lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    lieber_tee 18.11.2017, 18:05 Geändert 25.11.2017, 15:04

    Sehnsüchtiges Serien-Portal in eine vergangene Grusel-Welt...
    Wir kehren nach Hawkins zurück, im Jahre 1984. Die Bedrohung scheint gebannt zu sein, jeder hat sein Leben weitergeführt, aber die Ruhe ist trügerisch, das Böse lauert unter der Kleinstadt…
    Es war zu erwarten, dass die zweite Staffel von „Stranger Things“ ihrem Konzept treu bleibt. Sie ist eine würdige Fortsetzung, die zu einem Binge-Watch-Fest einlädt, wenn man die zentralen Reize des Vorgängers kennt und mag. Wieder gibt es die lieb-gewonnene Gruppe pubertierender Nerds (die entsprechend ihrer Reife erst isoliert handeln um sich dann als Helden zusammenschließen) und viele nostalgische Gefühle für die King und Spielberg 80er Jahre Zeit. Die Orte, das Setting, die Bildsprache sind liebevoll nachgeahmt und werden gern als Fanservice verstärkt.
    Klassisch in Einleitung, Hauptteil und Schluss strukturiert, bietet auch diese Staffel den (mehr oder weniger) abgeschlossenen Genuss eines 300 Minütigen Films. Die erweiterte Besetzung fügt sich tadellos in die Mythologie ein, das ganze Konzept wirkt sanft weitergeführt, nicht aufgeblasen. Die Figuren entwickeln sich alter-angemessen und verändern sich so wie ihre (erwachsene, bedrohliche) Welt um sie herum auch. Typische Subtexte des Genres, wie Teenager-Angst, Angst-Lust, und kindliche Urängste als zentrale Horrorfilmmotive, werden bedient, ebenso wie Freundschaft, Teamgeist und unterschwellige Sexualität im Coming-of-Age-Modus.
    Wie auch in der ersten Staffel funktioniert nicht alles perfekt, aber fast spielerisch ufert die neue Serie an ihren Rändern aus, findet gerade dort besonders magische Momente. Die geschliffene Retro-Visualität zeugt von Achtung und Kenntnis vor vergangenen Kinozeiten. Ähnlich wie im phantastischen Kino der 80er gibt es erzählerische Mängel, verkitschte, eindimensionale Übertreibungen und einen nicht immer sauber gezogenen Spannungsbogen. Am Ende stellt sich dennoch ein befriedigendes Gefühl ein. Das Gefühl sympathischen Außenseitern beim Kampf gegen das Böse beigewohnt zu haben. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Die Vermischung von altmodischen 80er Jahre Grusel und Teenie-Romanze mit Mitteln des modernen Films ist gelungen. Emotionalität, Witz, Spannung und etwas Schauer sind gekonnt vermischt.
    Wenn allerdings die Duffer-Bruder bei den nächsten Staffeln „nur“ diesen Level beibehalten wollen, dann drohen der Serie Ermüdungserscheinungen. In jeder Staffel das Böse besiegen zu wollen, in Bezug auf nostalgische Bedürfnisbefriedigung beim Zuschauer, ist nicht nachhaltig. Hier sind formale und auch inhaltliche Wendungen bei Story und Figuren notwendig. Die Einzelfolge um Eleven deutet dahingehend einen Richtungswechsel an.
    7 mysteriöse Schattenmonster.

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    • 7

      Ein heimtückischer Film.
      Bertrand Taverniers bittere Generationsstudie der 90er ist eine böse Perle. Ist die kindische Naivität und Lebenslust der drei jungen Träumer, die versuchen ihre Ziele zu verwirklichen, zunächst sympathisch, kippen ihre Aktionen unvermittelt in mitleidlosen Raub und Totschlag ohne jegliche Reue um. Der Zuschauer ist fassungslos und fragt sich warum diese harmlosen Typen so sinnlos und brutal Handeln. Definitive Antworten oder sozialpädagogische Erklärungen bietet der Film nicht. Und gerade deshalb ist er so schockierend. Letztlich ist „Der Lockvogel“ eine grimmige Charakterstudie über eine entfremdete Jugend, deren Egoismus und Übermut eine finstere Seite offenbart. Ob existenzielle Ängste oder Einsamkeit, Respektlosigkeit oder Wohlstandverwahrlosung, die Ursachen für ihre moralische Kälte sind, kann der Zuschauer selbst entscheiden. Und ob er sich mit diesen ebenso lockeren wie schmerzhaften Ton des Films anfreunden will auch. Fraglich ist ebenfalls, ob diese eindimensionale Bewertung einer Jugend, die bereits von einer ethisch zerfallenen Gesellschaft geprägt ist, fair ist, oder ob hier einfach nur drei Soziopathen Raum für ihren Irrsinn bekommen haben.
      Den Walkman auf siebenfacher Lautstärke hoch drehen.

