JackoXL - Kommentare

Alle Kommentare von JackoXL

  • 6

    [...] Aus dieser anti-moralischen Prämisse und seinen ambivalenten, sich im Verlauf der Handlung durchaus noch verändernden Hauptpersonen bezieht Mehr tot als lebendig seinen größten Reiz. McCord ist zwar ein Schurke, wird aber aufgrund seiner positiven Charakterzüge wie einem schon früh schemenhaft dargestellten Kindheitstrauma – welches ihm eine tragische, fast mitleidige Note verleiht – klar die Heldenrolle zuteil. Allerdings gewinnt er mit der Zeit nicht unbedingt Sympathien hinzu, wie es vielleicht in anderen (US-)Western der Fall wäre. Eher bekommt sein Auftreten durch ein paar fragwürdige Aktionen einen kleinen Knacks, wobei damit ja eigentlich nur unterstrichen wird, das Schwarzweiß-Denken in guten Western (und guten Filmen ohnehin) selten förderlich ist. Im Gegenzug ist auch Arthur Kennedy als verachtenswerter Gesetzeshüter nicht komplett auf diese Rolle festgenagelt. Gewinnt im schießwütigen Finale plötzlich doch noch die Gunst des Zuschauers, wenn er sich aufopferungsvoll gegen die wahren Bad Guys (ja, auch die gibt es) stellt. Selbst der um Vergeben und Vergessen bemühte, fortschrittliche, aber wenn es sein muss auch ziemlich handfeste Governor besitzt trotz seiner oberflächlich saubersten Rolle ein paar wenigstens graue Flecken auf der weißen Weste. So scheint es ihm doch sehr darum gelegen, den berüchtigten McCord publikumswirksam zu begnadigen, wobei es ihm mehr um den Effekt, als um den Menschen selbst geht. Politische Instrumentalisierung, zeitlos wichtig. [...]

    9
    • 4 .5

      [...] Was interessant und etwas verwunderlich ist: Während das Original praktisch nur aus Action und Stunts bestand, ist ausgerechnet die wesentlich kostspieligere Popcorn-Variante von Dampfhammer-Hallodri Jerry Bruckheimer lange gar nicht darauf erpicht, möglichst viel möglichst spektakulär zu Bruch gehen zu lassen. Die Action hebt sich Nur noch 60 Sekunden tatsächlich weitestgehend für den Endspurt auf, wo dann natürlich ordentlich das Gaspedal durchgetreten und kräftig auf den Putz gehauen wird. Davor gibt es einen nicht langweiligen, da relativ flotten, dennoch kaum spannenden, da völlig banalen Plot serviert, der sich ausschließlich von künstlichen Klischees ernährt und an billigen Oberflächenreizen aufgeilt. Ein sehr seltsamer, bald schon erotischer Auto-Fetisch sorgt für eine unfreiwillig komische Irritation, dafür ist der Soundtrack mit Beiträgen von The Prodigy oder Fatboy Slim echt hörenswert ausgefallen. Nicolas Cage steht in der profanen Mitte. Weder eine seiner schauspielerischen Glanzleistungen, noch einer seiner wüsten Totalausfälle. Auch das macht diesen Film eher uninteressant, geistern hier doch etliche gute oder wenigstens namenhafte Darsteller durch die Gegend, die es in dieser Ansammlung weder benötigt hätte, noch dass sie ihre Anwesenheit entscheidend rechtfertigen. Das Ende ist wenigstens relativ turbulent ausgefallen und der Film ist längst nicht so Pathos-triefend wie vergleichbare Werke des Produzenten, dafür existiert aber auch kaum eine Bühne. [...]

      8
      • 6

        Als vollends gelungen lässt sich die Western-Anthology der meist brillanten Coens beim besten Willen nicht bezeichnen. Womöglich der Tatsache geschuldet, dass die ursprünglich Konzeption als Serienformat nun in einen 6 Episoden umfassenden Spielfilm komprimiert wurde, wobei das rein spekulativ ist. Anthology-Filme haben nun mal meistens das Problem von Qualitätsschwankungen der einzelnen Geschichten, was bei THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS besonders deutlich zu Tage tritt. Wofür sich die Gebrüder definitiv ein Lob abholen dürfen: Obwohl die 6 Storys völlig unabhängig voneinander sind, durchzieht sie doch wenigstens im Hinterkopf ein roter Faden. Jede erzählt - auf ganz unterschiedliche Art und Weise - von geplatzten Träumen oder Hoffnungen, es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu etwas zu bringen. Da sind die Wunschvorstellungen ganz verschieden, doch am Ende steht jeweils eine ziemlich wehmütige Ernüchterung. Der Grundton wechselt dabei auch ganz gerne. Von skurril-komisch, über melancholisch-traurig zu herzlich, tragisch-romantisch oder leicht unheimlich (der sehr gelungene Schlussakt hat was von Edgar Allan Poe im Wild-West-Gewand), alles jedoch im typischen Stil der Coens. Das hilft durchaus auch eindeutig schwächere Episoden etwas wohlwollender zu betrachten, wenn auch nicht in ihrer Qualität blind schönzureden. Insgesamt ist das in Ordnung und macht auch (meistens) durchaus Spaß, wirkt aber eher wie ein Give-away für Netflix, auch weil sich die Coens schon im Klaren darüber waren, dass die Nummer wohl kaum dem (besonders eigenen) Anspruch eines ihrer Kinofilme Genüge leisten würde. Somit für die beiden Parteien eine Win-Win-Situation, nur als Zuschauer darf man doch in Zukunft wieder auf einen „echten“ Coen auf der großen Leinwand hoffen. Da waren sie (mit Ausnahme der Auftragsarbeiten) immer wesentlich besser.

