mattxl - Kommentare

Alle Kommentare von mattxl

  • 7

    Es gibt bessere von John Waters.

    Als genialer Kniff des Regisseurs muss jedoch das Engagement von Birgit Kelle, Beatrix von Storch und Hedwig Beverfoerde verstanden werden. Die allseits beliebten Talkshow-Stars dürfen sich hier nämlich selber spielen. Durchbebt von einer atemberaubenden Leidenschaft, dass christliche Abendland vor dem sexuellen Untergang zu retten, geben sie praktisch und buchstäblich ALLES - auch wenn der Pfad der Tugend die ein oder andere Versuchung am Wegesrand platziert hat und man bzw. frau kurzzeitig ins Straucheln gerät. Die drei gefragten Gender-Expertinnen verkörpern so überzeugend das "Neutrum", dass man sich unweigerlich fragt, in welcher method-acting-school sie ihre Darstellerinnen-Qualitäten trainiert haben.

    1
    • 7 .5

      Da die Herren Boll und Buttgereit bei einigen M-Piloten ja geradezu kultische Verehrung genießen, hätte ich hier eigentlich mit mehr Wertungen gerechnet ... aber vielleicht ist das Bahnhofskino in dieser geschichtsvergessenen Zeit schon wieder so unbekannt geworden, dass das Interesse fehlt?

      "Cinema Perverso" erinnert in charmanter und nicht selten lustiger Weise an diesen schmuddeligen Sehnsuchtsort, der eben nicht nur Trash und Triebabfuhr versprach, sondern auch der Avantgarde (Pasolini wird genannt - ich selbst habe Kubrick in einem Bahnhofskino gesehen) Raum gab. Man lernt: Video hat nicht nur den Radio Star gekilled, sondern auch diese kulturelle Institution in Laufweite der Bahngleise.

      Ein besonderes Vergnügen ist es mal wieder, Mechthild-The Voice-Grossmann zuzuhören. Was hat diese Frau nur mit ihrer Stimme angestellt?

      10
      • 8

        "Warum läuft Herr R. Amok?" meets "Eine Frau unter Einfluss". Eine großartige Maria Simon und ein ZDF , das sich einmal traut, den Zuschauer zur besten Sendezeit ziemlich ratlos zurück zulassen. Das ergibt bei mir 8 Punkte. Beklemmend-toll was Friedemann Fromm ("Weißensee") hier abgeliefert hat.

        6
        • 5

          Oh - wie sieht Stallone denn hier aus? Wie ein abhandengekommenes Bee Gees-Mitglied. Mit einem Schuss Paul Breitner. Und in der Eingangssequenz, ja tatsächlich, wie eine etwas verunglückte Conchita-Vorläuferin. Dieser Gender Trouble n den ersten Minuten ist leider auch so ziemlich das einzig originelle an Nighthawks - sieht man einmal von der XXXXL-Brille ab, die Stallone hier trägt und die in merkwürdigem Kontrast zu seiner Körpergröße steht.

          Wer auf Früh-Achtziger-Patina steht, wird hier ganz auf seine Kosten kommen. Herrlich schräger Soundtrack, nette handgemachte Action, eine recht übersichtliche Story, deren Komplexität niemanden überfordern dürfte. Es geht um einen antikolonialistischen Terroristen. Erfreulicherweise belastet uns der Regisseur/das Drehbuch hier nicht mit Einzelheiten (wieso-weshalb-warum?). Es reicht zu wissen: Sly ist ihm auf den Fersen.

          In Erinnerung bleiben dürfte zudem die Szene in der Disco: Also wie der Stallone da den endlich gefundenen Terroristen (Rutger Hauer) minutenlang mit Killerblick ins Visier nimmt - bis dieser nach einer halben Ewigkeit endlich erkannt hat, dass er beobachtet wird und seinem Naturell entsprechend um sich ballert-.Das ist zwar zermürbend anzusehen - doch man begreift: Terrorfahndung ist gar nicht so einfach...

          3
          • 6 .5

            Ich liebe Biographien, ich liebe Filme. Eigentlich die ideale Voraussetzung dafür, das Genre Biopic zu lieben. Nur leider: Dem ist nicht so. Mit großer Regelmäßigkeit lässt mich das Biopic mehr oder weniger enttäuscht zurück. Mal ist es das fantasielose Abhaken von Lebensstationen, was mich nervt, mal ist es die übertriebene Denkmalpflege, die dort betrieben wird. Dann wieder wird unzulässig vereindeutigt, auf Linie gebracht, was doch im Leben selbst ganz vieldeutig, ambivalent und komplex war.

