HansNase - Kommentare

Alle Kommentare von HansNase

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    HansNase 04.04.2016, 00:37 Geändert 02.05.2016, 00:25

    Dass Zach Braff gutes Fernsehen machen kann, lässt sein Kinodebüt "Garden State" von 2004 erahnen, doch ob das auch für einen guten Film reicht?
    Die Kult-Serie "Scrubs" lief bereits über zwei Jahre, als Braff diese Feel-Good-Komödie im zarten Alter von 28 Jahren auf dem Sundance-Festival vorstellte. Der Film wusste mit seinen akribisch durchdachten, pfiffigen Bildern zu überraschen und fand sich zeitweilig in der Top 250 der Internet Movie Database wieder. Humor hat der Mann ja, für ein paar Lacher und vielleicht eine Träne reicht der Film vom Gartenstaat aus.
    Die Geschichte beginnt mit einem havarierenden Flugzeug, dessen unbeeindrucktester Gast der von Braff gespielte Andrew ist. Womöglich ein Tagtraum - Nach einem Cut erfährt er von einem Schicksalsschlag, der ihn in den Ort seiner Kindheit zwingt. Von dort aus wird ein Potpourri aus Selbstfindung, Abschiednahme, Sich-Fallen-Lassen, Wertschätzung der einfachen Dinge, aus denkbar simplem Blabla aufbereitet, sodass die witzigen Ideen, der tolle Soundtrack und allerlei bekannte Gesichter nicht über den dünnen Background hinwegtäuschen können. Eine bemühte Natalie Portman ist zudem eine Nummer zu groß für den mimisch zu einseitigen Hauptdarsteller, sodass trotz emotional glaubhafter Einzelmomente keine richtige Einheit gebildet wird. Zum Ende hin driftet "Garden State" immer mehr in triefenden Frittier-Kitsch ab, irgendwann sind auch die Kulissen nicht mehr originell, die Lieder nurmehr aus dem Durchschnittsbrei der 00er Jahre entnommen - Da fehlen gefühlt bloß noch Smash Mouth und die Stars aus "American Pie". Und ausgerechnet da folgt Rettung. Mit "Let Go" von Frou Frou, einem letzten starken Song, wird ein scheinbar schmalziges Ende dekoriert, dass jedoch in Abgleich mit der Anfangsszene an Ambivalenz gewinnt. So hat Zach Braff noch einmal die Kurve gekriegt und den vielen Kalendersprüchen seines Films zumindest einen bitteren Beigeschmack verliehen.

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      HansNase 02.04.2016, 01:04 Geändert 02.04.2016, 01:07

      Als ich in einem Kommentar zum Film "The Revenant" erwähnte, dass zu Beginn ein ... großes Tier ... vorkäme, folgte sogleich eine Rüge über die unzureichende Spoiler-Warnung. Ich wäre zwar geneigt gewesen, zu sagen: "Das ist Grundbestandteil des Plots," "Die betroffene Szene wird durch entsprechendes Vorwissen nicht beeinträchtigt," "Die Situation sieht man sowieso im Trailer". Doch zwei Moviepiloten schlossen sich der Meinung des Tadelnden an und drückten "Gefällt mir".
      Und nun kommt "10 Cloverfield Lane" daher und sollte einmal wieder als Anlass genommen werden, die Verwendung des Spoiler-Begriffs zu hinterfragen. Denn hier baut sich ein ganzer Film auf Nichtwissen und tatsächlichen Überraschungen auf, hier kann man durch "Vorsagen", auch von Kleinigkeiten, die Suppe wirklich versalzen. Doch es verkommt nicht zum Selbstzweck, denn die Ratlosigkeit zwingt den Zuschauer mit hinein in die Zwickmühlen der Protagonistin Michelle, die von Mary Elizabeth Winstead gespielt wird. Zu behaupten, Dan Trachtenbergs knisternd spannender und bisweilen brutaler Psychothriller wüsste durch keine anderen Kriterien als bloßes Twist-Abfeuern zu begeistern, wäre aber falsch.
      Es beginnt arm an Worten und mit Bildern, die in ihrer demonstrativen Präzision direkt klar machen, dass auf die Details geachtet werden muss, dass auch die kleinen Motive eine Bedeutung für den Fortgang der Story haben könnten. Was dabei eigentlich vor sich geht, ist an dieser Stelle tatsächlich einmal unwichtig, um dennoch eine Art Inhaltsangabe beizusteuern, folgt eine ausreichend zusammenhanglos wirkende Aneinanderreihung von relevanten Stichwörtern: Mädchen. Auto. Huch! Hä? Zimmer ohne Aussicht. Toller John Goodman. Monopoly.
      Der größte Coup von "10 Cloverfield Lane" ist allerdings, wie hier das Franchisen des Kinos sich selbst umkrempelt. Das größte Rätsel des Films ist nämlich, inwieweit die auf Digicam gebannte First-Person-Schmonzette "Cloverfield" von 2008 überhaupt ein Fundament des Geschehens darstellt. Heutzutage geht jeder Film, der es zulässt, in Serie. Da werden Geschichten aufgewärmt und aufgeblasen, die Konzepte von "Hangover", "Saw" und "300" in minimaler Schrittweite variiert. Der vorliegende Film jedoch suggeriert, mit dem uninteressanten Alien-Schwabbel des Vorgängers womöglich gar nichts zu tun zu haben. Und falls doch, dann wäre "10 Cloverfield Lane" ein Film, der zwei Plots so vereinigt, wie es eigentlich sonst nicht vorkommt. So sitzt also der Kinogänger in der Haut von Michelle, hat einen mysteriösen John Goodman und in erster Linie zwischen-"Mensch"-liche Spannungen vor sich und kommt regelrecht ins Grübeln, welches Handeln nun richtig und welches falsch ist - Währenddessen legt sich der Plot des Vorgänger-Films wie ein düsterer, undefinierbarer Schatten darüber.
      "10 Cloverfield Lane" ist ein Thriller, der allerbestes Drehbuch-Handwerk bietet und anständiges Schauspiel in detailverliebten Kulissen beisteuert. Ob auch die Spezialeffekte gut sind? Um herauszufinden, ob überhaupt Dinge vorkommen, die CGI erfordern, muss schon selbst ins Kino gegangen werden.

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        HansNase 30.03.2016, 00:45 Geändert 30.03.2016, 00:47

        "Ghostbusters" von Ivan Reitman wirkt nach über 30 Jahren leider wie ein von sich selbst zehrender Kult. Der feste Glaube, man werde diesen Film nach der ersten Anschauung genauso mögen, wie es alle anderen tun, bewahrte sich gut und gern 30 Minuten. Danach folgte Ernüchterung. Auf der einen Seite verweigern die Geisterjäger jegliche sprachliche Knoten, geschweige denn das Auflösen solcher Knoten zu witzigen Pointen - Gut, die Jungs gehen eben den unbekümmert brachialen Weg, der auch etwas Befreiendes haben kann. Nur leider bewegt sich dieser Film auf dem Derbheits-Niveau von 1984 und wirkt dadurch auch wieder nur behäbig. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, die netten Effekte haben weniger ausgedient als Drehbuchstil und Dialogtext. Kurzum: "Ghostbusters", der sicher schon viele Wohnzimmer in Stimmung versetzt hat, war bei mir über 107 Minuten lacherfrei - Und das ist kein gutes Zeichen für eine Komödie. Vor allem die Charaktere von Rick Moranis und Annie Potts (als Sekretärin) unterscheiden sich kaum von zeitgenössischen Sitcom-Stereotypen und würden glatt verpuffen, wären sie nicht so nervig. Ganz ohne Nachwirkung kommt die Gruppe der drei Parapsychologen indes trotzdem nicht daher. Man merkt dem Film an, dass es sich um eine weitgehend aufwendige Hollywood-Produktion handelt und dennoch verleihen Dan Aykroyd, Harold Ramis und Bill Murray ihr auf unwiderstehliche Weise den Touch einer Garagen-Bastelei. Man denkt teils wehleidig an heutige Blockbuster, wenn man sieht, wie die Ghostbusters nicht aus jeder Fliege einen Elefanten oder aus jedem Schleimmonster einen apokalyptischen Reiter machen. Der sprichwörtliche "Geist" hinter dem berühmten Emblem täte manchem Superhelden-Kracher derzeit mächtig gut.

