jeffcostello - Kommentare

Alle Kommentare von jeffcostello

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    jeffcostello 21.08.2018, 12:02 Geändert 21.08.2018, 12:48

    In einem Buch von Roger Willemsen steht ganz am Anfang der Satz: "Mein Vater ist letzten August gestorben, das ist jetzt 40 Jahre her". Ich fand immer, dass "Dead Zone" die Verfilmung dieses Satzes ist. Natürlich geht es auch um das Thema, ob man denn Hitler als Baby töten solle, wenn man die Gelegenheit hätte, das wird näher an der Filmoberfläche verhandelt, aber ich denke, dass der Film eigentlich der Versuch ist, ein Leben als Summe und Kontinuität der Katastrophen und Traumata zu erfassen, deshalb auch die episodische Struktur. Cronenbergs Zugriff auf seine oft extremen Figuren ist immer behutsam, aber ich denke in diesem Film ist der Zugriff auf Walkens Figur noch behutsamer als in den anderen Cronenberg Filmen, vielleicht weil er weiß, dass Walkens Figur Protagonist der Geschichte der Traurigkeit ist.

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      jeffcostello 20.05.2018, 12:35 Geändert 20.05.2018, 12:42

      Eine Gruppe von Bodyguards soll einen Geschäftsmann beschützen, aus den einzelgängerischen Profis werden im Laufe ihrer Mission Freunde. To erzählt in diesem schön kurzen Film eigentlich zwei Geschichten, die erste Geschichte, etwa eine Stunde lang, über das Beschützen des Geschäftsmannes und die wachsende Freundschaft und in den letzten zwanzig Minuten greifen die Nachbeben der ersten Geschichte dann auf die Freundschaft der Gruppe über.
      Es ist ein Gruppenfilm, aber zuerst wirft To kurze Blicke in das Leben jeder einzelnen Figur, bevor er sie schweigsam und starr an einem Tisch platziert, sie im ersten Schusswechsel scheitern lässt, bevor der zweite Schusswechsel dann zu einem schönen Tanz der Ordnung wird. Überall in diesem Film aber auch Platz für Scherze und Blödeleien, wortloses Kickern mit einem Papierball im Büro vom Chef, kleine Böller in Zigaretten versteckt, die eine Person in der Gruppe die keinen Führerschein hat und gefahren werden muss.
      Ohne dass viel gesprochen wird, ist es ein Film in dem sich alle Dinge aufeinander reimen, die Figuren auf die Welt in der sie sich bewegen, die Figuren auf ihre Arbeit und die Figuren aufeinander, alles ist klar, da gibt es eine Art Harmonie die immer um ihre Brüchigkeit weiß und die eigentlich auch die zentrale Erzählung ist: Die Beziehung der Figuren zu der kalten, unsentimentalen Gangster-Welt in der sie leben und die Art und Weise wie sie sich in diesem Rahmen auf ihre Art und Weise bewegen. To sucht aber auch die Distanz zu dieser Welt, wenn Leute wie selbstverständlich erschossen werden und die Figuren dann schnell weiterziehen, bleibt die Kamera immer bei den Sterbenden, wendet den Blick nicht ab und zeigt die Zerstörung.

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        jeffcostello 25.03.2018, 12:10 Geändert 25.03.2018, 12:19

        Die ganze Gigantomanie, die beeindruckenden Sets, durch die Vilmos Zsigmonds wunderbare Kamera schwebt, die detailversessne Ausstattung, all das ist zweitrangig, es bildet den Rahmen für Cimino, der darin seine Liebesgeschichte erzählt. Und diese Liebesgeschichte verzweigt Cimino mit seiner Erzählung über den Klassenkampf, sodass man ihre Zusammengehörigkeit begreift, die Versuche der Liebe und das tödliche Voranschreiten des amerikanischen Kapitalismus: „It’s getting dangerous to be poor these days.“
        In eben jenem Klassenkampf – den die Einwanderer natürlich verlieren – liegt das Scheitern einer ganzen Nation, das Cimino nur beobachten kann, immer auf Distanz zu den Mächtigen, immer hilflos wirkend. Es ist genau das Scheitern, das er am Anfang schon in diesem harten Schnitt ankündigt, von den tanzenden Studenten, zu desillusionierten, schweigenden, betrunken torkelnden Männern, die auch nur hilflos dabeistehen, während um sie herum das Projekt Zivilisation in sich zusammenfällt.
        [...] weil er so groß und ausführlich das Scheitern von Amerika porträtiert, das am Ende des Films ja auch selbst das titelgebende Himmelstor erreicht, weiterbestehen tut nur ein Schatten der einstigen Ideale, für immer entstellt durch die Verbrechen der Herrschenden und die zerstörte Liebe.

