horizon" von Peter Berg als ambitionierte Unglücksrekonstruktion mit Anspruch auf Anspruch sehen, die sich letztendlich bloß in stereotypen Figuren und Explosionen verliert. Man kann "Deepwater Horizon" aber auch als klassischen Katastrophenfilm mit allen Klischees betrachten, der jedoch mit seiner nüchternen Schilderung technischer Vorgänge überrascht und damit das Genre in interessanter Weise kontrastiert. Überdies gehen der Spannungsaufbau eines effizienten Katastrophenfilms und die Beschreibung von Arbeitsprozessen das gleiche Tempo. Beides erweist sich als am effektvollsten, wenn die Erzählung minutiös, Schritt für Schritt vonstatten geht. Der Zuschauer findet sich dank der detailreichen, aber simplen Erläuterungen zu "Blowouts", "Magenta-Alarm" und "Unterdruck-Tests" schnell selbst auf der Plattform ein und so kann das Unheil wirkungsvoll seinen Lauf nehmen. Außerdem entwickelt Regisseur Berg ein feines Gespür für das Räumliche - "Deepwater Horizon" lebt von der Kulisse - und von den alten Hasen Kurt Russell/John Malkovich.
Wenngleich es schon wieder eine ganze Weile zurückzuliegen scheint, so dürften sich die meisten noch gut an die weltweite Betroffenheit erinnern, als 2010 die schwimmende Bohrinsel "Deepwater Horizon" havarierte. Vorwürfe, Peter Berg fokussiere zu stark die akuten Todesopfer der Katastrophe und vernachlässige den Umweltaspekt, zeigen umso mehr die Gründe für den Dreh dieses Films. Über das ökologische Fiasko wurde lang und ausführlich berichtet, doch was ist wirklich unmittelbar auf der Bohrplattform vor sich gegangen? Es ist allgemein ein Problem des heutigen Kinos, dass der Zuschauer am liebsten das sehen will, was er ohnehin schon kennt. Dann mag an dieser Stelle manch einer dem Film alternativ vorwerfen, er habe zu viel Pathos. Naja - Stattgegeben.
Auf dem Plakat heißt es "Wut macht erfinderisch!" und den Gestaltern sei hiermit mal ein großes Lob ausgesprochen. Dieser Satz ist nämlich der ultimative Anti-Spoiler für den Film "Ich, Daniel Blake" und suggeriert einen völlig anderen Story-Verlauf als den, der einen tatsächlich im Kino erwartet.
Daniel Blake aus Newcastle ist herzkrank und besitzt eine sogenannte ESA ("Employment and Support Allowance"), welche Sozialleistungen für Menschen mit Langzeiterkrankungen und Unterstützungen bei der Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit beinhaltet. Nach einem Einstufungstest wird ihm diese jedoch wieder entzogen und das ist der Beginn eines Labyrinth-Marathons durch die englische Bürokratie. Das klingt ulkig, wird aber in erster Linie bitter und eine beklemmende Skizze von Armut im Wohlfahrtsstaat.
Dabei stellt Daniel Blake, gespielt von Dave Johns, einen Extremfall dar. Ein großer Teil des Dilemmas bezieht sich daraus, dass Blake nichts von Computern versteht. "Und was, wenn ich das nicht kann?" Da Blake eigentlich Freunde hat, scheint das etwas zu billig. Seine Besetzung dagegen ist interessant, Dave Johns mit seiner Glatze und seinem wenig markanten Gesicht ist so unscheinbar, dass man bald fuchsteufelswild werden könnte aus Unverständnis über seine Wahl als Titelrolle. Blake ist eben einer dieser Menschen, um die man als apathischer Bürger kein Aufsehen machen würde.
Nimmt man "Ich, Daniel Blake" als ausweglose Spirale im besten Sinne Kafkas, dann darf man den Film gern als gelungen und auch witzig bezeichnen. Nimmt man es als Sozialdrama, so versucht Regie-Urgestein Ken Loach aber lediglich, vergleichbar trostlose Werke an Trostlosigkeit zu überbieten.
Selbst für Synchro-Fans ist hier die Originalfassung ratsam, die deutsche Version wirkt gestelzt; im Original gibt es wundervolle Eindrücke vom nordenglischen Dialekt.
Dass "Doctor Strange" hie und da als "mystisch" bezeichnet wird, liegt vorwiegend daran, dass sich der Begriff des Mystischen in den vergangenen Jahrzehnten von seiner theologischen Herkunft abgekehrt hat und zu einem popkulturellen Was-auch-immer verwässert ist. "Mystisch" meint heute einen dunklen, nebligen Wald, wo ein Hund mit leuchtenden Augen "A-Uuuuh!" sagt.
Genauso beliebig ist auch alles, was "Doctor Strange" zu bieten hat. Nichts lässt sich dieser Geschichte über nepalesischen Parallelwelten-Hokuspokus an Essenz abgewinnen. Okay, es geht darum, dass man im Leben auch mal nett sein muss. Aber ansonsten ist dieser Film ein Abfeuern bunter Farben und symmetrischer Formen, das bis zum Ende konsequent durchgehalten wird. Marvel lässt da mit "Doctor Strange" nichts anbrennen und das ist auch der Grund, weshalb hier ein Film von hohem Unterhaltungswert geglückt ist. Anders als in den öden, teils farbentsättigten Materialschlachten sonstiger Marvel-Filme, wird hier immerhin etwas für das Auge geboten. "Doctor Strange" bläst seine ganze Ideenlosigkeit zu knalligen Effekten auf, ebenso schön wie nichtssagend. Und insofern ist man hier wenigstens ehrlich zu sich selbst. Nebenher sind Benedict Cumberbatch und Rachel McAdams sehenswert.
Ein richtig schöner Blödsinn - Und das ist als Kompliment zu verstehen.
Filme, in denen quasi nichts passiert, können einen manchmal richtig aggressiv machen. Bei "Paterson" ist das ein bisschen anders. Zum einen ist Regisseur Jim Jarmusch schon mal dafür bekannt, solch eine Kaffeepause von Film auf die Leinwand zu bringen, zum anderen ist diese Ereignislosigkeit der ganze Kern des Films. Im Kino wird von allen Extrema des Lebens erzählt, von Liebe, Lüge, Schmerz, Triumph und explodierenden Atombomben. Alles, was dazwischen liegt und was eigentlich weit mehr Platz im Leben einnimmt, hat normalerweise keinen Platz im Kino. Ein Filmabend dient ja oft dazu, dem Alltag zu entfliehen. "Paterson" zeigt nun wie ein Uhrwerk die tägliche Routine seines gleichnamigen Protagonisten (Adam Driver) in der gleichnamigen Stadt. Der ist auch nicht vorbehaltlos glücklich, vor allem die Beziehung zu seiner Frau Laura (Golshifteh Farahani) kam offensichtlich nicht durch das Topf+Deckel-Prinzip zustande. Doch Patersons täglicher Spaziergang mit Bulldogge Marvin wird zum Kleinod, sein Job als Busfahrer Anlass zur inneren Einkehr. Und vor allem das Schreiben von Prosagedichten füllt Patersons Leben aus. Nur so kann er zu allem Ja und Amen sagen, was ihm Laura an dollen Ideen und Einfällen (Cupcakes, Country, ausgefallene Kochkünste) an den Kopf wirft. Diese Genügsamkeit ist von weiter weg betrachtet geradezu zum Schreien komisch. Jim Jarmusch zeigt, wie sich Menschen in so einer Situation Inseln schaffen. Und, dass manche Beziehungen ein trauriges Bild liefern, wenn man den Sex ausklammert.
