HansNase - Kommentare

Alle Kommentare von HansNase

  • 5 .5

    "Ein ganzes halbes Jahr" ist wie "Armageddon" für Zartbesaitete. Ein bisschen die Seele baumeln lassen, nicht so viel nachdenken, ein paar ganz lustige Witze, Instant-Gefühle und wie so oft bei schlichten Unterhaltungsfilmchen eine schwierige Thematik, der der Film überhaupt nicht gewachsen ist. Kurzum: bestes Trän-tertainment.
    Sam Claflin als reicher Querschnittsgelähmter bekommt eine Helferin gestellt, gespielt von Emilia Clarke, die ihm wieder Lebensfreude einhauchen und böse Pläne austreiben soll. Darin beeindruckt Clarke vor allem durch den schier endlosen Aktionsradius ihrer Augenbrauen. Ihr Freund, gespielt von Matthew "Neville Longbottom" Lewis, ist derweil solch ein ich-bezogener Drops, dass sich schnell andeutet, worauf das Verhältnis zwischen Pflegerin und Gepflegtem hinausläuft. *Ü-u-Ü-u* Das ist alles ganz putzig und erträglich, denn Regisseurin Thea Sharrock scheint immerhin zu wissen, wie man sich filmisch Spaghetti warm macht, also routiniert einen simplen Herzschmerz-Streifen à la Kinostadl Hollywood zusammenbastelt.
    Um über die negative Darstellung von Behinderten als "Ballast der Gesellschaft" wirklich empört zu sei, hätten die Macher aber weitaus geschickter vorgehen und die Finger zur Pyramide des Bösen formen müssen. Soll heißen: Der Film ist schlecht genug, um keine manipulative Wirkung zu entfalten.

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    • 8
      HansNase 17.07.2016, 16:50 Geändert 10.02.2017, 10:56

      "Toni Erdmann" zeigt den authentischen Weg zum völligen Nonsens und präsentiert diesen Nonsens als ein Mittel zur Glücksempfindung und -findung. Hä? Richtig.
      Maren Ade erzählt die Geschichte einer karriere-fixierten Tochter, die bei ihrer unternehmensberaterischen Tätigkeit in Bukarest Besuch von ihrem scherzhaften Vater erhält. Die Komödie lebt von, jeweils gegen übliche Standards aufbegehrendem Erzähltempo, szenischen Timing und Humor. Sandra Hüller spielt jene Tochter, Ines ist ihr Name und sie verbringt ihren Alltag mit Erfolgsdruck, Terminkorsett, mit "Schattenkalkulationen", "Abstimmungsprozessen" und "Slots". Vater Winfried und sein Alter Ego "Toni Erdmann" (jeweils Peter Simonischek) kommen unangekündigt und wollen Ines etwas Freude (bei)bringen. Doch die lässt sich nicht so leicht aus dem Business-Strudel erretten.
      Dass der Humor dabei manchmal so merkwürdig erscheint, ist kein Zufall, denn er lehnt sich gegen die Systematisierungs- und Standardisierungsneurosen in Ines' Arbeitswelt auf. In "Toni Erdmann" ist eine Sache einfach deshalb lustig, weil man eben irgendwie darüber lachen muss. Einfach erklären, wie der Witz von einer Giftschlange, die sich in die Zunge beißt, lassen sich die Späße nicht. Winfrieds falsche Zähne, Gespräche über Käsereiben oder der plötzlichen Stellenwert des Eierbemalens wirken ja eher fehl am Platz und sind dennoch oder gerade deshalb zum Schreien. Es funktioniert auch durch tolles Schauspiel voller Lebendigkeit und das Wechselspiel mit ruhigen, traurigen Momenten. Denn Ines und Winfried sind seit einigen Jahren so entzweit, dass manche Hoffnung auf eine wärmende Umarmung versiegt. Ines wird aber lernen, dass es von Wert ist, was ihr Winfried an Lebensfreude mitgibt. Er vermittelt auch dem Zuschauer Hoffnung, wenn er als "Toni Erdmann" wie ein guter Geist zwischen all den Anzugträgern umherwandelt.
      Einfach mal Mensch sein, den Gang der Dinge auf den Arm nehmen - Kontrastierender als in dieser deutsch-rumänischen Geschäftswelt könnte die Philosophie von Toni kaum sein. Am Ende wird sie sich als hilfreich erweisen. Wer Leute verwirrt, schafft nicht nur Argwohn, sondern auch Neugier. Und die schützt manchmal davor, von einer Übermacht gefressen zu werden.
      Das läuft auf mehrere fulminante Abschlussszenen hinaus, von denen eine das Kino in schallendes Gelächter versetzen wird.

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        HansNase 17.07.2016, 13:16 Geändert 17.07.2016, 13:21

        Wer nach der Fortsetzung der 90er-Action-Sause "Independence Day" zweifelt, weshalb er noch gleich den ersten Teil gut fand, der darf ein Stück weit beruhigt sein. Das Sequel führt nicht etwa vor, dass solche Filme an sich der letzte Dreck seien, sondern ist schlichtweg in sich geschlossen eine Beleidigung für den Kinogänger. 1996 startete Emmerich seinen Film mit einem dramaturgischen wie visuellen Spektakel - Die ersten 54 Minuten waren ein furioses Spannungs-Crescendo, das in eine überwältigende Coda führte. Danach wurde auch der erste Teil, begleitet von ein paar netten Will-Smith-One-Linern, schwächer und schließlich richtig furchtbar.
        "Independence Day 2: Wiederkehr" spielt im Jahr 2016, die Welt im Film ist aber durch die Ereignisse von '96 eine andere als die des Zuschauers. Der abgewehrte Alien-Angriff ließ die Menschen erkennen, dass ihre Konflikte untereinander nichtig seien. Drum herrscht seit 20 Jahren Frieden, bis neue Invasoren aus interstellarer Ferne eintrudeln.
        Das ist die Welt, wie sie sich Roland Emmerich vorstellt. Das Szenario ist ja auch nicht uninteressant - Besser könnten die Voraussetzungen für einen Weltfrieden kaum sein, die Triebkräfte wären in diesem Fall die Dankbarkeit für das Leben und der Stolz über den menschlichen Zusammenhalt in Zeiten außerirdischer Invasion. Dass sich solche Gefühle aber nicht allumfassend verbreiten werden, es bei Milliarden Menschen auch Milliarden Blickwinkel gibt und die Rettung der Menschheit mit gleichzeitig aufkommenden Erwartungen einhergeht, die sich nicht erfüllen werden, lässt Emmerich außer Acht. "Sei froh, dass Du überhaupt lebst," wird vielleicht der Reiche über den Armen sagen und umgekehrt, jedoch einhergehend mit unterschiedlichen Forderungen: Der Reiche hält guten Gewissens an sozialer Ungerechtigkeit fest, der Arme sieht umso mehr die Pflicht des Reichen, etwas daran zu ändern. So könnte die überstandene Alien-Invasion Konflikte überhaupt erst katalysieren.
        Es sind aber andere Gesichtspunkte, die "Independence Day 2" zu einem so lächerlich schlechten Film machen. Die süffige CGI-Optik überträgt sich noch auf die letzte Gesichter-Nahaufnahme - Menschen stehen bei Tag in der Wüste, doch sind beim Dreh wohl keine Minute wirklich an der frischen Luft gewesen. Das suggeriert jedenfalls das ekelhaft von der Seite draufknallende Studiolicht. Im ersten Teil hatte man im größten Tohuwabohu noch das Gefühl, dass da "tatsächlich gerade etwas" passiere. Heute sind die Effekte aufwändiger, aber alles sieht steril aus bei widerwärtigen Farbkompositionen und keine sichtbare Alien-Attacke scheint wirklich gerade die Figuren zu konfrontieren.
        Spannung wird überhaupt nicht aufgebaut, an jeder Stelle erklären die Charaktere auf die Sekunde pünktlich, was gerade geschieht, damit auch schlafende Zuschauer gedanklich mitkommen. Wer Filme nicht mag, weil er selbst "Scary Movie" und "Kaminfeuer-Impressionen" zu schwierig findet, der wird durch "Independence Day 2: Wiederkehr" womöglich eine unverhoffte Versöhnung mit dem kinematographischen Medium verleben.
        So wirklich beunruhigend ist jedoch das grauenerregende Schauspiel, denn es sind ja bisweilen etablierte Damen und Herren, die mitwirken. Der leider inzwischen verstorbene Robert Loggia, US-Verteidigungsminister in Teil 1, musste lediglich nochmal liebenswert in die Kamera nicken, aber Jeff Goldblum, Liam Hemsworth, Charlotte Gainsbourg und Sela Ward sägen allesamt an ihren Stühlen. Wenn 5 Autoren am Drehbuch mitwirken und nicht mal einen anständigen Satz zutage bringen, dann muss man wohl davon ausgehen, dass sie ihre Buchstaben erst aus Hackfleisch formen und dann zu Dialogen zusammensetzen mussten.
        Ob der finanzielle Erfolg eintritt oder ausbleibt - "Independence Day 2" ist so oder so ein ... "großes Geschäft".