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          über Yakuza

          Privatdetektiv Harry Kilmer soll für seinen alten Freund George dessen Tochter befreien, die von der Yakuza gekidnaped wurde, wegen eines schiefgegangenen Waffen-Deals. Jahre zuvor, nach dem Krieg, hat Kilmer versucht sich in Japan mit seiner Geliebten und ihrer Tochter ein gemeinsames Leben aufzubauen, ist aber an den Gesellschafts- und Familienstrukturen gescheitert – ihr Bruder hat die Verbindung nicht toleriert – und hat Japan danach verlassen. Jahre später setzt Pollacks Film dann an, es geht – wie in so vielen wunderbaren Filmen – um das Heimkehren. "Yakuza" ist in erster Linie ein Melodrama, ein Familienfilm, in dem doch am Ende nur die Gewalt die Probleme lösen, oder eher beseitigen kann. Ein Film über die Vergangenheit, in die er immer wieder hineinspürt, mit vielen schönen Überblendungen, Wiederbegegnungen, Erzählungen von früher, dem Durchsehen alter Fotoalben. Pollacks Inszenierung weist immer zurück, wenn sich Figuren anschauen, sehen sie immer ihre Vergangenheit, ausgelassene Möglichkeiten, verfallene Chancen. Als Kilmer gefragt wird, was er die ganze Zeit in Amerika gemacht habe, fällt ihm darauf nichts Konkretes ein, als wäre sein Leben bei der Abreise aus Japan einfach stehen geblieben und gehe jetzt erst wieder weiter, als hätte er nur für die Erinnerung gelebt. Am Ende, nach einem unfassbar brutalen Showdown, da entscheidet sich Kilmer dann freiwillig für den Schmerz, für die Teilhabe am Schmerz und der Trauer der Familie, weil er sich endlich zugehörig fühlen möchte, weil er das Alleinsein nicht mehr ertragen kann. Und vielleicht ist es das, worüber der Film am Ende erzählen will: Über die Sehnsucht nach einer familiären Struktur, so beschädigt und dissonant diese auch sein mag.

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          • jeffcostello 01.03.2018, 13:09 Geändert 01.03.2018, 16:41

            Der Fahnder, Verhör am Sonntag, 1993
            In seiner vorletzten Fahnder-Folge bewegt sich Graf vom Genre eher weg, hin zu dem was er ursprünglich an der Filmhochschule machen wollte, "französisierende Konversations-Filme". In der ersten Szene kommt Faber aus seiner Wohnung, draußen alles graubraun, milchiges Morgenlicht, die Blätter fallen von den Bäumen und werden verwirbelt wie bei Douglas Sirk, dazu eine kleine sentimentale Klaviermelodie. Der Rest der Folge dann nur Dialog, Faber mit einer Frau die Sonntags morgens zum Revier kommt um den Selbstmord ihres Mannes zu melden, der war aber schon Freitag, die letzten 24 Stunden fehlen ihrer Erinnerung. Langsam bricht der Dialog ihre inneren Widerstände auf und legt eine zerstörerische Ehe-Dynamik offen. Die Ehe ist längst geschieden, aber die Verbindung zwischen der Frau Vera und ihrem Mann ist bestehen geblieben, er ein hoffnungsloser Alkoholiker der schon lange den Wunsch hatte zu sterben – sie zeigt Faber eine ganze Sammlung von Abschiedsbriefen, die er verfasst hat. Am Ende wenn ihrer Erinnerung alles entlockt ist, da ist auch bei ihr der Lebenswillen verloren gegangen. "Wo noch Erinnerung ist" von ihr aus dem Off gesprochen, dazu die von Graf selbst komponierte traurige Klaviermelodie.
            Dazu gibt es trotzdem einen launigen Nebenplot, nämlich Faber und seine Freundin die sich über seinen zwielichtigen Autoverkäufer ärgern, der hat ihm seinen neuen BMW verdächtig günstig verkauft. Das ist auch das Schöne an vielen Fahnder-Folgen von Graf, wie leichtfüßig und ganz nebensächlich er über Alltag, über Menschen und Beziehungen erzählt und wie schön er das in den seriellen Rahmen der Fahnder Serie und seiner ökonomischen Erzählweise einbauen kann. Und viele dieser Fahnder-Folgen sind ja auch wie Vorstudien zu späteren Filmen, diese Folge hier erinnert stark an den Polizeiruf "Er sollte tot", in seinem Fokus auf Verhör und Erinnerung.

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            • Der Fahnder, "Nachtwache", 1993
              Der unheilvoll rhythmische Bass von der immer wiederkehrenden Melodie dieser Folge klingt wie ein Beatmungsgerät, das die Handlung immer wieder mir Leben füllt. Im Mittelpunkt auch wieder eine Frau ganz in gespenstischem Weiß, die sich durch leere, tote Räume bewegt. Beinahe der ganze Film spielt sich in den Räumen eines halb fertigen Hochhauses ab, das Dominik Graf als schauderhaften Riss in der Nacht inszeniert. Was sich in und auf dem Hochhaus abspielt ist ein absolut verdichtetes Spannungsstück, in dem sich immer wieder der inszenatorische Wahnsinn durchschlägt, Gänge die in grünem Licht zu Horrorwelten werden, ekstatische Tänze auf dem Hochhausdach, eine schauderhafte Puppe in der dunklen Auslage einer Bäckerei, und immer wieder ein unbehaglich klingendes Kinderlied als begleitende Melodie. Dazu ein wunderbares Zusammenspiel zwischen Faber und einer so verzweifelten wie zwielichtigen Zeugin, deren entrückte, gespenstische Gestalt den ganzen Film einnimmt. Am Ende präsentiert Graf waghalsige Drehbuch-Finten, dazu gleich ein doppeltes Finale und ein unheimlich schönes nachgeschobenes Happy End. Ganz am Ende dann eine ergreifende Quasi-Liebeserklärung von Faber an die Zeugin: "Ich will wissen was sie sehen, wenn sie die Augen schließen".
              Danach zum weiterschauen: Grafs Polizeiruf-Meisterstück "Der scharlachrote Engel".

