MareikeHB - Kommentare

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    MareikeHB 07.06.2021, 19:29 Geändert 07.06.2021, 22:41

    Trailer: https://m.youtube.com/watch?v=zAdOMFtRZKQ
    Der ehemalige Nummer 1 Hit und melodiöse Gute-Laune-Song „Georgy Girl“ von den Seekers ist immer noch ein bekannter Klassiker aus den 1960ern - ein Song, den man so schnell nicht aus dem Kopf bekommt. Die gleichnamige unkonventionelle Tragikomödie von Silvio Narizzano war seinerzeit ebenfalls ein großer Erfolg, ist aber leider heute, zumindest außerhalb Großbritanniens, völlig in Vergessenheit geraten.
    Der Film ist extrem vom damaligen Zeitgeist geprägt und fängt das Lebensgefühl der Briten in den 1960ern gekonnt ein. „Zeitgeist“-Filme haben generell das Problem, dass sie schon wenige Jahre später unmodern wirken. Wenn man derartige Werke allerdings mit dem Abstand von Jahrzehnten sieht, werden sie wieder richtig interessant, da sie perfekte Zeitdokumente darstellen.
    Der leichtfüßig inszenierte Beziehungsfilm ist sehr originell und spielt gekonnt mit den Erwartungen der Zuschauenden. Hier geht es auf amüsante Art um Sozialkritik, Emanzipation und sexuelle Befreiung sowie den Konflikt zwischen Althergebrachtem und der nahenden 1968er Revolution. Der Film ist zwar gelegentlich etwas überdreht, aber das Ende ist genial bitter.
    Die Protagonistin Georgy (äußerst temperamentvoll: Lynn Redgrave) ist eine ungewöhnliche junge Frau mit Ecken und Kanten. Ihr Handeln wird beeinflusst durch das mit ihr befreundete, sehr progressive Liebespaar (cool und sexy: Charlotte Rampling und Alan Bates) und dem Upper Class „Sugar Daddy“ Leamington (gekonnt schlitzohrig: James Mason). Leamington zu Georgy, die die Tochter eines Angestellten von ihm ist, sinngemäß: „Willst Du meine Geliebte sein? Ich bezahl Dich gut!“. Nun ja, wird Georgy diesem Angebot wohl widerstehen können?
    Die Kamera mit den ausgezeichneten Schwarzweiß-Bildern, die Musik, der Song sowie Lynn Redgrave und James Mason erhielten „Oscar“-Nominierungen. Leider scheint der Film in der deutschen Sprachfassung nirgendwo verfügbar zu sein.
    Zeit für eine Wiederentdeckung!

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    • Sehr lesenswerter Artikel, gerne mehr davon, Jenny! 😊Ich fand den Film auch bemerkenswert. Leider ist er nach wie vor ziemlich unbekannt. Aber vielleicht sieht man ihn jetzt, wo er digitalisiert wurde, häufiger im Fernsehen oder im Stream. Noch kurz ist er ja in der ZDF- und 3Sat- Mediathek verfügbar.

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        Noch kurze Zeit in der ZDF und 3sat Mediathek! „Schwarzer Kies“ von Helmut Käutner ist ein hervorragender Noir-Film, der in den letzten Jahren erst wiederentdeckt und von der Murnau-Stiftung digitalisiert wurde.
        Seinerzeit von der Öffentlichkeit zerrissen, vieles war hier wohl zu provokant, ist dieses Werk heute ein äußerst faszinierendes Zeitportrait aus der frühen Bundesrepublik.
        Der Filmtitel demonstriert in seiner Mehrdeutigkeit, dass es hier einmal um Kies, wörtlich verstanden, geht, der für den Ausbau einer U.S. Airforce Basis im Hunsrück benötigt wird, aber auch um Kies im Sinne von Geld, dem Traum von einem besseren Leben. Gleich zu Beginn des Films wird der Kies auch zur Grabstätte eines Hundes. Weitere Leichen sollen folgen. „Schwarz“ ist hier einmal Sinnbild für den Tod, aber auch für die Schattenwirtschaft, die im Umfeld der Militärbasis entsteht.
        Viele desillusionierte Menschen versuchen von der Anwesenheit der amerikanischen Soldaten zu profitierten. Einige Frauen prostituieren sich, oder versuchen sich einen Soldaten als Ehegatte zu angeln. Erzählt wird die Liebesgeschichte zwischen einem dubiosen „Kies“-Fahrer und seiner Ex, die inzwischen mit einem amerikanischen Offizier eine Vernunftehe eingegangen ist. Das Liebespaar wird perfekt von Helmut Wildt und Ingmar Zeisberg verkörpert, die beide sehr charismatisch sind. Aber auch alle anderen Darsteller und Darstellerinnen werden von Käutner hervorragend geführt. Der vielschichtige Film wird zunehmend spannender, immer mehr zum Krimi, bis zum wendungsreichen Finale.
        Es ist ein faszinierender Film, der mit seinem düsteren Realismus und Zynismus den Zahn der Zeit bestens überstanden hat.

