HansNase - Kommentare
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Alle Kommentare von HansNase
Die gelben oder bunten Bücherchen der Weltliteratur sind wahrlich nicht teuer, insofern lohnt sich der Kauf von "Macbeth", wenn man Justin Kurzels 2015er Interpretation des blutlustigen Stoffs als Laie verstehen und genießen möchte. Notfalls reicht trotz konsequenter Übernahme der Originalverse sogar der Wikipedia-Artikel als Vorprogramm zum lohnenswerten Kinoabend aus. Kurzel versteht die Tragödie hier auch eher als Buchvorlage, denn als Diskussionsgegenstand für Parallelismen zu anderen Themen. Dieser Film ist dadurch keine zwingende Offenbarung für eingefleischte Freunde des elisabethanischen Theaters, sondern vor allem eine Schnupperstunde für angehende Shakespeare-Fans. Modern ist dieser wortgewandte "300"-Verschnitt mit Hang zum "Piranha 3D" am ehesten durch seine Bild- und Klanggewalt. Überwältigende Aufnahmen der schottischen Landschaft wechseln sich mit strammen Zeitlupen ab und wurden schaurig schön in knirschenden Violoncelli mariniert. Kurzel fügt aber auch inhaltlich eine individuelle Note hinzu. So interpretiert er Handeln und Motivation seiner Hauptfiguren neu, legt den Wahnsinn Macbeths verstärkt als Folge der Allgegenwärtigkeit von Tod und Krieg aus. Hierfür ist Michael Fassbender die perfekte, wenn nicht fast schon alternativlose Besetzung, sein typischer Blick, wie in Stein gemeißelt, ist erfüllt von der Gleichgültigkeit des Bösen. Dem Königsmörderdrama fehlt auf den letzten Metern leider die Zuspitzung - eine typische Kinokrankheit. So setzt der Abspann mit einem ernüchterten "Achso" ein. Die Credits tauchen die Highlands dann aber noch einmal in ein so herrliches Rot, dass man gern noch ein wenig sitzen bleibt.
Vor 57 Jahren vollführte Kameramann Irmin Roberts ein Kunststück, das seither zum Standardrepertoire eines jeden Regisseurs gehört. Er filmte den Abgrund eines Treppenhauses, ließ die Kamera nach oben ziehen und gleichzeitig heranzoomen. Der Effekt, genannt Dolly-Zoom, war erstaunlich - Das Bild schien sich unter den Augen von Filmstar James Stewart unnatürlich zu verzerren, der Boden des Schachts immer tiefer zu werden. Das Kino hatte gelernt, Höhenangst zu empfinden. Dank Alfred Hitchcocks "Vertigo - Aus dem Reich der Toten".
Vor 41 Jahren balancierte der nordfranzösische Hochseilkünstler Philippe Petit zwischen den beiden damals höchsten Türmen der Welt hin und her. Für Robert Zemeckis, den Großmeister großer Höhen (man denke an die packenden Flugzeugszenen in "Cast Away" und "Flight"), war es nun an der Zeit, die waghalsige Aktion von damals und das Schwindelgefühl mit ganz neuen filmischen Mitteln erlebbar zu machen. "The Walk" ist nach "Hugo Cabret" und "Gravity" erst der dritte Film, der das Potential des Dreidimensionalen voll ausschöpft. Im entscheidenden Moment dieses Abenteuers schwebt die Kamera knapp über dem beängstigend frisierten Kopf von Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt. Gefühlte, fingierte, aber authentische 415 Meter darunter: die vermeintliche World Trade Center Plaza. Alle Achtung! Doch ist es tatsächlich Zemeckis' einziges Anliegen, ein Gefühl der Tiefe zu vermitteln - Ist "The Walk" eine rein handwerkliche Herausforderung?
Seit 14 Jahren sieht man die Zwillingstürme fast nur noch zu dicken Rauchwolken verschwinden. Immer und immer wieder. Dass die einstigen Wahrzeichen von New York City auch im Film ihren festen Platz hatten, schien vergessen und irrelevant angesichts der furchtbaren Katastrophe. Aus "Spider-Man" wurden die stählernen Quader herausgeschnitten, geplante Szenen für "Men in Black II" konnten nie entstehen, nur das Logo "M II B" lässt den verhinderten Schauplatz erahnen. Robert Zemeckis, dem das Amerika der 70er Jahre am Herzen liegt ("Forrest Gump"), wollte die Twin Towers wieder auferstehen lassen, ohne sie gleich wieder einzureißen. Und so ist der wichtigste Effekt von "The Walk" nicht der vertikale Blick nach unten, sondern jener in Richtung der zwei Wolkenkratzer. Als habe sein Kameramann Dariusz Wolski tatsächlich auf die stoischen Riesen draufgehalten.
Bis dieser fluffige Wolkentanz zu wahrer Größe findet, vergeht einige Zeit. Diverse Längen, mächtig Überkommenes und Figuren ohne emotionale Bindung zum Betrachter müssen erst überwunden werden. Doch wenn "The Walk" schon unvollkommen ist, so hebt er sich die starken Szenen wenigstens für das Ende auf. Noch kraftvoller als der Gang selbst ist übrigens ein ganz und gar ruhiger Moment kurz vor dem ersten Schritt, den Gordon-Levitts' Drahtseilkünstler als "Der mysteriöse Besucher" betitelt. Es ist die eine Stelle, an der sich Robert Zemeckis als Meisterregisseur zutage bringt.
Dieser Tage läuft Pixars neues Meisterwerk "Alles steht Kopf" in den deutschen Kinos und wie üblich zwängt sich zwischen Werbeblock und Hauptfilm der traditionelle Pixar-Kurzstreifen. Die Pixar Animation Studios, die ursprünglich aus Lucasfilm hervorgingen, Mitte der Achtziger Jahre von Steve Jobs gekauft wurden und mit etwas Hickhack schon lange unter der Fittiche von Disney stehen, erlangten ihren Aufstieg in den Anfangsjahren mit eben solchen Kurzfilmen. Los ging es 1984 mit "Die Abenteuer des André und Wally B.", wobei die Verwendung des Plurals bei einer Lauflänge von 2 Minuten doch recht verwundert, so geht es um ein mäßig durchschaubares Heckmeck zwischen der Biene "Wally B." und dem Was-auch-immer "André". Doch Pixar wurde kreativer, die Kurzfilme immer besser und die Geschichten kratzten bald an der Tugend der Genialität. Zinnfiguren entflohen den Klauen skrupelloser Babys ("Tin Toy", 1988), ein Plasteschneemann wollte sich mit seinem eingezwängten Schneekugel-Dasein nicht länger abfinden ("Knick Knack", 1989) und die niedliche Mann-gegen-sich-selbst-Schachstory "Geri's Game" (1997) fiel bereits in die Zeit der ersten abendfüllenden Animationsfilme.
"Lava" ist nun eine Passage, die, sagen wir es gleich, gefallen kann, aber für viele die Grenze der Unerträglichkeit touchieren wird. Es ist die Liebesgeschichte zweier Vulkane, von vorn bis hinten untermalt mit einem gleichnamigen Lied. Purer Kitsch, musikalisch nicht gerade ein Genuss, zumal in der deutschen Fassung. Optisch - natürlich - makellos. "Lava" zeichnet aber vor allem aus, was Pixar auszeichnet. Die Idee ist abwegig, würde anderswo zusammengeknüllt und weggeworfen, hier jedoch erlangt sie in aller technischer Perfektion eine Umsetzung. In diesem Fall geht es eher schief, doch bei dem nächsten skurrilen Einfall, da gefällt ganz einfach der Ansatz, kommt womöglich etwas Wunderbares heraus. So etwas wie "Alles steht Kopf".
