JackoXL - Kommentare

Alle Kommentare von JackoXL

  • 9

    [...] Carpenter erschafft ein schauderhaftes Bäumchen-wechsel-dich-Spiel aus der Tiefkühltruhe. Sät Misstrauen, Paranoia und Selbstzerstörung, denn niemanden ist mehr zu trauen, das Äußere ist nur noch Schein. Nicht mehr als Fleisch und Gewebe, unter dem etwas lauern könnte, was nur auf den richtigen Moment wartet. Was bei Enttarnung oder Zerstörung der Hülle zum aufbrausenden Ungetüm werden kann oder sich klammheimlich wieder in einem neuen Wirt einnistet. Das Perfide dabei, selbst auf Rettung zu hoffen ist keine Option. Es wäre fatal, denn solange man sich selbst überlassen und isoliert in der frostigen Einöde ist, bleibt es das drohende Schicksal für den Rest der Welt auch. Es restlos auszulöschen, auch auf die Gefahr hin, dass dies das eigene Ende bedeutet, ist die letzte Konsequenz. Unterschwellig (wie der beinah zurückhaltende, aber dadurch bedrohliche Score von Ennio Morricone, den Carpenter durch seine unverwechselbaren Synthesizer-Klänge noch ergänzte), subversiv – fast könnte man sagen subkutan - ist das Grauen, extrovertiert seine Entladung, wenn heute noch erstaunliche und enorm ekelhafte Special-Effects jenseits von CGI in ihrer ganzen Pracht erstrahlen. Das Ding aus einer anderen Welt wird zum klaustrophobischen Todestanz aus Feuer, Eis und Blut. Ein deformiertes, makabres, abstraktes, beinah apokalyptisches Gemälde der Angst. Furchteinflößend und dabei trotzdem so wunderschön. [...]

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    • 6

      [...] Im Grunde ist Quigley, der Australier ganz klassische Hollywood-Western-Unterhaltung, nur mit einem leicht exotischen Schauplatz. Mit Kängurus in freier Wildbahn und Ochsen satt Pferden vor den Kutschen. Natürlich mit einem raubeinigen, aber durch und durch moralisch einwandfreien Helden, der früher vermutlich von einem John Wayne (Rio Bravo) oder James Stewart (Meuterei am Schlangenfluss) verkörpert worden wäre. Da geht es mal locker zu, allerdings braucht es auch ernster Töne um alle benötigten Facetten abzulichten. Und da wir nicht mehr zu den Zeiten des als unbedenklich geduldeten John Ford-Rassismus leben, sind die Eingeborenen keine besoffenen, primitiven Schlächter, sondern die Opfer kapitalistisch-gieriger Bleichgesichter. In seiner Balance ist der Film relativ ausgewogen, wagt nicht wirklich etwas, kann aber problemlos als sehr solides, gut arangiertes Popcorn-Kino bezeichnet werden. [...]

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      • 7 .5

        [...] Hoffnungslosigkeit dominiert den Grundton der dritten Regiearbeit von dem später hauptsächlich im TV tätigen Tim Hunter (u.a. Hannibal). Die zwar gen Ende ein paar verständnisvolle und warme Annährungsversuche an normale Empathie zulässt und wenigstens den Hauch einer Chance für Besserung ermöglicht, grundsätzlich aber keine schalen Weltverbesserungs-Theorien aufstellt. Ohnehin keine konkrete Ursachenforschung oder Problemlösung betreibt, sondern einfach nur darstellt. Beklemmend, aber authentisch. Sensibel, aber nicht verklärend, weit weg von Optimismus. Deprimierend und eindringlich, von Frederick Elmes (Eraserhead) vortrefflich und der Stimmung angepasst fotografiert und mehr als überdurchschnittlich gespielt. Die damaligen Newcomer Crispin Glover, Keanu Reeves und besonders Daniel Roebuck begründeten mit extrem starken Leistungen damit ihre folgenden Karrieren und der einzige Veteran namens Dennis Hopper probte scheinbar schon mal für seine direkt darauf folgende Rolle in Blue Velvet. Ähnlich unberechenbar und psychotisch, aber nicht (ganz) so gefährlich und mehr tragisch veranlagt („Der Scheck ist in der Post.“). [...]

        9
        • 7

          [...] Ein Beckenschlag als großer Höhepunkt eines Suspense-Crescendo, wie maßgeschneidert für das Kino von Alfred Hitchcock. Darauf arbeitet er nun gezielt hin, auch wenn es knapp 70 Minuten dauern soll, bis das Publikum das in einen effektiven Zusammenhang bringen kann. Und - so unvorteilhaft das irgendwie klingen mag -, ab dann kommt Der Mann, der zuviel wusste auf Augenhöhe mit den großen Klassikern aus dem Werk-Katalog des Meisters. Erst, mag man zunächst in diese Worte hinein interpretieren. Aber es spricht eher für die inzwischen vorhandene Routine und das Wissen, wie sich echter Suspense allmählich aufbauen, kontinuierlich entwickeln und dann konzentriert entladen sollte. Genau genommen ist der einzig echte Haken an Der Mann, der zuviel wusste, dass er diesen perfekten Höhepunkt verpasst und sich genötigt fühlt (was im Original nicht der Fall war), ein zweites, ein zusätzliches Finale hintendran zu hängen, das es nun wirklich nicht gebraucht hätte. Der Effektivität der famosen Highlight-Sequenz in der Royal Albert Hall (bei der Hitch seine Stummfilm-Lehrjahre deutlich zu Gute kommen) nimmt das nicht ihre Klasse, es entwertet sie aber rückwirkend leicht in ihrer Positionierung. Dem atemberaubenden Hauptkampf folgt ein zaghaftes Gerangel, das zwar nicht schlecht ist, aber sollte man nicht dann aufhören, wenn es am schönsten ist? Hat schon seinen Grund. Wurde wohl auch so angewandt, weil der werbeträchtig als sinnvoll angesehene Einsatz von Doris Day’s Song „Que Sera, Sera“ noch eine narrative Relevanz bekommen sollte. Hat dahingehend funktioniert: Das Lied kassierte einen der wenigen Oscars, die ein Hitchcock-Film bei über 50 Anläufen einheimsen sollte. Darüber sollte man bei genauerer Betrachtung eher traurig als erfreut sein. [...]