        13
        • 7 .5

          [...] Eine das beiläufig, aber hervorragend hervorhebende Sequenz ist eine Totale, in der der Anhalter am Bug paddelt und schuftet, während die beiden anderen am Heck fröhlich kichern und keinen Finger krumm machen. Symbolcharakter besitzt natürlich auch das titelgebende Klappmesser, welches der junge Mann stolz als eine geringfügige, für ihn aber offenbar äußerst wichtige, essentielle Art des Luxus ansieht („Wenn man vorwärts kommen will im Leben, dann braucht man ein Messer.“) Das ist sein Besitz, sein kleines Privileg. Als es durch Andrzej’s Hand in einem Akt der Demütigung und Dominanz über Bord geht, wird das Machtspiel der Großen den Kleinen gegenüber in dem Duell zweier Männer auf einem Boot manifestiert. Und der Punkt erreicht wird, an dem diese Diskrepanz zwangsläufig zur Explosion führen muss. An dem dem Ehepaar sogar gewahr wird, dass sie nach über 24 Stunden noch nicht mal den Namen dieses Mannes kennen, er sie auch überhaupt nicht interessiert hat. Wie doppelmoralisch, selbstgerecht und sich dabei trotzdem sogar selbstbelügend spezielle Andrzej – und stellvertretend für ihn das projizierte gesellschaftliche und politische Konstrukt – ist, wird in der letzten Szene treffend und clever thematisiert.

          Rechts in Richtung Polizei würde bedeuten, er gesteht die Schuld am Tod eines Menschen ein. Links in Richtung zuhause würde bedeuten, er glaubt seiner Frau, müsste dann aber mit der Gewissheit leben, dass sie ihn – einen stolzen und komplett von sich selbst überzeugten Mann – mit einem ihm nicht Ebenbürtigen betrogen hat. Egal welche Richtung er einschlägt, es wäre eine Demütigung und würde seine Fehlerhaftigkeit beweisen. Also bleibt der Wagen einfach an der Kreuzung stehen. Verharren in der Ignoranz und dem Nichtstun, obwohl einem bewusst sein muss, dass dies nicht mal eine Lösung auf Zeit ist. Aber alles andere ist keine Option. Zum Scheitern verurteilt, es wird nur so lange hinausgezögert, damit das eigene Weltbild und die Selbstwahrnehmung nicht aktiv demontiert werden. Der Kapitän geht mit seinem Schiff unter. [...]

          9
          • 7
            JackoXL: Moviebreak 23.02.2019, 23:45 Geändert 23.02.2019, 23:47

            [...] Begleitet von einem konstant hervorragenden Soundtrack und einer bereits hier auffällig hochwertigen Bildsprache erscheint der Film zunächst wie eine quirlig-ironische Persiflage, die sich auch für ein paar Albernheiten nicht zu schade ist und nicht wirklich ernst genommen werden möchte. Doch der Schein trügt. Mit fortlaufender Zeit wird der Film nicht unbedingt seriös oder erst recht nicht konservativ, offenbart sich aber durchaus von echter, der literarischen Idolen angemessener Tragik gekennzeichnet, versehen mit einem handfest-grimmigen Finale, das weitaus weniger ulkig daherkommt, als man anfangs prognostizieren würde. Der Geist, die emotionale Tragweite der Vorbilder, sie werden tatsächlich entsprechend gewürdigt und beibehalten, was so manch schräge und satirische Szene rückwirkend wie Galgenhumor erscheinen lässt. De Palma ist kein Kasper oder reiner Spaßvogel, dafür ist und war er schon damals ein viel zu leidenschaftlicher und selbstkritischer, perfektionistischer Filmemacher – etwas, was ihn ebenfalls mit seinem Mentor im Geiste verbindet.

            Neben den zahlreichen Anspielungen, der einfallsreichen und gewagten Interpretation klassischer Motive und der formell bestechenden Inszenierung (die Splitscreen-Sequenz mit der Bombe, Hitch hätte seinem Musterschüler auf die Schulter geklopft) darf und soll Phantom of the Paradise aber auch unmissverständlich als galliger Kommentar auf die Entwicklung der modernen Musik- und Filmindustrie verstanden werden. Wo aufstrebende, aber namenlose Kreative - seien es Songwriter oder Drehbuchautoren - von den Mächtigen am Ende der Nahrungskette wie Nutzvieh zunächst bis auf den letzten Tropfen gemolken und am Ende geschlachtet – oder wie in dem Fall eingemauert – werden. [...]

            12
            • 8 .5
              JackoXL: Moviebreak 21.02.2019, 23:24 Geändert 22.02.2019, 18:39

              [...] Wahnsinn, was sich die beiden Kino-Debütanten da für einen verrückten wie gleichzeitig hintersinnigen Stoff vorgenommen haben und mit welcher frühreifen Bravour sie ihn in die Tat umsetzen. Being John Malkovich ist ein Geschenk. Ausgestattet mit so vielen zauberhaften und schrägen Ideen, einer mitreißenden und emotional wuchtigen, da zwischen Komik und Tragik harmonisch ausgewogenen Dramaturgie und einem herrlichen Ensemble, aus dem besonders der Mann der Stunde hervorzuheben ist. Ohne Kenntnis des Endproduktes könnte man John Malkovich gar Narzissmus unterstellen, dass sich ein Film direkt mit ihm betitelt, hat man es gesehen widerlegt er diesen Anfangsverdacht vollständig, wandelt ihn gar ins Gegenteil um. Mit erfrischendem, von jeder Eitelkeit befreitem Humor nimmt sich der Charakter-Darsteller selbst aufs Korn bzw. lässt dieses zu und macht da voller Engagement mit. Am Ende des Tunnels wird man nach einem wunderbaren, euphorisierenden, saukomischen und dennoch emotional einfühlsamen Trip nicht nur in den nächstbesten Straßengraben geschleudert, sondern voller Begeisterung elegant und behutsam zurück in das wahre Leben vor dem Bildschirm gebettet. Dabei hätte man gerne noch länger an diesem schönen Ort verweilt. [...]