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      • 7
        lieber_tee 16.11.2017, 22:23 Geändert 16.11.2017, 22:28

        Nur weil das System einem nicht mitspielen lässt, heißt das nicht, dass man das System nicht ausspielen kann...
        Nach einer fast vierjährigen Pause kehrt Steven Soderbergh mit einer unabhängig finanzierten White-trash-Version von Ocean’s Eleven zurück, die angenehm unprätentiös wirkt. Mit Gespür für Rhythmus, einem prägnanten Ensemble und Sinn für Unbeschwertheit, ist dieses Robin-Hood-Heist-Movie sanft-anarchisches Meta-Kino mit Augenzwinkern. Sich nicht ständig über seine (angeblichen) Loser-Charaktere und ihr verpfuschtes Leben lustig machend, hat „Logan Lucky“ eine menschenfreundliche Seele. Die zahlreichen Witze sind gut dosiert, manchmal platt, oftmals hintersinniger als sie auf den ersten Blick erscheinen. Listig spielt Soderbergh mit der Erwartungshaltung des Publikums. Dreht Hillbilly-Einfältigkeit in Bauernschläue um und erschafft so ein Amerikabild, wo die Verlierer Gewinner werden. Wehmütige Nostalgie wird mit ironischen Kitsch gebrochen, das Loblied auf die "armen Wichte", die im Schatten des amerikanischen Traums von ihm nur träumen aber nie daran teilhaben dürfen, darf gesungen werden. Und das mit viel Herz.
        Sympathischer Film.
        7 hart-gekochte Eier mit Salz.

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        • 5 .5
          lieber_tee 16.11.2017, 00:38 Geändert 25.02.2022, 23:43

          Unentspanntes Camping in Down Under...
          Seid John Boormans‘s Deliverance ist bekannt, das es selten gut geht, wenn Bewohner aus der Stadt in der Wildnis Urlaub machen. Damien Powers Debüt erzählt eine konventionelle, fast spärliche Überlebensgeschichte, dessen Besonderheit seine nicht-lineare Struktur ist. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart springend, kann er das Interesse beim Zuschauer wecken, die Spannung zu steigern gelingt ihm dadurch aber nur bedingt. Schockierender ist das Schlussdrittel geworden, mit seinem erschreckenden Ausbruch von Gewalt, der ebenso menschenverachtend wie banal wie kalt wirkt. Das ist letztlich allerdings nicht so effektiv wie es wirken soll, auch der Twist berührt wenig, denn vorher vergiss der Film auf Grund seiner zurückhaltenden Art empathische Nähe gegenüber den Opfern aufzubauen.
          5,5 Kopfschüsse.

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          • 7
            lieber_tee 14.11.2017, 17:35 Geändert 14.11.2017, 17:57

            Auf den Strich gehen und versuchen das Gleichgewicht zu halten.
            Regisseur Fernando Leon de Aranoas Film ist ein sensibles Porträt über starken Frauen, die versuchen in der harte Realität des Sexgewerbes Madrids zu überleben. Im Mittelpunkt stehen zwei Prostituierte, ihre tiefe und achtvolle Freundschaft zueinander, trotz ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und offen ausgelebten Rassismus. Zwischen Gewalt, Armut, Krankheit, Erniedrigung und Scham gibt es kleine Pflänzchen von Wünschen und Sehnsüchten. In der Milieubeschreibung authentisch wirkend, ist „Princesas“ ein zurückhaltendes, nicht-voyeuristisches Melodram, konsequent aus der Sicht der Sexarbeiterinnen erzählt. Lose strukturiert, wackelig-distanziert gefilmt, bleibt der Filmemacher immer empathisch und parteiisch gegenüber seinen beiden famos gespielten Protagonistinnen, lässt ihnen die Würde die sie verdient haben, in diesem würdelosen Geschäft.
            7-mal das Handy klingeln lassen.

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            • 6

              "Das ist unsere Erde!"
              380 Millionen Rubel sind gerollt für diesen russischen Blockbuster von Fedor Bondarchuk. Sich überdeutlich an jugendliches Publikum richtend, ist der Streifen ein Melodram, das seine humanistische Botschaft direkt auf die Stirn schlägt. Fast schon konspirativ versteckt sich hinter einen Independence-Day und Transformers-Klon ein zwar banal und arg holprig erzähltes, aber dennoch nicht dummes Werk, das patriotisch-rassistische Stimmungen in der russischen Gesellschaft, in Verbindung mit Fake-News und somit erzeugten Hass, offenbart. Die extrem defokussierte Handlung, die ungeschickt zwischen famosen Effektkino, sympathischer Liebesgeschichte, bösen Russen-Pöbel, Kriegsfilm und witzige Kennenlernkultur schwankt, wird von einer überraschend stabil und natürlich spielenden Irina Starshenbaum getragen, die bis vor diesem Film keinerlei Schauspiel-Erfahrung hatte. Ich mochte den Film, weil er kommerzielles Kino mit großer Begeisterung erzählt, eine Geschichte hat für die man sich nicht schämen braucht und sich nicht der kalten Logik des Überwältigungskinos ergibt.
              6 Meteoriteneinschläge.