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          Das zeitlos unterhaltsame Western-Abenteuer „Unter Geiern“ von Alfred Vohrer hat recht wenig mit dem gleichnamigen Roman Karl Mays und natürlich noch weniger mit der Realität des „Wilden Westens“ gemein. Dennoch verweist er auf das dunkelste Kapitel amerikanischer Siedlungspolitik. Verbrecherische Banden haben immer wieder einmal ganze „Dörfer“ amerikanischer Ureinwohner dem Erdboden gleichgemacht. Die „Rothäute“ konnten den „Bleichgesichtern“ nicht viel entgegensetzen und wurden häufig zum Spielball der Eindringlinge. Dieses Unrecht hat Karl May schon im 19. Jahrhundert in seinen äußerst beliebten Romanen angeprangert und mit Winnetou eine heldenhafte, überidealisierte Identifikationsfigur geschaffen.
          Mit leichter Hand inszenierte Vohrer diesmal ein Abenteuer des gewitzten und schusssicheren Old Surehand, perfekt verkörpert durch den sehr spielfreudigen Stewart Granger. Granger sieht vielleicht nicht so blendend wie Lex Barker in seiner Rolle als Old Shatterhand aus, ist diesem aber in Sachen Charisma deutlich überlegen. Seine selbstbewusste Lässigkeit ist immer wieder ein Quell der Freude.
          Die Besetzung in diesem Film ist überhaupt großartig. Götz George tritt äußerst athletisch in Erscheinung. Sieghart Rupp glänzt als markanter, verbrecherischer Gegenspieler. In einer kleinen Rolle sieht man auch Terence Hill.
          Die größte Überraschung ist Elke Sommer, der erfreulicherweise entgegen üblicher Klischees eine äußerst schlagkräftige Rolle zugedacht wurde.
          Mit gekonnter Action und viel Witz vermag dieses Werk als Unterhaltungsfilm noch heute Alt und Jung zu erfreuen. Die hervorragende Filmmusik Martin Böttchers untermalt das Geschehen perfekt.

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            MareikeHB 27.05.2021, 21:40 Geändert 28.05.2021, 07:56

            „Love Steaks“ von Jakob Lass ist eine wild romantische Komödie der etwas ausgefalleneren Art. Er ist eher schüchtern und unsicher. Sie ist extrem draufgängerisch, risikofreudig und trinkt schon einmal einen Schluck zu viel. Er ist der neue Masseur aus dem Wellnessbereich eines Luxushotels an der Ostsee. Sie ist dort Köchin in der Großküche und schon bestens, wirklich allerbestens, mit allen Kollegen vertraut.
            Langsam kommen sich beide erwartungsgemäß näher. Klingt banal. Ist es vielleicht auch. Aber trotzdem kommt eine erfrischende Liebesgeschichte zum Vorschein.
            Einige Gags sind neben einigen Albernheiten sehr gut platziert. Die improvisierten Dialoge und der Handkamera-Look geben der Love Story einen lebensechten Anstrich.
            Am gelungensten ist die Besetzung. Die beiden Hauptdarsteller Lana Cooper und Franz Rogowski sind ein tolles Paar und zwei große Schauspieltalente. Sie wirken immer überzeugend. Dies gilt aber ebenso für alle Nebendarsteller. Auch der dynamische Soundtrack gefiel mir sehr.
            Ein Schwachpunkt ist allerdings der mangelhafte Ton, der anscheinend besonders authentisch wirken soll. Er wurde wohl direkt mit dem Dreh aufgenommen und nicht nachbearbeitet.
            Letztlich fühlte ich mich stilistisch etwas an das ebenfalls hervorragend improvisierte „Wir werden uns wiederseh‘n“ von Oliver Paulus und Stefan Hillebrand aus dem Jahr 2007 erinnert.

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              Mit „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ findet Roy Anderssons kuriose sowie groteske Kunstfilm-Triologie über die menschliche Existenz (schwedisch: du levande-trilogin) ihren Abschluss. Dieses Werk ähnelt den beiden Vorgängern „Songs from the Second Floor“ und „Das jüngste Gewitter“ in jeder Hinsicht. Letztlich kann man alle drei Filme als ein Gesamtwerk betrachten. Eine Chronologie ist nicht erkennbar, sodass man die Filme in beliebiger Reihenfolge sichten kann. Auch gilt hier wegen der ausgesprochenen Ähnlichkeit der drei mit vielen Metaphern gespickten Werke das Prinzip „Kennst Du einen, kennst Du alle“.
              Andersson hat als Regisseur wirklich einen sehr eigenen, besonderen Stil. Sein besonderes Kennzeichen: kurze Episoden mehr oder weniger skurriler Lebenssituationen, mit Ruhe in einer Einstellung, oft ohne Schnitte, gedreht, mit statischen, streng durchkomponierten, pastellfarbenen Bildern, einer altbackenen, minimalistischen Ausstattung, oftmals urig-hässliche Darstellern und Darstellerinnen, erkennbaren Studioaufnahmen und seinem extrem trockenen Humor.
              Aus einer Dokumentation über den Regisseur geht hervor, dass er zunächst erfolgreicher Werbefilmer war, sich sodann einen Lebenstraum erfüllte und sein eigenes Filmstudio im schwedischen Nirgendwo schuf. Genau dort entstanden seine Werke, unter der Regie eines oft sehr verschmitzt und schelmisch lächelnden Filmschaffenden. Andersson scheint bereits beim Dreh eine diebische Vorfreude auf sein Schaffen zu entwickeln.
              Für alle Kunstfilm-Liebhaber ist Andersson sicherlich ein Muss. Andere werden ratlos auf die scheinbar völlig zusammenhangslosen Episoden blicken und sich an manch langatmigen Szenen stören, in denen scheinbar nicht „passiert“.
              Der „Whow“-Effekt war sicherlich beim ersten Film am größten. Trotzdem wurde dieser letzte Teil, dessen Titel allein einmal in einem missglückten Kindergedicht bei einer Schulaufführung Erwähnung findet, mit dem Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig prämiert.