"La Grande Bellezza" ist eine Stadtführung durch Rom, die nicht am Pantheon, dem Kollosseum oder der Engelsburg Halt macht, sondern die Menschen begutachtet, ständig neue Charaktere einführt, sie fallen lässt, weiterzieht und am Ende auf sie zurückkommt. Im Zentrum steht der Schriftsteller Jap (Toni Servillo), ein richtiger Italiener und ein Beobachter. Wie der ganze Film atmet er das Flair, die High Society, die Nächte dieser Stadt ein und wieder aus. Ihm wird leider klar, dass all das nichtig ist. Es ist banal, es ist belanglos, es ist eben nicht "Die große Schönheit". Doch ausgerechnet dieses Werk, ein Film über die Belanglosigkeit, zählt zum spritzigsten Stück Kino, das man sich vorstellen kann. Die Ideen sprudeln nur so aus dem Trevibrunnen, träumerische Sequenzen drängeln sich zwischen einzelne Einstellungen, hinter jedem Bild kann plötzlich eine ganz neue Kulisse auftauchen. Die Dialoge und Bilder überbieten sich gegenseitig an Farbigkeit. Kindertränen, die in großen Farbklecksen untergehen. Beerdigungen, die zu routinierten PR-Veranstaltungen werden. Die Vergänglichkeit des Lebens, die selbst große Zootiere verschwinden lässt. Dabei vergisst Regisseur Paolo Sorrentino nicht, den Film selbst in seiner Bedeutungsschwere zurückzunehmen. Und dennoch: Erlesene Kamera, graziler Schnitt, große Klänge. Man zeige mir einen Film, der eleganter ist als dieser! Ein Kunstwerk, das Lust macht, alte Fellini-Klassiker nachzuholen.
Auf dem Plakat prangen zwei obskure Augengläser zur Messung der Dioptrienstärke, die der Brillenmacher Adi seinen Kunden auf die Nase gesetzt hat. So kommt er mit ihnen ins Gespräch - mit Massenmördern, die stolz von ihren Taten berichten. Der Blick in Adis Gesicht entspricht dem eines eifrigen unerfahrenen Lehrlings, der unvoreingenommen und aufmerksam seinem Meister folgt. In vielen Momenten ist das der Blick eines Menschen, der Angst hat, mimisch seine Meinung zu äußern. Es ist "The Look of Silence" - Der Blick des Schweigens.
Joshua Oppenheimers eindrucksvolle Dokumentation beleuchtet, wie schon das Vorgängerwerk "The Act of Killing" den Massenmord an 500.000 Kommunisten im Indonesien der Jahre 1965 und '66 und damit das aberwitzige Geschichtsbewusstsein einer ganzen Gesellschaft. Dass man "nichts gewusst", jetzt gerade "zum ersten Mal" davon gehört habe, entspricht bekannten Phrasen aus der Aufarbeitung der Nazizeit in Deutschland. Jenes Verdrängen und Mauern zeigen auch Oppenheimers Dokumentationen - Doch viel herrischer ist der Eindruck einer Glorifizierung, einer Heroisierung, eines Stolzes über das Geschehene, vielmehr das Getane. Brillenmacher Adi lässt diese perfide Einfalt von Seiten seiner inzwischen klapprigen und faltigen Käufer nicht ohne Grund über sich ergehen. Er wurde 1968 geboren - Zuvor hatten die Handlanger des gefürchteten Generals Haji Mohamed Suharto seinen Bruder Ramli auf martialische Art ermordet. Auf Videoaufnahmen stehen zwei alte Herren am Schlangenfluss, einem exotischen Idyll und einstigen Schauplatz vieler Verbrechen und flachsen über die Zerstückelung von Ramli. In dieser Situation könnte man sie auch durch Jack Lemmon und Walter Matthau ersetzen und das Gesprächsthema durch einen Plausch über alte Zelturlaube eintauschen. Viele der Aufnahmen sind durch einen Röhrenfernseher zu sehen und aus "The Act of Killing" bereits bekannt, doch kommt der Blick des "Protagonisten" vor dem Fernseher immer wieder dazwischen, der die üble Absurdität jener Unmenschlichkeit auf sich prallen lässt.
Nicht nur die Männer mit den Messern und Dolchen werden interviewt, sondern auch die Befehlsgeber. In einem scheinbar netten Gespräch fragt Adi einen davon, was passiert wäre, wenn er ihn Mitte der 60er auf die gleiche Art und Weise ausgequetscht hätte. "Was dann passiert wäre, das kannst Du Dir nicht vorstellen," antwortet dieser und lacht, "Das kannst Du Dir nicht vorstellen!" Es ist die stärkste Szene des Films, denn obgleich der Verbrecher damit im Kinosaal entlarvt ist, so kann es diesem doch egal sein - Adis Blick geht zum Boden, sein Gegenüber hat den Mut in ihm mit triumphierendem Lächeln gebrochen. Bis heute sind die Taten nicht gesühnt - Die Gefahr wird im Abspann durch die zahllosen anonymen Mitwirkenden verdeutlicht.
Wem platzt der Kragen bei hörbaren Weltraumexplosionen in "Armageddon"? Wer verliert den Faden, wenn in "Interstellar" Ammoniak plötzlich zur Kohlenstoffverbindung wird? Und wen hat es schon immer gestört, dass der Stoffwechsel des heranwachsenden Ungetüms aus "Alien" gegen das Massenerhaltungsgesetz verstößt? Wer sich jetzt angesprochen fühlt, der sollte Ridley Scotts neuem Science-Fiction-Abenteuer "Der Marsianer - Rettet Mark Watney" eine Chance geben. Dieser Film ist um wissenschaftliche Schlüssigkeit mindestens bemüht, baut den einen oder anderen Nerd-Einfall mit ein und wirft nicht jeden Satz aus dem Drehbuch, der "das Publikum irritieren" könnte. Auch wenn manch Dialog (oder Monolog - Es geht ja um einen allein auf dem Mars gestrandeten Matt Damon) dadurch gestelzt klingen mag, ist es zur Abwechslung recht ergötzlich, sich mit etwas Physik, Chemie und Informatik beschwallen zu lassen. Ridley Scott liebt bekanntlich auch den technischen Fortschritt, so hält er die Schwierigkeiten des immer noch beliebten Analogfilms für einen "Alptraum". Für "Der Marsianer" hat er alles aufgefahren, was möglich ist. In makellosem 3D kriegt man famose Spezialeffekte geboten. Die Kamera übernahm Dariusz Wolski, dessen Talent auch demnächst in "The Walk" zu bestaunen sein wird. Und schließlich gab Scott die große Schnipp-Schnapp-Schere dem Schweizer Pietro Scalia in die Hand, der einst mit "JFK - Tatort Dallas" den Filmschnitt neu erfand. Bleiben vor allem die Schauspieler und man fragt sich, ob Matt Damon solch einen Film tragen kann. So zeichnet ihn doch aus, dass sich seine Charaktere schwer einschätzen lassen - Was ihn nicht zuletzt zur 1A-Besetzung für "Der talentierte Mr. Ripley", "Departed" und die "Bourne"-Trilogie machte. Hier erfordert seine Rolle eine Verbindung zum Zuschauer, die sich im Ergebnis müßig, aber mehr als mäßig aufbaut. Spätestens bei der liebevollen Pflege seiner Marskartoffeln dürften sich zumindest die Meisten eine erfolgreiche Rettung des "Mark Watney" wünschen. Unter den weißen Rittern überzeugen schauspielerisch vor allem Jessica Chastain (wie immer) und Donald Glover (nie gehört, dafür aber jetzt).
Da der Regisseur auch gleichzeitig Schöpfer von "Gladiator", "Blade Runner" und "Thelma und Louise" ist, weiß man glücklicherweise lange Zeit nicht, wie gut oder eben schlecht er seine Weltraumodyssee enden lassen wird. Wenngleich - Wer den Film noch sehen möchte, sollte jetzt vielleicht wegschauen - am Ende sich doch herausstellt, dass das "Regelwerk für Hollywood-Blockbuster aller Art" seinen Marsianer an der Hundeleine führt - im wahrsten Sinne des Wortes. Und nun noch ein richtiger Spoiler: Sean Bean stirbt NICHT.
Denis Villeneuve weiß, wie man in die Thriller-Pfeife bläst. In "Prisoners" flogen dem Publikum Twists, regelrecht zum an den Kopf greifen, um die Ohren. Nun wagt sich der Kanadier an das Thema Mexiko heran - "Sicario" ist ein lautes Kartelldrama der alten Zunft.
FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt) arbeitet in Arizona und bekämpft dort tagein tagaus die Handlanger der mexikanischen Drogenbarone. Doch nun wird es ernst für sie: Die CIA holt sie zur Bekämpfung des Juárez-Kartells, direkt an der mexikanischen Wurzel, mit ins Boot. Matt Graver (Josh Brolin) und der rätselhafte Alejandro Gillick (Benicio del Toro) geben dabei den Ton an. Zur logistischen Planung der Einsätze hinzugezogen, fragt sich Macer bald, ob das der wirkliche Grund ihres Beiseins ist...
Greift man wahllos 3 Minuten aus "Sicario" heraus, dann gelangt man zwangsläufig an Szenen und Bilder, durch die man jenen Thriller einfach liebhaben "möchte". Kameramann Roger Deakins ("Die Verurteilten", "No Country for Old Men") begleitet die Gesetzeshüter mit famosen Luftaufnahmen, sodass der Film ein Gespür für die Landschaft des mexikanischen Grenzgebiets entwickelt. Komponist Jóhann Jóhannsson ("Die Entdeckung der Unendlichkeit") zimmert sich mit seinem furchteinflößenden Klangbett regelrecht die Spannung zusammen. Schauspielerisch überzeugen Josh Brolin als Zyniker und Benicio del Toro als Quasi-Kopie seiner Rolle aus "Traffic". Die dauerempörte Emily Blunt dagegen zollt den Drehbuchvorschriften zu ihrer Rolle Tribut. Mit Praktikantenstatus läuft sie den CIA-Männern hinterher und findet jeden Hauch von "Das ist gegen die Vorschriften" "zum Kotzen". Man möchte ihr am liebsten hinterherrufen: "Was hast Du denn erwartet?", und: "Das hätt ich Dir auch sagen können." Außerdem nimmt der Zuschauer durch sie die Perspektive einer Idealistin ein, welche andere die Drecksarbeit machen lässt. Dadurch kann der vor der Leinwand Sitzende guten Gewissens die Handlungen von Graver und Gillick billigen. Es ist von vornherein klar, dass hier abgekartet gespielt wird und dass schmutzige Finger an der Staatsgewalt grabschen. Der Film versucht, seine Drehungen und Wendungen zu großen Schockmomenten aufzubauschen. Diese sind dann im Ergebnis aber ohne Knalleffekt. Es sind Wahrheiten, die man sich hätte vorstellen können. Im Verlauf der 2 Stunden geht die Spannung damit so sehr verloren, dass einen der Film auch auf den letzten Metern nicht mehr abholt.
Es ist, als hätte Neill Blomkamp die Themen seines Films "District 9" gewürfelt: Um "Rassismus" und "Aliens" solle es demzufolge gehen. So ungläubig man auch auf den Plot reagieren mag, so erschreckend glaubwürdig ist das Ergebnis. Vor allem die ersten Minuten, gepflastert mit gespielten Interviews, zeichnen die gesellschaftliche Reaktion auf Eindringlinge von außerhalb so, wie man sie auch in der Realität vermuten könnte.
Die Bürger des südafrikanischen Johannesburg haben sich Jahre nach der Ankunft eines riesigen Raumschiffs damit abgefunden, dass über 1 Mio. Außerirdische in "District 9", einer Art Alien-Slum, ihr ärmliches Dasein fristen und aus technischen Gründen nicht mehr heimkehren können. Die Stadt ist inzwischen von Verbotsschildern für die fremden Wesen gesäumt, Beschwerden über die Kosten ihrer Unterbringung werden laut, ein neues Areal, weit außerhalb der Stadt, wird geplant. Dass der für die Umsiedlung beauftragte Wikus van de Merwe (Sharlto Coplay) bald zur ärmsten Sau der Filmgeschichte seit William H. Macy in "Fargo" avancieren wird, ahnt dieser zu jenem Zeitpunkt noch nicht.
Unterschlagen darf man nicht, dass bereits nach der Hälfte das politische System im Umkreis des Ghettos fertig enttarnt ist und sich jede vorgespielte Rechtsstaatlichkeit als Makulatur entpuppt hat. Ab hier wird "District 9" zum Action-Spladder-Knaller und ab hier stehen nicht mehr die Filmidee im Zentrum, sondern das Schicksal der Figuren und der explosionsträchtige Endspurt. Durch das dystopische und piktogrammverliebte Setting sowie herausragende Effekte bleibt der Film bis zum Schluss spannend. Trotz eines Taschengeld-Budgets von 30 Mio. US-Dollar reicht das für einen ungewöhnlichen SciFi-Knüller aus, der zudem eindringlich vor den gefährlichsten Vertretern der menschlichen Spezies warnt: Schwiegereltern.
"Die glauben, die könnten sich diesen Hügel für hunderttausend Mark 'kaufen', denn zum Hügel ist er ja degradiert worden," sagte Reinhold Messner einmal über den Mount Everest. So geht es in Baltasar Kormákurs Drama "Everest" nicht um Pioniere und Entdecker, nicht um Eroberer weiter Fernen, sondern um Menschen, die das Bezwingen der Natur für eine Pauschalreise halten.
Im Mai 1996 ereignete sich eine Tragödie am höchsten Gipfel der Welt, als ein Sturm mehreren Expeditionen einen Strich durch die Rechnung machte. Rob Hall (Jason Clarke) und Scott Fisher (Jake Gyllenhall) waren zwei der damaligen Bergführer, die sich, von den Kapriolen überrascht, dem Berg geschlagen geben mussten. Einer der Kunden ist Beck Weathers, den Josh Brolin überzeugend als texanischen Astral-Touri verkörpert.
Da fragt man sich natürlich, warum das Ganze überhaupt sein müsse - Wozu sein Leben für das Erreichen der 8848 Höhenmeter aufs Spiel setzen? Der Film tut das mit Phrasen ab: Weil man es eben kann. Weil man die 6 höchsten Gipfel der übrigen Kontinente bereits erklommen hat. Damit unterlässt Kormákur hier eine tiefere Auseinandersetzung, doch vielleicht möchte er auch bewusst den Leichtsinn, das Unbedachte, die Selbstüberschätzung der Lächerlichkeit preisgeben.
"Everest" war von einer fetten Ankündigung begleitet, insofern sind die allenfalls "guten" Kritiken fast schon überraschend. Erwartet hat man vielleicht so etwas wie "Gravity", ein 3D-Spektakel, ein riesengroßes Bohei. Stattdessen wird hier aber auf konstruierte Happy Ends, auf polemische Parolen zur Mensch-Natur-Symbiose und auf irre Kameraflüge verzichtet. "Everest" ist ein nüchterner, geradezu stoischer und dadurch auf seine Art starker Film. Die Gefühle sind echt und die Bilder auch so beeindruckend. Zwischen Lawinen, Eisbrocken und dünner Luft spielt sich eine Geschichte ab, deren Ausmaß an Tragik erst am Ende offenkundig wird. Ein klassischer Katastrophenfilm. Aber eben auch ein guter.
Immer schön auf Michael Bay herumhacken, ja, das macht Spaß, dabei kommt man schnell auf einen gemeinsamen Nenner, da droht bei noch so vernichtenden Aussagen kaum Einhalt. "The Rock" gilt als seltene Ausnahme. Sein zweiter großer Film nach "Bad Boys" macht stellenweise deutlich, warum man Michael Bay auch gernhaben darf. Es ist jene Haltung von ihm, zu sagen: "Ich will, ich will, ich will meinen eigenen Alcatraz-Film!" Einleuchtend, denn eine Gefängnisinsel mit coolem Namen, direkt vor San Francisco, schreit schon förmlich nach Hollywood. Bay zieht das knallhart durch, drei famose Hauptdarsteller und kiloweise Pyrotechnik mit an Bord. Das ist reizend, auch wenn es der zweifache Gewinner der "Goldenen Himbeere" völlig vergisst, seinem geschichtsträchtigen Schauplatz Raum zu verleihen. Entscheidend mehr Platz haben da die Schauspieler und immer wenn Overacting-Meister Nicolas Cage, Sean Connery, elegant wie eh und je, oder der ruhende Vulkan Ed Harris vor die Kamera treten, scheint Michael Bay zu sagen: "Macht mal, wie ihr denkt." Deshalb kann das Drehbuch noch so unterbelichtet sein, seine Stars erstrahlen in all ihrem Können.
