mattxl - Kommentare

Alle Kommentare von mattxl

  • 6 .5

    Tür auf - Tür zu. Tür auf - Tür zu. Warum nur musste ich die ganze Zeit immer an Harald Juhnke und Grit Böttcher denken?

    "Noises off" ist ein klassisches Boulevardstück - oder eher noch: Die filmische Parodie eines Boulevardstücks. Und es ist ein Stück im Stück: Wir sehen einer Theatertruppe und ihrem Regisseur (Michael Caine) dabei zu, wie sie ein Stück ("Nothing on") probt bzw. aufführt. Der Witz dabei: Der Zuschauer sieht das Stück 3 x: Einmal bei der "technischen Probe", einmal aus der Backstage-Perspektive und einmal komplett "improvisiert". Natürlich geht alles schief, was schiefgehen kann. Und immer mehr vermischen die Schauspieler ihr Rollen-Ich mit der eigenen Person.

    Das ist ganz amüsant - und sogar lehrreich, versteht der Zuschauer doch schon bald, wie unendlich kompliziert Comedy doch ist, wie man Pointen versemmelt, wie Running Gags funktionieren und dass das timing das A und O ist. Aber so richtig geflashed hat mich das nicht - dazu sind es schlicht ein paar Running Gags zu viel. Dass Bogdanovich Comedy kann, hat er in "Is was Doc" meisterhaft gezeigt. Davon ist "Noises Off" weit entfernt. Trotzdem: Nette Unterhaltung für den Sonntag-Nachmittag.

    4
    • 7

      Gender Trouble im Dublin des 19. Jahrhunderts. Albert Nobbs (Glenn Close) ist Butler in einem Hotel. Nobbs, obwohl sozial ganz umgänglich, wirkt merkwürdig verknöchert, maskenhaft, wie jemand, dessen tägliche Verrichtungen doch nichts anderes als eine verkleidete Einsamkeit sind. Von Beginn an weiß der Zuschauer: Er ist eine Sie. Glenn Close spielt keinen Mann, sondern eine Frau, die - aus welchen Gründen auch immer - ein Mann sein will. Oder will sie es vielleicht doch nicht?

      Albert Nobbs hat einen Traum: Irgendwann einmal möchte er/sie sich mit dem Ersparten selbstständig machen. Penibel zählt er immer wieder seine Pennies. Auf dem Weg zur Traumerfüllung geschieht jedoch etwas Unvorhersehbares: Albert trifft auf Hubert - und Hubert erweckt einen anderen Traum - nämlich den, es könne ein Leben jenseits der Einsamkeit geben.

      Der Film Albert Nobbs macht es - wie die Figur Albert Nobbs - dem Zuschauer nicht leicht, denn bei aller Sympathie für den Butler und seine Träume: Er bzw. sie bleibt ein Rätsel. Nobbs Begehren lässt sich nicht kategorisieren. Ebenso bleibt auch offen (mindestens nach der Strand-Szene), als wer Nobbs sich selber sehen möchte. Nobbs ist quasie ein Wesen vor der Geschlechtsreife.

      Die Darsteller sind allesamt über jeden Zweifel erhaben. Der Film hat allerdings ein großes Manko: Die Story kommt wahnsinnig behäbig daher. Damit wird viel Potential verschenkt. Die Leidenschaft, mit der Glenn Close für diese Rolle gebrannt hat, ist daher leider insgesamt etwas verpufft.

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      • 3

        Meine Vorrednerin hat schon ganz recht: "Das kann man ganz leicht hassen, mit den Allegorien, den langen Einstellungen, den fragwürdigen Protagonisten und den Off-Stimmen."

        Da es mir gestern Abend jedoch an Aufgeschlossenheit für prätentiösen Käse fehlte, insbesondere dieses bedeutungsschwere Gesülze im Off an meinen Nerven zehrte (leider nicht der Spannung wegen!), komme ich dann doch zu anderen Punkten als Amelia. Ja, ja, tolle Bilder - aber ganz ehrlich: Sind nicht inzwischen die allermeisten Filme handwerklich so gut, dass man dies bescheinigen kann? Postmoderne Film Noir Anverwandlungen sind ja nun so neu auch wieder nicht. Warum nur hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, als ob über jeder Szene eine unsichtbare Tafel schweben würde, auf der in Großbuchstaben geschrieben stand: "HALLO NICHT EINSCHLAFEN - ICH BIN DOCH EIN KUNSTFILM."