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          HansNase 27.03.2016, 20:17 Geändert 27.03.2016, 20:22
          über Mustang

          Nach dem Pflücken eines Apfels beginnt das Unheil. Fünf junge Schwestern aus einem türkischen Dorf, vermutlich nahe Trabzon, werden von Onkel und Großmutter wegen angeblich lustvollem Umgang mit männlichen Schulkameraden im eigenen Haus eingesperrt und sollen sich fortan dem traditionellen Lauf des Lebens einer Frau fügen. Der Apfel als Symbol der Versuchung ist kaum ein Zufall, so wird er auch im Koran zum Auslöser der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies.
          In Deniz Gamze Ergüvens großartigem Drama "Mustang" geht es jedoch nicht um die Bloßstellung religiöser Borniertheit und der türkischen Kultur, es ist weder Culture-Clash, noch Culture-Bash, sondern handelt vielmehr von der Dominanz des männlichen Stursinns, wie er hie und da auf der Welt eine viel zu große Entfaltung erfährt, Frauen die Möglichkeit nimmt, sich als Persönlichkeit zu zeigen, ihnen die Freiheit nimmt und sie letztlich sogar zu Verteidigern dieser Gesellschaftsordnung macht. Insofern sieht man hier religiöse Motive nur an der Oberfläche, vor allem aber sieht man Männer mit ihrer Privatpistole, Hooligans, die das Fußballstadion zur Stierkampfarena machen und Frauen, die still und brav Telenovelas schauen.
          Die 5 Mädchen Lale, Sonay, Ece, Nur und Selma, eigentlich lebenslustige Teenager, Kinder, junge Menschen in den wichtigsten Jahren ihren Lebens, werden also in die Pflicht genommen, das Ansehen ihrer Familie nicht zu "beschmutzen", das Haus nicht mehr zu verlassen und irgendwann einem fremden Mann Treue zu schwören. Nach dem Apfel ist nun die Fliege an der Fensterscheibe das Symbol ihres Lebens. "Mustang" begegnet diesem Szenario aber nicht mit Tristesse, sondern baut ganz und gar auf die vor Vitalität brennenden und glänzend besetzten Mädchen. Allen voran brilliert die Jüngste, Güneş Nezihe Şensoy als Lale. Sie ist 14 Jahre alt und verkörpert ihre Figur als aufmüpfiges, unbestechliches Kind, das in den facettenreichen 94 Minuten lernt, Verantwortung zu übernehmen und erwachsen wird. Dadurch ist der Film immer lebendig, stellenweise urkomisch, wird mit jeder Kameraeinstellung besser und durchwandert alle Gefühle, die das Kino ausmachen. In der glücklichsten Momenten der 5 ahnt man die bösen Folgen. Beschwingtheit weicht Verbitterung, Verbitterung weicht Hoffnung. Und aus der Hoffnung entsteht ein unvermuteter Showdown - Das Drama wird schließlich zum Thriller.
          Wie geht man mit einem vorbestimmten Leben um? "Mustang" hat fünf Hauptfiguren. Und liefert entsprechend mehrere Antworten. Die machen glücklich oder betroffen und den Film zum emotional ausgereiftesten Stück Kino des bisherigen Jahres.

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            HansNase 22.03.2016, 00:32 Geändert 22.03.2016, 10:07
            über Raum

            "Raum" macht als Erstes alles kaputt, was der Zuschauer in unserer Welt für selbstverständlich hält und baut es dann wieder auf. Schritt für Schritt. Ja, jede Wand hat zwei Seiten, es gibt Bäume, es gibt Hunde, es gibt andere Menschen. Der kleine Jack (eine Entdeckung! - Jacob Tremblay) wurde in Gefangenschaft geboren, seine Mutter "Ma" (Brie Larson) lebt seit 7 Jahren im Schuppen ihres Entführers "Old Nick". Jack kennt die Welt da draußen nicht, er weiß nicht einmal, dass sie existiert.
            Da erklärt sich auch der seltsame Filmtitel "Raum", nicht etwa "Der Raum", nein, der bestimmte Artikel fehlt. "Raum" ist hier nicht nur ein Ort, für Jack ist es ein Grundprinzip, ein Alles, die wohl einzige Selbstverständlichkeit seines Lebens. Bis Ma eine Idee hat und der entscheidendste Tag in Jacks Leben kommt...
            "Raum" ist ein zweigeteilter Film [puristisch gesehen folgt ab hier ein SPOILER!], er beginnt Drinnen, endet Draußen. Als die große Welt auftaucht, sind natürlich erst einmal so viele Dinge neu, dass sich Regisseur Lenny Abrahamson auf bestimmte Aspekte des neuen Lebens, des Kennenlernens beschränken muss. [SPOILERENDE]
            Hinzu kommt, dass für alle übrigen Beteiligten die Aufarbeitung der Entführung und der jahrelangen Ungewissheit neue Herausforderungen bereithält. "Raum" ist somit ein Prinzip, das sich nicht nur auf den abgelegenen Schuppen von Old Nick beschränkt, sondern auch langfristig nachwirkt. Aus Eingesperrt-Sein wird Eingesperrt-Fühlen. Dieses Drama ist da unglaublich detailreich und absolut authentisch, jedoch verfährt sich Abrahamson in all den kleinen Aspekten so sehr, dass die Grundmotive viel zu vertraut wirken. Das Kind, das in eine Welt aus Vakuum und Bedrohung hineingeboren wird. Die Familientragödie, die im ganzen Umfeld Narben hinterlässt. Die gute Tat, die dennoch große Selbstanschuldigungen nach sich zieht. Und letztlich eine neue Freiheit, die als solche erst einmal verstanden werden muss. Hieraus kann man viele ungewohnte Eindrücke mitnehmen, jedoch wenig Erkenntnis. Großartig dagegen ist die Kameraarbeit von Danny Cohen, welche den Begriff "Raum" geschickt auf Boden, Decke und 4 Wände reduziert und, je nach Situation, Weite oder Enge walten lässt. Großartig ist auch die Charakterzeichnung der beiden Hauptakteure inklusive starker Leistungen der Darsteller. So ist die Beziehung zwischen Ma und Jack die vielleicht einzige Facette, die in "Raum" wirklich zu Ende erzählt wird. Insgesamt ein sehenswerter Film, den man nicht mit Tommy Wiseaus Kult-Trash "The Room" verwechseln sollte.

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            • 7 .5

              Detailverliebtheit war zumeist Pixars Steckenpferd gewesen, niemand machte ihnen etwas vor, wenn es um die Erschaffung von Welten voller Insekten, Monster oder Spielfiguren ging. Animationsfilme von Disney dagegen, die ohne das Siegel der hüpfenden Schreibtischlampe produziert wurden, stunken in dieser Hinsicht eher ab. Nun hat Disney mit "Zoomania" einen Film geschaffen, der in seiner optischen Vielfalt tatsächlich einmal umwerfend ist.
              "Zoomania" ist die Stadt der Säugetiere, die Heldin ein Hase, ihr Kumpel ein Fuchs, ihre Mitbürger sind Nashörner, Faul- und Gürteltiere. Die Geschöpfe sind vermenschlicht, gehen aufrecht und leben duldsam Seit an Seit. Doch hie und da fallen sie aus diesem vermenschlichten Raster wieder heraus, unterliegen den Klischees ihrer jeweiligen Gattung. So kommen zahlreiche lustige Situationen zustande, der Trailer mit den bürokratischen Zeitlupen-Faultieren bot da einen guten Vorgeschmack. "Zoomania" demaskiert diese Typisierungen aber auch. So kommt auch das Klischee hinzu, dass das gute Gedächtnis eines Elefanten nur ein Klischee sei. Viele solcher Ideen haben in der Tiermetropole Platz, das reicht bis hin zu kleinen Mikrowelten voller Mäusschen. Nicht verwunderlich, denn unter den Produzenten findet sich auch John Lasseter wieder, einer aus der Ursuppe von Pixar, Schöpfer von "Toy Story", Schöpfer der ersten computeranimierten Filmfigur überhaupt ("Das Geheimnis des verborgenen Tempels", 1985).
              Das große Thema dieses Films ist die irrationale Angst vor Fremden, wie sie seit Beginn der Flüchtlingskrise immer mehr in den Fokus rückt. Als Rassismusfilm für Kinder trifft "Zoomania" den richtigen Ton, vermittelt es seine Lektionen verständlich, ohne die Thematik zu einfach zu halten und findet es die passende Balance zwischen guter Unterhaltung und ernsten Gedanken. Außerdem wirkt die Freundschaft zwischen Judy, dem Polizistenhasen und Nick, dem Fuchs, herzerwärmend glaubhaft und eng. Die deutsche Synchronisation inklusive eines piepsenden Christian Brückner als Mafia-Spitzmaus und eines Joachim Tennstedt in toller "Breaking Bad"-Anspielung, ist hervorragend.
              Das große "Aber" besteht darin, dass "Zoomania" im letzten Viertel nicht das Niveau durchhält, mit dem es noch zu Beginn begeistern konnte. Der Schluss wird mit einem hundertfach gesehenen Twist abgespult, die Parodierungen anderer Filme und Serien sind zwar in sich nett, doch überkritzeln sie die eigene Handschrift dieses Films und der Abspann nervt mit aufgesetzter Partylaune. Mit "Beliebigkeit" lässt sich das große Manko dieses Disney-Films umschreiben. "Zoomania" liefert aber über 108 Minuten gute Unterhaltung dank einer Ansammlung kreativer Späße und einer Pfote voll Herz.