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              • jeffcostello 25.02.2018, 12:38 Geändert 25.02.2018, 15:05

                Der Fahnder, "Bis ans Ende der Nacht", 1992
                Beide Hauptfiguren, den Fahnder selbst degradiert Graf die meiste Zeit über zur Randnotiz, fliehen vor ihrem Leben und finden sich am Höhepunkt dieser Flucht auf dem Polizeirevier wieder: Der erfolglose Autoknacker Sigi und Nadine, die Tochter eines reichen Geschäftsmannes. Sigi, eigentlich bloß wegen einer Lapalie verhaftet, hat Nadine und Faber als Geiseln genommen, will seine Frau sprechen, mit ihr fliehen, die eröffnet ihm aber, sie sei fertig mit ihm. Danach gibt es keinen Fixpunkt mehr, für Nadine sowieso nicht, für Sigi dann auch nicht mehr. Alles wird fallengelassen, das erpresste Lösegeld wird verbrannt, die Waffe aus dem Auto geworfen, das Auto unter der Brücke stehen gelassen. Die beiden wissen, dass es für sie nirgendwo hingehen kann. Was Dominik Graf inszeniert ist eine Möglichkeit zwischen zwei Menschen: Immer wieder bringt seine Montage Sigi und Nadine in Verbindung, die Sehnsucht in ihren Blicken, und am Ende wenn alles vorbei ist, starren beide nur fassungslos in die Leere, Nadine hält sich die Augen zu wenn sie im Auto neben ihrem verhassten Vater sitzt. Die Möglichkeit der Liebe war da und jetzt ist es zu spät um etwas zu sagen. Damit lässt Graf den Film im Morgengrauen enden. Seine Inszenierung lässt Heinz Hoenigs verstörtes Gesicht in den Glasscheiben des Reviers brechen und verschmieren, und Meret Becker in ihren weißen Kleidern wie ein verlorenes Gespenst durch das ausgestorbene Polizeirevier tänzeln. Christian Petzold sagt, alle Kinofiguren seien Gespenster die sich materialisieren wollen – Sigi und Nadine bleiben tot.

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                • https://m.moviepilot.de/liste/2017-top-10-jeffcostello

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                    [...] In den Dialogen kämpft jeder mit seinem Gegenüber. Bei Howard Hawks kommt es gar nicht so sehr auf den Inhalt des Gesagten an, sondern alles ist Teil einer körperlichen Performance und das Sprechen ist für Hawks in etwa wie eine Geste, wie eine Bewegung.
                    Interessant ist vor allem, dass eigentlich alles in diesem Film absolut furchtbar ist. Alles ist eine Verletzung, niemand tut sich selbst oder dem anderen gut. Walter und Hildegard gehören zwar irgendwie zusammen, sie lieben sich und vor allem brauchen sie einander, können einfach nicht ohne den anderen, auch wenn sie sich gegenseitig aneinander abarbeiten, aber so brutal kann die Liebe eben manchmal sein. Und Bruce, der gutmütige, bis über beide Ohren verliebte Verlobte von Hildegard, hat es am schlimmsten, er wird pausenlos rumgeschubst und in die Pfanne gehauen. Die Liebe so brutal zu zeigen, so unfair und willkürlich, wie sie manchmal sein kann, zeigt, dass Hawks sie als Thema sehr ernst nimmt und dass es die große Kunst einer Komödie ist, ein solches Thema derart komisch zu verhandeln, ohne den doch ernsthaften Kern groß verbergen zu müssen. [...]
                    Das macht das Kino von Howard Hawks auch so schön, so filmisch, weil es das zeigt, was zwischen den Figuren passiert, weil man sehen kann wie Verteidigungen fehlschlagen, Fassaden bröckeln, wie Figuren umeinander herum taktieren, tanzen, nur um den anderen immer wieder von neuem zu verführen.

