mattxl - Kommentare

Alle Kommentare von mattxl

  • mattxl 29.04.2015, 11:06 Geändert 29.04.2015, 11:12

    Sehr schöner Text! ich glaub: Die Uma spart sich auf für KILL BILL 3 - und das wird dann ein RIESEN-Comeback!

    • 5

      Jaja. Das ungelebte Leben. Es ist immer wieder gemein, betrüblich, manchmal auch beglückend, wenn uns ein Werk der Literatur, ein Film, eine Musik etc. mit der Tatsache konfrontiert, dass das eigene Leben vielleicht nicht das mutigste, wahrhaftigste, intensivste oder was auch immer ist. Hier nun darf Jeremy Irons, Lateinlehrer aus Bern, diese Erfahrung machen. Ein zufällig gefundenes Buch haut ihn so um, dass er darüber Alltag und Beruf vergisst, sich schwuppdiwupp in den Nachtzug nach Lissabon setzt, um dort den Wirren von Diktatur und Revolution nachzuspüren. Wie schön, dass es Vertretungslehrer gibt.

      Die literarische Vorlage (die ich nicht kenne), möchte ich Bille August nicht ankreiden. Wohl aber, dass ihm da dramaturgisch so wenig eingefallen ist. Dieses ständige „Da-frag-ich-doch-noch-mal-die“ – Häppchenrückblende – „dann-frag-ich-noch-mal den – Häppchenrückblende„ „und jetzt frag ich noch mal jenen“ - Häppchenrückblende – ist ziemlich öde. Qualitativ ist man von den thematisch verwandten „In ihren Augen“ oder „Die Frau die singt“ sehr weit entfernt. Auch August selbst hat mit „Das Geisterhaus“ gezeigt, dass er es besser kann.

      Die Leistungen der Darsteller zu bewerten fällt schwer. Ich würde wohlwollend sagen: Sie geben ihr Bestes, um dem hölzernen Vorgaben von Buch und Regie Leben einzuhauchen.

      5 Punkte (ein bisschen zu hoch gegriffen), weil: Man kann das gucken. Ich war nicht in der Versuchung abzustellen. Aber am Ende musste ich dann an Blumfeld denken, und dachte: Recht haben sie mit ihrem „Kommst du mit in den Alltag“.

      „Auf einmal hast Du gesagt
      Du verlässt diese Stadt
      das Leben hier
      hat Dich nur noch müde gemacht
      Du warst noch nie da
      wo Deine Träume spielen
      und Du weißt auch gar nicht
      wo das ist
      doch Du weißt:
      hier ist es nicht

      Ist das alles, was das Leben fragt ?
      Ist das alles, was das Leben fragt:
      Kommst Du mit in den Alltag?“

      12
      • 8
        mattxl 27.04.2015, 10:01 Geändert 27.04.2015, 11:26

        Da haben Saalfeld und Keppler ja glatt noch mal TATORT-Geschichte geschrieben. Nicht wegen hoher Quote, Star-Regisseur oder Experiment-Charakter, sondern: Ein Blick in die Statistik-Auswertung des TATORT-Fundus zeigt: Das ist der Tatort mit dem höchsten Varianz-Wert, also der umstrittenste Tatort aller Zeiten. (Hat Tukurs DORF damit abgelöst).

        Ich mochte die beiden, ich mochte das Konzept "Wenn-der-Ex-mit-der Ex": Das erlaubte so wunderbar biestig-pampige Dialoge, die doch von einer großen Vertraut-/Zartheit grundiert waren, und die man sonst so nirgendwo hören konnte. Ich werde die beiden vermissen.

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        • 7 .5
          mattxl 25.04.2015, 12:47 Geändert 25.04.2015, 16:33

          Seltsame Koinzidenzien gibt es: In der 4. - ganz fantastischen Folge - von BLACK MIRROR - darf Domhnall Gleeson - den KI-Mann spielen, dessen "Beziehungsfähigkeit" anhand einer jungen Frau (nämlich "seiner" Witwe) getestet wird - hier nun wechselt er die Seiten: Er darf ganz Mensch sein und soll die Beziehungsfähigkeit einer KI-Frau ertesten. Ich würd mal sagen: Das nenne ich einen Mann der Zukunft! Jetzt muss er sich nur noch als KI-Mann in eine KI-Frau verlieben ...