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                „Angriffsziel Moskau“ ist einer dieser Filme von dem ich mir mehr erhofft habe. Sidney Lumet zählt immerhin zu meinen Lieblingsregisseuren und auch die Darsteller, wie Henry Fonda und Walter Matthau, verstehen etwas von ihrem Geschäft.
                Zu dem Thema Kalter Krieg und Verselbständigung der Kriegsmaschinerie habe ich bereits vorher das Remake zu diesem Film „Fail Safe“ von Stephen Frears und Stanley Kubricks Kriegsgroteske „Dr. Seltsam...“ gesehen. Daher war die Thematik für mich vielleicht schon etwas zu abgestanden.
                Das Remake bestach durch sein faszinierendes Konzept eines „Live“ Films, der ähnlich wie bei einem Theaterstück in Echtzeit gedreht wurde und durch seine knackige Laufzeit. Kubrick betonte in seinem Werk mit komischen Momenten die Absurdität des Krieges und bot im Vergleich etwas mehr Unterhaltung.
                Letztlich wirkt „Angriffsziel Moskau“ dagegen recht langatmig zäh und staubtrocken. Durch die sehr nüchterne Realisierung der Thematik lassen einen die Charaktere weitestgehend kalt (Dies ist mir bei den beiden anderen Filmen allerdings ebenfalls aufgefallen, wie auch der kammerspielartige Inszenierungsstil, der all diesen Filmen gemein ist).
                Positiv anzumerken ist, dass die Schauspieler auch hier tadellos agieren. Zudem ist das Thema einfach erschreckend zeitlos. Gerade in heutigen Zeiten, in denen die Technisierung der Welt den Menschen immer mehr aus den Händen gleitet und man sich einer Übermacht der Maschinen gegenübersieht, ist und bleibt die Thematik eines außer Kontrolle geratenen Angriffs aktuell. Die zunehmende Aufrüstung vieler bedeutender Mächte auf dieser Welt tut sein Übriges. Da bleibt auf jeden Fall ein beklemmendes Gefühl.

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                  Das filmische Meisterwerk „Birdman“ von Alejandro Iñárritu scheint inhaltlich perfekt auf „Batman“ Schauspieler Michael Keaton zugeschnitten zu sein. Es wirkt fast so, als würde seine Geschichte als alternder Star und ehemaliger Superheld-Darsteller erzählt.
                  Riggan (Michael Keaton) erhofft sich durch die Inszenierung eines Broadway Bühnenstücks und Übernahme der Hauptrolle ein Comeback sowie Renommee als ernstzunehmender Schauspieler und Regisseur. Schon bald zeigt sich, dass das ganze Unterfangen eine beträchtliche psychische Belastung für ihn darstellt. Er schwankt zwischen Selbstzweifeln und seinen Fähigkeiten als früherer „Superheld“, gefühlsmäßig immer nahe an der Schwelle zum Größenwahn und Überforderung.
                  Wie in einem abstrakten Gemälde verwischen mehr und mehr Traum, Realität sowie das Bühnenstück mit dem wirklichen Leben. Das zeigt sich gerade auch im überraschenden Ende.
                  Losgelöst vom grotesk surrealen Erzählstil werden sehr anschaulich Sorgen und Nöte im Schauspielberuf und Showbusiness geschildert. Dialoge sind sehr pointiert.
                  Die äußerst kreative Kameraführung, die extrem dynamisch, immer nah am Geschehen ist und fast ohne erkennbare Schnitte auskommt, lässt das Geschehen sehr persönlich und lebendig erscheinen. Der wiederkehrende peitschende Trommelwirbel im Soundtrack signalisiert den ansteigenden Stresspegel des Protagonisten.
                  Aus der grandiosen Darstellerriege: Michael Keaton, Edward Norten und Emma Stone, holt Iñarritu das Maximum heraus, sodass sie perfekte Leistungen liefern können.
                  Völlig zurecht gab es „Oscars“ in den Kategorien „Bester Film“, „Regisseur“, „Kamera“ und Drehbuch. Nur die oben genannten Darsteller mussten sich leider allesamt mit Nominierungen zufriedengeben. Gerade Michael Keaton hätte ich die Trophäe gegönnt. Eine derartige Rolle gibt es nur einmal im Leben.

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                    MareikeHB 13.05.2021, 19:24 Geändert 13.05.2021, 19:31

                    "Red Sparrow" ist ein durchaus reißerisch unterhaltsamer Ost-West-Agentenfilm, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Einerseits sieht man Fahrzeugmodelle aus der heutigen Zeit, andererseits scheint der Inhalt des Films aus Tagen des kalten Kriegs zu stammen. Auch die oft anachronistisch altmodisch wirkende Ausstattung und das Fehlen moderner Kommunikationsmittel, wie z.B. Smartphones, wirkt in der heutigen Zeit befremdlich. Das kommunizierte Schwarzweiß-Denken: Russen (=bösartig und pervers), Amerikaner (ohne Fehl und Tadel) erinnert an einen Propaganda-Film der USA aus alten Zeiten.
                    Kostenintensive Special Effects sucht man hier vergebens, dafür wird die klassische Agentengeschichte oftmals mit reißerischen Szenen, bestehend aus Sex und Gewalt, angereichert. Jennifer Lawrence muss sehr viel nackte Haut zeigen und ein Nebendarsteller komplett blankziehen. In der russischen Agentenschule der "Red Sparrows", geleitet von einer köstlich diabolisch agierenden Charlotte Rampling, findet übelste sexuelle Ausbeutung statt.
                    Man könnte den Film als billigen Exploitation Trash bezeichnen - schließlich kommt er weitestgehend ohne aufwändige Außenaufnahmen aus. Aber dafür ist die Agentengeschichte letztlich zu clever konstruiert, die Nebenrollen mit der Rampling, Joel Edgerton und Jeremy Irons zu gelungen besetzt, und auch sonst ist handwerklich wenig auszusetzen. Nur warum müssen alle Russen ständig mit einem Akzent sprechen? Die akzentfreien Amerikaner bleiben eher eine Randerscheinung in diesem Fake-Akzent-lastigen Film.

