JackoXL - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
EternautaEternauta ist eine Drama aus dem Jahr 2025 mit Ricardo Darín und Carla Peterson.+58 Kommentare
-
The BondsmanThe Bondsman ist eine Actionserie aus dem Jahr 2025 von Grainger David mit Kevin Bacon und Jennifer Nettles.+22 Kommentare
-
AdolescenceAdolescence ist eine Kriminalserie aus dem Jahr 2025 von Stephen Graham und Jack Thorne mit Stephen Graham und Owen Cooper.+20 Kommentare
-
The White LotusThe White Lotus ist eine Drama aus dem Jahr 2021 von Mike White mit Jennifer Coolidge und Natasha Rothwell.+14 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
Ghost in the Shell II - Innocence320 Vormerkungen
-
Mission: Impossible 8 - The Final Reckoning181 Vormerkungen
-
From the World of John Wick: Ballerina151 Vormerkungen
Alle Kommentare von JackoXL
[...] Während in Cronenberg’s vorherigen Werken in die Realität immer „nur“ ein Stückweit eingebrochen, sie infiltriert wurde durch übernatürliche (und doch meist wissenschaftlich „begründetet“) Phänomene, schafft eXistenZ direkt eine künstliche, irreale Welt und Daseinsebene, die zunächst doch deutlich getrennt scheint von unserer Realität. Denn nur mit den Bioports, einer Art fleischlichen Modems, welche noch nicht mit WLAN funktionieren und deshalb durch eine Nabelschnur-ähnliche Verbindung in direktem Kontakt mit dem Spieler stehen müssen, im wahrsten Sinne des Wortes in ihn eindringen (womit auch der bei Cronenberg beinah unvermeidliche, sexuelle Kontext bedient wird), ist ein Zugang zu eXistenZ möglich. Mensch und Technologie müssen quasi kopulieren, wir uns der künstlichen Fantasie ausliefern und ihr kompletten Zugriff auf uns gewähren. Wir geben uns ihr hin, mit Haut, Haar, Leib und vielleicht sogar Seele. Aus Neugier und fasziniert von den Möglichkeiten, die sie uns bietet, ohne die Risiken zu überdenken. Denn wenn alles eins wird, wir selbst biologischer Teil der ach so perfekten Illusion, wo sind noch Grenzen? Selbst deren Designerin Allegra (göttlich, wie immer: Jennifer Jason Leigh) kann sie nur vermuten. Der Höhepunkt der menschlichen Eigen-Schöpfung: Eine Welt, die sich nicht einzäunen lässt. Den Transfer vom Digitalen ins Organische unaufhaltsam vornimmt und bei dem irgendwann niemand mehr sicher ist, ob er es noch genießen oder bereits fürchten sollte. Das perfekte Spiel. Haben wir das gewollt? [...]
[...] Altman bewegt sich bei seinem abgründigen Seelen-Striptease mehr in den Fußstapfen von Roman Polanski (Ekel) oder Ingmar Bergman (Persona), streift mit seinen surrealen, interpretativen Albtraum-Bildern und dem nicht mehr zu trennenden Strudel aus Wahn, Wirklichkeit und verschobene Identitäten gar David Lynch (Lost Highway) und bleibt doch ein ganz eigenes, verzerrtes Portrait einer Frau, die verzweifelt mit ihren inneren Dämonen ringt. Susannah York (Superman; in Cannes für diese Rolle als beste Darstellerin ausgezeichnet) bietet eine Glanzleistung als offenbar schwer traumatisierte, am Rande der Schizophrenie um den Sinn für Realität kämpfenden Protagonistin. Die Frage ob Cathryn tatsächlich an Wahnvorstellungen leidet oder sie womöglich nur Opfer eines perfiden Intrige ist, stellt sie sich maximal selbst, der Zuschauer wird bereits nach wenigen Minuten von den größten Zweifeln in diese Richtung befreit. Robert Altman ist nicht daran interessiert über die Ungewissheit von Wahn und Wirklichkeit Spannung zu erzeugen oder einen typischen Gut/Böse-Plot-Twist zu entwickeln. Er lässt uns komplett teilhaben an der Ohnmacht und dem Horror seiner tragischen Hauptfigur, stellt uns Seite an Seite mit ihr und zwingt uns quasi in die unangenehme Position, einer schweren Psychose direkt beizuwohnen, ohne eine erklärende, beruhigenden Alternativ-Perspektive, was den Film ungemein intensiv und aufsaugend gestaltet. [...]
[...] Der inhaltliche Wechsel vom gespenstischen, sogar auf psychologischer Ebene durchaus anderweitig interpretativen, surrealen Psycho-Horror-Suspense zum nun glasklar ausgelegten Roadtrip-Revenge-Spuk ist nachvollziehbar, eine logische Konsequenz der Umstände. Bedauerlich bleibt, wie erschreckend wenig Don Coscarelli während der großzügigen Planungsphase wohl eingefallen ist. Bereits Das Böse wirkte öfter mal leicht konfus und irrational, was aber von seiner Stimmung sogar vorteilhaft war. Es machte ihn abstrakter, unnahbarer, verstörender und mysteriöser. Das Böse II hingegen erscheint oftmals schlicht planlos. Greift auf erprobte Momente und Ideen des Vorgängers zurück, ergänzt im Gegenzug gar nichts, wiederholt lieber stumpf, bevor im gar nichts mehr einfällt. Die surreal-faszinierende Sogwirkung von einst stellt sich nicht mehr ein, da alle Fragen mehr schlecht als recht beantwortet scheinen (zumindest tut man so) und nun arbeitet Coscarelli sichtlich gezwungen und ausgedehnt auf einen effektvolleren Showdown hin. Wenn man an diesem Film wenig loben kann, dann doch zumindest das: Die handwerklichen „Kinderkrankheiten“ des Erstlings sind größtenteils geheilt. Die komplette Inszenierung wirkt routinierter, professioneller und speziell die Effekte sind - für so eine Produktion – zum Teil echt gut. Kein Vergleich zum Original. Leider ist es genau diese Oberflächlichkeit, die den großen Unterschied ausmacht. Im Positiven wie Negativen. [...]
