JackoXL - Kommentare

Alle Kommentare von JackoXL

  • 6 .5

    [...] Auch wenn sein Protagonist – bewusst angesiedelt als eine Beinah-Teenie irgendwann in den 90ern- nicht direkt seiner Generation entspricht, es scheint viel Autobiographisches in diesem düsteren Märchen über finstere Träume, böse Stiefeltern und ein Knisper-Knusper-Hexenhäuschen verkauft als vermutlich dem religiösem Fanatismus verfallener Hort der straffen Erziehung für ein besseres, gesellschaftlich angepasstes Erwachsenwerden zu stecken. Scheibchenweise wird mit liebevollen Comic- und Genrefilmverweisen (von X-Men bis Mario Bava, dessen Die drei Gesichter der Furcht direkt gezeigt wird); klaren Hommagen an Guillermo del Toro (The Devil’s Backbone) und sogar unmissverständlich Dario Argento’s farbenprächtigen Entdeckungstour Suspiria hantiert, ohne dadurch als reine Referenzveranstaltung nicht seinen eigenen Plot zu verfolgen. Der sich von rätselhaft, sanft-subtil-bedrohlich steigert bis hin zur bitter-bösen Farce, die in der dargebotenen Konsequenz stellenweise echt positiv überrascht.

    Auf dem Weg dahin wird sicher nicht jedes narrative Element richtig sinnvoll weitergesponnen. Gerade die (angeblich) wichtige Verbindung zur Großmutter und deren Vergangenheit baumelt letztlich lose zwischen den Stühlen und wäre kaum der Rede wert, wie auch die eigentlich total spannende Gender-Irritation des Protagonisten, die mehr zum flüchtigen Macguffin verkommt als darauf konsequent aufzubauen. Das ist schade, da wohl genau diese Feinheiten den Unterschied ausmachen könnten. Aber wohl gemerkt: Den Unterschied von einem sehenswerten, äußerst interessanten Beitrag zu einem uneingeschränkten Geheimtipp. [...]

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    • 3

      [...] Das einstig biestige Survival-Spiel mutiert zum hektisch-verwackeltem Teenie-D-Day in einem Herr-der-Fliegen-Anti-Anti-Terror-Kriegsfilm, dessen gesamte Prämisse schon mal gar keinen Sinn macht. Selbst wenn man diese so hinnehmen möchte…es ist schon hart an der Grenze zu jedweder Toleranz, um etwas ins Rollen zu bringen. Wenn es dann den wenigstens den brüchigen Krug erfolgreich zum Brunnen führen mögen. Mit Nichten, denn Battle Royale 2 wird nach seiner dürftigen Einführung und wie erwartet expliziten, aber niemals schockierenden Gore-Szenen zu einer schier endlosen Parade peinlich-sentimentaler und heroisch-dämlicher Partisanen-Kindskopf-Phrasen gegen das böse, böse System, das diesmal in Form eines überdreht-kaspernden Elvis-Imitators in Erscheinung tritt, der später selbst dieses Crazy-Bad-Guy-Image noch der Lächerlichkeit preisgibt.

      Noch viel schlimmer als das ohnehin schon verhunzte Konzept ist der Verzicht auf die ursprüngliche Selbstreflektion. Nun werden die USA als Wurzel des globalen Bösen lieber an vorderste Front gestellt. Frei dem Motto: Wir müssen ja, sonst kommen die. Wie damals. Über die US-Außenpolitik und spezielle deren Kriegsführung über die Jahrzehnte soll an dieser Stelle ausdrücklich keine Rechtfertigung erfolgen, aber DAS ist ja nun wirklich eine billige Kapitulation vor der ehemaligen Intention. So billig wie das gelegentlich aufploppende CGI, nur mal um dem Ganzen endgültig jeden potenziellen Nährboden zu entziehen. [...]

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      • 6 .5
        über Passion

        Auch wenn es wie Blasphemie klingt, aber wahrscheinlich würde ausgerechnet der Glaubens- und Obrigkeitsskeptiker Ingmar Bergman dem zustimmen: En Passion ist die Redundanz einer Brillanz. Was für sich genommen natürlich beachtet werden sollte, aber im Vergleich hinten dran steht. Der Abschluss seiner Fårö-Trilogie (neben DIE STUNDE DES WOLFS & SCHANDE) kommt einer repetitiven Werkschau-Inventur gleich, die Themen, Methoden und sogar Figuren recycelt; sie nur minimal in andere Konturen verlagert. Und trotzdem daraus ein faszinierendes, mehrdeutiges Charakter-Mikado zaubert, bei dem sich ein inniges und dennoch verlorenes Quartett mit- und untereinander so lange und selbstverleugnet verzettelt, bis am Ende nur noch die nackte Wahrheit auf dem Tisch liegt…und genau dann wird ausgeblendet. Voller Querverweisen und Andeutungen, exzellent gespielt und mit dieser sich festsaugenden Kamera von Sven Nykvist, die die Gesichter seiner Protagonisten einfängt und nicht mehr loslässt, bis sie sich bis aufs Mark offenbaren. Das ist - wie jedes Mal - erschütternd, nachdenklich und von profunder Menschenkenntnis versehen. Nur lässt einen das Gefühl nicht los, ein inoffizielles Rohschnitt-Remake zu sehen. Und das dominiert alles.

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        • 7 .5

          Unbändige, gebündelte, konservierte Wut und die Kunst sie genau dann zu entfalten, wenn der einem Atombombeneinschlag gleichkommende Impact nur geringfügigen Collateral Damage beinhaltet. Die sind dann leider zur falschen Zeit am falschen Ort. Der in unzähligen Komödien (oder PSYCHO) über 20 Jahre praktisch fehlbesetzte Hüne Vince Vaughn wird endlich entdeckt. Von S. Craig Zahler, der schon mit BONE TOMAHAWK erste, dafür tiefe Spuren hinterließ. BRAWL IN CELL BLOG 99 ist wütendes, hemmungsloses Genre-Kino an der Grenze von Grindhouse und ehrlicher Charakterstudie, die nur in dieser Mischung erst so funktioniert. Ohne den notwendigen Unterbau wäre das eine einzige Gore-Schau, bei der die FSK seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder ihr einst gefürchtetes Veto einlegte. Zwischen zersplitterten Knochen, zu Muss getretenen Köpfen oder am Boden aufgeschälten Visagen erzählt dieser Film tatsächlich eine echte, von Anfang bis zum Schluss stimmige und in seiner Konsequenz unfassbar straighte Geschichte von einem selbst-gezähmten Wüterichs, der gelernt hat mit seiner Zerstörungskraft zu leben. Sie nicht dann einzusetzen, wenn es Ottonormalbürger vielleicht tun würde.

