Martin Canine - Kommentare
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Alle Kommentare von Martin Canine
Alfred Hitchcock besaß ein natürliches Talent zur Inszenierung, eine Art sechsten Sinn dafür, was beim Publikum wirkt und was nicht.
Viele Regisseure, die ein fremdes Drehbuch verfilmen, scheitern oft daran, dass sie nicht ihr ganzes Herzblut in die Arbeit stecken, oder umgekehrt schlicht den inhaltlich wichtigen Stellen weniger Platz einräumen, als den Szenen, in denen sie sich künstlerisch austoben können.
Nachdem ich von Hitchcock mit viel Abstand wesentlich mehr Filme gesehen habe als von allen anderen Regisseuren, finde ich es jedoch wirklich erstaunlich, dass seine Werke nie aus seiner eigenen Feder stammen. Schließlich gibt es inhaltlich sehr starke Parallelen, und außerdem scheinen sie genau richtig für seine Absichten zu sein, als das sich die Handlung immer perfekt zu seinem Regiestil passt, und mehr als genug Szenen bietet, in denen sich der Master of Suspense austoben kann.
"Verdacht" ist ein klangvoller, reißerischer Titel. Wir wissen sofort, was uns erwartet.
Gleichzeitig ist es auch ein Motiv, welches sich durch den Großteil seiner Filme zieht.
Im Film dieses Namens geht es um eine junge Frau namens Lina, die eines Tages einen lebensfrohen, gut aussehenden Mann, Johnnie, im Zug trifft. Dieser sitzt mit dritter Klasse Karte in der ersten, und bittet die Dame, ihm mal auszuhelfen, als der Kontrolleur kommt, um die Fahrkarten zu sehen. Eine Briefmarke soll als Zahlung reichen.
Wie es der Zufall so will treffen sich die Beiden später nochmal, verlieben sich und heiraten bald darauf.
Was Lina aber erst nach der Hochzeit erfährt, soll danach ausschlaggebend für den Verlauf (und auch für den titelgebenden 'Verdacht') sein: Johnnie ist vollkommen pleite, denn er ist wettsüchtig...
Cary Grants muntere Art ist der große Trumph des Films. Sie wirkt in harmonischen Momenten sympathisch, lustig und freundlich, und dann in den Situationen, in denen seine Figur z.B. die Stühle seiner Frau verwettet, verlogen und höhnisch.
Es ist diese Art, dieses leichtlebige, sorg- und verantwortungslose Gefühl, welches dann auch zum immer weiter steigenden Verdacht führt, denn obwohl Johnnie von seinem Suchtproblem, den damit verbundenen Lügen gegenüber seiner Frau und seinen Taten weiß, zeigt er nie Reue und spielt das hinter seinem charmanten Lächeln runter, und scheint sich keiner Schuld bewusst zu sein.
Im Gegenteil: er freut sich, wenn er seiner Frau mal etwas mit nach Hause bringen kann, was er durch eine Wette gewonnen hat.
Auch sein bester Kumpel hat nichts weiter zu tun, als sich über Johnnies Einstellung zu amüsieren, und seine absurden Ausreden zu genießen.
Lina nimmt dieses Problem aber (zurecht) tragisch, und fühlt sich gedemütigt.
Die Sorge, die sich allerdings in ihr Hirn eingebrannt hat: wie weit würde Johnnie gehen, um an Geld zu kommen?
Johnnie, der durch seine herzliche Art ohnehin nie zu durchschauen ist?
Viele kreiden dem Film sein Ende an, dass durch den damals geltenden Hayes-Code abgeändert wurde.
Ich gehöre nicht zu diesen Personen. Der letztlich im Film verwendete Schluss gibt dem gesamten Geschehen einen ganz anderen, in meinen Augen wesentlich lebensnäheren Hintergrund. Hätte man das ursprüngliche Ende verwendet, wäre in meinen Augen nur ein weiterer Krimi in Hitchcocks Karriere entstanden, von denen er selbst zum Entstehungszeitpunkt schon einige gedreht hat.
Joan Fontaine, die für diesen Film den Oscar erhielt, und vor Allem Cary Grant tragen durch ihre tollen schauspielerischen Leistungen genauso zur Atmosphäre bei wie Hitchcocks einzigartig spannende und an ihren besten Punkten fast schon paranoid wirkende Inszenierung.
Ein sehr gelungener und weitestgehend unterschätzter Film in der langen Karriere des Master of Suspense.
1962, 12 Jahre nach ihrer großen Rolle in 'Alles über Eva', schlüpft Bette Davis erneut in die Rolle eines alternden Stars, nämlich in die des ehemaligen Kinderstars Baby Jane Hudson.
Es ist kein Zufall, dass ein Großteil des Vorspanns vor dem Hintergrund einer zerbrochenen Kinderpuppe der Baby Jane geschrieben steht.
Im Laufe des Films wird immer deutlicher, dass dies nicht nur symbolisch für ihre Karriere steht.
"Was geschah wirklich mit Baby Jane?" ist ein großartiger Psychothriller, und ein noch großartigeres Drama.
Nach ihrer Karriere als Kind ging Janes Laufbahn der Bach runter. Als sie noch Baby Jane war, füllte sie Hallen, und verdiente das Geld für die Familie. Ihr wurde im Gegenzug Aufmerksamkeit zuteil.
Ihre Schwester Blanche stand daneben.
Doch als Jane alterte, interessierte man sich nicht mehr für sie. Die Zeiten der Karriere waren vorbei. Dabei kannte sie nichts anderes. Es war der Inhalt ihres kompletten Lebens.
Dieser war plötzlich zu Ende.
Und dann erschien auf einmal Blanche auf der Bildfläche, drehte erfolgreiche Filme, war der Liebling des Publikums und der Studios.
Jane beginnt zu trinken - und wird in einen Autounfall verwickelt. Ein Unfall, der Blanche (als Erwachsene grandios von Joan Crawford gespielt) zeit Lebens an einen Rollstuhl fesselt.
Rund 20 Jahre später ist Blanche voll auf Janes Pflege angewiesen. Doch diese macht kein Geheimnis daraus, dass sie ihre Schwester hasst, und schikaniert und terrorisiert sie in zunehmenden Maße...
Es gibt ein Detail, dass mich von Anfang an verwunderte. Ein Teil, dass nicht stimmte. Offenbar wissen alle Beteiligten, dass Jane psychisch krank ist. Und doch erweckte sie nie den Eindruck, nicht in vollem Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten zu sein. Sie wird zunehmend (psychisch und dann auch körperlich) gewalttätiger, foltert ihre Schwester mental, was sich auch auf deren körperlichen Zustand auswirkt. Aber sie wirkt zu keiner Zeit so, als wäre das nicht eiskalte Berechnung. Und vor Allem wirkt es so, als ob Janes sadistische Neigungen erst im Laufe des Films geschehen.
Nein, da war noch etwas. Noch etwas, dass uns verschwiegen bleibt. Irgendetwas, was wir nicht sehen.
Und wieso heißt der Film "Was geschah wirklich mit Baby Jane?", wo doch die vorrangige Frage ist, was mit Blanche geschehen?
Irgendwann wird es unumgänglich, zu bemerken, dass Jane nie eine wirkliche Kindheit hatte. Sie hat gelernt, auf der Bühne zu stehen und durch Ruhm an Geld zu kommen - die einzig Arbeitende in der Familie - doch berühmt war sie nicht durch ihr Talent, sie hatte nie wirklich welches, auch, wenn man es ihr erzählte und sie daran bis heute glaubt, sondern, weil sie ein Kind war. Und die Leute sehen Kinder gerne - aber man hatte sie nie dazu erzogen, ihr Leben zu leben. Sie ist hilflos. Ihre Schwester Blanche hingegen ist das genaue Gegenteil: sie war nie verwöhnt worden, besitzt aber im Gegensatz zu ihrer Schwester Talent.
Neid ist das zentrale Motiv des Films. Und hätte man mit der Besetzung einen größeren Glücksgriff machen können, als die Konkurrentinnen Joan Crawford und Bette Davis zu verpflichten, die dem enormen Zwietracht wohl nicht nur darstellerisch eine gewisse Glaubhaftigkeit und Authenzität verpassten?
Ich denke nicht.
Beide wetteifern so unfassbar miteinander, wer denn nun besser spielt, dass es eigentlich schon abartig erscheint, wie unfassbar sich beide in ihre klassischen Gut-Böse-Rollen hineinsteigern - was man ihnen aber überraschenderweise abkauft.
Umso verblüffter ist man dann, in welche Richtung einen der Film führt.
Filme aus der Entstehunhszeit von "Was geschah wirklich mit Baby Jane?" haben einen gewissen Erfolg dabei, den Zuschauer etwas Bestimmtes fühlen zu lassen. Und vor Allem rechnete man damals mit vielen Dingen nicht, da es sie schlichtweg noch nicht gab.
Man gab sich nicht mehr damit zufrieden, Charaktere gut und böse zu zeichnen. Man wollte aber, dass das Publikum das denkt. Und knallte ihm dann das "Warum" vor den Latz.
Ich glaube, auch aus heutiger Sicht rechnen wir nicht damit, dass die klassischen Rollen aufgelöst werden, wenn wir uns Filme des klassischen Hollywoods ansehen, weil wir davon ausgehen, es sei ein modernes Phänomen.
"Was geschah wirklich mit Baby Jane?" ist eine inszenatorische Meisterleistung. Es ist ein zutiefst komplexes, und wenn man es genau nimmt auch hochtrauriges Drama über Neid, und zwei Schwestern, die unter unterschiedlichen Bedingungen alles hatten. Und er spricht Themen an, die immer noch aktuell sind.
Er ist außerdem tiefgründig und auf den Zuschauer eingehend inszeniert und geschrieben.
Und er ist - ich hatte es schon erwähnt - ein absolut brillanter und mit viel Suspense und Nervenkitzel auf die Leinwand gebrachter Psychothriller.
Egal, was euch wichtiger ist, ihr werdet voll und ganz bedient.
