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Alle Kommentare von lieber_tee
„Die haben nix drauf, außer Zahnbelag!“
Klischee olé! „Sommersturm“ ist ein fluffiges Coming-of-age-Schwuli-Filmchen. Es hat so viel Tiefe wie der Starnberger See, und der ist immerhin 128 Meter tief. Jeder ist so wie er ist, Schwule sehen nicht wie Schwule aus, jeder darf seine feminine Seite ausleben und Heten kneten geht auch mal. Bloß nicht das Pro 7 - Fernsehpublikum mit ungeklärten Fragen und Sperrigkeiten belangen. In Marco Kreuzpaintners autobiographischer Sommertraum wird zu schwuler Musik und schmissigen Dialogen, kurzweilig und verliebt, der männliche Körper mit der Kamera gestreichelt. Homosexualität als Wir-haben-uns-alle-lieb-Feel-good-Film. Leiden heißt hier Schmachten, oder wird mit Onlinern wie „Darf ich kein Mädchen mehr küssen, nur weil ich schwul bin“ aufgelöst. Der Film ist offensichtlich keine unbequeme Studie über sexuelle (Des-) Orientierung von Jugendlichen, sondern ein wohlwollender und ganz gut gemeinter Streifen über den Mut des Outings. Mit viel Sonne im Herzen, viel Körperlichkeit und über-offensichtlicher Natur-Symbolik, gibt es hier schwules Ferienglück. Das darf ohne Probleme unreifen Kindern (und ohne der Unterschrift der Eltern) in der 7. Klasse gezeigt werden, weil es pädagogisch wertvolle Dialoge formuliert („Wenn du dich ein Leben lang versteckst, dann findest du dich irgendwann gar nicht mehr.“). Mit der bitteren Realität (auch heute noch) eines Outings hat das wenig zu tun, ist aber trotz aller Sterotypen, wegen seiner Leichtigkeit und des empfindsamen Spiels der Jungdarsteller, weitaus besser als manch Betroffensein- und Depri-Kino zu dieser Thematik.
6,5 Vorhäute im Reißverschluss eingeklemmt.
„Ich bin nicht gegen die Männer, ich bin für die Frauen!“
Inmitten der Geburt der feministischen Bewegung in den frühen 70er Jahren Frankreichs webt Catherine Corsini eine Liebesgeschichte zwischen zwei unterschiedlichen Frauen. Die eine vom spießigen Land, die andere aus der wilden Stadt, beide Lebenswelten berühren sich. Mit viel Humor und einem Hauch von Rationalismus treffen die politischen Ideen und Forderungen der weiblichen Emanzipation auf die individuellen Bedingungen im konservativ-patriarchischen Bauernland. Die Widersprüche sind sanft erzählt, aber deutlich in ihren Aussagen und werden von zwei charismatischen Hauptdarstellerinnen (Cécile de France und Izïa Higelin) zwischen sinnlich-schön, stark und zerbrechlich getragen. Mag manches Klischee durch die sommerlich-poetischen Bildern zu dicke wirken und dem Film auch etwas der Mut zur Radikalität mangeln, die lockere Faszination der organisch erzählten Feminismus-Parabel bleibt bestehen. Und der Film offenbart immer seine Aktualität, sei es Themen wie finanzielle Ungleichheiten in der Arbeitswelt und die Schwierigkeit sich als Frau aus den Familienfesseln zu lösen um finanziellen Unabhängigkeit zu erlangen.
7 zerschlagene Träume.
Mutanten und die fehlende Menschlichkeit.
Es ist kaum zu leugnen, dass "The Quatermass Xperiment" ein wichtiger Film in der Geschichte des phantastischen Kinos ist, da er dazu führte, dass Hammer ein genreweisendes Studio wurde. In seiner damals überdurchschnittlichen Art erschuf Val Guest einen Klassiker des noirischen Sci-Fi-Horror-Films. Mit seinem dokumentarischen Styling und mutigen Mangel an einem Sympathieträger erzeugt er eine Sperrigkeit, die noch heute faszinierend ist. Der Wissenschaftler Quatermass ist eine unnahbare Bulldogge. Von seinem eigenen Ego angetrieben, treibt er Forschung ohne Mitleid voran. Das erzeugt eine gespenstische Atmosphäre, denn diese Beharrlichkeit gleicht Terror und wirft einen giftig-süffisanten Blick auf die moralischen Grenzen von Wissenschaft.
7 fremde Parasiten.
Spanisches Anti-Helden-Kino.