          Dann, wenn er ohne Schuld gefeuert wird. Dann, wenn ihn Proleten an der Ampel provozieren. Wenn seine Mülltonne auf dem Rasen verteilt wurde. Selbst dann nicht, als er seine Frau beim Fremdgehen entlarvt. Da muss nur ihr Auto dran glauben. Zerlegt mit den bloßen Händen. Andeutend, wozu er fähig ist. Und was er – nach seinem erfolgreichen Entzug – selbstdiszipliniert, überdacht und moralisch einwandfrei im Zaum hält. Wenn es raus muss, dann lieber kanalisiert auf leblose Materie. Auch die Inhaftierung zum gänzlich ungünstigsten Zeitpunkt lässt ihn nicht mit seinen Prinzipien und (anscheinend unabdingbaren) selbstdisziplinarischen Maßnahmen brechen. Auch wenn er seine ungeborene Tochter so erst zu ihrer Einschulung sehen wird, er wie ein Tier eingesperrt wird und sich mit endlosen Provokationen von außen konfrontiert sieht. Er lässt es über sich ergehen, begegnet dem höchstens mit knochen-trockenem Zynismus an der Grenze zum Galgenhumor. Bis ihn eine fatale Kette von Umstände quasi dazu zwingt, das Biest Amok laufen zu lassen. Und nun: Rette sich wer kann!

          BRAWL IN CELL BLOCK 99 funktioniert trotz seiner unbändigen Gewaltdarstellung und der auf dem Papier schlichten Geschichte so phänomenal, weil er beides in einen in sich schlüssigen und gegenseitig unterstützenden Kontext verbindet. Der später wüste Rachefeldzug des Protagonisten erscheint – erschreckend - gerechtfertigt, selbst in dieser radikalen Form. Erst durch diese Investition in die Rahmenbedingungen ist es möglich, dass S. Craig Zahler so ein wutschnaubendes Monstrum wie dieses halbwegs integer verkaufen kann, was die wahre Kunst des Ganzen ist. Das verschobene, zermahlene, verschmierte Gerechtigkeitsverständnis des Zuschauers, es wird auf eine knüppelharte Probe gestellt. And the Winner is: S. Craig Zahler. Wie er das (trotzdem) schafft, das macht ihn (jetzt schon) groß.

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          • 5 .5

            Bryan Bertino’s verstörenden Home-Invasion-Nägelkauer THE STRANGERS nach 10 Jahren mit einem unerwünschten Sequel zu bescheren war von vornherein keine sonderlich gute Idee, was OPFERNACHT in der ersten Hälfte nur bekräftigt. Wenn das Konzept des Originals nicht 1:1 wiederholt werden soll, wird dessen einstige Stärke natürlich massiv entkräftet. So kommt es auch, wenn das vorherige Zwei-Personen-und-die-Fremden-Stück in der heimischen Vier-Wände-Mausefalle zum weitläufigeren Familien-im-Trailer-Park-Brennpunkt-Versteckspiel wird. Da fehlt es unweigerlich an der beengten, um Luft ringenden Atmosphäre; seiner konzentrierten Bedrohung selbst in den vielen ruhigen Passagen, wenn die maskierten Scharfrichter nur mal kurz unbemerkt im Hintergrund herumlungerten. Anfangs nicht mehr als ein schales, an Ideenarmut krankendes Opferlämmchen entwickelt sich der Film trotzdem noch bis hin in die leicht positiven Gefilde. Was einzig und allein ausgerechnet an Regisseur Johannes Roberts liegt, der sich zuvor mit dem auch nur mittelprächtigen 47 METERS DOWN nicht zwingend empfehlen konnte. Hier ist er das entscheidende Zünglein an der Waage. So einfallslos, trotz 10 Jahren theoretischer Entwicklungszeit bald fahrlässig-dürftig das Skript ausfällt, auf technischen und inszenatorischen Niveau gelingt es THE STRANGERS: OPFERNACHT mit einem geübten, talentierten Auge (und dem passenden Ohr) immer mal wieder - im Endspurt sogar gehäuft – eine hübsche und besonders effektive Momentaufnahme nach der anderen anzusammeln, dass dieses Portfolio schlussendlich doch irgendwie zufriedenstellt. Es sind immer nur Fragmente und über den Mangel an echter, intensiver Spannung kann das nicht hinwegtäuschen, aber pure Zeitverschwendung ist diese handwerklich sehr stabile Kiste nicht…auch wegen der lange „überfälligen“, wunderbar schlicht auf den Punkt gebrachten Motivation seiner Maniacs. Eine Zweitsichtung zwingt sich keinesfalls auf, zum einmaligen Gebrauch okay, mit besonderer Diskrepanz zwischen guter Inszenierung und dafür kaum zuträglicher Grundlage.

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            • 7 .5

              [...] In bewusst (und schlau) gewähltem Schwarz-Weiß wirkt La donna del lago erzählerisch und stilistisch wie eine Kreuzung aus den Anfängen des Giallo, einer Interpretation der tragisch Charakter-fokussierten Nouvelle Vague, der selbstzerstörerischen Tendenz des Film Noir und elegant-finsterem Suspense, mit deutlichen Spuren von Alfred Hitchcock (Eine Dame verschwindet) bis hin zu sogar Ingmar Bergman (Persona). Symbolträchtig, zermürbend und nachdenklich in seinen Motiven, getragen von einem erstaunlich hohen, handwerklichen Niveau am Puls des modernen Genre- und Arthauskinos. Eine rückwirkend betrachtet gar nicht mal so außergewöhnliche – dennoch eindeutig tragische – Geschichte wird in der wohl interessantesten Art und Weise vorgetragen. Mit atmosphärisch-bedrückenden Feinheiten (allein das verloren wirkende Setting und die Soundkulisse mit dem stetig pfeifenden Wind, als wenn er etwas zu berichten hätte) und einem schonungslos-pessimistischen, sehnsüchtig-ausblutenden Grundton. Geschickt wird mit den verschiedenen Elementen gespielt und sie miteinander verwoben, konsequent seinem Takt treubleibend bis hin zu einem sowohl befriedigenden wie genau deshalb auch unheilvollem Finale. Denn nichts könnte und dürfte hier wirklich gut enden. Dafür ist hier kein Platz. Höchstens für einen Abschluss und einen womöglich besseren Neuanfang. [...]