Ein großartiger Klassiker, der auf inhaltlicher, formeller und darstellerischer Ebene keine Wünsche offen lässt.
Stealth - Unter dem Radar.
Er besteht quasi 2 Stunden lang aus nichts.
1950.
Ein Jahr, ab dem man begann, Filme nicht mehr als modernes Phänomen wahrzunehmen, sondern auf eine Hand voll Jahrzehnte Filmgeschichte zurückblicken konnte.
Die Klassiker der damaligen Zeit, das sind die Stummfilme.
Die modernen Filme sind das, was wir heute wohl einstimmig ebenfalls als Klassiker sehen.
Ob sich Billy Wilder wohl Gedanken machte, ob sein Schaffen eines Tages als Filmkanon angesehen werden würde, und ob sich das Kino noch weiterentwickeln würde?
Oder ob er der Ansicht war, die Filmtechnik sei schon auf ihrem Höhepunkt, und man könnte maximal Kleinigkeiten verbessern und verändern?
Tatsächlich befinden wir uns an einem ähnlichen Punkt, an dem sich die Figur der Norma befindet - es lässt sich der Film perfekt in die Jetztzeit versetzen, als man den 3D-Boom und die CGI-Flut kritisiert, und sich an Zeiten klammert, als Filme wie "Sunset Boulevard" die Massen bewegten.
So sieht es nunmal aus. Und wenngleich ich an vielen modernen Blockbustern wirklich viel Spaß habe, wünschte ich mir doch etwas mehr Filme wie früher, bei denen Handlung, Darsteller, Gefühl und Inszenierung das Geschehen bestimmen.
Aber vielleicht muss ich einsehen, dass es wie die große Stummfilmzeit einfach vorbei ist.
In "Sunset Boulevard" aus dem Jahr 1950 sehen wir die herausragende Gloria Swanson als ebenso herausragende, aber gealterte Stummfilmdiva Norma Desmond, die nur mit ihrem Diener allein in ihrer Villa lebt.
Sie ist längst der Realität entflohen.
Das gesamte Haus ist nahezu zutapeziert mit Bildern ihrer besten Zeit, eine private Leinwand im Zimmer spielt ihre eigenen Stummfilme.
In ihrer Welt ist sie nicht nur der größte Star, sondern Gott. Tausende und abertausende Liebesbriefe regneten täglich auf sie ein, ihre Locke war vier- oder fünfstellige Summen wert, man beging Selbstmord, weil man nie mit ihr zusammen sein würde.
Es war eine perverse Vergötterung, die Norma im Jugendlichenalter erfahren hat, die sich tief in ihr Bewusstsein gebrannt hat und zur Selbstverständlichkeit wurde.
Norma ist die wichtigste Person der Welt, jeder liebt sie nicht nur, sondern würde sich für sie jederzeit von einem Zug überfahren lassen.
Diese Zeiten sind seit gut zwanzig Jahren vorbei, aber nicht für sie.
Nein, es ist Realität. In ihrem Kopf hallen immer noch die Stimmen der Verehrer und Anbeter, die immer noch nicht erloschen sind.
Sie ist immer noch der festen Überzeugung, sie sei der Liebling der Massen, niemand wolle den Tonfilm, er sei die Vernichtung all dem, was der Stummfilm hervorbrachte.
Sie weiß, bald wird man sie wieder auf der Leinwand bewundern, bald durchlebt sie den Ruhm erneut.
Das weiß sie aber nun schon seit 2 Jahrzehnten...
"Sunset Boulevard" ist ein zutiefst trauriger Film. Nicht, weil man mit einer verbotenen Romanze mitfiebert, nicht, weil man mit schweren Schicksalsschlägen konfrontiert wird, und nicht, weil man zusieht, dass einer Figur von einer anderen Leid zugefügt wird.
Nein, es liegt einfach an Norma Desmond.
Der Film wird aus der Sicht des ambitionierten, aber erfolglosen Drehbuchautors Joe erzählt, der durch einen Zufall Bekanntschaft mit der Diva macht, von ihr eingestellt wird, und dann mit ihr zusammenlebt.
Zunächst wirkt sie für ihn, und somit für uns auch nur so, wie eine Diva. Abgehoben, eitel, selbstbewusst. Etwa so wie die Figur Margo aus dem Klassiker 'Alles über Eva', der im selben Jahr erschien.
Aber je länger der Film dauert... desto mehr merken wir, wieviel Verzweiflung in ihrer Seele steckt. Es ist ein Schutzmechanismus vor der Realität. Sie klammert sich an ihre einstigen Zeiten, um nie zu bemerken, dass sie vorbei sind.
Ich würde Norma so gerne auf die Schulter klopfen. Oder in den Arm nehmen. Und sagen: "Komm, Norma, wir drehen jetzt einen Film". Sie noch einmal das Gefühl von Ruhm, Begehrtheit und Anbetung spüren lassen.
Sie tut mir so unendlich leid...
Billy Wilder, der vorrangig durch seine erstklassigen Komödien wie 'Manche mögen's heiß', 'Das Mädchen Irma La Douce' oder 'Das verflixte 7. Jahr' bekannt ist, lässt inszenatorisch, dramaturgisch und atmosphärisch absolut alles auffahren, um uns hier eine aufwühlende, todernste und nahezu alptraumhafte Tragödie über vergangenen Ruhm, Größenwahn und Wahnsinn auf die Leinwand zu bringen.
Für eine unfassbare Authenzität sorgt außerdem, dass sich einige Darsteller entweder selbst spielen, oder Rollen, die offensichtlich auf ihrer Person basieren.
So besteht eine Runde vergessener Stummfilmstars aus Buster Keaton, Anna Q. Wilson und H.B. Warner, und Norma sieht sich "ihren" Film 'Queen Kelly' an, der zu Swansons frühen Stummfilmen gehört, und, wie sich später im Film herausstellt, noch weitere Parallelen zu ihrer filmischen Karriere besitzt. Es verleiht dem Film eine bittersüße Note der Wahrheit.
Es ist ein Film, der sich mit Hollywood auseinandersetzt, selbst aber zu einem der größten Filme der Traumfabrik avancierte.
"Sunset Boulevard" ist eine meisterhafte Parabel über die Filmindustrie im Wandel der Zeit, die die damalige Mentalität unfassbar gut aufzeigt, zeitgleich mit einer überragenden und wahrhaft überwältigenden Hauptdarstellerin besetzt ist, die nach dieser gottgleichen Leistung alles Recht der Welt hätte, sich selbst so zu verehren wie es Norma tut.
Ich kniehe nieder.
Das hier ist vollkommen zurecht einer der größten Klassiker der Filmgeschichte.
Das sind die großen Momente. Die großen Gefühle.
Direkt und unmittelbar.
Die Traumfabrik auf ihrem Höhepunkt.
"Ich bin bereit für meine Nahaufnahme."
Stellt euch vor, ihr habt ein großes Fass mit dem besten Whiskey, den der Markt zu bieten hat.
Ihr öffnet es, probiert einen Schluck daraus, und der Inhalt schmeckt euch fantastisch.
Dann wollt ihr ein weiteres Mal probieren, und bemerkt dann, dass das Fass nicht mehr als diese eine Kostprobe beinhaltet.
Ihr sucht geduldig, ob nicht doch noch das ein oder andere Tröpfchen darin schlummert, doch etwas frustriert müsst ihr feststellen, dass das leider schon alles war.
So ungefähr fühlt es sich an, sieht man sich "The Angel's Share" an.
Er ist nicht schlecht, man mag, was man sieht, und wünscht sich aber doch das, was nicht da ist.
In der Tragikomödie geht es um eine Gruppe um 4 junge Erwachsene, die allesamt dadurch zusammenfinden, dass sie Kleinkriminelle sind und gemeinsam gemeinnützige Arbeit verrichten müssen.
Durch ihren nachsichtigen und fürsorglichen Betreuer nehmen die Vier an einem Ausflug in einer Whiskey-Brennerei teil, und landen im weiteren Verlauf bei einer Verkostung des Gesöffs, bei dem einer von ihnen, Robbie, ein außerordentliches Gespür für das Gebräu beweist. Die Clique schließt einen Plan, bei der Auktion eines wertvollen Fasses einen Teil des Alkohols abzuzwacken und sich so ein zukünftiges Leben zu finanzieren.
Ja, "The Angel's Share" ist unterhaltsam. Ja, er ist kurzweilig. Ja, er ist sowohl dramatisch als auch witzig.
Er hat eine interessante Handlung, einen gewissen ernsten Hintergrund und auch einen erfrischenden Charme kann man dem Streifen nicht absprechen.
Und trotzdem finde ich es unsagbar faszinierend, wie blass ein Charakter doch sein kann, mit dem sich nahezu jede Minute im Film beschäftigt.
Robbie ist kleinkriminell. Er nimmt Drogen und war in Gewalttaten verwickelt - während er auf Droge war. Er ist in einer auf Gegenseitigkeit beruhrenden Beziehung. Der Vater seiner Freundin hasst ihn, und schreckt auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück, um ihn von seiner Tochter fernzuhalten. Seine Freundin erwartet ein Kind. Mit den anderen gemeinnützig Arbeitenden versteht er sich gut, diese sind auch sehr sympathisch. Er hat herausragende Sinne, was Whiskey betrifft.
Über seine Situation wurden sich so unfassbar viele Gedanken gemacht, dass man hier etwas Entscheidendes übersehen hat: die Figur von Robbie ist schlichtweg uninteressant.
Von Charaktertiefe kann keine Rede sein; er geht seinen Weg durch die Welt, ohne, dass der Zuschauer irgendetwas von seiner Gefühlswelt mitbekommt.
Würde ich Steckbriefe zu allen im Film auftretenden Personen verfassen, in dem ich ausschließlich auf die Eigenschaften eingehe, so könnte ich wohl bei jeder Figur mehr Stichworte notieren, als bei Robbie - der unglücklicherweise der Protagonist ist.
Das ist es auch, was die großen Genrebeiträge wie 'Juno', 'Little Miss Sunshine' oder 'About a Boy' so toll macht, und diesem Film hier nichts weiter lässt, als einen Körper, der die Handlung vorantreibt.