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              • 6 .5
                über The Boy

                Das Erfrischende an "The Boy" ist, dass sich der Film auf eine andere Art und Weise zu wichtig nimmt, als es andere Horrorfilme tun. Für einige gewohnt bis ungewohnt treffsichere Schockmomente reicht das kurzweilige Gruselabenteuer aber aus.
                Greta heißt das Mädchen, mit dem hier über die Lauflänge von 97 Minuten mitgelitten werden soll. Sie wird von einem Ehepaar als Nanny beauftragt, auf ihren Sohn aufzupassen. Doch dieser ist erstaunlich steif, klappert ungewöhnlich und hat die schlechte Angewohnheit, allen Anwesenden durchs Nichtstun das Fürchten zu lehren. Brahms, so heißt er, ist bloß eine Puppe. Das Ehepaar ist "dann mal weg", Greta schaffe das schon. Tschühüss. Bloß eine Puppe...
                Natürlich passieren dann umheimliche Dinge und natürlich passieren sie in altbekannter Plötzlichkeit. Die Jumpscares sind hierbei überdurchschnittlich gut platziert. Doch "The Boy" arbeitet über weite Strecken mit dem schaurigen weißen Rauschen der Ereignislosigkeit. Geschickt wird das Anstauen der Spannung ausgereizt und der Schockmoment bis zum äußersten Moment vorenthalten. Die Puppe ist über weite Strecken eben doch nur ein Porzellanjunge, aus dem kein schleimiges Zombiemeerschweinchen hervorkriecht. "The Boy" versucht, so wenig metaphysisch wie möglich zu sein und das ist der Punkt, an dem es dann doch haarig wird. Viele Dinge ergeben letztendlich halbwegs Sinn, doch die Intention der bösen Mächte bleibt im Albernen verborgen. Hier geschehen Dinge, nur damit sich der Horrorfilm als solcher entfalten darf. Deshalb ist "The Boy" beim ersten Mal durchaus wirkungsvoll, geriete bei der zweiten Anschauung aber zur Mühsal.

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                • 8 .5
                  HansNase 17.03.2016, 01:44 Geändert 17.03.2016, 22:32

                  Inmitten einer Welt aus Flüstern und Schielen spielt "Son of Saul", der mit dem Fremdsprachen-Oscar ausgezeichnete Film des Ungarn Laszlo Nemes. Da, wo das Bild scharf ist, spielt sich die Geschichte des Auschwitz-Gefangenen Saul ab, der seinen vermeintlichen Sohn standesgemäß beerdigen möchte. Da, wo das Bild defokussiert ist, vollzieht sich der geschichtliche Rahmen dieses beklemmenden Holocaust-Dramas. Verschwommen sieht man SS-Uniformierte schießen und Gefangene schuften. In "Son of Saul" geschehen viele Dinge, die historisch verbürgt sind und doch zeigt der Film sie in einer alpträumerischen Weise, dass man sich zeitweilig die Authentizität des Erzählten erst ins Gedächtnis rufen muss.
                  "Son of Saul" ist eine Story, bestehend vor allem aus Geräuschen und dem Blick des Protagonisten. Schüsse, Schreie und Feuer gegenüber der Resignation von Saul. Die Gräuel von Auschwitz werden indirekt vermittelt, die Geschichte verlagert sich in den Kopf des Zuschauers. Doch dies ist nur das Fundament einer verblüffenden Erörterung des Menschseins. Sauls "Sohn" wird zum Auslöser des Leinwandgeschehens, die Rettung des toten Kindes vor den Krematorien zum scheinbar sinnlosen Plan, der doch mehr ist, als man zunächst denkt.
                  [SPOILER!] Der besagte "Sohn" ist eines der Gaskammer-Opfer - Fast willkürlich gerät der tote Junge zum Gegenstand von Sauls Vorhaben, den Leichnam in Anwesenheit eines Rabbis zu begraben. Ist Saul einfach ein Verrücktgewordener? Als Zwangsmitarbeiter des "Sonderkommandos" hilft er bei den Vergasungen mit und erfährt die Todesgeräusche der Duschräume aus nächster Nähe. [SPOILERENDE] Eine Beerdigung für ein vermutlich wildfremdes Kind wirkt zunächst wie das Ergebnis von Abstumpfung und aufkommendem Irrsinn. Doch es steckt mehr dahinter. Man möchte meinen, Saul könnte seinen Plan auch einfach bleibenlassen, doch es ist Laszlo Nemes' Anliegen, zu zeigen, dass es eben doch sein muss. Weil Saul nicht nur die Hoffnung und den Überlebenswillen verloren hat. Weil nicht nur Liebe und Begehren verschwunden sind. Das KZ hat ihm das Gefühl genommen, überhaupt in seiner eigenen Welt als Mensch zu existieren. Der Plan ist ihm fortan wichtiger als sein Überleben. Er möchte, dass sein Herz einmal wieder von etwas erfüllt ist und nicht, dass es einfach nur weiterschlägt. Die Beerdigung des "Sohnes" ließe sich auch durch eine andere Absicht ersetzen. Sie repräsentiert eine Reihe von Handlungen im Sinne der Menschlichkeit, wie sie in Auschwitz längst keinen Platz mehr zu haben scheinen.
                  "Son of Saul" ist deshalb ein Film über Religiösität, aber auch darüber, dass ein jeder sie verlieren kann, Rabbis nicht ausgenommen. Es ist ein Film darüber, wie tiefschürfend die Wunden sind, die ein Konzentrationslager im Innersten des Menschen auslöst.

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                  • 7
                    über Trumbo

                    Bei den Oscars vor etwa 2 Wochen sollte die Reihenfolge des Filmentstehungs-Prozesses gewürdigt werden, weshalb die ersten Preise des Abends an die besten Drehbücher gingen. Ja, am Anfang eines jeden Popcorn-Abenteuers steht ein Stapel Papier mit schwarzer Tinte. Einen Drehbuch-Oscar erhielt zum Beispiel ein gewisser Robert Rich 1956 für den Film "Roter Staub". Zwar wusste niemand so recht, wer dieser Robert Rich war, jedoch hatte er einen Vorteil - Er war kein Kommunist.
                    Der Screenplay-Autor Dalton Trumbo dagegen musste sich durchaus diesen Vorwurf gefallen lassen. Gespielt von Bryan Cranston, erlebt "Trumbo" im gleichnamigen Film die volle Breitseite der McCarthy-Ära. Weil er sich "unamerikanisch" umhergetrieben habe, wurde der erfolgreiche Schreibmaschinen-Star aus dem Filmgeschäft verbannt und seiner Freiheit beraubt. Doch McCarthys Anhänger, darunter Hollywood-Sternchen wie John Wayne, Robert Taylor und Ronald Reagan, unterschätzten den Willen und Ideenreichtum von Dalton Trumbo und seinen Freunden.
                    Bryan Cranston, Gott am Serienhimmel, erhielt hierfür seine erste Oscar-Nominierung. Dieser Film bietet jedoch allzu häufig eine Walter-White-Kostprobe, da unterscheiden sich Cranstons Gesichtsregungen kaum von seiner Paraderolle aus "Breaking Bad". Dass auch Lungenkrebs und Amphetamine nebenbei in "Trumbo" vorkommen, ist wohl Zufall, passt aber gut ins Bild.
                    Dennoch trägt der Hauptdarsteller mit einer soliden Leistung diesen Film und versammelt weitere überzeugende Auftritte neben sich. Vor allem Helen Mirren als zähnefletschende, "antikommunistische" Klatschreporterin Hedda Hopper ist unwiderstehlich böse. Wir begegnen dieser Figur nicht zum ersten Mal in diesem Kinojahr, so wurde Hopper bereits in "Hail, Caesar!" durch Tilda Swinton parodiert. Darin stark verharmlost dargestellt, erscheint sie in "Trumbo" weitaus näher an der realen Person orientiert. Die republikanische Journalistin sah sich selbst als Kämpferin gegen die "sowjetische Bedrohung" und machte nicht einmal vor der Diffamierung von Charlie Chaplin und anderen großen Stars Halt.
                    "Trumbo" ist ein bieder inszeniertes Biopic, das vom durchaus interessanten geschichtlichen Hintergrund zehrt. Wem die alten Klassiker der Goldenen Ära Hollywoods zu langsam und überkommen erscheinen, der wird sich wohl auch bei diesem Film langweilen. Wer dagegen ein Tütchen voll Nostalgie mitbringt und sich von der geheimgehaltenen Filmographie Dalton Trumbos überraschen lassen möchte, wird hier seine Freude haben. Im Abspann wird man mit tollen Original-Fotographien und klugen Worten des Protagonisten belohnt.