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          HansNase 24.06.2016, 00:12 Geändert 25.06.2016, 14:05

          "Dick Tracy" - der Comic-Film, der ein Klassiker hätte werden müssen und keiner wurde. 1990 verwirklichte Warren Beatty ein Herzensprojekt, brachte einen berühmten 30er Jahre Comicstrip über Chicagos Polizeiinspektor "Dick Tracy" ins Kino und setzte in Sachen Optik alles auf eine Karte. Für das Maskenbild durfte ordentlich drauflos gelatext werden, die Kulissen gestalteten sich bunt und urban, es gab hüpfende Dampfkessel, riesige Zahnräder, Straßenlaternen aus Gummi und alles war in deckendes Rot, Gelb, Grün, Blau, Lila, Schwarz oder Weiß gehüllt. Andere Farben verbannte Beatty, so gut es ging, aus seinem Film. Diese Siebenfarbigkeit erreichten er und und seine Crew nicht etwa durch entfremdende Post-Production, sondern von Grund auf, also durch Kostüm-, Szenen- und Maskenbild. Wo farblich nachgeholfen werden musste, durften dicke Farbscheinwerfer einmal so richtig draufknallen. Das Charmante daran ist, dass auf diese Weise ein perfektes Ergebnis auf der Farbpalette gar nicht möglich scheint. Zwischentöne sieht man trotz des ganzen Aufwands natürlich zuhauf und wo prompt auf die Schnelle noch ein Kostüm hermusste, hielt eben eines im ansonsten "verbotenen" Orange her.
          Das klingt schon etwas besonders und klang schon damals besonders genug, damit sich neben Beatty als Dick Tracy himself auch Al Pacino, Madonna, Dustin Hoffman, Dick Van Dyke, Kathy Bates, James Caan und Paul Sorvino bereiterklärten, mitzuwirken. Der skurrile Stil erlaubte es praktischerweise, genauso skurrile Storyelemente einzubauen. Passend zu den schrägen, ja geradezu niedlichen und trotzdem hie und da brutalen Schauwerten durfte auch von Seiten der Darsteller und Drehbuchautoren mal so richtig herumgesponnen werden. Alles wunderbar bis hierhin, bloß eine schicke, knackige Story lässt "Dick Tracy" vermissen. Inmitten des Kriminal-Szenarios über den Polizisten Tracy, der sich im Chicago vergangener Tage gegen die Bosse der Unterwelt zur Wehr setzt und dabei den Waisenjungen "Kid" in seine Obhut nehmen muss, hält, und das ist jammerschade, keine so richtig packende Geschichte parat. Dabei hätte nichts gegen reichlich Spannung im kunterbunten Kampf zwischen Gut und Böse gesprochen. Drehungen und Wendungen versanden, Al Pacino als Bösewicht weiß keinen Hass auf sich zu lenken und irgendwann wirkt "Dick Tracy" zu lang gezogen.
          Es ist ein Unding, dass dieser Film, den es so nur einmal gibt, vor 26 Jahren nicht mehr herauszuholen wusste.

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          • 6 .5
            HansNase 23.06.2016, 22:44 Geändert 30.10.2016, 10:50

            Kurz vor dem Start von "Conjuring 2" stellte James Wan in Aussicht, mit seiner Gruselfilm-Reihe das Horror-Genre wieder als Kunstform etablieren zu wollen. Die Fortsetzung des großartigen Schock-Feuerwerks von 2013 macht nur leider wieder deutlich, dass ein von "1" abweichender Namenszusatz meist nichts Gutes für Horror-Filme bedeutet. Dank passabler Arbeit der "Jumpscare-Designer" beschert "Conjuring 2" trotzdem zittrig gute Laune.
            Am meisten leidet der zweite Teil unter den Abnutzungseffekten der bereits bekannten Stilmittel. "Conjuring" setzte vor 3 Jahren auf den Weg der Quantität und brannte in knapp 2 Stunden alles ab, was "Der Exorzist", "Blutgericht in Texas" und "Psycho" in über 50 Jahren moderner Horrorfilmgeschichte an inszenatorischen Kleinigkeiten erfunden hatten. Eine Abgrenzung zu anderen Gänsehaut-Filmchen der 00er Jahre wollte James Wan mit dem Versuch erreichen, "Conjuring" ... einfach nicht so lachhaft schlecht werden zu lassen. Und das gelang bravourös.
            Das Sequel macht nun genau damit weiter, eben den kompletten Film über nicht locker zu lassen. Doch dort liegt auch das Problem. Während 2013 noch jeder, wirklich jeder Schreckmoment Furcht auslöste und perfekt saß, wirken solche Momente im neuen Film noch während des Zuschauens kalkuliert, wissen zwar zu erschrecken, doch lehren sie einem nicht das Fürchten. Gutem Timing, schrecklich schönen Masken und dunklen Zimmerecken zum Trotz. Zum zweiten Mal heißt es zu Beginn "Nach einer wahren Begebenheit" - einmal zu viel des Guten. Zum zweiten Mal diskutieren die beiden Hauptfiguren und Geisteraustreiber Lorraine und Ed Warren (schauspielerisch teils wenig erträglich: Vera Farmiga und Patrick Wilson) immerzu über Sinn und Unsinn ihres Schaffens. Weiterspulen.
            Da die Geschichte diesmal in den 70ern und England angesiedelt ist, hört man zu Beginn "The Clash", begleitet von zeitgenössischen Aufnahmen des damaligen Englands. Das bildet noch einen angenehmen Kontrast zu den bis dahin bereits auf den Zuschauer losgelassenen Schauer- und Bibberszenen. Danach verliebt sich James Wan zu sehr in seine Kameraschwenks durch finstere Korridore, zu sehr in seine Szenenkompositionen im Haus der leid- und dämonengeplagten Familie Hodgson. Man merkt schnell diese Bemühtheit. Außerdem erklären die Charaktere viel zu detailliert die pseudo-empirischen Gesetzmäßigkeiten aller metaphysischen Vorgänge. "Conjuring 2" stellt sich damit selbst ein Bein, denn Horrorfilme leben davon, dass sich das Übernatürliche entweder als Farce herausstellt oder eben teilweise unklar bleibt.
            Am Ende bedeutet das aber nichts weiter, als dass "Conjuring 2" nur ein relativ ordentlicher Horrorfilm und eben nicht mehr als das ist. Während James Wans Charaktere wie von Geisterhand durch die Luft fliegen, ist die "Conjuring"-Reihe auf dem Boden der Tatsachen angekommen.

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            • 7 .5

              Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik drückt aus, dass alles im Universum dem Zustand größter Unordnung entgegenstrebt.
              Als Davis Mitchell seine Frau bei einem Autounfall verliert, hat nicht nur er fortan einen Knacks weg, sondern gleich Jean-Marc Vallées ganzer Film. "Demolition" bringt ab und zu schroffe, sterile Schnitte, streut merkwürdige Bilder von Eidechsen ein und hängt die halbe Figurenexposition an der Reklamation eines kaputten Süßigkeitenautomaten auf. Der gibt nämlich einfach keine M&M's her und steht auch noch in jenem Krankenhaus, wo Mitchell gerade von seiner Frau Abschied nehmen musste.
              Das ist schon traurig genug, doch der (praktisch in alternativloser Besetzung) von Jake Gyllenhall gespielte Mitchell weiß erstmal gar nicht, wohin mit seinem Leben und woher mit seinen Tränen. Nach Trauern ist ihm nicht so recht, der Investment-Banker macht sich erstmal wieder an die Arbeit und damit freiwillig zu Kafkas Käfer, der im Geschäftsleben funktionieren muss und es doch nicht tut.
              Denn kurz vor dem Tod seiner Gattin Julia hatte sie ihm noch gesagt, er möge sich mal um den defekten Kühlschrank kümmern, die Augen aufmachen, seinen neuen Werkzeugkasten benutzen. Und prompt hinterlässt sie ihren Witwer als einen Mann, dem all die fehlerhaften Dinge in seiner Umwelt auffallen.
              Mitchell wird nun aufmerksam. Die Toilettenkabine des Büros quietscht beim Öffnen der Tür - Er möchte dem auf den Grund gehen und baut sie auseinander. Sein Computer hat einen Virus - Er zerlegt ihn bis auf die kleinste Schraube. Irgendetwas in seinem Leben ist nicht in Ordnung, stimmt nicht so richtig. Doch es ist nicht der Tod seiner Frau - Der bringt nur die Fehlstellen zum Vorschein. Also zerstückelt er von da an sein ganzes Leben.
              So gehen die Hauptfigur und der Film der Frage auf den Grund, wo die Fehler in Mitchells früherem Bilderbuchleben liegen. Das erinnert ein bisschen an "Fight Club" und tatsächlich endet der Film mit einer kleinen Verbeugung vor David Finchers Kultfilm. Die Vorschlaghämmer werden in der Zwischenzeit ordentlich geschwungen, die Sägen angesetzt - Das versteht manch einer vielleicht nicht so recht, aber Jake Gyllenhall sagte es ja vor 15 Jahren in "Donnie Darko" selbst: Wer seine materiellen Güter zerstört, tut das vielleicht einfach aus dem Grund, um die Welt auf den Kopf zu stellen.
              Wie sich zeigen wird - und das ist der versöhnliche Aspekt von "Demolition" - kommen im Laufe der nicht durchweg unterhaltsamen, aber originellen 101 Minuten Mechanismen zum Vorschein, durch die sich Mitchells Leben wieder zu reparieren scheint. Denn einmal aus den Fugen geraten, findet er Menschen, die ihn verstehen, der "Verrückt-Gewordene" ist nicht allein. Das eigene Leben zerkloppen? Jean-Marc Vallée findet Argumente dafür, doch er appelliert auch an die Vernunft, den Pragmatismus und den Respekt. Das Leben ist nicht perfekt. Gegenstände mit Dellen sind kaputt. Menschen mit Dellen sind menschlich.