            All diese Vorwürfe würde ich Love & Mercy nicht bzw. nur zum Teil machen. Paul Dano und John Cusack sind toll. Elisabeth Banks ist mir ein bisschen zu sehr Colgate-Werbung bzw. Fernsehzeitschriften-Covergirl. Was mich bei Love & Mercy wirklich stört: Die Inhaltsangabe bei Wikipedia umfasst 6 Zeilen (das stört mich natürlich nicht) – aber damit ist der Film tatsächlich vollumfänglich nacherzählt. Ist das nicht ein bisschen sehr wenig für einen 2 Stunden-Film? Nähergerückt ist mir das „Mysterium Brian Wilson“ durch den Film nicht. Aber vielleicht ist das ja auch ganz gut so.

            5
            • 6 .5

              Im Dickicht der Handlung ist mir irgendwie meine Urteilskraft abhanden gekommen. Daher gebe ich mal - was ich meist tue, wenn ich mich gut unterhalten fühle, aber die Macken eines Werks zu offensichtlich sind - 6,5 Punkte.

              Vorweg gewarnt seien alle vor diesem Polizeiruf, die , wie ich, ein schlechtes Namens-Gedächtnis haben. Phasenweise donnert hier ein solches Namens-Gewitter auf den Zuschauer ein, dass man leicht den Überblick verliert. Eoin Moore hat das gespürt - und ganz geschickt und gar nicht platt - ein paar "Erklärdialoge" eingebaut. Gleichwohl: Wer in der Lage ist, diese mega-komplexe Handlung fehlerfrei nachzuerzählen (Stichwort: Transferrubelbetrug!) ... der merkt sich auch sonst jeden Scheiß und wäre mir ein bisschen unheimlich.

              Ich fang also erst gar nicht an mit einer Nacherzählung. Emotional am meisten gepackt haben mich die Stories um Groth (schade dass er geht!) und Hübner herum. Wenig dankbare Parts sah das Drehbuch diesmal für die beiden Damen vor. Irgendwie scheint bei 4 Ermittlern das sonst im Polizeiruf ganz intakte Geschlechtergleichgewicht aus den Fugen zu geraten...

              Für den unten von geroellheimer schon zitierten Tschiller-Spruch gibt es noch mal einen Extrapunkt .....

              8
              • 8 .5
                über Martha

                Ob Fassbinder für die „Ehe für alle“ gewesen wäre? Vermutlich eher nein. Doch ehe sich die Konservativen über ihren neuen Bundesgenossen gefreut hätten, wäre er vermutlich schon Teil einer anderen Bewegung: Jener nämlich, die darauf abzielte, das Eheschließen unter Strafe zu stellen.

                Das Auswendig-Lernen eines Lehrbuchs über Staudamm-Statik als Liebesbeweis: Darauf muss man erst mal kommen. In Martha hat sich einiges aufgestaut. Ihre Lebensgeschichte ist – schon vor der Ehe - ein höllisches Gemisch aus Entsagung und fehlender Anerkennung. Nichts in ihr bekommt die Chance zu reifen, abzufließen, ein Gespür dafür zu entwickeln, was gut für sie ist. Sie ist aus der Zeit gefallen – mental trennen sie Kilometer von den ganz nahen Hippies auf der Spanischen Treppe in Rom. Sie ist schon optisch eher in der Welt einer Vivien Leigh oder Jane Wyman zu Haus. Ein erwachsenes Kind – das an einen Sadisten (grandios: Karlheinz Böhm) gerät und sich in ihn verliebt, wenn man denn da von Liebe sprechen will.

                „Martha“ ist – vor allem im Anfangsteil – wahnsinnig plakativ und überzogen. Ein Hybrid aus Melodram, schwarzer Komödie und Psychothriller. Gerne würde man die entsetzliche Geschichte abschieben in das Reich der Vergangenheit, wenn man nicht erahnen/wissen würde: Doch, das gibt es – auch 2015.

                Hinweis am Rand: „Martha“ ist eine Fernsehproduktion – was man ihr überhaupt nicht ansieht. Das ist großes Kino, zufällig finanziert über GEZ-Gebühren. Was Ballhaus hier mit seiner Kamera angestellt hat, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, daher sage ich dazu jetzt mal nix.

                6
                • mattxl 08.08.2015, 15:21 Geändert 08.08.2015, 15:24

                  Bette Midler auf Twitter zu der Republikaner-Debatte letzte Nacht:

                  "Lenny Kravitz's penis slipped out on stage? So what? Wait for the GOP Debate on tonight - there will be 10 dicks on stage!"