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                    • 5

                      Das spannendste an "Erschütternde Wahrheit" ist tatsächlich nur die reale Geschichte dahinter. Der unter anderem aus "The Green Mile" bekannte David Morse spielt hier den Ex-Football-Star Mike Webster, der viermal den Super Bowl gewann. Furcht einflößend geschminkt stellt er jenes seelische, geistige und gesundheitliche Wrack dar, das Webster in seinen letzten Lebensjahren war, bevor er 2002 mit 50 Jahren starb.
                      An dieser Stelle kommt Will Smith als nigerianischer Pathologe Bennet Omalu ins Spiel, der nach Ursachen für den Verfall des ehemaligen Stars der Pittsburgh Steelers sucht. Dabei trifft er auf eine bis dato unbekannte Krankheit, ohne zu wissen, welchen Affront er bei den Machthabenden des Sports damit auslösen wird.
                      Enorme Kräfte und Impulse wirken, wenn die helmverpackten Köpfe von Football-Spielern aufeinanderprallen. Was aus medizinischer Sicht dabei abläuft, wird in Peter Landesmans "Erschütternde Wahrheit" jedoch nur angerissen, in lächerlich einfache Metaphern übersetzt, wobei Omalus pathologische Arbeit gar nicht richtig ins Bild rückt. Während er Leichname aufschneidet, sieht man sein Gesicht - Blut und Gehirne wären wohl zu eklig. Das ist symptomatisch für die zahme Abhandlung der sowohl neurologischen als auch sportpolitischen Gesichtspunkte. Der Regisseur füllt die zweistündige Laufzeit lieber mit einer denkbar unrhythmischen Liebesgeschichte zwischen Will Smith und einer verheizten Gugu Mbatha-Raw ("Jupiter Ascending") aus. Wirkt die Leistung des Hauptdarstellers Smith zwar bemüht, so wurde sie aber schon ab den ersten Sequenzen mittels Post-Production "kaputt geschnitten". So richtig für die Katz ist der Film durchaus nicht, doch es fehlt der nötige Biss und unter den Filmen über medizinische Knobeleien gibt es weitaus bessere Beispiele. Empfehlung: "Zeit des Erwachens" von Penny Marshall und "Insider" von Michael Mann.

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                        HansNase 27.02.2016, 00:38 Geändert 27.02.2016, 00:41

                        "Colonia Dignidad" töpfert eine fiktive Liebesgeschichte in einen realen historischen Kontext hinein, sodass manch Kritiker von missbräuchlicher Ausschlachtung historischer Ereignisse sprechen wird. Jedoch geht Regisseur Florian Gallenberger damit einen pragmatischen Weg, um dem breiten Publikum einen geschichtlichen Abschnitt von Gewalt und fahrlässiger Kollaboration zu vermitteln, der sonst kaum thematisiert wird.
                        Im chilenischen Sektenareal "Colonia Dignidad" unter Leitung des Deutschen Paul Schäfer wurden zwischen 1961 und 1991 (Jahr der "offiziellen" Auflösung) Mitglieder gefangen gehalten, unter dem Vorwand christlichen Gehorsams unterjocht, zu Arbeitszwecken verheizt, gefoltert, getötet.
                        "Colonia Dignidad" und die Geschichte von Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl) setzen ein, als 1973 Augusto Pinochet die Macht über Chile übernahm, womit auch eine folgenschwere Zusammenarbeit mit Schäfers Horror-Camp einherging. Paul Schäfer wird im Film von einem angsteinflößenden Michael Nyqvist gespielt.
                        Dramaturgisch sind hier einige Sachen geschickt umgesetzt worden. Trotz dass sich die Bilder gegen allzu blutlustige Eindrücke verwehren, gelingt durch das pausenlose Zeigen von Zwangsmedikamentierung, maßloser Strafverhängung, Bespitzelung und Verhör ein psychologisch beengendes Drama. Die Lovestory als Grundlage ist da weniger eine taktlose Verabenteuerung, sondern eher Ergebnis einer ideenarmen Drehbuch-Schreiberei - Das Drama "Freistatt" aus dem letzten Jahr über einstige Verbrechen im gleichnamigen BRD-Jugenderziehungsheim hatte einen sehr ähnlichen Anstrich. Trotzdem bleibt "Colonia Dignidad" ein spannender Film und die gezeigten Gräueltaten beruhen auf authentischen Berichten. Mehr Leuten wird hiermit dieses beschämende deutsch-chilenische Kapitel ein Begriff sein. So reicht es für ein sehenswertes Drama.

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                        • 8 .5

                          "Spotlight" von Tom McCarthy gelingt etwas ganz Besonderes, nämlich besonders zu sein, indem es versucht, nicht besonders zu wirken. Keine Kameraeinstellung aus diesem Journalismus-Drama über die Aufdeckung kirchlichen Kindesmissbrauchs wird lange in Erinnerung bleiben und bei keiner seiner 6 Oscar-Nominierungen gilt der Film so recht als Favorit. Das alles spiegelt die Thematik wider - Vergewaltigung von Kindern - Wer mag sich darüber wirklich lang den Kopf zerbrechen? Beinah instinktiv umgeht die öffentliche Aufmerksamkeit das Problem und so sind auch in "Spotlight" zunächst fast nur Erwachsene zu sehen. Worum es eigentlich geht, den schützenswerten Nachwuchs, wird erst am Ende gezeigt. Als dann Kinder auf der Leinwand auftauchen, tritt eine Bewusstwerdung ein, welch unverdorbenen Geschöpfen hier überhaupt Unrecht widerfuhr.
                          "Spotlight" schöpft aus seiner Reduziertheit eine Kraft, die man schon von woanders her kennt. 1976 stellten Dustin Hoffman und Robert Redford im ähnlich karg inszenierten Film "Die Unbestechlichen" die Aufdeckung der Watergate-Affäre filmisch nach. Richard Nixon war im Prinzip der Bösewicht dieses Schreibmaschinen-Thrillers und das, ohne im Film wirklich vorzukommen.
                          So wie damals geht es in "Spotlight" um genaues Recherchieren, jede Menge Sisyphos-Arbeit, um Telefongewitter und den berühmten Fuß in der Tür. Das ist selten schick, mal ächzt eine wichtige Information durch einen verstaubten Telefonlautsprecher, mal wartet die große Erkenntnis in einer Excel-Tabelle. Aufbau der Dialogszenen: Kamera auf Dich. Kamera auf mich. Kamera auf beide. Und von vorn.
                          Doch in den niemals langweiligen 129 Minuten werden somit zahlreiche Facetten der Problematik thematisiert. Geht es um Einzelfälle oder ein System? Welche Vertuschungsmechanismen laufen hier ab? Wenn die Story veröffentlicht wird, welche Botschaft sollte dann dahinterstehen? Wie weit reicht der Sumpf aus angeordneter Ignoranz der Missbrauchsfälle? Bis in die eigenen Reihen?
                          Vom simplen Szenenbild sollte man sich nicht abschrecken lassen, zumal die Geschichte auf den Schultern einer ganz wunderbaren Besetzung gut aufgehoben ist. Michael Keaton, Rachel McAdams, Mark Ruffalo, Liev Schreiber und Stanley Tucci bringen die Aufdeckungsmaschinerie hier mächtig ins Rollen. In den ersten 30 Minuten vermag man das nicht so recht zu glauben. Aber dann kann sich der Klerus warm anziehen.