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                      MareikeHB 11.05.2021, 09:32 Geändert 11.05.2021, 13:51

                      Danke, Moviepilot, für den gelungenen Trailer für diese Rarität!
                      „Heiße Erde“ (Island in the Sun) von Robert Rossen ist eine schön bebilderte, nett dahinplätschernde, aber leider recht spannungsarme Seifenoper mit erstklassigen Stars und viel karibischem Flair (weitestgehend auf der Insel Granada gedreht).
                      Die filmhistorische Bedeutung des Films liegt darin, dass Filmlegende Joan Fontaine eine Liebesbeziehung mit der sympathischen Gesangslegende Harry Belafonte eingehen darf und dass Rassismus thematisiert wird. In den 1950er Jahren waren Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben gesellschaftlich und in Filmen weitestgehend undenkbar. Joan Fontaine hat dementsprechend leider auch viele Hassbriefe für ihre Rolle geerntet.
                      In Nebenrollen sind James Mason, einmal mehr als charakterlich komplexer Gegenspieler, zwischen arrogantem Machtbewusstsein, Unbeherrschtheit und tiefer Verunsicherung, und die noch junge Joan Collins zu sehen.
                      Der Film wurde zu über 90 Prozent an Originalschauplätzen gedreht, von Regierungsgebäuden bis Fischerdörfern.
                      Zudem war es für den legendären Filmproduzenten Darryl F. Zanuck die erste unabhängig von den großen Hollywood-Studios gedrehte Produktion.
                      Harry Belafonte steuert seinen schön romantischen Song „Island in the Sun“ zum Soundtrack bei, der Urlaubsgefühle aufkommen lässt.

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                        MareikeHB 09.05.2021, 12:24 Geändert 09.05.2021, 14:21

                        „Die fetten Jahre sind vorbei“ von Hans Weingartner ist ein einfallsreiches, spannendes und sehr unterhaltsames Werk mit gesellschaftskritischen sowie leicht grotesken Tönen.
                        Die politischen Botschaften der Protagonisten, drei linksradikale Aktivisten, kommen zwar in verbaler Hinsicht schon arg plakativ daher, aber sie stammen anscheinend nicht gerade aus den Mündern Intellektueller. Die Aktionen wirken da schon erfrischender, allerdings bewegen sie sich bereits jenseits des gesetzlich Erlaubten. Letztlich erinnert das geschilderte linksradikale Milieu mit dem übertriebenen Schwarzweiß-Denken stark an die längst vergangenen Zeiten der 1970er. Dementsprechend wird der bereits ältere großkapitalistische Gegenspieler an seine wilden Jugendjahre erinnert. Von den schablonenhaften
                        politischen Ansichten machen sich die Filmemacher jedoch niemals wirklich frei.
                        Der manchmal ruppige Schnitt passt gut zu den oftmals radikalen Äußerungen. Die Kameraarbeit von Matthias Schellenberg ist ausgezeichnet, und die gezeigte Urlaubsidylle Tirols steht im schönen Gegensatz zu der aufgewühlten Gemütslage der Hauptfiguren.
                        Auch die vier Hauptdarsteller, Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg und Burghart Klaussner, überzeugen in jeder Hinsicht. Passend ist zudem der hörenswerte Soundtrack.
                        Das etwas konstruiert wirkende Ende hat zumindest eine treffende Botschaft: „Manche Menschen ändern sich nie“. Auf wen die Zuschauer und Zuschauerinnen diese beziehen, bleibt ihnen glücklicherweise selbst überlassen. Nach dem Abspann folgt eine weitere geistreiche Pointe!

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                          MareikeHB 05.05.2021, 11:58 Geändert 05.05.2021, 12:40

                          Streaming-Tipp: „Being John Malkovich“ von Spike Jonze ist ein unglaublich kreatives und vielschichtiges Ausnahmewerk, das nunmehr nach einer Zweitsichtung zu meinen Lieblingsfilmen zählt. Der Puppenspieler Craig Schwartz (John Cusack) findet an seinem neuen Arbeitsplatz hinter einer Wand einen Zugang in das Bewusstsein des Schauspielers John Malkovich und darf die Welt mit seinen Augen sehen. Aber auch seine frustrierte Ehefrau (mit Mut zur Hässlichkeit: Cameron Díaz) kommt auf den Geschmack und möchte an dem vermeintlich großartigen Leben des Schauspielers teilhaben. Durch die zunehmende Kontrollmöglichkeit des Bewusstseins ergeben sich einige schräge Konstellationen und Liebesabenteuer.
                          Hier geht es um (unerfüllte) Liebe, dem Wunsch mancher Menschen „in eine andere Haut zu schlüpfen“, um die (unkritische) Verehrung von Filmstars und dem Wunsch nach ewigem Leben. Die Besetzung ist fantastisch. Catherine Keener erhielt für ihre schön schamlose Rolle ein Nominierung als beste Nebendarstellerin. Ebenfalls nominiert wurden Spike Jonze als Regisseur und Charlie Kaufman für sein ausgefallenes Drehbuch.
                          John Malkovich tut ganz hervorragend und mit sehr viel Selbstironie so, als spiele er sich selbst. Seine durch das fremde Bewusstsein gesteuerte Tanzdarbietung ist ein echter Hingucker.

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                            MareikeHB 05.05.2021, 11:24 Geändert 05.05.2021, 11:25

                            „Der diskrete Charme der Bougeoisie“ ist schon ganz schön doppelbödig. Einerseits sind die gesellschaftlich höher Gestellten immer nett, auf gesellschaftliche Konventionen bedacht. Andererseits tun sich in Sachen Moralvorstellungen und Werten Abgründe auf. Der bekennende Linke und Großmeister des Films Luis Buñuel karikiert eiskalt die Bigotterie der besser gestellten Klasse und der Kirche.
                            Als Verehrer der surrealen Kunst baut Buñuel immer wieder einmal Traum- und sogar Traum-im-Traumsequenzen sowie überraschende Überspitzungen in den Film ein.
                            Die einzelnen Sequenzen wirken episodenhaft - wie Anekdoten - und sind immens unterhaltsam. Allerdings muss man auch das Eigenartige und manchmal Unerklärliche wertschätzen können. Der Film wirkt inhaltlich wie ein Gemälde von Salvador Dalí, wenn auch nicht ganz so übertrieben in der visuellen Darstellung.
                            Regie, Schauspiel und der Soundtrack sind tadellos. Es ist ein Film, der vielleicht bei einer Zweitsichtung noch ein Lieblingsfilm werden könnte.