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          • 8
            über Wir

            -„Wer seid ihr?“ –„Amerikaner!“

            Schon bei GET OUT sorgte Jordan Peele für Aufsehen und Lob auf allen Ebenen, als er dem Horrorgenre durch überraschende, kreative Impulse frischen Wind verlieh, es bediente wie ein stückweit persiflierte und im Kern über historisch tiefsitzenden und aktuell zu eskalieren drohende Probleme der USA berichtete. Mit WIR treibt er das Ganze in allen Belangen auf die Spitze. „Oberflächlich“ behutsam, trügerisch-idyllisch, aber bereits (an)drohend im Aufbau, entladen in einem Twilight-Zone-ähnlichen Home-Invasion-Szenario, welches sich zur zitierfreudigen Reise durch das zeitgenössische Horrorkino und prall gefüllten, apokalyptischen Metapher über die US und A entwickelt. Angriffslustig und hinterlistig, tiefsinnig und sarkastisch am Rande der verbitterten Mahnung, in seiner Umsetzung zu weil bewusst irritierend. Da treffen verstörende, surreale Terror-Sequenzen auf unvorbereitet rausgeschleuderten Humor, die zunächst nur überraschend nebeneinander existieren, irgendwann aber gar eine groteske wie brillante Symbiose bilden. Jordan Peele will keine Klischees bedienen, er bricht sie genüsslich auseinander und setzt aus vordergründig bekannten Elemente, Anspielungen und haufenweise Querverweisen den vermutlich besten Horrorfilm der letzten Jahre zusammen (mit Guadagnino’s SUSPIRIA), der aber eigentlich viel mehr ist. Eine gallige Bestandsaufnahme, subtil, subversiv und doppelbödig…und trotzdem manchmal schreiend komisch. Zwischen Gänsehaut, Lachen und respektvoller Verbeugung vor so viel Fachkenntnis, Mut und Intelligenz in der Umsetzung. Bemerkenswert. Moderner Klassiker, jetzt schon.

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            • 7
              JackoXL: Moviebreak 25.03.2019, 20:32 Geändert 20.04.2019, 00:41

              Technisch ist TRAIN TO BUSAN bockstark, die Prämisse – irgendwo zwischen Genre-Flick, Gesellschaftsparabel und greifbarem Katastrophen-Szenario – packend, und dann auch noch verlagert in das wunderbare Setting eines Zuges. Knackig in seinen Adrenalin-Sequenzen, mitunter sogar gespenstisch in dem beinah apokalyptischen Rahmen, neigt er zu sehr und viel zu oft/intensiv zur Überdramatisierung. Da wird jedes Opfer so tonnenschwer, vorher schon überdeutlich angekündigt und dann auch noch mit der Extra-Kelle-Pathos zu Grabe getragen, das ist viel zu viel. Was der Film fachlich und dynamisch auf dem Kasten hat, ist großartig. Narrativ, besonders gen Ende, zu theatralisch und überladen. Trotzdem, sehr unterhaltsam, toll inszeniert und gedanklich durchaus sehr dicht bei Romero, was den modernen (guten) Zombie-Film inzwischen einfach ausmacht. Die deutlichen Schwächen, sie werden von der Stimmung, der Ummantellung und der Umsetzung in den Genre-affinen Szenen nicht gekaut, nur runtergeschluckt. Dann schmeckt das trotzdem super.

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              • 8

                [...] Ihren Figuren werden großartige, teils leicht bizarre Dialoge in den Mund gelegt, die sich weit vom üblichen Einheitsbrei entfernen und gerade dadurch so erfrischend, frech und unglaublich unterhaltsam funktionieren. Take This Waltz ist mindestens so heiter wie melancholisch, eine perfekte Mischung aus nachdenklich-stimmenden Gefühlskino und wunderbar unverkrampften Humor. Das Gefühl von Sarah Polley für das (eigene) Skript ist sensationell. Da gibt es locker ein Dutzend Szenen (wenn nicht mehr) die in diesem Moment merklich besser sind, als ein kompletter, verlogen-sülziger Love-Buster für die ganz große Leinwand. Schon erstaunlich, was ein(e) Regisseur(in) ausdrücken kann, wenn alles stimmt. Es gibt Situationen, in denen nichts erklärt oder nur ein einziges Wort gesprochen werden muss, allein die Chemie, die reine Konzeption und die punktgenaue Erfassung aller Faktoren sagt mehr aus, als es verbal nur ansatzweise möglich wäre. [...]