        An den von mir durchaus geschätzten James Franco der dringende Appell/Rat: 1 Indie- und 1 Mainstream-Film im Jahr reichen vollkommen. Man muss nicht im Wochenrhythmus Filme abdrehen, um sich in das Gedächtnis der Menschheit zu brennen.

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        • 7 .5

          Zwischeneindruck nach 3 Folgen und ohne Bewertung: Hat mir gut gefallfen. Das ist mal nicht die übliche cineastische (bzw. televisionistische muss man hier wohl sagen) Tourismus-Werbung für Neuseeland. Die Schönheit der Landschaft schimmert immer noch durch, ist aber in ein etwas milchiges Schlickgrau getaucht. (Schöner Kontrast zum quietschbunten Hobbit). Toll das durchgeknallte Frauen-Camp. Holly Hunter als nihilistischer Guru braucht unbedingt mehr Screen-Time (ich sehe allerdings schon Alice Schwarzer böse Briefe schreiben - sie wird vielleicht dadurch besänftigt, dass den durchgedrehten Schachteln eine ganze Armada von widerlichen Prolls gegenübersteht, womit immerhin das Feindbild wieder gerettet sein dürfte.). Grandios wie immer: Peter Mullen, der hier man wieder den Tyrannosaurus, diemal aber mit Rocker-Mähne, raushängen lassen darf. Entdeckungen für mich: Elisabeth Moss und Thomas M. Wright (sieht, das am Rande und ohne jede Bedeutung, Liam Gallagher unfassbar ähnlich).

          Minuspunkte gibt es für das inzwischen dann doch zu oft bemühte Klischee, die Provinz sei der Ballungsraum perverser Existenzen, die, wenn sie mal gerade nicht in der Dorfkneipe herumhängen und sich dicht saufen, andere Drogen konsumieren/ produzieren oder aber auf der ständigen Suche nach Triebabfuhr sind. Ich darf das sagen: Ich habe 18 Jahre in der Provinz gelebt und schwöre: Es war anders.

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          • 9 .5

            Aus protestantischen Pfarrhäuser entstammen bekanntlich scharenweise Philosophen, Terroristen und Künstler. Wie kaum ein anderer hat Ingmar Bergman - hier "nur" Drehbuchautor - diesen eigenartigen Nährboden analysiert und in seine Bestandteile zerlegt (natürlich: auch er stammt aus diesem oftmals eisigen Millieu). "Die besten Absichten" handelt (mehr oder weniger 1:1) von der Beziehung seiner Eltern - und zwar bis 1918, kurz bevor der kleine Ingmar geboren wird. Bergman versucht quasi seiner eigenen Vorgeschichte auf die Schliche zu kommen. Können Kinder gute, d.h. halbwegs faire Biographen ihrer Eltern sein?

            In seiner Autobiographie berichtet Bergman folgende Episode: 1965 soll er auf Befehl seiner Mutter seinen an Speiseröhrenkrebs erkrankten Vater im Krankenhaus besuchen. Seine Reaktion: "Ich erwiderte, ich hätte weder Lust noch Zeit, mein Vater und ich hätten uns nichts zu sagen, er sei für mich eine gleichgültige Person, und ich würde ihn mit meinem Besuch an dem eventuellen Totenbett sicher nur erschrecken und verlegen machen." Taugt so jemand als Biograph der Eltern? Kann das mehr werden als eine Haßtirade?

            "Die besten Absichten" ist auch Haßtirade - schonunglos seziert Bergman eine von Schuld- und falschen Pflichtgefühlen durchsetzte Welt, häusliche Gewalt inklusive. Oberstes Gebot: Genügsamkeit, die nicht selten zu Selbstbestrafung ausartet - oder aber zu erruptiver Aggression, wenn mal wieder zuviel Dampf auf dem Kessel ist. "Freude" steht unter Generalverdacht - gefeiert wird stets anderswo (s. Fanny und Alexander). Aber "Die besten Absichten" sind viel mehr als eine Haßtirade: Sie sind auch eine Verneigung vor den Eltern. Man spürt förmlich Bergmans Erstaunen darüber, in dieser seltsamen Beziehung seiner Eltern, in der Glückmomente wohl recht spärlich gesät gewesen sein dürften, soetwas wie "Liebe" konstatieren zu müssen. "Verstanden" hat er seine Eltern wohl nicht (wer kann das schon?). Aber er hat ihnen 1989 ein bisschen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen als 1965.