"Du machst jetzt mal Frühstück - Aber dass Du mir nichts anbrennen lässt!" "Ja, Tante Petunia."
Und 15 Jahre nach dieser Initialzündung liegt Daniel Radcliffe als "Manny" reglos am Strand, während Hank (Paul Dano) mit Strick am Hals dem Leben entsagen möchte. Doch die seltsamen Regungen der Harry-Potter-Leiche irritieren Hank - Innere Verwesungsgase suchen sich den Weg in die Freiheit und so gibt "Manny" obszöne Geräusche von sich. Aus Hanks anfänglicher Verwunderung wird eine - wenn auch total sinnlose - Idee.
Bei diesem Film darf nicht gefragt werden, ob das nun alles Traum, eine Halluzination in den letzten Lebensminuten oder doch Realität sein soll. Man darf nicht vergessen: Der Film zeigt das, was der Regisseur zeigen möchte. Und wenn eine sprechende Leiche zu sehen sein soll, dann kann es auch egal sein, ob sich jemand über Fantasie und Wirklichkeit hinter diesem Szenario Gedanken gemacht hat oder eben nicht. Und so hat man es hier mit dem "Schweizer Taschenmenschen" Manny zu tun, der mal als oraler Wasserspender, mal als fleischliche Axt dienen darf.
"Swiss Army Man" scheint von Hanks Rettung durch die Leiche Manny zu erzählen, mit der er sich aus einem abgelegenen Wald herauszukämpfen versucht. Doch nach und nach kommen Zweifel an der prekären Situation des (lebendingen) Protagonisten auf. Ist das hölzerne Dickicht nicht eher ein Refugium für Hank? Verweilt er nicht gar aus freien Stücken dort, weil er in der realen Welt nicht mehr zurechtkommt? Spricht er nicht deshalb zu Manny, weil er sich echten Menschen nicht zu stellen traut?
Dan Kwans und Daniel Scheinerts irrwitziger Trip ist nicht die erste gute Leinwandarbeit Radcliffes abseits von Hogwarts, aber die erste, die ihm die bösen Geister des Stigmas austreiben könnte. Neben den schönen Dialogen und tollen Ideen bleibt in erster Linie der pfiffige Soundtrack mit A-Capella-Elementen hängen. Ein Film über die Kunst des Es-Sich-Einfach-Machens, aber auch über den Lebens- und Lebensfreude-Erhaltungstrieb.
Der Trailer war vielversprechend, doch der Plot erinnerte schon in unheilvoller Weise an den schrecklich hüftsteifen Film "Das Mercury Puzzle", für den Bruce Willis 1999 eine Goldene Himbeere erhielt.
Im Gegensatz zu Harold Beckers Autismus-Thriller von damals traut sich die Buchverfilmung "The Accountant" aber etwas mehr zu. Das autistische Kind im "Mercury Puzzle" war nicht gleichzeitig Protagonist, nein, sein von Bruce Willis gemimter Beschützer musste diesen Part übernehmen. "The Accountant" verschmilzt die "interessante" Rolle mit der "tragenden" Rolle, sodass der unter dem Asperger-Syndrom leidende Christian Wolff (Ben Affleck) selbstständig die Leinwand beanspruchen darf. Menschen mit solch einer Entwicklungsstörung haben vor allem Probleme in der Kommunikation mit anderen Menschen, wissen Gestik und Mimik kaum zu interpretieren und neigen zu strenger Definition ihrer Alltagsroutine. Dem gegenüber stehen teils enorme Inselbegabungen. Einfach greifbare Emotionen und damit Identifikationsvermögen, wie in üblichen Hollywood-Filmen, sind von der Hauptfigur also nicht zu erwarten. Diese Distanz verleiht "The Accountant" etwas angenehm Kühles. Ben Afflecks Leistung ist aber durchwachsen - In Action-Szenen beweist er ein ausgesprochenes Talent für Understatement, in einigen ruhigen Szenen dagegen verwechselt er Unterspielung mit gelangweiltem Gucken. Seine Figur des Christian Wolff ist Buchhalter und arbeitet für verschiedenste Mafia-Organisationen, die seine Fähigkeiten im Umgang mit Zahlen nutzen. Als im Zuge eines Auftrags für die Prothesenfirma "Living Robotics" mysteriöse Begebenheiten und Gefahren Einzug halten, offenbart "Der Buchhalter" sein eigentliches Potential.
Ein wirklich erwähnenswerter Film hätte entstehen können, wenn der Fokus mehr auf Ben Affleck gerichtet worden wäre. Stattdessen tragen J.K. Simmons und die schauspielerisch limitierte Cynthia Addai-Robinson einen zweiten Handlungsstrang, dessen Twists man lieber auf den Ben-Affleck-Teil der Geschichte hätte überschreiben sollen. Dieser tatsächlich interessante Story-Pfad birgt nämlich all die witzigen Kameraeinstellungen, die man nach dem "Everything is in its right place"-Trailer erwartet hatte. Am meisten überzeugt der Schnitt in den teils recht brutalen Baller-Szenen, da dort gekonnt die schrulligen Eigenarten von Christian Wolff dem Blutrausch gegenübergestellt werden. Der Schluss hält einige einigermaßen krude Überraschungen parat, dank denen man aber wenigstens attestieren darf, dass Regisseur O'Connor ein Stück weit auf's Ganze gegangen ist.
Elektronische Musik und der Iran - Das klingt zunächst nach einem Kontrast und tatsächlich stuft die Regierung des vorderasiatischen Gottesstaats Techno als subversiv, weil viel zu westlich ein. Hiervon handelt die Doku "Raving Iran". Die beiden DJ's Anoosh und Arash geben dem wenig beachteten Problem in diesem Film ein Gesicht. Zwei ungemein sympathische, junge Typen, die im Geheimen agieren und sich jeden Tag auf einen Spießrutenlauf begeben. Welches Presswerk nimmt das Risiko auf sich, heimlich ihre CD's zu vollenden und an welchem Ort hört kein Anwohner, wenn eine Party steigt?
Veredelt wird "Raving Iran" von Anoushs und Arashs Klängen, die sich überraschend unaufgeregt in den auch ansonsten unaufgeregten Film einfügen. Aus den zum Teil wohl arrangierten Bildern spricht oft große filmische Poesie. Bei einer Techno-Party sieht man die Silhouette der zwei Musiker vor einem blau leuchtenden Hintergrund mit Stroboskop-Flackern, während sie ihr taktisches Vorgehen für die nächsten Tage besprechen. Als verblüffendste Eindrücke erweisen sich zunächst die immense Polizeipräsenz und die rigorosen Restriktionen für Musikschaffende in der Islamischen Republik Iran, allerdings ohne sich in Diskussionen zu etwaigen Zusammenhängen mit der muslimischen Religion zu verstricken. Wenn die Ahnungslosigkeit der Machthabenden zum Verbot der Spaßkultur führt.
"Raving Iran" verschiebt später den Augenmerk in Richtung der Frage nach Heimat und Loslassen. Die westliche Welt wird aus Sicht von Anoush und Arash so präsentiert, dass auch der westliche Zuschauer sie einmal als "Ausland" erleben darf. Selten hat man sich in den Bildern europäischer Städte so fremd gefühlt.
Per se ist nichts gegen vulgäre, flache oder grenzüberschreitende Witze zu sagen. Schlecht sind vor allem schlechte Witze. Und "Sausage Party" hat viele schlechte Witze. Die Grundidee ist erstmal nett. Ein Erwachsenen-Animationsfilm mit Lebensmitteln und Alltagsprodukten, die ihre wahre und erschütternde Bestimmung erst jenseits des Supermarkts erfahren dürfen.