Harris kommt dabei die Rolle des Geiselnehmers samt Gefolgschaft zu, der sich mit 81 Geiseln auf Alcatraz breit macht und droht, Nervengas auf San Francisco zu feuern, es sei denn, 100 Millionen Dollar Lösegeld werden gezahlt. Der ortskundige Ex-Alcatraz-Häftling Mason (Connery), für die Rettungsmission extra aus einem anderen Gefängnis freigelassen, und der Chemiker Dr. Goodspeed (Cage) begleiten die Navy Seals, um den perfiden Plan in die Schranken zu weisen.
Genauer braucht man das auch nicht zu beleuchten, viel Militärjargon, viel Zurechtgelegtes, viel Pathos und Klischee, viel Unfug. Was dem "Fels der Entscheidung" die Wertung letztlich verhagelt, sind vor allem die musikalische Verkleisterung, welche jede noch so unbedeutende Szene mit Hans-Zimmer-Soße übergießt und die visuelle Gestaltung. Durch die für Bay typischen Farbfilter wird sein Action-Film zu einer "Ente à l'orange". Dazu scheint die Kamera nie wirklich dort zu sein, wo etwas passiert. Miese Schnitte versuchen das Gezeigte unruhiger wirken zu lassen, doch dadurch wird die Betrachtung einfach anstrengend. Und hier wird wieder deutlich, weshalb man Michael Bay vielleicht doch nicht so gern hat.
Ob Arnold Schwarzenegger mit stilsicherer Sonnenbrille, Anthony Hopkins mit furchteinflößender Maske oder Kevin Costner unter dem sprichwörtlichen Aluhut - Das Jahr 1991 sah verdammt stark nach Kino aus. Große Filme erstrahlten damals aus den Projektoren der Lichtspielhäuser. Auch Disney hielt ein echtes Monstrum parat - "Die Schöne und das Biest" fiel in eine Zeit, als die kunterbunten Zeichentrickabenteuer in all ihrer Opakheit noch regelrechte Kino-Events waren - die letzte große Ära des klassischen Trickfilms in Amerika. Allein musikalisch führte kein Weg vorbei an Disney, dieser Institution mit Sitz in einem zuckersüßen riesigen Schloss. Deren Komponist Alan Menken gewann zwischen 1990 und 1996 sage und schreibe acht Oscars. Zwei Academy Awards erhielt auch "Die Schöne und das Biest", darunter für "Beauty and the Beast", den gleichnamigen Song, ebenso schmalzig wie herzzerreißend und gesungen von einer Teekanne mit der Stimme von "Mord ist ihr Hobby"-Darstellerin Angela Lansbury. Zwischen Teegeschirr, tanzenden Kronleuchtern und grantigen Uhren stellt "Die Schöne und das Biest" die Verfilmung eines 250 Jahre alten französischen Märchens dar, das amerikanischer nicht sein könnte. Die schöne Belle, Tochter eines zerzausten Erfinders, begibt sich zur Rettung ihres Vaters in die Klauen eines gefürchteten Monsters und erweicht sein geschundenes Herz. Ein gefundenes Fressen für die Fantasieverwurster von Übersee - Da ist die eine oder andere Charakterentwicklung begleitet von Sternenstaub, die eine oder andere glückliche Wendung zum Zähneknirschen. Aber seien wir ehrlich, wo werden sonst einzelne Musikstücke zu solchen Ereignissen, kürzeste Szenen zu Sinnbildern ganzer Kindheiten und tragische Begebenheiten, trotz kindgerechter Entschärfung, zu solchen Herztorturen wie hier? Wer muss diesen Film schon gesehen haben, um nicht in Sekunden die berühmte Tanzszene zu erkennen? Ein vermeintlicher Kamerakran schwingt sich durch den riesigen Saal mit anmutigem Kronleuchter, unten schweben das Mädchen und der gar nicht mehr so biestige Held über den steinernen Boden, umgeben von Fensterwänden voller Nachthimmel. Wo Filme aufhören, Film zu sein und zur Ikone werden.
Es sieht fast so aus, als hätte man den Rapper Ice Cube aus "Boyz n the Hood" von 1991 direkt ins Jahr 2015 katapultiert und in den Film "Straight Outta Compton" hineingesetzt. Denn dort wird er vom, zum Verwechseln ähnlichen, O'Shea Jackson jr. gespielt. Kein Wunder - Der Senior dahinter ist Ice Cube selbst. In den 24 Jahren ist viel passiert, aber auch vieles beim Alten geblieben. Während der Siegeszug des Hip Hop Einzug hielt, blieben die Gewalt in Vierteln, wie der Herkunft von "N.W.A", South Central Los Angeles und die polizeiliche Willkür gegen Schwarze die Gleiche - Man beachte die aktuellen Beispiele. So ist es kein schlechter Zeitpunkt, einen Film zur Entstehung von "N.W.A" ("Niggaz with Attitudes") zu zeigen. Die Truppe bestand aus den Rappern Ice Cube, Eazy-E, Dr. Dre, DJ Yella und MC Ren, von denen aber nur erstere drei näher beleuchtet werden. Die Anfangszeit dieser Fünf, tiefste 80er Jahre, wird von den bekannten Motiven aus anderen Hood-Filmen begleitet. Die legendären Lowrider (diese hüpfenden Chevrolets und co.), die Straßenzüge mit bescheidenen Holzhäusern in gleißender Abendsonne, aber auch der schwarze Polizist zwischen weißen Kollegen, der umso brutaler gegen Schwarze vorgeht. F. Gary Gray ist der Mann hinter dem Film "Straight Outta Compton" und es gelingt ihm ganz gut, die Atmosphäre zu vermitteln. Vor allem die Musik, bestehend aus Tracks von damals und filmtypischen Kompositionen, fügt sich bestens ein. Im späteren Verlauf dieser Sammelbiographie konzentriert sich das Gezeigte auf die Hürden des Erfolgs. N.W.A zerstreiten sich und die Mitglieder geraten an unterschiedliche Manager. Eazy-E gerät an den hellhäutigen Jerry Heller (Paul Giamatti). Dieser repräsentiert die Profitgier, das Establishment und droht, den künstlerischen Gedanken hinter der Musik zu erdrücken. Auf der anderen Seite arbeitet Dr. Dre für "Suge Knight", einen gewaltbereiten, aber einflussreichen Halbstarken, der die Gewalt von der Straße in die Beletage des Hip Hop mitgenommen hat. Der Film zeigt nun, wie sich der Hip Hop, in Form der fünf Künstler, aus diesem schmalen Grat hervorgewagt hat, um das zu werden, was er heute ist.
"Straight Outta Compton" stellt N.W.A nicht als Heilsarmee dar, vielfach ist F. Gary Gray mutig genug, ihre "schmutzigen Hände" zu zeigen. Allerdings täuscht das nicht über das insgesamt brave Antlitz dieses Dramas hinweg. Es baut sich über weite Strecken aus Behauptungen auf. Behauptete Zusammengehörigkeit. Behauptete Drastizität. Behauptete Gefühle. Schuld daran sind die faden Dialoge, die jene Schärfe vermissen lassen, die in den eingespielten Songs (etwa "Fuck the Police") vorkommt. Das Resultat fällt dann in die Kategorie "Eher was für Fans".