              19
              • 7

                [...] Doch nicht nur die frisch gebackene und aus diversen Gründen alles andere als trauernde Witwe begegnet dem Dahinscheiden ihres Gatten mit einer erstaunlichen Gleichgültigkeit, auch der Rest des Quartetts behandelt die Situation nicht gerade mit unter normalen Umständen angebrachter Pietät. Als wenn gerade eine Scheibe zu Bruch gegangen wäre. Ärgerlich halt, nun müssen die Scherben aufgefegt werden. Die Bagatellisierung des Todes mag furchtbar makaber klingen, erscheint aber in der Umsetzung weit weniger geschmack- und respektlos als theoretisch möglich. Hitchcock vermag es die Situation mit feinster Ironie ad absurdum zu führen und seine Figuren eben nicht zu gewissenlosen Schurken verkommen zu lassen. Selbst wenn sie Harry behandeln wie ein lästiges Anhängsel, ihn andauernd ein- und ausbuddeln und nicht eine Spur von echter Reue zeigen. Mit viel Charme, pfiffigen Dialogen, gut gesetzten Pointen und überraschenden Wendungen hält der Film konstant auf hohem Niveau bei Laune und moralisiert nicht unnötig, da er sich einfach als zwar schwarzer, aber nicht ernsthaft boshafter Jux versteht. Was man ihm durchgehend abnimmt.

                -„Wo haben Sie Harry diesmal hingelegt?“

                -„An seinen Stammplatz, unter der großen Eiche.“

                -„Ich hole meine Schaufel…“ [...]

                11
                • 6

                  [...] Mit flotten 75 Minuten kommt keine Langeweile auf, allerdings wirkt der Plot im Gegenzug etwas zu hurtig montiert, da könnte man sich ruhig mehr Zeit lassen und diese mit narrativer Qualität aufspritzen. Dazu sind speziell die Dialoge hölzern und wollen oft Dinge schnell erklären, die man auch wunderbar elegant aus dem Kontext erschließen lassen könnte. In dem Punkt wirkt das alles schlicht und sogar leicht primitiv, allerdings hat der Film auch einige Vorzüge, die letztendlich klar überwiegen.

                  Allein die Figureninstallation ist spannend, wird (zunächst) doch eine durchtriebene, berechnende und bösartig-unsympathische Person als Protagonistin initialisiert und so recht weiß man als Zuschauer erst gar nicht, wohin die Reise überhaupt gehen soll. Da wird einiges angedeutet und wenig konkret gemacht, werden falsche Fährten gelegt in diverse Richtungen und schließlich kommt es zu einer relativ überraschenden Wendung in etwa der Mitte, die dem Ganzen wiederum einen neuen Impuls gibt. Kennt man so zwar von einem großen Klassiker, ist aber in dieser Interpretation auch nicht uninteressant und definitiv spannend, denn klüger ist man auch mit dessen Kenntnis an dem Punkt auch nicht. Das ganz große Plus bleibt aber die Inszenierung, die bereits das große Talent von Coppola unweigerlich zu Tage fördert. Atmosphärisch mitunter hervorragend, mit einer großartigen Bildsprache voller stimmungsvoll-schattierte Schwarzweiß-Fotographien und einem guten Riecher für partiell sehr effektive Spannungssequenzen. Trotz dem notorischen Loch im Corman-Sparstrumpf versteht es der gerade mal 24jährige Coppola seine sich noch im Wachstum befindenden Fähigkeiten ausgiebig zur Schau zu stellen. [...]

                  10
                  • 6 .5
                    über Luz

                    [...] Andeutungen von Missbrauch (auf der katholischen Mädchenschule in Chile) und Homoerotik geistern ebenso offensichtlich wie nie konkretisiert durch das Geschehen, noch deutlicher okkulte Praktiken und schwarze Magie, aber auf nichts lässt sich Luz (klugerweise) exakt festnageln. Denn erst aus dieser nebulösen Spekulation entwickelt sich ein irgendwann wahrhaftig vernebeltes Kammerspiel. Ein dämonischer Schwebezustand, in dem die Übergänge von Realität, Illusion, Halluzination und Wahnsinn fließend sind und den Zuschauer mehrfach im Ungewissen lassen, wo er sich gerade befindet. In nur 70 Minuten mit bescheidenen Möglichkeiten offenbart Tilman Singer so viele instinktive, kreative und handwerkliche Fähigkeiten, davon können etablierte Regisseure nur träumen. Das soll kein blindes Loblied werden, denn natürlich ist Luz eine eher spezielle Erfahrung auf Independent-Niveau, aber die hier dargebotene Qualität, die potenzielle Tendenz, die Zukunftsprognose und das jetzt schon abgelieferte Produkt…das ist mehr als nur höflich zu erwähnen. In seiner Preisklasse und Erwartungshaltung: Superb. Über alles weitere sprechen wir, wenn es so weit ist. [...]

                    16
                    • 4

                      [...] Das ist ein Paradebeispiel dafür, was bei Grisham-Verfilmungen häufiger nicht so ideal ausfällt. Was den justiziellen Backround angeht versteht der studierte und lange auch als solcher praktizierende Anwalt natürlich sein Geschäft. Alles andere bewegt sich auf dem Niveau von Thriller-Daily-Soap. Zugegeben, eher Denver Clan als Gute Zeiten, schlechte Zeiten, aber mit dem (vielleicht) angepeilten Niveau und den (definitiv!) vorhandenen Mitteln fällt das Resultat äußerst ernüchternd aus. [...] Der Plot ist da keinen Deut besser und stolpert von einer mittelprächtigen Spannungs-Sequenz ins nächst Logik-Schlagloch. Die gesamte Konstellation der Geschichte ist genau genommen totaler Schwachsinn. Gut gegen eigentlich auch Gut (aber gemein), gegen Böse. Warum drangsaliert der Staatsanwalt und sein Gefolge einen kleinen Junge – den perfekten Kronzeugen in einem politischen Mafia-Mord, für ihn ja kaum mit Gold aufzuwiegen – mit diesen Stasimethoden, wodurch er ihn LOGISCH dazu bringt, auf gar keinen Fall mit ihm kooperieren zu wollen. Im Prinzip verplempern die beiden „guten“ Juristen wahnsinnig viel Zeit mit ihrem persönlichen Zickenkrieg, damit die Mafia auch schön genug von selbiger bekommt um entweder die Beweise verschwinden zu lassen oder den Jungen auszuschalten oder im Idealfall beides. Am Ende machen sie dann das, was schon nach 10 Minuten die ganz normale und effektive Vorgehensweise gewesen wäre. Fall erledigt. So ein Blödsinn. Das nimmt komplett die Spannung aus der Story, die eh nicht so wahnsinnig die Nerven kitzeln würde. Dass Anthony LaPaglia im Netzhemd eher wirkt wie ein schlecht gelaunter Frisör als ein brutaler Hitman macht die Sache auch nicht entscheidend besser. [...]