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              • 5

                Und täglich grüßt die Slasher-Endlosschleife.
                Das Spiel mit der Zeitschleife ist nichts Neues. Hier wird es dafür benutzt, damit die ermordete Protagonistin die Liste der Verdächtigten abarbeiten kann um ihren Tod aufzuklären. Was durch die ständigen Wiederholungen des Gesehenen repetitiv sein könnte, ist flott und dann doch in Variationen erzählt, lebt von der Hauptdarstellerin Jessica Rothe, die wirklich einen guten Job macht. Der jugendlich-humoristische Tonfall überwiegt, der Horror weniger. Die offen-liegende Idee den selbst-referentiellen Aspekt, also die Regeln und abgegrasten Motive des Slasher-Genres (Serienkiller, Krankenhäuser, Killer mit Maske, Uni, sexualisierte Teenager usw.) als sich immer wiederholende Formel ironisch zu persiflieren, wird verschenkt. Stattdessen gibt es eine moralisch dick aufgetragene Läuterung der Protagonistin und zahmen Grusel.
                5 Cupcakes.

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                • 6
                  lieber_tee 12.11.2017, 01:50 Geändert 12.11.2017, 03:00

                  "Heute wirst du ficken, ob du willst oder nicht."
                  In gelblich-schmutziger Retro-Ästhetik folgen wir einen jungen, hormongesteuerten Mann durch eine Nacht aus Sex und Wahnsinn. Erzählt als eine Orgie aus Blut, Sperma, Scheiße und Kotze, die offensichtlich als krasse Kampfansage an die Dominanz von politischer Korrektheit und den guten Geschmack gedacht ist.
                  American Pie trifft auf David Cronenberg mit Mr. Bean. Roberto San Sebastiáns Debüt ist ein Fest des Grotesken. Unappetitlich. Infernalisch. Ebenso komisch wie absurd, ebenso ungenießbar wie waghalsig. Sein Körperausscheidungshorror wird als lang-gedehnter Arschloch-Witz heraus-gepresst, ohne Gnade. Das macht einen Teil seines Charmes aus, erzeugt allerdings zunehmend Ratlosigkeit, Überwältigung, Langeweile und den dringenden Wunsch nach frischer Luft zu schnappen. Mit nervösen Lachen erträgt man die zwei Stunden. Erlebniskino der anderen Art. Der Ekel ist gewollt, die Brüskierung ebenfalls. Um das zu erreichen, mangelt es nicht an Phantasie der Filmschaffenden. Jede erdenkliche Körperflüssigkeit spitz dem Zuschauer entgegen, so dass er danach duschen gehen möchte.
                  Über diese rabenschwarze Kühnheit darf gelacht werden, diese Art des unabhängigen Nischen-Kinos kann geschätzt werden. Nur habe ich mich die ganze Zeit gefragt, ob da noch etwas mehr als nur Provokation kommt. Ob da vielleicht irgendwo auch eine krude Dekonstruktion einer sexualisierten Tinder-Welt vorhanden ist. Ne, jedes weitergehendes Denken über den Film wird mit seiner Ekel-Attitüde vollgekotzt. Mehr als kranker Scheiß ist er nicht.
                  3 Kakerlaken und 3 Kondome.

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                  • 7
                    lieber_tee 10.11.2017, 23:09 Geändert 11.11.2017, 02:15

                    Der Film in mir.
                    In den 70ern reist ein britischer Soundtechniker nach Italien um einen brutalen Inquisition-Horrorfilm zu vertonen und verliert sich zusehends in den blutigen Bildern.
                    BERBERIAN SOUND STUDIO ist nicht nur eine nostalgische Hommage an den Giallo, sondern spielt referentiell mit seinen Ingredienzen und Motiven um Meta-Kino zu erschaffen, das suggestiv durch Töne und Stimmungen einen unsichtbaren Film im Kopf des Zuschauers erzeugt. Er nutzt die Codes des gelben Kinos, zunächst noch sanft humorvoll, dann zunehmend psychologischer und surrealistischer. Wenn der Reiz des Kinos in seinen Bilderwelten liegt, dann ist hier das Hören, das Vertonen von Bildern, die Magie. Ähnlich wie De Palmas BLOW OUT, oder Antonionis BLOW UP transzendiert Peter Strickland durch die faszinierende Montage aus Visualität und Klang-Welten das Giallo-Genre, erschafft etwas Eigenes.
                    Die Atmosphäre ist dabei schizophren und gespenstisch. Unsere Wahrnehmung wird im selben Maße in Frage gestellt, wie der Tontechniker zunehmend mit dem Film verschmilzt. Seine introvertierte Persönlichkeit löst sich auf, die eh schon in der Fremde sich fremd fühlt und mit dem dort gelebten Sexismus, Chaos und der expliziten Gewalt nicht zurechtkommt.
                    Mag manch Szenen repetitiv wirken, mag das Tempo zu entschleunigt sein, der Thrill ist hier unterschwellig, nicht auf den billigen Nervenkitzel gerichtet. Die langsame Höllenspirale bohrt sich Kafka-artig in den Zuschauer, einen Hang sich mit Halluzinationen und metaphorischen Monstern umgeben zu wollen ist von Nöten. Denn um rationale Erklärungen geht es nicht, es geht um psychotische Hirngespinste, die sich aus der Klangkammer des Studios in den Kopf des Protagonisten schleichen.
                    7 gemetzelte Salatköpfe.