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            • 8

              Gesneaked.

              RomComs sind bei mir nicht chancenlos, haben es aber in der Regel schwer, weil ich sie meist weder Rom noch Com finde.

              Enough Said ist eine RomCom für Erwachsene mit feinstgeschliffenen Dialogen - lustig, berührend und klug. Da geht es darum, sich in jemanden zu verlieben, der so gar nicht in das Beuteraster passt, das man sich so feinsäuberlich zusammengebastelt hat. Ein völlig ungleiches Paar, bei dem er - mit gutem Grund - schon mal fragt: "Kannst du noch atmen, wenn ich auf dir liege?" Es geht um "Beziehungserfahrene" - also solche, die nur zu gut um die Tücken des Liebeslebens wissen und dieses Kapitel eigentlich schon für sich beendet hatten. Und es geht um schleichende Gifte: Um Marotten des Alltags, die man immer schon beim anderen zum Kotzen fand, um lustiges Geplänkel, das irgendwann, man weiß nicht so genau, woran es lag, in ungewollte öffentliche Demütigung umschlägt. Vor allem geht es jedoch um einen Mann, der von zwei Frau völllig unterschiedlich gesehen wird. Dummerweise befreunden sich die beiden Frauen und die Sicht der einen vergiftet (ungewollt) zunehmend die Sicht der anderen ...

              Gestern abend durfte James Gandolfini einen der ausgelutschtesten Sätze der Filmgeschichte von der Leinwand herunter sagen: "You have broken my heart." Und WIE er ihn sagte - da war es um mich geschehen. Da dachte ich: "James Gandolfini - today YOU have broken my heart." Und ich wurde ein bisschen traurig, dass "Enough Said" nun einer seiner letzten Filme bleiben muss. - Gaaaaaanz toller film!

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              • Aus "Songs for Drella":

                Hello it's me

                Andy, it's me, haven't seen you in a while
                I wished I talked to you more when you were alive
                I thought you were self-assured when you acted shy
                hello it's me

                I really miss you, I really miss your mind
                I haven't heard ideas like that in such a long, long time
                I loved to watch you draw and watch you paint
                but when I saw you last, I turned away

                When Billy Name was sick and locked up in his room
                you asked me for some speed, I though it was for you
                I'm sorry that I doubted your good heart
                things always seem to end before they start

                Hello it's me, that was a great gallery show
                your cow wallpaper and your floating silver pillows
                I wish I paid more attention when they laughed at you
                hello it's me

                Pop goes pop artist, the headline said
                Is shooting a put-on, is Warhol really dead
                You get less time for stealing a car
                I remember thinking as I heard my own record in a bar

                They really hated you, now all that's changed
                but I have some resentments that can never be unmade
                You hit me where it hurt I didn't laugh
                your diaries are not a worthy epitaph

                Oh well, now Andy, guess we've got to go
                I wish some way somehow you like this little show
                I know it's late in coming but it's the only way I know
                hello it's me

                Goodnight, Andy
                Goodnight Andy

                Goodnight Lou... machs gut!

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                • 4 .5

                  Wer auf Meisterwerke wie "Im Angesicht des Verbrechens" oder auch "Frau Bu lacht" gehofft hat, wird leider bitter enttäuscht. Das war so ziemlich der konfusestes, wirrste, leider auch anstrengendste Tatort, den ich in den letzten Jahren gesehen habe. Allzu selbstverliebt tobt sich Graf hier auf seiner Spielwiese aus, quält den Zuschauer 90 Minuten mit Schnitten im Sekundentakt und nervt mit einer Art Dauer-Voice-Over, das Tonschichten übereinanderhäuft wie einst die Erbauer des Turms zu Babel ihre Ziegel übereinander stapelten. Keine Idee zu skurril, als dass sie nicht doch noch irgendwo im Drehbuch unterzubringen gewesen wäre. - Gefallen haben mir Meret Becker und Ernie Mangold. Und die ein oder andere Szene war tatsächlich ganz amüsant. Daher dann doch noch 4,5 Punkte.