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              • 8 .5

                [...] „Warum fickst du mich nicht einfach zu Tode?!“

                Ähnlich wie Venedig in Wenn die Gondeln Trauer tragen ist bei Black Out – Anatomie einer Leidenschaft auch Wien nicht nur eine zufällige, variable Kulisse aufgrund ihrer natürlichen Schönheit. Die Wiege von Siegmund Freud’s stark sexuell geprägter Psychoanalyse, sie ist im Kontext so unverzichtbar wie die Kathedralen, Kanäle, das krampfhafte Restaurieren und das verstörende Rotkäppchen von einst. Aufgeladene, bipolare und manische Persönlichkeitsstörungen vermischen sich mit triebhaftem Verlangen; Kontrollzwang und vermeidlicher Überlegenheit, die irgendwann in noch exzessivere Manie umschwenkt. Betrügerisch-spielerisch beschwört Nicolas Roeg eine unglaublich biestige Tragödie herauf, da er mit dem Ergebnis anlockt und nur zögerlich die Umstände preisgibt, dafür mir sehr wohl überlegtem Effekt.

                Ein ungehörter, verzweifelter Schrei nach Liebe und echter Zuneigung verschwindet im Chaos aus kollidierenden Welten. Politisch, gesellschaftlich, organisatorisch, zwischenmenschlich…es hapert genau genommen an jeder Ecke. Egal, wie sehr die Leidenschaft und sogar echte Emotionen sie übertünchen mögen, am Ende sind es nicht nur Störfaktoren…sie führen sogar zu einer ungeahnt krassen Eskalation. Warum auch immer „Black Out – Anatomie einer Leidenschaft“ jemals missverstanden wurde, es liegt wohl nur an seiner progressiven, herausfordernden und absolut provokanten Natur. [...]

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                • 7

                  [...] „Als Kind liebte ich Marseille fast zärtlich. Heute komme ich voller Zorn zurück!“

                  Dass Borsalino & Co. eindeutig nicht an einer wirklich tiefgreifenden Geschichte interessiert ist, wird spätestens nach diesen Zeilen unmissverständlich in Blei und Zement gemeißelt. Kurz vorher ertönt erstmals der lockere, vorher schon fast nervig anmutenden Original-Score, nur um ihn mit dieser Kriegserklärung komplett zu beerdigen. Eine kurze Interlude-Hommage an den Vorgänger und den zu Grabe getragenen Stil aus Ganoven- und Buddy-Krimi, nun wird Blut fließen. Dass sogar versucht wird den eiskalt-brutalen Protagonist durch eine mehrfach betonte Verbindung seiner italienischen Mafia-Gegner mit dem Dritten Reich noch auf sympathisch zu schummeln spricht Bände für die rücksichtslose Gesinnung diese hochklassige produzierten Genre-Hobels. Böse trifft noch böser. So sollte ein illegaler Hahnenkampf in der Unterwelt aussehen. [...]

                  7
                  • 6

                    [...] Darey verlässt sich bei seiner Romanverfilmung auf einen ganz klassischen Handlungsverlauf, die reizvolle Kulisse seiner Küstenmetropole mit dessen ganz eigenen Flair und natürlich auf seine Alphamännchen, Prinz Cool und den eiskalten Engel. Beide bedienen genau ihr typisches Image: Ober-Gockel Belmondo läuft sein Mojo bald aus den Ohren, Delon ist cooler als jeder Eiswürfel. Eine interessante, öfter erprobte Kombination, dieser Präsenz lässt es sich kaum entziehen. Neue Wege werden hier somit niemals beschritten: Borsalino ist exakt das, was sich vermuten lässt. Der rasante Aufstieg zweier Machos der alten Schule von kleinen, ambitionierten Gaunern zu den Platzhirschen der Mittelmeerküste. Mit allem Drum und Dran: Manipulierte Wettkämpfe, Auftragssabotagen, Spielautomaten: Irgendwann wird scharf geschossen. Anfangs gestaltet sich das noch sehr leichtfüßig, leicht humorvoll, vielleicht sogar etwas zu beschwingt-locker, bis der Film in der zweiten Hälfte eine deutlich härtere Gangart fährt. Wer ganz nach oben kommen will, muss sich irgendwann mit den ganz rücksichtslosen Jungs anlegen, dann gehören die holde Weiblichkeit anbaggern und entspanntes Planschen im Badesee der Vergangenheit an. Mit dem „Barbecue“ im Fleischlager (hervorragend inszeniert, vielleicht die beste Szene im Film, rein optisch) wird es ernst, was dem Werk eindeutig gut tut, der entspannte Grundton schien langsam unpassend. [...]

                    10
                    • 5 .5

                      [...] Zu sehr ist Die Akte Odessa darauf bedacht, nicht in diese Sparte abzurutschen, was in Inkonsequenz mündet. Immer wieder werden Klischees und pure Genre-Fisimatenten bedient, ohne dazu ehrlich zu stehen. Das macht den Unterschied speziell zu dem wesentlich besseren The Boys from Brazil aus, der sich seinen „höheren Anspruch“ mit einem lauten Hurra an den Hut steckte und trotzdem noch als prickelnder Thriller prima funktionierte.