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                              Hitchcocks Lieblingsfilm von seinen eigenen Werken, der Thriller „Im Schatten des Zweifels“, hat durch übermäßige Hassbewertungen leider eine schlechte Durchschnittsbewertung. Wenn Hitchcocks frauenfeindliches „Marnie“ diese bekommen hätte, hätte ich es ja noch verstehen können. Aber bei diesem Film fielen mir tatsächlich nur sehr leichte Schwächen ins Auge. Ganz im Gegenteil, er ist gut gealtert und bietet spannende, anspruchsvolle Unterhaltung.
                              Hitchcock wählte hier ausnahmsweise einmal eine starke weibliche Hauptfigur. Charlotte (Teresa Wright), die sich gerne wie ihr Lieblingsonkel „Charlie“ nennt, ist ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden in einer typisch amerikanischen Mittelklasse-Familie. In diese fünfköpfige Familie nistet sich zur Freude aller der äußerst vorzeigbare Onkel Charlie (Joseph Cotton) ein, der aber offensichtlich eine dunkle Vergangenheit hat. Auf Charlottes anfängliche Schwärmerei folgt Ernüchterung, als sich ihr „Seelenverwandter“ Charlie in ihren Augen zunehmend verdächtig verhält.
                              Das Familienleben wird sehr pointiert dargestellt. Es ist schon sehr lustig, wenn die jüngere Tochter immer ein Buch in der Hand hält, etwa so, wie bei manchen Teenagern heute das Handy in der Hand klebt. Auch gibt es herrlich skurrile Nebenfiguren, wie der Freund des Vaters Herbert, der sich unentwegt Gedanken über einen perfekten Mord macht.
                              Es ist ein brillanter, oft amüsanter Film über das Erwachsenwerden, über Familie und dunkle Geheimnisse (die man als Kind besser nicht für sich behält), auch wenn die Kriminalgeschichte dabei nicht immer ganz schlüssig ist.
                              Von den Darstellern überzeugt insbesondere Joseph Cotton. Teresa Wright ist sehr charmant, aber auch etwas exaltiert.
                              Mit diesem Film kann man gut ältere Kinder an Thriller heranführen.

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                                MareikeHB 02.05.2021, 19:11 Geändert 02.05.2021, 20:11

                                „Mandingo“ ist ein Blaxploitation-Reißer und Skandalfilm, der polarisiert. Richard Fleischer zeigt ein schonungsloses, vielleicht auch überspitztes, Bild des Sklavensystems in den Südstaaten der USA im 19. Jahrhundert, aber auch ein äußerst vielschichtiges Liebesdrama. Dieser berühmt, berüchtigte Film diente unter anderem Quentin Tarantino als Inspirationsquelle für „Django Unchained“.
                                Die Familie des Plantagenbesitzes wird hier erstaunlich psychologisch differenziert, tendenziell aber als moralisch verkommener, herrschsüchtiger „White-Trash“ porträtiert. Der moralische Verfall in diesem Sklavensystem findet sein metaphorisches Abbild in der heruntergekommenen Plantage, in der oftmals von Südstaaten-Slang durchzogenen fehlerhaften englischen Sprache und in diversen körperlichen Handicaps der herrschenden Klasse.
                                Wie hier mit den afro-amerikanischen Sklaven umgegangen wird, macht einfach nur sprachlos. Sie werden verbal aufs gröbste verletzt und wie Tiere behandelt, blutig geschlagen, „unsittlich“ berührt, zum Geschlechtsverkehr gezwungen, ihnen wird Bildung verweigert, Familien werden auseinander gerissen, sie werden zu Tötungen von ihresgleichen gezwungen, ungewollte Kinder werden getötet und ein Junge wird als Fußwärmer benutzt, damit das Rheuma „den Körper verlässt“! Dabei wird alles, bis auf Vergewaltigungen und Kindstötungen, auch explizit gezeigt.
                                Aber nicht nur Rassismus und Sklaverei werden angeprangert, sondern auch die Rolle der Frau in diesem System wird kritisch beleuchtet. Sie ist hier Täter und Opfer zugleich.
                                Alle Hauptfiguren auf Seiten des Plantagenbesitzes haben ein offensichtliches Handicap: Das knallharte und unbarmherzige Familienoberhaupt (James Mason) leidet unter Rheuma, sein Sohn (Perry King), der eine Sklavin liebt, humpelt aufgrund einer bleibenden Knieverletzung, seine bösartige, ungeliebte Ehefrau (Susan George) ist recht stumpfsinnig.
                                Die afroamerikanischen Hauptdarsteller haben unser Mitgefühl, die eine als hübsche Geliebte des Sohns (Brenda Sykes), und der andere als der zum Gladiator ausgebildete, stählerne Kampfsklave (Norton Mede), der seine Gegner töten muss.
                                Wer den extra brutalen Sklavenkampf hier gesehen hat, wird für andere Kämpfe, wie z.B. in den Rocky Filmen, nur noch ein müdes Lächeln übrig haben.
                                Der B-Film Charakter zeigt sich in den gutaussehenden, aber recht mittelmäßigen Schauspielern. Nur James Mason ist mit seiner nuancierten Darstellung wieder einmal über jeden Zweifel erhaben.
                                Der Soundtrack von Maurice Jarre untermalt das Geschehen perfekt. Es ist eine Mischung aus ironischer Schönwetter-Musik mit ein paar gezielt eingeworfenen Disharmonien und natürlich mit einigen Blues-Klängen.
                                Insgesamt gesehen wird hier natürlich der Voyeurismus bedient und so manche Geschmacksgrenze überschritten. Aber der Film legt nur den Finger in die Wunde und zeigt, zu welchem abscheulichen Verhalten Menschen generell in der Lage sind. Menschen, die von Hass und Gewalt bestimmt sind, sind letztlich dem Untergang geweiht. Irgendwann müssen sie für ihre Taten bezahlen.

