jeffcostello - Kommentare
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Alle Kommentare von jeffcostello
Ich mochte den Film, sehr sogar, mit nur ganz wenigen Abstrichen. Dominik Grafs Forderung nach mehr "brüllendem Gelächter" im deutschen Kino kann er in jedem Fall einlösen. Dabei ist der Humor auch sehr stark visuell inszeniert, körperlich. Anbei ein Text von Christoph Hochhäusler, um zwischen all dem (verdienten) Lob auch mal ein paar kluge kritische Gedanken zum Film zu liefern.
http://parallelfilm.blogspot.de/2016/07/nahtloser-konsens.html
Ein fantastisches Revolver-Interview mit Christian Petzold über aufgeladene Momente, plotfreie Scheisse, handwerklich erstklassige Schreikrämpfe und Spaziergänge mit Harun Farocki:
http://www.revolver-film.com/hefte/heft-10-petzold/
Als einen „Feldforscher der soziologischen Katastrophen“, der die „Zusammengehörigkeit aller kleinsten Partikel einer Gesellschaft“ begreifen muss, so beschreibt Dominik Graf die Rolle des Polizisten in Polizeifilmen. Grafs Gedanken setzt Joon-ho Bong in „Memories of Murder“ denkbar ungemütlich um: Der Mörder kann nicht gesucht werden, weil die nötigen Einheiten gerade eine Demonstration von Jugendlichen zerschlagen müssen, eine tiefe Lücke des Misstrauens und des Schweigens klafft zwischen der Bevölkerung und der Polizei. Bong gelingt es auch ein Bewusstsein für seinen Schauplatz herzustellen, ein diffuses Gefühl dafür, dass der Schrecken dort allgegenwärtig ist, ein Gefühl dafür, dass das Böse überall lauern kann und sich still und unbemerkt immer weiter durch die Gesellschaft durchfrisst. Am Ende wartet kein Twist, keine (Er-)Lösung sondern nur vollkommene und quälende Ungewissheit – die Welt verliert ihren Schrecken nicht, er ist in die Orte eingebrannt. „Memories of Murder“ ist ein wunderbares Beispiel welche komplexen Möglichkeiten des Erzählens und welche Denkräume ein Genrefilm eröffnen kann.
1) Mad Max – Fury Road
2) Polizeiruf 110 – Kreise
3) Carol
4) Bridge of Spies
5) Alles steht Kopf
6) Steve Jobs
7) Was heißt hier Ende?
8) A Most Violent Year
9) Blackhat
10) Inherent Vice
http://www.moviepilot.de/liste/top-10-2015-jeffcostello
Nur noch Matthew McConaugheys und Woody Harrelsons Namen im Vorspann, der auch in Staffel 2 wieder ein ästhetischer Hochgenuss ist, erinnert an die erste Staffel. Alles andere hat sich radikal verändert und vielleicht ist das der Grund, warum Staffel 2 so viel Ablehnung erfahren hat. Aber auch sonst macht es Staffel 2 den Zuschauern nicht immer leicht: Der Krimi-Plot ist nur noch Oberfläche. Inmitten einer Lawine an Namen, Informationen, Lügen, Korruption, Verstrickungen und Zusammenhängen behält man unmöglich den Überblick – wie auch die Figuren ist man als Zuschauer orientierungslos. Am Ende ist die Aufklärung des Falls dann aber doch ganz banal. Der Plot ist nur reine Oberfläche in der zweiten Staffel „True Detective“, aber das ist nichts Schlechtes, denn das Zentrum bilden die Figuren. Manche von ihnen stecken voller Träume und Lebenshunger, andere hingegen sind Lebenssatt und sehen den Tod geradezu herbei. Alle haben aber eines gemeinsam: Sie wissen mit sich und der Welt in der sie Leben nicht viel anzufangen. Nic Pizolattos Figuren sind, wie auch in der ersten Staffel schon, von beachtlicher, vor allem auch berührender Charaktertiefe. Wenn seine Figuren mit ihrem Leben, mit ihrer Sexualität, mit ihrer Kindheit hadern, sich hoffnungsvoll ihren Träumen hingeben oder aneinander Halt finden, dann gelingen Momente von großer Intimität. Die 35mm-Fotographie von Staffel 1 ist auch passé, sie wird eingetauscht gegen flirrende, rauschende Digitalbilder. Immer wieder sehen wir die Landschaften von oben, und können die Ausweglosigkeit, die allgegenwärtige Uneindeutigkeit und Paranoia auch topologisch begreifen. Immer wieder werden fiebertraumartige Momente erzeugt, Nahtoderfahrungen, surreale Momente, weil sich die Figuren immer mehr vom Leben entfernen. Eine heruntergekommene Bar wird zu einem bizarren Fluchtort, einer Zwischenwelt, virtuos verfremdet durch Lera Lynns Lieder. Nur an diesem von der Welt abgeschirmten Ort können die Figuren immer wieder kurz zu sich selbst finden.