Aber das sei "The Angel's Share" vorerst verziehen, denn ihm bleibt immer noch sein trockener Witz, sein durchaus gelungenes Milieuabbild, und die anderen Charaktere.
Und natürlich seine durchaus originelle und interessante Storyline, doch da bahnt sich das nächste Manko leider auch schon wieder an.
Der dramaturgische Höhepunkt dieses Heist-Plots ist leider viel zu kurz geraten, um dem Geschehen einen würdigen Abschluss zu verleihen.
Für einen Film, der sich gut eine Stunde Zeit nimmt, um zu dem Punkt zu gelangen, überhaupt auf die Idee eines Diebstahls zu kommen, ist die letztliche Ausfürhrung der Tat dann doch wahnsinnig hinter den Erwartungen geblieben. Was hätte man da an schrägen Situationen, Details, Spannungsmomenten, originellen Einlagen, etc. einbauen können, Und doch ist alles schon wieder vorbei, sobald es angefangen hat.
(keine Sorge, das war nicht wirklich ein Spoiler, es geht ja danach noch etwas weiter)
"The Angel's Share" leidet eindeutig an dem Problem, dass er seine Schwerpunkte falsch setzt, oder sich nicht für alles Zeit nimmt.
Das, auf was man sich im Film konzentriert hat, unterhält gut und kurzweilig, und ja, man hat Spaß, aber nachhaltig hätte ich gerne viel mehr gehabt. Auch seinen Humor schöpft der Film nicht zur Gänze aus.
Für den Moment schmeckt es gut, aber mein Durst ist noch nicht gestillt.
(Originalwertung: 8 von 10)
Dass Sarah Michelle Gellar dieser Film gehört, merkt man ab dem Zeitpunkt, an dem sie zum ersten Mal auftritt. Sie ist unfassbar präsent, angsteinflößend, hypnotisierend, gefährlich, anziehend.
Sie hat die selbe unheimliche und doch charismatische Ausstrahlung, die seiner Zeit Sharon Stone in 'Basic Instinct' auf die Leinwand brachte, und mit der sie mit dem Zuschauer spielen konnte.
Gellar verkörpert die junge Kathryn, eine Tochter aus reichem Hause, deren Stiefbruder Sebastian einen Ruf als Frauenverführer und Herzensbrecher genießt. Die einzige Frau, die ihm bislang verwehrt blieb, ist Kathryn, was sie für ihn umso begehrenswerter macht. Diese macht sich einen Spaß daraus, und geht mit ihm eine Wette ein: gelingt es ihm, die enthaltsam lebende Annette zu verführen, bekommt er Kathryn, schafft er es nicht, bekommt sie seinen Porsche...
Man merkt hier ganz klar, dass es sich um eine Familie handelt, die aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten schon lange vom Boden abgehoben ist, und die ihre Mitbürger als nichts weiter als Spielzeuge erachten, die zum Zeitvertreib dienen, und es über alle Maßen genießen, zuerst hinter mehreren Leuten die Fäden zu ziehen, und es erst dann offen legen, als alle anderen ins Unglück gestürzt sind.
Hinter den Kulissen der Gesellschaft sitzen die beiden Stiefgeschwister und ziehen ein enormes Vergnügen daraus, Leuten Glück in Aussicht zu stellen, und sie dann nicht nur ins Pech fallen zu lassen, sondern noch ordentlich zu stoßen, damit sie auch ja richtig hart hineinplumpsen.
Es ist ein perverses Spiel, in dem zwei Leute ihre gesamte Welt als riesiges Puppenhaus, und die Bewohner als Spielfiguren betrachten.
Die Frage ist nur, was passiert, wenn
a. einer der Beiden versucht, mit dem anderen zu spielen
b. einer der Beiden beginnt, Gefühle für das neueste Spielzeug aufzubauen
Dieses Konstrukt, dass über eine lange Zeit gut funktioniert hat, kann allmählich nicht mehr aufrechterhalten werden. Absolute Kontrolle, wie sie bislang immer selbstverständlich war, ist nun nicht mehr möglich.
Wenn man diese Ordnung nun aber krampfhaft am Leben erhalten will, dann beginnt das Chaos hereinzubrechen...
Ich habe überwiegend Positives von diesem Film gehört, und doch hatte ich meine Bedenken, kenne ich von Regisseur und Drehbuchautor Roger Kumble doch nur zwei weitere Filme, die ich beide zu den schlechtesten Komödien zähle, die ich gesehen habe, den niveaulosen 'Super süß und super sexy' (mit guter Grundidee und keinerlei Feingefühl oder Charme) und den schlichtweg langweiligen 'College Road Trip' (ohne guten Ideen und Feingefühl, aber mit aufgesetztem Charme). Ich muss aber sagen, dieser ernste Film hier ist wahnsinnig gut inszeniert. Es ist kaum zu glauben, dass hier wirklich ein und derselbe Mann am Regiestuhl Platz nahmen. Gerade bei einem Film, in dem es um Sex und auch noch um Teenager geht, ist die Versuchung groß, in die unterste Schublade abzurutschen. Gott sei Dank hat der Filmemacher seinen Stoff ernst genommen, ihn größtenteils suggestiv und behutsam inszeniert (einziger Faux Pas: die voyeuristische Lesbenkussszene, die nicht so ganz in den Kontext des Films passen will), und ist größtenteils dazu dar, die Charaktere zu porträtieren. Die Szenen wirken nicht selbstzweckhaft, und sind auch nicht aufgesetzt oder übertrieben inszeniert.
Um den Film pulsiert eine Aura aus Sinnlichkeit und Gefahr. Jederzeit kann etwas passieren, und es wird etwas passieren. Das wissen wir, wenn Kathryn den Raum betritt, die diese Atmosphäre verkörpert, und sie in ihrer schwarzen Seele trägt.
Tatsächlich geht im Film etwas Dämonisches umher. "Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen" - hier sieht es anders aus. Unsere Protagonisten führen Leute in Versuchung, und haben nur Böses im Sinn. Kathryn trägt immerzu ein Kreuz um ihren Hals - und auch das ist nur Fassade für Versuchung und Böses.
"Eiskalte Engel" ist ein Film über Manipulation, Sadismus, Sexualität, Macht, Machtgeilheit, Anziehungskraft, Zerstörungswut - mentale Selbstbefriedigung durch das Leiden anderer. Und die Konsequenzen.
Über grausame Absichten...
...und eiskalte Engel.
Was mir an "Mitternachtsspitzen" so dermaßen gut gefällt, ist, dass hier zwei Welten des klassischen Kinos aufeinanderprallen, die ich sehr gerne mag.
Die Figurenkonstellation entspricht ganz klar den Rollen einer klassischen Screwballkomödie, so wie sie Hauptdarstellerin Doris Day selbst zahlreiche Male gespielt hat. Von der netten Tante, über den vollbeschäftigten Gatten bishin zum jungen, gutaussehenden Verführer - und natürlich Doris Day als selbstbewusste, aber prüde Frau - gibt es hier viele Typen, die man ohne Umwege in einer Romcom der 50er oder 60er Jahre erwarten würde.
Nur eben, dass der Film ein waschechter Hochspannungsthriller in bester Hitchcock-Manier ist. Tatsächlich wundert es mich sehr, dass hier NICHT der Master of Suspense am Regiestuhl Platz nahm.
"Mitternachtsspitzen" beginnt mit einer Szene, als Kit, gespielt von Doris Day, alleine durch eine vernebelte Landschaft schreitet als plötzlich eine psychopatisch verstellte Stimme zu ihr spricht.
Die Stimme kennt ihren Namen. Und sagt, wann sie sterben wird.
Kit läuft davon. Der Vorspann setzt ein.
Der Film stammt aus einer Zeit, in der Thriller noch ohne Brutalität auskamen, und noch enger mit dem Krimigenre verbunden waren. Dennoch wussten sie, wie man treffend Suspense inszeniert, wie man den Zuschauer packt, mitfiebern lässt, miteinbezieht.
Zumeist mit minimalistischen Mitteln und Urängsten, wie Dunkelheit, Geräuschen oder Alleinsein.
Man kann sagen, dass ihnen das Publikum und wie es den Film erlebt, sehr wichtig war.
"Mitternachtsspitzen" funktioniert absolut großartig als Whodunnit. Auf nahezu jede Figur, und selbst die Identifikationsfigur, wird ab einem gewissen Zeitpunkt der Verdacht gelenkt. Wenn wir im Kopf dann weiterspinnen, wäre jede Variante plausibel. Es fällt nämlich ein großes Puzzleteil weg: das Motiv. Wir wissen nicht, ob es überhaupt eines gibt oder ob die Stalkerattacken - im Park, per Telefon, auf der Straße - einfach aus purer Lust ausgespielt werden.
Oftmals ist uns sogar unklar, ob sie überhaupt geschehen. Dann sind wir uns aber wieder sicher, dass sie doch real sind.
Dann benimmt sich wieder eine andere Figur verdächtig. Dann wieder nicht.
Ein Film, der seine Auflösung bis zum Ende unter einem Verwirrspiel aus Rätselraten geheimhält.
Und trotzdem wirkt der Film nicht trostlos, sondern lebhaft. Das gefällt mir so unheimlich am klassischen Kino Hollywoods, dass es immer irgendwie "warm" wirkt, und nicht bestialisch und kalt.
Es liegt an der Art der Figuren und Dialoge, die ein gewisses Maß an Lebendigkeit in die Sache bringen.
Aus Filmen, die vor 1970 erschienen sind, komme ich eigentlich immer mit einem guten Gefühl raus. Auch, wenn der Film ernst und höchstspannend war.
Das liegt daran, dass im diesen Filmen selbst immer Gefühle vermittelt werden, und die Charaktere selbst welche besitzen, was heute nicht unbedingt so ist. Charme ist die Devise.
Durch "Mitternachtsspitzen" zieht sich ein Motiv, dessen Bedeutung in der Handlung ich mir noch nicht ganz im Klaren bin.