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                            HansNase 24.02.2016, 00:27 Geändert 24.02.2016, 00:33

                            "Deadpool" ist die Vor-Augen-Führung , warum "Guardians of the Galaxy" viele Fans für blöd verkauft hat. Damals reichten ein paar alte Lieder und eine Hand voll als Antihelden bezeichnete Helden aus, damit sich der Film "origineller" schätzen durfte als die Erfindung des Kinos. Und doch bleibt auch "Deadpool" ein, von weiter weg betrachtet, durchschnittlicher Marvel-Streifen. Doch erinnere man sich an Zeiten, als keine drei Comic-Blockbuster pro Jahr mit dem rot-weißen Siegel des Comic-Universums ins Kino gelangten. Einst gab es Bilderbuch-Verfilmungen, sprichwörtlich mit "Stil", einem individuellen Aussehen. Dazu gehörten "Dick Tracy" von 1990 und "Sin City" von 2005. Mit "Deadpool" hat nun auch Marvel einen ansatzweise wiedererkennbaren Film gedreht und man ist teilweise überrascht, wie weit die Oberen des Comic-Imperiums ihre festgefahrene Vorstellung vom perfekten, Geldscheine hustenden Blockbuster zu lockern bereit waren.
                            Das gilt für den Ideenreichtum in den anfänglichen Action-Szenen, für den Schnitt, der endlich mal auch im größten Drunter-und-Drüber erkennen lässt, was eigentlich passiert und für einen völlig aus dem Ruder laufenden Vorspann. Es gilt für den ständigen direkten Kontakt des Protagonisten Deadpool (Ryan Reynolds) mit dem Publikum (auch weil es ein Markenzeichen der Vorlage war) und für die bald irritierende Dichte an dummen Sprüchen. In fast zermürbender Schlagzahl vermöbeln sich die Figuren verbal gegenseitig mit Anspielungen auf Wham!-Songs, dicke Hoden und die Erzählstruktur des Films selbst. Und gerade weil das irgendwann anstrengend zu werden droht, ist dieses Zugeständnis der zugeknöpften Marvel-Chefs an Regisseur Tim Miller ein leiser Hoffnungsschimmer.
                            Nicht originell, auch wenn er es gern wäre, ist der vermeintliche Super-Antiheld. Klar nimmt Ryan Reynolds hier viele unsaubere Wörterchen in den Mund, haut dem einen oder anderen Widersacher einmal mehr auf die Mütze, aber ganz ehrlich - Um keinen seiner Gegner ist es dabei wirklich schade. Deadpools Sympathiewert ist trotz der angsteinflößenden Visage und der mangelnden Etikette nicht ansatzweise so paradox wie bei einer typischen Clint-Eastwood- oder Al-Pacino-Rolle. Man könnte die Story dieses Films mit Leichtigkeit einem der üblichen Marvel-Helden auf den Leib schreiben. Noch weniger originell ist die Zeichnung des tatsächlichen Bösewichts. Dieser leidet laut Drehbuch [SPOILER!] an einer Verkümmerung der Nervenenden, weshalb er keine Gefühle durchleben kann. [SPOILER-ENDE] Es gleicht einer Entschuldigung für die einmal mehr standesgemäße Konturlosigkeit des Marvel-Muster-Bösewichts.
                            "Deadpool" fährt in nichtlinearer Weise staccato-artig tolle Späße auf und bietet damit über 109 Minuten gute Unterhaltung. Trotz eines durchhängenden Endes der beste Marvel-Film.

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                              HansNase 19.02.2016, 00:50 Geändert 19.02.2016, 00:53

                              Joel und Ethan Coen versammeln eine große Fangemeinde um sich, die von ihnen erwartet, große und größere Filme ihrem umfangreichen Werk hinzuzufügen. Doch ihr neuester Beitrag "Hail, Caesar!" will so rein gar nicht "episch" sein, viel lieber unbeschwert, frei von der Leber weg und erzählt deshalb, welch Zufall, vom Hollywood der 50er Jahre, der Goldenen Ära.
                              Man könnte diesen Film auch mit "Ein Tag im Leben des Eddie Mannix" betiteln - Mannix (Josh Brolin) basiert auf einer wahren, umstrittenen Person, die im Film als Sympathieträger auftritt und Manager einer großen Hollywood-Produktionsfirma ist. "Hail, Caesar!" schildert seinen Spießrutenlauf zwischen talentlosen Schauspielern und kralligen Boulevard-Journalistinnen. Fast alle Figuren sind hier namhaft besetzt und an reale Hollywood-Größen der damaligen Zeit angelehnt.
                              Wer diese Komödie gernhaben möchte, sollte also für die alten Schinken etwas übrig haben, zumal sich die Coens in ihrer Unbekümmertheit den damaligen Werken der Wylers und Wilders, mit Gene Kelly, Kirk Douglas und Konsorten, anpassen. Und genau deshalb sollte man weder einen packenden Hollywood-Krimi, noch eine differenzierte Infragestellung der Filmlandschaft von einst erwarten.
                              Dabei geht es spannend los - George Clooney, ein einfältiger Film-Römer in einem gruseligen "Ben Hur"-Verschnitt, wird vom Set entführt, Eddie Mannix erhält prompt eine ominöse Lösegeldforderung. Nebenbei muss sich Mannix mit den Problemen einer unehelich geschwängerten Filmdiva (Scarlett Johansson), eines unzufriedenen Regisseurs (Ralph Fiennes) und einer beinah erstickenden Schnittmeisterin (Frances McDormand) herumschlagen. Da wird mal die amerikanische Vorstellung des Kommunismus, wie er in der McCarthy-Ära vorgeherrscht haben könnte, aufs Korn genommen, mal wird dem Protagonisten ein (Wasserstoff-)bombiges Angebot des Luftfahrtunternehmens Lockheed auf den Tisch gelegt.
                              Ja, eine Epoche wird hier durch und durch durch die Mühle gedreht, jedoch ohne sie wirklich zu hinterfragen und leider auch ohne die alten Klassiker als Kunstwerke zu würdigen. Das verleiht "Hail, Caesar!" zwar eine angenehme Unschuld, die heute selten so auf der Leinwand gelingt, doch bleibt zu fragen, ob man die Darstellung der Goldenen Ära so stehen lassen sollte. Hier bedeutet Film vor allem Handwerk mit viel Hickhack in der Produktion, die am Ende nach langer Arbeit zu einem amüsierten Publikum führt, das für 2 Stunden den harten Alltag vergessen darf. Das gilt nun auch für diesen - an manchen Stellen unheimlich lustigen - Coen-Brüder-Film und egal ob heute oder damals, ob Kunst, ob Handwerk oder beides, das Kino ist in jedem Fall keine schlechte Sache - und allemal besser als die Wasserstoffbombe.

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                                HansNase 14.02.2016, 23:48 Geändert 15.02.2016, 08:29

                                Am Valentinstag 1929, also heute vor 87 Jahren, erschossen als Polizisten verkleidete Gangster in einer Chicagoer Garage sieben Alkoholschmuggler. Die Opfer waren Konkurrenten des berüchtigten italoamerikanischen Gangsters Al Capone.
                                Wie so viele Schreiberlinge und Historiker, war auch Regisseur Brian De Palma fasziniert von der Figur des moppeligen Schnaps-Verteilers, der zu Zeiten der Prohibition Summen verdiente, mit denen er nach heutigen Umrechnungen Multi-Milliardär wäre.
                                Doch wer nun hinter Robert De Niro's Darstellung von Al Capone in "The Untouchables" einen stilsicheren, eleganten Paten vermutet, der liegt falsch. Capone, verantwortlich für viele gefüllte Leichensäcke, wird hier gerechterweise zur impulsiven, überheblichen Rampensau gemacht und ist durch De Niro - leider - nicht gut vertreten. Der Schauspieler, welcher sich dieser Tage mit "Dirty Grandpa" zahlreiche Sympathien verscherzt, legt ein unpassendes Overacting an den Tag und versucht jeden zweiten Satz mit ausgestrecktem Zeigefinger größer klingen zu lassen.
                                Das liegt jedoch, so lässt es der restliche Film vermuten, auch am Regisseur. De Palma geht das Feingefühl für Situations-Dramaturgie, für Schnitt, Effekte und Musik abhanden.
                                Dabei stecken allerlei große Namen hinter dem Mafia-Epos. Kostüme von Giorgio Armani, Soundtrack von Ennio Morricone, Hauptdarsteller: Kevin Costner, Sean Connery und Andy Garcia. Sie spielen jene Polizisten, die damals an der Festnahme des Unterwelt-Bosses arbeiteten. Wie kann ein solcher Film schon misslingen? Durch schmierige Synthesizer-Partituren, schwache Slapstick-Einlagen und eben auch durch einen Hauch Langeweile. Zudem sollte man fragen: Möchte man in einem Mafia-Film wirklich Pferde-Szenen in Western-Manier sehen?
                                Man kann genau erkennen, wann "The Untouchables" besonders cool sein soll und besonders herausragen will. Hie und da geht die Rechnung jedoch auf und umso überraschender ist es, wenn man sich zur Aufmerksamkeit nicht mehr zwingen muss. In den brutalsten Momenten, paradoxerweise voller schöpferischer Kraft, ist das der Fall und dann, wenn Sean Connery als bescheidener, alteingesessener Streifenpolizist das Wort ergreift.
                                Für Connery reichte das für einen Oscar, wenngleich es dabei laut John Lee Miller in "Trainspotting" nur um Sympathien ging. Über den Film sagt er überdies: "Der kriegt von mir nich mal ne Wertung." Von mir schon: 6 von 10 Punkten.