                  Großartig!

                  1
                  • 6

                    Ich mag den nicht wirklich. Ich finde die „Warnung“ auf eine unangenehme Art exhibitionistisch (so wie gestern Abend im Sommer-Dschungel der gute Mathieu Carriere – ihr wisst schon….). Nicht, dass ich etwas gegen künstlerischen Exhibitionismus hätte. Und Fassbinder Exhibitionismus vorzuwerfen, ist in etwa so, als wenn man Herrn Range vorwerfen würde, er sei zu sehr Generalbundesanwalt gewesen. Was mich stört, ist das Prahlerische „Was-sind-wir-doch-eine- kaputte-Truppe-gewesen“. Mich stört, wie Irm Hermann hier vorgeführt wird, die sich – anders als Hanna Schygulla - nicht selber spielen, wohl aber synchronisieren darf (wieviel Masochismus gehört dazu???). Mich stören diese unendlichen Wiederholungen von Cuba-Libre-Saufen, Vögeln und hysterischen Ausbrüchen. An dem ein oder anderen Tabu kratzend, mit einer feinen Ballhaus-Kamera ausgestattet und filmhistorisch nicht uninteressant find ich ihn dann OK. Aber mehr nicht.

                    2
                    • mattxl 14.07.2015, 14:11 Geändert 14.07.2015, 14:12

                      Allerliebste MP-Redaktion - kann hier mal bitte jemand eine Geschlechtsumwandlung vornehmen? Die gute Harper Lee - bisher berühmt für ein einziges Buch ("Wer die Nachtigall stört") - ist nämlich ganz und gar nicht männlich... aber das nur am Rande ...

                      Berichten wollte ich nur von dem Schock, unter dem ich gerade stehe:

                      Die Süddeutsche berichtet gerade über Dein zweites Buch, liebe Harper, (was eigentlich Dein erstes war - allerdings vom Verlag nicht angenommen wurde.) Nach vielen Jahren, in denen es in der Versenkung verschwunden war, erscheint es nun den USA (und in den nächsten Tagen dann auf deutsch). Jetzt der Schock: Mein geliebter Atticus-Gregory-Finch-Peck soll da ein Rassist sein????? Ist das ein bitterböser Witz? Machst Du jetzt auf George RR Martin, liebe Harper, und killst gnadenlos unsere Helden - und zwar noch auf eine viel bösere Art und Weise als es Martin tut? Hat die Rezensentin der SZ vielleicht irgendwas nicht verstanden? Fragen über Fragen.

                      Wenn ich meine Schockstarre überwunden habe, werde ich in das Ding wohl mal einen Blick werfen. Und wehe, ich erkenne meinen Atticus-Gregory nicht wieder ...

                      2
                      • mattxl 11.07.2015, 15:24 Geändert 11.07.2015, 15:40

                        Einfach großartig:

                        https://www.youtube.com/watch?v=ktqKNu4N9Ds

                        Hashtag: Stopbeingassholes.

                        2
                        • 3 .5

                          Das elfte Gebot: "Du sollst nicht auf Klappentexte hereinfallen, wenn Du sonst über den Film nichts weißt."

                          Ich bekenne: Ich habe dagegen verstoßen. Verlockt durch " ... ist wie GOTT DES GEMETZELS und IM AUGUST IN OSAGE COUNTY" sowie einen nicht uninteressanten Cast bin ich schwach geworden und habe zugegriffen. Ich liebe Filme über dysfunktionale Familien. Dieser hat mich allerdings ziemlich angeödet. Warum? Es fehlt an Biss, es fehlt an Charme - solche Filme leben von den Dialogen, nicht von mehrfach durch die Haustür lädierten Nasen.

                          8
                          • 1

                            Möglicherweise wird Max Linz es als Kompliment empfinden, wenn ich seinen Film als "schmerzhaft" bepunkte, denn das will er ganz offensichtlch sein: Konsequent setzt er auf Nicht-Konsumierbarkeit. Mut zum Experiment hat er! Die Dialoge - zu weiten Teilen der Edition Suhrkamp - Abteilung Kritische Theorie - entnommen, klingen nicht selten wie ASTA-Debatten 1985. Die Darsteller fungieren eher als Amateur-Rezitatoren denn als Darsteller. Gewiß: Das soll alles so sein. Aber: Verfilmte Theorie bzw. Systemkritik macht noch keinen Film.