Mit Schmerz, Verlust und Trauer geht jeder anders um. Es gibt kein Allheilmittel, maximal erprobte, im Schnitt verhältnismäßig erfolgreiche Methoden der Bewältigung. Nur eines ist gewiss (wenn man nicht selbst dazwischen funkt): Das Leben geht weiter. Muss. Man rauft sich irgendwie zusammen, ohne den wiederzufinden, der man einst war. Denn den Menschen gibt es nicht mehr, wird es nie wieder geben. Manchmal bedarf es „einfach“ einen weiteren Schicksalsschlag, um wenigstens die Scherben auffegen zu können. Dafür ist es nie zu spät. Wunden verschwinden nicht, aber sie können zumindest zu Narben werden, vernünftig abheilen. MANCHESTER BY THE SEA ist einer der schönsten Filme der letzten Jahre. Obwohl er fast durchgehend einen hundsgemeinen Blues spielt. Von nicht zu ertragendem Schmerz berichtet und doch so was wie Hoffnung spendet, ohne in die Mechanismen von Hollywood-Blödsinn zu verfallen. Das über fast 2 ½ Stunden zu vermeiden, immer an der Kante von unprätentiöser Charakterstudie, grundehrlicher Empathie und höchster Wertschätzung für seine Figuren wie deren Entwicklungen, das ist noch und wird immer außergewöhnlich bleiben. Weil es so verdammt schwierig ist. Wenn es gelingt, durchgehend auf diesem Niveau, dann darf leise applaudiert werden. Ein Film, wie es sie viel zu selten gibt.
Ein ganz finsteres Kapitel der jungen, „gewendeten“ Bundesrepublik, das damals für einen medialen Aufschrei und kurzzeitige Diskussionen sorgte, die aus heutiger Sicht betrachtet erschreckend wenig verändert haben. Die Geschehnisse von einst sind heute alles andere als ausgeschlossen, leider speziell auch in dieser Region. Wieso, weshalb, warum? Damit scheint sich WIR SIND JUNG. WIR SIND STARK. anfangs durchaus beschäftigen zu wollen. Der Einsatz von Schwarz-Weiß als erzählerisches Stilmittel ist recht clever, unterstützt es doch zusätzlich die tiefe Kluft dieses Pulverfasses. Hier gibt es offenbar nur schwarz und weiß. Links und rechts. Deutsch und fremd. Ost und West. Denn auch das spielt eine starke Rolle. Die Deutschen hier sind selbst noch fremd in dieser anderen Welt, die ihnen mehr Freiheiten anbietet, aber gleichzeitig jede Perspektive, jede Sicherheit direkt entzieht. Aus dem überwachten, limitierten, aber (theoretisch) abgesicherten Sozialismus ab in die Demokratie, in der aber niemand einen Arbeitsplatz sicher hat und plötzlich andere – selbst Kanaken und Schlitzis – über einem stehen, weil sie etwas erreichen wollen. Das erzeugt Irritation, Verzweiflung, Wut und schlussendlich Hass. Alles logisch, alles richtig und wenn es der Film bei diesem schlichten Erklärungsansatz (es ist natürlich viel mehr) und seinem nüchternen, den Ereignissen angepassten Erzählstil belassen würde, sicher recht stark. Leider wird das Ganze plakativ und wahnsinnig unnötig aufgebläht, so dass am Ende nicht nur eine viel zu üppige Laufzeit zu Buche stehen, sondern es den Zuschauer sogar von dem eigentlichen Schrecken distanziert. Wahrscheinlich wollte man genau durch diese fiktionalen, Klischee-haften Nebenaspekte das Publikum wirksam einfangen, es eventuell sogar sensibilisieren, eine Zugang und Verständnis schaffen, schießt sich damit aber eher selbst ins Knie. Am Ende ist es nur ein Film. Kein schlechter, wirkt aber zu sehr frei erfunden. Und das ist es eben nicht bzw. darf er nicht sein.
Eli Roth auf dem unendlichen langen Weg vom hoffnungsvollen Talent zur neuen Genre-Größe, nächste Runde. Nun mit der ewig angekündigten, lange verschobenen und selbst in Deutschland letztlich ungekürzt veröffentlichten Mondo-Hommage THE GREEN INFERNO. Und wie immer bei Roth: Es ist kein Knaller. ABER: Gemessen an dem, was man aus einer Neuauflage des immer noch höchst umstrittenen Subgenre der 70er und 80er machen konnte, ist das beinah schon das Optimum. Bis auf NACKT UND ZERFLEISCHT (und selbst der wird niemals gänzlich rehabilitiert und angemessen gewürdigt werden, was sogar irgendwo verständlich ist), brachte die gesamte Mondo-Welle im besten Fall anständig gefilmte Survival-Streifen (eher selten) zu Stande, sonst reine Gore-Peitschen mit einer dringend benötigen, tiefergelegten Geschmacks-Komfortzone…oder wesentlich Schlimmeres, nach unten waren da kaum Grenzen gesetzt. THE GREEN INFERNO ist – wie immer bei Roth – sehr stilsicher und zeugt von einer hohen Fachkenntnis, hat anfangs die üblichen Probleme mit dem Auspendeln des Prologs, aber geht schon stark in die richtige Richtung. Es wird heftig, es wird ekelig, für Zartbesaitete und während der Nahrungsaufnahme gar nicht bis nur unter erschwerten Bedingungen zu empfehlen, aber wer das kritisiert sollte die Filmvorauswahl mal überdenken, kommt ja nicht unvorbereitet. Eli Roth weiß was er macht, nur (immer noch) nicht, wie er es perfektionieren kann. Er kommt dem aber näher. Langsam.