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                      jeffcostello 15.12.2017, 14:42 Geändert 19.12.2017, 13:35

                      Die Figuren sind wie verspiegelt, den Plot über Korruption im Wasseramt von L.A. erzählt Polanski so schicksalshaft verzweigt, destruktiv und unübersichtlich, wie das Streumuster eines Krebsgeschwürs und dazu musiziert Jerry Goldsmith einen Score der immer auf das unheilvolle Verborgene hinter den Lügen, zwischen den Figuren oder in der Vergangenheit verweist. Besonders die Figur von Jack Nicholson bleibt den ganzen Film über unnahbar, trotzdem der Film konsequent aus ihrer Perspektive erzählt, fühlt man zu Gittes immer eine gewisse Distanz. Erst ganz am Ende, wenn er selber zum traumatisierten Zuschauer degradiert worden ist, kommt man ihm für einen Moment nahe. Und dieses Ende – das Robert Towne als "exessively melodramatic" ablehnte und Polanski durchsetzte – kommt so plötzlich, so unerwartet brutal und breitet sich so unerbittlich über die Figuren aus, dass es wirklich wehtut. Wie die Kamera ganz kurz auf das zerstörte Gesicht von Dunaway schaut. Das darauf folgende "Forget it Jake, it's Chinatown" kann eigentlich nur noch als quasi allgemeingültige Kapitulation vor der Wirklichkeit, vor der Undurchdringbarkeit der bestehenden Machtverhältnisse verstanden werden.

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                        jeffcostello 08.12.2017, 14:11 Geändert 10.12.2017, 12:53

                        Es ist ein ergreifender Film, schon gleich zu Anfang der Unfall auf der verschneiten Landstraße, wenn John Russell den Tod seiner Frau und seines Kindes durch die Glasscheibe einer Telefonzelle mit ansehen muss. Bevor der Spuk beginnt, konzentriert sich Medak erst einmal auf die Trauerarbeit von Russell, man sieht Szenen in denen er am Klavier sitzt und spielt oder komponiert, Szenen in denen er zaghaft versucht wieder zurück ins Leben zu finden, oder in denen er sich langsam in seiner neuen Arbeit zurecht findet, der Film nimmt sich die Zeit das ausführlich zu erzählen.
                        Wenn der Horror dann anfängt, macht Medak klar, dass er immer auch ein Abbild innerer Zustände ist, eine Veräußerlichung des Leidens, und er findet wunderbare Wege diese sinnliche Verbindung zwischen innerem und äußerem Schrecken fühlbar zu machen, so zum Beispiel wenn die Spieldose, die Russell im Zimmer des toten Jungen findet eben die Melodie spielt, die er selbst zuvor komponiert hat.
                        Etwas "Böses" gibt es in diesem Film eigentlich nicht, der Urheber des Verbrechens ist lange tot und dem Geist des getöteten Kindes geht es eher darum, dass endlich jemand zu der Vergangenheit durchdringt, dass die Vergangenheit endlich – so mühevoll es auch ist – rekonstruiert und richtig erzählt wird. Das Motiv ist also nicht unbedingt Rache, sondern viel eher das Bedürfnis danach endlich eine Erzählung für sich selbst zu schaffen um dadurch Frieden zu finden.
                        Medaks Bilder geben sich dem Schrecken manchmal schon beinahe zärtlich hin. Anstatt Distanz zu suchen wenn es um das Geisterhafte geht, suchen die Bilder oft nach den Gefühlen, den Verletzungen und der Trauer, die darin verborgen sind, etwa dann, wenn Russell das verstaubte Zimmer des Jungen findet und die Kamera zum ersten Mal auf den kleinen, alten Rollstuhl blickt. Auch ergreifend ist, wenn man nach der wunderbar gefilmten Seance auf dem Tonbandgerät leise flüsternd die gequälte Stimme des Jungen hört. Und das macht diesen Film auch so berührend, dass Medak den Schrecken nicht nur als etwas Fremdartiges versteht, sondern als etwas, das uns ungewollt nahe ist, als etwas intimes und menschliches. Trotzdem ist es ein furchterregender, effektiver Film, nicht zuletzt wegen dem hervorragenden Sounddesign und dem Score der mühelos zwischen Sentimentalität und Grusel hin und her gleitet.
                        Die Bedeutung dieses Films für das Horrorgenre kann man gar nicht hoch genug einschätzen, für Regisseure wie Ti West oder auch für Olivier Assayas, der in "Personal Shopper" die trauernde Kristen Stewart auch im Geisterhaften nach sich selbst suchen lässt.

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                          [...] John Voight ist sensationell, er spielt seine Figur als Mensch von dem nichts mehr übrig ist, man sieht nur noch den Wahnsinn in seinem Blick schimmern, er spielt seine Figur als einen Menschen der nur noch auf seine Instinkte reduziert ist. Und deswegen kann sich Voigt bei seiner Darstellung auch nur auf seinen Körper verlassen: Man sieht ihn nackt, frierend, blutend, wie er im Schneetreiben von Waggon zu Waggon klettert, und man sieht wie sein Körper dabei immer mehr kaputt geht und trotzdem allen Widrigkeiten standhält. Trotz dieser Widerständigkeit spielt Voigt aber immer auch die tiefe Verletztheit seiner Figur heraus, die vom Leben zu dem was sie jetzt ist entstellt wurde.
                          Bei Eric Roberts’ Figur Buck sieht man in der zweiten Filmhälfte auch nur noch die blanke Angst in den Augen flackern, seine Überheblichkeit und Großspurigkeit von Anfang ist am Ende völlig von ihm abgefallen, wie paralysiert kauert er still am Boden, verschlungen in die ebenso verängstige Sara.
                          Und dann sitzen sie für ein paar großartige Filmminuten lang alle drei erschöpft und schweigend gemeinsam am Boden des Waggons, halten sich gegenseitig fest und warten auf das Entgleisen des Zugs und auf ihren Tod. Während Buck und Sara sich fürchten, sehnt Manny dem Tod geradezu entgegen, weil er für ihn die Befreiung ist, die er so verzweifelt sucht. 
Und so sind die letzten Bilder des Films auch eine Höllenfahrt, die Lok rast ins Chaos, man kann ihr nur noch wie Buck und Sara, fassungslos hinterher sehen, wie sie langsam im weißen Schneerauschen unsichtbar wird, während Manny dem Tod mit kaltem stolz ins Auge blickt, nachdem er Sie in einem letzten Akt der Freundschaft gerettet hat. Es ist ein so würdevolles, wie auch niederschmetterndes Ende, und damit wohl passend für einen Film mit derartig ambivalenten, problematischen Figuren. [...]