"Spectre" ist leider eine größtenteils ernüchternde Erfahrung. Die Eröffnungsszene in Mexiko ist noch sehr schön, eine spätere Verfolgungsjagd in den Österreicher Alpen ist ebenfalls gut inszeniert, aber Sam Mendes versteht sich leider offensichtlich nicht als Action-Handwerker und so kommt es einem beinahe vor als wolle sich „Spectre“ ein wenig vor der Action und vor einer druckvollen Inszenierung drücken. Die Verfolgungsjagd durch Rom ist unschön verschnitten und generell werden wirklich alle Actionszenen von Thomas Newmans unangenehm epischer Dröhn-Kulisse entstellt. Alles in „Spectre“ ist viel zu bedeutungsschwer und die ständig zwanghaft hergestellten Verbindungen zu dem wesentlich gelungeneren Vorgänger „Skyfall“ fühlen sich bisweilen wie lästige Pflichtschuld an. Vor allem der Bösewicht, Blofeld, der in den früheren Filmen ein bedrohlich-diffuser Angstmacher war, wird hier schamlos der Lächerlichkeit preisgegeben und – wie überhaupt alles in dem Film – entmystifiziert und bis zur Unkenntlichkeit ausgeleuchtet. Walz spielt immerhin so gut es geht gegen das Drehbuch an. Die ständigen Hommagen an die früheren Filme wirken auch befremdlich, Mendes kann mit ihnen nicht wirklich etwas anstellen, er stellt sie bloß aus, sie wirken zu keinem Zeitpunkt lebendig. „Spectre“ hat zweifellos einige gelungene Momente und Hoyte Van Hoytemas Bilder sind wunderbar, aber in der Gesamtheit bleibt doch ein sehr durchwachsener Bond-Film. Es ist nicht weiter Schade, dass „Spectre“ der letzte Bond-Film von Sam Mendes ist, der hoffentlich für Bond Nr. 25 mal wieder durch einen guten Handwerker abgelöst wird.
Aus dem verträumten, winzigen Dorf in der New Yorker Vorstadt, so klein und ländlich, dass es von der großen Stadt in der Nähe kaum etwas ahnen lässt, kommen Cravens Protagonistinnen her. Am Anfang können die Mädchen im Wald noch träumerisch vom Erwachsenwerden fantasieren, und erfüllt von adoleszenten Träumen und mit den Vorstellungen von ’68 im Kopf in die Stadt zu einem Konzert fahren. In der Stadt, die zuerst ganz trügerisch als krasse Antithese zum Vorstadtidyll erscheint, konfrontiert Craven die Mädchen beinahe unmittelbar mit ihren Vergewaltigern, eine Gruppe degenerierte Psychopaten, die er beinahe schon als Karikatur darstellt. Auf den ersten Blick wirken sie in ihrem Wahnsinn und ihrer Gewaltbereitschaft auch wie eine Antithese, nämlich zu den vermeintlich sittlichen Eltern. Staatsorgane sind bei Craven nicht mehr als eine bloße Randnotiz, für die er hauptsächlich Spott und Hohn übrig hat, am richtigen Ort sind sie erst wenn alles sowieso schon zu spät ist. Am Ende da verwischt er endgültig die Grenzen zwischen Gut und Böse, die zu Beginn noch so trügerisch klar im Raum standen, wenn die Elterngeneration ihre eigenen Werte über Bord wirft und gegen Rache eintauscht, die ebenso blutig und abscheulich ist, wie das Verbrechen selbst. Die dörfische Idylle, die sich am Anfang noch vom urbanen Chaos klar abgrenzen konnte, ist endgültig dahin, auch im vermeintlichen Idyll hat die Gewalt schon längst unter der Oberfläche gebrodelt. Auswege, oder Räume in denen sich Jugendliche überhaupt sorgenfrei entfalten könnten gibt es anscheinend keine. Ein unfassbar intelligenter Film.
In „My Soul to take“ lässt Wes Craven sein Werk Revue passieren, er reflektiert über seine Filme und lässt seine stets bedienten Themen, Motive und Ansätze langsam ineinander zerfließen. Im Mittelpunkt stehen Jugendliche, wie so oft im Kino von Wes Craven, Erwachsene haben in diesem Film kaum Platz. Der Horror ist, und auch das ist typisch für Craven, in der Vergangenheit verortet, der Horror ist eine Bürde, die den jugendlichen Figuren von der Elterngeneration aufgeladen wurde. Was früher Freddy Kruger war, der die Jugendlichen aus der Vergangenheit heimsuchte, ist hier eben der „Riverton Ripper“, der sie in Angst und Schrecken versetzt. „My Soul to take“ ist ein Film voller Traurigkeit und Melancholie, Craven schaut in das brüchige Innenleben seiner Figuren, die mit ihren adoleszenten Problemen, Sehnsüchten und Sorgen hadern und manche auch daran zerbrechen. Die schulischen Hierarchien, problematische familiäre Gefüge, unglückliche Liebe, ein Dasein als Außenseiter und zärtliche Freundschaften, das sind die Dinge von denen Craven hier erzählt. Keine der Figuren kann sich ihre Unschuld bewahren, bis zum Ende des Films zwingt die Welt sie alle, ob bereit oder nicht, erwachsen werden, so schmerzhaft das für manche auch sein mag. Ein ausschweifendes Finale gönnt sich „My Soul to take“ nicht, es hätte diesem in sich gekehrten, düster-träumerischen, traurigen Film auch nicht gestanden. Am Ende steht schlicht das stille Liebesbekenntnis zweier Freunde, das langsam in den wunderschönen Abstand überleitet.