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              • 3 .5

                Jeremy Saulniers Definition eines guten Thrillers bestand wohl darin, einen schlechten Horror-Film zu nehmen und davon alle gruseligen Elemente zu subtrahieren. Nach solchen oder ähnlichen Maßstäben muss "Green Room" entstanden sein, denn der Film über eine linke Punkband, die sich plötzlich in einem rechtsradikalen Musikschuppen wiederfindet, ja, sogar dort auftritt, klatscht billig Klischees von Drogenrausch, Gitarrengeschrammel und Umzingelungs-Szenerie zu einem öden Blutrausch zusammen. Saulnier verschenkt das Potential seiner Geschichte so sehr, dass man sich fragt, ob von Potential überhaupt die Rede sein kann oder ob hier nur mit einem interessanten Plot Interesse erzeugt werden sollte. Was ein witziger Zusammenprall zwischen linker und rechter Musik-Szene hätte werden können, stellt sich als völlig austauschbares Szenario heraus. Die Punker der "Ain't Rights", so heißt die Band der Protagonisten, sind irgendwie etwas dumm, aber auch irgendwie sympathisch; die Neonazis dagegen standesgemäß teuflisch. Momente der Läuterung kommen billig und wenig nachvollziehbar. Der politische Hintergrund spielt bei alldem keine wirkliche Rolle, "Green Room" könnte alternativ auch geistesgestörte Weltraum-Hamster gegen blutrünstige Zombie-Topflappen kämpfen lassen - Es würde den Belang des Films kaum schmälern, zumal die politisch-musikalischen Gesinnungen in verschwindend geringer Weise diskutiert, verglichen oder entlarvt werden. Übrig bleibt die Ausgangssituation, nach der die "Ain't Rights" im Band-Warteraum der Musik-Bar eingepfercht sind und sich einer bewaffneten Neonazi-Übermacht außerhalb des Zimmers gegenüber sehen. Doch auch die Umsetzung dieses Thriller-Entwurfs inklusive Schnitt, Schauspielkunst und Verdichtung, bewegt sich deutlich unterhalb von schlechtem Mittelmaß. Die Figuren verändern schwankend ihre Gemütslage und Persönlichkeit, scheinen nur ad hoc jeden Satz ohne Umschweife aussprechen zu müssen, den ihnen der Drehbuchautor gerade zuwirft. Einzig und allein der aus "X-Men" bekannte Darsteller Patrick Stewart hält seinen eigenen Charakter halbwegs kongruent zusammen. Das omnipräsente kalt-grüne Licht erzeugt zudem eine einigermaßen kuschlige Atmosphäre. Ansonsten ist der Film die perfekte Verwechslung von "absurd" und "blödsinnig".

                5
                • 8

                  Russell Crowe, Kim Basinger, Musik mit Jerry-Goldsmith-Elementen in den Straßen von Los Angeles - "The Nice Guys" lässt sich kaum ohne Erwähnung des inzwischen 19 Jahre zurückliegenden "L.A. Confidential" besprechen. Shane Blacks neuer Film mit Crowe und Ryan Gosling in den Hauptrollen ist ein unbekümmert lustiger Buddy-Thriller, der stilvoll die späten 70er wiederaufleben lässt. Solche Plot-Beschreibungen liest man in letzter Zeit häufiger, die große Nostalgie ist allgegenwärtig in der Kinolandschaft. "Hail, Caesar!", "Carol", "Brooklyn" und "Trumbo" feierten die 50er, "The Walk" die 70er, der erst vergangene Woche erschienene "Everybody Wants Some!!" sowie "Eddie the Eagle", "Kung Fury" und "Sing Street" malten die 80er aufs Celluloid und mit "The Big Short" gelang die bislang vielleicht beste 2000er-Revue. Ich würde diese Aufzählung nicht schreiben, stellte "The Nice Guys" nicht so etwas wie den State-Of-The-Art unter den schwelgerischen Epochen-Filmen dar.
                  Holland March (Gosling) und Jackson Healy (Crowe) geben das typische ungleiche Privat-Schnüffler-Duo ab, welches nur gegen einen gewissen Widerwillen zusammenarbeitet. Ein mysteriöser Porno-Film scheint für seine Macher und Mitwirkenden zum Verhängnis geworden zu sein, denn nach und nach bezahlen ihn diese mit dem Leben. Doch was kann an einem pornographischen Machwerk so besonders sein, dass unbekannte böse Mächte so strikt etwas dagegen haben könnten?
                  Dieser mysteriös-ulkige Ausgangskonflikt stellt das Sprungbrett für eine zweistündige Spaß-Odyssee mit einigen unheimlich lustigen Slapstick-Momenten, befreiend spritzigen Dialogen und interessanten Wendungen dar. Saxophone, Donna-Summer-Afros, Femme-Fatales, Traumsequenzen und musikalische Fahrstühle sind auch mit dabei und die beiden Hauptfiguren profanieren sich selbst durch Alkoholismus und Unbarmherzigkeit. So richtig schlau wird man aus "The Nice Guys" nicht und die Lösung des Porno-Rätsels stellt sich eher als Aufhänger heraus. Aber was soll's - Shane Blacks Komödie verspricht nicht mehr als Unterhaltung und erreicht nicht weniger als 2 Stunden Spaß und Atmosphäre.

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                  • 6 .5

                    Bei Richard Linklater dauert es mitunter wenige Minuten, bis die ersten Zuschauer völlig verständnislos den Saal verlassen. In etwa solch ein "bescheuerter Drecksfilm" ist auch "Everybody Wants Some!!", denn er spart jeden Spannungsbogen, jede erwähnenswerte Charakterentwicklung und jeden Antagonismus völlig aus. Darauf aufbauend testet Richard Linklater dann, wie gut ein Film eben sein kann, wenn lediglich Musik, Bebilderung und eine Armada dummer Sprüche dazu beitragen dürfen. "Everybody Wants Some!!" gebärdet sich in allererster Linie als typisch nostalgisches Zeit-Abbild, das ein besonderes Lebensgefühl "von damals" einzufangen versucht. Die Kamera schwebt elegant wie ein Werbe-Zeppelin über einigen Baseball-College-Studenten des Jahres 1980 hinweg, das Semester steht bevor, für Jake (Blake Jenner) ist es das erste. Untergebracht mit seinen Team-Kollegen in einem schicken Haus, warten nun wilde Partys, Gras, Mädchen und das pure Studentenleben auf ihn. Die nicht eindeutig zwischen Haupt- und Nebencharakteren unterscheidbaren Jungs wurden so unfassbar gut gecastet, frisiert und in authentische Klamotten gepackt, dass man den Film manchmal selbst aus den späten 70er oder frühen 80er Jahren vermutet. Doch nein, die Darsteller haben sich nicht etwa aus „Hundstage“ oder „Network“ ins Jahr 2016 gebeamt – Man wählte gänzlich unverbrauchte Gesichter von heute. Party-Szenen tragen sich inmitten fantastischer Kulissen zu. Drumherum dürfen natürlich Arcade-Automaten, Langspielplatten und Schnurtelefone nicht fehlen. „Everybody Wants Some!!“ hätte auf diesem Wege ein richtig toller Film werden können, zerbröselte der Soundtrack nicht zu einem 70er/80er-Best-Of der Sat.1-„Hit-Giganten“. Einige Songs wie „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang oder „Urgent“ von Foreigner wurden noch wunderbar in einen filmischen Rahmen hineingesetzt. Aber mal ehrlich – Kann man einen Einbau von „Heart Of Glass“, „Ladies Night“ oder „Ain't Talkin' 'Bout Love“ wirklich als originell bezeichnen? Insgesamt bietet Linklaters Film aber gutgelauntes sommerliches Kino, welches das Amerika von 1980 besonders gelungen in die heutigen Kinosäle zu projizieren scheint. Ob mit oder ohne doppeltem Ausrufezeichen.

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                    • 8

                      Gerade 2 Jahre ist es her, da mit "Grand Budapest Hotel" die Verbindung zwischen Stefan Zweig und der großen Bühne des Kinos belebt wurde. Das spielt Maria Schraders überraschend bildgewaltigem Drama "Vor der Morgenröte" in die Karten, das von den Exiljahren des österreichischen Autors Zweig zwischen 1936 und 1942 in Süd- und Nordamerika erzählt. Die zeitliche Nähe zwischen Wes Andersons bunter Komödie und diesem Film ist aber reiner Zufall.
                      Ein anderer Österreicher nahm sich der Darstellung Zweigs an - Der Kabarettist Josef Hader tritt mit Schnurrbart und schickem Tropenanzug auf und bewältigt die Aufgabe mit viel Ruhe, Betonung auf Körpersprache und vor allem: mit Bravour. Wer die Geschichte von Stefan Zweig kennt, wird vielleicht denken, "Vor der Morgenröte" werde ein trostloser Film.
                      Bevor der Schriftsteller 1934 von Österreich aus ins britische Exil flüchtete, waren bereits viele seiner Bücher in den Scheiterhaufen der Nationalsozialisten zusammen mit Werken von Tucholsky, Kästner, London, Remarque, Freud, Einstein und dutzenden anderen verschwunden. 1936 zog es ihn nach Südamerika, weg von Großbritannien, wo man unter Deutschsprachigen oft nicht mehr zwischen Freund und Feind unterschied. Links des Atlantik fand Zweig keine wirkliche neue Heimat. Daran zerbrach er.
                      Ein trostloser Film? Ganz so einfach ist es nicht. Jede Szene dieser episodenartig aufgebauten Biographie ist lebendig, mitunter lustig, manchmal bunt, oft dem Leben zugewandt. Haders Zweig lässt Selbstzweifel und Überforderung immer wieder erkennen, doch er steuert nie auf einen ausweglos erscheinenden Strudel zu. Was ihn dennoch besonders bedrückt, ist sein eigenes Privileg des In-Sicherheit-Seins, angesichts Millionen bangender Europäer während des 2. Weltkriegs. Zweigs Sehnsucht nach Deutschland wird daneben interessant veranschaulicht. So spielen anfängliche Szenen zwar in Rio de Janeiro und Buenos Aires, doch zeigen sie nichtsdestotrotz europäisch anmutende Innenarchitektur. [SPOILER!] Später spielt eine brasilianische Blaskapelle zwischen Dickicht und tropischer Hitze "An der schönen blauen (schieftönigen) Donau". Die schrägen Klänge erinnern nur noch grob an den Walzer von Johann Strauss und wirken dadurch wie eine allmählich versiegende Erinnerung. [SPOILERENDE] Dies trägt sich im Jahr 1941 zu, Zweig muss inzwischen fortlaufend Kontakte spielen lassen, um Verwandten und Bekannten Visa zu verschaffen. Das erfordert Gegenleistungen und der Star-Literat wird seine mediale Präsenz immer häufiger zur Verfügung stellen. Hinein in diese Phase des Selbstmitleids tritt seine Ex-Frau Friderike und bietet ihm Paroli - Barbara Sukowa spielt hierbei überragend auf. Noch lobenswerter ist Maria Schraders Regie. Die Staffelungen und Kompositionen der einzelnen Situationen innerhalb jeder Szene sind so toll durchgeplant, so vertrackt und so sauber gelungen, dass es schon einer waschechten Vision dahinter bedurfte. Kino-Ästhetik von Weltformat ist hier gelungen.
                      "Vor der Morgenröte" liefert eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Pazifisten, nüchternen Denker und am Ende Heimatlosen Stefan Zweig. Der Film zeigt ein friedfertiges, buntes und schönes Bild südamerikanischer Länder, das im Spiegel der weit entfernten Kriegshölle nur umso mehr schmerzte.