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                            jeffcostello 22.10.2017, 11:47 Geändert 23.10.2017, 16:19

                            Es ist kaum zu glauben, dass Tomas Alfredson diesen Film gemacht hat, überhaupt, dass Tomas Alfredson einen schlechten Film gemacht hat. Einen Film der nicht einmal interessant gescheitert ist, sondern auf eine wirklich langweilige Art misslungen ist. Alle Qualitäten, die Alfredsons frühere Filme so wunderbar gemacht haben, sind in "Schneemann" wenn überhaupt nur für kurze Momente zu erkennen: Seine schöne Form des Erzählens, die den Dingen Zeit gibt sich zu entwickeln, ein Gespür für Beziehungen zwischen Menschen schafft, ein Gefühl für Dinge zu schafft, die im Hintergrund passieren (Smileys Frau ist in "Dame König As Spion" nur ein einziges Mal wirklich zu sehen, trotzdem ist sie visuell immer präsent, sei es als Fotographie oder einfach als Leerstelle im Raum). Seine Bilder, die darum schön sind, weil sie Tiefe haben und stets als Bild eigenständig etwas erzählen (Wie beispielsweise am Ende in "Dame König As Spion", wenn die Kamera auf Distanz bleibt, und die Versöhnung zwischen Smiley und seiner Frau in der Tiefe des Bildes, im Schatten, kaum sichtbar stattfindet).
                            Die Bilder von "Schneemann" sind auf Hochglanz poliert, ganz hübsch zwar, aber sie erzählen von gar nichts, am allerwenigsten etwas über die Figuren. Es gelingt "Schneemann" selten, etwas über den Plot hinaus zu erzählen, die Figuren bleiben leblos, und darum kann man kein Gefühl für sie entwickeln, genau so wenig für die Beziehungen zwischen den Figuren.
                            Trotz all der Morde und brutalen Bildern gibt es auch keinen Schrecken der fühlbar wird, und aus der Unsichtbarkeit hinaus auf die Figuren drückt, der Blick öffnet sich nie für größere Zusammenhänge, für die gesellschaftlichen Topologien, die mit dem Fall zu tun haben. Umso ärgerlicher, dass "Schneemann" dann auch nicht einmal wirklich das Versprechen einlösen kann wenigstens ein spannender Krimi zu sein, der Film findet die meiste Zeit über keinen Erzählrhythmus und fühlt sich vielleicht deswegen so leer an, weil er jeden Anknüpfungspunkt, an dem es interessant werden könnte, unbearbeitet ins Leere laufen lässt.
                            Für Tomas Alfredson tut es mir sehr leid, der berichtete über unglückliche Produktionsbedingungen, die man dem Film eben leider sehr deutlich ansieht. Trotzdem gibt es ja auch ein paar schöne Dinge, Alfredsons Umgang mit Musik und Geräuschen (z.B. Handyklingeltöne) und ein paar Momente, in denen bei Fassbenders Figur eine Trauer und eine Sehnsucht durchscheint, die einen dann doch für einen Moment berühren kann.

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                              Ich habe schon lange keinen Film mehr gesehen, dessen Schönheit mich derartig zu absoluter Aufmerksamkeit verführen konnte wie die von "Personal Shopper". Olivier Assayas will keine Sekunde der Aufmerksamkeit seiner Zuschauer unbelohnt lassen. Wendet man den Blick nur für eine Sekunde ab, könnte man eine der vielen tollen Gesten von Kristen Stewart verpassen, oder auch einen Geist der sich durchs Bild schiebt. Assayas inszeniert geisterhaft schwebende Tassen, Ektoplasma kotzende CGI-Geister – er ist also durchaus interessiert am reinen Horror, man spürt ein Vertrauen in das Genre, das ja immer auch auf den Affekt abzielt, auf den Moment und er verbindet diese Leidenschaften nahtlos mit seiner sich wunderbar langsam entwickelnden Geschichte über Einsamkeit und Trauer und die Sehnsucht die Grenzen der eigenen Persönlichkeit zu überwinden –unwissend wohin einen das führen soll. Man kann den Film vielleicht ganz gut mit Peter Medaks wunderbarem Film "The Changeling" vergleichen, nur dass "Personal Shopper" die Toten durch das Digitale zwischen den Welten kommunizieren lässt. Dabei vertraut Assayas auf viele lange Shots von Stewarts Händen, wie sie auf ihrem Smartphone SMS schreibt, stellt das Digitale als zwischen den Welten transzendierende Kommunikationsmedium (in diesem Fall in eine Welt der Ungewissheit) auch visuell in besonderer Art und Weise aus. Die Art wie Stewart dann beim Tippen mit ihren Händen spielt, wie die Hände zittern, wie ihre Daumen unsicher über die Tastatur fliegen, unsicher darüber was sie als nächstes tippen soll, wird zum essentiellen Teil ihrer generell sensationellen Performance. Seinen Film, der so begehrlich um Leerstellen, Ungewissheiten kreist, lässt Assayas mit der letzten Szene passenderweise in weißem Rauschen enden – es ist die gruseligste Szene des Films.