                      Zu stolz dafür erscheint dieser Film, obwohl er selbst die ursprüngliche Staats-Auslöschung Israels nur als Macguffin verwendet und letztendlich gar ein erst berufliches Motiv in einen moralischen Akt der Gerechtigkeit verwandelt, um es letztlich als ganz persönliches, plumpes Rachemotiv zu entlarven. Was ehrlich gesagt nicht nur lächerlich, sondern nah an einer Frechheit ist. Wobei das Exploitative des Films das schon wieder fast zulässt. Genauso wie die eindeutig gut gemachten Highlight-Sequenzen, die besonders durch ihre Darsteller leben. In Nebenrollen viele bekannte, deutsche Gesichter (wenn auch hauptsächlich eben als Bad Guys, aber dafür ist z.B. ein Klaus Löwitsch einfach geboren) und selbst ein etwas verschenkt wirkender Maximilian Schell in der ewig gleichen Rolle des Nazi-Kriegsverbrechers holt aus seinem Auftritt viel mehr raus als…naja, machbar. Zu Jon Voight noch eine interessante Feststellung: Mit dem für die Geschichte benötigten Alters-Make-Up sieht er seinem späteren, echten Ich verblüffend – beinah erschreckend – ähnlich. Wie ein Spiegelbild der Zukunft. Das ist wirklich purer Zufall, aber bemerkenswert. Und spricht für das generell gute Handwerk eines recht unterhaltsamen, aber ungelenken wie unsicheren Films. [...]

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                      • 7

                        [...] Der steigende Gewaltpegel ist nicht mal großartig schockierend, damit war zu rechnen und in Anbetracht der äußeren Erscheinung des Films fast schon überfällig. Selbst abgebrühte Zuschauer dürften gegen Ende mindestens zweimal tief durchatmen, was nicht an einer sehr plastischen Darstellung von Gewalt, sondern mehr an seiner Wirkung und dem durchaus schockierenden Umgang mit ihr liegt. Nicht WAS, sondern WIE, und vor allem sind es die letzten fünf Minuten, die einem Tritt in den Magen gleichkommen. Dann, wenn eigentlich alles vorbei ist. Diese Szenen, die unreflektierte Filmemacher womöglich gar nicht eingebaut hätten, sind kontrovers und provokativ bis ins Letzte, genauso bewusst als Waffe eingesetzt wie vorher die Schüler seitens der Lehrerin. Man könnte dem Film sogar die Rechtfertigung von roher, barbarischer Gewalt vorwerfen, dadurch dass er diesen Aspekt jedoch direkt benennt und ihm ein (oder eher zwei) erschrockene(s), verstörende(s) Gesicht(er) gibt, wird klar, dass er genau das nicht tut. Er liefert ein Resultat, ohne Reue, ohne Traumatisierung und dadurch bleibt er hängen. Was er eindeutig will. Was deutlich macht, dass ihm die Tragweite seiner Wirkung bewusst ist. Was es wert macht, sich intensiver mit ihm auseinanderzusetzen und wohlwollend über diverse Schwächen hinwegzusehen. Dieser Film hat zumindest diesen Diskurs über ihn und seine Intention, seinen mutigen Ausklang verdient und ist damit prädestiniert, um endlich wieder öfter gesehen zu werden.

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                        • 10
                          über Heat

                          [...] Es sollte 21 Jahre (und 1 ½ Stunden) dauern, bis sie sich endlich Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen durften. Nur für wenige Minuten, aber allein wie das eingeläutet wird. Nachdem sich die Alphamännchen schon aus dem Dunkel beschnuppert haben, kommt es zur legendären Tafelrunde, die die meisten Showdowns in die Tasche steckt. Zu einem treibenden Score verfolgt Pacino sein Alter Ego durch den nächtlichen Großstadtjungel, stellt ihn relativ unspektakulär und lädt auf einen Kaffee ein. Hier werden sich alle ungeschönten Tatsachen direkt ins Gesicht gesagt und anstatt sich selbst auf erschreckende Art gespiegelt zu sehen, vertreten sie nur ihre unerschütterlichen Standpunkte, jedoch mit Respekt vor dem Schaffen des Gegenüber vorgetragen.

                          – „Wenn ich mich entscheiden muss zwischen Ihnen und irgend so einer armen Sau, dessen Frau Sie zur Witwe machen wollen…Bruder, dann hast du keine Chance!“

                          – „…denn egal was passiert, Du stellst dich mir nicht in den Weg!“

                          Und so verharren sie in ihren Drohgebärden, gehen auf menschlicher Ebene durchaus aufeinander zu, aber sobald das Geschäft auf den Tisch kommt, sind sie sich einig: Du oder ich, koste es was es wolle. Das Interessante daran, das die Karten trotzdem leicht neu gemischt werden. Einer hat schon lange alles für sich als Kredo beschlossen, hadert im letzten Moment kurz damit. Der Andere konnte oder wollte sich seine destruktive, aufzehrende Passion nie direkt eingestehen, zieht sie unabhängig davon konsequent durch und am Ende entscheiden dennoch nur Fragmente. Bei der Konfrontation zweier Idealisten kommt es auf die kleinsten Abweichungen an, die werden das Urteil fällen. Erlösung und Befriedigung liegen nah beieinander, nur am Ende ist wohl keiner richtig glücklich. Denn dann ist es vorbei. Was nun? Einer hat es geschafft, der andere nicht. Aber was hat er damit gewonnen? Nur eine Etappe, nicht das Ziel, das ist eh nur noch eine weit entfernte Utopie. Realistisch waren beide schon lange angekommen, sie konnten es nur nicht genießen. Und werden es niemals können. Sie hinterlassen nur verbrannte Erde um sich herum. Einen Dunstkreis der Zerstörung, obwohl sie beide sozial kompetent sein können, nur nicht auf sich selbst gemünzt und für die, die sie vorgeben zu lieben...und es "leider" wahrscheinlich sogar tun. [...]