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                • 5 .5
                  JackoXL: Moviebreak 22.03.2019, 23:15 Geändert 23.03.2019, 01:57

                  [...] Die wahren Highlights sind eher die allgemeinen Seitenhiebe auf die Musikindustrie und ihre jeweiligen Eigenheiten. Mit reichlich sympathischen Gastauftritten aus der Apatow-Freundesliste gibt es einige, amüsant-lässige Momente. Der konsequent steigernde Drogenkonsum von Dewey mündet in versehentlichen Erfindungen von Musikrichtungen (auf Koks mal eben den Punk-Rock etabliert), lässt ihn als Bob Dylan-Imitation eine Hymne auf Kleinwüchsige singen, bevor er sich in Indien mit den bereits prophetisch gegeneinander stichelnden Beatles Acid einschmeisst. Um ein Jahrzehnt später als Gastgeber einer alberne Musik-Sketch-Show den Ilja Richter der USA zu geben, bevor er seine Vatergefühle entdeckt und eine Art Partridge-Family gründet. Das sind locker die besten Momente in Walk Hard: Die Dewey Cox Story, die aber eben auch für diverse Rohrkrepierer und Mager-Schmunzler entschädigen müssen. Das ist schon arg alberner Quatsch, dafür von John C. Reilly mit einem breiten Grinsen süffisant dargeboten und absolut schwungvoll vertont. [...]

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                  • 7 .5

                    [...] So aufregend und zielgerichtet Walk the Line den Mensch und nicht die Kunstfigur Johnny Cash in der Vordergrund stellt und genau versteht, an welcher Wurzel er zu entschlüsseln ist, umso bedauerlicher wird es gen Ende, wenn nicht nur ersichtlich ist, wie viele eigentlich wichtige (und filmisch absolut sehenswert verwertbare) Kapitel keine Erwähnung finden, die besonders die Todessehnsucht und depressive Melancholie von Cash noch deutlicher Unterstrichen hätten, der Festigung seines Charakters zuträglich gewesen wären. Im letzten Drittel verfällt Walk the Line eindeutig der üblichen Bio-Pic-Krankheit: Zur sympathischen Synchronisation mit der Hauptfigur etwas/viel belastendes Material auslassen, das Positive wichtiger machen als es im Verhältnis war, sichtlich auf’s erzählerische Gaspedal drücken, damit es alles noch in den knapp gewordenen Zeitrahmen schafft…und letztlich fehlt immer noch so viel, da wäre noch ein (gutes) Sequel machbar. Schade, denn Walk the Line steht insgesamt weit über dem gediegenen, bitte nicht zu kritischen Biopic-Einerlei, denn er traut sich durchaus was. Zeigt seinen „Helden“ sehr angreifbar und ist nicht weniger als gesegnet mit einer unfassbaren Performance von Joaquin Phoenix (The Master).

                    Der spielt das nicht, der lebt das nicht, der IST Johnny Cash. Mit Leib, Schweiß und Seele. Jede Szene ist so impulsiv und authentisch, es ist beinah gespenstisch. Singen kann er auch noch, und wie. Atemberaubend. Eine Verschmelzung, das kann nicht gesund sein. Und ohne jetzt bitte die Oscar-gekrönte Leistung von Reese Witherspoon (Das Zeiträtsel) als June Carter herabwürdigen zu wollen: Das ist doch kein Vergleich. Phoenix spielt, als wäre der Teufel hinter ihm her. Wie Johnny Cash mindestens 59 Jahre gelebt hat. Als gäbe es da draußen nichts anderes. Witherspoon kopiert gut eine Person. Singt fantastisch. Aber Phoenix erschafft etwas. Der bebt in jedem Moment und Johnny Cash wäre bestimmt unglaublich stolz gewesen, sich so verkörpert zu sehen. [...]

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                    • 7

                      [...] An natürlichen und klaren Fixpunkten der Adoleszenz – Rebellion gegen das Elternhaus; das Betteln nach sozialer Anerkennung wider besserer Erziehung; der ersten Periode gefolgt von den ersten, nun rasant voranschreitenden, sexuellen Schritten – orientiert sich der Film, während sich im Subtext bereits früh eine sonderbare Metamorphose andeutet. Kein normaler Prozess vom Mädchen zur Frau findet hier statt, obwohl Blue my Mind sehr gut daran tut, das nicht als reines Genre-Futter an die große, attefktierte Glocke zu hängen. Wer mehr erwartet als einen subversiven Coming-of-Age-Hybrid, der kann und sollte sich womöglich lieber anderweitig umsehen. Fast zaghaft, aber dennoch konstant schlüpft ein sanftes Cronenberg-Body-Horror-Baby aus dem Ei, das sich lange als reine Metapher und am Ende immer noch als ein erschütternder Kommentar über eine führungslose Generation deuten lässt, für die der Sprung ins kalte, trübe Wasser mehr Erlösung denn Strafe ist. In dem Vergnügen am Gleichnis und der Abstrafung eines verlotterten Zustandes – aber Gott sei Dank mit einem ehrlichen Gefühl und Sympathie für seine Figuren und deren Prozesse – erzählt Lisa Ivana Brühlmann eigentlich ein „klassisches“ Märchen, angepasst an die moderne Zeit und arrangiert mit ihrem (narrativen) Vokabular. Einzig echter Kritikpunkt: Das insgesamt gekonnte Spiel von Realismus und phantastischem Element bedient (vergleichbare) Klischees irgendwann mehr, als das es sie dekonstruiert. Versehentlich, aber kaum abzustreiten. Es sei im Gesamtkontext aber gerne verziehen. [...]