Die Charaktere (ein Geächteter, ein verlorenes Mädchen, Banditen) und Handlungselemente (Erlösung, Opfer) leihen dem Film den Eindruck eines Neo-Westerns (und Road-Movie) in den trockenen Ebenen von Katalonien. Es ist beachtlich, wie dieses junge Filmteam mit nur eine halbe Millionen solch einen Film auf die Beine gestellt hat. Ihre Liebe zum amerikanischen Kino ist offensichtlich, kombiniert mit dem Realismus des europäischen Films. Die erste Hälfte entwickelt sogar so etwas wie einen, geradlinigen, packenden Sog, wegen seiner minimalistischen Prämisse. Das Endergebnis überzeugte mich aber nicht in letzter Konsequenz, dafür entwickelte sich der Streifen zu unglaubwürdig und konstruiert, bediente mir zu viel die bekannten (und konstruierten) Muster und Elemente des Genres.
5 Kugeln aus dem Rücken herausholen.
Wenn Vorzeige-Cheerleader rauchen…
Ich bin grundsätzlich wohlwollend und offen für amerikanische Live-Action-Adaption von bekannten Mangas aus Japan, da ich glaube, dass sie nicht 100% treu der Quelle sein müssen, wenn sie ihre eigene, neue Interpretation finden, andere formale Mittel bedienen und die vermeintliche kulturelle Identität des Originals mit einer möglichen US-Amerikanischen Mythologie ergänzen. Das ist dann nicht Whitewashing sondern künstlerische Freiheit.
Adam Wingard war vor Jahren einer der vielversprechendsten Regisseure des Horror-Genres. Nach seinen schwachen Produktionen Outcast und Blair Witch Project 2016 hatte ich kaum noch Erwartungen an ihm. Wie schafft er den Spagat zwischen dem Kult und der Komplexität der Vorlage hinzubekommen und gleichzeitig ein massentaugliches Produkt für den heimischen Markt zu erschaffen? Er schafft es gar nicht, nicht einmal ansatzweise. Das Ergebnis ist katastrophal. Wir können wohl davon Abschied nehmen, das Wingard jemals wieder ein gelungenes Projekt auf die Beine stellen wird.
Das Problem mit Netflix's Death Note ist, dass es so gut wie gar nicht das Wesen des Quellmaterials berücksichtigt, stattdessen nur Hollywood-Stereotype bedient, in Form von Action, Teen- Romantik und übernatürlichen Thriller. Schon die Original-Serie ist nicht sonderlich rund, hat aber einige interessante Ideen. Die Sucht nach jugendlicher Allmacht, die Verantwortung in sozialen Fragen, Menschen als Werkzeug der Manipulation. Death Note ist eigentlich eine nihilistische und satirische Macht- bzw. Gerechtigkeits-Studie. Von dieser beunruhigenden Thematik ist in Wingards Film nichts zu spüren. Er schafft es nie den Protagonisten ausreichend in seinem Gottes-Komplex zu reflektieren. Der Versuch den jugendlichen Geist des Mangas in den Film zu transportieren bedeutet nur gedämpfte Grautöne in stylischen Neon-Noir-Touch mit flotter Indie-Musik, wo am Ende der missverstandene Held erlöst wird. Anzusprechen, dass hier eigentlich ein Irrer am Werk ist, bzw. ein Gefangener seines Selbst, traut sich der Film nicht. Das makabere Spiel um Gerechtigkeit wird zu einer unausgegorenen und übereilten Mischung aus Terror, Komödie und Spannung, das geistige Schachspiel zwischen Light, L und dem Todesgott zu einer geistigen Null-Nummer.
Letztlich stehen wir vor einem Film, der nicht weiß was er will, nie das Wesen des Originals verstanden hat, geschweige denn übertragen kann.
2,5 Notizbücher aus dem Himmel.
„Du bist ein Trooper mit Eiern aus Stahl!“
War der erste Film von Paul Verhoeven noch eine (mehr oder weniger) giftige Satire auf den Kriegsfilm, sind die Fortsetzungen der reaktionären, literarischen Vorlage näher und letztlich nur Franchise-Produkte für Kriegspornographie. Auch der fünfte CGI-Animations-Abklatsch ist angefüllt mit Militär-glorifizierenden Phrasen in Form eines Landser-Groschenheftes, wo die menschliche Wehrmacht einen Insektenausbruch auf dem Mars den Garaus macht. Krieg als Heldentum, Krieg als Selbstbestimmung, Krieg als Abenteuer. Optisch ist das sehr fein animiert, inhaltlich ein endloses Ertüchtigungsgeballer aus Durchhalteparolen, geilen Kampfgeist und unreflektierten Propagandakino, da nützen auch die angeblich (und von Kritikern gern überinterpretierten) satirischen Einspieler nichts.