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                                  MareikeHB 28.04.2021, 19:59 Geändert 28.04.2021, 20:09

                                  „Thérèse Raquin“ hat den deutschen Titelzusatz „ - Du sollst nicht ehebrechen“. In den 1950er Jahren waren Filme noch überaus moralisch korrekt. So durfte damals unethisches Verhalten im Film nie ungestraft bleiben. Der moralische Zeigefinger war allgegenwärtig. Aber hier hat er dem Film jedenfalls nicht geschadet.
                                  In dem zeitlos spannenden Thrillerdrama von Marcel Carné geht es um Zweckheirat, Abhängigkeiten, wahre Liebe, Totschlag und Erpressung.
                                  Psychologisch sehr durchdacht, bleibt die Geschichte immer schlüssig - geradlinig und schnörkellos auf den Punkt perfekt von Carné inszeniert. Die passende und unaufdringliche Filmmusik von Maurice Thiriet wird relativ sparsam eingesetzt.
                                  Carné durfte sich hervorragender Schauspieler bedienen, die sehr authentisch agieren. Die beiden Hauptdarsteller Simone Signoret und Raf Vallone bestechen zudem durch ihr Charisma. Der Film ist frisch wie eh und je. Er hat keinen Staub angesetzt.
                                  Nur den moralisierenden deutschen Titelzusatz braucht niemand wirklich.

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                                    MareikeHB 25.04.2021, 18:58 Geändert 25.04.2021, 21:23
                                    über Oldboy

                                    ??? Es gibt gegenständliche und es gibt abstrakte Kunst.
                                    Bezogen auf dem Film „Oldboy“ von Chan-Wook Park muss man dieses Werk wohl der abstrakten Kunst zurechnen.
                                    Die einzelnen, oftmals sehr eindrucksvollen Szenen, wirken lose und manchmal zusammenhanglos. Dabei fällt es schwer, der Handlung zu folgen. Die Geschichte ist, wenn man sie denn versteht, ziemlich an den Haaren herbeigezogen, oftmals surreal.
                                    Grob gesagt, handelt es sich um ein mitunter recht brutales und drastisches Rache-Drama. Der Geschäftsmann Dae-Su wird für 15 Jahre in einem Zimmer von einem Unbekannten gefangen gehalten. Schließlich gerät er unvermittelt in die Freiheit und versucht seinen Peiniger zu finden...
                                    Der Film ist äußerst kunstvoll und kreativ. Kamera, Beleuchtung und Szenenbild sind großartig. Auch versprüht der stilbildende Film viel koreanische Originalität.

                                    INTERPRETATIONS-SPOILER:

                                    Die Stilmittel des Regisseurs habe ich bereits zu Beginn des Films so interpretiert, dass die Hauptfigur eine psychische Störung mit einer Wahrnehmungsverzerrung hat. Im Verlauf des Films kam ich auf den Gedanken, dass Dae-Su vielleicht auch schizophren sein könnte und eine gespaltene Persönlichkeit hat sowie dass der Film ausschließlich aus seiner Sicht erzählt wird. Mir kam die Idee, dass Dae-Su und sein Gegenspieler Woo Jin-Lee vielleicht ein und dieselbe Person sind. Das „gute“ Ich Dae-Su ist das unwissende und unschuldige Opfer. Woo Jin-Lee, das böse (jüngere) Ich, hatte offensichtlich eine inzestuösen Beziehung zu seiner Schwester und konnte ihren tödlichen Unfall nicht verhindern. Vielleicht redete Woo Jin-Lee Dae-Su das inzestuöse Verhältnis zu seiner Tochter nur ein, sodass es ein Hirngespinst ist und aus seinem Schuldkomplex resultiert. Der Kampf der beiden Gegenspieler ist vielleicht nur ein Kampf ums Vergessen und Verdrängen der Jugendsünden. Dae-Su fühlte sich möglicherweise nur 15 Jahre (wie ein Verbrecher!) eingesperrt.
                                    Bei der Hypnose gab es einmal, meine ich, einen Hinweis auf die zwei Persönlichkeiten.
                                    Das Ende kann man auch so deuten, dass Dae-Su psychisch krank ist und eine Hypnose, die der Heilung dienen sollte, ihm klar machen soll, dass er eine verdrängte, inzestuöse Beziehung zu seiner Tochter hatte und diese nicht mehr wie vorher „lieben“ kann und darf.
                                    Aber es kann auch sehr gut sein, dass ich insgesamt zu viel in diesen Film hineininterpretiert habe. Das sind auch nur erste Gedanken, die mir bei der Erstsichtung dieses Films kamen. Bei Wikipedia habe ich nur etwas zur vordergründigen Geschichte gefunden.

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                                      MareikeHB 25.04.2021, 15:52 Geändert 20.10.2024, 14:09

                                      In dem anspruchsvollen und wendungsreichen Justizthriller „Nacht über Manhattan“ von Sidney Lumet geht es um die Aufdeckung von Korruption bei der New Yorker Polizei und Handeln in rechtlichen Grauzonen. Abgesehen von einer größeren Schießerei-Szene zu Beginn des Films, schildert Lumet kammerspielartig mit der nötigen Ruhe Verfehlungen und Verflechtungen der New Yorker Polizei und Justiz. Der unerfahrene Absolvent eines Jura-Studiums und Sohn eines Polizisten (Andy Garcia) wird als angehender Staatsanwalt mit einem vermeintlich eindeutigen Fall beauftragt. Doch der Angeklagte wird von einem idealistischen Star-Anwalt (Richard Dreyfuss) vertreten, der mit der Übernahme des Falls einen Frontalangriff auf die New Yorker Polizei starten möchte.
                                      Lumet geht einerseits mit einer gehörigen Portion düsteren Realismus ans Werk, andererseits sind die charaktervollen Nebenfiguren auch leicht überzeichnet, um der Geschichte mehr Leben einzuhauchen und Würze zu geben. Er holt aus seinen Darstellern wieder einmal ein Maximum heraus. Hier stimmt jede Geste und jede Regung, gepaart mit dem typischen, manchmal etwas lauten Temperament der New Yorker. Es ist ein komplexer Film fernab von eingetretenen Erzählstrukturen und der Glitzerwelt des Hollywood Kinos, fernab von Gut und Böse. Auch das Spannungsverhältnis Recht und Gerechtigkeit wird thematisiert.
                                      Der kühle Jazz Soundtrack von Mark Isham untermalt das Geschehen perfekt.