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                      • 8
                        HansNase 27.05.2016, 20:14 Geändert 27.05.2016, 20:32

                        Mit "Zurück in die Zukunft" zurück in die Vergangenheit! John Carneys "Sing Street" leitet mit einer im wahrsten Sinne des Wortes "Traum"-haften Marty-McFly-Hommage eine der kitschigsten und zugleich wundervollsten Szenen des Kinojahres ein.
                        Für 106 Minuten wird man ins Dublin der 80er Jahre verfrachtet und bekommt den Geist der damals in eine Mischung aus Zukunftsangst, Sehnsucht und Aufbruchstimmung versetzten Jugend Irlands dokumentiert.
                        Schon der grobe Handlungsabriss lässt erahnen, was für ein kerniger Film hier geglückt ist: Der junge Cosmo (Ferdia Walsh-Peelo), Neuling an einer streng römisch-katholischen Schule und Sohn von sich fortwährend zankenden Eltern, verguckt sich auf den ersten Blick in das schöne Model Raphina (Lucy Boynton). Also unterbreitet er ihr vollmundig, sie dürfe im neuen Musikvideo seiner Band auftreten. Anlass genug also, seine Band überhaupt erst einmal ... zu gründen.
                        Zwischen maroder Wirtschaft und konservativem Erwachsenentum entwickeln Cosmo und seine zusammengeklaubten Freunde nach und nach ein Gespür für Inspiration, für Neukreation, für Musik im Allgemeinen. Immer mit dabei: der Charme des Dilettantismus, die Achtziger höchstpersönlich. Amateur-Musikvideos mit schimmligen Mauern im Hintergrund, gesangliche Kakophonien und Kostüme, doppelt so groß wie die Personen darin.
                        Wenn ein Musikfilm so unkompliziert erzählt und von derart träumerischem Optimismus getragen ist, dann hängt das endgültige Urteil darüber vor allem von den Song-Kreationen ab. Dass John Carney hierfür ein tolles Händchen hat, bewies unter anderem schon sein Oscar-Gewinnerfilm "Once" von 2007. In "Sing Street" sind ihm in erster Linie mit den Titeln "The Riddle Of The Model" und "Drive It Like You Stole It" zwei herrlich nostalgische Beiträge voller Synthesizer geglückt, durch die man für einige Minuten komplett in den Film hineingleiten darf. Leider vermitteln ausgerechnet die Lieder im großen Finale den musikalischen Heißhunger auf Neuschöpfungen, wie man ihn aus Pop-Hits der 80er kennt, eben nicht. Ob einem jene wesentlich seichteren Songs dennoch gefallen, ist aber eine andere Frage und am Ende Geschmackssache. Zu hören gibt es überdies jede Menge Musik von damals, inklusive Hall & Oates, The Cure, Duran Duran und so weiter. Wer das "in Ordnung" findet, dem wird "Sing Street" gefallen. Wer es "mag", der wird vor Freude platzen.

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                        • 5 .5

                          Es erinnert ein klein wenig an den berüchtigten "Pedanten von Osterode", der mit inzwischen mehr als zwanzigtausend erstatteten Anzeigen wegen Falschparkens und anderer Delikte seine Mitbürger gegen sich aufbrachte. In der schwedischen Dramakomödie "Ein Mann namens Ove" wird die Einhaltung der Regeln nämlich auch nach allen Regeln der Kunst verteidigt.
                          Ove ist 59 Jahre alt, verwitwet und lebt in einer kleinen Wohnsiedlung, in der Autofahren untersagt ist. "Strengstens untersagt," wenn es nach Ove geht. Überdies lässt er keine Gelegenheit aus, seine Mitbürger anzuraunzen. Entgegnen ihm derweil nette Worte, so hält er es für Gewäsch. Nur am Grab von Sonja, seiner Frau, ist er zu Besonnenheit fähig. Deshalb möchte er bald "zu ihr kommen", doch als er entsprechende Schritte ergreift, durchkreuzt die neue Nachbarin Nasinin seine Pläne.
                          Hauptdarsteller Rolf Lassgård ist 61 Jahre alt, wurde mit Make-up und grauem Flatterhaar zu einer greisen Figur geschminkt, die allerdings 2 Jahre jünger als er selbst ist. Aber nicht nur das ist etwas merkwürdig, auch lässt "Ein Mann namens Ove" die Bissigkeit anderer skandinavischer Komödien vermissen. Stattdessen ist eine Everybody's-Darling-Buchverfilmung daraus geworden. Das wäre in Ordnung, verfiele Regisseur Hannes Holm nicht immer wieder in jaulend orchestrierte Kitsch-Rückblenden. Was ist Ove passiert, sodass aus ihm wurde, was er ist? In dieser Frage verheddert sich der Film durch eine Erzählweise, die genauso klopsig daherkommt wie die drögen Kulissen und Lassgårds ambitioniertes Maskenbild. Der Hauptdarsteller ist auch leider kein Jack Nicholson, welcher 1998 in "Besser geht's nicht" einen lexikonreifen Korinthenkacker gab. Ein Großteil der Gags verpufft durch schwachen Schnitt und unnötige Füllwörter im Dialogtext. Zum Glück zeigt der Film selbst, wie man es besser macht. An manchen Stellen taucht genau das auf, was anderswo fehlt. Als es um Automarken geht, wird es schön absurd. Als Ove mit dem Strick an der Decke liebäugelt, hält ihn das nicht von der nächsten Standpauke an seine Nachbarn ab. Und an einer Stelle wird Oves Figur sogar noch einmal andeutungsweise komplex. "Die Linken", wie er sie nennt, versuchen sich in Mülltrennung. Doch auch dafür hat Ove nur Verachtung übrig und sucht in der Tonne penibel nach möglichen "Fehl-Wegwürfen" der Konkurrenten. Ove will nicht nur, dass Ordnung herrscht, er will ganz und gar der King unter den selbsternannten Ordnungshütern sein.
                          Selbstverständlich zielt diese schwarze Komödie darauf ab, ihren Ove nach und nach vom Bild des Ungeheuers in das Antlitz eines guten Menschen zu übersetzen. Zuschauern, denen die überbordende Schmalz-Routine nichts anhaben kann, ist hierbei ein schönes, kleines Erlebnis gewiss.

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                            Urlaub auf einer Mittelmeerinsel zwischen Tunesien und Sizilien: Harry (Ralph Fiennes) und Marianne (Tilda Swinton) treffen aufeinander, im Schlepptau Mariannes Freund Paul (Matthias Schoenarts) bzw. Pauls Tochter Penelope (Dakota Johnson). 4 Menschen aus dem Kreis der Reichen und Schönen auf engem Raum - Es ist der sonnige Anschein eines Idylls. Aber Vergangenheit, familiäre Spannungen und Eitelkeit machen sich um den Swimmingpool herum breit.
                            Tilda Swintons Marianne ist nach einer Stimmband-OP zu eiserner Schweigsamkeit verurteilt. Leidenschaftlich gestikuliert die Rocksängerin, um sich zu verständigen. Tilda Swintons engagiertes Spiel penetriert den Film aber dadurch mit einer Giftigkeit, die jegliche Verbindung ihrer Figur zum Zuschauer außer Gefecht setzt. Die Charaktere von Schoenarts und Johnson sind prinzipiell unsympathisch, lediglich Ralph Fiennes belebt das Personengefüge durch Lebendigkeit und Witz. Kurzum, es kommt zu Beginn des Films keinerlei Harmonie zustande. Das jedoch wäre nötig, um mit der anschließenden Zerstörung dieser Harmonie dem selbstauferlegten Plot gerecht zu werden. Um die Unvollkommenheit der schönen Menschen zu unterstreichen, fließt streckenweise noch eine warme Brise von Flüchtlingsproblematik mit hinein, allerdings völlig ohne sich glaubhaft auf das Thema zu fokussieren. Die Wirkung des misslungenen ersten Teils fehlt im Anschluss wiederum, um das Thriller-Geschehen des zweiten Filmabschnitts anzutreiben. Einzig nachhaltig sind die Gesichterstudien der vier Protagonisten. Wie Kubrick in "Barry Lyndon" lässt Guadagnino die Blicke seiner Figuren mal argwöhnisch, mal neugierig, mal eifersüchtig von einem Mitspieler zum nächsten wandern. Ansonsten ist "A Bigger Splash" wie ein klägliches Werfen flacher Steine. Statt elegant über die Wasseroberfläche zu hüpfen, macht es einfach "Plumps".