Courtney Love hatte vollstes Vertrauen zu Brett Morgen, deshalb überließ sie ihm bergeweise nie veröffentlichtes Material, von intimen Filmaufnahmen, über Audio-Zeugnisse, bis hin zu Einkaufszetteln für Musiker-Equipment. Interessant an der Entstehung der Dokumentation "Cobain: Montage of Heck" über eine der größten Musikikonen des 20. Jahrhunderts ist auch: Die Tochter von Love und Kurt Cobain, Frances, war bei den Interviews mit den Hinterbliebenen des Nirvana-Frontmanns stets anwesend. Laut Aussage des Regisseurs Brett Morgen, um die Befragten - Freunde, Eltern, Kollegen - in ihrer demütigsten und selbstreflektiertesten Verfassung zu erwischen. Das gelingt auch - Jeder scheint zu hinterfragen, was er in seinem Verhalten gegenüber der Grunge-Legende falsch gemacht haben könnte. Das geht allerdings soweit, dass der Künstler fast komplett aus der Verantwortung genommen wird. Drogenkonsum und Absturz werden als bald unumgängliches Ergebnis vermeintlich mangelnder Selbstbestimmung dargestellt. Man vermutet bald, Cobain flehe geradezu darum, sich für seine Fehltritte rechtfertigen zu dürfen, doch der Film gibt ihm nicht die Chance dazu und nimmt ihn stellenweise gar nicht ernst. So lassen er und seine Bandkollegen in gezeigten TV-Ausschnitten mehrfach verlauten, dass ihnen Ruhm und Hype nichts bedeuten. Warum aber werden dann immer wieder strapaziöse Zusammenschnitte brechend voller Arenen, entmenschter Verehrer, sich verräumlichender Titelseiten der großen Postillen und Nachrichtenmeldungen über die "derzeit größte Band der Welt" heruntergerasselt? Der Mythos "Nirvana" wird hier, entgegen der erklärten Absicht des Regisseurs, nicht beigelegt, sondern nur verstärkt.
Packend ist dieses Porträt, die "Collage aus der Hölle," dennoch. Die erstmals gezeigten Filmausschnitte sprechen ihre eigene Sprache, Tonaufnahmen wurden aufwendig mit Trickfilmsequenzen unterlegt und simpelste Kritzeleien auf Schmierzetteln erwachen plötzlich zum Leben. Natürlich sind die berühmten Songs der Band mit am Start, sodass das akustische Erlebnis quasi schon im Vorfeld gesichert ist. Das kann man sich anschauen, auch ohne die Band zu mögen.
Jake Gyllenhall, diese Statuette von einem Mimiker, der allein schon durch seine enorme Präsenz immerzu wie ein Hüne daherkommt, steht nun muskelbepackt vor der Kameralinse. "Southpaw" - Da verspricht die Ankündigung hervorragende Schauspielerleistungen, bestechende Kampfszenen, technische Akkuratesse und ein komplexes Boxerporträt. Gehalten hat "Southpaw" nun aber nur Ersteres. Gyllenhall, zuletzt weder für "Prisoners", noch für "Nightcrawler" mit der verdienten Oscar-Nominierung gewürdigt, haucht dem bedenklich eindimensionalen Drama überhaupt erst Leben ein. Und zwar soviel, dass er den letzten Strohhalm zur Rettung dieses Films darstellt. Jeder Blick sitzt wie angegossen, wie ein Irrer grinst er mal durch die Leinwand, wie ein begossener Pudel resigniert er wann anders vor sich hin und immer ist der ganze Körper ein Spiegelbild seines Gemüts. Auch die Auftritte von Rachel McAdams und Forest Whitaker seien gelobt, einzig die erst 13-jährige Oona Lawrence versetzt den Kinosaal eher in Genervtheit. Ihrer augenscheinlich tatendurstigen, aber unpassend theatralischen Performance hätte ein Regisseur mit Feingefühl wohl sehr gut getan. Ohje, Antoine Fuqua - Nach "The Equalizer" bestätigt sich, dass bei dem Schöpfer des großartigen Thrillers "Training Day" wohl kein Interesse mehr an neuen Ideen besteht. Seine Story über den Boxer Billy Hope, der umso besser kämpfte, je mehr er einsteckte und dessen Kampfstil zur Allegorie seines gesamten Lebens werden sollte, ist kaum mehr als eine langgestreckte Fassung des eigenen Trailers. Wer die Werbung sieht, dem drängt sich ja auch schon eine beunruhigend präzise Vorstellung vom Ende des Films auf. Tolle Szenen im Ring gibt es auch nicht, zwar klebt die Kamera teils meisterhaft an den Gesichtern der Akteure, jedoch verharrt sie zu oft uninspiriert in der Totalen. Unterdessen nehmen TV-Reporter aus dem Off das vorweg, was man mit Bildern ausdrücken könnte. Außerhalb der Arenen geht es vergleichbar zu. Der Tod einer Hauptfigur wird mit einer herauszoomenden Kamera nach 0815-Schema abgespult und coole Charaktere sind cool, weil sie "Ich trinke nicht," sagen. Durch viel zu hastige Charakterentwicklungen kommt "Southpaw" nie wirklich zur Entfaltung.
Sehenswert ist der "Rechtsausleger" - so die Übersetzung - unter speziellen Gesichtspunkten aber schon. So mischen sich zwischen diverse Tracks von 50 Cent und Eminem diese typischen, disharmonischen, bedrohlichen Klänge des James Horner ("Titanic", "Braveheart", "Aliens", "Troja", "Jumanji"), welcher kurz vor der Premiere tödlich mit seinem Privatflugzeug verunglückte. An dieser Stelle Chapeau für sein Lebenswerk! Und schließlich ist es eben der Mann mit den Handschuhen und den geschwollenen Augen, der den Film lohnenswert macht. Jake Gyllenhall - aktuell einer der besten Hollywood-Schauspieler überhaupt.
Da kramt Rick Astley die Schulterpolster hervor, die Frisuren explodieren und der deutsche Wald wird wieder zu Grabe getragen. Also einmal bitte die Eurovision-Fanfare durch's ZDF laufen lassen und Ring frei für "Kung Fury" - einen Trash-Film, der die 80er Jahre in Form und Inhalt wieder aufleben lässt - und das kostenfrei für alle Freunde von Rubikwürfeln, "A-Team" und Italo-Disco. Die Tonspur quietscht, das Bild wackelt und die Farbtönung lässt vermuten, die Kinnings hätten wieder an der Fernbedienung herumgespielt. Das ist aber alles so gewollt; 630.000 Dollar aus Crowdfunding wurden gezielt in die genauestens austarierte Schlechtheit der Effekte investiert.
In der 30-minütigen Zeitreisestory um einen Kung-Fu-Meister, der die Welt vor Adolf Hitler, seines Zeichens ebenfalls Kampfsport-Koryphäe, retten muss, reihen sich One-Liner, physikalischer Humbug, Dinosaurier und Nazis aneinander, schlagen verrücktspielende Elektrogeräte wild mit Blitzen um sich, wird in der Hackerzentrale an drei Röhrenbildschirmen gleichzeitig gezaubert und getüftelt. Damit bietet "Kung Fury" alles, was man von einem "So-schlecht-dass-er-schon-wieder..."-Film erwartet, kommt in der Kürze der Zeit ohne Längen aus und lässt an jeder Ecke kleine Erinnnerungen an einst durchs Bild huschen. Hinter dem Projekt und unter dem roten Stirntuch des Filmhelden steckt ein gewisser David Sandberg. Ist man doch geneigt, "Deeiivid Säändböörg" zu sagen, entpuppt sich dieser jedoch als Schwede und Regisseur zahlreicher kleiner, unbeachteter Kurzfilme aus den vergangenen Jahren. Nun könnte ihm mit der 80er-Kung-Fu-Schlacht, quasi aus dem Nichts, ein stilprägender Mutmacher für weitere, ähnliche Projekte gelungen sein. Hervorzuheben ist die respektvolle Einbindung von David Hasselhoff. Der von ihm beigesteuerte Song "True Survivor" (eigentlich auch vom schwedischen Team geschrieben) ist genauso klobig, schräg und schmierig wie das filmische Drumherum und deshalb auch entsprechend... knorke. "Kung Fury" - Ein Film, so gut, dass er dem Genre "Trash" bald schon entschwebt...