                      10
                      • 7

                        [...] Das gestiegene Budget und die größeren Möglichkeiten durch den Tapetenwechsel in die USA machen sich klar bemerkbar, Mord – Der Auslandskorrespondent sieht wesentlich kostspieliger aus und nutzt die neuen Mittel für so vorher bei Hitchcock noch nie präsentierte Momente, zumindest in dieser Größenordnung. Das Attentat zu Beginn und ganz besonders der spektakuläre Crash im Finish, das hätte er so in der Heimat nicht realisieren können. Sonst bleibt er sich und seiner Linie auf positiver Art treu. Wie schon bei Geheimagent nutzt er besondere Merkmale seines Settings für die Handlung. Damals wurde eine Geheimbotschaft in schweizer Schokolade versteckt, hier enttarnen die Flügel einer Windmühle das Versteck der Verschwörer, um kurz danach auch den Protagonistin beinah in eine äußerst brenzlige Situation zu bringen. Eine tolle Idee und genau das, was Hitchcock immer als wichtig empfand. Eine Kulisse soll einen Zweck erfüllen, deren Ressourcen verwendet werden.

                        Der Wissensvorsprung des Zuschauers, auch er wird wieder zum wichtigen Bestandteil der Spannung. Mündend in einer hervorragenden Suspense-Sequenz, wenn ein falscher „Leibwächter“ auf den richtigen Moment lauert, seine eigentliche Mission zu erfüllen. Bis auf Kleinigkeiten macht Mord – Der Auslandskorrespondent nur sehr wenig falsch. [...] Ein richtiger Störfaktor – da nicht nur total überflüssig und aufgrund der Tatsache, dass es sich um die allerletzte Szene ohne direkte Bindung zum Vorherigen handelt eigentlich auch kinderleicht wegzulassen – sind die letzten zwei Minuten. Ein pathetisches, sentimentales und heroisches Zugeständnis an die neue Heimat, inklusive The Star-Spangled Banner als Abspannmusik. Natürlich ein Kind seiner Zeit und der Umstände, trotzdem einer der schlechtesten Hitchcock-Rausschmeißer, die es je zu sehen gab. [...]

                        11
                        • 7 .5
                          JackoXL: Moviebreak 16.02.2019, 22:23 Geändert 16.02.2019, 23:48

                          [...] Der ironische Ton, er dominiert alles in Jung und unschuldig, der gelegentlich kaum anders auftritt als astreine Screwball-Comedy. Wegen der schnippischen Dialoge, der pointierten Situationskomik, der wunderbaren Chemie des Hauptdarsteller-Couples. Dennoch nie sein Wesen als Thriller aus den Augen verliert und seine Geschichte logisch wie konstruktiv weiterentwickelt. Die Kombination aus all diesen Elementen, das machte Hitchcock’s große Stärke aus. Allein wie außergewöhnlich unter diesem Gesichtspunkt eine bald skurrile Szene ist, wenn unser zickig-neckisches Pärchen während der Hochphase der Flucht durch einen Kindergeburtstag zwangsweise ausgebremst wird, obwohl sie genau dafür nun wirklich keine Zeit hätten. Das spiegelt wunderbar den situativ-famosen, stichelnden, aber nie wirklich bösartigen Humor von Hitchcock auf den Punkt wieder. Und sorgt gleichzeitig durch eine der wohl objektiv harmlosesten Situationen für Spannung, durch Verzögerung. Einzigartig, wie selbstverständlich er das so bewerkstelligt.

                          Das Crescendo, wie es sich gehört, es findet seinen Höhepunkt wirklich erst kurz vor Schluss. Mit einer vielleicht unauffälligen, aber unglaublich brillanten Einstellung, wenn die Kamera zu einer durchgängigen, ewig langen Fahrt gleitet und schließlich den hinter einer Maskerade getarnten, wahren Mörder durch einen Zoom auf sein nervöses Blinzeln entlarvt. Nur für den Zuschauer, nicht für die Protagonisten. Wie er sich letztlich selbst völlig unnötig an’s Messer liefert, es passt perfekt in den gesamten Tonus dieses Films. Der die Brücke von Thriller zu satirischer Komödie so spielend schlägt, als wäre das keine große Sache. [...]

                          10
                          • 7 .5

                            Yorgos Lanthimos auf ernstzunehmenden Oscar-Kurs, da wird der Titel des Films gleich Programm. Bei der wohl zugänglichsten Arbeiten des Griechen öffnet er die Türen auch für ein etwas konventionelleres Publikum, oder lässt sie wenigstens einen Spalt offen, dass es ohne Verschreckungsgefahr einen Blick riskieren kann. Obgleich das manipulative und biestige Intrigenspiel im englischen Königshaus nicht ganz die mitunter irritierend-brillante Kombination aus grotesker Verstörung und absurdem Humor darbietet wie in den meisten seiner Vorgänger, auch THE FAVOURITE ist unverkennbar ein Lanthimos. Allerdings merkt man anhand des Mangels am Abstrakten, dass es nicht sein Script ist. Unabhängig davon gelingt ihm eine süffisante, hintersinnige Satire über Macht, Manipulation und selbstsüchtige Grabenkämpfe, in der ein Wrack von einer Königin zum Objekt der auszunutzen Begierde zweier durchtriebener Cousinen wird. Schräger Humor und viele überspitzte Wahrheiten zeichnen ein köstliche-hinterhältiges Moral- und Sittengemälde über die menschliche Natur wie die Schlangengrube Politik (so fast auch 1:1 übertragbar auf unsere, auf jede Zeit), wunderbar ausgestattet, markant vertont, exzellent fotografiert (der Oscar für Robbie Ryan wäre mehr als verdient) und natürlich auch hervorragend gespielt. Ein unumstrittenes Meisterwerk springt dabei am Ende aber nicht heraus. Der Film ist schlicht zu lang bzw. läuft gen Ende in einer Art erzählerischen Endlosschleife, die man so schneller und eleganter hätte beenden sollen. Es dreht sich inhaltlich etwas im Kreis, die letzten Minuten gewinnen nichts Entscheidendes hinzu, was man so nicht schon in gewisser Weise erledigt hatte. Was an der hohen Qualität des Films nur wenig ändert.