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                              Tausend mal probiert. Tausend mal hat nichts berührt. "Freunde fürs Leben" ist der geschätzt tausendunderste Film seiner Sorte. Der Tod klopft an der Tür und Julián (Ricardo Darín) ist gewillt, aufzumachen. Doch vorher gibt es diverse Angelegenheiten zu klären. Hund Truman, ein besonders knuffiger Wauwau, bedarf eines neuen Besitzers. Außerdem möchte Julián noch einmal eine schöne Zeit verbringen. Sein alter Freund Tomás (Javier Cámara) klopft an der Tür - und vier ereignisreiche Tage beginnen.
                              Grob betrachtet ist "Freunde fürs Leben" in der Tat eine alte Kamelle, besonders die "Überraschungen" am Ende lassen sich schon von Anfang an vorhersagen oder sind schlichtweg doof. Der schwierigste Konflikt der Geschichte wird so beispielsweise einfach mit Sex gelöst. Cesc Gay und seine Darsteller Darín und Cámara holen demzufolge nicht auf dramaturgische Weise etwas aus dem Film heraus. Vielmehr wird die Schwierigkeit eines bevorstehenden Krebstods, sowohl für den Betroffenen als auch seine Angehörigen, über Situationen und Gesichter erzählt. Manch einer weicht Begegnungen mit Julián aus Bequemlichkeit aus, manch anderer vermag es nicht, seinen Umgang mit der Krankheit zu respektieren. Das wirkt von der Konzeption her teilweise lustlos Erfahrungsberichten entnommen, jedoch schafft es Darín (der bei den großartigsten argentinischen Filmen der letzten Jahre meist nicht weit weg war), jede dieser Situationen emotional zu nuancieren. Cámara hebt derweil die melancholischen und beklemmenden Geschehnisse erfolgreich auf eine komödiantische Ebene. Zudem kommt ihm im Endeffekt die Rolle des Vorzeigefreunds zu, wenn es um den Umgang mit einem Todkranken geht. Cesc Gays Film mag zwar ein inszenatorisches "Abliefern" sein, trotzdem hat es am Ende - "Zoom" gemacht.

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                                HansNase 09.05.2016, 21:16 Geändert 09.05.2016, 21:19

                                In Voltaires "Candide" werden Schafe zum Symbol eines versiegenden Reichtums, in Chaplins "Moderne Zeiten" bedeutet die Schafherde eine Metapher auf den Menschen.
                                Jene schönen Tiere sind für die Hauptfiguren des isländischen Films "Sture Böcke" tatsächlich ein "versiegender Reichtum", ein gefährdeter Lebensunterhalt. Der Vergleich zwischen Mensch & Schaf erfolgt aber nicht wie bei Chaplin anhand des Herdenverhaltens, sondern, gemäß dem Filmtitel, über die "Sturheit".
                                Die Brüder und Hirten Gummi und Kiddi reden schon seit Jahrzehnten nicht mehr miteinander, doch sie und alle anderen Schafbesitzer ihres Tals horchen verängstigt auf, als das Veterinäramt alle dort ansässigen Tiere schlachten lassen will. Der Grund: Einige Exemplare zeigen Scrapie, eine Erkrankung des Gehirns, eine Seuche, die starken Juckreiz unter dem Wollekleid hervorruft. Mäh! Bei Übertragung auf Rinder führt sie zu boviner spongiformer Encephalopathie - BSE. Gummi und Kiddi sind verzweifelt, doch nach der Hiobsbotschaft deutet sich die Not als kleinster gemeinsamer Nenner an.
                                Grímur Hákonarsons sehr langsam erzählter, landschaftlich fesselnder und äußerst melancholischer Film ist Geschmackssache. Einerseits lässt sein komödiantisches Drama so viele zum Teil entscheidende Fragen offen, dass ein bestimmter Schlag von Filmliebhabern hier kaum zu befriedigen sein wird. Die Bildsprache ist dennoch hinreißend. Gummi verhält sich wie ein passives Schaf, beobachtet oft Situationen geduckt mit dem Blick durch einen Zaun oder einen Schlitz hindurch. Das Pendant zu Kiddi derweil ist jener Bock, der mit dem Kopf durch die Wand möchte.
                                Die Annäherung der Brüder geschieht durch mitunter übertriebene und dadurch übertrieben lustige Situationen. Beispielhaft genannt sei hierfür eine nicht näher beschriebene Radlader-Szene.
                                Zu empfehlen ist "Sture Böcke" für Freunde von skandinavischem Kino und schroffem Humor, für all jene, welche Bildern alter, nackter Männer mit einem Schmunzeln begegnen können. [SPOILER!] Die Schlussszene legt fast schon den Verdacht nahe, dass die gesamte Produktion aus einer Schnapsidee des Regisseurs heraus entstand. "Wetten, ich schaffe es, einen Kinosaal durch zwei dicke, bärtige Kerle, die sich aneinanderkuscheln, zum Weinen zu bringen?" Genau das hat Hákonarson nämlich (fast) geschafft.

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                                  Nachdem "Deadpool" zeigte, wie sich die Schwächen der Marvel-Filme durch ein Gag-Feuerwerk überkompensieren lassen, nachdem "Iron Man 3" geschickt die Erwartungen des Publikums umwarf, nachdem mit "Ant-Man" tatsächlich mal ein wunderbares Ausnahmebeispiel gelang und nachdem einige Kritiken den dritten Teil der "Captain America"-Reihe als besten Marvel-Film überhaupt hochjubelten, waren die Erwartungen hoch an "The First Avenger: Civil War". Herausgekommen ist ein Blockbuster der übelsten Sorte.
                                  Die regieführenden Russo-Brüder nehmen sich einer Problematik an, die in bisher keinem Marvel-Film zum Tragen kam. Todesopfer als Kollateralschäden der Avengers-Einsätze scheinen zum ersten Mal zentral thematisiert zu werden, nachdem ein Kampf der Superhelden in Lagos folgenschwer endet. Das ist zunächst löblich, doch stellt sich dieser Plot schnell als Heuchelei heraus. Auf Geheiß der Vereinten Nationen sollen die Avengers fortan unter die Fittiche der UN genommen werden, um jene für die Zivilbevölkerung gefährlichen Kampfhandlungen einer größeren Mitbestimmung zu unterstellen. Einer, der diesen Schritt vorantreibt, ist Tony Stark. Aber ausgerechnet Downey Jr. als Befürworter des Klein-Beigebens - Klingt das wirklich glaubhaft? Der Zuschauer sieht sich ohnehin bei den Contra-Argumenten, also nebst unseres Helden Captain America, auf der sicheren Seite. [SPOILER!] In einer Szene berichtet die Mutter eines der Sokovia-Opfer (rückblickend auf "Avengers: Age of Ultron") vom Tod ihres Sohnes und gibt dafür Stark mitsamt der Avengers undifferenziert die Schuld. Die eigentlich wichtigen Argumente werden ausgespart, stattdessen denkt man sich "Die Katastrophe nahm ihren Ursprung (die Entwicklung des intelligenten Computersystems "Ultron" durch Tony Stark) doch sowieso ohne Mitwissen des Großteils der Avengers," "Captain America und co. haben doch alles versucht, um die Bewohner Sokovias zu retten" und "Schuld an allem war ohnehin Thomas Kretschmann." [SPOILERENDE] Um die Menschen, um die Toten, um die Zivilbevölkerung geht es letztlich auch nicht wirklich. Man findet sie an keiner einzigen Stelle des Schlüsselgesprächs zwischen den Protagonisten, als es um die Unterzeichnung des UN-Abkommens geht. Vor der Kamera gezeigt werden sie ebenfalls nur sporadisch - Tote sehen im Marvel-Universum, wie auch die gesamte Optik, steril aus - wie einmal am Kopf von der Eisenstange getroffen - kurz & schmerzlos. Persönliche Bezüge zu den Avengers und zum Kinobesucher gibt es nur in minimaler Dosierung. Das behauptete Leid erreicht niemanden ernsthaft.
                                  Dann gibt es ja die Armada von Fans der Reihe, die mit dem altbekannten Argument aufwartet, Marvel sei "eben nicht mehr als Unterhaltung". Wie soll jedoch ein Action-Film unterhalten, der mit einer völlig unbrauchbaren Konflikt-Erörterung in die Länge gezogen wurde? Die Dialoge sind oft vollständig von Spaß befreit, klingen wie ein Walkman mit schwacher Batterie. Zum 300. Mal der gleiche Soundtrack. One-Liner zum Weghören. Teile des Casts wie bestellt und nicht abgeholt. Schauspielerei mitunter zum Gruseln. Es ist kaum zu glauben, dass Scarlett Johanssons "Black Widow" und entsprechende Rollen aus "Match Point" und "Lost in Translation" auf ein und dieselbe Person zurückgehen. Filmen wie "Mad Max: Fury Road", "Das Erwachen der Macht" und "The Raid" wurde oft vorgeworfen, dass sie so "wenig Handlung" hätten. Aber ist eine Krawall-Monotonie, eben ohne versnobte Nichtigkeiten drumherum, nicht einfach auch besser als solch ein Film?
                                  Positiv genannt seien lediglich die gleichsam bierernste und putzige Rolle von Daniel Brühl und die Action-Sequenzen mit Beteiligung von Paul Rudd aka "Ant-Man".
                                  Dass man "The First Avenger: Civil War" nicht einfach als Unterhaltungsfilmchen abtun kann, hat dieser sich selbst zuzuschreiben. Auch wenn der Flughafen Leipzig/Halle zum BER verhackstückt wird, verhindert es nicht das große Ausmaß an Langeweile.