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                    • 6
                      lieber_tee 09.11.2017, 22:36 Geändert 20.11.2017, 03:42

                      Heimkehrer ohne Heimat.
                      Buddy Giovinazzos bizarrer Low-Low-Budget-Film ist sicherlich einer der verzweifelsten und düstersten US-Untergrund-Filme der 80er. Wir folgen einem zutiefst traumatisierten, gescheiterten Vietnam-Heimkehrer durch bittere Armut, begleiten ihn einen Tag lang, wie er ziellos durch die verfallen Straßen von Brooklyn streift. Der Krieg ist noch in seinem Kopf, die Umgebung sieht wie nach einem Krieg aus und die Menschen verhalten sich wie in einem Krieg. Offensichtlich inspiriert vom 70er Jahre New-Hollywood-Kino, geprägt von einer 80er-Jahre-Optik und knirschig das Heldentum der damaligen „Vietnam-Revisited-Kriegsfilmen“ karikierend, endet der Streifen in eine grausige Dekonstruktion der heilen, amerikanischen Kernfamilie.
                      Inhaltlich beachtlich, aber ich habe meine Probleme mit dem Film. So spürbar auch die desillusionierende, urbane Landschaft eingefangen ist, die endlos langen Einstellungen wirken wie Kunstkino, das schrecklich dilettantisch und unerfahren ist. Die spartanische „Handlung“ fängt die Längen nie auf, im Gegenteil, sie verstärkt sie. „Combat Shock“ hat beim Schauen etwas Quälerisches. Das kann als filmisches Mittel beabsichtigt sein, ich befürchte eher hier beherrscht jemand (noch nicht) sein Handwerk. So schleppt sich der Zuschauer, wie der Hauptdarsteller, qualvoll durch den Film. Der soziale Realismus schmerzt, bis am Ende eine unfassbar zynische „Erlösung“ kommt, wo einem die Spucke wegbleibt. Dieser Voll-in-die-Fresse-Nihilismus-Albtraum ist mir dann doch
                      6 deformierte Mutanten-Babys wert.

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                      • 7

                        Pazifismus im untoten Land.
                        Dawn of the Dead geht mit Edgar Wrights parodistischen Revisionismus in einer Shopping-Mal einkaufen. Die (zu lang dauernde) Transformation vom Verlierer zum heldenhaften Retter bekommt durch seinen „japanischen“ Zombie-Blick etwas Frisches, wird ordentlich mit Gemetzel und Splatter gedüngt. Sich auf Manga-Quellmaterial beziehend, schafft es Regisseur Shinsuke Satô der abgestandenen Untoten-Apokalypse-Formel mit grandios inszenierter Action und manch ungewöhnlicher Genre-Wendung Leben einzuhauchen. Auch wenn das Narrativ öfters humpelt, der Streifen ist ein blutig-fröhlicher Horrorflick aus der Ferne, der der Walking-Dead-Langweile weit überlegen ist. Nicht brillant, aber verdammt gut.
                        7 Schrotflinten nachladen.

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                        • 7
                          über El Clan

                          „Wenn’s schmeckt bin ich glücklich.“
                          In Argentinien zu Beginn der 80er Jahre findet ein patriarchalischer Familienclan in Mord und Entführungen seine Geschäftsidee, obwohl (oder gerade deshalb) er zur wohlhabenden Oberschicht gehört. Der erschreckend latent-brutale Vater war früher mit der Militärjunta verbunden, macht in der gerade frisch erwachten Demokratie das weiter was er in der Diktatur gelernt und geliebt hat. Hinter der Fassade einer normalen Familie blüht im Keller unfassbare Grausamkeit. Alle Familienmitglieder machen mit, aktiv oder durch ignorieren.
                          Um den Film zu verstehen, ist es wichtig den historischen Zusammenhang, Militärdiktatur (1976-1983) und die anschließenden Freiheitsbestrebungen in Argentinien, zu kennen. Auch wenn Empathie mit den Charakteren schwierig ist, der Konflikt zwischen dem Vater mit den kalt-blauen Augen und seinem zunehmend einfühlsam werdenden Sohn steht spürbar im Mittelpunkt, ebenso das verlogene Klima im Haus. Grausig wird die physische Gewalt unten im Keller einer psychischen Gewalt oben im Wohnzimmer gegenübergestellt und offenbart so symbolisch die strukturelle Gewalt im ganzen Lande. Nicht frei von repetitiven Szenen, aber durchaus rhythmisch und clever stilisiert, tauchen wir in einen hinterhältigen Terror, der weder psychologisierend daher kommt, noch dämonisiert, oder von der Faszination "Monster" lebt. Verwirrend ist das zentrale Stilmittel des Films. Immer wieder montiert Pablo Trapero vermeintlich harmlos-schöne Begebenheiten und lockere Musik parallel mit den brutalen Taten und erzeugt so eine unangenehme Diskrepanz zwischen dem netten öffentlichen Gesicht dieser Familie und der Niedertracht ihrer Taten. Das hat eine ebenso magnetische wie abschreckende Wirkung, die Ironie ist dabei eiskalt.
                          7-mal vor der eigenen Haustür fegen.