Ein Lachen ist immer noch der beste Indikator für den Spaßfaktor solcher Komödien. Und so zeigt es sich, dass das (T)Raumschiff samt seines Humors auf dem Abstellgleis gelandet ist - ein (Bully)Paradebeispiel für die Schnelllebigkeit von Witzen. Wer sich an das Kinojahr 2004 erinnert, wird womöglich noch das intergalaktische Tamtam um "(T)Raumschiff Surprise - Periode 1" vor Augen haben. Doch einst unter tosendem Gelächter gefeierte Gags warten heute vergeblich auf nur ansatzweise belustigte Reaktionen.
Sicherlich ist "Bully" Herbig ein ungemein sympathischer Mensch und seine Projekte, seine Filme nahmen einen verblüffenden Einfluss auf die deutsche Abendunterhaltung, doch nüchtern betrachtet ist seine Weltraumodyssee nicht mehr als eine zahme Aneinanderreihung von Haudrauf- und Draufhaukomik, von labbrigen Musikeinlagen und platten Tuntigkeiten. Diverse Momente hätten durch gute Schauspieler sogar einen gewissen Stil gehabt und dann, wenn Rick Kavanian auftritt, seinerseits in überzeugender Dreifachrolle, ist das auch so. Also meistens. Manchmal. Lustig kann ein Witz auch sein, wenn er etwas Anlauf nimmt. Insofern sei das beeindruckende Schicksal der Leselampe "Jutta" genannt. Ein Beispiel, wie man es auch besser machen kann. Ansonsten schienen die Macher, mit Herbig an vorderster Front, durch die für damals bestechenden Effekte (für deutsche Standards) selbst eingeschüchtert gewesen zu sein und vergaßen die wichtigeren Kriterien. Der Hauptkritikpunkt ist aber die Inkonsequenz des Drehbuchs, der mangelnde Fokus auf die vorgegaukelte Story-Marschrichtung. Wo Weltraum draufsteht, sollte auch Weltraum drin sein. Ein kleiner Teil spielt tatsächlich in ferner Zukunft, beschwört Laserkanonen und Raumgleiter herauf. Das, was man von einer Star-Wars-Star-Trek-Stargate-Parodie erwartet. Stattdessen verheddert sich die Geschichte dann jedoch in Mittelalter- und Western-Episoden, ohne einem dieser geschichtlichen Rahmen atmosphärisch gerecht zu werden.
Fazit: Bla bla bla. Stattdessen ein stellvertretender Witz für das alles - Ein Mann... mit einem BH... Hab ich wirklich mal über sowas gelacht?
Das habe ich auch noch nicht erlebt. Da wollten wir uns im prall gefüllten Sommerkino die Dokumentation "Cobain: Montage of Heck" angucken, als irgendwann nach den Trailern die Vorführerin kam und meinte: "Joa, das' jetz n bissl blöd - Wir ham die Filmrolle gar nich." Kurze Zeit später ließ sich die inzwischen halbierte, aber immer noch gereizte Besucherschaft zu "Men & Chicken" als Alternative überreden. Fazit: Hätte wirklich schlimmer enden können!
Gabriel und Elias sind ein ungleiches Geschwisterpaar; bis auf eine Hasenscharte gibt es zwischen ihnen kaum Gemeinsamkeiten. Gabriels Wunsch, sich seinen dauergeilen Bruder vom Leib zu halten, wird verstärkt, als sich nach dem Tod ihres vermeintlichen Vaters herausstellt, dass sie sowieso nur Halbbrüder und Söhne eines Stammzellenforschers sind. Trotzdem gelingt es Elias, Gabriel zu überreden, sich mit ihm auf die Suche... Es ist derart müßig, diese skandinavischen Komödien nachzuerzählen - Kurz gesagt: Was dann folgt, sind noch mehr Hasenscharten, ruchlose Brutalität, zweckentfremdete Tiere und viele Geheimnisse. Eine Insel. Ein Vater (falls überhaupt). Seine fünf Söhne. Keine Mütter. Und nur einer, dem das komisch vorzukommen scheint. Eine Absurdität jagt die andere und es ist tatsächlich unheimlich spannend, mit Gabriel nach und nach Antworten zu seiner Herkunft und den seltsamen Charakterseiten seiner Halbbrüder zu entdecken. Ein wunderbar verranztes Setting, tolle Panoramabilder und ein düsterer Klangteppich gewähren die Balance zwischen morbider Komik und der Empathie für diese eigentlich tragischen Figuren. Die schlagen sich mit ausgestopften Truthähnen, beim Abendbrot steht die Speise "Hund" ganz hoch im Kurs und wer in den verbotenen Keller geht, kommt in den Käfig. Ungefähr so kennt man es ja auch von Anders Thomas Jensen, dem Macher von "Adams Äpfel" und "Dänische Delikatessen". Der Humor ist durchaus brachial und auf alle Fälle nicht brav, droht jedoch, den Einen oder Anderen ab einem gewissen Zeitpunkt kaltzulassen, wenn er ihn nicht vorher schon verschreckt hat. Das Schöne ist aber, dass nach und nach alle Merkwürdigkeiten aufgeklärt werden und dem Titel dieser tiefschwarzen Komödie gleich zweimal eine neue Bedeutung zukommt. Als die fünf Jungs schließlich erfahren, wie verschieden sie tatsächlich sind, wird sie das endgültig zusammenschweißen.
Das Normalste an diesen dänischen Komödien ist dann immer die Schlussszene. Und gerade dadurch auch das Absurdeste.
Ob es "Ein Schweinchen namens Babe" heute noch schafft, kleine Kinderaugen in Staunen zu versetzen, vermag ich nicht zu sagen, vor 20 Jahren aber muss es noch so gewesen sein. Die märchenhafte Geschichte über ein kleines rosa Borstentier, das durch ein Gewinnspiel an den wortkargen Farmer Hoggett gerät und fortan gegen tierische Hierarchien und sein vorbestimmtes Schicksal aufbegehrt, gab seinem jungen Publikum wichtige Lektionen mit auf den Weg. Hinterfrage Vorurteile. Versuche den Weg der Freundlichkeit. Lass Dich nicht unterkriegen.
Die australisch-amerikanische Produktion setzte sich in der Oscar-Kategorie der besten Effekten gegen den zum Teil bei Parabelflügen gedrehten "Apollo 13" durch. Auch, weil man teilweise gar nicht erkennt, wann wo welche Effekte eingesetzt wurden, zumal in der damaligen Zeit. Zum einen wurden fleißig animatronische Tierchen zusammengeschraubt mit steuerbaren Ohren und auf Knopfdruck schlabbernder Zunge. Das Terminator-Schwein wurde gebastelt, eine Roboter-Ente stand bereit und der Schafhintern war sogar zur synthetischen Notdurft fähig. Wo die Technik an ihre Grenzen stieß, kam der Computer zum Einsatz, damals immer noch eine teure Angelegenheit. Deshalb wurden reale Tiere gefilmt und ein Teil des Kopfes für Sprechbewegungen modifiziert. Hierbei ergaben sich auch exotische Hindernisse - Da bei Profilaufnahmen der sprechenden Tiere zwischen den Zähnen ein Teil des Hintergrunds hermusste, den man gar nicht gefilmt hatte, wurde dieser Frame für Frame hineingemalt.
Warum "Babe" in der Summe ein so wahrlich liebenswerter Film ist, erklärt sich dadurch allein nicht. Es ist auch die Musik, auf der sich das Vergnügen hier ausbreitet. Der Komponist und gelernte Klarinettist Nigel Westlake nutzt die klangfarbigsten Instrumente des Orchesters, von Pikkoloflöte bis Celesta, um den Familienfilm auch zum akustischen Vergnügen zu machen. Dabei kommentiert er Sprünge der Tiere, Blitz und Donner oder Missgeschicke der lustigen Ente quasi synchron mit den passenden Tönen, eine Technik, die sich auch "Underscoring" nennt. Das bringt einen Niedlichkeitsfaktor, der auch durch die putzigen Figuren bestimmt wird. Und hier seien nicht nur die Vierbeiner gemeint, sondern auch der Bauer, gespielt vom über 2 Meter langen und äußerst wortkargen James Cromwell. Wenn er in einer Szene plötzlich eine recht merkwürdige Hopps-Einlage startet, ist das so albern, dass es schon wieder herzerwärmend wird. Und als der Film schließlich in völligen Kitsch auszuarten droht, beendet Bauer Hoggett ihn mit einem kurzen, nüchternen und deshalb wirklich ergreifenden Schlusswort.