Das in West-Texas die Uhren gewollt langsamer laufen macht es für die Einen zu einem der letzten romantischen Flecken der USA, wo Tradition und alte Werte noch groß geschrieben werden, für die Anderen zu einem primitiven, groben, bewusst Fortschritt und Weltoffenheit verleugnenden Freiluft-Cowboy-Museum, in dem auf Unbefugte noch frei gefeuert werden darf. Zwischen ächzenden Windrädern, den letzten Viehtrieben und Videobändern statt digitalen Überwachungskameras erzählt mit dem (wie er abermals beweist) sehr begabten David Mackenzie ausgerechnet ein Schotte eine knarzige Texas-Story, wie sie (US)amerikanischer nicht sein könnte. Klassische Outlaw- und Westernmotive, angetrieben durch das ganz zeitaktuelle Finanzkrisen-Beben, dessen Schäden natürlich nicht dort haltmachen, wo man sonst gerne für sich bleibt und alles nach den althergebrachten Methoden klärt. Wenn mit der angelernten Gelassenheit die Ratslosigkeit und sogar heimliche Verzweiflung kaschiert wird. Mit seiner ruhigen Tempo und dem lakonischen Witz sichtlich am Stil der Coens orientiert (Jeff Bridges scheint das TRUE GRIT-Nuscheln nicht verlernt zu haben, wirkt aber eher wie eine kuriose Kreuzung davon und einer Interpretation von Marlon Brando in DER PATE) sorgt HELL OR HIGH WATER zwar für keinerlei echte Überraschungen oder wirkt völlig individuell, ist aber von vorn bis hinten wahnsinnig stimmig vorgetragen und liefert trotzt seinem Hang zum Genre wie dem furztrockenen Witz dennoch eine aussagekräftige, durchaus repräsentative Bestandsaufnahme. Denn auch in West-Texas ist es irgendwann kurz vor Zwölf und nicht mehr (nur) zum Duell.
Eher gescholten als bejubelt ist auch der neueste Coen-Film genau das, was das brillante Brüderpaar bisher immer auszeichnete. Ein deutliches Problem dabei: Es ist schon deutlich repetitiv, bezogen auf ihr Gesamtschaffen. Treue Fans werden Vieles (wiederer)kennen. Von skurrilen Diskussionsrunden à la HUDSUCKER bis zum beinah unvermeidlichen Entführungs-Durcheinander, die Coens verwenden für ihre Abrechnung wie gleichzeitige Liebeserklärung mit und an das klassische Studio-Hollywood eine Art Best-Of ihres Œuvre, was aber grundsätzlich ja kaum verkehrt sein kann. Der roten Faden scheint öfter abzureißen, doch genau das passiert nie und das ist die große Kunst der Coens: Das kontrollierte Chaos. Natürlich sind da Figuren/Schauspieler auch mal leicht verschenkt (Tilda Swinton ist trotz Doppelrolle fast doppelt überflüssig) und – davon ist HAIL, CAESAR! definitiv nicht freizusprechen – es sitzt auch nicht jeder Spitze so wie wohl angedacht. Aber sei es drum, der Film fährt immer noch so großartige Momente auf. Wie Ralph Fiennes daran verzweifelt, dass der ihm neu untergejubelte Star „nicht gerne viel reden tut“ ist schlicht göttlich, dazu eine phänomenale Tanzeinlage von Channing Tatum (wird von Film zu Film erträglicher, was etwas unheimlich ist) und einfach diese unübersehbare Liebe zum Kino, seiner Magie wie seiner Idiotie und das das Eine wohl nicht ohne das Andere existieren kann, das ist doch wundervoll.
Ein Bruchteil der ursprünglichen King Kong-Story zur zweistündigen Effekt-Sause aufgepumpt, in der talentierte, aber nur körperlich anwesende Stars (ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss, warum auch nicht?) zwischen die Fronten von frustrierten Vietnam-„Versagern“, dem König im Affenstall und unglaublich viel anderem überdimensionalen Viehzeugs geraten. Ist alles natürlich völlig Banane und hohl wie eine Kokosnuss, aber dabei total ehrlich. Hier bin ich, das mach ich, love it or leave it. Ich sag mal so: Wenn vor 60 Jahren Jack Arnold & Ray Harryhausen diesen Film mit ihren Mitteln gemacht hätten, würde ich ihn wohl auch total urig finden. Nun sieht das halt so aus, wie das 2017 mit viel Kohle aussehen kann. Unverschämt gut, ganz nebenbei. Ergo: Mir gefällt der Scheiß. Und ich weiß jetzt schon, mit welchem Film ich mich in ein paar Jahren bei meinem Sohn noch ein Stück beliebter machen kann.
-„Hast du auch Hobbys?“
-„Nein, mit dem Trinken habe ich aufgehört.“
[...] Der Film sieht keinen Penny kostspieliger aus als er ist (richtig gute B-Movies können so prima schwindeln, der versucht es kaum), vermeidet bis auf die großzügigen Kunst-Blut-Szenen jeden unnötigen Aufwand und irgendwie stellt sich nach der ersten Hälfte bereits das Gefühl ein, dass es nicht mehr großartig besser werden kann. Aber Obacht Freunde, denn Totgesagte leben manchmal wirklich länger. Sobald sich der weitestgehend düster auftretende Killer-Thriller in der bis dato kaum effektiv genutzten Sci-Fi-Kulisse fast schlagartig zum frotzelnden, völlig absurden und temporeichen Buddy-Creature-What-Ever-Dingsbums verwandelt, ist da auf einmal richtig Zug drin und macht (inzwischen) erstaunlich viel Laune. Nicht dass es jetzt plötzlich ein richtig guter Film wäre, aber er funktioniert. Ist keine Stück ernst zu nehmen und legt darauf auch selbst wohl keinen gesteigerten Wert mehr, was ihm wesentlich besser steht und deutlich individueller, charmanter macht als alles, was er anfangs so auffährt. Als flotter Okkult-Öko-Monster-Blödsinn mit feurigem Underground-Finish eine spaßige Angelegenheit. Warum denn nicht gleich so? [...]