2 Bug-Plasma-Bomben der Dummheit.
"Vergiss Geld oder Frauen. Gepanzerte Trucks zu überfallen, ist das, wovon ich einen Ständer bekomme"
Der Regisseur Julien Leclercq bedient ohne ein Gramm zu viel die Mechanik des (französischen) Gangsterfilms. Archetypen, minimal charakterisiert, verhandeln hier die Quintessenz des Genres in verknappten 80 Minuten. Ihre Beziehungen untereinander, die Spirale der Gewalt, ist vorhersehbar, die ethnischen Klischees und Pariser Stadtrandzonen sind aus zahlreichen ähnlichen Filmen bekannt. Mit deutlicher Leidenschaft und unbestreitbar auf den Punkt inszeniert, lebt der Film die Absicht aus, ein angetriebenes Actiondrama zu sein. Da macht er keine Gefangene. Eine perfekte Choreographie aus Körpern, Objekten und Orten, deren trockene Eleganz besonders in den Raubszenen famos verdichtet wird. Dass die Geschichte dagegen hinterher hinkt, durchaus hätte anspruchsvoller sein können, hindert den Film aber nicht daran eine angenehme Intensität zu erreichen.
6,5 hohle aber effektive Punkte.
„In fünf Minuten pfeifen die in Herne an, und wir sind hier am Arsch der Welt.“
Die Fortsetzung zum TV-Film „Aufforderung zum Tanz“ war 1980 an den Kinokassen in Deutschland ein enormer Erfolg weil sie als Road-Movie das Herz am richtigen, proletarischen Fleck hatte. Marius Müller-Westernhagen überzeugt als sympathisches Arschloch, das versucht mit seiner Kodderschnauze zu verdecken was er für ein Loser ist. Sich ständig in Fettnäpfchen begebend, ist er als verträumter Anti-Held die perfekte Identifikationsfigur vom kleinen Mann von Nebenan. Er gibt nie auf, prollt sich durchs Leben und ist im ständigen Streit mit sich und seiner Umgebung. Dass der Film wunderbar ehrlich und völlig un-intellektuell dem deutsch-verkopften Autorenkino der Zeit entfernt ist, stattdessen eine klischeehafte und manchmal unbeholfene Actionfilmsause quer durch Europa bietet, macht ihn so sympathisch. Deutsches Kino aus dem Bauch, mit einem wunderbaren Gespür für Emotionen, Komik und Tempo. Etwas, was dem deutschen Genrekino heute abhanden gekommen ist. Und deshalb ein Film, der nicht nur aus nostalgischen Gründen sehenswert ist.
7 schnelle Nummern im Wohnwagen.
Nunsploitation auf mexikanisch.
Regisseur Juan López Moctezuma war offensichtlich von Alejandro Jodorowskys psychedelischen Filmen (die er auch produziert hat) und avantgardistischen Theaterstücken geprägt, als er diesen erstaunlich bizarren Horrorfilm gedreht hat. Über-symbolisch, tief in einer gotischen und grell-roten Ästhetik versunken, ist ALUCARDA eine ebenso expressionistische wie exploitative Behandlung der Dichotomie Glaube / Sexualität / Satanismus. Verborgener, vampirischer Lesbianismus trifft auf fanatische und entfremdete Wesen, Katholizismus wird zu einer pervertierten Lehre aus Sünde, Angst und Dogmatismus. Die Aspekte werden nie vertieft, sondern grell dem Zuschauer um die Ohren und Augen gehauen, was dazu führt, das er in einem ununterbrochenen Zustand der Verwirrung bleibt. Herrlich wildes, versautes und pralles, mexikanisches Kino aus dem 70er-Jahre-Keller.
7 brennende Nonnen.
Lolita und der Erinnerungsdetektiv.
"Mindscape" wartet mit einer interessanten (nicht neuen) Idee auf. Ein "Memory Detective" hat die Fähigkeit in Erinnerungen einer Person einzutreten, umso mögliche Verbrechen zu erkennen. Hier taucht er in die Gedankenwelt einer Tochter aus reichem Haus ein, die entweder unter einem Kindheitstrauma leidet oder eine mörderische Soziopathin ist. Helfen oder verurteilen, dass mentale Katz und Maus-Spiel kann beginnen. Daraus zieht der Film seine Grundspannung. Leider macht er aus der Prämisse nicht viel. Nicht nur, das die Auflösung aufmerksamen Zuschauern nach wenigen Minuten klar ist, der ganze Verlauf leidet unter Vorhersagbarkeit. Die Hinweise verpuffen schnell in konstruierte Überraschungen, die Auflösung ist enttäuschend. Wenn schon zahlreiche lose Enden verstreut werden, um sie mit einer letzten Wendung zu verbinden, dann sollten das nicht wie ein kläglicher, narrativer Betrug wirken. Allerdings ist der Weg dahin mit der routinierten Fähigkeit des Regisseurs gepflastert, grundlegende Genre-Regeln des stimmungsvollen und einigermaßen packenden Thrillers bedienen zu können.