                            15
                            • 7

                              Cyborg-Comic-of-Age im Rollerball-Elysium. Vielen Dank James Cameron, wegen ihnen drehte Robert Rodriguez endlich wieder einen guten Film. Nach Flops wie MACHETE KILLS und SIN CITY 2 schien der einstige Tausendsassa schon beinah abgeschrieben, mit diesem von Cameron offenbar sehr akribisch vorbereiteten Staffelstab gelingt ihm ein Comeback auf der ganz dicken Blockbuster-Bühne. In erster Linie will die Manga-Verfilmungen natürlich eins: Erstaunen und beeindrucken. Und das gelingt. Dank spektakulärer, hochrasanter Actionsequenzen und einer detailversessenen Welt voller kreativer, optischer Kleinigkeiten, die von viel Hingabe und Identifikation mit dem Projekt zeugen. Vielleicht ist es auch die Kombination von einem Technik-Fetischist und Perfektionist wie einem wilden, manchmal leicht chaotischen Kindskopf, dass ALITA: BATTLE ANGEL eine große, positive Überraschung geworden ist. Denn die üblichen Vorzüge eines von der Präsentation erstklassigen Krach-Bumm-Peng-Films bekommen auch noch ein stabiles Fundament spendiert, auf dem durchaus noch ordentlich aufgebaut werden kann. Das Setting gibt was her, die Protagonistin gewinnt die Sympathien des Publikums spielend (nicht nur wegen ihrer knuffigen Kulleraugen) und der Plot mag zwar recht einfach, aber dennoch tempo- und abwechslungsreich genug gestaltet sein, das für Durchhänger nun wirklich kein Platz ist. Zudem ist das ja erst der Auftakt, die angepeilten Sequels könnte da noch deutlich mehr anbieten. ALITA: BATTLE ANGEL ist völlig anspruchsloses, aber verdammt effektives, rasantes und hingebungsvolles Popcorn-Kino mit Herz, Wucht und Qualität.

                              16
                              • 6 .5

                                [...] In Wahrheit ist Hitch nur der Date-Doctor für zwei seiner absoluten Favoriten: Zwischen Cary Grant und Grace Kelly (Das Fenster zum Hof) darf es bei Bier und Hühnchen, vor malerischer Kulisse und sogar Feuerwerk heftig knistern und das ist der eigentliche Kern des Films. Wann immer es bei Hitchcock ehrlich romantisch werden durfte und er das entsprechende Personal dafür zur Verfügung hatte, dann war der Rest nicht mehr als schmückendes Beiwerk, was im Idealfall sogar den Unterschied zum Klassiker oder gar Meisterwerk ausmachte. Ein Meisterwerk ist Über den Dächern von Nizza keinesfalls, dafür hinkt es zu sehr in Grundspannung und eigentlichen Story-Highlights, denn die sind nur schicke Fassade. Zudem ist Cary Grant leider schon deutlich zu alt für diese Rolle. Ihm nimmt man nur gerade so den verführerischen Playboy, aber nie und nimmer den agilen Katzenmenschen ab, der mühelos über die Dächer und Balkone kraxelt. Aber er war das perfekte Gegenstück zu Grace Kelly, zumindest aus der Sicht vom Meister. Er, der insgeheim wohl verliebt in die spätere Fürstin von Monaco war, sah in dem alternden Gentleman und getreuem Weggefährten wohl eine anonyme Reinkarnation von sich selbst. Wie auch immer, aber das Gefühl, es ist entscheidend für den Effekt. Was diesen wunderschön inszenierten und mit feinem Humor durchzogenen Seicht-Thriller zumindest zu einem Klassiker macht…den man aber nicht zwingend gesehen haben muss. [...]

                                14
                                • 5 .5

                                  [...] Was Hitchcock wirklich präferierte und wie kein Zweiter beherrschte wird immer dann deutlich, wenn die falsche Identität seiner Heldin kurzzeitig droht aufzufliegen. Genau dann beinhaltet der Plot gelungene Suspense-Momente und verdeutlicht, wie der Film wirklich hervorragend hätte werden können: Das eigentliche Verbrechen bzw. dessen Aufklärungsversuch nur als Macguffin verwenden und sich lieber voll auf diese Situation konzentrieren; sie zum Hauptereignis der Geschichte herauf zu stilisieren. Die Enttarnung. Da zu viele Menschen wissen, wer sie wirklich ist, aber nicht, was sie da vorhat. Es bleibt aber bei dieser Note von Hitch-Suspense, der in seinem Dasein lediglich die eigentliche Handlung aufwertet.

                                  Die rote Lola wirkt aus heutiger Sicht etwas zu konventionell, da erstens die Grundidee in der Folge immer wieder ähnlich angewendet und entscheidend verbessert wurde und zweitens ihm diese besondere, zeitlose Qualität fehlt. Zu sehr auf seine Auflösung und eventuelle Überraschungsmomente setzt, die dafür zu vorhersehbar sind. Darunter leidet zudem massiv das Auftreten der Protagonistin, die so nie aus der Rolle des herzensguten, aber letztlich leichtgläubigen Dummchen mit naivem Niedlichkeitsfaktor herauskommt und ein Stückweit statt einer starken Frauenfigur wirkt wie ein kleines Mädchen, das seine geklaute Nase sucht. [...]