[...] Ein Jahr bevor Kevin – Allein zu Haus zu dem Weihnachtsblockbuster einer ganzen Generation wurde, bildete Deadly Games – Stille Nacht, tödliche Nacht die (wahrscheinlich nicht gesehene) Home-Invasion-Genre-Alternative, die sowohl durch seine fiese Boshaftigkeit wie seine immer noch leicht unschuldige Verspieltheit zu punkten weiß. Sichtlich orientiert an US-B-Horrorfilmen wirkt der Streifen trotzdem nicht versteift darauf möglichst blutige Kills zu bieten, bleibt wie sein kampfeslustiger Mini-Rambo immer noch leicht infantil und phantasievoll, mit dem Hang zu Übertreibung und Spaß an der Sache, obwohl zum Teil recht garstig und eine sehr creepige Variante des Weihnachtsmanns aufgefahren wird, die so manche Idealbilder schwer beschädigen dürfte. Von außen eine winterliches Märchenschloss, von innen ein Labyrinth-artiger Friedhof der Kuscheltiere, dessen Versteckspiel bewusst viele Klischees und Motive des Action-, Survival- und Terrorfilms imitiert, sie manchmal auch treffsicher adaptiert und parodiert. Dabei sicher nicht immer optimal, dafür mit einer angenehm ungezwungenen Selbstwahrnehmung, die ihm erlaubt auch mal ein Stückweit bekloppt zu sein, was manchen (sogar sehr vielen Filmen) gelegentlich ganz gut tun würde. [...]
[...] Du bist, was du hoffentlich nicht isst, nämlich ein menschliches Individuum. Kein Produkt des Elternhauses. Kein kleines Mädchen. Nicht nur der Frischling an der Tiermediziner-Uni, der wie das letzte Schlachtvieh gedemütigt und - wie einst das große Schwester-Vorbild – zum unpädagogischen Hauruck-Crashkurs genötigt wird, mit ungeahnten Folgen. Abkapselung vom elterlichen Schutz-Kokon, die Entdeckung der (anfangs) merkwürdig-enthaltsamen, vergessenen Sexualität und nun kommt auch noch rohes Fleisch ins Spiel. Justine (hervorragend: Garance Marillier) hat Blut geleckt, entjungfert die Frau in sich, findet ihre eigene Natur und wird angelernt in der hohen Kunst der modernen Jagd, deren Erfolgsquote besonders davon zehrt, das das Praktizierte zu unvorstellbar erscheint, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Davon lebt auch Raw. In seinem Wesen kein schlichtes Genre-Futter, stattdessen eine Allegorie auf erzwungene, traditionelle, nie selbst definierte Wertevorstellungen und Erwartungshaltungen. Die komplette Eskalation von plötzlich gewonnener Freiheit und dem Umgang damit. Denn ob nun diese oder jene Fleischeslust, Raw beschreibt in erster Linie, wie etwas Peverses, Verdorbenes plötzlich genussvoll und immer allgegenwärtig ist. Wie man die verbotene Frucht genießen möchte, aber den „gesunden“ Umgang in Anbetracht der unendlichen Möglichkeiten natürlich nie trainieren konnte.
Kannibalismus, Sexualität, Suchtverhalten, (überfällige) Adoleszenz, Autonomie: Raw schildert geschickt und hintergründig einen Abnabelungsprozess auf sehr radikale Art und Weise, inklusive einer wahrhaftigen Stutenbeißerei und einer dem Genre vielleicht zu sehr zugeneigten Pointe, die zwar ein kleines Grinsen verursacht, der Meta-Ebene dieses (sonst) NICHT-Horror-Films aber nicht unbedingt förderlich ist. Gibt aber schlimmere Kritikpunkte. Und Filme wie Raw könnten davon sogar mehr vertragen. [...]
[...] Das mit 2 ½ Stunden zu üppig ausgefallene Gangsterdrama krankt nach seinem faszinierenden Auftakt sichtlich an der großzügigen Laufzeit, was speziell (genau genommen ausschließlich) in der ersten Hälfte zu einem leicht zähflüssigen, ungünstigen Erzählrhythmus führt, gerade bei einem Jean-Pierre Melville total unnötig. Geduldig war er immer, aber doch ein Meister im behutsamen, beinah sezierenden Schildern von Situationen, Abläufen und Zusammenhängen, denen es eben genau darum nicht auch nur einem Wort zu viel bedurfte. Wirklich geschwätzig ist auch dieser Film nicht, hat nur anfangs eher einen zu langen statt den titelgebenden zweiten Atem. Kann man aber alles getrost vergessen, sobald Der zweite Atem zu einem Melville wird, der sich dann kaum hinter seinen Sternstunden ernsthaft verstecken muss.