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                      • 5 .5

                        [...] Wenn die Trickkiste ausgepackt wird, dann macht auch F/X 2 - Die tödliche Illusion durchaus Spaß. Es wird offensichtlich, welche Szenen zuerst standen und was um sie herum gesponnen werden musste. Das „Musste“ beträgt leider den Löwenanteil. Eigentlich ist so was ein Genickbruch, betrachtet man die Verhältnismäßigkeit, aber selbst in seinen banalen Lückenfüller-Szenen ist das kein richtig schlechter Film. Regisseur Richard Franklin (Link, der Butler) ist sehr bemüht, eine durchwegs saubere Arbeit abzuliefern und der Cast – also genau genommen Bryan und Brian – haben sichtlich Bock darauf, ihre alten Rollen zu neuem Leben zu erwecken. Der Film hat klare Fehler, noch deutlicher als im schon nicht perfekten Vorgänger, gerade da er seinen Erzählrhythmus, sein Tempo nicht immer im Griff hat. Die Logik verschwindet nach etwa 15 Minuten schon auf Nimmerwiedersehen im künstlichen Duschnebel, aber wenigstens sind die Highlight-Sequenzen so gut, dass sich der Akku für positive Gesinnung ausreichend aufladen lässt. Allen Fehlern und Unsicherheiten zu Trotz: So was wie der Ringkampf zu dritt (mit Clown), das Supermarkt-Battle mit MacGyver-Tricks und Vakuum-Finisher oder das ausgiebige, verspielte Finale, die stellvertretend sind für das ironische Hantieren mit Schein und Sein, dafür lohnt das Ansehen. Nicht uneingeschränkt, aber wenigstens Sympathisanten des Vorgängers sollten mit an Bord sein. [...]

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                        • 9 .5

                          [...] Somit läuft es auf eine logische Konsequenz hinaus, die alles dominiert: Jagen. Die Jagd und die Flucht. Das Lauern auf den entscheidenden Moment, den Jägern zu entkommen oder die Beute stellen zu können. Mündend in zahlreichen Variationen des Katz- und Maus- oder auch Hase- und Igel-Spiels, eine grandioser als die andere. Legendär, das zwar gediegene, aber raffinierte Rein-Raus-Spiel in der U-Bahn, rasant das Wettrennen zwischen Bahn und Auto, bei dem Adrenalin und Tacho durch die Decke gehen. Der gesamte Film ist wie das Jonglieren mit scharfen Handgranaten, bei dem ständig neue dazu geworfen werden, am Ende direkt mit rausgezogenem Stift. Zwischen roher, authentischer Intensität und radikalem Nervenkitzel liegen keine Barrieren, alles verbindet sich bei Friedkin’s Durchbruchs-Geniestreich zu einem explosiven Gemisch. Welches nah am Puls der Zeit ist und durchaus als realistische Bestandsaufnahme eines am Verbrechen erstickenden New York der 70er verstanden werden darf, gleichzeitig aber natürlich als revolutionärer Genre-Beitrag auf Sterne-Niveau den Laden mal komplett aufmischt und neu aufstellt. In vorher nie gesehener Qualität ist French Connection – Brennpunkt Brooklyn immer noch wie ein Schlag direkt in die Fresse, von dem man jedesmal wieder unvermittelt auf die Bretter geschickt wird, obwohl man es doch inzwischen vorher wusste. Das Ende: Nur ein Schuss im Off…denn bequem kann ja jeder. [...]

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                          • 2 .5
                            JackoXL: Moviebreak 16.03.2019, 01:20 Geändert 16.03.2019, 01:48

                            [...] Wenn Underground Werewolf auch nur ansatzweise etwas positiv angerechnet werden soll, muss schon tief gebuddelt werden. Die im Film gezeigten Comic-Artworks, die sind schön. Und sonst? Danach lässt sich nur noch mit Versuchen argumentieren. Sicher soll der Film nicht ernstgenommen werden und versucht das Flair eines billigen, aber liebevollen Schund-Comicheftchens zu imitieren. Dass dies bewusst geschieht heißt aber noch lange nicht, dass damit jedes Versagen entschuldigt oder gar als „gewollt“ interpretiert werden sollte. Maximal in Anflügen stellt sich mal so was wie ein mitleidiger Beinah-Charme für diesen unbeholfenen, infantilen Blödsinn ein, der für dieses zaghafte Entgegenkommen nichts zurückzahlt. Eine alberne Gummi-Kreatur die aussieht wie ein übergroßes Exemplar der Ghoulies (dreimal raten, wer die kreiert hat) zerfleddert und zerkaut angehende Möchtegern-Künstler-Goofys, bis seine geistige Schöpferin versucht ihm mit Deckweiß den Garaus zu machen. Und selbst das klingt so viel besser, als das was man in der Praxis geboten bekommt. Wie kann das sein? Fragen sie bitte John Carl Buechler, der Autor dieses Textes ist selbst ratlos, wie so etwas möglich sein kann. Kunst, das muss Kunst sein. [...]