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                                jeffcostello 29.08.2017, 14:22 Geändert 30.08.2017, 09:06

                                Die Kamera imitiert die Bewegungen der Figuren, sie will nah am Geschehen sein, aber sie kann die Figuren nicht begleiten, sondern nur verfolgen, versuchen mit ihnen mitzuhalten, ihnen hinterher hasten. Deshalb ist die Action auch so zerfasert, die Kamera kann nur noch die Scherben aufheben, die die Figuren hinterlassen, nachdem sie gewütet haben, die Trümmer ihrer unaufhaltsamen Vorwärtsbewegung aufsammeln. Sie huscht über Gesichter, Bildschirme, schwenkt scheinbar unkontrolliert durch Räume, hetzt mal einer Figur hinterher, mal einer anderen, ständig eine andere Perspektive einnehmend. Es scheint so, als sei die Kamera auf der Suche nach etwas, als versuche sie etwas zu finden, was einfach nicht da ist, was sich immer entzieht, genauso wie Bourne auf der Suche nach seiner Identität ist, aber immer nur Fetzen und Bruchstücke findet, die seine Bewegung weiter antreiben. Erst in diesem Film findet die Reihe durch den Regiewechsel von Liman zu Greengrass zu ihrer Form, – die 'Shaky-Cam' nicht als Gimmick, sondern als ästhetisches Prinzip – die dann im dritten Teil ihren Höhepunkt erreicht.

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                                • Schönes, ungewohnt ausführliches Interview, das Peter Bogdanovich mit Jerry Lewis geführt hat.

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                                  (Bogdanovich hat für das SZ-Magazin einige lesenswerte und derart ausführliche Interviews geführt, u.a. auch mit Lauren Bacall und Kirk Douglas)

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                                    jeffcostello 13.08.2017, 16:56 Geändert 13.08.2017, 18:10

                                    Es ist immer interessant, wenn man einem Film seine Produktionsbedingungen ansieht, in jedem im Film sichtbaren Kampf gegen Studiozwänge steckt immer eine Abbildung von Machtverhältnissen und dem jeweils gegenwärtigen Zustand des Filmemachens. Bei „Spider Man 3“ sind die Produktionsbedingungen teilweise deutlich zu erkennen: Man erkennt ziemlich genau wo Raimis Leidenschaften liegen, hauptsächlich bei der wie auch schon in zweiten Teil wunderbar melodramatisch und ausladend inszenierten Dreiecksliebe und bei der tragischen Sandman-Figur. Genauso klar kann man aber auch erkennen was durch Druck vom Studio im Film untergebracht wird: Hauptsächlich die viel zu kurz abgehandelte Venom-Figur, die sich nur recht ungelenk ins übrige Narrativ reindrängen kann. Trotzdem ist es schön zu sehen wie Raimi versucht, den Film trotz allem rund zu machen, und narrative und strukturelle Schwächen zum Beispiel mit großartigen Musik- und Tanzsequenzen auf die schönst mögliche Art zu verschleiern und überbrücken versucht.
                                    Der dritte Teil ist ausladender, strukturloser und weniger kontrolliert als „Spider Man 2“, aber ihm gehören einige der schönsten Regieeinfälle und zärtlichsten Momente der Reihe: Die Entstehung von Sandman ist großartig inszeniert: Wie die Sandmassen immer wieder zaghaft versuchen sich zusammen zu setzten, nur um doch wieder auseinander zu bröckeln und das sandige Frankenstein-Monster es nur unter größten Anstrengungen auf die Füße schafft. Wie es sich am Ende in die Skyline von New York zerstäubt, nachdem Raimi den Showdown zwischen ihm und Spider Man mit Verständnis und Vergebung enden lässt anstatt mit Vergeltung. Und auch wenn ein 4. Spider Man Film von Raimi natürlich schön gewesen wäre, hätte es kein schöneres Ende für die Reihe geben können, als die letzte Szene in der Jazzbar.