Spätestens ab dem großen Überfall und dessen fatalen Konsequenzen ist das nahezu perfektes, französisches Gangsterkino, das ganz im erprobten Stil seines Regisseurs von vornherein schon klar macht, dass die involvierten Figuren eigentlich gar keine reelle Chance haben. Sie mit offenen Augen ins Verderben laufen bzw. ihren vorherbestimmten Weg gehen müssen, obwohl ihnen dauernd logische Abweichungen geboten werden. Aber wie ein noch so tüchtiger Nichtschwimmer im offenem Meer, du gehst zwangsläufig unter, egal wie sehr du strampelst. Die bittere Melville-Note, das feine Bouquet eines ambivalenten Katz-und-Maus-Spiels, das maximal Gewinner und Verlierer kennt, aber keine greifbaren Sympathiefiguren. Und wenn lieber darin aufgeht, einem „die Falschen“ so nahe zu bringen, das es sich befremdlich richtig anfühlt. [...]
[...] Will er einen klassischen Mind-Fuck-Film machen oder holt er den Zuschauer sehr bewusst an einigen Stellen früh ins Boot (was in der Tat so ist), um die Karten überraschend neu zu mischen, einen riskanten Double-Cross, der wenn er gelingt extrem geil werden könnte? Leider Ersteres und genau da liegt das Problem dieses handwerklich vorzüglichen, gut gespielten und von seinem generellen Vorhaben sehr löblichen Films, bei dem man sich am Ende die Frage stellt, wen er denn genau womit verblüffen will. Das der psychologische Aspekt des Ganzen natürlich nicht ganz wasserdicht ist (vorsichtig formuliert) und die Logik gehörig die Luft anhalten muss, ist gar nicht so wild. Gewisse Freiheiten darf und muss sich ein Genre-Film auch erlauben dürfen wenn es nicht zu bunt wird, hier zählen in erster Linie andere Dinge. Damit hält auch Die Vierhändige lange bei der Stange und könnte sich aufgrund seiner klaren Stärken womöglich auch mühelos ins Ziel jubeln lassen, wenn sich am Ende nicht das Gefühl einstellen würde, dass er entweder den Zuschauer massiv unterschätzt oder (was wahrscheinlich eher der Fall ist) er einfach – passend zum deutschen Teilnehmerfeld – viel zu spät dran ist mit seiner Idee, die so oder so ähnlich unendlich-fach variiert bereits ein Teil der Standardausstattung geworden ist. Und dafür ehrlich gesagt nichts Entscheidendes dazu beiträgt, das altersschwache Kaninchen noch effektiv aus dem noch älteren Hut zu zaubern. Außer dass es nun aus dem schwarz-rot-goldenem Zylinder flutscht. [...]
[...] Mit einem für seinen Jahrgang wahnsinnigen Aufwand erzählt Frank Capra eine Mischung aus Abenteuerfilm, Gesellschaftsparabel und modernem Märchen, die besonders durch seine imposanten Aufnahmen und das beachtliche Setdesign ins Auge sticht. Die Bilder sind mitunter erstaunlich atemberaubend für die späten 30er Jahre, die Illusion stellenweise wirklich perfekt. Vom aktuellen Zeitgeschehen entscheidend beeinflusst lässt er den Zuschauer in einer Welt versinken, die befreit scheint von allen irdischen Problemen, Zwängen und Missständen der angeblich modernen Zivilisation. Wo die Uhren anders ticken, sogar der Tod es nicht allzu eilig hat. Mehr als nur eine romantische Träumerei in (erst) unruhigen bis bedrohlichen Zeiten mit deutlichen Anleihen beim Buddhismus (und psst, auch Kommunismus) ist In den Fesseln von Shangri-La eine Mahnung an die Gesellschaft, sich und seine selbstzerstörerische, feindselige Weise zu überdenken. Dies geschieht natürlich auf eine leicht naive, idealistisch-utopische Art und Weise, die so ja selbst von den Hauptfiguren bis zum Schluss stark angezweifelt wird. Der Film ist eine pompös inszenierte Idee, ein guter Gedanke und Hoffnungsspender, Balsam für die geschundene, gestresste und besorgte Seele anno 1937. Dafür mit über 130 Minuten allerdings deutlich zu lang und in seinem Plot dafür doch sehr schlicht und im Endeffekt zu reibungsfrei ausgefallen, was das beinhaltete Konflikt- und Spannungspotenzial betrifft. Trotzdem, diese altmodische Kinomagie mit warmer Botschaft hat seine Faszination und den Zauber von einst nicht verloren. [...]
Mit dem ersten SILENT HILL-Film gelang Christophe Gans 2006 das seltene Exemplar einer relativ gelungenen Videospiel-Adaption. Inhaltlich natürlich kein Hit, dafür sehr dicht an der beklemmenden, fremdartig-bizarren Stimmung der Vorlage, was letztlich auch erst dessen große Stärke ausmachte. Da merkte man, dass sich jemand selbst sehr ausgiebig mit den Spielen beschäftigt und verstanden hat, was deren Reiz ausmacht. And now for something completly different oder auch SILENT HILL: REVELATION, die Schießbuden-Rummel-Attraktion aus der schäbigen 3D-Geisterbahn. Das wirkt ja oftmals wie die schlecht geschminkte Spoof-Parodie des Erstlings, bei der leider die Pointen vergessen wurden. Vollgepackt mit marktschreierischen Billo-Effekten, Dialogen zum Weglaufen (-„Glaubst du, es gibt einen Unterschied zwischen Träumen und der Realität?“ –„…ich habe noch nie darüber nachgedacht…“ Wohl auch besser so, tut nur weh), Kit Harington der offenbar auch außerhalb von GoT immer so dreinschaut, als wäre gerade sein Hamster gestorben und Null-Komma-Null der ursprünglichen Atmosphäre, obwohl ja auf die selben Settings, Kreaturen und die Grundgeschichte zurückgegriffen wird. Bravo, schafft auch nicht jeder. Da passt auch Maddog-McDowell wieder astrein mit einem weiteren Knallchargen-Kurzauftritt für die persönliche Wall of Shame rein. Cooler Endfight, kurz gelacht.