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                            • 8

                              [...] Denunziantentum, Armut, Verzweiflung und Grüppchenbildung, alles ein Resultat aus vorgelebter und nun unfreiwillig wiederholter Geschichte, da die Optionen begrenzt sind. Vittorio De Sica schöpft logische, nachvollziehbare Schlussfolgerungen aus dem ungeordneten Mischmasch von Befreiung und gleichzeitiger Perspektivlosigkeit einer Verlierer-Nation des Zweiten Weltkrieges, die weder die Zeit noch die Möglichkeiten hat sich zu finden. Nur um das blanke Überleben kämpft und nie richtig gereinigt scheint, nur an der Oberfläche grob abgeschrubbt. Während Deutschland wirklich geläutert, erschüttert und bereit für eine Neuausrichtung schien, war Italien damals mit dieser Aufgabe deutlich überforderter. Was Schuhputzer eindringlich und anhand eines „kleinen“ Einzel- bzw. Doppelschicksals sogar als universell anwendbare Metapher verdeutlicht. Eine Anklage gegen die Diskrepanz aus angeblichem Rechtsstaat und noch tief verwurzelter Grausamkeit; der Unfähigkeit der allgegenwärtigen Armut mit echten Perspektiven gegenüber zu treten und letztlich sogar eine fast prophetische Zukunftsprognose für ein Land, das sich bis heute nie von seinem Gift in höchsten Kreisen befreien konnte. Trotzdem bewahrt sich der Film durchgehend seine kindliche, hoffnungsvolle Perspektive…was ihn in seinem Fazit nur umso grausamer und ernüchternder macht. [...]

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                              • 4

                                [...] Was man als Wahrheit interpretiert, ist als was man sich als Wahrheit erinnert. Oder so ähnlich. In allerhand kruder Waschküchenpsychologie mit lapidarer Symbolik (der Mausefallen-Konflikt) mündend und das versucht durch philosophisch angerissene Theorien irgendwie faszinierend zu begründen, dabei aber wirkt wie eine im Bus abgeschriebene Hausaufgabe, wenn man selbst den Stoff nicht verstanden hat. Dadurch humpelt sich der Film frühzeitig angeschlagen bis zu seinem unspektakulären Finale, das sich selbst für etwas reißerischen Unfug zu schade scheint. Dabei wäre es vielleicht noch das, was die Kohlen aus dem Feuer hätte holen können. Zumindest grob. So bleibt es ein bodenständig inszenierter, aber zu selbstgefälliger, überambitionierter, unglaubwürdiger und in letzter Konsequenz völlig banaler Thriller, über den es sich nicht ärgern lässt. Weil er gar keine Rolle spielt. [...]

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                                • 4 .5

                                  [...] Könnte gar nicht schlecht werden, gerade da der Film grundsätzlich auf Zoten und Albernheiten und lange sogar auf Kitsch bemüht verzichtet. Stattdessen einen leicht subtilen, melancholischen Unterton verwendet und schwelende Konflikte andeutet, welche unweigerlich zur Eskalation führen müssen. Nach anfänglich leichter Skepsis scheint Zuhause ist es am schönsten gar echtes Potenzial zu besitzen, welches er aber leider nicht ernsthaft bestätigen kann. Die angedeuteten Konflikte kommen natürlich alle irgendwann auf den Tisch und erreichen einen emotionalen Höhepunkt, wobei keiner davon wirklich differenziert und ausführlich ausdiskutiert wird. Sezierend, offenlegend, ehrlich und ernsthaft tragisch wird der Film nie, möchte er offenbar auch gar nicht, obwohl da viel machbar gewesen wäre. Manche, kleine Momente sind isoliert betrachtet sogar als gelungen zu bezeichnen, münden aber im Gesamtkontext in einer unbefriedigenden Verallgemeinerung, die typisch ist für so unentschlossene Filme, die zwar Großes vorhaben, aber nicht die Fähigkeiten oder den Schneid besitzen, wagemutig auch Unbequemes zuzulassen. Lieber auf rührseligen Versöhnungskurs gehen und eine Pseudo-Ambivalenz lediglich vortäuschen, im Grunde aber doch nur um echte Standpunkte verlegene Sentimentalität vorschieben. [...]

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                                  • 8
                                    JackoXL: Moviebreak 11.03.2019, 23:48 Geändert 18.03.2019, 21:09

                                    [...] Durch seine puristische, realitätsnahe Inszenierung stilistisch erinnernd an die Dogma 95-Werke ist Brian Bang’s qualvoller Höllenritt an der Grenze des Zumutbaren. Thematisch schon verstörend wird dem Zuschauer wenig erspart. Wo manche Regisseure bewusst abblenden und den Rest dem inneren Auge überlassen würden, zwingt einen Bang zumindest einen Teil auch optisch über sich ergehen zu lassen. Muss das sein? Nun ja, wenn man sich Schonungslosigkeit – und wenn etwas schonungslos = nicht beschönigend behandelt werden sollte, dann wohl das - auf die Fahne geschrieben hat, dann ist es zum Teil unumgänglich. Wenn man nicht Gefahr läuft, daraus einen ausschmückenden, einen Genre-effektiven Reiz zu generieren. Das wäre fatal. Aber davon ist For my Brother Gott sei Dank himmelweit entfernt. Eine Zerreis- und Kraftprobe, abseits von Reiz und Genussbefriedigung. Viel zu oft möchte man lieber abschalten und die Existenz des Gezeigten verleugnen. In dem Bewusstsein, dass es die Realität nur ungewohnt ungefiltert nachstellt. Die groben, aber realistischen Bilder sind der passenden Rahmen, verhindern sie doch eine befremdliche Ästhetisierung. Die unerfahrenen, aber glaubhaften Darsteller fügen sich in das unbequeme Gesamtbild ein. Unerträglich, aber mutig und wahnsinnig wichtig. [...]