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                            lieber_tee 06.11.2017, 17:14 Geändert 07.11.2017, 00:12

                            Mann gegen Mann, Boyka vs. Iceman.
                            Nein, im Vergleich zu Walter Hill's schlichten Vorgänger ist dieses lächerliche Filmchen nicht besser. Als Top10-Kampffilm, bester Actionfilm der 2000er und Perle des Knastfighterfilms gefeiert, kann ich den Kultstatus kaum nachvollziehen.
                            Die Mixed-Martial-Arts-Fortsetzung von Isaac Florentine um ein Gefängnis-Turnier bietet Scott Adkins als böse drein-blickende Muskel-Rampensau und der aufgepumpte Michael Jai White darf sich den arroganten Arschlochmantel von Ving Rhames umhängen. Mit schön in Szene gesetzten, maroden Ostblock-Charme wird Ideenlosigkeit aus dem Drehbuch geprügelt, selten sah (für ein DtV-Film) ein russisches Gefängnis so desolat aus. Die Knastfilmklischees waren zwar schon in den 80ern veraltet und sind hier eine dreiste Abzocke von Van Damme's "In Hell", aber egal, wir sind hier in einem B-Film…
                            Zwischen den akrobatischen Kick-und-Punch-Szenen muss noch eine Geschichte erzählt werden, deren dramatischer Gehalt gen Null geht und mehrmals, besonders am Ende, in kaum ertragbaren Kitsch versinkt. Mag sein, dass die Fights gut choreographiert sind, allerdings fühlen sie sich kaschiert an, weil sie mit ihrer beschleunigten Fotografie und käsigen Sound-Effekten unecht wirken. Wenn dann noch die Verprügelten durch übermenschlicher Schlagkraft durch den Raum fliegen, bin ich mir nicht sicher ob hier eine unfreiwillige Parodie zu sehen ist. Der im Prinzip vorhandene rohe Charme des Films geht flöten...
                            Kurzweilig ist der Streifen allerdings schon, wenn man solch einen tief-fliegenden Unsinn mag. Den visuell beeindruckenden Adrenalin-Pumper habe ich aber nicht erkannt, eher einen von vielen hirnlosen Actionfilmen für den Heimkino-Markt.
                            5 russische Rollstuhlfahrer.

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                              lieber_tee 05.11.2017, 13:10 Geändert 08.11.2017, 02:52

                              Altmodischer Agenten-Thriller,
                              der die Phobie vor islamistischen Terrorzellen bedient und im Stil an Verschwörungsthriller der 1970er Jahre erinnert. Der Film lebt von den Erfahrungen des 76-jährigen (!) Michael Apted und seiner prominenten Besetzung. Die Geschichte ist allerdings reichlich unausgegoren, was ja scheinbar ein Markenzeichen für Drehbücher der „schwarzen Liste“ in Hollywood ist.
                              Verrat, Manipulation, Maulwurf, Spione, Terroristen und ferngesteuerte Bomben, die Einzelteile von „Unlocked“ sind allzu bekannt, werden fahrig kombiniert. Anfänglich ist das recht stabil erzählt, je mehr Wendungen einfließen wird der Film verworren, holprig und gar zynisch im Kampf gegen den Terrorismus. Wirklich beeindruckend ist der Streifen selten, die Action ist zahm. Seine Spannung holte er eher aus den unklaren Beziehungen der einzelnen Gruppen, die sich gegenseitig ausspielen (MI5, CIA, Terroristen). Das ich „Unlocked“ trotzdem „überdurchschnittlich“ finde, liegt an Noomi Rapace. Ihre spröde Coolness, versetzt mit Verletzlichkeit, trägt den Film. Ihre Version von einer schlagkräftigen Jane Bond gehört aktuell zu der aufregendsten Performance weiblicher Actionstars.
                              6 Biokampfstoffe in einem schlecht gesicherten Hinterhofkeller.

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                                lieber_tee 04.11.2017, 16:09 Geändert 05.11.2017, 04:13