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                                      über Sully

                                      Natürlich ist Eastwood ein guter Handwerker und es gelingen ihm einige elegante Bilder: Der in Dampf eingehüllte Sally im Hotelbadezimmer zum Beispiel. In den besten Szenen geistert Sully wie benommen durch eine Abfolge von grauen Nicht-Orten, Hotelzimmer, Konferenzzimmer, die Rücksitze von Autos. Die Notlandung selbst ist auch effektiv gefilmt.
                                      Das große Problem des Films ist, dass Eastwood nicht versucht zur Person Sully durchzudringen, er sucht nicht den Menschen in der Figur, sondern den Helden. Zum Ende hin ist löst sich der Film dann fast komplett von den Figuren ab und ist dann nur noch versucht den Heldenstatus abzusichern, sicherzustellen, dass Sully sich nicht geirrt hat, sicherzustellen die Gemeinschaftlichkeit der Rettungsaktion herauszustellen.
                                      Interessante Aspekte, wie beispielsweise die Parallel-Geschichte von Sullys Frau (in den wenigen Szenen sehr gut: Laura Linney) kommen dabei nur am Rand vor, nur in kurzen Telefonaten. Ihren Anteil an der Geschichte – Pressebelagerung, emotionale Belastung, Traumabewältigung mit den Kindern – spart Eastwood beinahe komplett aus, sie ist nur Stichwortgeberin, nicht wirklich Gegenstand einer eigenen Erzählung.
                                      Das macht "Sully" nicht zu einem wirklich schlechten Film, aber zu einem ziemlich öden Film, der nicht versucht dahin vorzudringen, wo ein solcher Film interessant werden könnte, sondern versucht einen möglichst unwidersprüchlichen Helden zu konstruieren.

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                                        jeffcostello 25.06.2017, 19:11 Geändert 26.06.2017, 11:13

                                        Der Polizist in der Kleinstadt in der Tom Stall mit seiner Frau Edie lebt, ahnt von der zwielichtigen Vergangenheit von Tom. Als er ihn zur Rede stellen will kommt Edie dazu und der Polizist verstummt: Die Familie zerstören – die ironischerweise selber gerade merkt, dass sie wohl längst zerstört ist – das kann er nicht tun, er geht, nicht ohne vorher noch zu sagen: "In our town, we take care of our people". Der Film beginnt friedlich, man sieht bekannte Bilder einer amerikanischen Kleinstadtidylle, ein friedliches Familienleben. Später wenn die lang verborgene und verdrängte Gewalt aus den Menschen herausbricht, lässt uns Cronenberg die Falschheit der Idylle spüren.
                                        Die Verbrecher der Eingangsszene, die ihre Gewalt offen ausleben und offensichtlich mordend durchs Land streifen, werden überrascht als sie das vermeintlich idyllische Diner, des vermeintlich friedlichen Tom Stall überfallen: Mit der Gewalt die sie dort vorfinden, haben sie nicht gerechnet. Das ist ein bisschen so wie bei Craven, in "Last House on the Left", wenn das böse Lächeln von David Hess gefriert, wenn er merkt, – kurz bevor er zersägt wird – dass die Eltern des vergewaltigten Mädchens mindestens genau so brutal und kaltblütig sind, wie er es selbst ist.
                                        Am Ende muss dann natürlich wieder Gewalt stehen um das weiter bestehen der Familie zu sichern, die ist aber längst unwiederbringlich beschädigt, wie Cronenberg in seinem brillanten Schlussbild zeigt.

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                                        • Sehenswertes Interview. Da steckt ziemlich viel Quatsch drin aber auch ein paar aufschlussreiche Einsichten von Friedkin, der nach seiner langen Karriere natürlich viel zu berichten hat. Herrlich auch, wie Friedkin nach und nach immer genervter von Refns – in der Tat seltsamen – Fragen ist.

                                          https://youtu.be/h-_cbQiwvvs

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                                            jeffcostello 11.02.2017, 12:18 Geändert 11.02.2017, 12:31

                                            Schöner, berührender Film, mit 12 Bewertungen hier leider nicht sehr bekannt. Schöner Text zu den Filmen am Himmel, von Michael Althen: http://www.zeit.de/1991/08/ich-sehe-filme-am-himmel

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                                              jeffcostello 18.11.2016, 15:58 Geändert 15.02.2018, 22:40