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                          • 4 .5

                            Nice Try, aber trotzdem eher mau. Ganz grundsätzlich: Es ist sehr löblich mit wie viel Engagement und entgegen jeder Erfolgsaussichten sich so eine kleine, vom Munde abgesparte, von den sonst so in Geberlaune befindlichen deutschen Filmförderrungen ignorierte Produktion sich seinen Weg bis zum Kinostart und dem Heimkinorelease bei einem etablierten Label erkämpft. Für so viel Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen an der Stelle ehrlichen Respekt. Das deutsche Genre-Kino existiert, wenn auch nur im Klitzekleinen. Es hat seine Jünger und Azubis, die sogar über rein handwerklich beachtliche Qualitäten verfügen. SCHNEEFLÖCKCHEN sieht für seine Möglichkeiten hervorragend aus und ist (teilweise) sogar ansprechend gespielt. Hat Anflüge von anarchischer Verve und verrückter Kreativität, verendet aber als auf 2 Stunden gestreckte Fünf-Minuten-Terrine aus handgemahlenen Kultfilm-Instant-Pulver mit lauwarmen Wasser aufgegossen, viel zu hastig umgerührt und ohne wirklich zu Schlucken runtergestürzt. Als Kurzfilm – so um und bei 30 Minuten – wäre das eventuell ganz nett. Auf Spielfilmlänge ausgewalzt und nun mit Herausforderungen konfrontiert, die über mehr als ein Brainstorming aus Versatzstücken und einer nicht ausgedachten Grundidee hinausgehen verliert das viel zu schnell seinen Reiz. Im Geiste von groben Kindsköpfen wie Robert Rodriguez & Alex De La Iglesia versuchen auch die Berliner Independent-Filmer eine wüste Kreuzung aus Räuberpistole, blutigem Thriller, Superhelden-Suppenkasper-Theater und phantastisch-verrückter Meta-Märchenstunden-Posse, bei der kaum einer der tendenziell nicht (immer) uninteressanten Gedankengänge einen in sich stimmigen Ausklang findet. Eines davon richtig, es wäre schon nicht schlecht. So wird einfach zu viel auf einen Haufen geschmissen und freudig darum herumgetanzt, weil das ja grundsätzlich ganz drollig ist. Ja, stimmt. Aber viele abgeschnittenen Fäden und grob gestückelte Idee-Fetzen machen eben nicht EINEN (wenigstens) halbwegs gelungenen Film. Der Ansatz gefällt, die Präsentation auch, das Resultat taugt zu wenig. Aber da gerne weitermachen, es ist alles andere als hoffnungslos.

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                            • 6

                              [...] Ein emanzipatorisch spannender, ironischer B-Movie-Beitrag. Wo sich ein Durchschnittsbürger auf eine gefährliche Odyssee begibt, nur um seine mechanische Traumfrau recyceln zu können. Während die echte Weiblichkeit wie ein exotisches, nicht erreichbares Luxus-Gut auftritt; Prostituierte sich dementsprechend nicht mit Luden, sondern mit Rechtsanwälten ausstatten (als so ein Pfennigfuchser kurz zu sehen: Laurence Fishburne, Mystic River) und sich der verzweifelte Romeo ohne Nahkampferfahrung sogar Seite an Seite mit einer waschechten, rothaarigen Amazone durch die sonderbare Zone 7 wagt. Wo Ober-Guru Lester mit seinen Fall-Out-Piraten in Hawaii-Hemden, Bermuda-Shorts und ausrangierten Eiswagen das Ödland kontrolliert und terrorisiert. In diesem Chaos eine Mischung aus Club-Urlaub und Charles Manson-Happening zelebriert, lieber mit Bogenschießen als Dosenwerfen.

                              „Ginger…die Mädchen sollen ein paar Sandwiches machen!“

                              Cherry 2000 ist im Narrativen zwischenzeitlich ungeschickt und bedient selbst seine ausgefallen, kreative Prämisse nicht immer optimal, was sich besonders im Mittelpart deutlich herauskristallisiert. Da trampelt es manchmal unnötig auf der Stelle, trotzdem überwiegt die geballte Charmeoffensive eines ausgefallenen, satirischen 80er-Juxes, der sowohl bekannte Vorbilder augenzwinkernd zitiert und sich dennoch einiges selbst aus den Rippen schnitzt. Und für sein Budget verdammt gut realisiert, ausgewählte Szenen sind zeitgemäß gar spektakulär.

                              „Die haben das verdammte Flugzeug wieder hingekriegt! Los, hol die Makkaroni und den Käse…!“ [...]

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                              • 3

                                [...] Carpenter kopiert sich inhaltlich zwar ohne falsche Scham selbst bis sich die Balken biegen, verwirft gleichzeitig jedoch die brillante Atmosphäre seines Originals, die es bis heute zu einem Meisterwerk seines Genres macht. Trotz roher Gewalt und verlotterter Freaks in den Straßen von L.A., trotz Gewitter, Erbeben und Tsunamis, die unheilvolle Finsternis, den apokalyptischen Hölle-auf-Erden-Charakter kann und will die Fortsetzung gar nicht aufrechterhalten. Bunter, flippiger, mit nicht zu übersehendem Comic-Flair versucht der Regisseur seinen Film vielleicht zeitgerechter zu gestalten, seinen Anti-Helden mehr amüsante One-Liner raunen zu lassen und jede Figur mehr schrill als bedrohlich zu präsentieren. Von den Sidekicks wie Steve Buscemi (Reservoir Dogs) oder Surfer-Dude Peter Fonda (Easy Rider) bis hin zum Oberschurken namens Cuervo Jones, sie alle sind viel zu gut gelaunte Hampelmänner. Der Duke von New York hätte sich besagten Jones in seinen Frühstücks-Taco gestopft. Damit lädt Carpenter eine seine stärksten Waffen (die er zumindest mal hatte) mit Platzpatronen. Flucht aus L.A. erinnert mehr an einen zwar zynischen, dennoch nicht wirklich schrecklichen Vergnügungspark, in dem letztlich alles gar nicht so ernst gemeint ist. Wahrscheinlich ernst gemeint, dadurch nur noch katastrophaler sind die Effekte, wenn es über das handgemachte hinausgeht. Selbst für 1996 ist das CGI erbärmlich und wäre eigentlich in der Form nicht mal nötig, beachte man was Carpenter früher mit kleinem Geld durch geschickte Regie darstellen konnte. [...]