                                Mich hat „Osiris Child“ an „Valerian“ erinnert,
                                was ein Kompliment sein soll. Klar, es ist ein Leichtes den Film zu verreißen, denn er ist weit davon entfernt sauber fokussiert seinen Plot zu finden, verschleppt durch seine sprunghafte Kapitel-Erzählweise den Drive und ist voller unnötiger Rückblenden, die redundant das Tempo heraus nehmen. Aber die Schauwerte und das lustvolle Mixen von Motiven aus Krieg der Sterne, Mad Max und Fortress – Die Festung machen Freude, weil ständig, ohne das es der Zuschauer erwartet, zwischen Monsterfilm, Gefängnis-Film, Weltraum-Action, Maschine-SF und Survival-Kino herumgehopst wird. „Osiris Child“ hat das was ich in so vielen heutigen SF-Filmen vermisse. Wärme und Liebe für das Genre. Er strahlt eine naiv-jugendliche Helden-Begeisterung für Gummi-Monster, Raumschiff-Miniaturen und Abenteuer auf fremde Welten aus, zerquetscht diese Leidenschaft nicht in den überbordenden, kalten Krawall des modernen CGI-Kinos. Als episodisches SF-Erlebniskino hat er das (trashige) Herz am richtigen Fleck. Sein World-Building ist nicht neu, oder gar originell, aber die Sets und der Design sind liebevoll (und detailreich) gestaltet, wirken im positiven Sinne handgemacht 80er. Im Vergleich zu weit aufwendigeren Produktionen dieser Art bekommt dieser B-Film, trotz offensichtlicher Schwächen, einen Außenseiterbonus von mir und Shane Abbess darf gerne in Australien die geplanten Fortsetzungen verwirklichen.
                                6 eigentümliche Echsen.

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                                • 5

                                  Ein Film ohne Ambitionen.
                                  Die Idee Eindringlinge (also Täter) zu Opfer zu machen ist gerade en vogue. Und so wird hier Kidnapping andersherum erzählt. Unverwechselbar ist „A House on Willow Street“ dadurch allerdings nicht geworden, denn außer seiner umgedrehten Prämisse hat er keinerlei Alleinstellungsmerkmale. Flackernde Lichter, dunkle Industrie-Ruinen-Gänge, bekannte Jump-Cuts, oft erprobte Elemente wie z.B. das ein Dämon mit den Ängsten und der Schuld von Menschen spielt sind bekannte Horror-Film-Klischees. Alastair Orr ist so beschäftigt dem Zuschauer möglichst oft zu erschrecken, dass er die wenig sympathische Figuren mit dummen Dialogen und dummen Reaktionen ausstattet. Die eigentlich solide Horror-Prämisse wird mit Schocks aufrechterhalten. Das Bedürfnis ständig nach Eskalation hat wenig erzählerischen Antrieb, ist eine Geisterbahn-Nummer-Revue. Allerdings schafft es der Filmemacher so auf niedrigen Niveau Spannung zu generieren. Denn Orrs technisches Knowhow, in Kombination mit schauwertigen Kreaturen-Design und Make-up-Grusel, ist völlig okay. Der visuelle Terror funktioniert, so dass der Streifen sicherlich zu Mitternacht, im dunklen Wohnzimmer, genug Nervenkitzel erzeugt.
                                  5 dämonische Zungen.

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                                  • 6

                                    "Chucky" lebt!
                                    Der Film ist purer Fan-Service, der wesentlich von seinen Anspielungen und Querverweise auf das langlebige Franchise lebt. Und wahrscheinlich ist die hartnäckige Liebe der Fans genau der Grund, warum immer und immer wieder ein Teil gedreht wird, denn diese Freaks (und ich gehöre dazu) sind ebenso zäh wie die Killerpuppe.
                                    CULT OF CHUCKY spinnt die Geschichte seines Vorgängers weiter. Inszenatorisch bleibt er dem handgemachten Splatter-Fun und der altmodischen Puppenmechanik treu. Auch visuell erinnert er an typische 80er-Jahre-Filme. Erfinder Don Mancini, der auch hier das Drehbuch geschrieben hat, erzählt eine archetypische Böse-Puppe-Geschichte, die als solches funktioniert, ja wenn er sich nicht entschieden hätte, die bekannten Motive mit allen (!) vorherigen Teilen zu verbinden. Chucky 7 ist immer dann schwach, wenn er die Figuren aus den Originalen wiederkehren lässt, ist etwas besser wenn er deshalb krude zwischen blutigen Ernst und komödiantischen Unsinn pendelt. Ton und Atmosphäre variieren ständig, was durchaus seinen Reiz hat, auch wenn der Streifen dadurch in seine Einzelteile zerbröckelt. Manchini schafft es immer wieder mit Lust und Laune seine selbst-erschaffenen Motive grimmig zu recyceln. Die Idee den Film in einer geschlossenen Nervenheilanstalt spielen zu lassen, spielt ihm dabei in die blutigen Hände und gibt dem Streifen eine phantasmagorische Dimension. So wirkt die Formel schwarz-makaber-komödiantisch überraschend gut, auch wenn sich das Endergebnis eher wie ein The-Best-of der Serie anfühlt.
                                    6 zynische Sprüche auf den Lippen.