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                  • 2 .5

                    Ein Geniestreich, der einen ebenso fassungs- wie ratlos zurücklässt. Ohne jeden Zweifel: Man MUSS das gesehen haben (was ich nun endlich, viel zu spät, nachgeholt habe). Und niemals wird man vergessen, WAS man da gesehen hat. Allein wie Luzi zu Beginn 10 Minuten ton- und wortlos seltsam durch die Wohnung tänzelt und die Zimmereinrichtung liebkost - das ist großes Heimkino! Großartig auch der Regieeinfall, angesichts der miserablen Tonqualität die Texte jeweils etwa 20 x aufsagen zu lassen, bis man dann endlich versteht, was sich das Liebespaar da nun wieder tiefschürfendes zukräht wie z.B.: "Kiel ist eine moderne Hafenstadt". Wenn das nicht der gelungene Auftakt zu einer regelrechten Amour Fou ist, was dann? Ohnehin: Die Dialoge sind von einer abgründigen Subtitilät, meisterhaft irgendwo zwischen Beckett, Artaud und RTL2 ozszillierend. Und immer wieder die Frage: Ist es wirklich möglich, einen 80minütigen Film zu machen, der es tatsächlich in jeder Hinsicht schafft, schlecht zu sein - richtig schlecht? Noch bohrender fast die Frage: Gab es dafür möglicherweise sogar Filmförderung?

                    Ich verstehe jeden, der hier 10 Punkte gibt - oder aber 0. Wenn meine Bewertung nun in Richtung "schmerzhaft" geht, so liegt es nicht nur daran, dass die Stimmen der beiden Protagonisten drohten, meine Gehörgänge zu zerfräsen, sondern auch daran, dass mein Zwerchfell vom Lachen so strapaziert wurde, dass ich am Tag danach in dieser Region vermutlich einen furchtbaren Muskelkater haben werde. Eine Sternstunde des revolutionären Kunstkinos. Nie hat ein Film die Sinnlosigkeit des Weltenlaufs schmerzhafter spürbar werden lassen.

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                    • 6 .5

                      "Zwei Leben" ist ganz gut - leider mehr nicht. (Es mag sein, dass in meine Bewertung auch mit hineinspielt, dass der von mir sehr geschätze "Oh Boy" bei der deutschen Oscar-Nominierung gegenüber "Zwei Leben" das Nachsehen hatte - also vielleicht sollte man zu den 6,5 Punkten noch mal 0,5 im Geiste hinzuzählen, aber mehr dann wirklich nicht. Dass das Kalkül hinter dieser Zwei-Leben-Nominierung sowas von entsetzlich durchsichtig ist, ist ein anderes Thema ...)

                      Hinter "Zwei Leben" steckt eine schier unfassbare reale Geschichte, deren Bösartigkeit - folgt man dem Abspann - noch bis in die Gegenwart reicht. Das Thema - das Ineinandergreifen zweier Diktaturen, eine Diktatur benutzt die Verbrechen der anderen Diktatur, um ihrerseits im Dunkel der Geschichte Verbrechen begehen zu können - ist von faszinierender Widerwärtigkeit. Aber, und das wäre meine Hauptkritik an Georg Maas: Es hat den Anschein, als ob er der an sich schon starken "realen" Story nicht traut - ganz unnötig motzt er sie auf, schwankend zwischen Familienmelodram und Agententhriller, Logik und Wahrscheinlichkeiten gelegentlich souverän missachtend.

                      (Enthält Spuren von Spoilern) Besonders deutlich wird dieses "too much" bei Katrines Trip nach Deutschland: Inwiefern könnten ihr die alten Lebensborn-Omas wirklich gefährlich werden? Erinnert sich nach 45 Jahren wirklich noch an die Gesichter von irgendwelchen Kleinkindern? Und ist dann noch in der Lage, ein um 45 Jahre gealtertes Gesicht zu dieser Erinnerung in Beziehung zu setzen!

                      Sehr gut gefallen haben mit Juliane Köhler und die solange nicht gesehene Liv Ullmann. Allein die beiden sorgen für den ein oder anderen Kloß im Hals.