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                                • 7

                                  Der moderne, vergeblich um Almosen bettelnde Genre-Film aus Deutschland, er trägt einen Namen: Özgür Yildirim, der vor 10 Jahren mit dem Knaller CHIKO und danach mit dem recht positiv aufgenommenen BLUTZBRÜDAZ echte Duftmarken hinterließ. NUR GOTT KANN MICH RICHTEN lief trotzdem wieder nur als Lückenbüßer irgendwo im Irgendwann…und das ist eine Schande. Klar, da werden altbekannte Plot-Bausteine fast zu exzessiv bedient. Praktisch jede Entwicklung dieser um die maximal-tragische, fatalistische Eskalation im Schattendasein der Finanz- und Milieu-Metropole Frankfurt läuft wie am konstruierten Schnürchen makellos auf die größtmögliche Katastrophe zu…weil es die Figuren entweder verdient oder heraufbeschworen haben. Im Zweifelsfall, obwohl sie es besser wissen (müssten). Ganz dicht an dem für Außenstehende bald surrealem und dennoch glaubhaft anmutendem Irrsinn einer Subkultur, bei der ineinandergreifende Kettenreaktionen natürlich in der brutalen Form extrem überkonstruiert scheinen. Aber als moralisch-verödete Tragödie trotzdem authentisch das wiederspiegelt, was für viele nicht weit weg von einem Alltag ist, an dem eventuell nur eine „Kleinigkeiten“ ebenso was bewirken. NUR GOTT KANN MICH RICHTEN reitet genüsslich auf (Genre)Klischees herum, aber er verwendet sie so zielgenau, packend und selbstsicher, wie man sie in der deutschen Kinolandschaft schmerzlich vermisst. Da sind selbst international gängige Methoden exotisch. Wenn diese dann zackig, wirkungsvoll verkauft werden…Hand aufs Herz, worüber meckern wird dann?

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                                  • 7 .5
                                    JackoXL: Moviebreak 30.11.2018, 21:40 Geändert 01.12.2018, 00:15
                                    über Thelma

                                    Könnte grob als Arthouse-Variante von CARRIE bezeichnet werden und um diesen naheliegenden Vergleich ist Joachim Trier wahrscheinlich kaum verlegen. Zu sehr zitiert er die indirekte Vorlage wie die (überarbeitete) Stilistik eines Brian De Palma…und damit unweigerlich auch von Hitchcock, wenn auch VERTIGO oder MARNIE zweideutig um die Ecke schielen. Erschafft aus diesen klaren Reminiszenzen eine eiskalte, verbotene (weil homoerotische) Romanze zwischen von religiösem Fanatismus geprägten Familiendrama, (auch deshalb) etwas verzögerter, tragisch angehauchter Comig-of-Age-Romanze und phantastischem Mystery-Horrorfilm. Mit viel Gefühl für seine Figuren und deren emotionalen Werdegang wird ein eigentlich tief vergrabenes Trauma und dessen Ursprung ermittelt. Mit allen logischen, sich anbahnenden Konsequenzen, aber auch mit leichten Überraschungen, betrachtet man die gesamte Spannweite dieses außergewöhnlich stilbewussten und hintergründigen Genre-Trüffel. Der es versteht trotzt vermeidlich altbekannter Elemente diese neu, individuell und mit einer sehr nachdenklichen, mehrdeutigen Note anderweitig zu interpretieren…und wer hätte das auf dem Papier so gedacht? Eine ganz starke Ehrerbietung, die letztlich mehr als nur eine offenkundige Hommage verkörpert.

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                                    • 4

                                      [...] Dürftig, aber kaum besser als die schlurige Story um eine Todesliste (was sehr wenig Sinn hat, da die schlichte Idee auch ohne diese machbar gewesen wäre, nur in weniger merkwürdig), die dann auch noch doppel-moralisch mit den skrupellosen Methoden des Sensationsjournalismus und dem dummen Klischee vom wahnsinnigen Horrorfilm-Milieu-Spinnern ins Gericht geht…während „der Held“ Flüchtenden in den Rücken schießt, anstatt sie zu verhaften. Prima, viel amerikanischer kann man seinen Standpunkt kaum vertreten. Lange, wirklich lange scheint Das Todesspiel wie ein kapitaler Blindgänger, rappelt sich aber wenigstens im Schlussspurt etwas auf. Weil er dann diese schwachsinnige Ernsthaftigkeit, dieses misslungene „Anprangern“ gänzlich ad acta legt (Gott sei Dank), und dafür prompt mit einigen launigen Szenen (grob) versöhnt. Die „Micro Machines“-Verfolgungsjagd ist tatsächlich ein kleines Highlight des gesamten Franchise (aber eben nur, weil nicht zu ernst zu nehmen) und der völlig bekloppte Showdown sorgt für etwas Spaß. Callahan hatte im dritten Teil schon eine Panzerfaust, aber mit was für einem gigantischen Potenzmittel er hier seine Männlichkeit zur Schau stellt, sensationell. Diese Lacher, über den ganzen Film verteilt, Das Todesspiel hätte sich in die Komfortzone eines Death Wish 3 – Der Rächer von New York retten können. Dafür war man offenbar zu stolz. Pech gehabt. [...]

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                                      • 8 .5

                                        Was für ein gewagter, aber wohl genauso gewollter Drahtseilakt. Bei seinem Spielfilmdebüt bewegt sich Ari Aster auf dem extrem schmalen Grat zwischen Stilbruch und (falscher) Bedürfnisbefriedigung im Horror-Genre…weil er genau deshalb jedwede Erwartungshaltung schneller untergräbt als das er sie selbst heraufbeschworen hat. Verwirrt? Hoffentlich. Gerade weil HEREDITARY – DAS VERMÄCHTNISS sonderbare (vermeidlich) eindeutige Neben-Fährten legt und damit überrascht, dass er eben jene gar nicht erfüllen möche. Überzeugt selbst in einem im ersten Moment leicht verstörend-skurrilen Finale, was in einer Konstruktion erstaunlich viel Sinn macht. Und exakt das ist das Ziel der Übung. Viel selbstbewusster, individueller und irritierender war kaum ein Horrorfilm seit Jahren („schade“, dass da der neue SUSPIRIA dazwischenfunkte). Wie clever hier mit Prognosen und Tendenzen gespielt wird; ein zermürbender Hybrid aus Horrorfilm und traditionell-gestörter, familiärer Selbstzerfleischung heraufbeschworen wird. Der jedwede Klischees und Ausrichtungen gänzlich aushebelt; selbstbewusst links liegen lässt und sie doch heimlich irgendwie bedient: Das ist teilweise brillant. Bis zum Ende ist man nie im Bilde und der Weg dorthin ist gesäumt mit einigen der besten Spannungssequenzen (ohne typische Jumpscares, dafür mit wirklich schockierend-schrecklichen Momentaufnahmen) seit Ewigkeiten. Das etwas vor den…naja…Kopf stoßende Finish ist sicher diskutable, kann man bestimmt nicht mögen. Ist aber – betrachtet man alles Vorangegangene – total konsequent und sogar schlau konstruiert. Nur die Art und Weise, die mag sicher verwundern. Was nicht unbedingt als Schwäche auszulegen ist. Extravagant, elegant, stellenweise irrsinnig verstörend und mit genug Mut unter der Haube, um seine leicht skurrile Nummer ohne Rücksicht auf selbst konstruierte Verlust einfach durchzuziehen. Und allein das ist verdammt geil.