          Normalerweise habe ich eine Aversion gegen allzu stylische Filme. Aber dieser hat mir gut gefallen, denn dieses Traumhaus bzw. die Traumwohnung (Neid****) wird schon schnell auf eine eigenartige Weise enorm bedrohlich. Von "Horror" würde ich nicht sprechen, aber Garland schafft es wirklich toll, eine ungutes Gefühl zu erzeugen, das den ganzen Film durchhält. Die Dialoge werden nicht allen gefallen, man sollte schon ein bisschen aufgeschlossen sein für philosophy of mind oder dergleichen. (Keine Sorge: EX MACHINA wird aber nie zu Fach-chinesisch).

          Was das etwas umstrittene Ende angeht (Achtung: kleiner Spoiler): Mir hats gefallen, denn da steckt eine ganz böse Pointe drin....

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          • 7

            „Den Schmerz hab ich mir zugefügt, um mich von meiner Angst abzulenken“ (Margot).

            „Angst vor der Angst“ ist ein toller Film, dem ich hier mit 7 Punkten wohl zu wenige gebe. Er würde es aber vermutlich nicht in meine „Fassbinder-Top 10“ schaffen, daher werte ich mal „a la Llambi“.

            Alles bei Margot und Kurt scheint in Ordnung - bis bei Margot eine Angst-Störung auftaucht, die auch dieses frühere In-Ordnung-Sein in Frage stellt. Margot wird buchstäblich sich selbst undeutlich: Immer wieder blickt sie in den Spiegel, ihren Konturen verschwimmen, sie wirkt wie weggebeamt aus ihrer Umwelt, ihrem Zuhause. Was hat sie denn nun? Hysterie? Schizophrenie? Depression? Es beginnt eine Diagnosen- und „Therapien“-Odyssee. Schneller Sex, Valium und Unmengen von Cognac versuchen das Loch zu füllen, das die Angst aufgerissen hat. (Natürlich steckt in Margot sehr viel von RWF selbst).

            Die Darsteller – allen voran Margit Carstensen – sind top. Da man hier bei MP ja immer wieder bei RWF-Filmen mit Blick auf die Darsteller liest „hölzernes Schauspiel“, „amateurhaft“ und dergleichen mehr - von meiner Seite der dezente Hinweis: Das gehört so. Fassbinder-Schauspieler haben nicht die Aufgabe, etwas naturalistisch nachzuahmen, sie verfremden, sie sollen nicht zur Identifikation, sondern zur Auseinandersetzung einladen.

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            • 4

              Ich mag Paul Haggis. Ich mag Episodenfilme. Der Cast macht ja auch durchaus Lust. Und das nach den Besprechungen zu erwartende Rätselraten kann ja ab und an auch motivieren. Da schlägt man dann alle Warnungen – es gab reichlich davon - in den Wind, und hofft zu den „chosen few“ zu gehören, die dann doch das Meisterwerk erkennen, das so viele nicht erkannten. Aber nein: Die drei Geschichten, denen es ja durchaus nicht an Dramatik fehlt, haben mich leider wenig in den Bann gezogen. Sie wirken buchstäblich „ausgedacht“, sie schmecken nach Papier und riechen nach Hotelzimmer.

              Gegen Ende hin beginnt man zu verstehen: Haggis richtet ein schönes Kuddelmuddel an aus Realem und Imaginärem, das künstlerische Produkt als Verarbeitung und Verobjektivierung der eigenen Lebensgeschichte, als Durchspielen von Alternativen. Schönes Thema eigentlich. Und fast möchte man dann den Film noch einmal sehen. Aber da erinnert man sich an den Geschmack von Papier und lässt es dann doch besser bleiben.

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              • 6 .5

                Zwischen den „12 Geschworenen“ (1957) und „Find me Guilty“ (2006) liegen fast 50 Jahre. Sie sind zwar durch den Regisseur und das Grundthema verbunden – sie sind aber nicht nur durch ein halbes Jahrhundert voneinander getrennt. War es damals noch der mutig-zweifelnde Einzelne, dem es gelang, dass dem Recht (oder der Gerechtigkeit) Genüge getan wird, so erscheint hier das gesamte Justiz-System als Farce. Ein behördlich geregeltes Kaspar-Theater, das sich schlicht an seinem Gegenstand (es gibt 20 Angeklagte!) verhoben hat. Man streitet sich zwei Jahre (!) darüber, ob Macchiavelli nun dieses oder jenes gesagt hat und wer versierter ein Zitaten-Lexikon plündern kann. Da plumpsen kranke Angeklagte – ob nun mutwillig oder nicht – aus ihren Krankenbetten und Richter und Ankläger müssen sich verhöhnen lassen, als ob sie die letzten Volltrottel wären. Hier zweifelt niemand mehr mutig - hier ist das Recht/die Justiz nur noch eine Show-Veranstaltung, die notdürftig den Blick verstellt auf die wahren Prozesse – nämlich die im Hintergrund verlaufenden „deals“ (Spoiler: die dann auch noch scheitern).