Conrad Vernons Film ist in erster Linie auf Seth Rogens fruchtbarem Mist gewachsen. Insofern kann man sich vorstellen, dass "Sausage Party" nichts auf Konsumkritik und Debatten um Massentierhaltung gibt, entgegen dem ersten Impuls beim Lesen des Handlungsabrisses. Die Komödie schlängelt sich recht geschickt an entsprechenden Diskursen vorbei und dadurch wirken all die hohlen Späße rund um Sexorgien, Mord und Heroin befreiend. Dieses Potential wird leider zu wenig ausgeschöpft. So richtig derb geht es letztendlich doch nicht zur Sache, die vielen Beleidigungen sind ein einziges fades Gähnen und unnötigerweise wird der Konflikt um Hass zwischen Moslems und Juden in plumper Metaphorisierung eingebaut. Durch solche Maßnahmen ist "Sausage Party" im Nachhinein kaum der Rede wert - Ein Stück mehr Sinnentleertheit hätte dem Film gut getan.
"Findet Nemo" erzählte 2003 von Verlustängsten, Familie und Selbstüberwindung. "Findet Dorie" erzählt nun vor allem von "Findet Nemo". Alte Witze werden aufgewärmt und variiert; Gleiches gilt eigentlich auch für das ganze Grundgerüst der Geschichte. Storyelemente von damals, die dem Voranbringen der Erzählung dienten, werden jetzt unnötig hinterfragt und durchgekaut.
Die an Gedächtnisschwund leidende Dorie lebt inzwischen (im Film ist seit Nemos Verschwinden erst ein Jahr vergangen) mit den beiden Clownfischen im Korallenriff Seit an Seit. Der plötzliche Schimmer einer Erinnerung lässt die Fischdame an ihre Eltern zurückdenken, die sie einst verlor. Die drei Helden machen sich bald darauf auf den Weg, Mama Doktorfisch und Papa Doktorfisch zu suchen. Bis Nemo und Marlin auch Dorie verlieren und die Reise in ein riesiges Aquarium führt.
Die beiden orangefarbenen Protagonisten des ersten Teils wirken hier wie notgedrungen ins Drehbuch mit hineingeschrieben. Unlogische Szenen stören - Nemo springt trotz verkümmerter Seitenflosse von Aquarium zu Aquarium und das mehrfach hintereinander. Es sind Stellen, da "Findet Dorie" wie ein überholtes Computerspiel anmutet. Ganz anders verhält es sich mit Dorie. Ihr Teil der Geschichte wurde gekonnt zusammengebastelt, selbst ihr kleines "Memento"-Problem lässt ihre Odyssee nicht sperrig erscheinen. Das liegt auch an den kreativen Helfern, denen sie über den Weg läuft. Krake Hank, Walhai Destiny und der Beluga-Wal Bailey bringen mit schrulligen Sonderlichkeiten Klein und Groß zum Lachen. Hinzu kommt die etwas verwirrte Seetaucherin Becky, die Nemo und Marlin ans Ziel fliegen soll. Unerfreulicherweise wird es zum Schluss kitschig und sabbernd - Einem "Kinderfilm" würde man das verzeihen. Doch gestandenen Fans gegenüber sollte man einen Pixar-Film besser nicht als eben genannten bezeichnen.
Der traditionelle Pixar-Kurzfilm nennt sich im Jahr 2016, also dem Jahr von "Findet Dorie", "Piper". Piper ist ein jüngst geschlüpfter Strandläufer-Piepmatz, der lernen muss, inmitten von Sand und Salzwasser nach Nahrung zu suchen. Ein Coming-of-Age-Film mit Vögeln also. Beeindruckend an diesem Werk ist die noch einmal übertroffene Brillianz der Realitätsnachahmung. Die Bewegung der erwachsenen Vögel beim Ausweichen vor den Wellen ist verblüffend organisch, eine stark begrenzte Tiefenschärfe suggeriert die Verwendung echter Kameras und unter Wasser legt man jetzt sogar Wert auf das Aufwirbeln von feinkörnigem Sand. Die echte Natur braucht also auch bald keiner mehr. Super, ihr Poser!
Oliver Stones "Snowden" setzt im Jahr 2004 ein, legt hierbei gut los und profitiert davon, dass sich damals noch die wenigsten derartige Gedanken über Netzüberwachung machten, wie es heute der Fall ist. Polit-Thriller sind nämlich immer dann am spannendsten, wenn sich die Konflikte zwischen wenigen erlesenen Figuren zutragen und wenn dadurch ein Hauch von Geheimniskrämerei vermittelt wird. Mit der Zeit entwickelt sich "Snowden" aber zu einem Film, der sehr weit ausholt und die globalen Zusammenhänge betreffs Überwachung auch gut entknotet, der aber auch nichts wirklich Neues erzählt. Hat der Durchschnittsmensch wirklich "nichts zu verbergen"? Geht es wirklich um die nationale und internationale Sicherheit? Diese Fragen beantwortet Stone wieder einmal aufopferungsvoll, doch es gelingt ihm nicht, eine konspirative Atmosphäre zu erschaffen, wie es noch in "JFK" bravourös glückte. Anders als bei "Citizenfour" entschied man sich nicht für eine Doku, sondern für die Form des Spielfilms, aber in Sachen Einfallsreichtum fehlen die Zugeständnisse an dieses Medium. Joseph Gordon-Levitt als Snowden und Shailene Woodley als seine Freundin geben sich Mühe, Nicolas Cage und Rhys Ifans stechen durch Extravaganz hervor. Die Inszenierung bietet derweil viele alte Hasen. Daten-Traffic wird in Form eines animierten Kabelsalats veranschaulicht und die Größe vom "Big Brother" zeigt sich, indem er Snowden von einem gigantischen Bildschirm aus anglotzt. Dazu fürchterlich pathetische Musik - Dieser Film wirkt leider wie ein Prospekt zum Thema: "Schütz Dich im Netz!"
Am 10. April 1970 gab Paul McCartney die Trennung der Beatles bekannt; tags darauf startete in Cape Canaveral eine Raumfahrtmission unter dem Titel "Apollo 13". Regisseur Ron Howard war damals 16 Jahre alt und muss die Ereignisse aufmerksam verfolgt haben. Nachdem er die missglückte Reise zum Mond 1995 spektakulär verfilmte, widmet er nun auch der Band von den Pilzköpfen einen Streifen. Der Titel "Eight Days a Week" ist eigentlich der Name eines Beatles-Song von 1964, der von einer innigen Liebe erzählt. In dieser Dokumentation hat er eine andere Bedeutung: Die Woche von John, Paul, George und Ringo hätte zwischen 1962 und 1966 vierundzwanzig zusätzliche Stunden gut vertragen können, um den Touring-Stress mit allem Drum und Dran unterbringen zu können. Von dieser Zeit erzählt Ron Howards Film, von kreischenden Mädchen, unliebsamen Journalisten, religiösem Eklat, aber auch dem Zusammenhalt der vier Jungs. Neue Aufnahmen und sensationell herausgeputztes Bild- und Tonmatarial lassen Fan-Herzen höher schlagen. "Eight Days a Week - The Touring Years" ist eine Schnipseljagd, vollgepackt mit Interviews berühmter Beatles-Liebhaberinnen und -Liebhaber, mit Kommentaren der Pilzköpfe selbst und ihrer Begleiter. Nachvollziehbar kristallisiert sich heraus, weshalb die Beatles in den letzten vier Jahren nur noch ein Konzert gaben - Die Fan-Hysterie hatte überhandgenommen; der künstlerische Anspruch kam zu kurz. Nicht vorhersehbarer Ärger in fernen Ländern tat sein Übriges: 1966 kam es zu Protesten und Morddrohungen, als die Band in der Tokioter Kampfsporthalle "Budōkan" auftrat - Das Konzert wurde als unehrenhafte Zweckentfremdung der Wettkampfstätte empfunden. Die Bild-Montage wirkt wie aus einem Guss und wem das nicht reicht: Nach dem Abspann zeigen die Kinos einen 30-minütigen restaurierten Ausschnitt der Dokumentation "The Beatles at Shea Stadium", welcher ihr berühmtes New-York-Konzert vom 15. August 1965 wiederaufleben lässt.