                            4
                            • 8 .5

                              Myrtle in der Madonna-Falle. Myrtle: Schon dieser Name. Ich weiß nicht, ob Cassavetes über deutsche Sprachkenntnisse verfügte. Wenn NEiN, kann ich nur sagen: Geniale Intuition, dieser Name! Denn Myrtle klingt in german ganz unzweifelhaft nach Mörtel. Und so fühlt sich Myrtle auch. Dabei ist sie alles andere als das: Sie ist vielmehr eine der schönsten Frauen, die die Bühne/die Leinwand je gesehen hat. Sie ist eine Art Lauren Bacall, eine Marlene, vor allem jedoch: eine Gena Rowlands. Traumhaft schön. Sie säuft zwar wie ein Loch. Aber günstige Gene sorgen dafür, dass der Schnaps – sieht man mal über gelegentliche Ausfallerscheinungen hinweg - ihrer Schönheit nur wenig anhaben kann.

                              Myrtle hasst ihr Alter. Sie hasst es, weil sie weiß: Wer über das Alter spricht, ist vor allem eins, nämlich alt. Zwar gibt es da noch diese Bewunderer, auch junge, doch irgendwie gibt diese Bewunderung nicht mehr das, was sie einst gab. Und dann noch diese Rolle: Diese jammernde Alte in einem furchtbar jammerigen Stück, geschrieben von einer alten Schachtel, die jede Hoffnung hat fahren lassen ... Myrtle kann tun und lassen was sie will: Sie kann als Künstlerin brillieren oder scheitern, Skandale verursachen, zum Weinen oder Lachen bringen, stets wird es heißen: „Sie will ihr Alter nicht wahrhaben“. Oder unvorteilhafter: „Die ist aber alt geworden.“ Sie ist jetzt in dem Alter, wo all ihr Tun nur noch chronologisch bewertet wird. Grausam das alles. Warum da nicht eine Farce draus machen?

                              „Die erste Vorstellung“ ist nicht ganz unanstrengend, aber was Gena Rowlands hier abliefert, ist einfach UMWERFEND – für mich eine der besten Performances EVER.

                              10
                              • 5

                                Hatte für mich leider wenig vom Charme des ersten Teils. Ich musste immer an ein "zweites Klassentreffen" denken, (obwohl es hier ja quasi das erste ist). Das erste: Da war noch Neugier, Sentimentalität, Überraschung, Witz. Beim zweiten. Nun ja, eher eine Art unverstandenes Ritual, bei der die gemeinsame Vergangenheit inzwischen fast vergessen ist, angestrengter und anstrengender small talk um sich greift und buchhalterisch Karrierewege verglichen werden.

                                Teil 2 ist für meinen Geschmack zu fokussiert auf e i n e Person (Xavier, sein Job und seine unendlichen Frauen-Geschichten) , die anderen sind nur noch Beiwerk. Vor allem aber: Die Petersburg-Geschichte, mit der im Titel geködert wird, kommt viel zu spät und wirkt angeklatscht.

                                Teil 1 hatte einen altersunabhängigen Charme: Den MUSS man einfach mögen (nein, MUSS man natürlich nicht). Teil 2 ist klarer auf ein bestimmtes Alterssegment ausgerichtet ("Berufseinfädelphase") und dadurch für meinen Geschmack ein Stück weit zu kalkuliert.

                                4
                                • 6 .5

                                  Neu ist das Thema sicher nicht: Ein Kind, einen Jugendlichen zu brechen, Konformität durch die pure Gewalt einer Institution zu erzwingen - das war Thema bei "King of Devils Island", "Evil", "Die Unbarmherzigen Schwestern", "Coldwater" und und und ...

                                  Qualitativ gibt es da naturgemäß große Unterschiede: "Freistatt" würde ich im Mittelfeld einordnen: Da sind zunächst ein herausragender Louis Hofmann und ein (wieder mal) fantastischer Alexander Held. Hier ein quirliges, stolzes Energiebündel, dort der diabolische Leiter einer "Erziehungseinrichtung", dessen "Pädagogik" ihre Herkunft aus dem Faschismus kaum zu verleugnen vermag (was in den 60zigern nur niemanden so recht auffallen wollte - erst in den letzten Jahren hat hier bekanntermaßen eine historische und auch filmische Aufarbeitung eingesetzt, sieht man einmal von Ulrike Meinhofs "Bambule" 1970 ab). Gefallen hat mir auch - ACHTUNG SPOILER - dass der Film, anders als viele seiner "Verwandten" - nach der "Befreiung" den hohen Preis für die zuvor erzwungene Konformität nicht verschweigt (nämlich lebenslange Schäden, gestörte Impulskontrolle etc.).