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                                        MareikeHB 23.04.2021, 18:00 Geändert 24.04.2021, 13:31

                                        Das Liebesdrama „Die Dinge des Lebens“ von Claude Sautet ist ein zeitloses, extrem originelles Meisterwerk des französischen Kinos. Mit einer poetisch anmutenden Leichtigkeit werden die kleinen und die großen Dramen, aber auch die schönen Momente, einer Beziehung geschildert. Die Erzählstruktur ist lose, wie Erinnerungsfragmente.
                                        Schon zu Beginn des Films ist zu erkennen, dass der Protagonist (Michel Piccoli) die Kontrolle über seinen wunderschönen Alfa Romeo verliert. Dieses Unglück wird absolut brillant, in kleinen, andeutenden Puzzlestücken über den ganzen Film hinweg, in Szene gesetzt. Der Unfall wird visuell gedehnt, die Beziehungsgeschichten werden dazwischen episodenhaft abgespult. Es sind genau die Schrecksekunden bei einem Unfall, an denen im wahrsten Sinne des Wortes gedanklich das Leben an einem vorbeizieht. Es erscheinen „Dinge des Lebens“ vor dem inneren Auge, die genau in dem Moment wichtig sind.
                                        Mit den überaus charismatischen Michel Piccoli und Romy Schneider in den Hauptrollen hat Sautet eine ideale Besetzung gefunden. Es ist immer wieder eine Freude, diesen Ausnahmestars bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Sautet inszenierte das Drama makellos und äußerst kreativ. Den angenehmen und stimmungsvollen Soundtrack steuert Philippe Sarde bei.

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                                          MareikeHB 19.04.2021, 18:53 Geändert 19.04.2021, 20:30

                                          Schade, dass der andere Kommentarschreiber des Films „Der Gefangene der Teufelsinsel“ (er hat erst ganze zwei Bewertungen), so „großzügig“ war und 0 Punkte vergeben hat. Da müsste ich mindestens 14 Punkte vergeben, damit der Film eine akzeptable Durchschnittsbewertung erzielt.
                                          Kurz und knackig schildert Ken Russell in diesem Film die wichtigsten Fakten, die man zur politisch skandalösen Dreyfus-Affaire in Frankreich (1894-1906) wissen sollte.
                                          Der jüdische Hauptmann Dreyfus wurde damals aufgrund unzureichender Beweise des Geheimnisverrats beschuldigt, verurteilt und entehrt auf die „Teufelsinsel“ in Isolationshaft verbannt. Er soll wichtige Informationen an das damals verfeindete Deutschland geliefert haben.
                                          Oberst Picquart, als neuer Chef des Geheimdienstes, bemerkt dieses und einige andere Ungereimtheiten. Bei der Aufklärung des Falls gerät er in ein Geflecht von Intrigen, gefälschter Beweismittel und Vertuschungen, das bis an die Spitze des Militärs und der Politik ragt. Dabei begibt er sich zunehmend selbst in Gefahr. Er steht dabei in dem ständigen Konflikt als Soldat einerseits patriotisch zu handeln, um Schaden vom Militär sowie Politikern möglichst abzuwenden und andererseits seinem Gewissen zu dienen und seinem Gerechtigkeitsgefühl Folge zu leisten.
                                          Kammerspielartig, mit einer feinen Ausstattung versehen, inszenierte Ken Russell diese geschichtliche Lehrstunde versiert und mit gelungenen Aufnahmen für das amerikanische Privatfernsehen. Die Dialoge sind erlesen und bringen die Konfliktsituationen auf den Punkt. Russell bediente sich dabei erstklassiger, meist englischer Charakterdarsteller wie Oliver Reed, Jeremy Kemp und Peter Vaughan.
                                          Die Hauptrolle hat der Amerikaner Richard Dreyfuss, allerdings nicht als Hauptmann Dreyfus, sondern als Oberst Picquart. Dreyfuss füllt diese Rolle als äußerst versierter Mime perfekt und mit der nötigen Zurückhaltung aus. Er hat den Film auch mit produziert.
                                          Die gesellschaftlich relevanten Themen der Dreyfus-Affaire: der Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung, Gerechtigkeit, Mut und Rückgrat sind zeitlos.
                                          Der Aufhänger, mit dem der Justizskandal erzählt wird, und der Bezug zum Buch „The Prisoner of Honor“, auf dem der Film beruht, lässt einen am Ende allerdings staunen.
                                          Etwas detailreicher, aber leider auch langatmiger, ist Roman Polanskis schön bebilderter Film „Intrige“ aus dem Jahre 2019 zum selben Thema.