[...] Nicht darauf erpicht sofort mit der Tür ins Haus zu fallen ist Haus des Zorns – The Harvest in der ersten Hälfte gar nicht mal so uninteressant geraten, da er den Zuschauer geduldig im Unklaren lässt, worauf genau er sich hier eingelassen hat. Eine pessimistische Familienstudie, ein Coming-of-Age-(oder auch nicht)Drama oder doch ein Psychothriller, was in Anbetracht der Umstände und der sich bereits im Misery-Modus warmspielenden Samantha Morton noch am ehesten wahrscheinlich erscheint. Ist die Katze dann aus dem Sack verflacht der Film leider zusehend im banal-unglaubwürdigem B-Genre-Bereich. Die Darsteller sind allesamt bemüht und machen ihren Job durchaus anständig, können das 08/15-Script aber kaum entscheidend aufwerten. Der relativ vernünftige Aufbau hätte theoretisch gar nicht sein müssen, so wie sich der Film dann schlussendlich präsentiert. Womöglich würde er als reiner Reißer sogar besser funktionieren, da weiß man was man hat und könnte konsequent mit den Vorzügen solcher Hau-wech-Filme arbeiten. Vieles an der Geschichte ergibt rückwirkend betrachtet bemerkenswert wenig Sinn und die durchaus tragische Note lässt einen aufgrund seiner geringen Realitätsnähe (die offenbar nicht bemerkt wird) ziemlich kalt. [...]
[...] Von außen hui, von innen nicht unbedingt pfui, aber da liegen eindeutig die Schwächen dieses bemühten Retro-Krimis. Sein größtes Vorbild ist nämlich nicht ein Klassiker der echten schwarzen Serie, sondern unbestreitbar Polanski’s Meisterwerk Chinatown. Die Spur eines „handelsüblichen“ Verbrechens führt auf höhere Ebenen, die ihren Einfluss dazu nutzen können alles unter den Teppich zu kehren und den Spieß umzudrehen, damit das große Ganze nicht gefährdet wird. Nach eigenen Regeln verfolgt bei seinem Plot gar keinen schlechten Grundgedanken, das schlicht gehaltene Skript lässt allerdings Raffinesse und Vielschichtigkeit deutlich vermissen. Gerade da die Trauben da sehr hoch hängen, die Nähe zur Königsklasse des Genres gewollt und irgendwo auch insgeheim angestrebt. Verglichen mit dem wenig später erschienenen L.A. Confidential wird erst richtig deutlich, wie sehr dieser Film dem eigenen Anspruch hinterher hinkt. [...]
Trotzdem: Verdient komplett durchzufallen hat Nach eigenen Regel definitiv nicht, dafür macht der Film an sich dann doch viel zu viel Freude. Es ist ein stilistisch erprobter, gut gespielter und unterhaltsamer Kriminalfilm, dem es besser steht einfach als B-Movie betrachtet zu werden. Sein Problem ist, dass er auf den ersten Blick viel zu groß oder gar wichtig auftritt und daran zwangsläufig scheitern muss. Wäre dieser Film tatsächlich irgendwann „damals“ in die Kinos gekommen, mit den oft üblichen, kleinen Mitteln und weniger Prominenz, es hätten sich wohl wenige über so solide Arbeit beschwert. [...]
[...] Die Gefahr durch die barbarischen, blutrünstigen Indianer (so sind sie halt, die Wilden) wird lange angeteasert, tatsächlich in Erscheinung treten sie erst kurz vor Schluss. Trotzdem sind sie da draußen, beobachten und belauern mutmaßlich ihre Beute, während sich die Gruppe durch interne Grabenkämpfe selbst vor große Probleme stellt. In deren Mittelpunkt die Gier nach Gold nur eine untergeordnete Rolle spielt. Das Zentrum des Zwiespalts bildet dieses ambivalente Weibsbild, das die starken Männer um sich herum offenbar nicht braucht um sie zu beschützen, sondern nur um einem Zweck zu dienen. Werden sie von ihr gezielt manipuliert oder kollidieren hier nur ungewohnte Rollenbilder und eine so nicht gekannte, starke Frauenfigur mit den Vorstellungen ihrer Gehilfen, die damit nicht umgehen können, was zur paranoiden Selbstzerfleischung führt? Dieser Aspekt in Garten des Bösen ist ziemlich stark und höchst interessant, was es ihm auch (zunächst) legitimiert im Mittelpart gehörig das Tempo rauszunehmen. Die interne Konflikt-Konstellation ersetzt Action und wirklich akute Gefahrensituationen, was prima funktioniert und richtig gut aufgehen würde, wenn der Film am Ende nicht doch zu konventionell seiner Wege gehen und somit die Chance auf eine echte Pole-Position verschenken würde. [...]
[...] Während der Auftakt praktisch nur durch seine experimentierfreudige Methodik auffiel, wird hier eine solide, schon von Grund auf atmosphärische Kurzgeschichte zum wahren Freudenfest hochstilisiert. Bava tobt sich und sein Talent für Setdesign, Kameraführung, Beleuchtung, Farbgebung und Bildsprache hemmungslos aus, dazu spielt Boris Karloff als würde es einen hochdotierten Preis für den motiviertesten Star in einem günstigen Gruselfilm geben. Das ist ein kleines Spektakel, allein dieser Teilabschnitt rechtfertigt schon jedes gute Wort über Die drei Gesichter der Furcht. Aber es geht noch besser. [...] Die finalen 20 Minuten von Die drei Gesichter der Furcht sind wie sensorisch-cineastischer Sex, ein Highlight von der ersten bis zur letzten Einstellung. Komplett im Halbdunkel, mit indirekter Beleuchtung und im flackernden Rausch der Sinne beschwört Bava die Mächte des Bösen herauf. Erzählt eigentlich recht wenig, was die kurze Laufzeit absolut rechtfertigt (länger wäre tatsächlich nicht unbedingt förderlich gewesen), konzentriert sich gezielt auf das Erleben, zieht dafür alle Register eines begnadeten Regisseurs. Weitestgehend von unnötigem Ballast befreit lässt Mario Bava einfach Taten sprechen. Das, was er am besten kann. Warum er zu einem der wichtigsten, stilprägensten Kreativen seiner Zunft zu zählen ist, spätestens jetzt sollte diese Frage nicht mehr gestellt werden. [...]