                                  Was mir nicht gefallen hat, ist eine Art Über-Ästhetisierung, die vermutlich aus dem Wunsch des Regisseurs resultierte, malerische norddeutsche Torf-Landschaften mit der brutalen Heim-Wirklichkeit zu kontrastieren. (Brummund kommt, wenn ich richtig gelesen habe, aus der Werbung, und das merkt man der Bildgestaltung schon an.) Bei der Darstellung der unfassbaren - historisch verbürgten - "Erziehungsmethoden", die nichts anderes als Foltermethoden darstellen, war mir das Ganze stellenweise zu voyeuristisch. Wie so oft wäre weniger hier mehr gewesen.

                                  7
                                  • Nun war ich auch in der von Mark bereits unten umrissenen - mäßigen - RWF-Ausstellung. Unvorhergesehener Höhepunkt war ein so sicher nicht geplantes Gekeife, das RWF möglicherweise gefallen, vielleicht aber auch deprimiert hätte. Und das kam so:

                                    In einem Raum werden ca. 60 Minuten, motivisch verkettet, Ausschnitte aus RWF-Filmen gezeigt. Ganz gut gemacht. Da die Tonqualität allerdings mäßig ist, herrscht bei den Zuschauern eine andächtige, konzentrierte Stille. Bis - ja bis - die "Führerin" mit ihrer Reisegruppe einherschreitet, Gruppen-Typus: ältliche BilderbürgerInnen mit Kindlers Literaturlexikon unterm Ärmchen und Musical-Ticket im Handtäschchen. Laut plärrt die "Führerin" ihre auswendig gelernten Weisheiten in den Raum ("Fassbinders Frauenbild BlaBla..." "Fassbinder und seine Mutter BlaBla"). Die eben noch andächtig zuhörenden empören sich über die Eindringlinge. "Unverschämtheit". "Halten sie die Fresse". "Raus hier" . Die Reisegruppe keift zurück: "Wir haben schließlich für die Führung bezahlt." So geht das hin und her. Inzwischen ist natürlich gar nichts mehr zu verstehen. Eine besonders empörte Schweizerin geht auf die "Führerin" zu. Gleich könnte es zu Handgreiflichkeiten kommen. Nein, die Schweizerin biegt dann doch noch ab und verlässt den Raum, um schließlich noch eine Beschwerde anzukündigen. Der Tumult geht auch ohne die Schweizer Beiträge weiter. Die "Führerin" hebt immer wieder an mit ihren Trivialitäten, ohne ihre Sätze beenden zu können. Die Reisegruppe verlässt dann nach ca. 10 Minuten den Raum. 10 Minuten, in denen nichts gesehen und noch weniger verstanden wurde.

                                    Ich musste an den Polizeifunk in der "Dritten Generation" als Hintergrundrauschen denken. Und ich habe mich gefragt: Warum geht jemand in eine RWF Ausstellung, wenn er RWF nicht sehen und hören will? Was fällt Kuratoren ein, die es zulassen, dass die, die sehen und hören wollen, so gestört werden? Schon traurig zu sehen, wie das Kino als Medium der Kunst hier plappernden Kommentaren geopfert wird ....

                                    6
                                    • 10

                                      Jetzt wird es für die GOT-Macher ganz eng: Nein, nicht weil George R.R. Martin mit dem Schreiben nicht hinterherkommt. Oder weil gerade mal wieder eine Lieblingsfigur abgemurkst wurde. Nein: Witali is back. Witali Milonow muss man nicht kennen. In Russland ist er allerdings relativ prominent. Er ist sozusagen ein Angehöriger der Nachtwache, ein Hüter des Abendlandes mit problematischem Verhältnis zum Sex. Vor Jahren, in einer sehr langen Nacht, lange vor dem Heldenzeitalter, machte er schon einmal Schlagzeilen, als er Madonna und Lady Gaga wegen „Homo-Propaganda“ verklagte. Allein: Weder die eine noch die andere erschienen zum Gerichtstermin, weil sie gerade mal wieder Fitnessstudios eröffnen oder neue Verkleidungen ausprobieren mussten. Das Ganze verpuffte erfolglos. Nun aber geht es GOT an den Kragen.

                                      Im Rahmen einer aufwändigen, vierjährigen Recherche hat Milonow festgestellt: 10% der Figuren aus GOT verkehren sexuell „abweichlerisch“. Er selber hat dem Bekunden nach keine einzige Folge gesehen. Aber zuverlässige Informanten haben ihm mit hochrotem Kopf berichtet, wie es da zugeht. Leider sind sie vor lauter Handbetrieb mit dem Zählen nicht ganz nachgekommen. Zählt man Ehebruch und außerehelichen Geschlechtsverkehr zum abweichlerischen Sexualverhalten hinzu, landet man nämlich bei 95 %.