Dokumentationen wie diese gibt es in letzter Zeit reichlich. Kurt Cobain und Amy Winehouse wurden bereits im letzten Jahr ähnlich gewürdigt - jedoch nicht ohne reichlich Verklärung und Sentimentalität. Dieser Beatles-Doku tut es da gut, dass nicht von tragischen Begebenheiten erzählt werden muss, die den typischen Filmemacher bloß zu mystifizierendem Humbug verleiten. Allerdings ist die Machart reichlich bekannt. Wo keine bewegten Bilder vorliegen, werden in Fotos digital Vorder- und Hintergrund zerteilt und jeweils in Bewegung versetzt, um einen Raumeffekt zu erzeugen. Der Reiz des Films liegt zu 80 Prozent im nostalgischen Dahin-Schwelgen. Das sei aber bei der berühmtesten Band aller Zeiten ruhig gestattet, zumal Paul McCartney Anfang des Jahres nicht zu einer Grammy-Party durfte, weil ihn der Türsteher nicht kannte und offenbar für einen Hochstapler hielt. Da ist etwas Wissens-Auffrischung dieser Tage wohl angebracht. Allerdings werden in den nächsten Jahren weitere solcher Filme folgen, bis sich der Stil totgelaufen hat. Also nicht erschrecken, falls demnächst auf Plakaten für Filme geworben wird wie: "Kurt lebt! Die wilden Jahre des Frank Zander", "Alter Schwede - Rednex und die 90er" oder "Barbra Streisand - Der beste Mensch der Welt".
Schriftsteller Wolfgang Herrndorf schrieb im Juni 2011, mehr als ein Jahr nach der Diagnose seines Hirntumors per Blog-Eintrag, er habe "Briefe von Schülern einer Frankfurter Schule gelesen, die als Hausaufgabe ein eigenes 'Tschick'-Kapitel schreiben mussten und einen Brief an den Autor." Und weiterhin: "Wie ich das gehasst hätte in der Neunten. [...] Briefe an irgendwelche Idioten schreiben. [...] Aber alle ziehen sich wie ohne Mühe aus der Affäre, auch die beiden Rüpel aus der letzten Reihe." Herrndorf hatte ganz gut Ahnung davon, wie junge Pubertierende ticken und davon profitiert auch Fatih Akins Verfilmung von "Tschick".
In zeitgemäß schicken Bildern schildert die biedere Inszenierung eine Lada-Odyssee der beiden 14-Jährigen Maik und "Tschick" hinein in den Sommer und heraus aus dem frustrierenden Schuljahr. Von einer schrulligen Situation zur nächsten hangeln sich die zwei hin zum Erwachsen-Werden. Solche Filme kennt man, genauso wie die zahlreichen Dialoge über "Parallelwelten beim Anblick des Sternenhimmels" und das vereinbarte "Wiedersehen an selber Stelle in 50 Jahren". Vor allem ist fraglich, ob das vermeintliche Zielpublikum - inzwischen ja vorwiegend aus Jahrgängen des 3. Jahrtausend stammend - die Komik hinter Richard Claydermans "Ballade pour Adeline" verstehen kann. Doch es macht Spaß, die Geschichte der beiden mit dem Hauch des Verbotenen mitzuverfolgen. Denn Akin platziert die hochsommerliche Atmosphäre gut auf der Leinwand, entnimmt bestimmte Situationen gekonnt dem typischen Alltag junger Menschen und lässt das Publikum ein halbes Dutzend Mal herzlich schmunzeln. Wohlfühl-Kino.
Nur ein Fatalist würde die Logikfehler in "Don't Breathe" als "Zugeständnisse an das Genre" bezeichnen. Der überwältigenden Spannung in Fede Alvarez' Horror-Thriller tun jene Plot-Holes allerdings überhaupt keinen Abbruch. Viel zu greifbar wirkt das Grund-Szenario, viel zu abwechslungsreich ist die Wahl der Bilder, viel zu räumlich gelingen die Toneffekte, als dass es dem unheilvollen Vergnügen einen Abbruch täte.
Wer als Cineast schon einmal Fotos verlassener Gebäude im maroden Detroit gesehen hat, etwa der ebenso gigantischen wie kirchenstillen Michigan Central Station, dem muss es vermutlich als perfekte Filmkulisse vorgekommen sein. "Don't Breathe" setzt "Amerikas gefährlichste Stadt" mit ihren verkommenen Häusern inmitten nahezu menschenleerer Umgebung meisterlich in Szene und lässt diese Einsamkeit mit in den Film einfließen.
Ein Trio aus halbstarken Einbrechern wittert in der heruntergekommenen Bleibe eines blinden Kriegsveteranen das große Geld und steigt nachts durch seine gut gesicherten Fenster. Drei Dinge haben sie dabei nicht auf der Rechnung: das gute Gehör des Blinden, seine Entschlossenheit im Ernstfall und seine dunklen Geheimnisse.
Ohne lange zu fackeln, werden die Figuren eingeführt, die Ausgangssituation erklärt und schon geht es los. Im Haus des Blinden schwenkt die Kamera über Objekte, die vielleicht noch eine entscheidende Rolle spielen werden. Es ist einer dieser Filme, bei denen zunächst unscheinbare Details schließlich ineinander greifen, in denen mysteriösen Momenten der anfänglichen Minuten erst im Verlauf des Geschehens eine Bedeutung zukommt. Und es ist finster, klaustrophobisch, unangenehm. Der Zwang, keinen Mucks von sich zu geben, überträgt sich bis auf den Zuschauer. Das funktioniert so gut, weil es hier mal keinen Hokuspokus gibt, sondern einen lediglich menschlichen Antagonisten - Jeder weiß, was er kann und was nicht. So kann man sich in die meisten Situationen bloß allzu gut hineindenken. Zum Unbehagen trägt auch bei, dass die vermeintlichen "Helden" gleich zu Beginn mittels eines anderen Einbruchs "Schuld" auf sich laden. Den Zuschauer, der sich in diese Kriminellen später unweigerlich hineinversetzen wird, beschleicht dadurch ein unangenehmes Gefühl. Nämlich, dass der Film in Person des Blinden vermutlich kein Erbarmen mit ihnen haben wird. Es sind Figuren, denen die Öffentlichkeit keine Träne nachtrauern wird. Als es dann ernst wird, nehmen lange Einstellungen zu, während Zeitsprünge und somit ein emotionales "Entkommen" des Kinobesuchers nicht zu erwarten sind. Die Subjektivität der Erzählperspektive resultiert in drückende Spannung.
Völlig irre wird es dann zum Schluss. [SPOILER!] In den letzten Bildern des Blinden spricht dieser eine Drohung aus, ohne selbst ein Wort zu sagen, ohne bei Bewusstsein zu sein und ohne sich in der Nähe des Adressaten zu befinden. Auch wer ihm entwicht, der wird ihn doch nicht mehr los.