Nämlich das der Berufstätigkeit, oder dem Fehlen einer solchen.
Kits Mann ist in seiner Arbeit überbeschäftigt und nimmt sich wenig Zeit für seine Frau. Eine Nachbarin gibt ihrem arbeitslosen Sohn immer wieder Geld, während dieser sie schamlos ausnutzt. Die Figur der Bea erzählt bei ihrer Ankunft davon, dass sie mit mehreren arbeitslosen Schmarotzern zusammen war.
Ob es nun eine Art Running Gag ist oder ob eine tiefere Bedeutung darin liegt, weiß ich jetzt noch nicht, ich finde es aber durchaus interessant.
Es ist für mich eigentlich auch nicht wirklich wichtig, denn "Mitternachtsspitzen" ist ein erstklassiger, klassischer Thriller mit Krimi- und Terrorelementen, der durchwegs bis zum Ende auf hohem Niveau bleibt. Liebhaber dieses Genres - und ja, das bin ich, und wie! - werden voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Die Inszenierung ist einfach ein Traum.
Solche Genrevertreter gibt es heute einfach nicht mehr. Mit dem Ende von 'Columbo' ist der klassische Krimi wohl leider in Pension gegangen.
Zu erwähnen bleibt da nur noch die großartige Doris Day, die mir nach 'Der Mann, der zuviel wusste' einmal mehr bewiesen hat, dass sie nicht nur in Screwballkomödien einsame Spitze ist - was sie ist - sondern auch als Scream Queen einiges draufhat und durchaus auch eindrucksvoll ernste Rollen spielen kann.
"Mitternachtsspitzen" ist schlichtweg ein Film voll und ganz nach meinem Geschmack.
Toller Psychothriller der 1990er, der Fans von Das Schweigen der Lämmer, Scream oder Basic Instinct gefallen wird.
Toller Genrebeitrag.
Ich hab mir heute eine Box mit ihren Filmen "Triumph des Willens", "Olympia 1&2" und "Sieg des Glaubens" als NL-Import bestellt.
Ihr kennt mich mittlerweile denk ich gut genug, um zu wissen, dass ich mit Nationalsozialismus mixam Hut hab und mich sehr für Toleranz einsetze.
Mein Interesse an den Filmen rührt daher, dass sie immer wieder als filmische Meisterwerke bezeichnet werden.
Ich habe nach einiger Überlegung beschlossen, den Filmen dann auch eine Wertung zu geben.
Diese wird dann den Film als CINEASTISCHES WERK behandeln, und den politischen Hintergrund nicht miteinbeziehen.
Sollte ich die Filme also als gelungen erachten, werde ich sie positiv bewerten, wenn ich sie schlecht finde, dann gibt's dann auch eine schlechte Wertung.
Sollten also in den nächsten Wochen recht hohe Wertungen zu NS-Filmen auf dem Dashboard erscheinen, macht euch keine Sorgen, ich hab mit der Scheißideologie nix am Hut, sondern versuche nur, die Filme unvoreingenommen zu bewerten.
Natürlich immer mit Kommentar dazu.
Für The Freewheelin Fonda...
Dylanfans.
Bis vor einiger Zeit hätte ich mit dem Begriff GAR NICHTS anfangen können, hätte keinen blassen Schimmer gehabt, was denn ein Dylanfan sein soll.
...okay, das ist natürlich Quatsch.
Ich habe natürlich schon einmal gehört, dass es da einen Musiker namens Bob Dylan gibt und dass er auch sowas wie Fans hat. Tatsächlich mag ich sogar das ein oder andere Lied von ihm.
So richtig oft wurde ich mit ihm konfrontiert, als ich hier auf Moviepilot eine Freundschaftsanfrage von einem User ehemals bekannt als Hfonda15 annahm, der ein sehr großer Dylanfan ist, und der hier einer meiner engsten Filmkumpel wurde.
Auch, wenn wir eigentlich recht oft unterschiedliche Ansichten haben: Er mag Musik der 1960er Jahre am Liebsten, tatsächlich ist das musikalisch mein am Wenigsten liebstes Jahrzehnt. Obwohl ich es nicht schlecht finde, irgndwie ist es mir einfach zu high. Ich weiß nicht... die 68er Bewegung ist nicht so mein Ding - jeder wollte Rebell sein, und ich habe immer gegens Rebellieren rebelliert *hust* Hippies grrrrr *hust*
Aber auch umgekehrt sieht es ähnlich aus: ich bin Furry, und damit kann der liebe Fonda auch nicht wirklich was anfangen. Es wird ihm bei anthropomorphen Tieren sogar mulmig zumute.
Trotzdem hat sich der liebe Fonda mirzuliebe 40 Minuten lang durch den Furry-Kurzfilm 'Bitter Lake' gequält. Danke nochmal an der Stelle, ich weiß das sehr zu schätzen. Da habe ich ihm angeboten, mich im Gegenzug durch einen Film über 60er Jahre Musik zu quä-... ich meine, mir einen anzuschauen.
Verspätet aber doch, mein Kommentar zu "World Gone Mad" aka "Masked and Anonymous".
---
Es gibt da einen Moment in "Masked and Anonymous", als ein junges Mädchen den bekannten Dylan-Song 'The Times are a-changin'' singt, so wunderbar gefühlvoll, man könnte einfach in ihrer Stimme versinken und den Momemt genießen. Dann plötzlich dazwischen nehmen wir wahr, wie immer mehr Hall hinzugeführt wird, bis das Lied nahezu unkenntlich wird. Dann hören wir Dylans Gedankenstimme im Vordergrund, der (etwas philosophischer und wortgewandter) beschreibt, wie er den Moment genieße. Erst dann langsam bemerken wir, wie das Lied wieder in den Fokus gerät, immer deutlicher wird...
...und dann zu Ende ist, als es gerade wieder ungefiltert hörbar wurde.
Wieso, wieso, wieso lässt uns der Film nicht vollends an diesem wunderbaren Augenblick teilhaben, sondern hält es für besser, ihn beschreiben zu lassen? Oder noch präziser: wieso sagt er uns, was wir fühlen (sollen), anstatt es uns selbst fühlen zu lassen?
Diese Szene kann man eigentlich stellvertretend für den gesamten Film nehmen.
Es ist ein Film, der sich viel Zeit dafür nimmt, seinen Standpunkt zu erklären, anstatt es dem Zuschauer zu überlassen, sich Gedanken zu machen.
"Masked and Anonymous" - eigentlich ein bescheuerter Name, dessen deutscher Alternativtitel sich ausnahmsweise mal wesentlich passender anhört - ist eine Idee.
Eine gute Idee eigentlich. Aber eben nur eine Idee. Die Aussagen sind nicht Teil des Films, sie SIND der Film. Auch die Musik ist nicht Teil des Films, sondern Teil der Aussagen.
Es ist ein Konzert, eine Show, ein Konzeptalbum, das zusammenhängt und auch einen künstlerischen Wert besitzt, aber - und das ist hier leider wichtig - zu keiner Zeit eine Narrative entwickelt.
Und damit kaum mehr ein Film ist, aber doch irgendwo ein Gesamtkunstwerk.
Es gibt hier mehrere Figuren, deren Standpunkte in der Gesellschaft klar sind. Es gibt eine kaputte, vom Krieg geplagte Welt. Es gibt ein Konzert. Es gibt Jack Fate, der als einziger Künstler auf diesem auftritt. Es gibt existenzielle Fragen. Es gibt Monologe darüber, inwiefern der Mensch dem Tier über- oder unterlegen ist, und sich und andere zerstört, über Tod und Leben, den Wert der Frau, über Konzerne, über Individuen, über die Gesellschaft, über Religion, über Rasse.
Eigentlich ist der Film reichhaltig an Inhalten, aber nicht jedoch an Inhalt.
Das ist ein Unterschied.
Ich kann mir gut vorstellen, dass ein waschechter Bob Dylan-Film hier gut ein Meisterwerk sehen kann.
Es gibt reichlich guter Musik des Liedermachers zu lauschen, die auch echt super anzuhören ist, und außerdem werden hier so gut wie alle Themen abgehandelt, mit denen sich Dylan wohl beschäftigt hat.
Tatsächlich muss ich dem Film zugute halten, dass er nicht irgendeinen bedeutungsschwangeren Schwachsinn erzählt, sondern einige interessante Ansichten und Anekdoten besitzt. Alleine die Geschichte im Bus mit der Revolution, die vom Feind finanziert wurde ist Gold wert.
Und trotzdem ist und bleibt "Masked and Anonymous" so ziemlich alles außer einem Film.
Irgendwelche Leute, die Dylan auf dem Weg von einer Musiknummer zur Nächsten trifft, geben minutenlange philosophische Monologe von sich, die zwar irgendwo interessant sind, aber eigentlich recht wenig mit einer filmischen Dramaturgie zu tun haben. Solche Szenen sind als Nebenhandlungen in einem großen Plot durchaus spitze, aber sollen doch bitte nicht die gesamte Spieldauer ausmachen.
Filmisch gesehen wird einem nichts außer Aussagen und Musik geboten.
Keine richtige Handlung, kein Aufbau, und auch die Charaktere sind eher Mittel zum Zweck als Figuren. Wirkliche Charaktereigenschaften sind bei so gut wie keiner Figur erkennbar.
Der Film verbringt soviel Zeit damit, seinen theologischen Fragen zu dieser kaputten Welt nachzugehen, dass er die wichtigste Frage nie beantwortet: was passiert hier eigentlich?
Ich habe es selten erlebt, dass ein Film, der wichtige Aussagen verbreiten will, so wenig auf sein Publikum eingeht.
Man wird hier mit (wahnsinnig gelungenen) Philosophieaufsätzen bombadiert, hat aber nie Zeit, diese auf sich wirken zu lassen, da man sofort mit der nächsten Szene und damit entweder Musik oder noch mehr Aufsätzen konfrontiert wird.
Das ist eine schwierige Sache. Denn man kann filmische Rafinesse durchaus mit intelligenten Botschaften und interessanten Denkansätzen kombinieren.