[...] Ein absolutes, unbestreitbares Meisterwerk und das bei dem Debüt eines bis dato völlig unbekannten Brüderpaars, die sich vom kalten Minnesota aufmachten, die Filmwelt im Sturm zu erobern. Ausgerechnet mit so einer knochentrockenen, fiebrig-hitzigen Wüstenballade wortkarger Mannsbilder, in deren Mitte die ungeschminkte Leinwandgöttin Frances McDormand ihren ersten, großen Auftritt hat und mit ihrer geerdeten, natürlichen aber unglaublich einnehmenden Präsenz alles überstrahlt. Als Objekt der Begierde, als Auslöser des ganzen Schlamassels bleibt sie dennoch die personifizierte Unschuld, während sich die Männer um sie herum nach und nach mit Blut besudeln. Mal berechnend und eiskalt, mal fast ausversehen, aber im entscheidenden Moment dann doch so skrupellos, dass einem auch nach dreißig Jahren noch kurz der Atem stockt. So pechschwarz, so stockfinster wie eine sternenlose Nacht über einem texanischen Highway, der im Nichts zu enden scheint. Oder vor einem Grab im Feld.
Erstaunlich, wie souverän, individuell und abgeklärt die Coens ihr Erstlingswerk bereits zu einer Visitenkarte machen. Lakonisch, entschleunigt, aber bitterböse und mit bald zu Staub zerfallenden Mini-Humor-Einschüben zynisch aufgewertet geht ihr Debüt ganz klar in die Richtung ihres 23 Jahre später entstandenen, mit sämtlichen Preisen überschütteten No Country For Old Men. Während sich die Brüder dazwischen eher dem schrägen Humor verschrieben (auf höchstem Niveau) gehen diese beiden Werke Hand in Hand und zeigen die düstere Seite der sonst so lässig erscheinenden Filmemacher. Ihre durchaus sadistische Ader, die nie wieder so süffisant ausgelebt wurde wie hier. Eine grausame und zu tiefst schadenfrohe Aneinanderreihung logischer Fehlertreufel, die eine brutale Katastrophe hinaufbeschwören. Gipfelnd in einem surrealen Western-Showdown, entstanden aus verlorenen Feuerzeugen, verfaulenden Fischen, zu langsam ausblutenden Schusswunden und eventuell vermeidbar durch vernünftige Gardinen vor den Fenstern…zumindest im Detail. [...]
[...] Wichtig und richtig bei derlei Produktionen war und ist immer noch eine gesunde Selbst- und realistische Fremdwahrnehmung. Was kann ich, was will ich und wo gehöre ich hin? In die frühen 90er passt dieses Action-Vehikel zwischen den Stühlen aus VHS- und Kinostart, billigem A- oder doch lieber teurem B-Movie, Sci-Fi-Splatter und Knast-Escape prima rein, da konnte mit dieser Sorte Film noch auf der großen Bühne versucht werden mitzuspielen und selbst ein Stuart Gordon nochmal zumindest probieren einen semi-großen Erfolg im Kino (und ganz entscheidend: Der späteren Video-Auswertung) zu erlangen, bevor er schrittweise, aber endgültig im Niemandsland verschollen ging. [...] Kennt man alles? Na logo, denn Fortress – Die Festung hat überhaupt nicht vor sich großartig selbst spezielle Details auszudenken. Muss er auch nicht, wenn er seinen Job als akkurat inszeniertes, kurzweiliges B-Movie entsprechend ausübt und da lässt sich Stuart Gordon wenig vorwerfen. Die Mischung aus gängigen Gefängnisfilm-Klischees vermischt mit bereits ausgiebig erprobten und für stabil befundenen, dystopischen Science-Fiction-Modellen – von Soylent Green bis 1984 und eigentlich jeder Idee, die einen totalitären (Un)Rechtsstaat schalten und walten lässt wie er will – erfüllt seinen Zweck, die Figurenkonstellationen könnten nahtlos auf jeden Knastfilm übertragen werden, das ist Malen nach Zahlen. Aber das Bild ist ganz hübsch, kann man sich angucken oder sogar daheim an die Wand hängen. Angereichert mit einigen handgemachten, plastischen Schauwerten, einer soliden Spannungskurve und heimlichen Stars von gestern. Neben dem bei Gordon unvermeidlichen, aber immer gerne gesehenen Jeffrey Combs (From Beyond – Aliens des Grauens) auch Vernon Wells (unvergessen als Village-People-Villain in Phantom-Kommando) oder Kurtwood Smith (RoboCop), ohne die es in den 80ern sehr arm an Charakter-Schurken gewesen wäre. [...]