Mit bereits im Trailer erkennbarer Stilsicherheit und zwei der besten Schauspieler dieser Tage erweckt Derek Cianfrances "The Light Between Oceans" im Vorfeld große Neugier. Dieses Durch-Und-Durch-Drama über gut gemeinten Kindesraub weiß sich jedoch in seiner Sentimentalität kaum zu mäßigen.
Der Eheschluss zwischen Leuchtturmwärter Tom (Michael Fassbender) und der schönen Isabel (Alicia Vikander) markiert, zusammen mit dem anschließend nicht erwiderten Wunsch nach einem gemeinsamen Kind, die schleppende, rund 45-minütige Exposition des Films. Die Geschichte hievt sich vom Ende des 1. Weltkriegs hinein in die Zwanziger Jahre. Adam Arkapaws Kamera vertrödelt die Zeit dabei allzu oft mit rauen, spannenden, aber ebenso glatt polierten Landschaftsaufnahmen der australischen Küste. Alexandre Desplats klangschöne, aber schmalzige Musik quillt wie der süße Brei aus allen Ecken. Daran wird sich auch im weiteren Verlauf des Films nichts ändern, doch als eines Tages ein einsames Baby in einem Boot am Leuchtturm angespült wird, baut sich ein interessanter Konflikt auf und die Dialoge werden erstmals schön zwieträchtig. In ihrer Abgeschiedenheit können Tom und Isabel frei entscheiden über das Schicksal des Kindes. Das Szenario lässt scheinbar kaum Risiken zu, wenn es darum geht, das Baby als das eigene auszugeben. Und somit steht im Mittelpunkt des Geschehens vor allem die Gewissensfrage.
Genau genommen ist "The Light Between Oceans" aber ein Film über Entmündigung und deren Folgen. Die Geschichte fällt in eine Zeit von klaren Rollenzuweisungen zwischen Mann und Frau und daran krankt auch die Ehe zwischen Tom und Isabel. [SPOILER!] Im Glauben, das Richtige zu tun, entmündigt Tom seine Frau Isabel durch die alleinige Entscheidung, das Kind der leiblichen Mutter zurückzugeben. Isabel rächt sich allerdings an Tom, indem sie ihrerseits über dessen Kopf hinweg über sein Schicksal entscheidet. Und auch der Kindesraub, mit dem alles seinen Anfang nahm, stellt eine Entmündigung der leiblichen Mutter und des Kindes dar. [SPOILERENDE] Am Schluss scheint das Leben von vier Menschen verwirkt, die Tat des Ehepaars hat nur Unglück gebracht. Aber nein! So dürfe der Film dann aber doch nicht enden und in gehabt kitschiger Abenddämmerungs-Bildsprache geleitet Derek Cianfrance seinen Film ins Ziel. Die aufopferungsvollen Darbietungen von Fassbender und Vikander sind da eher vergebene Liebesmüh.
Satirisch nahm Sidney Lumet vor 40 Jahren die Medienlandschaft in seinem Film "Network" aufs Korn. Mit verkümmerter Arbeitsethik und ohne Moral gingen die von Robert Duvall und der wunderbaren Faye Dunaway gespielten Charaktere auf eine Weise vor, die stark übertrieben und schwer vorstellbar schien. Blickt man jedoch auf das, was in Deutschland zwölf Jahre später passierte, das "Geiseldrama von Gladbeck", so wirkt es prompt nicht mehr so überzeichnet.
"Network" handelt aber von mehr als nur krankem Fernsehen. Es geht um den Einfluss des Kapitalismus, der selbst den Kommunismus infiltriert. Es geht um süchtig machende Scheinwelten. Und um Macht durch Selbstkritik. Als der verrückt gewordene Nachrichtenmoderator Howard Beale in seiner Sendung den eigenen Kanal verteufelt, schießen die Quoten in die Höhe. UBS, sein Sender, macht sich scheinbar von allein angreifbar, den Zuschauern vermittelt Beale jedoch das Gefühl, mit seiner Sendung eine ungeschminkte Wahrheit zu erhalten. Eine, die jede andere Informationsquelle unnötig macht. Ein gefährlicher Trugschluss, wie so vieles in diesem Film.
Peter Finch spielte jenen Howard Beale, starb kurz darauf im Alter von 60 Jahren an Herzversagen und erhielt posthum den Oscar als "Bester Hauptdarsteller". Das ist Vielen bekannt, bemerkenswert ist aber auch die Nominierung für Nebendarsteller Ned Beatty, der einen einzigen Tag für diesen Film arbeiten musste. Beatrice Straight ist nur 5 Minuten und 2 Sekunden im Film zu sehen, was ihr einen Oscar als "Beste Nebendarstellerin" einbrachte. Die große Bedeutung ihrer kurzen Rolle als betrogene Ehefrau Louise des Nachrichtenchefs Max Schumacher wird erst im Nachhinein deutlich. Zwar degradiert sie der Film durch wenig Screentime zum perfekten Stereotypen einer aufs Abstellgleis gesetzten, langweiligen, alten Frau. Louise nimmt diese Rolle aber nicht an, sondern füllt ihren kurzen Auftritt mit soviel Menschlichkeit und Haltung aus, dass der reumütige Mann den wahren Wert des "echten" Lebens abseits des Fernsehens, sprich den Wert seiner Ehe, erkennen wird. Gespielt wurde dieser wiederum von William Holden, der zusammen mit Faye Dunaway die beeindruckendsten Parts in diesem schauspielerisch durch und durch überwältigenden Film hinlegte.
Nach zahllosen Statistik-Vergleichen zwischen Hai-Unfällen und herunterfallenden Kokosnüssen sollte die Mär vom menschenfressenden Knorpelfisch wohl inzwischen getilgt sein. "The Shallows" von Jaume Collet-Serra lässt das Trash-Genre (mit dem Hai als typisches Aushängeschild) gegen die mittlerweile omnipräsente Werbefilmästhetik aufeinanderprallen. Diese beiden Phänomene scheinen zwar herzlich wenig miteinander zusammenzuhängen, aber gehören doch beide zu den dominantesten Beobachtungen der aktuellen Popkultur. Das Bedürfnis, ein "Lebensgefühl" in Form eines riesigen Reiseprospekts auszudrücken, auf der einen Seite und der Reiz am Misslungenen, Schäbigen auf der anderen Seite. So taucht in "The Shallows" ein leuchtender Quallenschwarm auf, der genauso gut Teil einer Smartphone-Werbung sein könnte. Video-Gespräche per Mobilgerät werden auch praktischerweise direkt neben Hauptdarstellerin Blake Lively auf die Leinwand projiziert und fügen sich somit in die vermeintliche Ästhetik perfekt ein. Hinzu kommen der traumhafte Strand mit grünen Hügeln dahinter, die schönen Menschen und das azurblaue Wasser. Der schöne Schein kollabiert, sobald der hungrige Trash-Hai auf die Heldin trifft. Damit einhergehend wird es nämlich nun schön abstrus, "The Shallows" schaltet auf Survival-Thriller und Blake Lively muss mit dem Wenigen, das ihr auf einem Quadratmeter Insel zur Verfügung steht, auskommen. Da beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass an diesem Film mit seinen fantastischen Naturbildern grundsätzlich etwas faul sein müsse. Jaume Collet-Serra verliert im Laufe des Films alle Hemmungen, sich die Hände in Form unlogischer Wendungen, übertriebener Schockeffekte und kleinerer Klischees schmutzig zu machen. Das macht diesen ab 12 Jahren freigegebenen Film zu einem unfreiwillig ehrlichen, ja geradezu genialen Film. Da war es nicht die blödeste Entscheidung, mit Blake Lively eine gute Darstellerin und mit Marco Beltrami einen kundigen Komponisten zu werben.