Was da für eine Karriere folgen sollte, vermochte man 1980 noch gar nicht zu ahnen, als Robin Williams bei seinem Leinwanddebüt für die Verkörperung von "Popeye" von der Presse vernichtet wurde. Der Film verbucht ganze 5 Punkte in der Internet Movie Database und gewann den "Stinkers Bad Movie Award" als schlechtester Film. Bei den Oscars, acht Jahre später, sah das schon ganz anders aus. Als die taubstumme Schauspielerin Marlee Matlin die Nominierten in der Rubrik "Bester Hauptdarsteller" verlas, ließ sie es sich nicht nehmen, einmal laut "Gooood Morning, Vietnaam!" zu rufen. Robin Williams hatte Hollywood im Sturm erobert.
In der besagten Vietnamkriegs-Komödie spielt er den Army-Rundfunkmoderator Adrian Cronauer (wahre Person, nicht so wahre Geschichte), der gerade seinen Radiojob in Saigon antritt und zum Liebling der Truppen avanciert. Am Mikrofon startet Williams eine Flachsrakete nach der anderen, ist in der einen Sekunde noch Kermit der Frosch, in der anderen Richard Nixon. Das ist heute nicht mehr unbedingt alles so lustig, da man teils viel Hintergrundwissen braucht, teils seehr genau hinhören muss. Ähnlich sehen das einige Kollegen von Cronauer, ihnen stoßen jedoch vor allem die politischen Seitenhiebe und seine "viel zu moderne" Musikauswahl auf. An dieser Stelle kommt Regisseur Barry Levinson ins Spiel, lässt Louis Armstrong "What a Wonderful World" schmettern, während er verstörende Bilder von Hinrichtungen und Napalm zeigt.
Es ist überhaupt die größte Stärke des Films, die Distanz zwischen der Radiostation zu dem tatsächlichen Kriegsgeschehen zu betonen. Auch Cronauer wird mit Schüssen und Bomben konfrontiert, aber die Relation zu den Kämpfen in den Wäldern wird dennoch deutlich. In Saigon ist er "nur dabei statt mittendrin". [SPOILER] Es gibt eine Szene, in der der Radiomoderator abseits seines Aufnahmeraums echten Soldaten begegnet und zum ersten Mal direkt die fröhlichen Reaktionen auf seine Späße erleben darf. Als die Pause vorbei ist, fahren die Soldaten weiter in den Krieg. [SPOILERENDE] Es sind diese Momente der Bewusstwerdung, in denen Robin Williams, durch Vereinigung von Komik und Demut, am meisten brilliert. Für ihn folgte eine Weltkarriere, Barry Levinson gelang im Jahr darauf mit "Rain Man" das nächste Meisterstück und auch für deutsche Hörgewohnheiten hatte "Good Morning, Vietnam" Folgen. 17 Jahre lang war kein Robin-Williams-Film ohne die Stimme von Peer Augustinski denkbar gewesen.
Jason Statham hat nicht nur etwa so viele Pferdestärken wie der Bus in "Speed", sondern auch das gleiche Dilemma: Wenn er das Tempo nicht hochhält, heißt es: Ende, Aus, Mickey Maus. In "Crank" spielt er den Berufsmörder Chev Chelios, der wegen einer exotischen Vergiftung seinen Adrenalinpegel dauerhaft hochhalten muss, um nicht das Zeitliche zu segnen. Das klingt nach einer fixen, auf Teufel komm raus konstruierten Filmidee. Chelios' Arzt "Dr. Miles" erklärt die Intoxikation jedoch schön genug, um sie als Zuschauer plausibel zu finden und der irrwitzigen Geschichte gern zu folgen. Statham kämpft fortan nicht nur gegen fiese Substanzen in seinem Blut an, sondern auch gegen die bösen Geister, die das Unheil erst heraufbeschworen. Begleitet wird die Odyssee durch L.A. von originellen Momenten, witzigen Situationen und überraschenden Drehungen. Das Tempo bleibt konstant hoch, das Vergnügen daran stumpft auch nicht ab und die Optik ist durchweg markant und cool. Dazu gibt Statham einen wirklich guten Typen ab. Eine einzige Szene fährt "Crank" gegen die Wand. Da hier alle Wege des Nervenkitzels durchexerziert werden wollen, scheint der Einbau von Sex logisch. [SPOILER] Doch die entsprechende Situation, zugetragen in aller Öffentlichkeit auf den Straßen von Chinatown, ist unglaubwürdig, pseudo-"epic" und rassistisch. Chinesen werden hier als kleingeistige, verklemmte Grinsebacken dargestellt. [SPOILERENDE] Eine kultversprechende Action-Rakete verkommt so zur Knallerbse. Ein Jammer!
"Dinos! Wir haben Dinos hier... Keine Sau interessiert sich dafür." Und genau da liegt das Problem - Nach 22 Jahren "Jurassic Park" reichen den Besuchern keine Bronto- und Brachiosauren mehr, auch keine Dressurraptoren und Streichelzoos, wie im vierten Teil der Reihe eindrucksvoll gezeigt, nein, jetzt wird wild in der DNA herumgepanscht. Ein bisschen Truthahn, etwas Ameisenbär, eine Prise Hering, schon steht ein spektakulärer Babosaurus bereit. Angenommen, es hätte die letzten zwei Jahrzehnte tatsächlich diesen Freizeitpark nahe der costa-ricanischen Küste gegeben, so scheint diese Entwicklung hin zum übernächsten Superlativ absolut plausibel, obgleich pervers für den Kinozuschauer. Dass sich der Film damit selbst auf's Korn nimmt, siehe 3D, siehe Althergebrachtes in quadriertem Maße, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. "Jurassic World" bietet einen tollen Park, einigermaßen gute Action, einigermaßen solide Schauspieler und einigermaßen erschreckende Jump-Scares. Ein einigermaßen guter Film wird die Saurierwelt außerdem deshalb, da man ihr ansieht, wie Regisseur Colin Trevorrow im Jahr der Parkeröffnung in Dinobettwäsche geschlafen haben muss. Die nostalgischen Schauwerte suchen wahrhaftig ihresgleichen. Egal ob BD "Dr. Wu" Wong, die angeleinte Ziege oder Mr. DNA - Sie alle sind wieder mit am Start. [SPOILER] Dann fallen zwei Bluttropfen auf den Arm eines Sicherheitsmannes. Der eine läuft links herunter. Der andere rechts. Ein Lob an alle, denen diese Hommage an Jeff Goldblums Veranschaulichung der Chaostheorie auch ohne Nachlesen auffällt. Ich geh krachen. [SPOILERENDE] Der Auftritt des Dilophosaurus, ja, auch er darf nicht fehlen, wird sogar als recht handlungsrelevantes Element eingebaut. Und der größte Visual-Effects-Cameo folgt dann noch. Der Film erhält durch diese "Ach, damals"-Momente eine ganz eigene Dynamik, doch es setzt auch voraus, dass man dem alten Spielberg-Abenteuer von 1993 überhaupt etwas abgewinnen kann. Ob man "Jurassic World" nun mag oder nicht, so herrscht in einer Feststellung wohl Einigkeit. Gegen Fortsetzungen, Prequels und Remakes hat niemand etwas. Nur gegen schlechte Filme.