Paul Greengrass spielt in „Captain Phillips“ seine Figuren nicht gegeneinander aus, sondern lässt sie einander auf Augenhöhe begegnen. Die somalischen Piraten reduziert Greengrass nicht einfach auf ein gesichtsloses, dämonisiertes Feindbild um dann mit einer simplen, eingängigen Gut-Böse-Dramaturgie zu arbeiten, im Gegenteil, die Piraten inszeniert Greengrass ebenso wie alle anderen auch als Teil eines Systems, dem sie sich Überleben fügen müssen. „Captain Phillips“ analysiert präzise die absolute Machtlosigkeit aller Beteiligten innerhalb der Situation, Greengrass porträtiert eine bittere und fatalistische Alternativlosigkeit aller Akteure. Auswege oder alternative Verläufe erscheinen unmöglich. Er hält die Eskalation in seinem wie üblich aufregenden Stil fest: Die Kamera huscht über Bildschirme und Anzeigetafeln, erzittert ob der erdrückenden Enge des Rettungsbootes, fängt in fiebrigen Großaufnahmen verschwitze und angsterfüllte Gesichter ein. Die „Shaky-Cam“ ist bei Greengrass nie selbstzweckhaftes Gimmick sondern der Versuch die emotionalen Vorgänge und die körperlichen Zustände der Figuren so roh und unmittelbar wie möglich nachzuvollziehen, zu erspüren. Trotz dieser Unmittelbarkeit der Inszenierung ist "Captain Phillips" ein Film der immer versucht zu reflektieren, der immer auf der Suche nach den über die bloße Begebenheit hinausgehenden Sinnzusammenhängen und Strukturen ist.
Dem Hass, den „Episode I“ bei Veröffentlichung getroffen hat und der bis heute noch nicht wirklich verflogen ist, kann man eigentlich ohnehin nichts wirkungsvolles entgegensetzten, außer vielleicht Unverständnis. Trotzdem: „Episode I“ ist, wenn er natürlich oberflächlich betrachtet eine Abkehr von der „alten Trilogie“ ist eigentlich doch eine aufrichtige und konsequente Weiterführung. Sicher nicht ohne Fehler: Die politische Geschwätzigkeit und die Computerspiel-Ästhetik stören. Dabei hat „Episode I“ aber auch so viel zu bieten: Den kleinen Anakin mitten im großen Pod-Racer-Rennen, den vielleicht beeindruckendsten Lichtschwertkampf der Reihe, all die wunderbaren Sets in der Wüste, in der Stadt, im Wald und im Wasser. „Star Wars – Episode I“ ist das Werk eines ewig verkannten Auteurs, der seine schillernd bunte und dem Ausgangsmaterial gegenüber zutiefst aufrichtige Vision fernab von schnödem Fanservice mit dem nötigen Größenwahn und der nötigen Hingabe auf die Leinwand gezaubert hat.
Alle Figuren in Douglas Sirks Film verzweifeln, am Alkohol, an der Einsamkeit, an der Sucht nach Gefahr und Ruhm, suchen nach Rettung, nach Halt, nach Zwischenmenschlichkeit und Verständnis. Sirk erzählt mit einer hinreißenden Aufrichtigkeit und bedingungslosen Hingabe von seinen Figuren und dem allgegenwärtigen Scheitern in ihrem Leben. Die Emotionen beben und kochen über, die Figuren werden von ihren Gefühlen übermannt: Jeder Dialog, jeder Blick, jede Geste zeugt von ihrer Verzweiflung, ihrer Wut und ihrer Einsamkeit. Sirks Kamera ist immer in Bewegung, sie ist so ruhelos und aufgekratzt wie seine Figuren, die in der Luft waghalsige Kunststücke vollführen oder einfach nur im Rausch benommen stolpern und torkeln. Alle Figuren geraten in den Strudel des Scheiterns, getrieben von falschem Stolz, Selbsthass, oder blinder Wut. Und doch wird "The Tarnished Angels" mit großer Zärtlichkeit erzählt, und wenn Douglas Sirk Rock Hudson am Ende in einer ganz großartigen Szene die Geschichte noch einmal zusammenfassen lässt, wird man sich erst bewusst wie viel Anmut und Würde im ewigen Scheitern liegt.