Wer in diesem bisher eher schwachen Filmsommer einmal tolle Schauspieler, spritzige Dialoge, einprägsame Bilder und tolle Wohlfühl-Unterhaltung möchte, dem sei der Aussteiger-Film "Captain Fantastic" wärmstens ans Herz gelegt. Eine wirkliche Erkenntnis bietet der Film von Matt Ross jedoch nicht, der diese Mangelerscheinung mit atmosphärischen Klängen zu überlächeln versucht.
Viggo Mortensen spielt den im Wald mit seinen 6 Kindern lebenden Ben - zurückgezogen vom Rest der Welt. Täglich stehen Weltliteratur, politische Bildung und körperliche Ertüchtigung für die Kleinen auf dem Plan. Natürlich nicht ohne den entsprechenden Kommentar des Vaters zu kritischen Themen - Unter Ablehnung von "organisierter Religion", Anbetung des Kapitalismus- und Globalisierungskritikers Noam Chomsky und Aufhebung von Tabuthemen werden die Kinder großgezogen. Zwecks der Jagd von Tieren gehören auch Waffen zum Inventar der Kleinen und das Verletzungspotential beim Klettern und Kraxeln wird vom Vater in Kauf genommen. Einst gehörte auch Mutter Leslie zum Ensemble, doch nun ist sie verstorben. Schlimmer noch: Bens Schwiegervater macht ihn für den Tod der Frau verantwortlich, droht mit Verhaftung, falls er auf der Beerdigung erscheine. Entgegen den unheilvollen Aussichten bricht Ben mit den Kindern auf.
Die Unterschiede zwischen Zivilbevölkerung und Aussteigern wird fabelhaft ausgemalt - Körperfülle, Computerspiele, Markenschuhe, der Umgang mit dem Tod und die Konventionen der Liebe veranschaulichen viele Differenzen. Matt Ross legt sowohl Vor- als auch Nachteile des Sich-Zurückziehens auf die Waagschale. Die knisternden Diskussionen halten bei der Stange, vor allem aufgrund des facettenreichen Viggo Mortensen und des herrlich sonderlichen George MacKay. in so mancher Szene wechseln schnelle Schnitte zwischen vier verschiedenen Gesichtern hin und her und jedes Antlitz repräsentiert anhand der gezeigten Emotionen eine ganz eigene Sichtweise auf die Gesamtproblematik. Im Wald bleiben oder zur Zivilisation zurückkehren? Eine Entscheidung muss her, doch der Film wird nun viel zu vage. Weder zur einen, noch zur anderen Variante bekennt er sich richtig, vermeintliche Totschlagargumente wirken floskelhaft. Konsequent wäre es demzufolge gewesen, eine Hin-und-Her-Gerissenheit in den Vordergrund zu stellen, doch auch das geschieht nicht, sondern wird einfach durch freudige Musik erdrückt. Den Konflikt um Bens ältesten Sohn Bo, der studieren könnte, umgeht "Captain Future" schließlich ähnlich lasch, wie es schon der Animationsfilm "Madagascar" mit seinem Fleischfresser-Dilemma tat. [SPOILER!] Zum Schluss sitzen Vater und Kinder, inzwischen auf einem Bauernhof in Reichweite der übrigen Menschheit lebend, am Frühstückstisch. Ben isst die zuvor noch von seiner Ehefrau verteufelten Cornflakes, die Kinder erwarten den Schulbus. Es ist eine stille, wortkarge Szene, die Eintracht und Selbstfindung ausdrückt. Hätte man diesem letztendlich recht konservativen Bild einer US-Familie eine zynische Musikuntermalung entgegengesetzt, wäre der Film auf einen Schlag bedeutend besser geworden. Meine Vorschläge lauteten: „American Idiot“ von Green Day oder das penetrante „Walk of Life“-Intro von den Dire Straits.
Nach der Veröffentlichung des Horror-Langfilms "Lights Out" liest man immerzu verhaltene Kritiken betreffs ausgelutschter "Huch!"-Momente und der bemühten Ausdehnung einer winzigen Idee auf die Länge eines abendfüllenden Films.
Warum also nicht einfach die gleichnamige Kurzfilm-Vorlage aus dem Jahr 2013 anschauen? Die dauert nicht einmal 3 Minuten und ist auf Youtube zu finden. Lehrbuchreif wird darin veranschaulicht, wie sehr Horrorfilme von gutem Schnitt, durchdachter Kamera, der szenischen Komposition und vor allem Timing abhängig sind. Die Grundidee eines Monsters, das nur bei ausgeschaltetem Licht sichtbar wird, macht deutlich, dass es nicht ohne einen gewissen Neuwert funktioniert. Die beiden "Conjuring"-Filme haben bewiesen, dass auch jenseits der 90-Minuten-Marke solch lichte Kinoerlebnisse möglich sind. Im Kurzfilm "Lights Out" erspart die Kürze darüberhinaus aber auch verstiegene Erklärungen zum Unheil, sodass die Illusion nicht gestört wird. Sehenswert!
Eine Faschingsfeier im Januar 2016: Ich stehe in einem Alexander-Marcus-Kostüm mit diversen Gläsern Pfeffi und Waldmeister intus vor dem Eingang zur Herrentoilette und frage einen fremden Kerl: "Wird es Jared Letos Joker mit Heath Ledger aufnehmen können?" Der Kerl hat mir vermutlich geantwortet, man werde "Suicide Squad" überhaupt nicht mit "The Dark Knight" vergleichen können, vielleicht wusste er auch gar nicht, wovon ich überhaupt sprach. Ich erinnere mich nicht mehr so genau und das ist mir seit gestern auch völlig egal - Nachdem das Internet im Juli 2015 den First-Look-Trailer von David Ayers "Suicide Squad" bejubelte, stellt sich der 14-monatige Hype nun als Irrtum heraus.
Das "Selbstmordkommando" besteht aus einer Reihe von Bösewichten mit Superkräften, die nun im Auftrag der US-Regierung zur Bekämpfung anderer Übeltäter eingesetzt werden und denen dadurch Strafmilderung versprochen wird. "Feuer mit Feuer bekämpfen" - Die Macher wollen der "Beugung des Gesetzes im Angesicht einer Bedrohung" ein sympathisches Antlitz geben. Bloß gut, dass das nicht sonderlich gut gelingt. Beginnend mit einer telefonbuchartigen Figurenexposition und einem blödsinnigen Ausgangskonflikt, stellt sich schnell heraus, wo das Hauptproblem bei diesem scheppernden Action-Fleischklops liegt. Sollte der Film je Potential gehabt haben, so haben es die Cutter kaputt getreten. Ja, dies ist vielleicht einer der am schlechtesten geschnittenen Filme seit langem. Die Sprüche sind oft Pointen ohne Witze, nachträglich eingefügte Ruckeleffekte lassen jeden noch so hoffnungsvollen Moment versiffen und alles wurde mit den Superhits der 60er, 70er, 80er und dem Dreck von heute überfrachtet, damit "Suicide Squad" auch ja stilprägend wird. Viele dieser Songs können einem leidtun, ohne Sinn und Verstand quetschte man sie in die wechselweise hektischen und langweiligen 130 Minuten hinein. Doch auch bei besserer Post-Production hätte man hier nicht endlos viel herausholen können. Blödsinn ist immer noch Blödsinn, auch wenn er aus dem Mund von Viola Davis kommt. Sonderlich viel Neues vermag David Ayer nicht zu zeigen, lediglich das Spiel mit den Farben lässt sich sehen. "Suicide Squad" wirkt darüber hinaus aber wie eine TV-Produktion, die einen auf Hollywood macht.