Ein Film besteht nunmal aus mehreren grundlegenen Zutaten. Jede einzelne davon ist wichtig.
Hier hat man aber zwei Zutaten herausgenommen und präsentiert sie als Gesamtwerk, was in anderen Arten von Kunst vielleicht funktioniert, aber nicht im Medium Film.
Tatsache ist, man erlebt die Welt hier nicht, man bekommt sie nur erklärt. Und das ist nicht Sinn und Zweck dieses Mediums.
Nennt mich pervers, aber ich hab gerade gelesen "Die Prinzessin mit dem Monsterpenis"...
Die Figur des Chopin macht auf mich einen sympathischen ersten Eindruck.
Mehr kann ich zum Charakter nicht sagen, denn mehr als dieses erste, innere Bauchgefühl ist nicht drin.
Chopin ist im Film nicht mal eine wirkliche Figur, sondern eher eine Handlung. Tatsächlich erfährt man in der gesamten Laufzeit 4 Dinge über ihn:
1. Er heißt Fryderyk Chopin
2. Er ist Musiker
3. Er ist todkrank
4. Er hatte Probleme im Liebesleben.
Ich kann euch absolut zu 100% garantieren, dass ihr in den kompletten 2 Stunden Spieldauer nicht mehr über den Mann in Erfahrung bringen werdet als in meiner Zusammenfassung. Außer vielleicht, ihr schlagt ihn im Lexikon nach, während der Film läuft.
Ich habe selten einen Protagonisten gesehen, der mehr einem Pappaufsteller ähnelt. Um ihn dreht sich die komplette Handlung, und auch alle anderen Charaktere agieren seinetwegen, deswegen wirkt es im ersten Moment so, als wäre sein Handeln ausschlaggebend für den Filmverlauf.
Aber nunmal eine Frage:
Angenommen ein ganzer Film dreht sich um einen Koffer voller Geld, der auch oft zu sehen ist, immer im Mittelpunkt des Geschehens steht und von allen Figuren immerzu erwähnt wird - bekommt der Koffer dadurch Charakterzüge?
Genauso sieht es hier mit Chopin aus.
Hier sieht man geschlagene 2 Stunden Hin- und Hergerede über einen Mann, den genauso gut ein Teller Erbsengemüse hätte spielen können. Allzu viel Unterschied hätte das nicht gemacht.
Die Darstellerinnen der Frauenfiguren George und Solange hingegen wirken sogar so, als könnten sie wirklich ernsthsft schauspielern. Ihre Rollen kann man wenigstens spielen, da sie im Gegensatz zum Protagonisten klare Emotionen und Eigenschaften aufweisen.
Jedoch ist der Darsteller von Georges Sohn... ich mach's kurz und schmerzhaft: so eine grauenvolle Schauspielleistung habe ich schon lange Zeit nicht mehr gesehen.
Er besitzt wohl die Rolle mit dem meisten Tiefgang, aber spielt sie dermaßen extrem und überdreht, als ginge es um Leben und Tod.
Auf Teufel komm raus will man hier in jeder Einstellung 150% geben, was aber einfach nur mehr lächerlich und aufgesetzt wirkt.
So viel zu den Darstellern.
Zum Rest des Films gibt es eigentlich nur eins zu sagen:
Es gibt zwei Arten von Kitsch.
Den pathetischen Hollywoodkitsch, der dem Zuschauer große Gefühle vermitteln will und durch harte Schicksalsschläge sowie der Darstellung tiefer Liebe auch viel Dramatik in die Sache reinbringt.
Wenn es gut gemacht ist, mag ich so etwas. Melodramen aus Hollywood haben mich selten enttäuscht.
Dann gibt es aber noch eine andere Art von Kitsch, nämlich den Seifenopernkitsch.
Dieser wirkt zumeist extrem banal, trivial, unglaubwürdig, aufgesetzt und richtig schlecht und lustlos.
Hier werden aus einer Mücke zehn Elefanten gemacht, und dem Publikum holprige Klischees nicht einmal schön verpackt vor den Latz geknallt.
"Chopin - Sehnsucht nach Liebe" (der deutsche Zusatztitel sagt alles darüber aus, auf was man sich hier einlässt) ist zweifelsfrei zweiteres.
Die reale Geschichte des Virtuosen Fryderyk Chopin wird vollends für eine stümperhaft inszenierte und unfassbar nichtssagende Beziehungskiste verbraten.
Jeder, der den Film 'Goethe!' von Phillip Stölzl gesehen hat, der ähnlich gestrickt ist, kann sich ungefähr vorstellen, was einem hier bevorsteht.
"Chopin" ist ein Film, in dem es als dramatischer Höhepunkt angesehen wird, dass sich zwei Frauen darum streiten, wer dem Angebeteten etwas Schokolade bringen darf.
Mehr brauche ich glaub ich nicht zu sagen, außer, dass es massenhaft solche Szenen gibt. Manchmal habe ich das Gefühl, der Film basiere auf realen Begebenheiten eines Kindergartenstreits, und man hätte nachträglich die eigentlichen Namen durch historische Figuren ersetzt.
Der Regisseur wartet außerdem mit einigen weiteren unfassbar originellen inszenatorischen Raffinessen auf: so findet er es wahnsinnig eindrucksvoll, am Ende des Films eine Rückblende einzubauen, in der zwei Charaktere von Blumen umgeben in Zeitlupe durch eine Wiese tollen, während bittersüße Klaviermusik ertönt (die Verwendung von Chopins Musik als kitschiger Score ist ja fast schon ein Hohn)
Ich würde ja lachen, wüsste ich nicht, dass das Ganze ernst gemeint ist.
Ich versuche, nicht gemein zu sein, aber ehrlich: jede Seifenoper mit 10000 Episoden verläuft sich weniger in Klischees und lächerlichen Übertreibungen als dieser Streifen.
Das ist schon kein Biopic mehr, das ist ein filmgewordener Groschenroman.
Leider jedoch kein unterhaltsamer.
Ich muss letztlich sagen: mal ein Film, der zurecht so unbekannt ist.
Mit Werbung dazwischen?
Das gibt 'nen Abzug in der B-Note!
Als würde man einen Spielfilm aus einem Sachbuch drehen...
Es gibt so viele Spiele, die eine Story haben, und sich zur Verfilmung eignen würden, aber nein, man nimmt immer die Games, die nur aus Interaktion bestehen...
Für deutsche und österreichische Komödien der Nachkriegsjahre würde ich mich nicht gerade als Experten bezeichnen, tatsächlich wäre es übertrieben, zu sagen, ich hätte eine Handvoll gesehen.
Oftmals wird ihnen ja nachgesagt, komplett seichter, sinnloser Klamauk zu sein, ohne intelligenter Aussage oder filmischer Brillanz.
Stattdessen finden sich hier leichte, einfache Witze, sympathische Plots und nette Figuren, oftmals mit einer harmlosen Liebesgeschichte und wenigen Problemen.
Nicht anders verhält es sich mit "Der Onkel aus Amerika", einer deutschen 1950er Jahre Komödie mit dem österreichischen Schauspieler Hans Moser, der wider Willen einen reichen Unternehmer spielen muss, um ein gut durchdachtes Lügennetz nicht zu Fall zu bringen, welches Georg Thomalla (den man u.A. als deutsche Synchronstimme von Jack Lemmon und Peter Sellers kennt) aufgestellt hat, um aus dem Bankrott herauszukommen.
Eine Familie ist pleite, und denkt, ein in Amerika lebender Onkel könne finanziell aushelfen. Dieser hat nämlich ein Bild einer Fabrik geschickt mit der Aufschrift "klein, aber mein". Die Familie lädt den Mann ein, amerikanisiert ihren Lebensstil mehr schlecht als recht, und erhofft sich Geld von dem vermeintlich reichen Verwandten. Wie sich herausstellt ist mit "klein, aber mein" jedoch nicht die Fabrik, sondern ein kleines Häuschen im unteren Bildabschnitt gemeint. Dumm gelaufen. Doch nun wird geplant: was ist, wenn alle Außenstehenden denken, der Mann sei reich? Und was ist, wenn man lautstark inszeniert, dass er an Akzien interessiert ist?
Mit einem Satz und 10 Dollar Trinkgeld wird die Witschaft anfekurbelt...
Es handelt hierbei um eine seichte, leichte, harmlose Komödie, die wohl gerade deswegen einigen Leuten nicht wiklich schmecken wird, da ihr Plot eine bissige Satire auf den Akzienmarkt hätte werden können.
Ist sie aber nicht.
Es ist eine extrem leichtverständliche, vorhersehbare, nette und herzige Geschichte, die stellenweise fast schon kitschig wirkt, und eigentlich nie Ansprüche erhebt, mehr zu sein.
Ein Film wie dieser war dazu da, die Leute nach schweren Zeiten abzulenken und zu unterhalten.
Und daran ist nichts Schlechtes erkennbar.
Der Film funktioniert auf diese Weise sehr gut. Es ist durchaus witzig anzusehen, wie sich immer weiter in das Lügenkonstrukt verstrickt wird, und Hans Moser als lieber alter Mann - dem ich es mit seiner einwandfrei österreichischen Aussprache zu keiner Zeit abkaufe, dass er lange Zeit in Texas gelebt hat - dem Ganzen immer wieder versucht, zu entfliehen.
Ebenso amüsant ist es, zu sehen, wie die Figuren versuchen, alles zu verwestlichen, was eigentlich zu 90% immer mit Cowboys oder Kaugummi zu tun hat, und den Onkel aus Amerika mehr verwundert als gefällt.
Oder die "moderne" Wohnung, deren vollautomatische Einrichtung eigentlich mehr Chaos anrichtet als beseitigt.
Das ist lustiger, anspruchsloser, und vielleicht gerade deswegen sympathischer Humor, der mir durchaus gefallen hat und der genau das tut, was er tun will: kurzweilig unterhalten. Nichts weiter. Und warum soll er das nicht?
Er hat definitiv Charme und ist herzig, süß und nett - alles Eigenschaften, die ich heute im Kino nahezu komplett vermisse.