                                      Nun ist GOT auch in Russland äußert populär und so versuchte es Milonows Crew in einer Testvorführung zunächst mit dem Zensoren-Balken. Dann sagte aber einer der Teilnehmer: „Hmmm …. sieht nun ein bisschen aus wie das schwarze Quadrat von Malewitsch.“ Milonow: „Was ist denn das?“ „Das war mal Kunst“. „Nein, dann kriegen wir Urheberrechtsprobleme mit den Malewitsch-Erben. Da bleibt nur eins: Verbot.“

                                      Da Milonow den anderen Hütern der Nachwache mit der Zeit gehörig auf die Nerven ging, beschlossen sie, ihn zu Joffrey an den Königshof zu schicken - und von dort kehrte er nie wieder zurück. (Alternatives Ende: „.. beschlossen sie, ihn mit Brienne von Tarth zu vermählen, die ihn zum überzeugten Gender-Ideologen umpolte.“)

                                      5
                                      • 8

                                        Broadchurch ist vom Stoff her sehr gut gemachte klassische Krimi-Kost: Ein totes Kind, um die zehn Verdächtige, zwei ermittelnde Kommissare - und haufenweise rätselhafte Familiengeschichten in dunkler Vergangenheit. Überfüssig zu sagen: In den acht Folgen ist mal dieser und dann wieder jener eher verdächtig. Das Ganze ist wunderschön gefilmt: Wer auf Steilküsten-Landschaften steht, wird hier defintiv bedient. Broadchurch ist mit weniger Bekannten - gleichwohl nicht selten exzellenten Darsteller besetzt.

                                        Wer den ZDF-Zweiteiler "Tod eines Mädchens" kennt, wird verblüfft sein: Die Motiv-Überschneidungen springen geradezu ins Auge - das kann eigentlich kein Zufall sein. Gleichwohl habe ich noch nicht gehört, dass hier irgendwer gegen irgendwen wegen Ideenklau klagt. Andererseits hat auch noch keiner der Drehbuchschreiber deutlich gemacht, dass man auf eine gemeinsame literarsiche Basis zurückgreifen würde. Alles recht erstaunlich.

                                        Aber das muss den Zuschauer ja nicht kümmern: Auch wer "Tod eines Mädchens" kennt, wird hier seine Freude haben, denn trotz aller Motiv-Überschneidungen: Beide Umsetzungen eines verdächtig ähnlichen Stoffs stehen für sich. Broadchurch und Tod eines Mädchens sind keine "Remakes". Da ist ein Stoff offensichtlich vor Jahren in zwei unterschiedliche Hände gefallen - und unterschiedlch weiterverwurstet worden. Ich mochte beide - wobei Broadchruch natürlich aufgrund seiner Länge einiges an Komplexität mehr hat.

                                        4
                                        • 8

                                          Die Grenzen von Zynismus, Sarkasmus, hart erarbeiteter Menschenfeindlichkeit und Depression sind manchmal fließend. Olive Kitteridge ist so eine, bei der man sich stets fragt: ist das nur ein schroffes Naturell, was da die Umwelt wegbeißt – oder eine therapiebedürftige Lebensunlust? Gleich zu Beginn folgt der Zuschauer ihr mit in den Wald. Ein Gewehr in der Hand lässt nichts Gutes erahnen. Doch dann führt uns Regisseurin Lisa Cholodenko erst einmal mehrere Jahrzehnte umfassende Episoden aus der Lebensgeschichte dieser Frau vor Augen.

                                          Schwere Kost – und gewiss nicht jedermanns Sache. Anders als die epd-Rezensentin unten würde ich nicht davon sprechen, das gehöre zu „den witzigsten“ Serien ihrer Art. Auch wenn es manchmal amüsant ist: Wenn etwa bei der Hochzeit des Sohnes eines der Blumenstreu-Kinder sich weigert, nach vorn zu treten, weil in der ersten Reihe die „böse Hexe“ Frances McDormand sitzt.