Regisseurin Mia Hansen-Løve, Tochter einer Lehrerin für Philosophie, schuf mit "Alles was kommt" ein wahres Plädoyer für das Studium der "Liebe zur Weisheit". Eine famose Isabelle Huppert spielt darin die, welch Zufall, Philosophielehrerin Nathalie, die mehrere Schicksalsschläge schultern muss. Die Hauptfiguren werden somit auch teilweise durch die Wahl ihrer Lektüre charakterisiert. Ihr Mann Heinz liest Karl Kraus, welcher nicht zuletzt einmal schrieb: "Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben." Nathalies Lieblingssschüler Fabien will dem Kapitalismus an den Kragen und erörtert Horkheimer. Sie selbst denkt nicht an einen radikalen Umbruch, sondern sieht den Reiz der Philosophie vor allem in der Vermittlung logischen Denkens. Nathalies Glaubensdefinition drückt sich in den Worten von Blaise Pascal aus, Rousseau bringt auf den Punkt, wie sie es schafft, alle Tragödien aufrecht zu überstehen.
So furchtbar aufregend wird "Alles was kommt" dadurch nicht, denn es ist einer dieser Filme mit einem Nachgeschmack à la "Was, das war's?" Aber unter den vielen Filmen dieser Art ist es der, dem man es nicht übel nimmt. Dieser Hauch von "Nix passiert" gehört nämlich zur Botschaft. [SPOILER!] Am Ende feiert Nathalie mit ihrer Familie Weihnachten, ist mit sich im Reinen und der Zuschauer merkt: Die Krise ist überstanden, ohne dass der Tiefpunkt wirklich tief war. Denn: Das Studium der Philosophie ist kein Quatsch, sondern hat Nathalie auf alles, was das Leben als solches ist, ausreichend vorbereitet.
"Akira" von 1988 brachte dem Anime-Genre aus dem "Land der aufgehenden Sonne" zugleich Begeisterung und Ablehnung in Europa und Amerika ein. Denn zur Rezeption dieses japanischen Trickfilms bedient man sich hierzulande immer wieder einer überraschenderweise englischen Redewendung: "What the fuck!"
Wie ist also dieser krude Film zu verstehen? Auffällig an den Internet-Besprechungen zu Katsuhiro Ôtomos "Akira" ist die große Zahl völlig unbrauchbarer Beiträge. Hie und da versteckt man sich hinter der dystopischen Bildgewalt und beruft sich darauf, dass einen der Film eben einfach in den Bann gezogen habe. Das ist auch legitim, aber die vielen Eindrücke voller Symbole und seltsamer Dialoge, voller sperriger Passagen und wenig naheliegender Wendungen schreien förmlich nach einer höheren Intention - Also weitersuchen. In einem Internet-Forum fragt ein Nutzer nach der Bedeutung der Schlusssequenz und holt sich erstmal lediglich den Rat ein, Animes wegen seiner voreingenommen ablehnenden Haltung nicht weiter zu konsumieren und den Hinweis, der Film sei ohne die Comic-Vorlage sowieso nicht zu verstehen. Gut sei der Film dennoch, nur das "Weshalb" fällt scheinbar unter gut behütetes Exklusiv-Wissen.
Bei Youtube findet sich eine Kritik, die fast sämtliche inhaltliche Details auslässt, schließlich könne jeder Interpretationsansatz Überraschungen verhageln. Dort lässt man stattdessen einfach den Zuschauer auf die am Ende erfolgende Bestwertung mit Abstrichen vertrauen. Urteil: Der Film sei nach zweieinhalb Jahrzehnten immer noch anschaubar (was man von diversen Schwarzweiß-Stummfilmen aus dem selben Jahr wie "Rain Man" oder "Stirb langsam" bekanntlich nicht behaupten kann), nur die Geschichte sei verwirrend und anstrengend. Ansonsten sei "Akira" packend und einfach schön.
Worauf will ich hinaus? So, wie die Worte "Akira" und "Meisterwerk" oft in einem Satz genannt werden, stimme ich diesem Urteil vor allem in einer Hinsicht zu. "Akira" schafft es meisterhaft, der modernsten und neuesten Form von Filmrezensionen ein Bein zu stellen. Möglichst nicht spoilern, deshalb auch keine Einzelszenen besprechen, nur sagen, ob und warum einem der Film gefallen oder nicht gefallen hat. Letzteres aber auch nur anhand einer vorgefertigten Liste an Kriterien - So, als bedürfe "Die Bourne Identität" einer Einzelnotenvergabe zum Kostümdesign. So, als ob der minimalistische Soundtrack von "Dead Man Walking" wichtiger wäre als die Botschaft des Dramas und somit dessen Bewertung ruinieren müsse. So, als ob "Vor der Morgenröte" nichts taugte, weil er nicht unterhaltsam sei.
Und in diesem Sinne kommen dann Kritiken zustande, die "Akira" als einen "Film wie jeder andere" darstellen mit Pros und Contras. Ein "packender" Film? Dieser Anime mit seinen mies entwickelten und unsympathischen Hauptfiguren soll also "packend" sein? Der Film sei "gut", obwohl er ohne die Manga-Vorlage nicht zu verstehen sei, also als eigenständiger Film gar nicht funktioniere?
Bei "Akira" kommt man eben nicht umhin, auch die Bedeutung des Gezeigten zu hinterfragen und sich mit dem zeitgenössischen und regionalen Hintergrund zu befassen. Dieses Werk ist nämlich so vollgepackt mit Symbolik, Metaphern, Allegorien, dass die Bedeutung des ansonsten nur optisch genießbaren Films von der Essenz dieser Bilder abhängen m u s s. Und danach kann man dann auch offen zugeben, dass das eigentlich ein "Kackfilm" sei - wenn man denn so will. Folgt man traditionell gehaltenen Kritiken und Besprechungen, so verhält es sich mit diesem Trickfilm dann auch weitaus erkenntnisreicher.
Obgleich im Jahr 2019 nach dem 3. Weltkrieg im wiederaufgebauten Tokyo spielend, hat die in "Akira" gezeigte Welt mehr vom Japan der 80er Jahre, als man zunächst denkt. "Europa kommt unter die Räder," titelte "Der Spiegel" am 21. Juli 1980 - Japan war zum weltweit führenden Automobilhersteller aufgestiegen. Gegenüber der robusten Wirtschaft stand aber immer noch das nie überwundene Atombomben-Trauma. Die Verarbeitung der Ereignisse von '45 - Schwierig im Land der steten Höflichkeit, der unerbittlichen Bewahrung des Gesichts. Kein Wunder eigentlich, dass Regisseur Ôtomo Zusammenhänge zwischen seinem Film und Hiroshima stets abstritt. Genau dieser Konflikt, zwischen Wirtschaftsaufschwung und Kriegshölle, zwischen Schöpfung und Vernichtung wird zentral thematisiert und ins Absurde geführt. Ôtomo verknüpft beides eng miteinander, er malt den Teufel förmlich an die Wand. In "Akira" resultieren Zerstörung aus Schöpfung und andersherum. Im Konkreten äußert sich das in schiefgegangenen Wissenschaftsexperimenten bzw. dem Erreichen von Paralleluniversen. Dieser Anime darf somit als Versuch verstanden werden, den Sinnkonflikt im Japan des späten 20. Jahrhunderts greifbar zu machen. Ihr Übriges tun da riesige lebende Spielzeuge, die als Veranschaulichung des japanischen Niedlichkeitswahns eine der Hauptfiguren bedrohen. Ansonsten laufen viele Bilder ins Leere, führen zu keiner zufriedenstellenden Prämisse. Die Positionierung der jugendlichen Figuren inmitten der kubistisch anmutenden Häuserschluchten wirkt ziellos. Das berühmte rote Motorrad wird an Bedeutung aufgeladen, aber der Grund ist nicht erkennbar. Am Schluss wird es völlig abstrus, doch leider vermag "Akira" kaum mehr, als dadurch jeglicher Filmästhetik zu entschwinden. Interpretationen zu alldem gibt es viele, doch für die wenigsten davon scheint der eigentliche Diskussionsgegenstand, also der Film selbst, als Projektionsfläche ausreichend Material zu liefern.