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                                  HansNase 30.01.2016, 01:29 Geändert 30.01.2016, 01:30

                                  "The H8teful Eight", das ist ein Tarantino-Film für David-Fincher-Fans, ein Cluedo-Epos im verschneiten Wilden Westen. Vor allem ist es eine Abhandlung über hochkarätigen Nihilismus und amerikanische Geschichte - eingezwängt in ein kleines Zimmer und ausgedehnt auf 167 Minuten.
                                  Sturmbedingt machen die zwielichtigen Figuren dieses Films Halt in "Minnies Miederwarenladen", einem abgelegenen Geschäft für Formunterwäsche also. Da sind zwei Südstaatler, ein Schwarzer, ein Mexikaner, ein Cowboy und, und, und. Und das besondere Vorhaben eines Kopfgeldjägers, der nun auch hier festhängt. Nicht nur durch Kurt Russell und die unheimliche Musik des 87-jährigen Ennio Morricone denkt man unweigerlich an den Horror-Film "Das Ding aus einer anderen Welt", auch das Szenario voller Misstrauen, Lug und Trug erinnert an den John-Carpenter-Klassiker. Hier ist wohl kaum jemand das, was er vorgibt zu sein.
                                  "The Hateful 8" ist ohne Frage ein Film, über den sich jeder seine eigene Meinung bilden sollte, denn egal, wie viel man einem Quentin-Tarantino-Film auch anlasten mag, der einstige Videotheken-Angestellte hält immer genügend Details, Querverweise und geniale Momente bereit, um seine Werke nachhaltig wirken zu lassen. In diesem Fall sind erstaunlich viele Zitate zu seiner eigenen Filmographie auffindbar. Und gerade, wenn man sich daran erinnert, dass sich Tarantino schon mit "Reservoir Dogs" und "Jackie Brown" einst auf profane "Was-ist-hier-faul?"-Krimis beschränkte, relativiert das vielleicht die Enttäuschung einiger.

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                                    Gestatten - Michael Stone - Knetfigur und Gott. Gott des Unverzichtbaren! Allheilsbringer auf Erden! König des ... Kundenservice! King of the Call Center. Michael Stone reist als erfolgreicher Autor eines Motivationsratgebers für Telefondienstmitarbeiter nach Cincinnati, um einen Vortrag zu halten. Er steckt also gewissermaßen in der Rolle jenes Mannes, der sagt: "Sei immer freundlich, lächle stets, öffne dem Kunden Dein Innerstes. Aber nicht Dein eigenes Innerstes, sondern das, das wir Dir geben. Sei nicht so gleich wie Dein Nächster. Sei gleicher."
                                    Man möchte meinen, in Cincinnati begegnete er nun den Geistern, die er rief. Ob Frau, ob Mann, alles ein Einheitsbrei. Zu sagen, in welcher Weise sich die Figuren dort ähneln, wäre fast zu viel verraten - Jedenfalls fand das Regie-Duo um Charlie Kaufman und Duke Johnson hierfür sowohl akustische als auch optische Mittel. "Anomalisa" erzählt von einer Welt, in der Smalltalk über Zierfische und englisches Wetter das Zentrum des Lebens bildet. Unsere Welt. In der ersten halben Stunde ist das geradezu quälend, denn so skurril die Oberflächlichkeit von Michael Stone's Umgebung daherkommt, so humorlos erweist sich dieser Stop-Motion-Film dabei. Als wolle Kaufman einen jeden von uns dafür verantwortlich machen, dass es seiner Hauptfigur so mies geht, denn Stone fühlt sich einsam in seiner Haut trotz Frau und Kind.
                                    Doch "Anomalisa" kippt in eine andere Richtung. Statt des Weltschmerzes in quietschig knuffiger Tarnung zeigt der Film einen Wendepunkt in Stone's Leben. Er begegnet einem besonderen Menschen und durch die Machart dieses Überraschungswerks ist dieses "besonders" sofort für den Zuschauer erkennbar und erstaunlich nachempfindbar. Im Mittelpunkt steht eine verblüffende Liebesszene, verblüffend, weil man in diesen Minuten fast vergisst, dass die Figuren aus einem 3D-Drucker stammen. Alles scheint perfekt, aber gönnt Charlie Kaufman (Autor des preisgekrönten Drehbuchs zu "Vergiss mein nicht") seinem Protagonisten diesen Hoffnungsschimmer? Oder liegt der Kakao-Anteil schließlich doch jenseits der 90 Prozent?

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                                      Seit "Grand Budapest Hotel" fragte ich mich, wie man diesen seltsamen Vornamen der Schauspielerin Saoirse Ronan nun ausspricht. Ist sie vielleicht Franzosin und nennt sich "Saoars Ronooong" oder heißt sie doch eher "Schischa", wie es Dennis Quaid bei der Nominiertenbekanntgabe der Golden Globes verlauten ließ?
                                      Allein deshalb sei dem Film "Brooklyn" ein großer Dank ausgesprochen, denn durch die Publicity lässt sich leicht herausfinden, dass es wie "Ssörsche" zu klingen hat. Ein irischer Name für eine irische Frau in einer irischen Rolle und demzufolge kommt in der dialektreichen Original-Tonfassung besonders zum Tragen, wie "biijutifull" diese Schauspielerin ist und welch schöne "blue oyyes" ihre Augen doch sind. Ja, "Brooklyn" reicht mindestens aus, um sich in "Ssörsche" Ronan und ihr zurückgenommenes Spiel zu vergucken. Ein breites Lächeln könnte anderswo als auf diesem schmalen Mund schöner kaum sein.
                                      Darüberhinaus jedoch kann diese Geschichte über eine Frau, die in den 50er Jahren Irland in Richtung der Vereinigten Staaten und des vermeintlich großen Glücks verlässt, nicht so recht mithalten. Eilis, so heißt das Mädchen, droht im New Yorker Stadtteil Brooklyn an Heimweh zu zerbrechen, doch ihr Schmerz weicht bald der Liebe zu einem charmanten Italoamerikaner.
                                      Das Geschehen zeigt wenig Ecken, wenig Kanten, der optische Stil ist zugeknöpft und da das Drehbuch vom biederen Nick Hornby ("About a Boy", "A Long Way Down") stammt, ist auch klar, dass sich das nicht so schnell ändern wird. Allerdings, und das ist das Gute daran, bleiben die Kitschmomente dadurch rar. Zumal, als sich Eilis genötigt sieht, ihr altes Irland wieder aufzusuchen und dies neue Schwierigkeiten mit sich bringt.
                                      Begleitet wird Saoirse Ronan unter anderem von Brendan Gleesons Sohn Domhnall ("Star Wars", "The Revenant") sowie einer herrlichen Julie "Mrs. Weasley" Walters. Wer gern über Begriffe wie "Heimat" oder "Sehnsucht" fachsimpelt und besonders ruhiges Kino mag, wird an "Brooklyn" seine Freude haben.

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                                        Zeitgenössische Kritiker hätten kaum gedacht, dass sich jemand drei Jahrzehnte später noch an "Flashdance" erinnern würde und heute wissen viele genauso wenig, warum ihn eben doch einige für denkwürdig halten. Im Prinzip lässt sich der Grund auf einen Mann reduzieren - Auf die selbe Person könnte man praktisch die komplette Tanzmusik der Achtziger zurückführen.
                                        Giorgio Moroder wurde inmitten der Dolomiten geboren, im Südtiroler St. Ulrich, einem Örtchen von damals gerademal 2300 Einwohnern - Immerhin gehört auch Luis Trenker zu den Söhnen der Marktgemeinde. Lange hielt es Moroder dort nicht, über Umwege kam er Anfang der 70er im Münchener Arabella-Hochhaus zu seinem ersten Tonstudio, dem "Musicland". Die Stones und Deep Purple mieteten sich hier ein, bei den Olympischen Spielen '72 gingen die Sportler im gleichen Gebäude ein und aus, doch auch Moroder selbst arbeitete bald von hier aus an seiner Wahrnehmung durch die Weltöffentlichkeit. Für Donna Summer produzierte er den Riesenhit "I Feel Love", es folgten die Achtziger und Songs für Elton John, David Bowie, Barbra Streisand, Freddie Mercury, für alles, was Rang und Namen hatte und an den eigenwilligen Synthesizer-Sounds im Zeitalter der Lockenfrisuren und Vokuhilas teilhaben wollte. 1984 standen erneut die Olympischen Spiele an, diesmal in Los Angeles, wo ein Mann mit Raketenrucksack zur Eröffnungsfeier ins Stadion flog. Inzwischen war Moroder schon so gefragt, dass er als Interpret des offiziellen Olympia-Songs "Reach Out" zugegen war. Er ist Preisträger von drei Oscars, für "Midnight Express", "Top Gun" und eben Irene Cara's "Flashdance ... What a Feeling".
                                        Quasi der gesamte Soundtrack stammt von ihm, hierzu gehört auch der immer noch eingängige Pop-Hit "Maniac", gesungen von Michael Sembello und mit all dieser Musik steht und fällt das Renommee dieses Tanzfilms. Drei Komponenten stehen hier im Fokus: Stil, Musik und Handlung. Nur erstere zwei arbeiten miteinander. Schnitt, Kamera, Kulisse, Kostüm, das ganze Drum und Dran, passen sich den Liedern an, eine vernachlässigte Geschichte sitzt daneben, doch ist sich ihrer Nichtigkeit gar nicht bewusst. Ja, es passiert ein bisschen hiervon und ein bisschen davon, da ist dieses Mädchen, sie arbeitet als Schweißerin, aber will doch eigentlich Tänzerin werden, wenigstens in einem Nachtclub kann sie ihrer Leidenschaft fröhnen, jaja, soso, schön schön. Was dann passiert, ist mal vorhersehbar, mal ein Schweizer Plot-Hole-Käse, mal eine Befriedigung von damaligen Männerfantasien. Wer die Musik dieser Zeit nicht mag, insbesondere die hieraus bekannten Lieder, kann sich "Flashdance" getrost schenken. Für das eine oder andere Ohr dürfte es inzwischen überkommen klingen und auch Giorgio Moroders große Zeit war irgendwann vorbei. Bezeichnend, dass Ende der 80er das berüchtigte Wassereis "Dolomiti" aus dem Sortiment genommen wurde.