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                                    über Frenzy

                                    Irgendwo in der hintersten Ecke der Alfred-Hitchcock-Schublade lauert der durchaus empfehlenswerte Thriller "Frenzy" von 1972. Mit diesem Spätwerk begab sich der Großmeister noch einmal nach Großbritannien, das Land von Agatha Christie und Edgar Wallace, von Hitchcock selbst und zahllosen Kriminalgeschichten.
                                    Mit einer für damals noch schicken, aber aus heutiger Sicht recht holprigen Kamerafahrt beginnt der selbstironische, unaufgeregte Film und etwas holprig geht es auch weiter. Denn nach über 40 Jahren Rampenlicht des Großmeisters voller Stars und Sternchen begegnet man hier trübem englischen Wetter, inzwischen kaum mehr bekannten Darstellern und unzeitgemäßer Behäbigkeit in der Inszenierung.
                                    Das darf allerdings nicht abschrecken, denn nach kurzer Zeit verbinden sich Hitchcocks Naturell und sein britisches Kollegium zur Quelle von spritzigem Humor und einer spannenden Geschichte. Dass nun kein Handlungsabriss erfolgt, deutet schon auf die vielen Überraschungen und das windige Gegenspiel von Schein und Sein hin.
                                    "Frenzy" erzählt, soviel sei zumindest verraten, von einer mysteriösen Mordserie offenbar psychopathischen Ursprungs, die etwas mit Krawatten zu tun hat. Mordlust in britisch zugeknöpftem Gewand, könnte man meinen. Hitchcock verulkt in einer Szene gekonnt die "Tugend des perfekten Mords". Brechts Parabel von "Form und Stoff" umschreibt das Geschehen eigentlich sehr treffend - Darin möchte ein Gärtner einen Lorbeerbaum kugelförmig schneiden, doch sein unbefriedigter Perfektionismus lässt am Ende kaum noch Blätter übrig.
                                    Die Behäbigkeit weicht schließlich, auch dank zunehmender Witze über französische Küche, einer angenehmen Leichtfüßigkeit. Zu den "kaum bekannten" Schauspielern gehörte auch Hauptdarsteller Jon Finch (immerhin: Hauptrolle in Polańskis "Macbeth"). Dieser schrammte jedoch knapp an einer größeren Bekanntheit vorbei, nur durch einen Zuckerschock am Set von "Alien" wurde ihm kurzfristig nicht die Rolle des Ur-Opfers Kane zuteil. John Hurt sprang ein und durfte 22 Jahre später Zauberstäbe verkaufen.

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                                      Ein Glas Whiskey als Sinnbild für den "Rausch" verwandelt sich per Match Cut in einen stählernen Überschall-Vogel. Ein Flieger auf dem Weg zum neuen Höhenrekord verschwindet wie die griechische Figur des Ikarus im gleißenden Sonnenlicht. Ein dringendes Bedürfnis in der Raumkapsel wird zur Sinfonie aus plätschernden Wasserspendern.
                                      Doch die berühmteste und am häufigsten kopierte Szene aus "Der Stoff, aus dem die Helden sind" von 1983 zeigt eine Gruppe von Astronauten, die in ihren Raumanzügen heroisch auf die Kamera zu läuft. Regisseur Philip Kaufman hat diese Einstellung zwar nicht erfunden, bereits "Die Glorreichen Sieben" (1960) und die Halbstarken aus "Uhrwerk Orange" (1971) gaben den sogenannten "Power Walk", doch trat Kaufman eine kleine Welle los. "Die Monster AG", "Kill Bill" und "Hangover" verwendeten dieses Muster, in Frankreich verhielt es sich entsprechend für "Nichts zu verzollen", in Deutschland für "Jerry Cotton". Die Nachahmer nutzten, im Gegensatz übrigens zu Kaufman, fast allesamt Slow-Motion. Die 1983er Ausgabe jener Coolness-Demonstration dauert insofern auch nur 25 Sekunden.
                                      Bei einer Gesamt-Laufzeit von derweil über 3 Stunden ist zu erahnen, dass "The Right Stuff" deutlich zu lang geraten ist. Der Film handelt von den realen Figuren der späten 40er bis frühen 60er Jahre, die in dieser Zeit für reichlich Rekorde und Nova der amerikanischen Luft- und Raumfahrt sorgten. Das sind der inzwischen 93-jährige Überschall-Pionier Chuck Yeager und die Astronauten des Mercury-Programms, jener Vorhut der Apollo-Flüge.
                                      Mit etwas prahlerischem, aber stellenweise angenehm unernsten Ton beschreibt Kaufman den Wettkampf um den Weltraum mit der Sowjetunion. Opfer dieses Drucks sind die Astronauten selbst. Die Gruppe um die von Ed Harris, Dennis Quaid und co. gespielten Männer muss im Film um ihre Anerkennung als "Flieger" kämpfen, denn behandelt werden sie zunächst als Testobjekte. Recht unangenehm zum Zuschauen wird es da schon im Vorfeld, denn tauglich für das All ist nur, wer auf, wortwörtlich, Herz und Nieren geprüft wurde. Wann ist ein Mann ein Mann?
                                      "Der Stoff, aus dem die Helden sind" mag zwar pathetisch langgezogen und arm an antagonistischem Unheil sein, doch liefert der Film zahlreiche tolle Einstellungen und ist für Fans gut besetzter Hollywood-Epen besonders zu empfehlen.

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                                        HansNase 29.04.2016, 11:42 Geändert 29.04.2016, 11:46

                                        "Bauernopfer - Spiel der Könige" von Edward Zwick schaut sich an wie die Gebraucht-DVD eines zensierten Ballerfilms, die nach der Hälfte hängenbleibt. Die Verfilmung der wahren Begebenheit eines der größten Schachduelle aller Zeiten, zugetragen 1972 im isländischen Reykjavík, lässt immer wieder die Vielschichtigkeit des politischen, sportlichen und psychologischen Geschehens erahnen, aber Edward Zwicks Filme kranken klassischerweise an platter Opulenz.
                                        "Pawn Sacrifice" (Titel im Original) erzählt vom amerikanischen Schach-Genie Bobby Fischer, der sich in der Liste der besten Spieler zwischen allerlei Sowjets wiederfindet. Von ganz oben im Ranking winkt ihm Boris Spassky (Liev Schreiber) entgegen. Fischer, ohnehin ein Sonderling, verfällt schnell dem Wahn, sich selbst dort oben zu sehen. Rückenwind oder besser -schub erhält er von politischer Seite, Washington erkennt in einer möglichen Partie um den Weltmeistertitel ein ideales Stellvertreterduell inmitten des Kalten Krieges. Doch Fischers merkwürdige Allüren entpuppen sich bald als Ausprägungen einer ernst zu nehmenden Krankheit.
                                        Dies ist ein typischer Mikrowelten-Film: Im Mittelpunkt steht Schach, ein Denksport, von dem Viele die groben Regeln kennen, doch die Wenigsten über "Gabelangriffe", "Drachen-" und "Bauernraubvariante" Bescheid wissen. So wie sich andere Regisseure über Formel 1, Football und Jazz zu den innersten Abgründen des Menschen begeben, so macht es sich Zwick zur Aufgabe, ein Psychodrama auf 8×8 Feldern aufzuziehen. So ist Schach wie ein Boxkampf ohne Handschuhe und trägt sich hier inmitten eines Krieges ohne Schüsse zu. Im Fokus ein Mann, der gleichzeitig gegen sich selbst kämpft, weil das Taktieren, Kalkurieren und Den-Gegenüber-Durchschauen-Müssen längst sein ganzes Leben beeinflusst.
                                        "Bauernopfer" verspricht, ja erfordert schon fast einen solch vertrackten Film - Regisseur Zwick sieht sich wie ein Schachspieler komplexen Gleichungen gegenüber, doch im Gegensatz zu Spassky und Fischer wirft er den König davor um. Denn sein biographisches Drama ist am Ende bloß von allem ein bisschen.
                                        Das Spiel selbst wird kaum gezeigt, die erhellende Vogelperspektive auf das Spielbrett kommt fast nie zum Einsatz. Zu Beginn gibt es noch ein paar metaphorische Beschreibungen der Taktiken, doch selbst das legt Zwick zum Ende hin ad acta. Stattdessen erzählen Maguires und Schreibers Gesichter den Spielverlauf. Man soll durch Mimik erkennen, wer gerade verzweifelt, in der Klemme oder auf der Siegerstraße ist. Das gelingt dank guter Darsteller einigermaßen, doch spätestens bei den uninspirierten Familie-vor-dem-Fernseher-Closeups merkt man, dass der Denksport-Thriller seiner Rolle als Schachfilm nicht gerecht wird. Analog wird der politische Kontext nur knapp angerissen - Immer wenn die Kamera so platziert ist, dass kammerspielartig draufgehauen werden könnte, kommt fast nichts. Nur der Verfolgungswahn Fischers erhält interessante inszenatorische Kunstgriffe, doch sind diese bei weitem nicht so interessant wie in Darren Aronofskys "Pi" oder Ron Howards "A Beautiful Mind". Das Highlight bleibt Tobey Maguire - Seine Darbietung ist nicht nur reich an Emotionen, sondern einverleibt dem Charakter Bobby Fischer auch das Wesen des Schachspiels. Diskutiert Fischer, so kommen seine Gegenargumente zu den Gegenargumenten noch vor den Gegenargumenten. Steht er seinem Streitpartner aufrecht gegenüber, bewegt er sich staccato-artig Schritt für Schritt, jede Fußbewegung ist wie das Setzen der nächsten Figur. Somit ist man über 115 Minuten an eine eigentlich völlig unsympathische, weil egozentrische Figur gefesselt.
                                        Schade, dass "Bauernopfer" an der falschen Stelle endet. Ein Großteil der verrückten Geschichte Bobby Fischers liest sich erst in den Texteinblendungen vor dem Abspann. Schlussendlich bleibt es ein Film über einen Mann, der Hilfe brauchte und Ruhm erhielt.