                Lumet hat für den Film akribisch die Prozess-Protokolle geplündert. Leider hat er dabei zur sehr auf die Eklats als Highlights gesetzt. Der Preis dafür ist, dass der Film zu anekdotisch wird und wenig spannend. Trotzdem: Als etwas resignativ-deprimierendes Alterswerk finde ich Find me Guilty durchaus sehenswert. Und ja, das wurde schon oft bemerkt: Vin Diesel macht seine Sache sehr ordentlich.

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                • 8
                  mattxl 14.04.2015, 10:47 Geändert 14.04.2015, 10:48

                  „Ich will doch nur dass ihr mich liebt“ ist die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte eines jungen Mannes („Peter“), der wegen Totschlags zu 10 Jahren Haft verurteilt wird. Die in Rückblenden erzählte Vorgeschichte des Verbrechens ist wenig spektakulär: Sie dürfte sich vielmehr millionenfach ereignet haben (bzw. ereignen): Ein junger Mann mit ständigen Geldsorgen möchte sich eine Familie aufbauen. Er arbeitet wie ein Wahnsinniger, um mit seiner Familie am „Wohlstand“ teilhaben zu können – und scheitert.

                  Spektakulärer als die Geschichte ist allerdings RWFs Diagnose: Peter wird nicht aus der Bahn geworfen, weil er die Regeln der Gesellschaft nicht beherrscht, sondern: weil er diese Regeln zu gut beherrscht. Er ist ein Ideal von Angepasstheit, ein bisschen naiv, aber irgendwie liebenswürdig. Durch immer neue Geschenke versucht er die Eltern und die Freundin an sich zu binden. Er hat sogar verstanden (quasi ein „Grundgesetz des Kapitalismus“), dass dieses Tauschgeschäft immer auch eines „Überschusses“ bedarf: Das Geschenk ist kein bloßes „Konsumgut“, sondern muss auch etwas Überbordendes, Verrücktes, Unsinniges sein. Überbordend wie die Liebe, die er wohl zu seiner Erika fühlt: Stets muss sie noch durch Präsente wie z.B. eine sündhaft teure Strickmaschine und anderen Quatsch abgesichert werden. Was erhält er zurück?

                  Noch spektakulärer allerdings eine zweite Pointe Fassbinders: Der Totschlag, überdeutlich eine Art „Ersatzhandlung“ an einem Außenstehenden vollzogen, gilt nicht der gefühlskalt-ätzenden Mutter (toll: Erni Mangold), der man nun nicht wirklich eine Träne nachgeweint hätte, sondern dem Vater. Eben der Person, die Peter immer wieder mit hunderten von DM über die Runden geholfen hat. (Wer vermag hier schon zu sagen, wo die Kapitalismuskritik aufhört und die Psychoanalyse beginnt?)

                  Toller Fernsehfilm von RWF, dem ich definitiv mehr Wertungen als die hier verzeichneten 19 wünschen würde ...

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                  • 3 .5
                    mattxl 09.04.2015, 13:07 Geändert 09.04.2015, 13:18

                    Zum dritten Mal präsentiert uns Röhler nun eine Abrechnung mit seinen Eltern. Dass ein Regisseur so "monothematisch" ist, finde ich nicht verwerflich, eher im Gegenteil. Zudem: Alle drei Filme sind grundverschieden: "Die Unberührbare" - für mich ein Meisterwerk - rückte die Mutter, Gisela Elsner, in den Mittelpunkt, und war noch ein vergleichsweise differenzierter, "disziplinierter" Blick auf die gehasste Mutter, die irgendwie doch ihre Qualitäten gehabt haben musste. "Die Quellen des Lebens" mochte ich, weil es hier gelang, das Familiendrama mit einer Kulturgeschichte der BRD zu verweben, amüsant und tragisch, schräg - aber eben auch anrührend.

                    Und nun "Tod den Hippies": Man kann da schon von einer Art entfesseltem Hass sprechen, den Röhler da zelebriert. Der Hass gilt natürlich wieder und vor allem den Eltern, die buchstäblich nur noch druff sind, Karrikaturen ihrer selbst - er gilt aber auch gleich noch allen anderen. Berlin Anfang der achtziger: Drogenumnebelte Wessis auf der Flucht vor Wehr- und Zivildienst, schwule Neonazis, Heerscharen von Pornokabinen-Wixern, Möchtegern-Literaten, die Lebensweisheiten wie "Gott steckt nicht im Arsch der Schwulen" von sich geben, und und und. Seltsamerweise führt dieser entfesselte Hass auf die Umwelt nicht zu mehr Authenzität, sondern zu einer Aneinanderreihung von anekdotischen Klischees, deren Schrillheit schon bald langweilt - und ärgert. Besonders nervig die Attitüde "Mit-Blixa-Bargeld-hab-ich-auch-gesoffen" und dieses "An-Fassbinder-kam-nur-ran-wer-koks-dabei-hatte". Das ist eine Art von Name-Dropping, welches sich mit fremden Federn zu schmücken versucht - ebenso überflüssig wie peinlich. Zumal weder Bargeld noch Fassbinder irgendetwas zum Verstehen der Person Röhler beizutragen haben.