                                          Man hat sich bei den neueren Serien schon fast dran gewöhnt, es immer mit einer Vielzahl von Hauptfiguren zu tun zu haben. „Olive Kitteridge“ wirkt mit seiner fast totalen Fixierung auf diese eine Frau (großartigst von Frances McDormand gespielt) in gewisser Weise altmodisch. Das Verhältnis zum grundguten Ehemann (Richard Jenkins) und zum Sohn sind naturgemäß wiederkehrende Themen. Alles andere wird fast beiläufig erzählt (Peter Mullan- und Bill Murray-Fans sollten daher nicht zu viel erwarten). Modern ist Olive Kitteridge durch eine verschachtelte Erzählweise, Zeitsprünge nach vorn und hinten – und eine exzellente Optik. Kameramann Frederick Elmes, der so vielen Klassikern ihr markantes Gesicht verpasst hat (Eraserhead, Blue Velvet, Night on Earth, Der Eissturm, Broken Flowers etc.) zeigt auch hier wieder, dass er zu den ganz großen gehört.

                                          9
                                          • 8
                                            mattxl 17.05.2015, 17:00 Geändert 17.05.2015, 17:10
                                            über Mommy

                                            "On ne change pas" - wer hätte gedacht, dass mir Celine Dion mal einen Moment reinster Kinomagie bescheren würde? Seit Tagen geht mir nun schon diese Szene nicht mehr aus dem Kopf. Dieser Moment des Glücklichseins trotz aller Widrigkeiten, Beschränkheiten. Wie Musik und Tanz bei den drei Protagonisten - jeder auf seine Art "behindert" - etwas lösen, Umgang und ein Stück weit Verstehen möglich machen, wo vorher - trotz aller Liebe - nur Kopfschütteln, Aggression und Geschrei möglich war.

                                            Es beginnt anstregend. O je - dieses Bildformat? Hab ich was falsch eingestellt? Nein, das gehört so. Ich hadere schon mit Dolans Manieriertheit, hadere mit Steve, der ganz offensichtlich mehr als gestört ist und schon nach 5 Minuten wahnsinnig nervt ... und dann schaffen es Mutter, Sohn und Nachbarin doch so zu fesseln und zu berühren, dass man ihnen wünscht, On ne change pas möge in der Endlosschleife laufen (na gut, vielleicht dann doch keine so gute Idee).

                                            https://www.youtube.com/watch?v=m-DpYyZ48CU

                                            14
                                            • 3

                                              Der Film genießt ja einen gewissen Kultruhm. Als Wessi will ich den Stab nicht brechen. Vielleicht gibt es einen Ost-Subtext , den ich nicht verstehe. Würde jederzeit zugestehen: Als Zeitdokument durchaus sehenswert.

                                              ABER: in JEDER anderen Hinsicht ist der Film UNSÄGLICH. Steifes Herumgetanze - überwiegend zu Marsch-Rhthmen - die auch im ZDF Sonntagsgarten gern gehört werden - , trifft auf dilletandierende Sänger-Schauspieler-Tänzer, die den Geheimissen von erwachendem Begehren, Promiskuität und Monogamie in der Pubertät nachspüren. Herauskristallisiert sich ein Frauen- und Männerbild, um das man nur beschämt den Mantel des Schweigens hüllen kann. Wirklich unangenehm wird es, wenn es Film bzw. in der Clique mehrfach heißt: ""Wer abhaut, ist kein Kumpel mehr". Spätestens hier hat sich dann in das "apoltische" Musical, das eine Antwort als die WEST SIDE STORY sein sollte (schon das purer Frevel!) für mich enttarnt. Aller Trash in Ehren: Der war wirklch ideenlos. Unterhaltend? In SEHR eingeschränktem Rahmen. Trashig: Ja, nur leider in unangehmerweise.

                                              4
                                              • 7 .5

                                                Zum Schimmelreiter habe ich eine besondere Beziehung, nicht nur, weil ich buchstäblich hinter dem Deich geboren wurde und mir das offensichtlich schon seit Jahrhunderten existierende Milieu, das Storm hier porträtiert, unglaublich vertraut vorkommt. Der Schimmelreiter war auch mein erster richtiger Kinofilm, allerdings nicht diese Verfilmung, sondern die BRD-Variante von Alfred Weidenmann war's. Obwohl das Thema "Deichbau" für einen elfjährigen nun sicherlich nicht das prickelndste war/ist - irgendwie hat mich die Story fasziniert: Hauke Haien, der Außenseiter im Dorf, der an das segensreiche Wirken der Vernunft glaubt und mit dem Aberglauben und der Sturheit der Anderen zu kämpfen hat.