In „Shining“ versammelt Kubrick alle Symbole, Mechanismen und Themen des Horrorkinos, bündelt sie in einem abgeschlossenen Raum, dem „Overlook Hotel“, und lässt sie auf eine Familie hinabprasseln. Aber keines dieser Horror-Elemente wirkt lebendig, keines wird wirklich genutzt, denn Kubrick ist viel eher daran interessiert den Horror auszustellen, ihn aus der Distanz zu beobachten und zu studieren. Dadurch wirkt „Shining“ eher wie eine Reflexion über den Horrorfilm als ein Horrorfilm selbst. Dazu passend konstruiert Kubrick seine Bilder emblematisch, seien es die exzessiv genutzen Steadycam-Shots auf den Gängen, Nicholson hinter der Schreibmaschine oder die Blut-Welle. Das übt natürlich einen ungemeinen Reiz aus. Genauso wie die absolute Fugenlosigkeit von „Shining“, eine sowohl zeitliche als auch räumliche Fugenlosigkeit die Kubrick konstruiert, in die er seine Figuren einsperrt, eine bedrückende Ausweglosigkeit an der er die Familie zerbrechen lässt. Eine Ausweglosigkeit, die am Ende nur durch das Zerbrechen der Familie und damit verbunden der Emanzipation der Ehefrau gebrochen werden kann. Selten hat der Begriff „Versuchsanordnung“ so sehr auf einen Film gepasst wie auf "Shining", schlägt sich bei der Luftaufnahme des Heckenlabyrinths auch visuell nieder. Kubrick betrachtet die umherirrenden Figuren aus der sicheren Distanz, ohne ihnen nahe kommen zu wollen. „Shining“ ist nie wirklich ein Horrorfilm, viel mehr ist Kubrick an einer Untersuchung der Funktionalismen und Mechanismen des Horrorfilms interessiert.
Ein Fluss triebt dutzendfach Leichen ins Bild, in einem Wald regnet es Kleidungsstücke von Verstorbenen, Städte werden in Sekundenschnelle ausgelöscht und ein Kinderlied untermalt einen Mord. Spielbergs Film findet verstörende, unmittelbare, teilweise surreale Bilder für das Grauen der Apokalypse. Die Flucht vor den Aliens ist der Versuch die Kernfamilie wieder herzustellen – die Suche nach der Mutter und die Versöhnung mit dem Vater. Die Flucht wird zu einer wahren Odyssee durch eine Welt im Ausnahmezustand, mal ganz brachial inszeniert mit Gefechten und hektischen Massenszenen in denen sich die flüchtigen Menschen gegenseitig zerfleischen, mal verdichtet als minimalistisches Kammerspiel in der hervorragenden Keller-Szene. Die Bedrohung ist dabei abstrakt – wie auch schon bei „Der weiße Hai“ und „Duell“ – sie wird nicht erläutert, sondern bleibt eine unbeschriebene Projektionsfläche und ist gerade darum auch so erschreckend. Das Happy-End hat einen wunderlichen Beigeschmack, es wirkt künstlich, wie eine verzweifelte Wunschvorstellung, es ist immer noch überschattet von dem Grauen das Spielberg zuvor so unmittelbar und wirkungsvoll inszeniert hat. In dieser Uneindeutigkeit und Künstlichkeit ist es aber vielleicht ein adäquates Ende für einen Film der aus dem 9/11-Trauma heraus entstanden ist.
„Krieg der Welten“ ist unheimlich feinsinnig in seiner Figurenzeichnung, effizient erzählt und formal hervorragend, wahrscheinlich der beste Film in Spielbergs Spätwerk.
Nichts in „True Detective“ ist eindeutig oder greifbar, die Bedrohung ist diffus und Fukunaga lässt sie auch bis zum Schluss nie greifbar werden, projiziert sie nie auf einen Täter, sondern erhebt sie zur mystischen, allgegenwärtigen Entität die immer fühlbar und unangenehm über den Dingen schwebt. Der Erzähler ist unzuverlässig, die Erzählung verschachtelt und auch die Figuren kann man nie wirklich (be-)greifen. Fukunaga inszeniert seine Protagonisten zu großen Teilen als Unsympathen, Figuren denen man sich unmöglich annähern kann. Darum greifen die vielerorts geäußerten Misogynie-Vorwürfe gegen „True Detective“ auch zu kurz. Auch die Topologie von Luisiana, das hier als Setting zentralen Stellenwert einnimmt, ist diffus, der Fall führt die Figuren durch immer gleiche Sumpflandschaften, Suburbs, Elendsgebiete und es offenbart sich ein Land im Zerfall, von der Politik verlassen, ein Land das sich immer mehr in archaische Strukturen zurück flüchtet. In diesen Momenten wird „True Detective“ zum düsteren Americana-Albtraum. Gerade diese Uneindeutigkeit verleiht „True Detective“ seinen Reiz, denn den Mut zur Uneindeutigkeit findet man im Kino leider immer seltener.