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                                          "Rocky", ein Film, der sich wie kein zweiter der Verbildlichung des amerikanischen Traums verschrieben hat, liegt 39 Jahre zurück. Aus dem Überraschungshit von 1976 entstand eine Reihe, die musikalisch mit "Gonna Fly Now" von Bill Conti und "Eye of the Tiger" von Survivor unumgängliche Begleiterscheinungen der Popkultur schuf. Untrennbar hiermit verbunden: Sylvester Stallone. Für den Ur-"Rocky" gefeiert, für diverse spätere Fortsetzungen verschmäht, lässt sich seine Geschichte nicht ohne diese Reihe erzählen. Und das umfasst nicht nur den Welterfolg und seine beiden Oscar-Nominierungen als Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Teil 1, sondern auch 5 Vorschläge für die Goldene Himbeere - Die Negativ-Trophäe trug er gar zweimal davon. Besonders Teil 5 wurde als Untergang der Saga betrachtet. Und das ist 25 Jahre her.
                                          Und nun, auf einmal, werden die bis zuletzt 6, nunmehr 7 Filme zu so etwas wie der Parabel eines typischen Boxer-Films: Der aufstrebende Neuling, der sich mit einem Überraschungserfolg einen Namen macht. Dann Leichtsinn, Überheblichkeit, Gier. Absturz. Und schließlich doch das Happy End. Der große Sieg. "Creed - Rocky's Legacy", quasi "Sly's Vermächtnis", ist ein herzensguter Film, zeigt einen unwiderstehlich ruhigen, geerdeten, einen fragilen Stallone, der auf einmal im Hintergrund steht und einem Jungen das Feld, den Ring, überlässt. "Creed" bezeichnet Adonis Creed, den Sohn des Boxers Apollo Creed aus den alten Filmen. Michael B. Jordan verkörpert den unerfahrenen Grünschnabel, sein Wunschtrainer ist Rocky, die Legende, der Freund seines verstorbenen Vaters.
                                          "Creed" ist ein Film über Freundschaft, aber auch ein packendes Kampfsport-Spektakel. Boxen, das Duell Mann gegen Mann (bisweilen ja auch Frau gegen Frau) - zeigte sich wie kaum eine andere sportliche Ertüchtigung als so filmtauglich wie diese. Und salonfähig gemacht wurden Boxer-Filme eben auch... durch "Rocky". In diesem Teil der Reihe wird das Nebeneinander von Alt und Jung stilistisch respektiert. So sieht man in "Creed" zum einen die altbekannten Trainings-Montagen - Schnittsequenzen, in denen der Boxer joggt, übt, malocht; mehrere Wochen zusammengefasst in einigen Minuten (eine gewisse Treppenszene machte dieses Stilmittel einst bekannt). Zum anderen bekommt man die Kämpfe in minutenlangen Nah-Dran-Einstellungen gezeigt, wie sie heutzutage in immer zahlreicheren Filmen in immer spektakulärerer Weise zu sehen sind.
                                          Schlussendlich bleibt "Creed" ein Remake des ersten Teils, so viel anders ist die Story nicht. Doch schon "Star Wars 7" zeigte: Der Begriff "Neu" muss sich nicht auf den Plot beschränken. Über Stallone bleibt danach ein Eindruck: Die Leute lieben Sly. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, ihn zu würdigen.

                                          • 9 .5

                                            Augen auf und Ohren spitzen, da muss man erst einmal viele Wörter schlucken: CDO's, Subprimes, Short-Strategie, Swaps, Triple-B- und Double-A-Ratings. Raucht schon der Kopf? Laut Adam McKays "The Big Short" verwendet die Finanzwelt diese Begriffe jedoch nur, damit der kleine Mann sagt: "Lasst mich in Ruhe, erledigt ihr das für mich!" Dieser Film beweist aber, dass doch schon einfache Texteinblendungen, reizende Metaphern oder Erklärungen durch überraschende Gastauftritte ausreichen, um dem Hin und Her, dem Lug und Trug der Wall-Street-Machenschaften folgen zu können. Dies ist eine Komödie über eine Reihe unabhängig voneinander handelnder Börsentätiger, die durch die Finanzkrise 2008 reich wurden, weil sie sie kommen sahen und darauf gewettet hatten. Es ist eine Komödie, aber sie nimmt über weite Strecken einen ernsten Grundton an, ist schroff und schnell geschnitten und dadurch definitiv kein wohliges Familienfilmchen. Kein Wunder, denn Adam McKay tat gut daran, die Gewinnertypen seiner Geschichte in ein kühleres Licht zu rücken. Ihre Prognose machte sie reich, bedeutete aber auch, dass sie von den bevorstehenden Arbeitslosenzahlen und Obdachlosen gewusst hatten.
                                            Wir begegnen hier einer Besetzung, die ein Traum für jeden Regisseur sein dürfte. Christian Bale mit Glasauge und Spürnase brilliert als promovierter Neurologe, der nun erfolgreich das Gehirn der amerikanischen Wirtschaft seziert. In einer solch schüchternen Rolle hat man ihn selten gesehen. Steve Carell ist Hedgefond-Manager mit Haaren auf den Zähnen; die Betrüger und Angeber vom Geldstapel-Geschäft "kotzen" ihn an, er wird oft laut und als er von der bröckelnden Fassade Wind bekommt, da möchte er regelrecht, dass sich der Crash bewahrheiten wird.
                                            Hinzu kommen Ryan Gosling, Brad Pitt, Melissa Leo und Marisa Tomei - "The Big Short" ist zugleich Bilderflut- und Schauspieler-Kino.
                                            Adam McKay zeigt Figuren, die den Markt genau analysieren, das faule Fleisch erkennen und sich im Fortschreiten ihrer Nachforschungen doch immer wieder in Sprachlosigkeit üben, als sie erkennen, wie schlimm es um die Börse wirklich steht. Da dürfen auch gern einmal Konversationen über geschwollene Hoden herhalten, um spürbar zu machen, dass es der Wirtschaft am Sack kneift. Mit den "Gorillaz" und "Gnarls Barkley" im Hintergrund wird "The Big Short" zum ultimativen 2000er-Film - der einen aber mehr als einmal schlucken lässt.

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                                            • 8 .5
                                              HansNase 08.01.2016, 02:19 Geändert 08.01.2016, 10:43