5 mentalistische Punkte.
„Am meisten befürchtest du…? Nicht genutztes Potential!“
Unter dem Motto „vernetzt und vereint“ gerät das Mauerblümchen Mae in die Fänge einer Apple-Jünger-Sekte, die durch totale Kontrolle und digitaler Transparenz eine gigantische Daten- und Macht-Krake wird. Wie eine zu lang geratene Episode von Black Mirror, ohne deren Sinn für giftigen Humor, sind hier Drehbuch-Moralisten am Werk, die über-offensichtlich den Mangel an Privatsphäre im Internet-Zeitalter als Plädoyer gegen digitale Diktatur propagieren. Verzweifelt warnen sie uns vor einer Brave-New-World-Bedrohung, die so offensichtlich dargestellt wird, dass ihre kritischen Absichten kaum ernst zu nehmen sind. „The Circle“ ist ein tonales Durcheinander: Irgendwo zwischen Melodram, Paranoia-Thriller und moderner Satire finden sich zwar manch gelungene (visuelle) Momente, meist kleistert Regisseur James Ponsoldt die Leinwand aber nur mit Bildschirm-Tweets und Klischees zu. Was vielleicht als dystopischer Thriller gedacht war, hat in seiner altbackenen Struktur keinen Thrill und wurde längst von der technologischen Realität überholt. Kläglich unterentwickelte Charaktere wollen uns vor dem Übel der globalen (Sozial-Media-) Vernetzung warnen, während wir fleißig in der Realität Facebook und Google unsere Daten zu Verfügung stellen. Denn geht es wirklich um die Aufgabe von individuelle Freiheiten, oder eher darum technologische und humanistische Lösungen zu suchen und zu finden, damit wir mit der fortschrittlichen Entwicklung adäquat umgehen können? Diese Emma-Watson-Geschichte, von der naiven Aufstiegs-Tussie zur Welt-Erlösungsprimadonna, hilft da kaum, und Tom Hanks als Steve Jobs auf Sparflamme noch weniger. Diesem halbgaren Film fehlt die Originalität, Radikalität und emotionale Auswirkung damit wir über unser Internet-Verhalten nachzudenken, besonders weil er gerade dann endet, wenn er die wichtigen und spannenden Fragen stellt.
4 PowerPoint-Präsentationen.
Bin ich in den 80ern auch so peinlich herumgelaufen?
Die Michelin-Männchen-Proleten schlagen zu. Exploitationfilm aus der fränkische Metropole Nürnberg, der eine Legende geworden ist, weil er offenbart wie unfreiwillig komisch ein Heimat-Film für geile Stecher und Koks-Nasen sein kann. Sein naives schauen auf Selbstjustiz- und Kampfsportfilmen aus den USA ist eine sympathische Form des bürgerlich-biederen Dilettantismus. Wenn Kirmes-Boxer Rene Weller und das zu lang geratene Karate-Kid Peter Althoff, mit unverhohlenen Narzissmus und Chauvinismus, Drogendealern zeigen wo der Hammer aus der Hose hängt, das kesse Bienchen Bea sich bedienen darf, dann verströmt der Film diesen unnachahmlichen 80er-Jahre Turnhallen-Mief aus ranzig-pubertären Schweiß und abgestandenen Socken. Oberlippenrotzbremsen, Zuhälter-Schulterpolster, hautenge Herrenjeans, optisch ist „Macho Man“ nahe eines Gruselfilms, der geilen Ischen die Hupen einseift.
Filmperle des schlechten Geschmackes.