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                                          HansNase 24.04.2016, 23:53 Geändert 25.04.2016, 00:18

                                          Fällt bei modernen Filmproduktionen die Wahl auf Schwarzweiß, so stellt sich das fast immer als guter Griff heraus. "Der Schamane und die Schlange" vom Kolumbianer Ciro Guerra zeigt nun eine Welt voller bunter Vögel, Schmetterlinge und Chlorophyll ganz und gar unbunt und ja, selbst hier bzw. gerade hier entsteht ein echtes Kinoerlebnis aus Grau in Grau. Denn allein das Relief des Dschungels, geformt durch Bäume, reißende Ströme und unwirkliche Hügel zeugt von der Größe der Natur. Das Ausmaß des südamerikanischen Regenwalds lässt sich nicht in seiner vollen Pracht auf eine Programmkino-Leinwand zwängen und wird deshalb visuell reduziert. "El abrazo de la serpiente" zwingt den Zuschauer somit, die Fantasie geradezu unempirisch spielen zu lassen. Form und Inhalt arbeiten da prächtig miteinander, denn die Empirie wird auch mehrfach in der Handlung zum Streitauslöser zwischen einem Weißen und einem eingeborenen Medizinmann.
                                          Dieses Drama über die Zermürbung indigener Völker durch vermeintlich fortschrittliche Neuankömmlinge erzählt die Geschichte von Karamakate. In jungen Jahren, kurz nach 1900, trifft er den erkrankten weißen Anthropologen Theo Koch und hilft ihm gegen den eigenen inneren Widerstand, eine heilende Pflanze zu finden. Im Zickzack-Rhythmus springt Regisseur Guerra zur zweiten Zeitebene, die 40 Jahre später spielt, und wieder zurück. In den Vierzigern trifft Karamakate den amerikanischen Wissenschaftler Richard Evans Schultes, dem es nach der gleichen Pflanze dürstet, diesmal aus wissenschaftlichem Interesse.
                                          Der junge Karamakate, das scheinbar letzte Mitglied seines Stamms, ist lebendig und angriffslustig, möchte seine Welt gegen die Europäer und andere Fremde verteidigen. Der alte Karamakate ist resigniert und gebrochen. Ein paar Männer auf der Suche nach einer Pflanze und die Zuschauer mit der Frage: Was ist Karamakate in den 40 Jahren widerfahren? Was widerfuhr der Welt, in der er lebt? Was war schon davor passiert? Und irgendwo schwebt die Frage, was seither bis heute passierte.
                                          "Der Schamane und die Schlange" zeigt, wie fremde Wirtschaftsinteressen, Gewalt und Missionarismus über den Dschungel und seine Menschen ergossen wurden. [SPOILER!] Letzteres besonders eindrucksvoll durch die Darstellung einer christlichen Kindermission, die sich über die Jahrzehnte zum Schauplatz einer unheimlichen Para-Konfession entwickelt, in der christliche Symbole nur noch als verkümmerte Überreste vorliegen. [SPOILERENDE] Schauderhaft wirken dadurch die religiösen Konfessionen unserer Welt, da sie geradezu spöttisch als das Ergebnis von purer Beliebigkeit der Geschichte erscheinen.
                                          Ciro Guerras Film funktioniert streckenweise aber auch schlicht und ergreifend als Culture-Clash-Roadmovie auf den Flüssen Kolumbiens. Leise differenziert Guerra zwischen dem, was indigene und nicht eingesessene Völker trennt und dem Bisschen, das doch alle Menschengruppen verbindet. Zweiteres ermöglicht es, in einigen Momenten mit Karamakate fast zu Tränen gerührt mitzufühlen. In einer Szene sieht man ihn stolz in einer besonderen Federtracht und voller Erwartung (mehr sei hier nicht verraten) und wünscht sich, der Film würde nicht so unheilvolle Andeutungen über den weiteren Verlauf machen.
                                          "Der Schamane und die Schlange" - Poetisch, ehrlich und bildgewaltig. Was fürs Auge, was fürs Herz und für das Andenken verblichener Menschheitsgeschichte.

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                                            HansNase 18.04.2016, 18:07 Geändert 10.08.2016, 21:56

                                            Nur etwa 1 Prozent des Sonnenlichts erreicht den Boden des Regenwalds. Anlass genug, die Neuauflage des vor knapp 50 Jahren erschienenen Sing-, Spring- und Tanz-Boheis "Das Dschungelbuch" nun dunkel, düster und unheimlich zu gestalten.
                                            "The Jungle Book" von "Iron Man"-Regisseur Jon Favreau mag dabei zwar der erste große Blockbuster sein, den man in seiner technischen Perfektion kaum zwischen Animations- und Live-Action-Film einzuordnen weiß, doch verkommt er schon nach wenigen Minuten zu einem geheuchelt wirkenden Spektakel.
                                            Das Dschungelbuch, da geht es um den Urwald, akribisch werden plätschernde Flüsschen, flatternde Vöglein und Lianen am Computer gezaubert, doch die damit ausgedrückte Liebe zur Natur ist bloß schwer abzukaufen. Zwar lässt das Ergebnis den Pedantismus erkennen, mit dem man die Affen, Wölfe und Mäuschen bis in die letzte Haarspitze ihren realen Vorbildern nacheifern ließ, jedoch gerät der Film vor allem in seinen spannendsten Momenten zu einem zuckersüß synthetischen Vergnügen. Ein ehrlicher Urwald-Film ließe mehr vom echten Wald erkennen und weniger von den riesigen blau gefärbten Produktionsräumen erahnen. So ist es gleichzeitig mitreißend und fad. Die technische Progressivität mag erstaunlich sein - Allerdings nimmt sich auch niemand anstelle eines guten Buches eine Schwarzwälder Kuckucksuhr auf lange Zugfahrten mit, "um sich an der mechanischen Genialität zu ergötzen".
                                            Routinierte Verfolgungsjagden prägen die Handlung, treiben den Film voran, welcher allerdings immerzu durch Momente von Kitsch, ausgetretenem Humor und Disney-typischem Honigtopf-Idealismus ausgebremst wird. Der für kleine Kinder ohnehin zu gruselige Film hebt den Zeigefinger und mahnt: Mensch, nutze Dein Talent, um der Natur zu helfen, nicht, um sie zu zerstören. Schnarch. Über weite Strecken gebärdet sich die teure Produktion trotz toller Sprechrollen-Besetzung im Amerikanischen wie im Deutschen, klopsig und dröge. Erst als Mogli, Bär Balu, Menschenaffe King Louie und Panther Akhira aufeinander treffen, findet das natürliche Gegenspiel zwischen Symbiose, Konkurrenz und der Jäger-Beute-Beziehung eine interessante Andeutung. Ambitioniert bis schmalzig wirken die Reprisen einiger weniger Original-Songs von 1967, variiert durch den Komponisten John Debney ("Sin City"). Insgesamt ist "The Jungle Book" eine Enttäuschung - Das tut einem leid für den erstaunlich gut aufgelegten Mogli-Darsteller Neel Sethi (Jahrgang 2003!).

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                                              Kathryn Bigelows "The Hurt Locker" ist ein stark bebilderter, beengend spannender und in einzelnen Momenten psychologisch treffsicherer Film, der jedoch subtil Werbung für die militärische Einflussnahme der USA in der großen, weiten Welt macht.
                                              "Tödliches Kommando", so der deutsche Titel, tut dies aber nicht auf solch dümmlich naive Weise, wie es bei Clint Eastwoods "American Sniper" der Fall war - "The Hurt Locker" wählt eine Erzählung, scheinbar fernab der herkömmlichen Vorstellung des schießenden Soldaten. Es geht um den Kampfmittelräumdienst der US-Armee, um Bombenentschärfer im Irak-Einsatz. Da solle ein Bild vom harten Job dieser Männer gezeigt werden, es gehe darum, wie ein einzelner Messerschnitt durch einen Draht zwischen Überleben und Detonation entscheidet. So wie Wolfgang Petersens U-Boot-Helden nichts mit den Nazi-Schergen des Festlands zu tun haben, so könne man auch diesen verrückten Sprengstoff-Schnüfflern und in erster Linie Lebens-"Rettern" die Fragwürdigkeit des Irak-Kriegs nicht zum Vorwurf machen. Der Job-Alltag der u.a. von Jeremy Renner und Anthony Mackie gespielten Menschen wirkt in seiner Schilderung auch besonders eindringlich und ehrlich. Bigelows Film ist tatsächlich keiner dieser langweiligen Camouflage-Kostümfilme, die mit eintönigem Kugelhagel in den Schlaf wiegen. Hier stellt sich oft die Frage, ob sich hinter der verdächtigen Ruhe während einer Bombenentschärfung nicht doch die tödliche Gefahr eines feindlichen Fingers auf dem Fernauslöser verbirgt. Die psychologische Belastbarkeit der Protagonisten wird recht umfang- und einfallsreich diskutiert. Eine Kritik am Irak-Krieg wird dabei überhaupt nicht deutlich - Das sei ja auch nicht nötig, hier gehe es, wie erwähnt, bloß um die Kaltstellung von Sprengfallen.
                                              Doch an einer Stelle verwandelt sich die Kampfmittelbeseitigung plötzlich zu einem verdächtig klassischen Scharfschützen-Szenario. [SPOILER!] Dieser Wechsel erfolgt klammheimlich, erst durch einen Hinterhalt geraten die "Helden" in die Ausgangslage gewöhnlicher Hollywood-Soldaten - Auge in Auge, gefressen oder gefressen werden. Eldridge, einem eher unerfahren wirkenden Mitglied der Einheit wird von Sergeant James (Jeremy Renner), dem extrovertierten Kopf der Truppe, die Erschießung eines befeindeten Heckenschützen anvertraut, den Eldridge in einiger Entfernung ausgemacht hatte. Als dies gelingt, erfährt er eine nüchterne, unbeeindruckte Anerkennung von James und Zufriedenheit, Erleichterung, Stolz machen sich auf Eldridges Gesicht breit. [SPOILERENDE] Diese Szene zeige, so suggeriert es der Film, einen Menschen im Moment einer allgemeinen Bewusstwerdung. Einer Bewusstwerdung, wie Krieg funktioniere, welche Regeln man zu befolgen habe. Das ist der haarsträubende Euphemismus hinter Bigelows großem Oscar-Gewinner. Es ist die Beschönigung, dass das alles System habe und ohne dass man es so recht merkt, wird das positive Bild vom Job der Bombenentschärfer auf die gesamte Armee ausgeweitet. Bedenklich wird das allerdings erst in Einklang mit den Schlussszenen. [SPOILER!] Jeremy Renner steht dort, in die Heimat zurückgekehrt, vor dem riesigen, nicht enden wollenden Cornflakes-Regal eines Supermarkts. Vor dem Hintergrund dieses Reichtums wird sein inneres Bedürfnis nach der Rückkehr in den Irak begründet. Mit ebenjener endet der Film, begleitet von bekräftigender Musik. [SPOILERENDE] Nicht nur, dass damit und mangels der kritischen Töne eine Bejahung des Irak-Kriegs erfolgt - Die Begründung des Sergeants, den Menschen im umkämpften Land helfen zu müssen, stellt das Unterfangen sogar noch als so etwas wie einen humanitären Einsatz dar. Mithilfe des Cornflakes-Regals spricht Bigelow hier direkt zum US-amerikanischen Kinozuschauer - militante Werbung. Aus filmischer Sicht ist "The Hurt Locker" dennoch interessant - Bald metaphorisch anmutend werden die Bomben des Iraks mit seinen Menschen eins, Zeitlupen halten die anrüchige Ästhetik der Explosionen fest und nahezu ikonisch kommen sie daher - Die Kampfmittelräumer in ihren "Raumanzügen".