                                  10
                                  • 8 .5
                                    JackoXL: Moviebreak 12.02.2019, 23:38 Geändert 13.02.2019, 20:36

                                    Der im Schatten des Giganten asozial anmutende Gegenentwurf zum Magic Kingdom. Wo aus Kinderaugen aber vieles eine ähnlich kunterbunte, abenteuerliche Spielwiese darstellt, nur nicht mit einem jugendgerechten Wortschatz. Ohne Sperrstunde oder Zuckerwatte, denn für die ungesunde, aber wenigstens kurzfristig effektive Lebensunterhaltung muss wie selbstverständlich gebettelt, betrogen und geschnorrt werden. Ohne jede Form des Unrechtsbewusstseins. Was aus ihrer Position – der, der 6jährigen Moonee – ganz natürlich und normal ist, kann es ihr ihre Mutter nicht besser vorleben und in ihren äußerste beschränkten (sozialen wie kognitiven, aber durchaus zu erkennen liebevollen) Methoden auch keinesfalls besser nur in der Theorie vermitteln. Eulen brüten Eulen aus, egal wie sehr sie sich um eine andere Gattung bemühen mögen. Aber dafür muss man in der Regel auch sich ein Stückweit bloß- und klarstellen. Und daran scheitern die Figuren in THE FLORIDA PROJECT, reißen sich zusehend noch weiter runter und das macht diesen Film in seiner entlarvenden, ehrlichen und trotz seiner „verträumten“ Perspektive zu einer schmerzlichen Sozial-Prognose, die ohne den kindlichen Blickwinkel wahrscheinlich nicht zu ertragen wäre. Das mag hart klingen und nicht generell zutreffen, aber warum es so oft geschieht, es hat seine Gründe. Das ist die lange nicht mehr sonderbare, traurige, aber aus IHRER Sicht irgendwie als schön getarnte Welt, die mit der Figur des herzensguten, aber mit beiden Beinen im „normalen“ Alltag stehenden Motel-Managers (Willem Dafoe) eine Art sozialen Anker beinhaltet, der natürlich nicht die unausweichliche Katastrophe abwinden kann. Sean Baker schreibt und inszeniert einen der warmherzigsten, aber niemals unnötig beschönigenden Filme, die es aus den USA seit locker einem Jahrzehnt zu sehen gab. Nah am Puls der Zeit, universell übertragbar. Mit der erfrischenden Naivität eines Kindes wird pures Elend nicht zur voyeuristischen Schau gestellt, aber erschreckend klar angemahnt. Die grelle Pastellfarben-Scheinwelt aus Trash und infantiler Unbekümmertheit, sie ist nicht nur brüchig, sie ist zum Bersten verurteilt. Wie das dann geschieht, es ist herzzerreißend und so perfekt inszeniert…was THE FLORIDA PROJECT auch, aber natürlich nicht nur deswegen, zu einem modernen Anti-Märchen macht. Bewusst berührend und dennoch völlig unprätentiös, ein Kunststück.

                                    21
                                    • 6 .5
                                      über Elmer

                                      [...] Frank Henenlotter (Basket Case-Trilogie) schuf mit Elmer (im Original Brain Damage, was die Doppeldeutigkeit seines Films schon im Titel zum Ausdruck bringt) ein groteskes Unikat, irgendwo zwischen David Cronenberg (Videodrome) und Troma, das einen mehr als einmal in leicht fassungsloses Staunen versetzt. Was als ausgeflippter, jedoch jederzeit unglaublich uriger Blödsinn beginnt, entwickelt sich zu einer ungeahnt hintergründigen, sogar recht cleveren Allegorie auf Drogen- und Suchtproblematik. Feinschmecker Elmer (sieht aus wie eine Hand in einem mit Teer überzogenen Tennissocken, mit aufgeklebten Augen und Gummizähnen), der seine Bregenwurst am liebsten ohne Wurst drumherum und direkt aus dem Schädel frisst, sorgt bei Gastwirt Brian für Dauer-Disco und unendliches Glücksgefühl, nimmt ihm alle lästigen Dinge wie Sorgen, Gedanken oder freien Willen ab, fordert im Gegenzug nur frisches Menschenhirn. [...] Wüster Blödsinn oder intelligenter Body-Horror mit subversiven, sexuellen Querverweisen (elegant, wie Henenlotter hier einen eindeutigen Blowjob als Splatter-Szene verhökert und damit wenigstens die US-Sittenwächter komplett verarscht)? Beides und sogar eher letzteres. Selbstredend ist Elmer keine große (Genre)Kunst, aber ein durchaus prägnantes, auf seine Art fast einzigartiges Werk, das lässig mit Elementen und Anspielungen hantiert und neben seiner klugen Referenzen mit saftigen Gore-Effekten auftrumpft. Ein Film, wie er so kaum heute noch reproduzierbar wäre. Was nur für ihn spricht. [...]

                                      13
                                      • 6

                                        [...] Gerade Tarantula oder Die unglaubliche Geschichte des Mr. C. sollten durchaus als Warnung vor dem radioaktiven Fortschritt verstanden werden und am Ende sind auch wieder die bösen Gammastrahlen schuld. Während das bei den Vorgängerfilmen als sinnvolle Parabel prima funktionierte, wirkt das bei Der Schrecken schleicht durch die Nacht eher überflüssig als nicht benötigte Erklärung hinterhergeworfen und ist in Anbetracht der Umstände bald schon gähnend redundant. Nun ja, ansonsten ist das aber schon ein schön charmantes, leicht naives B-Monster-Movie, zwischen Werwolf-, Frankenstein- und besonders Jekyll & Hyde-Interpretation. Welche eindeutige besser in einem leicht subtilen Grusel funktioniert, wenn der prähistorische Affen-Mensch noch nicht in voller Gummi-Pracht zu sehen ist. Verglichen mit der Masken-Arbeit des vier Jahre älteren Der Schrecken vom Amazonas ist das mindestens 1 ½ Klassen günstiger, muss man leider so ehrlich sagen.

                                        Wirklich unheimlich ist der Film auch (längst) nicht (mehr), wenn er es denn mal irgendwann war, und ist eindeutig nicht der spannendste und magischste Eintrag in den Mutation & Kreaturen-Katalog seines Regisseurs. Verfügt aber unübersehbar über ähnlich viel Herz & Engagement, kreuzt klassische Horrorfilmmotive mit typischen, erinnerungswürdigen Arnold-Momenten (die Riesenlibelle, herrlich) und dem dazugehörigen, leicht tragisch angehauchten Ende, damit das nicht zu unbeschwert gleich wieder vergessen wird. [...]