"Ich find es scheiße!", knurrte es 1993 unter dem Schnurrbart von Wissenschaftsjournalist Jean Pütz hervor. Die Euphorie um "Jurassic Park" war mitunter so groß, dass der fast schon lieblose Handlungsrahmen - Kinderhassender Paläontologe entdeckt im Angesicht des Gemetzels seinen Beschützerinstinkt - entweder wohlwollend durchgewunken wurde oder die Gemüter erzürnte. 22 Jahre später blenden keine einst brillianten Effekte mehr das Urteil zum einst erfolgreichsten Spielfilm der Filmgeschichte. Doch nun liegt frei, was "Jurassic Park" konnte, das spätere CGI-Blockbuster oft nicht vermochten. Spielberg "moderiert" seine Dinos virtuos an, bevor er sie auf die Bühne lässt. Überwältigt mag man nicht mehr sein vom Anblick der Triceratops und Velociraptoren, doch kann man sich die Zuschauer von damals bildlich vorstellen: in heller Erwartung der perfekten Urzeit-Illusion, unwissend um den bevorstehenden Thrill-Faktor. Die Exposition trägt ebenso zum Erlebnis bei wie die insgesamt vier Minuten computergenerierter Effekte und etlichen Minuten mit gebastelter Animatronik. So lässt Spielberg in der Anfangsszene seinen Dino noch in der Zauberkiste, zeigt aber dessen Gefahrenpotential. Es folgen friedliche Pflanzenfresser und Saurier, die keine Lust haben oder krank in der Ecke liegen. [SPOILER] Und dann kommen der Stromausfall und ein Sir Attenborough, der fragt, wo die elektrischen Autos der übrigen Helden stehen geblieben sind - Schnitt - Ziege - achja - T-Rex-Gehege. Was nun folgt, sind ein Furcht einflößender Plastebecher, ein Nachtsichtgerät, ein Grund, weshalb in Filmen nie jemand auf Toilette geht und ein Tierschrei, den heute jeder kennt. [SPOILERENDE] An Dramatik übertroffen wird dieses Kapitel noch einmal durch die beengende Küchen-Szene am Ende. John Williams' Soundtrack gibt den Film treffend wieder: schmalzig ja, aber stellenweise hochspannend. Eine Frage ist jedoch auch 2015 noch offen: Wo kam plötzlich der Abhang her?
Da vergisst man glatt, dass noch drei weitere Filme dazugehören - Die "Wutstraße" ist ein freistehendes, stets seinem individuellen Stil treues Actionspektakel. Dieser "Mad Max" rattert und knattert, gleißendes Sonnenlicht fällt in den dunklen Kinosaal, der Zuschauer schmeckt Sand auf der Zunge. Das eigentliche Setting ist stets in Bewegung, Fahrzeugkonvois voller skurriler Gefährte, unter denen die Wüste wie eine Wetterfront vorüberzieht, säumen unheilvoll den Horizont. George Miller baut seinen Film so auf wie "Der General" und einige Elemente erinnern bald an "Metropolis" - vielleicht völlig unfreiwillig. Doch das zeigt, dass man sich hier auf die grundlegenden Dinge des Filmschaffens besinnt. Keine "Und-jetzt-alle.."-Momente, keine verkümmerten Sinnsprüche, nur ein Weg und die Akteure, die ihn beschreiten. Das Hickhack, die Verfolgungsjagden und Finten, das Drunter und das Drüber wurden solide mit modernen Mitteln und schnellen Schnitten veredelt. Von "Mad Max: Fury Road" bleibt am Ende mindestens der Eindruck vom gruseligsten Gitarristen der Filmgeschichte bestehen.
Rund 200.000 Menschen starben am 26. Dezember 2004 bei einer Katastrophe, die im Englischen auch als "Boxing-Day-Tsunami" bekannt ist. Für einen Film darüber ist es günstiger, sich auf eine reale Begebenheit zu stützen, um nicht in der Luft zerrissen zu werden. In "The Impossible" ist das die wahre Geschichte der spanischen Familie Belón, die hier als amerikanische Familie Bennett auftritt. Obwohl der Anblick des Tsunamis selbst nur einen kleinen Teil des Films ausmachen würde, war dessen Inszenierung einer der wichtigsten Aspekte. Denn in diesem Punkt kann der Regisseur das Meiste falsch machen. Manch einer würde die Wassermassen gar nicht erst zeigen, um jegliche Diskussion über Effekthascherei im Keim zu ersticken. Doch wie soll man so die Verblüffung, die Furcht und das Entsetzen der Beteiligten einfangen und nachvollziehen? Manch anderer akquirierte dagegen die Pixel-Zauberer von "Findet Nemo" bis "2012", um sich an der perfekten Welle und ihrer tödlichen Wucht zu ergötzen. Juan Antonio Bayona geht einen Mittelweg. Viele Einstellungen wurden in einem großen Wassertank gedreht, auf digitale Wellenkämme wurde verzichtet. Das sieht glaubwürdig aus, doch die beschränkten Mittel zwingen die Macher zu bestimmten Kameraperspektiven und Schnitten, die ein subjektives Erleben der Katastrophe verhindern.
Als die Überflutung vorüber war, dürfte sich den Betroffenen ein dystopisches Bild des Schreckens geboten haben. Im Film dagegen wird das eher an den Rand gestellt oder anhand von Szenen abgehandelt, die in jedem anderen x-beliebigen Film zu sehen sein könnten. Eine innovative Neuerfindung des Kinos für das Zeigen einer solchen Katastrophe wäre wohl auch vermessen. Nur blöd, dass die Konventionen so schäbig sind, an die sich der Film stattdessen anschmiegt. "The Impossible" möchte die Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit der vielen Leute vor Ort von damals würdigen. Allerdings klammert Bayona die zahllosen Todesopfer viel zu konsequent aus. Man erhält den Eindruck, er wolle der Welle gleich mit dafür danken, dass sie Solidarität und Hedonismus über die Menschen gebracht habe. Das ist Unsinn, natürlich, viel eher hat der Regisseur im Angesicht der verrückten, aber fast schon "zu filmtauglichen" Geschichte sich in fragwürdige Prioritäten verloren. [SPOILER] Im Schlussspurt zeigt das Drama mit pathetisch großem Anlauf, wie die Bennetts zueinanderfinden, um dann in schmalzige Musik auszufransen und sich somit trotz spanischer Produktion nur üblen Hollywood-Regeln anzubiedern. [SPOILERENDE] „The Impossible“ zeigt das Geschehen leider eben nicht als „Das Unmögliche“, sondern als „Das schmierig Romantische“.
"Herzlich willkommen zur Stadtführung durch Barcelona, Geburtsort von Joan Miró, Montserrat Caballé und Pep Guardiola. Links von uns sehen Sie die 1882 begonnene und seither nie fertiggestellte Sagrada Família des Architekten Antonio Gaudí. Was sie hinter der blutüberströmten Rentnerin mit weißen Pupillen sehen, die ihrem Hund gerade eine Pobacke abbeißt, ist im Übrigen die sogenannte Passionsfassade." Mal ein schöner Zombiefilm ohne amerikanische Kleinstadteinöde oder schlechtes englisches Wetter, sondern in einer angenehm unverbrauchten Umgebung. Ángelas und Pablos statt Jakes und Jims. Ein moddriger mondäner Altbau statt langweiliger Eigenheime. Handkamera statt ... Hoffentlich ebbt dieser Trend bald wieder ab. Aber was sich die eifrigen Spanier hierbei ausgedacht haben, kann sich sehen lassen. In "[REC]" begleitet ein Kamerateam die Feuerwehr zum Einsatz in einem Wohnhaus, dessen Bewohner zwar pünktlich Miete zahlen und einmal in der Woche Treppe kehren, aber eben auch ihren Mitmenschen die Halsschlagader kaputt beißen. Was für die betroffenen Personen ungesund ist, ist für den Zuschauer ein bisschen müßig, denn inzwischen hat man das schon dutzendfach anderswo gesehen. Der eigentliche Spaß geht vom raffinierten Timing und den markerschütternden Point-of-View-Situationen aus. Dadurch ist der 80-Minuten-Horror vor allem eins: grandios gruselig. Die Lorbeeren fährt "[REC]" in den letzten 10 Minuten ein, in denen es noch einmal richtig klaustrophobisch wird und drei knallige Jump-Scares gezündet werden. Na dann viel Erfolg beim Schlafengehen.