Fukunaga lässt auch immer wieder ab vom eigentlichen Serienkiller-Plot, entschleunigt seine Erzählung immer wieder, wendet sich seinen Figuren im Privaten zu, und reißt „True Detective“ zum Familiendrama herum. Ohnehin stehen die feinsinnig gezeichneten Figuren und ihre fragilen freundschaftlichen und familiären Beziehungen im Mittelpunkt.
Besonders bemerkenswert ist vielleicht, dass „True Detective“ eine Auteur-Serie ist, Fukunaga inszeniert alle acht Episoden, verleiht der Serie damit Homogenität. Er drückt „True Detective“ seine eigene Handschrift auf, so setzte er beispielsweise analoges Drehen durch und verleiht der Serie eine virtuose Form. Kühle, drückende Enge in den Büroräumen, flirrende, fahrige Nachtaufnahmen, triste Bilder des verfallenen Louisianas mischen sich mit einer herausragend konzipierten Soundkulisse und immer wieder surrealen Einschüben zu einer wahrlich bedrohlichen und düsteren Genre-Erfahrung.
„Halloween 2" ist konzipiert als surrealer White-Trash-Abtraum, als hemmungslose Freakshow, als unerbittliches Terrorkino und irgendwo zwischen der Gewalt und dem Lärm, zwischen den epileptischen Schnitten, da geht es in Zombies "Halloween 2" auch um die zärtlich-fragile Selbstbehauptung eines traumatisierten Teenagers. Inszenatorische Harmonie wird eingetauscht gegen anarchisches Terror-Kino, das den eigenen Wahnsinn – inhaltlicher sowie formaler Art – in jedem Moment frenetisch zelebriert. "Halloween 2“ ist auch ein ungemein sinnlicher Horrorfilm und gerade Sinnlichkeit ist, was dem zeitgenössischen Horrorfilm ein wenig zu fehlen scheint (von Ausnahmen wie Ti West einmal abgesehen). Rob Zombie verleiht dem Killer eine tragische Tiefe, eine Todessehnsucht, eine Sehnsucht nach Familie und Zugehörigkeit und taucht diese Szenen in gleißend weißes Licht. Er schwelgt in bedrohlich düsteren Naturaufnahmen und er fängt immer wieder die letzten Blicke auf den Gesichtern der Sterbenden ein. Michael Myers als unnahbarer Mörder wird eingetauscht gegen eine tragische Figur, Zombie verleiht ihm ein Innenleben. Darum ist es auch nur konsequent, dass er ihm auch die Gesichtslosigkeit nimmt und ihn ohne Maske zeigt.
Almodóvar begibt sich in „Die Haut in der ich wohne“, diesem reinrassigen Horrorfilm in Gefilde, die vor ihm vielleicht nur David Cronenberg betreten hat: Seelischer, emotionaler Schmerz manifestiert sich hier konsequent und radikal in körperlicher Veränderung/Deformierung oder in körperlichem Verfall. Hier wird die Grenze zwischen den Geschlechtern zuerst verwischt und dann überschritten. Dem Schmerz und Horror zugrunde liegt eine morbide, teilweise mit groteskem Witz erzählte Familiengeschichte, was ein Bindeglied zu Almodóvars vorherigen, melodramatischen Arbeiten herstellt. „Die Haut in der ich wohne“ ist wunderbar präzise erzählt, immer wieder platziert Almodóvar bedächtig kleine Ultra-Schocks, die das gesamte Ausmaß des Horrors nur mit quälender Langsamkeit sichtbar werden lassen. Diesen höchst perversen Horror-Albtraum, diese triebhaften Charaktere, diese hemmungslose Gewalt und Sexualität kontrastiert er mit makellosen, glatten, sterilen Bildern. So wie die wunderbare Form den grausamen Inhalt zu verschleiern versucht, ist es auch mit dem seelischen Schmerz der Figuren, er wird kaschiert durch die makellose Körperoberfläche. Die Körper sind für Almodóvar nur eine leere Formhülle, die den Schmerz und das Trauma unter sich verbirgt.