                                        7
                                        • 7

                                          [...] Mögen Setting und Grundausrichtung so gar nicht einer typischen Hitchcock-Arbeit entsprechen, spätestens ab dem ersten Besuch in dem prunkvollen, aber mit einer etwas eigenen, gar unheimlichen Aura versehenen Anwesen des Ehepaars Flusky steigen unweigerlich Assoziationen zu seinem Oscarprämierten Klassiker Rebecca auf, zu dem generell die stärksten Parallelen bestehen. Denn statt einer schmachtenden Schmonzette entpuppt sich Sklavin der Herzens als durchaus tiefschichtiges Psychodrama, das psychologisch längst nicht so banal ist wie es zunächst den Anschein machen könnte. Enorm viel über verdrängte, abgegebene und umgelagerte Schuld wie Selbstaufopferung und eine darauf errichtete und darunter im Lauf der Zeit zusammengebrochene Beziehung berichtet, die sich irgendwann auch auf den neuen, Dritten im Bunde übertragen soll. Verpflichtungen, „Entschädigungen“ und Opferbereitschaft bis hin zur Selbstaufgabe, darum dreht sich der tatsächlich sehr tragische und zwischenmenschliche aufregende Kern von Sklavin des Herzens, der dadurch im weiteren Verlauf den vielleicht vorhandenen Mangel an Spannung im Sinne des üblichen Hitch-Thrills kompensiert.

                                          Suspense findet nur im sehr geringen Maße statt (wobei die Final-Drink-Szene vergleichbar ist mit der aus Verdacht) und darum geht es auch überhaupt nicht. Dieser Film ist ein Ehe-, ein Beziehungsdrama mit starkem Fokus auf eine echte Liebe, die aber durch einen Zwischenfall wie dessen tief verwurzelte Folgen zwei Menschen verändert, teilweise zerstört und immer weiter voneinander entfremdet hat. Er ist wegen ihr hier und nun ist sie hier wegen ihm. Aber miteinander, das sind sie schon lange nicht mehr. Hitchcock kann bei diesem inhaltlich wesentlich komplexeren als oftmals unterstellten Werk sich nicht nur auf einen exzellenten Cast verlassen (allein wie intensiv, glaubhaft und entgegen ihres Diven-Images auch „hässlich“ Ingrid Bergman das spielt, wunderbar), seine persönliche Leistung ist der eines Meisters würdig. Mit vielen sehr langen und stellenweise wirklich komplizierten Takes (die Balkon-Erklimmung) scheint er allen zeigen zu wollen, was er fachlich so drauf hat. Allein technisch so stark, bemerkenswert wie dieser Film so scheitern konnte und bis heute auch nur selten Erwähnung findet. [...]

                                          13
                                          • 7
                                            JackoXL: Moviebreak 07.02.2019, 22:13 Geändert 07.02.2019, 22:16

                                            [...] Wahnsinn, wie konsequent der zwar gut beschäftigte, aber sonst nicht wirklich auffällig gewordenen Gianfranco Baldanello hier den Italo-Western auf all seine inhaltliche Schlichtheit, aber im Idealfall genau deshalb kompromisslose Effektivität herunterbricht. Ein Mensch wird zum Monster und die Grenzen, ja gar die Sympathie-Verteilungen, zwischen „Gut“ und „Böse“ scheinen nicht nur ambivalent, sie vermischen sich zu einer undefinierbaren Pampe aus Grau und Blutrot. Mal abgesehen davon, dass der Film von Anfang an keine wirklich unschuldige (Helden)Figur besitzt. Die, die dem am ehesten nahekommt, wird auf unfassbar grausame Weise geschändet, ermordet und danach geht es erst richtig los. [...] Schlüsselszenen, wie der Überfall am Anfang, die darauf folgende Gewalt-Eruption und die jeweiligen Konsequenzen, sie werden sehr ausgiebig und wertig inszeniert. Erinnert (gerade zu Beginn) an das französische Gangsterkino dieser Tage, als ein Coup nicht nur als nebensächlicher Baustein, sondern in seiner Darstellung als essentiell wichtig betrachtet wurden. Auf die Knie, Django trifft bemerkenswert die wichtige Schnittstelle aus bald schamloser, übler Gewalt-Eskalation (wenn der Schwester-Mörder mit deren Skalp erdrosselt wird, heftig!) und einem erzählerischen Nutzen – genauso wertvoll wie bei Tarantino und Kill Bill. Nur so funktioniert das und alles andere wäre entweder verlogen, gescheitert oder unüberlegt aus der Hüfte geschossen. Der Film zieht wie am Schnürchen eine Schneise der Vergeltung und ist sich sehr wohl bewusst, dass er für diese Vorgehensweise Opfer bringen muss. Wuchtig, gnadenlos und so Italo-Western, dass er den Django im Titel tatsächlich verdient…obwohl er ihn nicht für sich beansprucht hat. [...]

                                            12
                                            • 6

                                              [...] Er zeigt Zustände auf, die selbstverständlich verwerflich sind. Seien es die rückständigen und menschenunwürdigen Haftbedingungen oder ein zweifellos von Korruption und Verschleierung verseuchtes Justiz- und Regierungssystem. Dinge, die negativ behaftet, aber nun mal auch Tatsachen entsprechen und nicht als gezielt falsche Verunglimpfung bewertet werden können. Dass dabei nicht unbedingt differenziert wird und auch einige Klischees bedient werden ist sicherlich nicht ideal, aber letztlich auch nicht zwingend Thema und Anliegen der Geschichte. Diese konzentrieren sich auf Frage, ob und wie die beiden Frauen ihrem Schicksal noch entgehen können. Und irgendwann schleicht sich sogar der Verdacht ein, ob auch wir als Zuschauer lange an der Nase herumgeführt wurden, was den eindeutigen Unschuldsstatus von ihnen betrifft. Das macht der Film relativ gut, da er nur subtil hier und da was andeutet und das Ganze nicht doch noch in Richtung Whodunit ausschlachtet, aber mit diesem Element durchaus etwas hantiert. Gespielt ist das zudem sehr ansprechend. Sowohl Danes und Beckinsale, aber auch Bill Pullman als leicht schäbiger Grabbeltisch-Jurist machen einen guten Job, von Routinier Jonathan Kaplan (Angeklagt), für den dies übrigens sein letzter Kinofilm sein sollte, abgeklärt inszeniert. [...]