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                                            MareikeHB 18.04.2021, 17:35 Geändert 18.04.2021, 21:24

                                            Die erfolgreiche und sehr unterhaltsame Miniserie „Bodyguard“ ist ein raffiniert erzählter Politkrimi in bester britischer Whodunit-Tradition und keinesfalls mit dem bekannten Kevin Costner/Whitney Huston Film zu verwechseln. Die Geschichte ist (allein schon durch die Lauflänge) bedeutend komplexer und weist viele zeitpolitische Bezüge auf.
                                            Der Leibwächter darf hier die äußerst ambitionierte britische Innenministerin (Keeley Hawes) beschützen. Diese schafft sich mit ihrem harten innenpolitischen Kurs viele Feinde, sodass die Aufgabe, ihr Schutz zu bieten, eine besondere Herausforderung darstellt.
                                            Die Kriminalgeschichte wird auch hier mit einer heißen Affäre garniert. Die Liebesszenen sind der heutigen Zeit gemäß deutlich expliziter als im gleichnamigen Vorläufer-Film.
                                            Handwerklich gekonnt gemacht, durch einen druckvollen, minimalistischen Soundtrack mit elektronischer Musik unterstützt, wird insgesamt spannende Unterhaltung geboten.
                                            Die Darsteller sind allesamt überzeugend. Richard Madden als attraktiver Bodyguard zieht alle Register seines schauspielerischen Könnens und wurde dementsprechend mit einem Golden Globe als bester Darsteller einer Dramaserie belohnt. Optisch erinnert er immer wieder stark an den jungen Robert Wagner! 😀
                                            Auch wenn es gelegentliche Längen, kleinere Ungereimtheiten und Übertreibungen (Eigenheiten praktisch aller Whodunits) gibt, ist das Jammern auf sehr hohem Niveau. An derartige Serien sollte man nicht unbedingt mit einem übertriebenen Sinn für Realismus herangehen.

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                                            • Schöne Idee für eine Liste! Ich hätte da noch: „ Vergiss mein nicht“, „Hände weg von Mississippi“, „Drive“, „Der Himmel soll warten“ und „Du sollst mein Glücksstern sein“.

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                                                „Sie nannten ihn Knochenbrecher“ ist eine Martial-Arts-Komödie mit dem unkaputtbaren Jackie Chan zu Beginn seiner großen Karriere.
                                                Die Geschichte bietet nichts Neues: Ein verzogener Bengel findet seinen Meister und darf sich, vor allem in diversen Zweikämpfen, bewähren und wachsen.
                                                Das Budget ist im Vergleich zu Chans späteren Filmen noch ein wenig karg und die Stunts noch nicht so aufwendig. Aber die Kampfchoreografie ist wieder einmal eine Klasse für sich und Chan darf sein großes Ausnahmetalent zeigen. Auch finden sich hier immer wieder viel schwarzer, echt chinesischer Humor und liebenswerte, überzeichnete Typen. Sehr schön ist, dass vermeintlich Schwache ganz stark auftreten dürfen und für diverse Überraschungen sorgen. Das Kampftraining beim großen Meister gleicht allerdings schon eher einer Folter.
                                                So richtig politisch korrekt ist es sicherlich aus heutiger Sicht auch nicht mehr, wenn der Lehrmeister ein Trunkenbold ist und einen besonders effektiven Kampfstil der „Acht betrunkenen Gottheiten“ vermittelt. Dabei muss sich auch der Schüler einiges genehmigen. Wobei die Schattenseiten des Entzugs beim alkoholkranken Großmeister zumindest kurz gezeigt werden. Letztlich hat das Ganze schon einen kindlichen Charme und zumindest für Fans einen großen Unterhaltungswert.

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                                                • Super Liste! Mir fällt ganz spontan „Lolita“ von Stanley Kubrick (ein sehr, sehr zweifelhafter Ersatzvater!), „Iwans Kindheit“ von Andrei Tarkowski (Soldaten als Ersatzväter) und Matilda nach Roald Dahl (die Lehrerin als Ersatzmutter) ein. Ansonsten natürlich eine „Oliver Twist“ Verfilmung nach Wahl. „Ersatzmütter und Ersatzväter“ ist auch ein Thema bei gefühlt 50 0/00 aller Disney Verfilmungen und generell bei Märchen.

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                                                    MareikeHB 04.04.2021, 16:41 Geändert 06.04.2021, 08:32

                                                    Nicholas Ray hat mit „König der Könige“ einen beeindruckenden, klassischen Monumentalfilm mit grandiosen Aufnahmen über die Lebensgeschichte Jesu Christi geschaffen. Allerdings habe ich mich immer gefragt, wieso er erst ab 16 freigegeben ist. Übertrieben grausam ist er jedenfalls aus heutiger Sicht trotz einiger Kampfszenen zwischen Römern und Juden sowie auch der Kreuzigungsszene nicht.
                                                    Allerdings wird die Lebensgeschichte Jesu Christi ohne die aus einigen seiner Wunder resultierenden Fantasy-Elemente dargestellt. Diese werden lediglich in Gesprächen erwähnt, sodass es den Zuschauern überlassen bleibt, sie zu deuten. Jesus wird hier recht distanziert, fast eher als eine historische Figur gezeigt.
                                                    Der Fokus liegt tatsächlich nicht nur auf Jesus, sondern auch auf Johannes dem Täufer, dem sündigen König Herodes Antipas samt Familie, dem unerbittlichen römischen Statthalter Pontius Pilatus, dem römischen Sympathieträger Lucius und dem jüdischen Rebellen Barabbas. Diese "Entzauberung" der Jesusfigur und die generell größere Sensibilität bei Gewaltdarstellungen führte womöglich damals zu einer Altersfreigabe von 16 Jahren.
                                                    Selbst für Nicht-Christen weist dieser Film viele interessante historische Bezüge auf und sollte eigentlich fester Bestandteil der Allgemeinbildung sein.
                                                    Gerade weil diese Verfilmung nicht alle Grausamkeiten der damaligen Zeit zeigt, ist sie meiner Meinung nach auch für Kinder ab ca. 10 Jahren sehenswert. Allerdings ist die geschliffen komplexe und oftmals altertümliche Sprache sicherlich die größte Hürde des Films.
                                                    Jeffrey Hunter ist mit seinen strahlend blauen Augen ein äußerst ansehnlicher Jesus, auch wenn Jesus höchst wahrscheinlich braune Augen hatte! Manche Darsteller, vor allem Siobhan McKenna als Maria, spielen leicht übertrieben, andere wiederum auf den Punkt überzeugend. Der Soundtrack von Miklos Rozsa ist trotz einer gewissen Schwülstigkeit passend bombastisch und sakral.

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