                    Ein interessantes Detail gibt der Film allerdings Preis (ich vermag allerdings nicht zu sagen, ob da was dran ist): Die Elsner soll in einer Talkshow zum einen mal wieder über ihren Sohn Oskar böse abgelästert haben - und zugleich von ihrem "erwählten Sohn" - dem gefeierten Autoren der "Kleinstadtnovelle" (also Ronald M. Schernikau) - geschwärmt haben. Möglicherweise erklärt auch diese gefühlte Rivalität einiges ...

                    Wem nach "Ein Kessel Buntes" in der Underground-Dirty-Version ist, der wird hier möglicherweise gut bedient. Die anderen machen besser einen Bogen darum.

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                    • Francois Ozon im STANDARD über Depardieu:

                      "Die größten Schauspieler sind solche, die ihre weibliche Seite akzeptiert haben. Gerard Depardieu beispielsweise. Er ist sehr feminin. Jetzt ist er freilich eine etwas festere Frau geworden."

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                      • 7 .5

                        Manchmal macht mich MP traurig. Es ist immer das gleiche bei Filmen über die Nazi-Diktatur. Zunächst kreischt irgendjemand von links "Verharmlosung der Gräuel", dann kreischt jemand von rechts "Immer diese Nazi-Geschichten, hört doch endlich auf damit". Beide geben dann in der Regel 0 Punkte. Beide haben in der Regel den Film nicht gesehen. Beide führen in der Regel kein einziges Argument an. Traurig.

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                          mattxl 01.04.2015, 12:34 Geändert 01.04.2015, 12:37

                          Puuuuuuuuuuuuuuh - Die Griechenland-Sendung gestern war der Hammer. DIE ANSTALT hat die alte Frage, was Satire darf, am Ende der Sendung ganz neu beantwortet: Natürlich darf sie alles - sie darf sogar zum Weinen bringen.

                          https://www.youtube.com/watch?feature=share&v=FbRKcwhRKhc&app=desktop

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                            Ein bisschen arg vollgestopft ist dieser Polizeiruf von Graf. Das gilt auch für den Directors Cut auf der DVD, der immerhin 9 Minuten länger dauern darf, als ARD-üblich. Schon schnell wird der Zuschauer in eine hektische Unruhe gestürzt, die sicher nicht jedermanns Geschmack sein wird. (Mit Blick auf die Diskussion von Vega und jp@movies unten: Die wilden Schnitte am Anfang sind auch in der DVD-Fassung nicht anders). Tonschichten werden wie die Ziegel beim Turmbau zu Babel übereinandergestapelt und immer wieder fragt sich das Ohr: Wem soll ich nun eigentlich zuhören? Entgeht mir was, wenn ich mich auf DIESES und nicht auf JENES konzentriere?

                            Anders als in Grafs schrecklichem letzten Tatort ("Aus der Tiefe der Zeit") geht das Konzept hier gerade noch auf: Die überbordende Experimentierfreude nimmt sich ein Stück weit zurück und erinnert sich gerade noch im rechten Moment: "Ach ja, ich bin hier ja bei der ARD." Und das ist in diesem Fall durchaus positiv gemeint.

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                              Aber keinen einzigen MEHR. Was ist nur aus dem guten alten Existentialismus geworden? Wie habe ich es geliebt, dieses heideggernde Geraune bei „Thin Red Line“ und „Tree of Life“. Man hatte förmlich den Eindruck, Heidegger, den Malick ja mal ins Englische übersetzt hat, hätte im Jenseits eine Fortbildung in Sachen Allgemeinverständlichkeit erhalten und wäre zum Drehbuchschreiber umgeschult worden. Das brummte und summte so wunderbar rätselhaft aus dem Off, bleischwere Bedeutsamkeit ergoss sich über großartige Bilder. So MUSSTE es aussehen: Das „Geworfensein“, das „Gestell“, die „Lichtung“.