„Es hätte insgesamt ein Film von 180 Minuten werden müssen – oh herrlicher Größenwahn! In den rausgeschnittenen Szenen sieht man noch Ahnungen von einer anderen Epik…“
„Die Sieger“, Dominik Grafs große Ambition, ist bedingt durch die Produktionsprobleme ein anarchisches Film-Chaos geworden, ein völlig aus den Fugen geratenes Thriller-Ungeheuer ohne Rhythmus, ohne Struktur. Am meisten krankt der Film an seinem durch etliche vom Studio erzwungene Änderungen grausam zerschnippeltem Drehbuch, so wurde zum Beispiel der RAF-Kontext gänzlich aus Schütters Originaldrehbuch entfernt. Was als episches Psychogramm einer SEK-Einheit und ihrer Lebenswirklichkeit geplant war, als Versuch die Strukturen der Fernsehserie zum Kino zu erheben, wie es Graf Jahre später mit "Im Angesicht des Verbrechens" verwirklicht hat, ist zum letzten Genrefilm geworden den Graf für das Kino gedreht hat, zum großen Flop, manche Kritiker machten ihn gar für den Niedergang des Genrekinos in Deutschland verantwortlich.
In einigen Szenen kann man aber noch erkennt was möglich gewesen wäre, wenn man Graf und Schütter freie Hand gelassen hätte: Action-Momente von höchster Intensität, Liebesszenen als sexuell entgleisendes Körperkino, fiebrige Verhörszenen, die Figuren gefangen in zwangsjackenengen Räumen und immer wieder sehnsuchtsvolle Aufnahmen der Stadt, die Graf in diffusen bläulich-kalten Nebel hüllt. Der größenwahnsinnige Traum von großem deutschen Genrekino. Graf dreht mit seinem unerbittlichen Realismus ein bitteres Porträt deutscher Lebenswirklichkeit, voller trauriger, verlorener Figuren, voller Misstrauen gegenüber dem Staat, der sich rauschhaften Allmachtsfantasien hingibt. „Die Sieger“ ist trotz all den Problemen und Schwächen ein großartiger Film, denn das Chaos, die Anarchie, das Scheitern verleiht den Siegern nur umso mehr tragische Anmut.
"I don't think the Hulk is a superhero. He's the first Marvel character who is a tragic monster. Really an anti-hero."
Schaut man auf die Filmographie von Ang Lee, ist „Hulk“ schon ein Kuriosum, zwischen Filmen wie „Der Eissturm“, „Brokeback Mountain“ und „Sinn und Sinnlichkeit“ wirkt er beinahe schon fehl am Platz, von der internationalen Filmkritik wurde „Hulk“ damals auch ziemlich negativ aufgenommen und bis heute scheint ihm ein schlechter Ruf anzuhaften (auch hier auf Moviepilot scheint er keinen guten Ruf zu genießen).
Dabei hat Ang Lee nicht nur eine der wundervollsten Comicverfilmungen gedreht sondern bei genauerem Hinsehen eigentlich auch einen mehr oder weniger typischen Ang-Lee-Film. Lee legt seinen Fokus auf die menschlichen Belange, auf das menschliche Drama und versteht Hulk nicht als Superheld sondern im Gegenteil eher als tragisches Monster. Er interessiert sich für das Zusammenbrechen der Zwischenmenschlichkeit die das Dasein als Monster mit sich bringt, für die Vater-Sohn, bzw. Vater-Tochter Konflikte, für die tragischer Liebe seiner Protagonisten. Jennifer Connellys Rolle nimmt dabei ganz zentralen Charakter ein, ist nie nur Beiwerk, ganz im Gegenteil, eine herrlich starke, emanzipierte Frauenrolle.
„Hulk“ ist ein unheimlich sinnlicher Comic-Film, Lee betört mit einem hinreißenden Spiel aus Farben, mit wunderbar zärtlichen Momenten und auch mit herrlich spaßigem Krawall, wenn er Hulk freien Lauf lässt. Er überträgt die Bildstrukturen eines Comics ganz radikal und konsequent auf seine Film-Bilder und auch seine oft stakkatoartige, sprunghafte Narration erinnert die die Erzählstrukturen eines Comics. Ein leider ziemlich verkanntes Meisterwerk.
Wer denn nun wirklich und in welchen Anteilen an der Entstehung von „Poltergeist“ beteiligt war, lässt sich wohl nicht wirklich feststellen, sicher ist aber, dass man sowohl die Handschrift von Tobe Hooper als auch die von Steven Spielberg im fertigen Film deutlich erkennen kann. Hooper kehrt seinem rohen, schmutzigen und schmucklosen Ansatz vom „Texas Chainsaw Massacre“ den Rücken zu und inszeniert „Poltergeist“ in seinen besten Momenten als rasend schnellen Hounted-House Terror, als wildgewordenes Horror-Karussell, veredelt von dem großartigen Jerry Goldsmith Soundtrack, voller stimmiger Gruselmomente und großartig platzierter Tricks. In seinen wildesten Momenten verweist „Poltergeist“ damit vielleicht schon ein wenig auf Hoopers späteres Ultra-Werk „Texas Chainsaw Massacre 2“. Gleichzeitig ist „Poltergeist“ auch noch ein seltsam morbider Familienfilm, denn wenn das Übernatürliche mit dem gewöhnlichen Familienleben kollidiert, dann erheben Hooper/Spielberg den familiären Zusammenhalt zum bedeutsamen Thema, um gegen den Horror anzukämpfen. „Poltergeist“ ist natürlich auch ein Film über Amerika, über den ungebremsten Kapitalismus, der alles gleichzuschalten versucht, dabei sprichwörtlich über Leichen geht, und dessen brutale Konsequenzen am Ende die „kleinen Leute“ zu spüren bekommen.