                                                Die BRD-Variante rückte die Liebesgeschichte stärker in den Vordergrund. Die DDR-Variante betont stärker den Kampf der Weltanschauungen, die Liebesgeschichte ist eher Beiwerk: Hier der kühl berechnende Haien, der en passant den Deichbau neuerfindet, dort die geistersehenden Omis und Opis, die im Aberglauben befangenen Knechte, Opfer einer feudalen Herrschaftsstruktur - und Täter zugleich. Klaus Gendries umschifft dabei wunderbar die Klippen typischer DDR-Propaganda und bleibt dicht an Storms Novelle. Auch visuell ist das durchaus beeindruckend, wenn man denn für stimmungsvolle Großaufnahmen und karge Landschaften etwas übrig hat. Ein Wiedersehen gibt es mit einem blutjungen Sylvester Groth und Hansjürgen Hürrig, den viele wohl - deutlich älter - aus "Bella Block" kennen dürften.

                                                3
                                                • 8

                                                  Oberflächlich betrachtet ist DER RABE ein klassischer – wirklich spannender und ausgezeichnet inszenierter - Whodunit: Eine Stadt wird terrorisiert von einem anonymen Briefeschreiber, der Gott und die Welt denunziert, ein Mann wird ermordet, es gibt eine Unzahl von Verdächtigen, einen Ermittler – in diesem Fall ein Arzt mit dunkler Vergangenheit - und eine verblüffende Auflösung. Soweit so normal.

                                                  Alles andere als normal ist allerdings die Vor- und Wirkungsgeschichte von DER RABE: Der Film war eine Produktion der deutschen Continental im von den Deutschen besetzten Frankreich. Regisseur Clouzot hatte den Auftrag zum Film von dem Nazi Alfred Greven bekommen. Dieser wiederum sollte durch Filmproduktionen in Frankreich Devisen für das „Reich“ beschaffen. Also ein verkappter Propaganda-Film? Die Nazis waren allerdings alles andere als begeistert von dem Film – ebenso wie Mitglieder der Resistance, die katholisch Kirche, Kommunisten und und. Nach Kriegsende mündete die Stimmung gegen den Film – der ein Jahr zuvor noch ein Erfolg war - in einem zweijährigen Aufführungsverbot. Regisseur Clouzot drohte ein lebenslanges Drehverbot und manche Darsteller saßen wegen ihrer Mitwirkung an dem Film im Gefängnis. Das alles wegen eines klassischen Whodunits?

                                                  Wohl kaum. Denn hinter dem Krimi kommt ein wenig schmeichelhaftes Menschenbild zu Tage, bei dem sich schlicht sehr viele – von ganz links bis ganz rechts – ertappt gefühlt haben dürfen. Der Film zeigt eine Gesellschaft, in der die Denunziation zum Alltagsgeschäft geworden ist und die „Fieberkurve“, wie es im Film mehrfach heißt, immer weiter nach oben schnellt. „Seit dieser Sturm von Hass und Verleumdung unsere Stadt getroffen hat, wurden alle moralischen Werte korrumpiert“ – ein Satz, der den Nazis kaum gefallen haben dürfte. (Gar nicht gefallen hat ihnen auch, dass der Film mit dem Slogan beworben wurde „Denunziation – die Schande des Jahrhunderts“ – die Kampagne wurde verboten).

                                                  Manche Filme kommen ihrer Gegenwart möglicherweise zu nah als dass sie von ihr gewürdigt werden könnten. DER RABE gehört zu diesen Filmen. (Nicht umsonst hat Tarantino in INGLORIOUS BASTERDS eine kleine Tribute-Szene implantiert.)

                                                  13
                                                  • 6 .5

                                                    Mittelprächtig würde ich sagen. Leidlich amüsant ist es, wie da zwei zu Personen gewordene Weltanschauungen miteinander streiten, wie die eine Weltanschauung die andere an ihre Grenzen führt und wie dann eine Art philosophisches Bäumchen-Wechsel-Dich zelebriert wird. Qualitativ ist das für mich genau zwischen dem furchtbaren "To Rome with Love" und der großartigen "Jasmine" (ich füge das hinzu, weil: die Geschmäcker der Allen-Fans sind ja durchaus unterschiedlich und so kann man mein Statement vielleicht besser einordnen). Sucht man in den Dialogen nach den für Allen typischen Aphorismen, wird man diesmal - erstaunlich bei dem Thema! - nicht sehr viel finden.

                                                    Genervt hat mich nun schon zum wiederholten Male dieser grässliche Gelb-Filter - offensichtlich verbindet Woody damit so etwas wie "märchenhafte Romantik". Allein: In der Provence braucht man nun wirklich nicht diesen Kitsch, damit es romantisch wird ... das erledigt die Provence schon ganz von allein...

                                                    4