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                                    • 7

                                      [...] Mit dem Seitenwechsel gerät alles ins Kippen. Nun ist sie am Drücker. Anstatt „das Richtige“ zu tun, den Angreifer einfach nur in Schach zu halten und so zu handeln, wie man es von einem ehrbaren Bürger – oder einer verängstigten Frau im Besonderen - erwartet, haben die Erfahrungen der letzten Woche und speziell der letzten Stunden sie eines Besseren belehrt. Hilfe sucht man sich nicht, man lernt sich selbst zu helfen. Und zwar mit allen Konsequenzen, denn sonst gewinnt das dominante Geschlecht vielleicht doch wieder die Oberhand. Das geschändete Opfer wird zum gnadenlosen Henker und Folterknecht, der einst so starke und sadistische Täter zum winselnden Frettchen, das seine Methoden in dieser Situation radikal ändert. Versucht über Mitleid, Mitgefühl und Unrechtbewusstsein – etwas, was ihm vorher absolut fremd war – nun seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, begünstigt bzw. überhaupt erst ermöglicht durch den Auftritt von Marjorie’s Mitbewohnerinnen, die plötzlich in dieses Szenario geschubst natürlich schockiert über das Dargebotene sind und so den unberührten, neutralen Gegenpol zu der Extreme bilden, in die sich die Situation inzwischen verwandelt hat. [...] Es hat schon einen leicht reißerischen Anstrich, allerdings ist „Extremities“ aus dem Blickwinkel seiner Protagonistin - übertragen auf ihr Handeln - absolut glaubwürdig und genau das macht den Film nicht wirklich fragwürdig. Da er bewusst eine subjektive Perspektive wählt, sie fühlen, erleben und somit letztlich dem Zuschauer die Frage überlässt, ob er auch so handeln würde. Und ihm nicht versucht zu verkaufen, dass er es müsste. [...]

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                                      • 3
                                        über Solis

                                        [...] Es erinnert an einen Kurzfilm, der nun auf 92 Minuten gestreckt wird und keine Ahnung hat, was er mit dieser „üppigen“ Laufzeit denn effizient anfangen soll und wie man sich kontinuierlich, dramaturgisch sinnvoll steigert, wenn mehr als der doppelte, gewohnte Zeitrahmen zur Verfügung steht. Nicht mal eine Handvoll akuter Survival-Situation – abseits des allgemeinen Hauptproblems – tun sich auf, die dann auch noch relativ behäbig vorgetragen werden. Dazwischen wird viel geredet, um den luft- wie spannungsleeren Raum irgendwie zu füllen. Selbst eine in der Theorie eigentlich unweigerlich aufregende Highlight-Sequenz zum Ende hin, wenn eine Außenreparatur bei sehr direkter Sonneneinstrahlung notwendig wird, erzeugt kaum Anspannung; wirkt gehemmt und steif. Wie der gesamte Film, der sich mit buchstäblich der letzten Luft irgendwie über die Ziellinie japst und selbst in seinem angepeilt hoch dramatischen und emotionalen Finish nur ein ermüdetes Achselzucken generiert. Die Freude überwiegt, dass man es selbst überstanden hat. Gähn. [...]

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                                        • Wenn ausgerechnet einer der besten Blockbuster der letzten Jahre nicht mit einem geplanten Sequel belohnt wird...an welcher Stelle liegt genau der Fehler? Und diesmal hat das Studio ausnahmsweise nichts falsch gemacht. Verblüffend wie leider bezeichnend.

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                                          • 2
                                            JackoXL: Moviebreak 06.03.2019, 20:32 Geändert 06.03.2019, 20:33
                                            über Inside

                                            [...] Bei dieser diffusen Neuinterpretation hat wohl niemand – nicht mal der einst begnadete Jaume Balagueró – verstanden, warum das Original so einen prägenden Eindruck hinterließ. Alles, was es damals auszeichnete, wird hier aus unerklärlichen Gründen radikal zurück gefahren. Mit einem locker für FSK: 16-Verhältnisse einzustufendem Minimum-Gore-Faktor (ob das Original jemals von der FSK begnadigt wird, es ist stark anzuzweifeln) und einem nicht nur deshalb extrem blutleeren, unmotivierten Plot gestraft ist dieser Inside genau das, was er auf gar keinen Fall sein dürfte: Wahnsinnig unspektakulär, belang- wie kraftlos, uninspiriert, ermüdend und – was nun wirklich kaum schlimmer sein könnte – irrsinnig feige. Praktisch jede Änderung zur Vorlage ist ein fataler Fehlgriff. Da fallen die schon in der Vorlage vorhandenen Logikdefizite wesentlich stärker ins Gewicht, denn damals wurden die bewusst in Kauf genommen, um den brutalen, Luft-abschnürenden Überlebenskampf nicht auszubremsen. Das Beugen der Logik für den Effekt, das darf besonders der Horrorfilm gerne, wenn es denn funktioniert. Bei diesem Inside scheint das nicht mal versucht zu werden. Und wenn doch, ist es so erbärmlich, dass man es nicht entschuldigend bewerten kann.