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                      • 7

                        Ein deutscher Fishtank? Ja, ein bisschen. Aber dann doch anders ... Beide Filme verbindet das Milieu, die Einsamkeit der Protagonisten, der Versuch, diese Einsamkeit durch Sexualität zu überwinden. Vor allem: Beide spielen - jeweils unterschiedlich - mit der Idee, dass das traditionelle Generationen-Schema nicht mehr gilt: Jung will alt sein - Alt will jung sein - "Mutter" will nicht mehr "Mutter" sein, sondern "Freundin" - und wird damit letztlich zur Konkurrentin für die Tochter. Väter? Ja, die gibt es auch. Irgendwo. Irgendwie. Irgendwann. Präsent sind sie kaum. Als "Reibungsfläche" bleibt primär der Lover der Mutter, bei dem man nie weißt, ob es sich lohnt, seinen Namen zu merken. Das traditionelle Generationenschema hatte natürlich auch seine Macken. Es hatte aber immerhin den Vorteil, dass Mütter ihren Töchtern nicht beim Sex zusahen.

                        Die DarstellerInnen sind ausnahmslos top - ebenso zu loben ist die Kamera. Wer sich nicht von dem allzureißerischen Cover/Titel auf eine falsche Fährte locken lässt, wird mit einem tollen Indie-Film belohnt.

                        8
                        • 8 .5

                          Die Katze- oder: Wenn über der Liebe die Abrissbirne kreist ...

                          Puuuuuuuh ... war das böse! Wenn man so will ist "Die Katze" eine französische Variante von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf". Mit einem Riesenunterschied (natürlich gibt es noch viel mehr Unterschiede): Wo Burton und die Taylor sich anbrüllen und die "Tonart alkoholisiertes Gekreische" vorherrscht, wird hier (überwiegend) eine viel diabolischere Waffe gezückt: Das Schweigen. Vor Signoret und Gabin kann man sich nur verneigen: Wie sie diesen öden, verzweifelten, weltverdrossenen Ehealltag spürbar werden lassen, das kommt bei aller Stille schon einem Schlag in die Magengrube gleich.

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                          • 7 .5

                            Allein den großen Henry Fonda in seiner letzten und die nicht minder große Katherine Hepburn in einer ihrer letzten Rollen zu erleben, rührt mich in schwer erklärbarer Weise an. Da sehe ich dann auch gern über manchen achtziger Jahre Kitsch hinweg, (der hier deutlich überdosisiert verabreicht wird). Auch dass hier unter dem Vorwand von familiärer Entfremdung letztlich noch einmal das Ideal der "amerikanischen Familie" verklärend zelebriert wird - geschenkt. Anders formuliert: Die beiden berühren als alterndes Paar - weniger als Familienoberhäupter.

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                            • 8 .5

                              Wenn in einem ausverkauften Kinosaal mit 500 Plätzen plötzlich das Dauergeraschel von Popkorntüten und Torillaschachteln aufhört und es dann dauerhaft so still wird, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können - dann ist das für mich schon ein Qualitätsausweis. Die Stille im Kinosaal resultiert u.a. aus dem großartigen Paul Dano, der die Zuschauer durch sein leises, undeutliches Sprechen quasi diszipliniert. (Jenny hat recht: Er ist der stille Star von "Prisoners"). Sie liegt aber vor allem an einer packenden, wendungsreichen Story, deren emotionale Wucht einem immer wieder den Atem stocken lässt. Hugh Jackmann spielt wahnsinnnig anstrengend - aber eben auch sehr gut. Ich hatte große Sorge, seine Figur könnte in einem versteckten"Lob der Folter" münden. Das ist definitiv nicht der Fall. Toll auch der "besonnene" Jake Gyllenhaal, der hier mit seinen Ermittlungstechniken an seine Grenzen stößt und diese für den Zuschauer schmerzhaft spürbar werden lässt.

                              "Prisoners" erfindet den Thriller nicht neu. Aber wenn ein perfektes Beherrschen der Genreregeln reicht, um 2 1/2 Stunden durchgehend zu fesseln - dann ist mir das schon 8,5 Punkte wert,

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                              • 4 .5

                                Irgendwie hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, jemand würde mich unentwegt mit Champagner-Trüffeln füttern. Und mir zwischendrin noch ein paar Eierlikör einschenken. Luhrmanns Gatsby-Optik ist gewiss faszinierend, aber ist sie auch gut?