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                                        • 6

                                          [...] Interessant mitanzusehen, wie die Reihe mit jedem weiteren Teil noch fragwürdiger wird und parallel dazu die Kaliber immer größer. Gut, dass nach fünf Filme Schluss war, sonst wäre Clint irgendwann auf einem Panzer in die Schlacht gegen Falschparker gezogen, weil die ihn mit den Knöllchen beworfen haben. [...] Ja, ist ziemlich furchtbar, oder? Ne, gar nicht mal so extrem, und das liegt hauptsächlich an der echt zackigen, extrem guten Performance des Regisseurs Clint Eastwood, der aus dem vierten Dirty Harry einen wahnsinnig zornigen, aufgeladenen und unglaublich eindrucksvoll-wuchtigen Reißer zimmert, der bereits sein großes, unbestreitbares Talent für die Präsentation fraglos stark zur Schau stellt. Der weigert sich zwar beharrlich jedwede Art von (Selbst)Ironie zuzulassen (außer man versteht den Sidekick-Mops als dieses Element), erlaubt sich dafür überhaupt keine Hänger in seinem straff vorgetragenen Plot und versteht trotz diskutabler Wertvorstellungen eindeutig zu fesseln. Ist gleichwohl geschickt darin das Gerechtigkeitsempfinden des Publikums dahingehend zu manipulieren, dass die „Real Bad Guys“ so niederträchtig und widerwärtig arrangiert werden, dass jede Strafe der Welt – in dieser Form aus Blei – nur angemessen scheint. Und gleichzeitig die ursprüngliche Mordserie eben als gerechtfertigt durchgewunken wird. Selbst von Callahan. Der Film ist konsequent raubeinig, irgendwo engstirnig aber keinesfalls hinterlistig, in dem er so tun würde als wäre er das Manifest der Moral und gleichzeitig etwas ganz anderes vorführt. Ehrlich, leicht gestört, aber effektiv und durchaus unterhaltsam. [...]

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                                          • 2

                                            [...] In trostlosem Flohmarkt-Ambiente vor Lagerhallen-Kulisse „Hinten links, wo es komisch riecht“ wirkt Star Force Soldier nicht nur lieblos durch den Allerwertesten gezogen, er präsentiert sich auch in allen anderen Belangen wie eine einzige Veruntreuung des üppigen Produktionsvolumens, bei dem man sich bis auf das stattliche Taschengeld für Russell durchaus fragen darf, wo das denn versandet ist. Vor schäbigen, monotonen und lieblosen Sets wabert eine desinteressierte, unmotivierte, beinah sediert wirkende Klapperschlange – im damals deutlichen Karrieretief auf der Suche nach dem einstigen Coole-Sau-Actionhelden-Image – durch eine lumpige und oftmals lächerliche Semi-Geschichte von der Killermaschine in der Midlifecrises, die zum Patenonkel und Beschützer der Müllmenschen vom Planeten Gelber Sack wird. Paul W.S. Anderson war schon immer berühmt wie berüchtigt für seine Unfähigkeit und offen zur Schau getragene Ignoranz eine Geschichte erzählen zu wollen oder auch nur zu können, aber hier versagen selbst seine plakativen Schauwert-„Qualitäten“: Star Force Soldier sieht so abgegrabbelt aus wie er miserabel vorgetragen und gespielt ist, beflügelt von einer unverblümt ekelhaften Militär-Propaganda über das Recht des Stärkeren und den Triumph einer „Herrenrasse“, worüber man wohl kein weiteres Wort verlieren muss. [...]

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                                            • 5 .5

                                              [...] Egal wie garstig sie bei ihren wenigen Auftritten alles töten was nicht schnell genug den Rückwärtsgang geschaltet bekommt, diese Crew von Terroristen ist wahnsinnig uninteressant und womöglich ignoriert sie das bestimmt zweckdienlich angefertigte Skript genau deshalb so lange, wie es nicht zwingend benötigt wird. Weil der ausdrücklich gegen Gleichberechtigung knurrende Callahan doch tatsächlich viel länger mit einem lebensunfähigen, weiblichen Anhängsel beschäftigt ist, welches nicht ernsthaft gegen diesen Tatbestand ankämpft, außer ihn sogar bald selbstironisch als solchen zu bestätigen. Soll vermutlich nicht die Intension sein, tritt aber genauso auf. Good Job, da juchst das Herz der Emanzipation, während sie im Gleichschritt völlig demontiert wird. Am Ende soll der Skeptiker Callahan nicht eines Besseren belehrt werden (was logisch wäre), sondern sogar in seinem steinzeitlichen Bedenken Rückendeckung bekommen. Das passt halt prima zu seiner Anti-Haltung. Nur verhökert es jede Reflektion zu Gunsten von plakativen – und hier besonders sinnlosen – Effekten, was genau bei dieser Reihe tunlichst vermieden werden sollte. Weil sie grundsätzlich so angreifbar ist. Ein (auch) dadurch ziemlich ambivalent verwertbarer, effektiv aber glasklar brauchbarer Film. Technisch sehr ordentlich, narrativ mit deutlichen Problemen und in seiner Aussage unentschlossen bis eher kontraproduktiv. [...]