6 Sex-Szenen, die der „schöne René“ gerichtlich verordnet raus-schneiden ließ.
Wenn Blutergüsse zum Fetisch werden…
Mit stylischen Sonnenbrillen-Verve und der Comic-Buch-Vorlage im Stil treu bleibend, erzählt Ex-Stuntman David Leitch einen Kalten-Krieg-Spionage-Witz. Selbstparodistisch und ultra-gewalttätig atomisiert „Atomic Blonde“ ernsthafte Genderdiskussionen und Analysen über clevere Drehbücher, weil hier einfach nur eine coole Show abgezogen wird. Klar, der überlangen und unnötig undurchdringlichen Geschichte fehlt die thematische Schlagkraft, den knusprigen Kampfszenen allerdings nicht. Zu den besten Hits der 80er mutiert Lady-Theron zu einem Bad-Ass-Mädel, das selbstsüchtig wie James Bond und stoisch wie John Wick ihren geschunden Körper von der Kamera ästhetisieren lassen darf. Dieser männliche Blick auf eine weibliche Kampfsau ist natürlich keine feministische Kampfansage, sondern die fleischgewordene Genre-Ikonographie von zuschlagender Stiletto-Weiblichkeit.
Reines Poser-Kino, das allen in den Arsch tritt.
7 geknackte Gelenke.
Überleben, das einen bösen Geschmack im Mund hinterlässt.
Artifizieller Rape'n Revenge-Reißer, der zwischen Klamauk, Soft-Erotik und roher Gewalt pendelt und sich seinem exploitativen Sinn bewusst ist. Ebenso verwirrend wie ekelhaft meißelt Ishii grob Widersprüche heraus und spuckt gezielt auf die von Männer dominierte Gesellschaft, die Opfer von Vergewaltigungen alleine mit ihrem Schamgefühl und vermeintlichen Schuld stehen lässt. Am Ende steht die blutige Selbst-Ermächtigung.
6 Grad im Kühlschrank.
„Du bist so nützlich wie ein Kondom im Kloster.“
Besonders die 80er und 90er Jahre waren ein fruchtbares Feld im Buddy-Movie-Segment. Patrick Hughes (Expendables 3) kehrt zu dieser bewährten Formel zurück. Dank der ansteckenden Chemie zwischen Samuel L. Jackson und Ryan Reynolds, die ihr bekanntes Typen-Casting schlafwandlerisch bedienen, macht der Film überraschend mehr Spaß als die vielen negativen (US-) Kritiken suggerieren. Killer's Bodyguard ist sicherlich kein perfekter Streifen. Sein Hang extreme Gewalt „lustig“ zu servieren ist zwiespältig, dem Drehbuch mangelt es an Originalität, der vulgärer Humor ist teilweise gewöhnungsbedürftig und leider weiß mal wieder ein Autor nicht wann es sinnvoll ist einen Film zu beenden. Die Action-Szenen auf europäischem Gebiet haben allerdings ordentlich Eier in der Hose und die teilweise anarchischen Bemühungen sich auf keinen Fall ernst zu nehmen sind sympathisch, auch wenn ich mir noch mehr geballten Unsinn gewünscht hätte. Killer's Bodyguard wird sicherlich nicht in die Annalen der Filmgeschichte gehen, aber diese wilde und unartige Variation von Lethal Weapon und Midnight Run ist besser als ihr Ruf.
6 geschmackvolle Geschmacklosigkeiten.
Wahrheit oder Pflicht - Der Film.
„13 Sins“ ist das sportliche Remake eines thailändischen Films, das mehr oder weniger der "Saw" -Formel folgt und einen Normalbürger, der (zunächst) keiner Fliege etwas zu leide tun kann, durch eine Reihe von Verderbtheiten jagt. Ist das Original eine bittere Parabel über den Materialismus in der thailändischen Gesellschaft und eine perverse Ausgeburt einer Reality-Game-Show, wird aus der US-Blumhouse Productions der Versuch eines Diskurses über den Verlust von moralischen Werten durch Gier. Leider versteht Regisseur Stamm dieses Thema nie wirklich auszuarbeiten, zu klischeehaft und karikiert ist sein Protagonist. Selten gelingt es ihm den richtigen Ton zwischen absurd und ernst zu finden. Stattdessen rast das Drehbuch temporeich von einer abartigen Aufgabe zu nächsten, erreicht dabei einen bescheidenen Grad an Spannung und dunklen Humor, bevor es am Ende in eine mürrische Übertreibung kippt, voller diffusen Verschwörungs-Ideen über menschliche Gewalttätigkeit. Das ist nicht wirklich plausibel, hat mit dem Original gar nichts zu tun, aber als konzeptionierte Groteske für den hohlen Zahn funktioniert der Streifen dennoch.
5 Fliegen schlucken.
„Einsamkeit kann seltsame Dinge mit dem Verstand anstellen.“
Ingmar Bergman trifft auf das „Texas Chain Saw Massacre".