Da ist es schön, zu sehen, wie hier ein kleiner, ruhiger, alter Mann und ein aufgeweckter, gewitzter, junger Mann quasi im Alleingang Sympathien verstreuen.
Das ist Klamauk, aber wirklich lustiger Klamauk, den man so heute auch nicht mehr bekommt.
"In Texas war es immer so schön ruhig..."
(Enthält Interpretationen und Interpretationsansätze)
Nach "In den Wind geschrieben", meinem nunmehr dritten Film von Douglas Sirk, meine ich sagen zu können, dass es sich bei ihm um den wahrscheinlich unterbewertetsten Regisseur aller Zeiten handelt.
Wie kommt es, dass ein solches Genie nicht in einem Atemzug mit Größen wie Alfred Hitchcock oder Billy Wilder genannt wird, wenn es um die besten Regisseure des klassischen Kinos geht?
Wie kann es sein, dass ihn sogar kaum jemand kennt?
Seinerzeit wurde Sirk von der Kritik verrissen, und vom Publikum geliebt.
Heute liebt ihn die Kritik und dem Publikum ist er schlichtweg unbekannt, die wenigen, denen er aber doch ein Begriff ist, zeigen sich zumeist euphorisch.
Für mich ist Douglas Sirks Werk ein Zeugnis einer Zeit, als man noch große Gefühle vermitteln konnte, und große Geschichten in große Bilder verpackt hat, ohne viel technischen Aufwand betrieben zu haben.
In "In den Wind geschrieben" gibt es eine Szenerie an einem Fluss, die der Dreh- und Angelpunkt mehrerer Szenen ist, die dermaßen idyllisch und leuchtend gestaltet ist, dass die unmöglich echt sein kann. Es sind bezeichnenderweise genau die Szenen in diesem Drama, die auch inhaltlich wunderschön sind, es ist quasi ein Zufluchtsort für unsere Figuren, und für uns.
Wir folgen vier Charakteren, die alle ein ein recht emotionales Verhältnis zueinander haben.
Die erste auf dem Bildschirm erscheinende Figur ist ironischerwise die einzige, die nicht von Anfang an Teil dieses Gespanns war: die Sekretärin Lucy. Gefolgt wird sie von Mitch, einem Jungen aus eher bescheidenen Verhältnissen, seines Zeichens bester Freund seit Kindertagen mit dem schwerreichen Ölbohrersohn Kyle, der Dritte im Bunde. Als Letztes wird dann Kyles Schwester Marylee eingeführt, betrunken und flirtend in einer der erinnerungswürdigsten Erstauftritte einer Filmfigur.
Kyle und Mitch verlieben sich beide in Lucy, Marylee war immer schon in Mitch verliebt, Lucy verliebt sich in Kyle und beide heiraten.
Marylee trinkt und ist promiskuitiv, Kyle ist extrem herrschsüchtig und kontrolliert seine Schwester (denkt mal an einen berühmten 1980er Jahre-Film...), will nicht wahrhaben, dass sie heranwächst und zur Frau wird. Dabei ist er selbst für ein ähnliches Verhalten bekannt. Vor Allem dem Alkohol ist er verfallen, wenngleich er in seiner neugeschlossenen Ehe beschließt, dieser Sucht abzuschwören, was ihm auch zu gelingen scheint, doch jeder weiß, dass Schicksalsschläge jederzeit zu einem Neuausbruch führen könnten. Mitch ist verantwortungsbewusst, aber unglücklich. Er und Kyle sind ein Herz und eine Seele, doch die Liebe und dessen Eskapaden stellen die Freundschaft auf die Probe. Marylee vergöttert ihn, vielleicht gerade dafür.
Das alles ist die Ausgangssituation.
Sirk inszeniert ein derart komplexes Bild einer Personenkonstellation, das für ein 3-Stunden-Drama reichen würde. Der Film dauert dann letztendlich nur 95 Minuten, doch es fehlt ihm nie an Tiefe, im Gegenteil: allem wird immer genug Zeit gegeben.
Oftmals entsteht sogar der Eindruck, es gäbe zusätzlich zu den im Film offen ausgelegten Verhältnissen auch noch unausgesprochene Dinge zwischen den Figuren.
Es gibt bei der Szene mit Marylees erstem Auftritt eine etwa fünfsekündige Szene, in der Kyle Mitch ernst ansieht, als eben dieser vor seiner Schwester steht.
Ihre Blicke verraten mir, dass Beide irgendetwas wissen, dass sonst niemand weiß. Da gibt es noch etwas. Etwas, dass man an einem öffentlichen Ort wie dieser Bar nicht laut aussprechen darf.
Ich habe mir über diese Szene den Kopf zerbrochen. Denn ich weiß, dass Sirk oftmals in oberflächliche Plots etwas einflechtet, dass eigentlich garnicht da ist (Interpretationsansatz zu "Was der Himmel erlaubt": wieviele Haushalte hatten in den 1950er Jahren weißes Hauspersonal? Und jetzt seht euch den Film nochmal an).
Ich fragte mich dann plötzlich, war es ein Zufall, dass man ausgerechnet Rock Hudson als Mitch besetzt hat?
Oder ob es normal ist, seine Schwester derart zu beherrschen?
Und ich dachte an zwei andere Filme dieser Filmära, Hitchcocks 'Cocktail für eine Leiche' und den erst kürzlich gesehenen 'Lolita' von Stanley Kubick, und wie sich die Figuren dort verhielten. In diesen Filmen blieben nachweislich Dinge unausgesprochen, die dennoch stattgefunden haben.
Je nachdem, mit welcher der Figuren ich mich beschäftigte, wirkte der Film plötzlich komplett anders. Ich fand sowohl Bestätigungen als auch Widersprüche für meine Interpretationen.
Es führte jedenfalls dazu, dass die Figur der Lucy zunehmend irrelevanter oder sogar irreal erschien.
Vielleicht sehe ich auch den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Oder vielleicht ist der Film auch einfach ein oberflächliches Drama, dessen sirksche Gesellschaftskritik ausnahmsweise mal aus dem besteht, was er sagt: ein Arm-Reich-Konflikt, Versuchung zum Fremdgehen, Promiskuitivität, Alkoholsucht, Kontrollzwang. All diese Themen werden definitiv verarbeitet.
Und dennoch hab ich das Gefühl, da schlummert noch mehr, was nur dem aufmerksamen, aktiven Zuschauer auffällt.
Egal, was letztlich stimmt, "In den Wind geschrieben" ist ein großartiges, exzellent geschriebenes und verfilmtes Melodram von einem der großartigsten Regisseure aller Zeiten, der auf jeden Fall wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient.
Noch keinen der ganzen Haifilme gesehen...
...außer natürlich Der weiße Hai^^
Interessanter Artikel! :3
Jetzt ganz ehrlich:
ich hab keinen der zwei Teile gesehen, aber diese Fake-Poster machen mehr Bock als die Trailer^^
Luc Besson hat mit 'Léon - Der Profi' und 'Das fünfte Element' zwei unglaublich brillante Filme geschaffen, die sich durch ihren einzigartigen Stil einen festen Platz in meinem Filmliebhaberherz erkämpft haben, wenngleich sie komplett unterschiedlich sind. Was sie gemeinsam haben, ist, dass sie eine überraschend andere Herangehensweise an ein Genre haben, als es zur Entstehungszeit üblich war. So hat 'Léon' viel Tiefgang und Charakterverständnis und gleicht eher Drama als Actionfilm, und 'Das fünfte Element' hatte viele Stilelemente aus Cartoons, Comics oder Videospielen zu bieten, während sich der SciFi allgemein gerade in eine seiner ernstesten und dystopischsten Phasen befand.
Diese beiden Titeln sind wohl auch seine Bekanntesten.
Später hatte er einen weiteren großartigen Film zu verzeichnen, jedoch als Drehbuchautor, nämlich '96 Hours', in dem er schilderte, wie ein Ex-CIA-Agent durch die Entführung seiner Tochter vom fürsorglichen Vater zum eiskalten Racheengel wird.
Was alle diese Filme grandios machte, ist, dass der Zuschauer etwas fühlte, wenn er sie ansah.
Auch "Colombiana" basiert auf einem Drehbuch von Luc Besson, aber wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, es stammt von einem unerfahrenen Besson-Fan, besser noch Imitator.
Der Film wird ab und an als weibliches Pendant zu '96 Hours' beschrieben und war wohl auch so gedacht, wobei mir eine noch größere Ähnlichkeit zu einem anderen Werk des Filmemachers auffällt, nämlich 'Léon'.
Besson recycelt hier seinen eigenen Film quasi in der gesamten Grundstory.
Auch hier geht es um ein junges Mädchen, dessen Familie (ihr Vater) getötet wurde.
Auch hier ist ein Gangster dafür verantwortlich.
Auch hier sind Drogen im Spiel.
Auch hier freundet sie sich mit einen Experten an, um das Handwerk des Tötens zu lernen.
Auch hier ist er nicht begeistert davon, was das Mädchen von ihm will, gibt dann aber doch nach.
Unterschiedlich ist, dass das Mädchen erst im Erwachsenenalter mit dem Töten beginnt, und "Colombiana" nicht als Drama, sondern Racheactioner inszeniert ist.
Vielleicht ist es dem Regisseur zu verantworten, vielleicht dem Drehbuch, aber dieser Film bricht die wichtigste Regel des Genres, die das Um und Auf ist, damit das Konzept funktioniert: Emotionen.
Rachefilme sollen im Idealfall beim Zuschauer etwas auslösen, man soll eine Art Genugtuung fühlen, wenn der Gebrochene zum Jäger wird und all seinen Hass, seine Wut, seine Trauer und seine Zorn über den Schuldigen ergehen lässt.
Vielleicht erscheint uns der Rächer auch garnicht sympathisch, aber wir merken ihm an, dass er Leid erfahren hat und dass sein Blutrausch durch eine emotionale Überforderung ausgelöst wurde.