Audiards Filme sind oft ein Zusammenspiel von nüchterner Sozialstudie und Genrekino. Auch „Tödliche Bekenntnisse“ beginnt als Sozialdrama und driftet dann in der zweiten Hälfte zum brutalen Heist-Krimi. Dabei wirkt der Übergang bei Audiard nie künstlich oder störend, sondern vollzieht sich ganz natürlich und fließend. Den Figuren, Außenseitern, Randgruppen, alleine schon wegen ihrer körperlichen Beeinträchtigung (ein Thema, dass Audiard in „Rust and Bone" wieder aufgegriffen hat) aus der Gesellschaft ausgegrenzt, bleibt scheinbar gar nichts anderes übrig, als sich der Kriminalität hinzugeben, um sich in der Welt behaupten zu können. Audiards ultra-präzises Drehbuch lässt den Film ganz langsam eskalieren, vom kritischen Überprüfen der gesellschaftlichen Realitäten und vom nüchternen Realismus hin zum abgründigen Film Noir der am Ende in ein wahres Inferno mündet und dem es gleichzeitig gelingt feinsinnige Psychogramme seiner Protagonisten zu zeichnen. Die Gehörlosigkeit der Protagoniatin schlägt sich dabei wirkungsvoll auf der Tonspur nieder und die Kamera ist in extremen, ruckelnden Nahaufnahmen pulsierend unmittelbar dran am Geschehen. Im Fokus von Audiards Interesse stehen dabei die gegensätzlichen Figuren, hervorragend gespielt von Cassel und Bedos, und die fragile Verbindung die zwischen ihnen Entsteht, die am Ende in zärtliche Zuneigung mündet.
All das was Paul Thomas Anderson später noch perfektioniert hat, sehen wir in "Sydney", so der von Anderson präferierte Titel, der von den Produzenten in „Hard Eight“ umgeändert wurde, in noch roher, unbehauener Form. Formal die großartigen Plansquenzen von Robert Elswit, die von Jonathan Demme inspirierte subjektive Kamera und die wundervollen Close-ups. Inhaltlich das Zusammenkommen von umherirrenden Einzelgängern die sich zu einer (Ersatz-)Familie zusammenraufen und das Thema der Schuld und Buße. Nur die Narration, die Anderson einen Film später, in „Boogie Nights" schon perfektioniert hatte, misslingt ihm hier ein wenig, wirkt sprunghaft und konfus. Doch so holprig die Geschichte stellenweise auch erzählt ist, sie funktioniert trotz der erzählerischen Schwächen, sie ist unheimlich zärtlich und sensibel und die Figuren wundervoll geschrieben. Was natürlich auch den Schauspielern zu verdanken ist, dem großartigen Philip Baker Hall, der seine Rolle mit einer großen inneren Ruhe spielt, dem nervös-aufgekratzten John C. Reilly und der hinreißenden Gwyneth Paltrow, die nie wieder so gut war, wie hier.
Gerade im Vergleich zu seinen letzten beiden Filmen, die, so gut sie auch waren, ein wenig an Kraft und Virtuosität verloren haben, ist es erfrischend Paul Thomas Anderson so roh und jung zu erleben wie hier. Ein großartiger Film!
"Viele Filme liefern visuellen Lärm, "Mad Max" – hoffe ich – visuelle Musik."
George Miller in der "Welt"
George Miller befreit sich konsequent von narrativem Ballast und explikativen Zwängen. Die perverse Fetisch-Welt, in die er uns ohne ganz ohne Exposition hineinschleudert, erklärt er uns nicht, ihre absonderlichen Rituale und ihre Funktionalismen bleiben wunderbar absurd und rätselhaft. Erzählen tut Miller auch nicht, es gibt in dieser Welt auch nichts mehr zu erzählen, „Mad Max – Fury Road“ ist ein einziger, langer, völlig entgleisender Bewegungsvorgang.
Die blutige Auflehnung der jahrelang unterdrückten und ausgebeuteten Frauen gegen das faschistisch-perverse Patriarchat verpackt Miller als hemmungslose Action-Fata-Morgana. Bulliges, handwerklich beeindruckendes Körperkino, ein Fiebertraum voller Blut und Schweiß, in dessen Bildern man aber auch viel Schönheit und Zärtlichkeit finden kann. „Mad Max“ ist ein sehnsuchtsvoller Film, der Blick schweift oft in den rar gesäten Momenten der Ruhe zum Horizont und betrachtet schmerzvoll die unerreichbare Ferne. Kurze Momente der Ordnung durchbrechen immer wieder das Chaos. Die großartige, absolut detailverliebte Ausstattung lässt die postapokalyptische Welt bedrohlich lebendig wirken, aber oft bedient sich Miller auch beinahe minimalistischer Einstellungen, von Menschen die verloren wirken in der endlosen Wüste, aus der es kein Entkommen gibt.