Nicolas Pecse's Debüt-Film ist ein erbarmungslos langsamer Thriller, ohne oberflächlichen Thrill. Seine Absolutheit erzeugt ein mulmiges Gefühl. Die makabere Transformation eines hilflosen Opfers zu einem bild-hübschen Monster ist mit bewusster Distanz und schauriger Logik erzählt. Das wirkt ebenso faszinierend wie abstoßend. Liebe, Geborgenheit und Familie werden entmoralisiert, Widerwärtigkeiten zu gemäldeartigen Schwarz-Weiß-Bildern. Akribisch, bis ins letzte Detail choreografiert, sehen Verderbtheiten wunderschön aus. In jeder Einstellung spürt der Betrachter, dass der Filmemacher hier einen Kunstfilm erschaffen will, dass ihm die Genre-Motive dafür nur Mittel zum Zweck sind. Jedes gestalterisches Mittel schreit nach Vielschichtigkeit, lässt den Zuschauer aber ebenso entfremdet zurück wie die Protagonistin. Bewusst wird der Betrachter nie emotional abgeholt. Mich ließ diese Kälte zunehmend kalt.
„The Eyes of My Mother“ ist anspruchsvolles Independent-Kino, das versucht den wahren Horror in seinen Aussparungen zu finden. Allerdings wirkte diese nihilistisch-deprimierende Isolation-Studie so teilnahmslos auf mich, dass diese Teilnahmslosigkeit bei mir kaum eine Auseinandersetzung über den Film heraufbeschworen hat.
6 zerschnittene Kuhaugen.
Rosa in Not.
In den Un-Tiefen des abseitigen, italienischen Kinos der 70er Jahre verstecken sich immer wieder rare Perlen, die niemals das Echo bekommen haben, das sie verdienten. Auteur Francesco Barilli gehört mit seinen beiden Kinofilmen (Pensione Paura, 1977 und Das Parfüm der Dame in Schwarz, 1974) zu diesen vergessenen Filmemachern. Seine stilistischen und erzählerischen Umwege, gern mit fantastischen Imagenationen garniert, haben nie die breite Masse angesprochen.
"Paura" ist sowohl das doppelte Trauma einer Adoleszenz, wie auch eine soziale Allegorie über Italien während der faschistischen Dekadenz. Der Handlungsort, ein Hotel an einem See während des zweiten Weltkrieges, dient als Versinnbildlichung eines gequälten Teenagers (Rosa). Die Gäste sind sexuelle Versuchungen und Bedrohungen. Pädophile Gier, schmierige Typen, vulgäre Säufer, nymphomanische Nutten und zweideutige Priester. In breitester Verwendung von dunkler Fotografie mit roten und blauen Suspiria-Lichtern taucht der Betrachter in eine unnatürliche, bedrohliche Stimmung, die mit langsamen Rhythmus gesteigert wird, um aus einem Pubertäts-Drama zu einem Kino der Ausbeutung zu werden. Das Finale ist (wie schon bei Barillis Vorgänger) ein Blitzeinschlag der Verstörung aus heiteren Himmel. Die krankhaften Beziehungen der Figuren untereinander, der holprige Erzählungsstil und die schrägen Genre-Auswucherungen machen den Film selten rund aber ungeheuer faszinierend.
7 Perversionen in der Pension.
1001 Movies You Must See Before You Die
Midnight Movie.
„The Harder They Come“ ist der erste in Jamaika produzierte Kino-Spielfilm. Ein in die Karibik verpflanzter "Scarface", der reichlich Ganja inhaliert. Wie im amerikanischen Klassiker ist der Protagonist am Anfang ein Opfer, das im Laufe des Films zum ekelhaften Täter wird. Ein Anti-Held, eine tragische Figur, dessen Kampf ums Überleben in Gewalt endet. Reggae-Legende Jimmy Cliff ist Ivan. Ein Land-Ei, ein mittelloser Songwriter, der in die große Stadt kommt, nach Träumen sucht, aber nur die bittere Realität findet und in den kriminellen Sumpf gerät. Er kämpft gegen die korrupte Musikindustrie, Kirche und Polizei, wird von fiesen Dope-Händlern gejagt. Als Staatsfeind Nummer 1 und Pop-Star zerbricht an seiner eigenen Überheblichkeit.
"The Harder They Come" ist eindeutig eine Low-Budget-Produktion. Die Geschichte wirkt nicht gut ausbalanciert, holprig und roh, der Fokus fehlt manchmal. Die Schauspieler sind alle Laien, ihr Spiel ist holzig, die Action-Szenen sind oft lächerlich. Aber genau das macht den Reiz des Films aus, denn seine Authentizität ist beeindruckend, mit sehr viel Liebe zum Kino und zu seiner Heimat gemacht. Fern eines Reisebroschüren-Jamaikas wird der Zuschauer mit knallharten politischen Realismus und bitterster Armut konfrontiert, aus die sich der Reggae entwickelt hat, als soziale und künstlerische Bewegung. Und so erzählt der Film nicht nur eine schlichte Gangstergeschichte, sondern auch den Ursprung einer Musikrichtung, die die Probleme des Überlebens in Slums thematisierte.