                                Den Rausch inszenieren kann Luhrmann. Aber dieser Dauerrausch, der seinen zum Teil wirklich großartigen Bildern in keiner Sekunde vertraut, sondern sie wild und hektisch durch die Weltgeschichte fliegen lässt, ist dann mein Ding nicht. Ein bisschen ist das Barbie-Dreamhouse-Experience für Erwachsene.

                                Für wen sich Daisy entscheidet? Das war mir irgendwann ziemlich egal. Da hatte ich schlicht schon zuviel Trüffel gefuttert.

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                                • 7

                                  Sind langjährig Verpartnerte wirklich so schlimm? Diese Kinderspielchen der beiden gehen schon ziemlich auf die Nerven. Muss, wer liebt, auch immer gleich zum Dreijährigen mutieren? Das gilt hier leider insbesondere für die von mir ansonsten geschätzte Michelle Williams, die merkwürdig verdruckst spielen muss und deren sexuelle Gelüste immer just zum falschen Zeitpunkt erwachen. Enttäuschung vorprogrammiert.

                                  Am Anfang habe ich mit Take This Waltz ziemlich gefremdelt, in der zweiten Hälfte hatte er mich dann. Und das liegt vor allem - ich staune über mich selbst - an Seth Rogen. In dessen Gesicht spiegelt sich tatsächlich die ganze Komplexität der Geschichte wieder: Verliebtsein, Verletztsein, Irritation, Begehren, Genervtsein, Verzweiflung...

                                  Langjährig Verpartnerten kann ich nur eingeschränkt eine Sichtung empfehlen. Man könnte sich ertappt fühlen.

                                  Hervorzuheben ist schließlich auch noch der feine Soundtrack.

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                                  • 7 .5

                                    Wäre ich die BILD-Zeitung, stünde über diesem Kommentar vermutlich eine Headline wie: "Ex-Scientologin pisst auf Disney-Boy". Gott sei Dank bin ich nicht die BILD - aber es ist vielleicht kein Zufall, dass mich The Paperboy an diese Gazette erinnert, denn, ich will es mal so formulieren: Er ist ein bisschen kreischig. Und man weiß nicht so genau, ob man hier tatsächlich Szenen gesehen hat, die vielleicht Filmgeschichte schreiben werden (Stichworte: Hausmittel gegen Feuerquallen, die denkwürdigste Orgasmus-Szene seit Harry & Sally u.a.) - oder die morgen bereits wieder im Überbietungswettbewerb der Sensationen vergessen sind.

                                    Enttäuscht sein werden alle, die hier einen spannenden Thriller erwarten. Das ist The Paperboy nicht, auch wenn es zunächst danach aussieht. Seine Stärken hat der Film für mich in der Familiengeschichte: in den unerfüllten Sehnsüchten zweier ungleicher Brüder, die auch das Letzte nicht scheuen, um "Erfüllung" zu finden (da erinnert er dann manchmal von fern an "In der Mitte entspringt ein Fluss").

                                    Von den Darstellern müssen unbedingt gelobt werden MC (ich kürze diesen unschreibbaren Namen hier einfach mal ab), die Kidman und John Cusack. Alle drei in Bestform. Zac Efron macht seine Sache nicht schlecht - auch wenn man sich fragt, was der tiefere Sinn des Regieeinfalls ist, dass er 3/4 des Films nur Unterhose tragen darf (ich übertreibe ein bisschen, aber nur ein bisschen).

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                                    • 6

                                      Für mich eindeutig der schwächste Teil der Paradies-Trilogie. Seidl arbeitet hier extrem mit Wiederholungen: Turnübung- Arztbesuch - Schlafengehen - Turnübung - Arztbesuch - Schlafengehen und so weiter. Was man zunächst noch als Kunstgriff akzeptiert, der der den "strengen Rhythmus" bzw. die Monotonie des Diätcamps wiederspiegelt, wirkt nach und nach dann doch recht ermüdend. Dies gilt umso mehr, da Seidl hier auf die für ihn typischen Eskalationsstufen verzichtet. Hier bleibt (fast) alles wohltemperiert. Seidls Beißhemmungen dürften vermutlich auch der Tatsache geschuldet sein, dass hier eine Minderjährige im Mittelpunkt steht. Trotzdem: Sehenswert - aber da wär deutlich mehr drin gewesen.