Miller meint es dabei völlig ernst mit seinem feministischen Ansatz, so stellt er Imperator Furiosa der Figur von Max konsequent als gleichwertigen, wenn nicht sogar überlegenen weiblichen Gegenpol zur Seite, zwischen denen sich dann auch eine ganz schüchterne Zärtlichkeit ausbildet, aus der auch die Sehnsucht nach der längst verlernten Zwischenmenschlichkeit spricht.
„Fury Road“ ist die wohl konsequenteste Fortsetzung zu der ursprünglichen Trilogie, die Miller hätte drehen können, frenetisches, völlig hemmungsloses Action-Kino.
„Bei Frost stehen die Moleküle still, dann ist die Welt rein.“
In Ang Lees Film steht nichts still, nichts im Leben der Figuren ist „rein“. Alle sind in ständiger Bewegung, driften voneinander weg, oder prallen aufeinander. Jede Begegnung kommt einer Erschütterung gleich, deren Auswirkungen und Spätfolgen Lee beobachtet. Kleine Verletzungen und Kränkungen verwandeln sich in klaffende Risse und treiben die Menschen immer weiter in die Isolation. Ang Lee beobachtet das mit großer Ruhe und manchmal auch mit feinem Witz, den er aber nie die Grenze zum bitteren Zynismus überschreiten lässt. Mit großer Empathie beobachtet er die vergeblichem Versuche seiner Figuren die emotionale Kälte zwischen ihnen zu überwinden. Die Kinder nimmt er dabei genau so erst wie die Erwachsenen, oft sind es die Kinder, die die Welt und die Menschen in ihrer adoleszenten Auflehnung viel besser begreifen, als die Erwachsenen. Visuell gibt es ein paar herrliche Verweise auf Sirks Familien-Melodramen, meistens hält Ang Lee die Form aber reduziert und elegant. Es gibt viel erdrückende Stille, viele lange Einstellungen, eine große formale Ruhe, die den großartigen Schauspielern viel Raum lässt. Beinahe ganz beiläufig ist „Der Eissturm“ auch ein Porträt der politischen und gesellschaftlichen Spannungen und Wirren der frühen 70er Jahre und ihre Auswirkungen auf die Menschen.
"Shutter Island" ist eine kalte Schönheit von Film, ein schauerromantischer Film über das Kino selbst. Kino als krankhaftes Festhalten an der Vergangenheit, Kino als obsessive, endlose Wiederholung der Vergangenheit, Kino als Trauma. Am finalen Twist ist "Shutter Island" herrlich desinteressiert, verrät ihn sogar ganz explizit nach der ersten Hälfte. Dafür führt Scorsese den Zuschauer auf ganz andere Weise an der Nase herum, wenn die Erinnerungsfetzen über die Befreiung von Dachau das wahre Trauma von DiCaprios Figur verschleiern. Erinnerung ist für Scorsese hier ein Flickenteppich, und so filmt er "Shutter Island" als löchriges Mosaik aus Rückblenden und Traumszenen. Scorseses Figuren waren oft Gefangene: Gefangene ihres Ehrgeizes, ihrer Gangster-Welt, ihrer Lebensumstände. In "Shutter Island" fängt er sie diesmal auch räumlich, in einem ganz klassischen, herrlich inszenierten Insel-Königreich mit einem fantastischen Max von Sydow als bösem König. Definitiv ein Höhepunkt im Scorsese-Spätwerk.
Schwebende Erzählfragmente, ätherische Momentaufnahmen von Menschen an einem Flughafen. Momente von Unsicherheiten, Ängsten, Bekenntnissen und Sehnsüchten fängt Schanelec ein, ohne dabei je wirklich etwas zu erzählen. Der Blick ihrer Kamera streift immer nur kurz Unterhaltungsfetzen und gleitet dann schnell wieder weiter. Die Dinge sind kurz im Fokus, werden aber immer schnell wieder aus den Augen verloren. Der Flughafen ist eine Art unwirkliche Zwischenwelt, ein Nicht-Ort, eine Welt der Unentschlossenheit, ein Ort der Begegnungen, ein Ort an dem niemand je angekommen ist, immer nur eine Station einer Reise.
"Orly" befreit sich sowohl von narrativen Zwängen als auch größtenteils von formalen Zwängen. Er ist einzig daran interessiert die emotionalen Zustände seiner Figuren so aufrichtig wie nur möglich zu begreifen. Kein biederer Realismus, sondern behutsames Erleben des Moments. Ein kleines Wunder der Berliner Schule.