"The Harder They Come" ist kein Mainstreamfilm. Er lebt von seinem Zeitgeist, musikalischen Lebensgefühl und rauen Charme der frühen siebziger Jahre. Er ist ein roher Diamant des unabhängigen Kinos.
7,5-mal zu „Django“ Beifall klatschen.
„Bereit machen zum absaufen!"
Johnny Depps betrunkener Captain Jack Sparrow stolpert in ein weiteres, wenig stimulierendes Abenteuer. Sein schauspielerischer Dienst nach Vorschrift passt zum wenig originellen Film, der offensichtlich nur die Eintrittskarten für das Franchise und den Themenpark verkaufen will. Die überteuerte Brühe aus Piraten-Action, Kalauer-Komik, taumelnden Slapstick und übernatürlichen Tamtam folgt einem vorhersehbaren Drehbuch ohne emotionaler Resonanz, wird prall gefüllt mit üppigen Digital-Effekten, ausschweifenden Sets und überbezahlten Künstlern. Die (bekannten) eskapistischen Reize wiederholend sich ständig, eine Hand voll neuer Ideen können den aufgeblähten Charakter des Films nicht kaschieren. Belangloses Blockbusterkino, das an der 08/15-Blockbusterkino-Krankheit krankt. Joachim Rønning und Espen Sandberg ("Kon-Tiki") führen hier nicht kreative Regie, sind lediglich Handwerkgehilfen für einen kalt berechneten Fortsetzungswahn, den keiner braucht, aber dann doch alle schauen. Ich hoffe, dass diese Reihe langsam auf den Grund des Ozeans versinkt.
4,5-mal das Meer teilen.
In der Gegend, wo man das Holz sägen hört…
Die Vorgeschichte zur TV-Serie zählt bei Kritikern und Fans von David Lynch zu einen seiner schwächeren Arbeiten. Einerseits weil sie sich zu sehr von dem Fernsehformat löst, anderseits weil sie selbst für Gönner des Meisters eine einzige (manierierte) Überforderung darstellt. Für mich ist der Film einer der am meisten unterschätzten Werke von ihm. Denn in welcher kompromisslosen Art Lynch hier Traum und Wirklichkeit verschmelzen lässt, ist ein wahrhaftig bizarres Ereignis, das konsequent die typischen Motive und Stilmittel des Regisseurs offenbart. Kaum dechiffrierbar entwickelt sich hier purer filmischer Terror, ein hypnotischer Albtraum aus psychologischer Gewalt und ausschweifenden Sex- und Drogenszenen. Hinter der Idylle einer Kleinstadt verbirgt sich das symbolisch Böse, haust das pure Grauen aus Doppelmoral und Dekadenz. Lynch gelingt noch pointierter als in der TV-Serie Laura Palmers Leben zu dekonstruieren, ihr Leiden spürbar zu offenbaren. Aus kausal kaum erklärbaren Metaphern entsteht verzweifelte Schönheit und giftig-groteske Bosheit. Der beunruhigenden Sounddesign und suggestive Score krallt sich in das Unterbewusstsein, so dass die letzten Tage der Laura Palmer ein fiebrig-schmerzhafter und sehnsüchtig-melancholischer Gewaltmarsch in die Abgründe von Missbrauchsopfern wird, an dem am Ende die abstrakte Erlösung steht.
8 Zickzackmuster auf dem Boden.
Dem Entdeckergeist ein Denkmal setzen.
Die (wahre) Geschichte von Percival Harrison Fawcett, einer der größten Entdecker Amazoniens des zwanzigsten Jahrhunderts, wird von James Gray als klassischer und eleganter Abenteuerfilm erzählt, der seine Emotionen, seine dramaturgische Kraft, in der Schönheit seiner Bilder findet. Der Film hat es nicht eilig, sucht immer wieder den richtigen Rhythmus für die transformative Reise seines Helden. Mit großer Sorgfalt und ohne oberflächlichen Posen folgen wir einem Mann, dessen nüchterne Entschlossenheit Unbekanntes zu entdecken, zu erfahren, ebenso ein Traum von ihm ist, wie ein friedfertiger Akt. Die Suche nach anderen Welten ist für ihn eine (Sehn-) Sucht und eine Flucht vor der Enge seiner traditionalistischen, viktorianischen Heimat. Die Welt des Amazonas ist dagegen exotisch, üppig, geheimnisvoll und gefährlich, wie auf einem anderen Planeten. Mit Sinn für bildliche Wirkung inszeniert Gray die gespenstischen Landschaften als seelische Innenräume seines Protagonisten. In gewisser Weise funktioniert „Die versunkene Stadt Z“ hier wie eine Hommage an die Kunst der Malerei. Dass die "zivilisierte" Welt mit ihrer Sturheit und bürgerlichen Freiheiten in fremden Territorium auf existentialistischen Grenzen zwischen Leben und Tod trifft verhindert die Romantisierung des Abenteuermotives, die magische Anziehungskraft im Fremden seine Ziele zu erreichen bleibt aber bestehen.