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                                    • 6

                                      Ein marvelisierter Spinnenjunge.
                                      Leichtfüßige John Hughes-Teenager-Komödie trifft auf CGI-Superhelden-Blockbuster und wird etwas unbeholfen als Serienfüller für das Avengers-Universum missbraucht. Obwohl das Spider-Man-Franchise bereits zu Tode geritten wurde, fühlt sich seine x-te Heimkehr auf großer Leinwand angenehm frisch und sympathisch an. Allerdings merkt man dem Film auch an, das er von sechs (!) Drehbuchautoren geschrieben wurde, die scheinbar alle Zielgruppenbedürfnisse irgendwie zusammen-brainstormen mussten. Und so hopst Spidy ausgelassen auf einer Skript-Hüpfburg herum, die aus Coming-of-age, nerdigen Jugendfilm, Superhelden-Action und Fanservice besteht. Tom Holland kaspert mit lieblicher ADHS-Ausgelassenheit seine Teenage Angst weg und ergründet mit Papa Iron-Man stümperhaft die "erwachsene" Superhelden-Welt. Die Ursprungsgeschichte dieses Helden wird (fast) ausgespart, so dass der Zuschauer nicht wieder das ermüdende Intro einer Originär-Geschichte ertragen muss. Wer unter Superhelden-Müdigkeit leidet wacht kurz aus seinem Schlaf auf, um dann doch wieder nur zu sehen, dass sich alles in den fest definierten Genre-Grenzen bewegt.
                                      6 Spinnenbeine.

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                                        Gladiatoren im Knast.
                                        Undisputed ist ein bescheidener und effizient heruntergekurbelter Box- und Gefängnisfilm. Genremeister Walter Hill pumpt das Tempo hoch, um etwaigen Ballast kümmert er sich wenig. Letztlich geht es um zwei Jungens, die sich am Ende gegenseitig die Fresse polieren. Subtext? Fehlanzeige. Das formelhafte Setup wird durch-geprügelt. Wobei der Gut/Böse-Showdown dann doch nicht ganz so einfach ist, denn die beiden Kontrahenten werden widersprüchlich charakterisiert, so dass der Zuschauer nicht ganz so einfach eine Zuordnung hinbekommt.
                                        6 Knockouts.

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                                          lieber_tee 31.10.2017, 10:59 Geändert 31.10.2017, 14:02

                                          „Eines Tages, das schwöre ich, gehen wir an einen Ort, wo wir alles tun können, was wir wollen und wir können Krokodile zähmen.“
                                          Zwei statische Augenblicke einer verlorenen Seele klammern diese rastlose, unerbittliche Nacht in New York ein. Kopfüber und mit der Kamera geschultert folgen wir, ohne Schießereien oder Auto-Verfolgungsjagden, absurden Situationen, in dem Unterprivilegierte auf verzweifelter Suche nach dem kleinen (illegalen) Glück sind. Mag manch Wendung, manch Missgeschick des Anti-Heldens, zu weit hergeholt wirken, der Film grundiert seine Geschehnisse in eine ernüchternden Realität. Er erinnert in seiner Emotionalität und Nachdenklichkeit an einen „Mean Streets“ der Gegenwart. Die Safdie-Brüder erschaffen in 100 Minuten elektrisierende Kunst, die unkonventionell die Konventionen des Verbrecherdramas bedient. Hier verschmelzen Genre-Kino und Indie-Autorenkino zu einen unruhigen 35mm-Breitwand-Rausch. Die delirierende Omnipräsenz des Carpenter-Soundtracks auf Speed und die verzweifelt-lebendige Performance von Robert Pattinson veredeln den Film.
                                          Starkes Kino.
                                          7,5 entzauberte Vorort-Vergnügungsparks.

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                                            lieber_tee 30.10.2017, 12:04 Geändert 31.10.2017, 02:35
                                            über Bite

                                            Guten Appetit!
                                            Chad Archibalds „Bite“ gehört zu dem sogenannten Körperhorror-Filmen, in denen der (psychologische) Terror aus der Transformation eines Menschen entsteht. Hier mutiert eine junge Frau nach ihren Junggesellenabschied im Urlaub, weil sie von einem Wasserinsekt gebissen wurde. Erzählt als eine Art allergische Reaktion auf weibliche Erwartungshaltungen zu Hause (Mutterschaft, Heiraten, Haushalt). Der veränderte Körper manifestiert die Ängste. Das wird vom Regisseur zunächst als Psychogramm ernst genommen und aus Mutation wird Emanzipation. Das Problem ist, das der Film zunehmend dieses Thema zugunsten von Schleim, Eiter und Blut aus den Augen verliert, bzw. durch seine fragwürdige Psychologisierung von Arschlochtypen (ob weiblich oder männlich) einen unangenehm vulgären Ton anschlägt, der nicht frei von Misogynie und Geschlechter-Stereotypen ist. Archibald bleibt auf dem oberflächlichen Gelände aus Kotze und Glibber. Die eigentlich nicht uninteressante Idee eine Bruthöhle als Seelenlandschaft darzustellen bleibt in ihren Wiederholungen völlig vorhersehbarer (Genre-) Motiven stecken. Am Ende hat es dann nur für einen Cronenberg für Arme gereicht.
                                            5 Pickel ausdrücken.