Cataleya, die Protagonistin in "Colombiana" agiert derartig abgeklärt, einstudiert und lustlos, als würde sie gerade an ihrem Arbeitsplatz sitzen, monoton ihrem Beruf nachgehen und nur darauf warten, bald Feierabend zu haben.
Das wäre sogar eine ganz interessante Herangehensweise, würde es der Charakterdarstellung in irgendeinerweise helfen oder ein ironisches Element sein, jedoch soll Cataleya unsere Identifikationsfigur sein, deren Racheakte das Publikum aufwühlen sollen. Tatsächlich jedoch wirkt die zu Beginn eingesetzte Kinderdarstellerin um Einiges überzeugender in ihrer Rolle.
Was ich über die Protagonistin zu sagen habe, gilt leider auch für den gesamten Film. Überaus stumpf und routiniert werden hier diverse Actionszenen abgeklappert, dazwischen der Hauptfigur ab und an geraten, besser nicht weiterzumachen, und das war's dann auch schon im Großen und Ganzen.
Man hat sich wohl nicht einmal große Mühe bei der Gestaltung der Racheszenen gegeben, denn wirklich aufregend war nichts von alledem.
Dabei ist es gerade in dieser Art von Film so leicht, dem Zuschauer Gefühl zu vermitteln.
Eine positive, glückliche Sympathiefigur wird eingeführt und erfährt plötzlich viel Leid, dass sie traumatisiert.
Eines Tages beschließt sie, Vergelung zu suchen und lässt alle Emotionen auf den 'Feind' niederbrasseln.
Aber ehrlich: wie soll man hier Bindung und Gefühl aufbauen, wenn alles fade, unfassbar eindimensional, unspektakulär und ideenlos dargestellt wird?
Was ich dem Film aber sehr zu Gute halten kann, ist sein Frauenbild. Wir haben hier eine starke Frau in der Hauptrolle, deren optische Reize zu keiner Zeit eine Rolle spielen und die immer als Person inszeniert wurde, und nie als Körper.
Somit eine der immer noch raren Actionfilme mit wahnsinmig positiver Frauenfigur.
Letzten Endes ist "Colombiana" leider ein Film, der einem nicht viel bietet, und der auch nicht wirklich so wirkt, als hätte man sich in irgendeinerweise besonders viel Mühe gegeben, oder sich den Kopf zerbrochen, was man denn nun zeigt.
Keine Katastrophe, aber schon tausend Mal gesehen, und zwar wesentlich besser und ambitionierter.
Wenn wir an visuelle Effekte in Filmen denken, so fallen uns wohl vor Allem actiongeladene Sequenzen ein, Explosionen oder einstürzende Gebäude, vielleicht animierte Fantasyfiguren oder futuristische Technologie in Science Fiction-Filmen.
"The Cell" aus dem Jahre 2000 hat in der Tat den kreativsten Einsatz von Special Effects, den ich seit Langem gesehen habe.
Die zu sehenden Computereffekte sind wahrlich beeindruckend, und visualisieren hier die sagenhaft inszenierten Traumsequenzen der Handlung.
In "The Cell" ist es möglich, mit einer Maschinerie in das Unterbewusstsein einer anderen Person einzudringen, und so zu verstehen, was sie fühlt. Dies soll vor Allem helfen, mit Leuten im Koma zu kommunizieren und sie zurückzuholen, selbst wenn die Methode umstritten und ein Erfolg nicht nachweisbar ist.
Als ein Serienkiller sein Bewusstsein verliert, jedoch noch ein Opfer in Gefangenschaft hält, muss die Traumtherapeutin Catharine in dessen Gedankenwelt eintauchen, um es zu finden.
"The Cell" wird häufig kritisiert, inhaltlich wenig zu bieten und nur von seiner Optik zu leben.
Ich muss zugeben, die Kriminalgeschichte wirkt teilweise nur angekratzt und nicht allzu ausgereift. Aber eigentlich ist der Film auch garnicht darauf aus, Spannung aufzubauen, sondern bringt zumeist atemberaubend die Psyche des Killers auf den Bildschirm, die sich aus einzelnen, oftmals reichlich surrealen, aber durchaus plausiblen Bildern zusammensetzt.
Der Fall an sich ist nur der Aufhänger für eine größere Sache.
Man muss verstehen lernen, wie der Film funktioniert, um ihn wirklich vollends genießen zu können.
Der Zuschauer wird hier unter Anderem mit Bildern konfrontiert, die Mädchen zeigen, die teils mechanisch und puppenhaft aussehen, in satten und leuchtenden Farben werden Räume dargestellt, die in ihrer Gestaltung an antike, ägyptische Pyramiden erinnern, oder Symbole und Zeichen, die die Wände zieren, sind zu sehen.
Alle diese bizarren Inhalte dienen nicht nur dazu, wunderbar auszusehen (was sie tun), sondern finden auch ihren Ursprung in der (filmischen) Realität. Es ist eine wilde, übersymbolisierte und metaphorische Verarbeitung der Eindrücke des Lebens eines Psychopathen, die auch erklären, warum dieser Mann zum Monster wurde.
Ich spreche dem Film sogar eine interessante psychologische Komponente zu.
Was "The Cell" auszeichnet, ist, dass man zwar viel über ihn nachdenken kann, er aber auch prima funktioniert, wenn man ihn einfach nur passiv auf sich wirken lässt.
Die Optik des Streifens ist derartig großartig und bombastisch dargestellt, dass man sich diesem Bilderrausch nur schwer entziehen kann.
Es handelt sich um hypnotische Bilder, die zu erklären kaum möglich ist. Gewiss ist nur, dass der Film einen regelrecht in den Bann zieht, durch seine fulminanten, malerischen und prunkvoll eingesetzten visuellen Eindrücke.
Ich habe bei der optischen Umsetzung selten ein so hohes Maß an Innovation im Hollywoodkino gesehen.
Der Film bietet einige extrem harte Gewaltszenen, so wird einer der Protagonisten bei lebendigem Leibe und für den Zuseher sichtbar ausgeweidet - was kein Spoiler ist, da sich das alles nicht wirklich abspielt, sondern nur in den Köpfen der Beteiligten kreiert wird, und keine Auswirkungen auf den weiteren Verlauf hat - dies wird aber derartig kunstvoll, ästhetisch und stilisiert gezeigt, dass man garnicht direkt realisiert, dass man hier auf Dinge blickt, die andere Regisseure als Splatter inszenieren.
Traumwelten können durch ihre Ferne zur Wirklichkeit sehr unheimlich werden. Grundlos kann alles passieren, jederzeit. Das Unterbewusstsein erzählt keine Geschichten, es kennt keine Dramaturgie, es baut sich nicht auf. Es ist ein Strom aus wild zusammengewürfelten Sinneseindrücken, die tief weggesperrt werden.
"The Cell" gräbt diese aus und bringt sie uns vor die Kameralinse.
Es handelt sich hier nicht um einen inhaltslosen Film. Der Inhalt ist bloss nicht wie zunächst angenommen die sehr einfach gestrickte Kriminalgeschichte, sondern das komplexe Abbild der Psyche eines misogynen Serienkillers, dass uns eigentlich sehr viel über die Person erzählt.
Vielleicht habe ich einen anderen Film gesehen als die Gegner des Films, oder ich habe den selben Film nur anders gesehen.
Ich jedoch finde, würden mehr Blockbuster so viel künstlerische Kreativität aufbringen wie "The Cell", wäre die Traumfabrik Hollywood auf dem Höhepunkt.
(Damals mit 8.5 Punkten)
Ist schon lange her, dass ich die beiden Realfilme gesehen habe, die fand ich aber garnicht so schlecht.
Aber der Trailer zu diesem Animationsfilm sieht weder witzig noch gut animiert aus...
Wieso überhaupt animieren? Die ersten Beiden kamen auch ohne Animation aus. Das passt finde ich garnicht, der Film wird ja selbst zu dem, was er parodiet.
Ab und an hab ich Probleme mit Filmen, die sich mit der NS-Zeit beschäftigen.
Ich bestreite nicht ihre Wichtigkeit, oder ihre große Absicht, aber was mich stört, ist, dass oft immer der gleiche Mittelpunkt genutzt wird, nämlich der Holocaust.
Das ist natürlich ein heißes Thema, das (negativ) zu thematisieren immer wieder richtig und von großer Bedeutung ist, vom filmischen Standpunkt her hat man das aber alles schonmal gesehen.
Und vor Allem ist es kaum mehr möglich, eindrucksvoller zu sein als 'Schindlers Liste'. Man kann dem Film in Sachen Authenzität vorwerfen, was man wil, aber inszenatorisch hat er absolut alle Register gezogen, um den Zuschauer eindringlich die Grausamkeiten des Holocausts aufzuzeigen.
"Der Bockerer", ein österreichischer Film über die Ereignisse der NS-Zeit, geht einen wirklich einzigartigen Weg der Darstellung ein.
Dreh- und Angelpunkt des Films ist die Figur des Karl Bockerer, ein älterer, gut gelaunter österreichischer Fleischhacker.
Dieser ist frei heraus, sagt, was er sich denkt, und macht sich nichts aus den Konsequenzen. Musste er bislang auch nicht. Es ist ihm gleich, ob sein Gegenüber jüdisch oder "arisch" ist, was ihn interessiert, ist die Person an sich.
Seine Frau und sein Sohn sind nationalsozialistisch eingestellt, unter seinen Freunden gibt es aber auch einen Juden.
Das, was den Film so dermaßen erfrischend und auch genial macht, ist, dass Karl Bockerer sich nicht bewusst gegen das System stellt, sondern einfach noch nicht realisiert hat, dass sich die Zeiten geändert haben.
Es gibt zu Beginn eine Szene, in der er sich darüber wundert, warum sein (jüdischer) Freund Rosenblatt solange braucht, um zum wöchentlichen Kartenspielen zu kommen. Seine Frau und ein anderer guter Freund sehen ihn komisch an, und meinen, dass er wahrscheinlich garnicht komme, und der Bockerer wirkt sehr verwundert über diese Aussage.