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                                      • 7

                                        Ich kann mich nicht erinnern, mal etwas Lustiges von Spielberg gesehen zu haben. Umso mehr hat mich Sugarland Express überrascht. Dafür, dass die Geschichte recht schlicht ist, war sie dann doch ziemlich kurzweilig - untrügbares Indiz dafür, dass ein Regisseur etwas kann. Wunderbare Mischung aus Groteske und Tragödie! Und irgendwie recht weitsichtig, was die Rolle der Medien im Kontext von Geiselnahmen angeht.

                                        Die umwerfende Goldie Hawn weckt sofort das Verlangen zu recherchieren, was sie heute eigentlich so treibt: Beruhigt stelle ich fest, dass sie nach wie vor noch Thema der Klatsch-Presse ist - wie wärs mal wieder mit nem tollen Film?

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                                        • 7 .5

                                          Es stimmt schon: Sonderlich in die Tiefe geht Liberace nicht, die Story teilt die Mankos nahezu aller Biopics (insbesondere der Biopics, die auf den Erinnerungen eines der Beteiligten beruhen). Sonderbergh klebt an Oberflächen und berauscht sich geradezu an dem überborderden Kitsch und den unfassbaren Geschmacklosigkeiten von Kostümen, Einrichtungen und Inszenierungen.

                                          Aber hätte das anders aussehen können? Ich glaube nein. Liberace IST eine (tragische) Oberfläche, eine Projektionsfläche des Amerikas der sechziger und siebziger Jahre - hinter dieser Oberfläche ist buchstäblich alles schief, falsch und erlogen. Liberace sagt mehr aus über die Sehnsüchte einer Gesellschaft als über den Mann "behind the candelabras".

                                          Es ist schon 100 mal festgestellt worden, aber hier noch ein 101 mal: Michael Douglas und Matt Damon sind unfassbar gut. Was werden die für einen Spass bei den Dreharbeiten gehabt haben! Aber: Überraschungspunkte heimst Rob Lowe ein - das merkwürdig zusammengenähte Gesicht dieses Schönheitschirurgen wird man definitiv nie vergessen!

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                                          • 7 .5

                                            Was ist begehrenswerter als das Unerreichbare? Der Auktionator und Kunstexperte Virgil Oldman (Geoffrey Rush) ist ein eitler, alter Misanthrop, wie er im Buche steht. Und er ist einsam bzw. ihm reicht die Gesellschaft einer stattlichen Sammlung von Frauenporträts, die er sich im Lauf der Zeit angelegt bzw. mit Unterstützung von Donald Sutherland ergaunert hat. Eine geheimnisvolle Frau mit Namen Claire bittet ihn darum, ihre Kunstsammlung einzuschätzen. Doch jedesmal, wenn es zu einer Verabredung mit ihr kommen soll, erscheint sie nicht. Die unsichtbare, unerreichbare Claire schafft, was noch keine Frau zuvor bei Virgil geschafft hat: Seine Leidenschaft entbrennt - mit unabsehbaren Folgen.

                                            Der sehr ruhig erzählte, gleichwohl spannende Film (mit wunderbarem Twist!) ist zunächst ein Liebesdrama und dann ein Krimi. Sehr lang bleibt völlig unklar, wo das eigentlich hinläuft. Langweilig ist das an keiner Stelle, wenn man denn Freude hat an der unglaublichen Detailverliebtheit, mit der Tornatore inszeniert. So sind zB. auch die immer wiederkehrenden Fälschungs- und Androiden-Motive keineswegs Selbstzweck, sondern mit großer Bedachtsamkeit eingesetzt. Dass man bei Tornatore auch in wunderbaren Bildern schwelgen darf - noch dazu mit dem schönen, etwas unauffälligen Score von Morricone - versteht sich von selbst.

                                            "Ein jeder Fälscher hat das Bedürfnis, sich in seiner Fälschung zu verraten." Ein jeder?