                                              Sowohl in Howard Hawks' „Leoparden küsst man nicht“ als auch in seinem „Sein Mädchen für besondere Fälle“ geht es um Menschen, die gerade dabei sind, das gesellschaftlich Ideal zu erfüllen, sich ihrer Rolle in der Gesellschaft zu ergeben, nämlich zu Heiraten und eine Familie zu gründen, bzw. Heiraten und sich gemeinsam ganz der Arbeit hingeben.
                                              In der ersten Szene von „Sein Mädchen für besondere Fälle“ berichtet Hildegard ihrem ehemaligen Ehemann und Arbeitgeber Walter von ihrer morgigen Eheschließung mit ihrem Verlobten Bruce. Die beiden planen aufs Land zu Bruces Mutter zu ziehen und eine Familie zu gründen. In der ersten Szene von „Leoparden küsst man nicht“ wird von der morgigen Hochzeit der Hauptfigur Dr. David Huxley mit seiner Verlobten Alice berichtet.
                                              Natürlich findet keine dieser Hochzeiten wirklich statt, denn beide Filme tun alles nur erdenkliche um ihre Hauptfigur von der Heirat abzuhalten. Sie wollen die Figuren davon abhalten in ein ödes konservatives gesellschaftliches Ideal einzutreten, und das mit roher Gewalt: Einen Tag vor den bevorstehenden Hochzeiten konfrontiert Hawks seine Figuren dann jeweils mit einer anderen, einer anarchischen Figur, Hildegard in „Sein Mädchen für besondere Fälle“ mit ihrem Ex-Mann Walter und David in „Leoparden küsst man nicht“ mit der kessen Susan (Katharine Hepburn). Diese Figuren fegen wie eine Naturkatastrophe über das Leben der Verlobten hinweg, Susan zerstört in „Leoparden küsst man nicht“ praktisch Davids ganze Existenz: Sein Auto, sein Lebenswerk im Museum, seine Chance auf eine Spende in Millionenhöhe, und seine Ehefrau wird ihn am Ende verlassen. Am Ende von „Leoparden küsst man nicht“, sitzt David dann in den Trümmern seiner Existenz, als er von Susan besucht wird und meint zu ihr, dass sie zwar sein ganzes Leben zerstört habe, aber dass er noch nie soviel Spaß gehabt habe, wie in der gemeinsamen Zeit mir ihr.
                                              Darum sind Hawks Filme nicht nur fantastische Komödien – die Bedeutung dieser Filme für das moderne Komödienkino kann man wahrscheinlich gar nicht hoch genug einschätzen – sondern auch fantastische Liebesfilme: Die Liebe stellt Hawks als brutale Katastrophe, die über die Menschen hinwegfegt, und alles mit sich in den Abgrund reißen kann, dar. Aber nur während diesen Katastrophen macht das Leben wirklich Spaß.

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                                                https://www.youtube.com/watch?v=756kFSiLUYA&feature=youtu.be

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                                                • über Ti West

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                                                  "Filmmaking is art. Don’t focus on the surface. Find what’s important to you about every scene and settle for nothing less. If you are honest with yourself, you should cringe a little when on display. Honesty is entertaining. If you are not revealing who you are, then why bother? Why should people care about your movie?"

                                                  http://www.moviemaker.com/archives/series/things_learned/things-ive-learned-ti-west/

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                                                    jeffcostello 11.09.2016, 14:06 Geändert 11.09.2016, 21:54

                                                    „Tinker Tailor Soldier Spy" ist ein Film der beinahe ausschließlich versucht aus dem Bild heraus zu erzählen. Die entscheidenden Informationen stecken immer in den Bildern oder eben zwischen den Bildern, oftmals offenbart erst der Schnitt die benötigte Information (Alfredson selber war als Cutter für einige seiner Filme tätig, u.a. bei dem Vorgängerfilm „So finster die Nacht“). Wunderbar ist natürlich die Szene mit der Fliege im Auto, in der Smiley präzise charakterisiert wird, ohne dass dabei auch nur ein Wort fällt. Ebenfalls großartig, die Szene mit Smiley und Bland auf dem Rollfeld, in der ein Flugzeug – für beide Figuren von entscheidender Bedeutung, für den einen ein wertvolles Druckmittel, für den anderen die drohende Abschiebung – durch das Verwenden einer 2000mm Linse beinahe monströs das ganze Bild einnimmt. Es ist einfach ein unheimlich schöner Film, prachtvoll ausgestattet ohne erdrückend oder ausgestellt zu wirken und auch van Hoytemas Bilder sind unglaublich schön, gerade auch weil alles über die Bilder transportiert wird, weil die Bilder hier jede Emotion und jedes Detail, eben alles was bedeutsam ist, in sich tragen. 
Alfredsons Herangehen funktioniert natürlich auch deswegen so gut, weil er ganz fantastische Schauspieler zur Verfügung hat, insbesondere Gary Oldman, der in der Vergangenheit ja eher eine Affinität zu extrovertierten Rollen gezeigt hat, ist sensationell. 

                                                    Die Distanz, die die Akteure in der Spionagewelt zu ihren eigenen Gefühlswelten einnehmen müssen, die Entmenschlichung des (kalten) Kriegs sozusagen, ist ein visuelles Leitmotiv des Films. Am Ende, als Smileys Frau ihn in der Küche erwartet, bleibt die Kamera auf Distanz stehen, das Wiedersehen findet in der ferne statt, kaum sichtbar. Auch das Enttarnen des Verräters, eigentlich ja potentieller Höhepunkt des Films, wird zwar sorgsam vorbereitet, dann aber einfach weggeschnitten, ohnehin lässt Alfredson viele Leerstellen, nicht nur im Plot (was nahe liegt, es ist schließlich ein Film über die Rekonstruktion der Vergangenheit), sondern gerade bei den Figuren, Beziehungen, Freundschaften.
                                                    "Tinker Tailor Soldier Spy" ist auch einer jener Filme die bei jedem Wiedersehen besser werden, weil man immer wieder neue Dinge findet, die man in den Bildern, in den Gesten, in den Details entdecken kann.

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