                                            In dieser Hinsicht ist der Film wenigstens konsequent. Konsequent daneben. Ein Extrembeispiel das Ende. Bei Bustillo & Maury ein schockierender, nur in der leichten Überzeichnung überhaupt erträglicher Tritt (oder Schnitt) in den Magen, hier…nicht der Rede wert. Belanglos, mutlos, scheißegal und bezeichnend für diesen gesamten Unfall von einem Remake. Irrelevanter, überflüssiger, sinnloser und gescheiterter könnte es kaum sein. [...]

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                                            • 7 .5
                                              JackoXL: Moviebreak 02.03.2019, 00:21 Geändert 02.03.2019, 01:34

                                              Ein Film wie DER GOLDENE HANDSCHUH muss anecken, muss die Kontroverse heraufbeschwören und muss auf heftige, abweisende und empörte Kritik stoßen. Sonst wäre er gnadenlos gescheitert. Fatih Akin hätte nach seinem Golden Globe Gewinner AUS DEM NICHTS praktisch alles machen können. Galt vorher ja schon als einer von Deutschlands besten und erfolgreichsten Regisseuren, von Publikum und Kritik gleichsam positiv wahrgenommen. An einem Punkt, an dem viele seiner Kollegen den Schritt nach Hollywood gewagt hätten, wagt Akin lieber wirklich etwas. Riskiert gar seinen guten Ruf, um deutsches Kino zu machen, wie es in dieser radikalen Form – zumindest in der Größenordnung – inzwischen undenkbar erschien. Ein Neuling der damit auf sich aufmerksam machen möchte, okay, aber jemand wie Akin, der viel zu verlieren hat, das ist ein mehr als gewagter Schritt. Das allein verdient Respekt, aber das Resultat verdient sogar größtes Lob.

                                              DER GOLDENE HANDSCHUH will ganz bewusst keine Charakterstudie sein, nicht tiefer in die Psyche eines kranken, kaputten Menschen und Serienkillers eintauchen. Nichts erklären, begründen oder rechtfertigen. Noch zielt er auf Spannung ab, will und soll kein Thriller sein. Hineingeschleudert wird man in diesen Lebensabschnitt, der sich kaum noch Leben nennen lässt. Eine versiffte Milieu-Nabelschau, zwischen grotesker Überzeichnung und schockierenden Wahrheiten, die sich für Außenstehende kaum fassen lassen. Hier ist jede Resozialisierung, jede Art von Zukunftsprognose jenseits von Gut und Böse, denn Der goldene Handschuh beherbergt den Bodensatz der krachend gescheiterten Existenzen und Fritz Honka (beeindruckend: Jonas Dassler) ist der Mensch gewordene Albtraum all jener, denen nicht mehr zu helfen ist. In einer Welt aus Suff, Selbstaufgabe und erniedrigender Tristesse ist irgendwann ein Monster geboren, das dort nicht mal auffällt, da schon längst niemand mehr den Durchblick hat. Jeder nur mit sich selbst beschäftigt und selbst damit hoffnungslos überfordert ist. Zwischen absurder Komik und viehischer Gewalt liefert Fatih Akin ein trotz seiner Extreme in allen Belangen erschütternd realistisch wirkende Elend-Safari durch die ausgekotzten Abfälle des prächtig aufgeblühten Nachkriegsdeutschlands. Ein Ghetto der auf der Strecke Gebliebenen, in dem Menschen auch einfach so verschwinden können, da niemand je nach ihnen fragen würde und selbst offenkundig Psychopathen wie Honka kein Misstrauen erregen. Denn um hier aufzufallen, da müsste man sich schon selbst in Brand stecken…oder eine Lokalrunde ausgeben.

                                              DER GOLDENE HANDSCHUH ist extremes, markerschütterndes Kino, das sich fühlen, riechen, schmecken lässt. Es fühlt sich widerwärtig an. Es riecht faulig, verrottet, nach Schnaps, Erbrochenem, Sperma, Schweiß und Blut. Es schmeckt wie der Pelz auf der Zunge nach einer arg aus dem Ruder gelaufenen, durchzechten Nacht. All das macht Fatih Akin spürbar. Man möchte sich hinterher am liebsten sofort waschen. Das ist inhaltlich augenscheinlich kein großer Film, aber was er allein durch seine unglaubliche Stimmung, seine bestialisch-detaillierte Darstellung dennoch zu berichten hat, das ist zum Teil unglaublich und qualvoll-intensiv. Ein schonungsloses Portrait der Verrohung, das sich nicht damit beschäftigt wie es dazu kommen konnte, sondern einem diesen Zustand völlig ungehemmt in die Fresse klatscht. Das sitzt, mein lieber Scholli.

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                                              • 4

                                                Ein kläglicher Hilferuf von Michael Cimino und auf perverse Weise auch sein vorletzter Auftritt wie damals von Humphrey Bogart. Er führte zum vorletzten Mal Regie, Bogie spielte seine vorletzte Rolle im hervorragenden Original AN EINEM TAG WIE JEDER ANDERE aus dem Jahr 1955. Das gebrannte Kind Cimino brauchte wohl zwingend einen Hit und rein theoretisch war ein Remake des Klassikers gar nicht mal die dümmste Idee, nicht nur da Urvater Joseph Hayes (Roman, Bühnenstück, Script des ersten Films) auch an diesem Drehbuch mitmischte. Und dafür sollte er sich schämen.