7 Träume.
Wenn Männer in ihre Einzelteile zerlegt werden...
Das ist die Geschichte einer jungen Frau, die in eine Klinik geht, aber nicht gesund wird, weil dort anscheinend nur Irre herumlaufen. „Weibchen“ ist Pulp als psychedelischer Trip. Zwischen Kannibalismus, verrückten Beatfilm und übersteigerter Gesellschaftssatire dekonstruiert Zbynek Brynych mit Mitteln des Agit-Props den Geschlechterkrieg der 70er Jahre. Wie eine Groteske auf das "SCUM Manifesto" der militanten Feministin Valerie Solanas werden keine männliche Gefangene gemacht, sondern verspeist. Der Mangel an Struktur und erzählerischen Ideen wird sportlich mit nackten Frauen, funky Mode und abgedrehten Kameraperspektiven kaschiert.
6,5 BHs verbrennen.
"Unsterbliche Halb-Menschen werden von der Gesellschaft verachtet, für Experimente missbraucht und versuchen in der feindlichen Umgebung zu überleben."
Staffel 01
Terror und Tod.
Mutanten, die von der Gesellschaft gefürchtet und gejagt werden, sind nicht das neuste Thema (siehe X-Men). AJIN thematisiert in diesem Zusammenhang allerdings überraschender Weise die Themen Terrorismus und (wissenschaftliche) Folter konsequent als moralische Auseinandersetzung ab wann der Punkt erreicht ist mit Gewalt gegen staatliche Repression zu reagieren. Fern von jugendlichen High School - Animes, ohne den typischen sexistischen Fan-Service, wirkt die erste Staffel wie eine erwachsene, urbane Kriegsgeschichte, mit rohen Charakteren und Emotionen. Der Schwerpunkt der Serie ist die Action und das dynamische Vorantreiben einer (eigentlich) recht schlichten Geschichte. Gewöhnungsbedürftig dürfte für die Fan-Masse von japanischen Animes der kühle, aseptische 3D-Animations-Stil sein, der mehr an eine Game-Ästhetik erinnert. Allerdings ist dieser über-realistische Stil, so finde ich, sehr passend zu dieser düsteren und knallharten Serie.
6,5 Wiederauferstehungen.
Südkoreanisches Kino voller Expansionen.
Das Rennen gegen die Zeit zwischen dem koreanischen Widerstand und der japanischen Polizei während der Besatzungszeit Koreas durch Japan, um erfolgreich Sprengstoff von Shanghai nach Seoul zu transferieren ist ein Katz und Maus-Spiel in einer Welt aus Doppelagenten und Spionen. Hier sind die Charaktere nicht das, was sie zu sein scheinen. Freundschaft existiert nicht in Zeiten des Konflikts zwischen den Nationen.
Im Prinzip hat THE AGE OF SHADOWS nichts Neues zu bieten und als Aufarbeitung eines historischen Traumas taugt der Streifen wenig, dafür bedient er dann doch zu sehr die Stereotypen des sadistischen Japaners. Seine Stärke liegt in der opulent-eleganten Art wie er die Zutaten des Spionage-Thrillers bedient. Allmählich entfaltet sich eine überlange, manchmal schwer zu folgende Geschichte, die weitaus weniger komplex ist als sie wirkt. Dabei ist das 140 Minuten lange und gern verschlungene Loblied auf den heroischen Kampf gegen die bösen Besatzer nicht frei von Redundanzen und Längen. Diese werden aber immer wieder von Regisseur KIM JEE-WOON (I SAW THE DEVIL) meisterlich mit (Action-) Szenen von atemberaubender Schönheit und beeindruckenden Virtuosität gefüllt.
„SHADOWS“ ist nicht mehr so grandios oder revolutionär wie andere Meisterwerke des Regisseurs, ist aber immer noch brillant in Szene gesetzt.
6,5 Maulwürfe.