Gesehen haben sollte man "Akira" auf jeden Fall. Manche Einstellung oder Bilderfolge dauert bloß wenige Sekunden und reicht dennoch aus, einen jeden Zuschauer nachhaltig zu überrumpeln.
"Star Trek: Beyond" sei auch für Laien des Franchises gut zu konsumieren, hatte es im Vorfeld geheißen und ja, auch mit spärlichem Insiderwissen kommt man beim neuen Film von Justin Lin gut mit. Blöd nur, dass der dritte Teil seit dem Wiederauflebenlassen der Reihe vor 7 Jahren so supergalaktisch langweilig, aufgeblasen und ideenlos daherkommt. Zwar auch ohne Lens Flares an den optischen Stil von J. J. Abrams' ersten beiden "Star Trek"-Neuauflagen erinnernd, lässt "Beyond" sämtliche weitere Soft Skills vermissen. Ein Stein aus Pappmaché, wie in guten alten Zeiten, ist noch das witzigste Detail und drei, vier dumme Sprüche bringen einen ebenfalls zum Lachen. Darüberhinaus jedoch wird jeder noch so banale Satz mit drei Kunstpausen versehen, um zum essentiellen Kulturerbe zu avancieren. Wird nicht gesprochen, geht es standesgemäß hoch her. Doch dass auch oder gerade turbulente Action-Szenen eines gewissen Einfallsreichtums bedürfen, lässt Justin Lin fast völlig außer Acht. Lediglich am Schluss zeigen Spock und Pille einmal einen entsprechend pfiffigen Einfall, durch den sich unsere Helden auf simple, für jeden Zuschauer einfach nachzuvollziehende und trotzdem überraschende Weise aus einer brenzligen Situation befreien - So wie es in jedem wirklich unterhaltsamen Abenteuerfilm geschieht. Alles andere ist leider bloß plärrende Bilderschau.
Das Großraumbüro von C.C. Baxter (Jack Lemmon) bietet ein Bild voller Fluchtlinien, denn Hunderte gleich aussehender Schreibtische mit fleißigen Arbeitstieren sind mustergültig neben- und hintereinander aufgereiht. Um in diesem Wald voller Wölfe einen beruflichen Aufstieg zu schaffen, bietet der schrullige Baxter einigen männlichen Kollegen seine Wohnung für einzelne Tage in der Woche an.
Aus diesem Grund wird das Appartement in der 69. Straße, Upper West Side, Manhattan, an vielen Abenden zum geheimen Schauplatz der Sünde. Offiziell "bei einem wichtigen Bankett zu Gast" hintergehen Ehemänner ihre Frauen mit der Sekretärin, mit einer Funkerin oder einer spontanen Bekanntschaft. Die Wohnung ist bestens dafür geeignet - Plattenspieler, Röhrenfernseher mit verkabelter Fernbedienung, wenn gewünscht auch gekühlter Champagner und vor allem ein Mieter, der alles mit sich machen lässt. Baxter geht ins Konzert, streift die Straßen entlang oder malocht weiter im Büro, während in seiner Bleibe fragwürdige Vergnügungen stattfinden. Ihm ist das egal, denn als Gegenleistung sei ihm das berühmte "gute Wort beim Vorgesetzten" versprochen. Außerdem ist der eifrige Versicherungsangestellte gedanklich bei der verführerischen Fahrstuhlführerin Fran (Shirley MacLaine).
Holt den Tennisschläger raus, es wird gekocht! Mit dem unschuldigen Charme des genialen Jack Lemmon gelang Billy Wilder 1960 mit "Das Appartement" einer seiner besten Filme und eine intelligente Studie über die psychologischen Mechanismen der Arbeitswelt. Als altbekannten, aber selten glaubwürdigen Ausweg präsentiert er die Liebe, durch die Baxter schließlich sein Dilemma aus den Angeln reißt. Die Schlussszene beweist, wie man eine Romanze allein durch Andeutungen zu Ende erzählt.
Dreiecke sind natürlich immer etwas Erfreuliches, doch dass sie in Nicolas Winding Refns Mode-Thriller "The Neon Demon" so grell leuchtend zum Einsatz kommen, hat auch andere Gründe. Schönheit wird so radikal reduziert, bis am Ende bloß noch die pure Symmetrie übrig bleibt. Eine vollkommen abstrahierte Catwalk-Szene geht so weit, dass nie zwei Farben gleichzeitig zu sehen sind. Elektronische Klänge wummern kristallklar durch die Boxen. "The Neon Demon" ist pures Kino und pur soll auch die Schönheit seines Protagonisten sein.
Elle Fanning als junges Model Jesse, das in Los Angeles auf die große Karriere hofft, wird mit Lob für ihre Natürlichkeit überschüttet, habe das "gewisse Etwas". Einige sehen in ihr schon einen neuen Stern der Modewelt. Das ist sowohl Fluch als auch Segen, denn ihr Umfeld hegt gleichsam Neid und Begehren.
Visuell dank der Farben u. a. an den Horrorfilm "Suspiria" erinnernd, welcher von drei Hexen handelt, passt Jesses Begegnung mit der Managerin Ruby (Jena Malone) und den beiden Model-Konkurrentinnen Gigi und Sarah gut ins Bild. Bei einer Party trägt Gigi vor dem Spiegel einen Lippenstift namens "Red Rum" auf - Eine schöne Shining-Referenz und Andeutung für den weiteren unheilvollen Verlauf des Films. Winding Refn spielt hier gern mit Symbolen. An zwei Stellen kommen Raubkatzen vor, zunächst lebendig, dann ausgestopft. Das Leben im Sinne der Lebendigkeit wird erstickt, die sperrigen Dialoge tun ihr Übriges. Und das von Anfang an. Ein Großteil der Menschlichkeit wird hier von vornherein ad acta gelegt. Lieber malt Winding Refn den Teufel bzw. sämtliche kranke Fantasien der Modewelt direkt an die Wand. Alles ist Oberfläche, alles ist Behauptung und natürlich sollten Gespräche möglichst zügig ins Sexuelle abdriften. Manche Passage des Films ist so langwierig, dass man sich fragt, ob hier die Lust am schönen Schein bewusst mürbe gemacht werden soll. Interessant ist auch die ominöse Schönheit von Jesse. Zwar lässt sich Elle Fanning unzweifelhaft als hübsche Frau bezeichnen, doch ist die bedingungslose Superlativierung ihrer Filmfigur nicht auch bloß eine Behauptung, eine Marke, wie so vieles in ihrer Branche? Auf jeden Fall macht ihr Äußeres mächtig Eindruck auf ihre Mitmenschen. [SPOILER!] Als es zu nekrophilen Handlungen und Kannibalismus kommt, sind diese Praktiken nicht etwa pathologisch, sondern als Versuche zu verstehen, dem Begehren gegenüber Jesse gerecht zu werden. [SPOILERENDE]
Wer gut codierte Filme erträgt, dem sei mit "The Neon Demon" dank, bis in die letzte Einstellung, überwältigender Bilder ein schönes Filmerlebnis versprochen.