                                              Unheimlich ist "The Revenant" zu jedem Zeitpunkt, doch beängstigend ist vor allem das, was mit Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) zu Beginn passiert. [SPOILER!] Er ist Pelztierjäger im South Dakota des 19. Jahrhunderts, als er eines Tages von einem Bären angegriffen wird. Von der Fratze der Natur überrumpelt, verliert Glass in diesen Augenblicken das menschliche Ich. Seine Gruppe beschließt, ihn aufzugeben, doch einem kann das nicht schnell genug gehen: John Fitzgerald (Tom Hardy) bringt erst den aufmüpfigen Sohn des Trappers um, dann verbuddelt er den Schwerverletzten und lässt ihn zurück. [SPOILERENDE]
                                              Und wie es eine Laune der Wildnis zu wollen scheint, passiert das Unvermeidbare nicht. Hugh Glass unterlässt es, zu sterben. Stattdessen schenkt ihm das Leben einen Aufschub und so wird der Held/Antiheld zur menschgewordenen Natur und erschüttert den Gang der Dinge in seinen Grundfesten. Hiermit sieht sich sein Peiniger Fitzgerald einem Racheengel gegenüber, der gar nicht sein dürfte und deshalb mit einem umso größeren Knall heranmarschiert.
                                              Regisseur Iñárritu beschreibt ein Nordamerika aus jener Zeit, in der sich das Menschsein gegen Schnee, Kälte und wilde Tiere noch viel stärker behaupten musste. Die Rolle der indigenen Völker nimmt dabei einen interessanten Platz ein. Mal treten sie als Kriegspartei auf, mal als Bindeglied zwischen der Natur und den "Fremden", mal als gewöhnliche Menschen einer lediglich anderen Kultur. [SPOILER!] Nicht zuletzt trifft der Protagonist auf einen Pawnee, dem mit der Ermordung seiner Familie durch die Sioux ein ähnliches Schicksal widerfahren ist. [SPOILERENDE]
                                              "Der Rückkehrer" ist eine Mixtur aus dem Nullpunkts-Gedanken von "Fight Club" und dem Western-Genre im Allgemeinen. Optisch ist dieser Film ein nie gesehenes Erlebnis von seltener Brutalität. Sowohl den Kampfszenen, als auch der jetzt schon legendären Bären-Sequenz wurde durch die Kamera des zweifach amtierenden Oscar-Preisträgers Emmanuel Lubezki zu Höchstspannung verholfen. Oft wurde hier am Stück, mit wenig Schnitten, gedreht und im Unterschied zu üblichen Action-Plansequenzen bewegt sich die Kameralinse in einer beunruhigenden Gemächlichkeit, als wolle sie den Zuschauer allwissend mit ins Verderben ziehen.
                                              Hinzu kommen unzählige Landschaftsaufnahmen, gedreht in natürlichem Licht mit Bäumen, aus demütiger Froschperspektive und mit Bergen in der blauen Stunde.
                                              Natürlich trägt auch der fantastische Leonardo DiCaprio diesem Western-Thriller seinen Stempel auf und das, obwohl er häufiger leidvolles Stöhnen von sich gibt als gesprochenes Wort.
                                              Zwischen all dem blutigen Schnee, dem verzweifelten Todesröcheln drückt "The Revenant" die merkwürdige Sehnsucht nach einer Natur aus, die dem Menschen seine Unterlegenheit ins Gedächtnis ruft.

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                                                "La Strada" vom einen und einzigen Federico Fellini ist die Geschichte des grantigen Anthony Quinn in der Rolle eines Schaustellers von Gift und Galle und seiner bemitleidenswerten Assistentin Gelsomina, unwirklich toll gespielt von Fellinis treuer Ehefrau Giulietta Masina. Viel passiert nicht in "Das Lied der Straße" und schick ist dieser schwarzweiße Filmklassiker auch nicht - Es wird ein Leben in Armut gezeigt, einer Armut sowohl an weltlichen Gütern, als auch an Herz und Mitgefühl - zumindest bei der Hauptfigur des "großen Zampanò".
                                                Ja richtig, das ist kein Zufall: Wenn es in der Sportschau um den ehemaligen "Zampano" der glanzvollen Fußball-Clubs aus London, Mailand und Madrid, José Mourinho geht, dann kommt der Spitzname nicht von ungefähr. Es ist eine Redewendung, die tatsächlich auf Fellini und Quinn, auf eben diesen Film zurückgeht.
                                                Zampanò und Gelsomina touren durch Italien, er führt Tricks vor, sie begleitet die Nummern, als Clown geschminkt, mit Trommel und Trompete. Doch so sehr es sich Gelsomina auch wünscht, nicht ein liebes Wort hat ihr umtriebiger Herr für sie übrig. Und trotzdem deutet sich an: Sie können nicht ohneeinander.
                                                Wer nun aber einen Wendepunkt erwartet, der unterschätzt, wie verkrochen und tiefgefroren Zampanòs Gefühle sind. Gegen die Annäherungsversuche der in seinen Augen unattraktiven Gehilfin wehrt er sich mit Haut und Haaren. Und bald vermutet man, dass "La Strada" einen schlimmen Ausgang nehmen könnte.
                                                Masina, die ihren Fellini 1993 kurz vor der goldenen Hochzeit verlor, tritt hier nicht als klassische Leinwand-Schönheit auf. Umso spannender wird es dadurch, ob ihre Suche nach Zampanòs Herzen irgendwann fruchten wird. Wer ihr zusieht, der kommt jedoch kaum umhin, sie bald lieb zu gewinnen. In ihrem putzigen Gesicht spiegeln sich Freude, Leid und Hoffnung in einer Unschuld wider, wie man sie davor und danach selten gesehen hat.
                                                Auf der Trompete kann Gelsomina nur eine Melodie spielen. "Pate"-Komponist Nino Rota hat daraus das Leitthema des Films werden lassen. Fröhlich und oft beschwingt ist seine Musik, ein Kontrast zur traurigen Geschichte der zwei Hauptfiguren. Doch "La Strada", das ist italienisches Kino, das Kino der großen Gefühle. Und selbst der Zampanò, so wird sich zeigen, ist davor nicht gefeit. Dass dieser Film zur persönlichen Top 3 von Papst Franziskus gehört, ist nämlich auch kein Zufall...

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                                                  HansNase 02.01.2016, 03:19 Geändert 02.01.2016, 12:39

                                                  Die berühmten 16 Minuten des Anthony Hopkins brachten ihm im März 1992 den Oscar ein - als bester Hauptdarsteller, wohlgemerkt. Hopkins und Lecter, Lecter und Hopkins, die Rolle des Menschenfressers, die Rolle seines Lebens - "Das Schweigen der Lämmer" - Es war d-e-r Krimi der 90er. Nach der missglückten Fortsetzung "Hannibal" folgte 2002 "Roter Drache" und ja, es ist wie mit "Der Pate - Teil III", wie mit "Alien³", wie mit "Terminator 3" - Irgendwie gehört es dazu, aber das Vorangegangene legt sich wie ein Schatten der Bürde über den Filmabend.
                                                  "Roter Drache", ein Prequel zu den Lämmern, lohnt jedoch. Hannibal Lecter frisst die Leinwand auf, während die Darstellerriege rund um Edward Norton als Schnüffler, mit Harvey Keitel, Emily Watson, Ralph Fiennes und Philip Seymor Hoffman, alles Nötige tut, um einem klassischen Kriminalfilm Leben einzuhauchen. Im Speziellen geht es wieder um einen psychisch kranken Serienmörder, zu dessen makabrem Tötungsmuster der in Verwahrung lebende Kannibale und Ex-Psychiater Dr. Lecter eine Erklärung für das FBI beisteuern soll.
                                                  Brett Ratners Thriller erweist sich als spannender und atmosphärischer Zeitvertreib. Die handelnden Figuren hangeln sich Schritt für Schritt durch die Geschichte und steuern dabei unweigerlich auf einen großen Showdown zu, der es in sich hat. Schaurige Musik und morbide Kulissen unterstützen das zwiespältige Vergnügen. Egal, ob mit oder ohne Chianti.

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                                                    HansNase 28.12.2015, 13:02 Geändert 28.12.2015, 13:07

                                                    Wem "Godzilla vs. Mechagodzilla" zu alt und poplig ist, der kann sich mit "Pacific Rim" von Guillermo del Toro die auf Hochglanz polierte 2013er-Version von "Digger Fleischsalat vs. Stahlbaukasten" angucken.
                                                    Durch eine Art Wurmloch am Grund des Pazifischen Ozean gelangt eine Horde riesiger Monster von einer fernen Galaxie auf die Erde und vernichtet bevorzugt die Großstädte der Welt. Die Erde wird im wahrsten Sinne des Wortes zu "Mutter Natur" und gebärt jene sogenannten Kaijūs, die mit herkömmlichen Waffen kaum zur Strecke gebracht werden können. Doch die Menschen haben die Nase voll - "Legt euch mit jemandem von eurer Größe an!", heißt es nun und so werden die "Jaeger" entwickelt, gigantische Roboter, die im Inneren durch zwei Piloten steuerbar sind.
                                                    "Pacific Rim" ist eine selbstgefällige Zeitlupen-Revue ohne Wiedererkennungswert und mit erbärmlichen Schauspielern, die die wenigen Sprüche mit Coolness-Potential so vortragen, als ob sie sie selbst nicht verstehen. Nur Ron Perlman hat begriffen, welcher Tonfall für Filme wie diese am besten geeignet ist und nimmt ein wenig von der verklemmten Ernsthaftigkeit des übrigen Casts heraus. Der finale Kampf erhält den Verlauf einer Partie Armdrücken - Entweder verlagert sich das Geschehen zu Gunsten der einen oder eben der anderen Seite. Stolpersteine und Bauerntricks, wie sie die Schlachten in "Braveheart" und "Independence Day" bestimmen, bleiben hier zugunsten eines flotten Ottos an CGI-Animationen komplett aus. Für solche, die "saubere Effekte" mit "guten Effekten" verwechseln, ist "Pacific Rim" aber bestens geeignet.
                                                    Ausgerechnet ein Film von Guillermo del Toro erinnert einen daran, dass selbst die "Transformers"-Reihe von Michael Bay immer ihre guten Seiten hatte.

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