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                                              lieber_tee 29.10.2017, 13:50 Geändert 08.11.2017, 02:56

                                              Pennywise‘ Brüder aus dem schnell heruntergekurbelten Videoland.
                                              Tom Nagels Geschichte ist schlicht. Den aktuellen Killer-Clown-Trend bestätigend, lässt er vier müde Reisende in eine leere Stadt stranden, die von psychopathischen Spaßmachern terrorisiert wird und dort Unschuldige abschlachten. Keine Polizei, keine Regeln, nur das nackte Überleben. Vielleicht will der Film die Angst vor der Dunkelheit oder dem Fremden thematisieren, aber er futtert nur die übliche Horror-Zuckerwatte. Warum sind die Irren als brutale Narren verkleidet? Welchem Zweck dienen sie? Warum prügeln sie gestrandeten Autofahrer die Scheiße aus dem Kopf? Ohne plausiblen Grund, aber mit kernigen Kostüm-Design und krankem Lächeln, holzt „Clown Town“ durch einen Grusel-Make-Up-Terror, der allerdings nie tatsächliche Spannungen oder Grauen entwickelt. Inspiration ist in diesem schlecht geschrieben Skript nicht in Sicht, die Figuren sind einem scheiß-egal. Bei solch einem hinterwäldlerischen Slasher-Ein-mal-eins-Konzept schlafe ich ein.
                                              3 Babysitter abmurksen.

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                                                lieber_tee 28.10.2017, 00:50 Geändert 30.10.2017, 19:25

                                                Autos, Action und schöne Frauen.
                                                Die Idee, das populäre US-Franchise Fast & Furious (und Gone in 60 Seconds) an der französischen Riviera auf Touren zu bringen ist nicht sonderlich originell. Und so entsteht eine ehrgeizlose Abzocke der Vorbilder, mit einer lahmen Story, die sich mäßig logisch in windige Bluffs flüchtet. Das Car-napping-Filmchen funktioniert nicht mal mit niedersten Erwartungshaltungen, besonders weil Scott Eastwood hilflos dem coolen Charisma seines Vaters hinterher hechelt und Ana De Armas hier bereits (wie in Blade Runner 2) als objektifiziertes, fickreduziertes Mäuschen agiert. Zwischen männlicher Prahlerei, nerviger Geschwätzigkeit und Sexismus gibt es nur gelacktes Autofetisch-Kino, wo die hübschen Oldtimer vor touristischen Sehenswürdigkeiten optisch gestreichelt werden. Das ist B-Movie-Popcorn der unterwältigenden Art. Ich kann und will nicht glauben, dass dieses 25 Millionen teure Vollspacken-Kino bei der Zielgruppe ankommt.
                                                3 Bremsspuren im Gesicht.

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                                                  lieber_tee 27.10.2017, 14:09 Geändert 27.10.2017, 15:19
                                                  über Jungle

                                                  Wie weit würdest du in den Dschungel gehen, ohne Kontakt zur Außenwelt?
                                                  Das erste Drittel des Films ist voller Plattitüden über Freiheitssehnsucht, (angeblichen und idealisierten) Weisheiten indigener Völker und fehlgeleitetes Verständnis der Gesellschaft zur Natur. Greg McLean macht uns mit vier großen, blöden, weißen Affen im Dschungel bekannt. Im Verlauf des Films entsteht ein seltsam antiklimatischer Sog, wenn das Überleben in ein höllisches und qualvolles Gelände beginnt, in dem nur der Mensch bestehen kann, der an sich glaubt und zäh wie Schuhleder ist. Mit überraschenden Realismus und ohne generischer Sensationslust folgen wir Daniel Radcliffe mentalen und körperlichen Horror-Trip in das dunkle Herz des Urwaldes, das freiheitlichen Identitätsbestrebungen nach und nach verschlingt. Wenn das Dschungelfieber die Erleuchtung bringt, ist das visuell nicht frei von speckigen (Christentum-) Klischees, ist aber emotional intensiv und mit physischer Glaubwürdigkeit gespielt.
                                                  6,5 Würmer aus dem Gesicht prokeln.

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                                                  • 6 .5

                                                    Szenen einer Serienkillerehe...
                                                    Obwohl die Geschichte um ein mörderisches Paar und das Leiden der jungen Frauen-Opfern nicht sonderlich originell ist, schafft es Ben Young den Missbrauch spürbar zu machen, weil er mit cleverer Sparsamkeit unangenehm tief in den Magen des Zuschauers bohrt. Ebenso faszinierend wie verstörend wird er zum Komplizen der Täter. Dämonisierung wird vermieden, der bürgerliche Alltag als Fassade des Grauens. Die gezeigte Abhängigkeit ist eine perverse, von innen explodierende, Liebesgeschichte und zugleich eine Studie über eheliche Machtverhältnisse. Leider verliert der Film, vor allem gegen Ende, an Wirkung, da sich die filmischen Suspense-Mittel zunehmend wiederholen und die üblichen Genre-Klischees bedient werden. Zynisch wird musikalisch auf das grausame Treiben reagiert, der Betrachter bekommt die wohlverdiente Erlösung. Starkes Debüt, von einem Filmmacher dem die Zukunft gehört.
                                                    6,5 facher, kontrollierter Wahnsinn.

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