                                              7
                                              • 5

                                                [...] Wirklich problematisch sind wie gesagt die enorme Sentimentalität, Rührseligkeit und die abgedroschenen Klischees, womit hier mit beiden Händen um sich geworfen wird. Entführt werden als großes, spannendes Abenteuer. Wo man was über das Leben lernt, selbst mit Waffen spielen darf (ist halt Texas, passt schon), endlich auch mal ein Halloween-Kostüm tragen darf – nicht wie zuhause bei den Sekten-Spaßbremsen – und vor allem endlich einen Daddy findet. In dem Gauner mit Herz, der sein „Opfer“ behandelt als wären sie gerade auf dem Weg nach Disneyland. Bringt zwar auch mal Menschen um, aber muss man trotzdem liebhaben, den Kerl. Viel zu schnell, viel zu platt und oberflächlich werden die Beiden zu besten Kumpels oder sogar mehr. Hauptsache man triggert die Emotionen des Publikums ausgiebig in die gewünschte Richtung und arbeitet somit auf das unweigerliche, meilenweit gegen den Wind zu riechendes Finale hin. Stellenweise ist das echt too much und auch andere Kleinigkeiten, wie einige unpassenden Humoreinlagen oder die Rolle von Laura Dern (Jurassic Park) als unnötig-wertloses Emanzipations-Anhängsel braucht echt kein Mensch. [...] In einer perfekten Welt wäre Clint Eastwood’s hochambitionierter und fachlich sehr ansprechend umgesetzter Film eine echte Perle, in der Realität bedient er viel zu sehr ausgeleierte Mechanismen und geht konservativ-prätentiös lieber auf Nummer sicher. Ist nicht ohne Wert und Charme, aber mehr als akzeptabel bleibt da in der Endabrechnung nicht (mehr) übrig. [...]

                                                12
                                                • 8
                                                  JackoXL: Moviebreak 05.02.2019, 21:43 Geändert 05.02.2019, 21:48

                                                  Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus? Von wegen…
                                                  Die wahre Geschichte des „Henkers vom Emsland“ nutzt der nach ausgiebiger USA-Gastarbeit zurückgekehrte Robert Schwentke als Grundlage für eine abgrundtief schwarze, ultra-zynische und grausame Groteske. Zwischen Galgenhumor und Schockstarre trägt er eine Parabel über Macht, Gier, Größenwahn und den Lemming-Instinkt von im wahrsten Sinne des Wortes führerlosen Menschen vor, was besonders auf das sich bereits im Angesicht der sicheren, aber noch nicht realisierten, akzeptierten Niederlage eines handlungsunfähigen, ins blanke Chaos gestürzten Nazi-Deutschland natürlich wie die Faust auf’s Auge trifft. Geschichte wiederholt sich, selbst wenn sie eigentlich noch gar nicht beendet ist. Alles, was Deutschland erst dorthin, an den Abgrund brachte, es findet im kleinen Rahmen wieder statt, noch bevor die Konsequenzen wirklich greifbar sind. Denn durch den Krieg und durch das Grauen des Regimes stehen alle wieder da wie vorher: Orientierungslos, überfordert, auf der Suche nach jemanden, der die Initiative ergreift. Ihnen eine Richtung vorgibt und auch die Hoffnung schürt, das bei blindem Gehorsam und durch radikale Mittel am Ende Großes, Besseres als Belohnung steht. Dabei selbstgerecht, verlogen, doppelmoralisch und in seiner Ideologie, seiner „Werte“ völlig widersprüchlich, aber in Zeiten der Not zählt nur das Auftreten und die Überzeugung. Eigentlich ein Irrsinn, den Schwentke trotz seiner überspitzen Form als erschreckend glaubhaften, psychologischen und gesellschaftlichen Lawinen-Effekt in all seinem unkontrollierten, entmenschlichten Horror blitzeblank ziehen lässt. Ein erschütternder, ein wichtiger und vor allem auch endlich mal ein wirklich wagemutiger Film aus Deutschland, der nicht nur übersehen irgendwo im Independent-Bereich versauert.

                                                  14
                                                  • 8

                                                    [...] Während Brandon (den man mit seinen Theorien in die Nähe der Gedanken von Nietzsche und sogar Hitler rückt, was ihn umso bedrohlicher und unberechenbarer erscheinen lässt) sichtlich Genuss, ja beinah Erregung aus diesem perversen und menschenverachtenden Schmierenthater zieht, geht dem von ihm dominierten und manipulierten Phillip sofort die Düse. Besonders wenn Cadell ins Spiel kommt. Dem man kein A für ein 0 verkaufen kann und schnell wittert, wenn es jemand probiert. Selbst die pure, arrogante Selbstsicherheit von Brandon zeigt kurz einen nervösen Anflug, wenn er dem von ihm wegen dessen scharfen Intellekts verehrten Mann gegenübersteht. Die Spannung, der Suspense zieht sich bis zur letzten Minute eigentlich nur aus einer Sache: Wird Cadell herausfinden, was die beiden Jungs da treiben? Wann und wie wird sich einer doch noch verraten? So herrscht selbst in heiterem Smalltalk über dies und das (auch über den letzten Film mit Cary Grant und der Bergman, dessen Titel einfach niemanden einfallen will…) eine trügerische, konstante Anspannung, weil banale Kommentare am Rande oder doch ein zufälliger Blick in die Truhe – und sei es nur, um dort die alten Bücher wieder zu verstauen (eine süffisant ausgekostete und enorm effektive Spannungssequenz) – das ganze Kartenhaus zum Einsturz bringen kann. Vor allem da Phillip immer mehr die Nerven verliert und der gerissene Cadell wie ein Bluthund bereits die Fährte aufgenommen hat. Das verdichtet sich nie ruckartig, aber schleichend-subtil. Im wahrsten Sinne des Wortes wird die Schlinge immer fester gezogen. Rope, da ist es wieder. [...]

                                                    21