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                                            • 7

                                              Liest man bei Wikipedia die ausufernde Inhaltsangabe von Barbarella, könnte man meinen, es handele sich hier um ein Werk des Formates von "Krieg und Frieden". In Wahrheit lässt sich der Inhalt in einem Satz zusammenfassen: Die Astronautin Barbarella bekommt bei der Suche nach dem Bösewicht Durand-Durand (mit D!) verschiedene Gelegenheiten, sich aus- und wieder anzuziehen.

                                              Dies alles in einer Kulisse, die überreichlich mit Vaginal- und Phallussymbolen ausgestattet ist. Tröstlich ist es, den Dialogen anzuhören, dass auch im Jahr 40.000 offensichtlich noch viel Wilhelm Reich und Herbert Marcuse - vermittelt über Rainer Langhans - gelesen wird. Neuartige, chemisch induzierte Formen der Kopulation sind erfunden und lassen die Geschlechtspartner mit nicht minder zerzaustem Haar zurück, als dies auch in der traditionellen Variante der Fall war. Die Drogenhölen des Jahres 40.000 sehen allerdings immer noch so aus, wie Drogenhölen von 1968 (zumindest so, wie ich mir heute die Drogenhölen von 1968 vorstelle).

                                              Natürlich ist der Film unsagbar schlecht. Auch wenn man das Trashometer anlegt, vermag er nicht ganz zu überzeugen. Aber es gibt hier Szenen, die wird man garantiert sein lebenlang nicht vergessen. Wenn ein Film DAS schafft, ist mir das schon mal 7 Punkte Wert.

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                                              • 4
                                                über Elysium

                                                Es war einmal "District 9", ein schmutziges, dreckiges kleines Filmchen von einem damals unbekannten Regisseur, das vor allem deshalb begeisterte, weil es die für SciFi oder Dystopien nicht unübliche Sozialkritik in eine intelligente Story, vor allem jedoch in packende, ungewöhnliche Bilder zu tauchen verstand. Dann kam Elysium - und das Märchen war schon wieder zu Ende.

                                                "Elysium" versucht exakt das Gleiche wie "District 9" - es wirkt nur leider so, als ob jede zusätzliche Million, die Blomkamp zur Verfügung stehen hatte, schlicht dazu benutzt wurde, aus einem schmutizgen, dreckigen kleinen Filmchen einen 0815-Blockbuster zu machen, an dem leider NICHTS überrascht - außer vielleicht, dass Damon und Foster hier so unter Wert verheizt werden und wirklich allerdümmlichste Sätze am Fließband aufsagen müssen.

                                                "Los, gib's Ihm." "Aber klar doch, Boss, gerne". So geht das am laufenden Meter. Das sich jemand noch traut, deratige Dialoge zu schreiben ... (Tipp: Gekloppe muss nicht durch andauernd dämliches Gequatsche unterlegt werden. Es reicht, wenn sich die Klopper anschweigen und schlicht verprügeln).

                                                In dem Film eine große Rolle spielt so eine Art "Brutkasten-Revitalisierer". Den hätte ich gern nach etwa der Hälfte des Films gehabt.

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                                                • 5 .5

                                                  Nach den vielen Totalverrissen war ich positiv überrascht. So schlecht ist der Film nicht. Den Anfang - also den "Berlin-Teil" - fand ich sogar ziemlich gut. Ab "Moskau" gerät der Film dann irgendwie aus den Fugen: Handlung, Witz und Tragik finden nicht mehr wirklich zusammen. Schade. Hätte mehr draus werden können. An den Darstellern lags nicht.

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                                                  • 9

                                                    James Cagney als halbwahnsinniger, cholerischer Gangster mit Mutterkomplex. Das ist nicht nur psychologisch interessant und für die Zeit ungewöhnlich, sondern auch Spannung pur. (Man würde sich bei vielen Gangster-Filmen heute wünschen, ihre Drehbücher hätten wenigstens im Ansatz die Raffinesse und Komplexität von "Sprung in den Tod" seufz*). Neben Cagneys großartiger Darstellung möchte ich Margaret Wicherly besonders preisen: Fast ist man ein bisschen traurig, dass die erz-böse Mutti zur Hälfte des Films aus dem Verkehr gezogen wird.

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