                                                Was man dieser Version zu Gute halten kann: Es wird wirklich versucht, nicht eine reine Kopie der ersten Verfilmung abzuliefern, das wäre auch wirklich sinnlos. Ein Kammerspiel wird auch nach 35 Jahren nicht zwingend besser, da bringen Budget und Technik in der Regel relativ wenig. Cimino wäre in dem beengten Konzept wohl selbst die eigentliche Geisel, liebte und definierte er sich doch immer über das Ausschweifende, das große Panorama, die Liebe zu unendlichen, naturverbundenen Weite…und dann dieses Projekt? Erster Fehler. Gut, dafür schaufelt das neue Script ein paar Außenaufnahmen mehr frei, die wirklich ästhetisch und beeindruckend ausfallen. Aber natürlich dem eigentlich Prinzip der Vorlage nicht dienlich sind, sie sogar entwerten. Eines der zahllosen Probleme dieses ambitionierten, handwerklich guten, aber total fehlinterpretierten Remakes. Hier wird möglichst viel an der Detailschraube gedreht, viele Ideen neu ausgerichtet. Das Resultat mündet in einem erzählerischen Chaos, wobei es recht ordentlich beginnt.

                                                Cimino gelingt es nicht, die intensive Spannung des Originals auch nur zu tangieren, was neben seinem offenkundigen Desinteresse an derartigem Stoff (= letzter Strohhalm) besonders dem sonderbaren Script-Gewurschtel geschuldet ist, was durch die vielen kreativen Änderungen zu einem widersprüchlichen Unsinns-Ungetüm mutiert. Statt einem Vorzeigebild wird nun eine eh schon zerstrittene Scheidungsfamilie in Geiselhaft genommen und deren kastriertes Oberhaupt ist und bleibt bis zum Schluss ein dummer, arroganter Wichser. Komplett in Angriffsstellung, der gar seine Kinder wissentlich in Gefahr bringen würde, um seinen Arsch zu retten. Gleiche Szene im Original auf links gedreht, scheinbar nur um sich die Eigenständigkeit zu bewahren. Dadurch verliert 24 STUNDEN IN SEINER GEWALT jede Logik und verzettelt sich zusehends in purem Schwachsinn, der besonders in den letzten Minuten einen ungeahnten Höhepunkt findet. Wahnsinnig schade um die guten Darsteller, die trotz ansprechender Leistungen verheizt werden. Mickey Rourke gibt voller Inbrunst das hochintelligente Mastermind, das aber leider so lächerlich geschrieben ist, das auch seine Darbietung etwas unfreiwillig Komisches innehat. Und über Kelly Lynch als Anwalt-Edel-Nutte mit dauernd freipendelnden Möpsen…verlieren wir nicht mehr Worte als nötig. Die Schlusspointe ist gar groteske und zerstört beinah alles, was der Film zumindest im Formellen zu bieten hat. Ein trotz identischer Prämisse relativ eigenständiges, aber genau in diesem unüberlegten Harakiri durch den Fleischwolf gedrehtes Remake, bei dem ein toller Cast und ein begnadeter Regisseur beinah aus dem letzten Loch pfeifen…und dafür am wenigsten können. Verschwendung auf hohem Niveau.

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                                                • 7 .5

                                                  [...] Trotz seiner unverkennbaren Bühnenherkunft zwingt sich An einem Tag wie jeder andere das Kammerspiel nicht dogmatisch auf und weiß mit diesem Mittelweg (anders als in dem gescheiterten Remake 24 Stunden in seiner Gewalt) vortrefflich umzugehen. Versteht sehr wohl, dass der Kern, die Intensität und sie Spannung auf eben dieser beengten, intimen und klaustrophobisch-beklemmenden Situation fußt. Dementsprechend werden die Ausflüge auf ein notwendiges, aber erzählerisch sinnvolles Minimum begrenzt, was dem Film auch seine Fesseln eines reinen Theaterstücks nimmt. William Wyler (Ben Hur) findet einen hervorragenden Spagat und konzentriert sich dennoch klar auf das Wesentliche. Das sind die kontinuierlich steigende Anspannung und das smart dargestellte Verlagern der Machtverhältnisse. Es ist nicht so, dass plötzlich die Opfer die Zügel in die Hand nehmen, aber sie lernen die aufkeimenden Schwächen ihrer Gegner zu lesen und daraus ihre Vorteile behutsam zu erkennen. Wie ein Tiger im Käfig zieht der vorher so überlegen Bogart im Schlussakt nervös seine Runden, wo er vorher sich mit hochgelegten Füßen bedienen ließ. Die Zeit spielt gegen ihn. The Desperate Hours, der Titel ist rückwirkend betrachtet ein ambivalenter Geniestreich. [...]

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                                                    Russell Crowe (*1964) zu Tom Cruise (*1962): „Sie sind zwar ein junger Mann, aber […]“
                                                    Ähm, ja…wie alles hier. Eine Wunschvorstellung. Sieht aber recht gut aus. Wie Tom Cruise. Glückwunsch dafür. Ein Horrorfilm für Leute, die keine Horrorfilme mögen. Christopher McQuarrie hat da noch Schnittabfälle von M:I übrig.

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