[...] „Beraubt“ durch den ursprünglich angedachten, interaktiven Gruseleffekt funktioniert Schrei, wenn der Tingler kommt dennoch allein durch seine grandiose, klar zu erkennende Strukturierung, welche ihn zu einem (Beinah)Meisterwerk des Low-Budget-B-Movies macht. Ein ganz seltener Fall von direkter Interaktion von Film und Publikum, ein durchbrechen der Leinwand, sogar auf physische Art und Weise. [...] Dieser fiese Monster-Streich wirkt vom Narrativen, Inhaltlichen und natürlich auch seiner Inszenierung oftmals ziemlich naiv, ist jedoch genau das nicht. Das ist ein fast perfekt konstruiertes Gesamtkunstwerk, das auch als solches betrachtet und beurteilt werden sollte. Denn Castle’s Gimmick ist diesmal nicht nur ein kleiner Gaukler-Effekt wie in einigen anderen seiner Filme, vergleichbar mit (den überflüssigen) 3D-Spielerein heutzutage, die den Film kein Stück wertvoller machen. Es wird zum unvermeidlichen Höhepunkt des Plots und sogar von Beginn an dementsprechend aufgebaut. Die Kinosäle wurden mit speziellen Sitzen präpariert, die sowohl fremdgesteuert sowie sogar unter Strom gesetzt werden konnten. Zusätzlich „lauerten“ Mitarbeiter in den Reihen, die am Siedepunkt mit Tingler-Attrappen um sich warfen. Alles nur in den letzten Minuten, doch bis dahin tut William Castle alles dafür, dass das Publikum sich wirklich vorkommt als würde Handlung und Realität plötzlich miteinander verschmelzen. Die ganze Zeit injiziert er bereits unbemerkt sein Entertainment-LSD, bis der große Knall mit voller Wucht auf seine „Opfer“ einprasselt. Das lässt sich schwer beschreiben ohne in eine ausführliche Analyse abzudriften, dazu fehlt hier eindeutig der Platz. Allein dass ein Film wie dieser das anbietet ist schon kurios. Und spricht für seine Qualität. Ein schelmischer Riesenspaß, selbst „nur von außen“ betrachtet. [...]
[...] Der Auftakt einer wilden Reise durch das nächtliche Los Angeles, das in seiner Ruhe vor dem Sturm schon eine irritierend-apokalyptische Stimmung annimmt, obwohl noch gar nichts passiert ist. Von einem mal wieder aufsaugenden Tangerine Dream-Soundtrack begleitetes, ganz leises B-Movie-Spektakel. Ein Tsunami im Wasserglas, der mit seiner kauzigen Art natürlich gefahrläuft übergangen und übersehen zu werden, zudem seiner Zeit einfach unglücklich und falsch als Actionthriller vermarktet. Von einer glasklaren Genre-Kategorisierung isoliert tanzt Miracle Mile federleicht zwischen Katastrophen-, Science-Fiction-, Kriegs-, Survival- und ganz besonders Liebesfilm, als wäre das keine große Sache.
Von Konventionen und Klischees hält dieser warmherzige wie schonungslose, kreative Sonderling verdammt wenig. Nimmt ein eigentlich naheliegendes Szenario und verwendet es auf eine ganz frische, erstaunlich überraschende Weise, die sich nicht dogmatischen Mustern unterwerfen will und erst recht nicht muss. Dafür funktioniert er auch so zu einwandfrei. Ästhetisch von hoher Eleganz, mit schönen Zwischentönen aus Komik und Romantik ausgestattet (Ivan & Lucy…oder Liebe besiegt das Chaos) und in seinem furiosen Finale steckt er sogar jeden modernen CGI-Weltuntergang locker in die Tasche, obwohl er das gar nicht dürfte. Die geben sich so viel Mühe beim unermüdlichen Kaputtmachen und dieser kleine Frechdachs kommt mit seinem selbstgeschmierten Pausenbrot daher, da bleibt jedem Emmerich in Sachen Intensität das Kobe-Steak im Hals stecken. Weil er einem richtig ans Herz geht und einen nicht mit Pauken und Trompeten dazu zwingen will. [...]
[...] Auf seine Mit-dem-Schwanz-durch-die-Wand-Art ist er unweigerlich als zynische Abrechnung mit dem Dritten Reich und seiner verlogenen, selbstzerfleischenden Doppelmoral zu betrachten. Lacht sich wütend über die intriganten Machenschaften der arischen Herrenrasse kaputt, die sowohl über ihr gewaltiges Ego, ihre Selbstgerechtigkeit und nicht zuletzt über ihre eigene Geilheit stolpert, sich praktisch mit dem eigenen Pimmel ein Bein stellt. Dass der Film dabei immer wieder – mal sicher mit voller Absicht, mal vielleicht gar wirklich leicht ausversehen – weit über’s Ziel hinaus spritzt liegt bald unvermeidlich in der Natur der Sache. Wer so bewusst die blanke Provokation sucht, der trifft auch gerne mal unpassend daneben, was bei so viel Mut aber sehr wohl gestattet sein sollte. Mal sehr verliebt in seine schlüpfrigen (oder mehr als das) Schauwerte benutzt sie Salon Kitty jedoch eher als räudige Metapher, als ätzende Bloßstellung des Naziregimes. Das angebliche Idealbilder verehrt und hinter verschlossenen Türen nur auf die eigene Triebbefriedigung bedacht rein gar keinen Wert auf Loyalität, Reinheit und Linientreue legt. Machtgierige, verlogene und unbefriedigt-notgeile Parasiten, deren Frustration und Minderwertigkeitskomplexe sie in fast kannibalischer Weise selbstzerstören wird. Mittendrin Ingrid Thulin (Wilde Erdbeeren), die aus dem erlesenen Bergman-Kreis mit leichtem Fallhöhenzwischenstopp beim Giallo (obwohl mit Malastrana in einem verdammt guten) nun als Puff-Mutter im Nazi-Bordell gelandet ist und der famose Helmut Berger (Gewalt und Leidenschaft) in einem noch famoseren SS-Freizeitkostüm am Ende. Der hat nach Feierabend bestimmt noch „unbezahlte Überstunden“ am Set verbracht, war mit Sicherheit voll (was für) sein Ding. [...]