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                                                Vorhersehbar, eindimensional und fantastisch - So lässt sich das Sportlerporträt "Eddie the Eagle" von Dexter Fletcher kurz und bündig beschreiben. Fletcher macht seit wenigen Jahren Filme als Regisseur, bekannt wurde er eigentlich durch die Schauspielerei. Mit 14 Jahren rettete er dem von John Hurt gespielten "Elefantenmensch" das Leben, mit 22 kümmerte er sich in "Bube Dame König grAs" um lästige Drogengeschäfte.
                                                In diesem Film lässt er Taron Egerton als "Eddie the Eagle", den Adler, der nicht fliegen konnte, antreten. Michael "Eddie" Edwards war der "schlechteste Skispringer" der 80er Jahre und schrieb dennoch Olympiageschichte.
                                                Eddie hat in scheinbar jeder Sportart schon so seine Grenzen aufgezeigt bekommen, als er sich 1987 dazu entscheidet, Skispringer zu werden. Dank riesiger Brille und Unterbiss nimmt ihn keiner so recht ernst und erst recht nicht durch seine kläglichen Frühversuche auf flacheren Schanzen. Edwards ist ein hoffnungsloser Fall, das denkt sich auch der von Hugh Jackman gespielte Bronson Peary, der sich schließlich doch des talentarmen Olympia-Fans annimmt.
                                                Dieser Film lässt sich wunderbar auf einen Begriff herunterbrechen: "Effizienz". Insofern entpuppt sich der deutsche Verleihtitel einmal wieder als Unsinn. "Eddie the Eagle - Alles ist möglich" heißt es hierzulande, dabei geht es überhaupt nicht darum, dass alles möglich ist. Es geht vielmehr um "alles, was möglich ist".
                                                Und genau das ist so richtig mitreißend. Der schrullige Eddie brennt seit Kindheitstagen auf Olympia, man spürt, dass da etwas in ihm lodert, das das Letzte noch aus ihm herauszuholen bereit ist. "Das" ist zwar nicht viel, aber nach und nach kommt der Fortschritt. Es fängt schon mit dem Gelingen an, über einen Pistenzaun zu klettern - Was beim ersten Versuch noch damit endet, dass der Protagonist auf die Nase fällt. Am Fuße der Schanzen sieht es da wesentlich schlimmer aus. Unter einer Geräuschkulisse voller Knacksen und Rumpeldipumpel kommt ein Sturz nach dem anderen. Kein Wunder, dass gleich zu Beginn des Abspanns ein gewisser Vic Armstrong als Second-Unit-Director aufgeführt wird. Armstrong steht im Guinness-Buch der Rekorde als produktivster Stuntman aller Zeiten, inzwischen ist er 69 Jahre alt und kümmert sich um die Koordinierung solch waghalsiger Szenen.
                                                "Eddie the Eagle" ist ein Biopic zum Sich-Wohl-Fühlen mit tollen Anlehnungen an Musik und Kino der Achtziger Jahre. Mit Ravels Boléro wird dem Film "Die Traumfrau" gedacht, beim Trainieren schlüpfen Jackman und Egerton in die Rollen von Tom Hanks und Robert Loggia aus der Komödie "Big" und springen wie auf einem Fußbodenpiano hin und her. Als größtes Highlight und als Grund, diesen Streifen zu lieben, erweist sich der Soundtrack von Matthew Margeson! Etwa die Hälfte der Musik enthält das monotone Synthesizer-Grummeln, welches man durch die berühmte Musik von Vangelis kennt - "Die Stunde des Siegers" von 1981. Kombiniert wird dies mit Anlehnungen an das bekannteste Lied eines anderen Eddie: "Jump" von Van Halen - Spring, Eddie! Wie logisch, wie passend, wie genial.

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                                                  Schauspielerisch eine Mischung aus Impro-Comedy und "Rote Rosen", visuell ein Mix aus "Jimmy Neutron" und Pferdehof-Drama, der Film eine Mélange aus Sandalen-Epos und Mist. Ang Lees "Hulk" von 2003 beweist zudem, dass auch revolutionäre Effekte bereits zu ihrer Zeit geringwertig sein können. "Hulk" entstand viele Jahre vor dem Aufblasen des Marvel Cinematic Universe, sodass Regisseur Lee noch die Freiheit hatte, etwas experimenteller vorzugehen. Das Ergebnis war ein inkongruenter Action-Schund, der mitverantwortlich dafür sein könnte, dass die heutigen Marvel-Produktionen eine solche Freiheit schon im Keim ersticken lassen. Das Bild wird ständig in der Mitte zerteilt, denn "Hulk" soll wie ein Comic-Heft aussehen. Ein netter Ansatz, aber man fängt ja auch nicht an, plötz|lich all|e Wörte|r die|ses Text|s mitte|ndrin z|u zers|chneiden. Rollblenden, Wellenblenden und entenförmige Blenden werden anstelle normaler Schnitte verwendet und das Ganze in einem Tempo, dass der Film wie ein sich selbst gelangweilt durchblätterndes Buch wirkt. Vor allem an den Dialogen merkt man, dass der Wille, ein großes Werk zu schaffen, zehnmal so groß wie der vorrätige Ideenreichtum gewesen sein muss. Da hilft auch Danny Elfmans Musik nicht mehr, bei der man sich fragt, wieso "Viervierteltakt" nicht einfach auf "eins" gekürzt wird, denn sie ist in diesem Fall vor allem eins - ein Einheitsbrei. Besonders schlimm erscheint die Verwendung der Schauspieler. Jennifer Connelly wird auf ihre grünen Augen, Sam Elliott auf seinen Schnurrbart reduziert, wirklich zeigen darf niemand etwas, dazu gibt das Drehbuch nichts Brauchbares her. Auch bei reiflicher Überlegung fällt mir kein Grund ein, diesem Film auch nur irgendeine Quantität an Qualität zu attestieren. Deshalb leider keine Punkte für "Hulk". Zum Grün-Werden!

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                                                    HansNase 06.04.2016, 21:33 Geändert 06.04.2016, 23:10

                                                    Mit einem Hauch von Popkultur-Konfrontation, einem Schuss parodistischen Tacheles' und einem Anflug von Drauf-los legt das neuseeländische Duo um Jermaine Clement und Taika Waititi die Vampirwelt aufs Kreuz.
                                                    Eine Gruppe von blutsaugenden Untoten, einige mit mehr, andere mit weniger Jahrhunderten auf dem Buckel, lebt in einer WG und sucht gelegentlich nach neuen Opfern. Ein Kamerateam hat die seltene Erlaubnis, Viago und Vladislav (gespielt von den beiden Regisseuren) sowie die anderen Bewohner zu begleiten.
                                                    Hier sieht man tollpatschige Gestalten beim Versuch, einen zeitgemäßen Eindruck auf die sterbliche Menschheit zu machen. Der pseudo-dokumentarische Stil macht die Kamera selbst zum Gegenstand der Story, wodurch das Handeln der obskuren Protagonisten auf aberwitzige Weise beeinflusst wird. Fledermausmenschen seien angepasst, zu Witzen aufgelegt, musik- und filmbegeistert - Das soll nach außen hin gezeigt werden. Denn: Auch Vampire sind in der heutigen Welt auf das Wohlwollen der Menschheit angewiesen. Sie brauchen Hilfe, um das Internet zu verstehen, müssen sich umhören, welche Clubs angesagt sind und hin und wieder sind es die Menschen, die einfach mal einen Stift parat haben. Ohne Akzeptanz kommt man nicht an die saftigen Adern neuer Bräute heran.
                                                    "5 Zimmer Küche Sarg" ist größtenteils ein recht konsequentes Spiel mit Vampir-Klischees. Clement und Waititi lassen diese mit typischen Eindrücken aus der heutigen Welt kollidieren, wodurch sich wieder und wieder witzige Situationen ergeben. Das beginnt schon bei der geschwollenen Sprache, hinter der sich hier jedoch keine Weisheiten, sondern meist eine bemitleidenswerte Egozentrik der WG-Mitglieder verbirgt. Erweckt das folkloristische Bild des Sarg-Bewohners noch Angst und Schrecken, so lässt "5 Zimmer Küche Sarg" seine Vampire eben nicht zur Übermacht werden, sondern suggeriert einen Status Quo mit dem Rest der Welt. Und allein die Idee, Untote überhaupt in eine Wohngemeinschaft zu stecken, drückt schon aus: Für Autarkie des Einzelnen ist kein Platz.

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