In einer anderen Szene werden auf der Straße Juden gedemütigt. Nachdem alles vorbei ist, kommt der Bockerer an der Stelle des Geschehens vorbei, und sieht einen Juden auf der Straße liegen. Er geht natürlich sofort hin, und will dem Mann aufhelfen und zum Arzt bringen. Ein Beamter kommt vorbei und ermahnt ihn, was er da tue. Ohne sich einer "Schuld" bewusst zu sein, meint er, er würde nur dem Mann helfen, der offenbar verletzt sei.
Zunächst richten sich die Taten des Bockerers nicht explizit gegen sein Regime, er verhält sich nur so, wie er es seit jeher für selbstverständlich angesehen hat, ohne sich überhaupt bewusst zu sein, dass sein Handeln mittlerweile gegen den Zeitgeist und auch gegen das Gesetz verstößt.
Er hat schlichtweg nicht mitbekommen, dass er sich in diktatorischen Zeiten befindet.
Erst als ihm immer weiter seine freie Meinung genommen wird, und er dazu gezwungen wird, sich zu fügen, beginnt er, diese zu verteidigen und wird nach und nach zum NS-Gegner, der auch mal gefährliche Beamte bewusst provoziert (z.B. hängt er eine Hakenkreuzfahne so auf, dass man nur mehr das Rote sieht).
Es ist hier durchaus eine Charakterwandlung zu erkennen, wenngleich die Titelfigur sich von Beginn an links verhalten hat.
Am Anfang aber wirkt er fast etwas naiv, macht das, was er für richtig hält, ohne groß nachzudenken. Später tut er zwar das Gleiche, allerdings in vollstem Bewusstsein, dass er damit alle in Aufruhr versetzt.
"Der Bockerer" arbeitet nicht auf einen dramaturgischen Höhepunkt hin, sodern zeigt den Alltag des Protagonisten über weite Strecken hinweg. Somit erzählt er viele kleine Geschichten, die einfach aus dem Leben gegriffen sind, und auch realitätsnah sind.
Der Film, der fast ausschließlich im Wiener Dialekt gehalten ist, wirkt in seinen Figuren und Dialogen nicht typisch für die Filmlandschaft, aber für das Leben.
Er ist leicht, aber nie leichtfertig.
Explizite Bilder sieht man selten, und der Streifen ist weniger schwer und reißerisch als andere Genrevertreter, da seine Charaktere und der oft vorhandene subtile Witz eher einem Heimatfilm ähneln - während drumherum die harte Realität über die Figuren hereinbricht.
Diese gehen unterschiedlich damit um, werden aber immer verständlich gezeigt. Es gibt hier trotz klarer Aussage keine Leute, die durch und durch Monster sind.
Aber das ist wichtig, um verstehen zu können, dass auch ganz normale Leute der NS-Ideologie verfallen sind.
"Der Bockerer" hinterlässt Eindruck.
Nicht aufgrund vieler schockierender Bilder oder übermäßig schwer inszenierter Schläge. Sondern, weil er wie unser Protagonist einfach das sagt und begründet, was er sich denkt:
Nationalsozialismus ist scheiße.
"Lolita" ist ein unheimlich interessanter Film, dessen Thema wohl auch heute noch skandalös, tatsächlich aber wohl um Einiges besser umgesetzt wäre.
Ich liebe altes Kino, besonders in Schwarz-Weiß, aber diesem Film hat sein Entstehungsjahr weiß Gott nicht gut getan.
Nein, es hat den Streifen förmlich zerstört, und Stanley Kubrick würde mir dabei absolut recht geben.
Tatsächlich sagte er sogar, hätte er damals gewusst, wie eingeschränkt seine Möglichkeiten sein würden, hätte er ihn wohl nie gedreht.
1962 war in Amerika der Hays-Code geltend, der genau vorschrieb, was in Filmen vorkommen darf und was nicht. Kubrick, den ich zusammen mit Quentin Tarantino als meinen absoluten Lieblingsregisseur bezeichne, hat bereits immer für brisante Thematika in Filmen gestanden, bereits in frühen Werken bishin zu seinem Tod. Sei es das Thema des Krieges in 'Wege zum Ruhm' und 'Full Metal Jacket', der im kalten Krieg eskalierenden UdSSR/USA-Rivalität in 'Dr. Seltsam [...]' , des technischen Fortschrittes in '2001 - Odyssee im Weltraum', der Manipulation des freien Willens in 'Uhrwerk Orange' oder der Sexualität und der Sekten in 'Eyes Wide Shut' - Stanley Kubrick sprach viele kontrovers diskutierte Inhalte an, und auch "Lolita" reiht sich hier ein.
Es geht hier, wenig blumig gesagt, um ein einvernehmliches, pädophiles Verhältnis.
Wenngleich der seltene Fall eintrat, dass er "nur" Regie führte (grundsätzlich hatte er sich immer vollkommene künstlerische Freiheit gesichert, schrieb die Drehbücher und produzierte selbst - manch einem Autor, z.B. Stephen King, etwas zu viel Freiraum, da er oft mit den literarischen Vorlagen umging, wie er wollte), so wirkt dieser Film auch inhaltlich kubrickesk.
Drehbuchautor war hier der Autor der Romanvorlage selbst.
Eigentlich eine Supervoraussetzung für eine derartige Verfilmung.
Der Autor eines provokanten Buches schreibt die Verfilmung seines eigenen Werkes, dass von einem Regisseur mit Hang zur Provokation verfilmt wird.
Doch die Zensurbehörden Hollywoods haben den Film förmlich malträtiert, und man merkt es dem Streifen von vorn bis hinten an.
Das Schlimme an dem Film ist nämlich nicht, dass etwas vorab zensiert wurde, sondern was: die Story.
Ja, keine einzelnen Szenen, sondern die komplette Handlung.
In "Lolita" geht es um die sexuelle Besessenheit eines Mannes mittleren Alters für seine minderjährige Stieftochter, diese geht nach dem Tod ihrer Mutter mit ihm vor der Öffentlichkeit versteckt eine intime Beziehung ein, einer Ehe gleich. Er ist über alle Maßen eifersüchtig und kontrolliert sie bis in die kleinsten Nebensächlichkeiten, was allmählich paranoide Züge annimmt.
Zumindest sollte es einst darum gehen. Im letztlichen Film sieht die Geschichte nämlich so aus:
Ein Mann mittleren Alters entwickelt einen sehr starken Beschützerinstinkt für seine Stieftochter, diese kommt nach dem Tod ihrer Mutter in seine Obhut, sie entwickeln eine innige Vater-Tochter-Beziehung. Er ist über alle Maßen besitzergreifend und kontrolliert sie bis in die kleinsten Nebensächlichkeiten, was allmählich paranoide Züge annimmt.
Im Film bleiben kaum mehr Spuren einer sexuellen Beziehung. Sätze wie "du hast mich noch nichtmal geküsst", "Wir wissen, was in diesem Haus vorgeht" oder "Wenn Mama das wüsste..." (alles ohne irgendeinen Bezug zu einer vorangegangenen Szene zu haben) sind alles, was von der ursprünglichen Story übrigblieb. Es sind nicht viele Zeilen, und die Andeutungen sind im Filmkontext derart schwach und weich dargebracht, dass man, wenn man nicht explizit weiß, worum es eigentlich geht bzw. gehen soll, durchaus denken könnte, der Film handelt in der Tat von einem überfürsorglichen Stiefvater.
Die traurige Wahrheit ist, dass das im Gegensatz zur genialen und kritischen Originalhandlung ziemlich banal und uninspiriert wirkt. Die Dramaturgie entspricht nämlich nachwievor einer Romanze, nicht einem Vater-Tochter-Drama, weshalb der Film seine inhaltlichen Schwerpunkte nicht angepasst hat.
Dies erweckt einen sehr merkwürdigen Eindruck.
Zum Beispiel wäre bei einem Drama der Tod der Mutter ein dramaturgischer Höhepunkt, hier ist es eher zur Vorantreibung der Story inszeniert. Der Film ist weder das Eine, noch das Andere.
Zu Gute kann man Stanley Kubrick halten, dass er unter den Umständen wohl das Meiste herausgeholt hat.
Er hat wie oben erwähnt den Film nicht entsprechend umstrukturiert, er wäre aber auch nicht Stanley Kubrick, würde er vollends nachgeben.
Dennoch schafft er es, seine Darsteller (insbesondere Nebendarsteller Peter Sellers, der immer wieder extrem beeindruckend in verschiedenen Rollen auftritt) zu Höchstleistungen zu treiben, sowie eine gewisse Spannung und Aufladung in das Geschehen zu bringen, wobei dies definitiv ein Film ist, dessen einzelne Szenen besser sind als das absolut unrunde Gesamtwerk.
Leider muss ich aber sagen, dass es wohl wesentlich besser gewesen wäre, man hätte den Film etwas später - und seien es nur 5 Jahre - gedreht. Der Film hätte ganz große Klasse werden können. Geniale Darsteller, der Romanautor am Drehbuch, ein begnadeter und mutiger Regisseur am Stuhl und ein ohnehin gewagter wie auch brillanter Plot.
Man kann förmlich während des Ansehens spüren, in welche Richtung der Streifen gegangen wäre, und wie extrem toll er hätte sein können. Man bekommt, wenn man den Hintergrund des Films kennt, einen guten Eindruck davon, wie der Streifen ausgesehen hätte.
Leider, und es fällt mir so schwer wie bei kaum einem anderen Film, muss ich aber letztlich sagen: hätte, hätte, Fahrradkette.
James Dean und Anne Haddaway...
...ich kann es mir richtig gut vorstellen, der Rebell im 50s Look in einer Romanze mit einer aufstrebenden Modejournalistin...
Tolle Antworten!
Interessant zum Thema Rache wäre hier auch Stanley Kubricks Uhrwerk Orange, bei dem wir quasi eine Rache der Opfer wollen, wenn es dann aber tatsächlich soweit ist, uns der zum Opfer gewordene Täter aber unfassbar leidtut.
Toller Artikel von dir (wünschte,ich könnte auch endlich Blogs schreiben...)