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                                              • 7

                                                [...] Wurde im Erstling das (unabhängig davon) stark angreifbare Profil eines reaktionären, Waffen-geilen Wüterichs noch dahingehend entschärft, dass ihm ein Motiv für seinen Sinneswandel bzw. moralische Abstumpfung gegeben wurde, verzichtet Dirty Harry II – Callahan darauf komplett. Vielleicht benötigt er das somit auch nicht, denn wer das Original kennt (und das dürfte bei der Mehrheit der Fall sein) ist darüber wohl im Bilde. Sollte es nicht so sein, interessiert sich dieser Film für jede Art der Legimitation dann eben nicht die Bohne und schickt Dirty Clint als räudig-ungeschliffenen Anti-Moral-Apostel in eine Arena von jungen, ähnlich veranlagten, aber fehlgepolten, potenziellen Platzhirschen. Was einen besonderen Reiz dieses anfänglich etwas repetitiven und narrativ leicht unnötigen gedehnt erscheinenden, im weiteren Verlauf aber stattdessen enorm horchwertigen und sogar cleveren High-Quality-Reißers ausmacht. Die ersten Actionsequenzen (im Flugzeug oder dem Store) erfüllen keinen sinnvollen Beitrag zur Handlung, sind rein dafür vorhanden Schwung wie Schauwerte zu generieren; dem eigentlichen Plot etwas mehr Raum zur Entfaltung zu geben (etwas, was z.B. dem nächsten Teil sehr gut getan hätte). Wirkt zunächst wie ein Problem, macht aus der Perspektiv sogar Sinn, besonders aufgrund der krachenden zweiten Halbzeit, die sich locker (wenn nicht gar mindestens) auf Augenhöhe mit dem Original befindet. [...]

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                                                • 7

                                                  [...] „Kein Mensch würde mir doch so eine hanebüchene Geschichte glauben“ sagt Olivier’s Figur Lieberman etwa in der Mitte des Films selbst und da liegen die skurrilsten Fakten dieses pulpigen, in Anbetracht der realen Gräueltaten von Mengele und Co. gar leicht geschmacklos anmutenden Plots noch nicht mal auf dem Tisch. Zwei echte Hochkaräter wie Gregory Peck und Laurence Olivier [...] wirken auf dem Papier gnadenlos überbesetzt, knien sich aber voller Elan rein in eine kuriose Kreuzung von Big-Budget Naziploitation aus Hollywood, Senioren-Agententhriller und Mad Scientist Science-Fiction-Horror. Wenn Peck noch recht früh im Film erhaben über sein Eiland-Versteck reitet, auf dem er seine kranken Experimente an dadurch entstellt bis mutiert anmutenden Einheimischen fortführt, erinnert das an einen anderen berühmten Filmdoktor. Die Insel des Dr. Mengele.

                                                  Theoretisch total absurd, krude, bald fahrlässig im Umgang mit seiner historischen Verantwortung und Rücksichtname (der echte Mengele war zum Zeitpunkt der Premiere noch am Leben und immer noch in Südamerika untergetaucht) wird The Boys from Brazil unter der Regie des erfahrenen Fachmanns Franklin J. Schaffner (Planet der Affen) doch tatsächlich ein echt spannender, sehr unterhaltsamer Reißer von hoher, handwerklicher Qualität. Der gerade deshalb so erstaunlich gut mit seiner edel-trashigen Prämisse umgeht, da er sich verblüffend ernst nimmt – nur gelegentlich und dann passend eine gewisse Selbstironie durchschimmern lässt – und nicht auf billige Weise verramscht. Es standen am Ende des Tages sogar drei Oscarnominierungen (für Laurence Olivier, den Schnitt und die Musik von Jerry Goldsmith) zu Buche, was sogar nicht unberechtigt ist. Die eigensinnige Idee ist so verrückt und im Genre-Bezug doch irgendwie klassisch-reizvoll, dass sie einfach Spaß machen muss, wenn denn richtig eingesetzt. Und The Boys from Brazil scheut sich Gott sei Dank nicht vor manch gewagten Situation. Schickt Weltstars in ein Duell um die Welt, mündend in einem räudig-gewalttätigen Finale, das so wahrscheinlich auch keiner prophezeit hätte. Die Überraschung, auch vor der eigenen Courage, macht diesen Film zu einer Mordsgaudi. [...]

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                                                  • 6 .5

                                                    [...] Mit sichtlicher Ehrfucht zur ausgestorbenen, da vom technischen Fortschritt natürlich überholten Kunstform des Stummfilms lässt Mel Brooks sie für gut 85 Minuten wieder auferstehen. Nur ein einziges Wort wird im ganzen Film gesprochen (ausgerechnet von einer sonst „hauptberuflich“ stillen Person), ansonsten dürfen sich Brooks und seine zahlreichen Gaststars hier nach Herzenslust und voller Spielfreude austoben wie einst Buster Keaton oder Charlie Chaplin. Mit den Methoden des Genres wird liebevoll spazieren gegangen, während sie aber auch gleichzeitig zärtlich demontiert und satirisch überspitzt werden. Zwischen heillos alberner und manchmal brillanter Slapstick (die Ritterrüstungen oder der schwankende Trailer), schlauer Satire und infantilem Unfug, bekloppter Blödelei und perfekt getimter Ironie. Mit übersprudelnder Euphorie und in rasantem Tempo pfeffert Mel Brooks eine Pointe nach der anderen heraus, von der selbstverständlich nicht jede ihr Ziel im Zentrum erwischt.

                                                    Darüber darf und kann jedoch meistens mühelos hinweggesehen werden, allein die herrlich selbstironischen Gastauftritte von teilweise als Diven verschrienen Stars wie James Caan (Thief – Der Einzelgänger), Liza Minnelli (Cabaret), Anne Bancroft (Die Reifeprüfung), Paul Newman (Die Farbe des Geldes) und ganz besonders Burt Reynolds (Ein ausgekochtes Schlitzohr) sprühen nur so von Charme und Witz. Irgendwann im letzten Drittel geht dem herzerfrischenden Treiben leider spürbar der Saft aus, seine besten Momente verfeuert der Film eindeutig innerhalb der ersten Stunde. [...]

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