                              Und nun dies. Das ist nicht mehr Heidegger, das ist BRIGITTE. Schlimmstes Geplapper. Das raunt nicht mehr, das säuselt. Das lädt nicht mehr ein zum Fragen, macht keine Lust mehr auf die Geheimnisse von Sein und Werden, sondern begnügt sich mit dem illustrieren von Banalitäten. Das wimmelt vor Metaphern – der Priester! – deren Schlichtheit in gewisser Weise anrührt, deren Unterkomplexität allerdings auch recht schnell langweilt.

                              Was ist nur aus dem guten alten Existentialismus geworden? Vorläufige These: Er überwintert in der Zigarettenwerbung (inzwischen verboten) und: In der ganz famosen Cate-Blanchett-Armani- Parfüm-Werbung (noch nicht verboten). Si – Ja zum Leben. Das ist es.

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                              • Fütr Winnetou kann es nur eine Lösung geben: Katy Karrenbauer!

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                                  mattxl 20.03.2015, 18:21 Geändert 21.03.2015, 14:43

                                  "Ein Geschenk der Götter" ist ein kleiner "Herzensbrecher" ohne sentimental oder süßlich zu sein. Er führt in die Welt der Jobcenter, der unbezahlten Praktika, der "Weiterbildungsmodule" und der "Maßnahmen". Kurzum: Nicht gerade in ein Biotop, das der Selbstachtung und der Entwicklung von Selbstvertrauen förderlich wäre.

                                  Anna (großartig: Katharina M. Schubert), eine "arbeitslose Schauspielerin, die noch nicht einmal im Tatort mitgespielt hat", wie es so schön im Film heißt, bekommt die Aufgabe, einer Gruppe von Arbeitslosen Schauspielunterricht zu geben. Einstudiert werden soll Antigone. Natürlich sind die Arbeitslosen denkbar unmotiviert - was soll der Quatsch? - und hätten lieber den geplanten Computerkurs gemacht. Und natürlich gelingt es Anna nach und nach den Widerstand gegen die "Maßnahme" aufzubrechen. Ist die Story dann auch erwartbar, so sind es doch die vielen kleinen Details, die mit knappen Strichen skizzierten Geschichten hinter den Personen, die "Ein Geschenk der Götter" so berührend machen. Ganz en passant wird dabei der alte sperrige Text der Antigone zu einem Kommentar der Gegenwart und lässt die Arbeitslosen ihre Stimmen wiederfinden. Dabei wird die Welt des Schauspiels als Gegenpart zur Welt der Jobcenter keineswegs verklärt. Kunst bringt hier keineswegs die "Erlösung" - aber sie bringt ein Stück weit Selbstachtung zurück - und das ist dann doch eine ganze Menge.

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                                  • mattxl 19.03.2015, 09:01 Geändert 19.03.2015, 09:01

                                    "Varoufake" dürfte dann wohl für die Ewigkeit sein.... gaaaaanz groß!

                                    "So sind wir Deutschen halt. In einem Jahrhundert 2x Europa verwüstet, aber wenn man uns den Stinkefinger zeigt, dann flippen wir aus." (Böhmermann)

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                                      über Borgman

                                      Mag sein, dass ich gestern nicht in der für den Film unbedingt notwendigen Rätsellaune war. Der Film tat allerdings auch wenig, um mich umzustimmen und meine Neugier zu wecken. Ich habe buchstäblich die Handlungen keiner einzigen Figur nachvollziehen können. Alles ist hier irgendwie surreal/beknackt ohne surreal/beknackt sein zu wollen. Dabei ist die Handlung keineswegs kompliziert - sondern eher von ergreifender Schlichtheit.

                                      Was will mir das alles sagen? Irgendwie könnte es darum gehen: Wer zu lange in wunderschönen, gut aufgeräumten und tiptop geputzten Wohnungen lebt, will irgendwann Sex mit Obdachlosen. Noch dazu, wenn er künstlerische Neigungen verspürt und eine Tendenz zum Zwanghaften hat. Da ich in keiner wunderschönen, gut aufgeräumten und tiptop geputzten Wohnung lebe, vermag ich zwar nicht aus eigener Anschauung zu sagen, ob da was dran sein könnte. Ich könnte mir aber gut vorstellen. dass es in der Bourgeoisie so ungezügelt lodert. Irgendwo. Ganz tief drinnen. Aber die Geheimnisse des Trieblebens als buntes Treiben einer Obdachlosen-Mafia in Szene zu setzen: also ich weiß nicht... bisschen abgeschmackt oder?

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                                        Zum Wahnsinn der letzten Kriegsmonate gehört ein UFA-Filmprojekt, das ebenso Zeugnis einer nahezu vollständigen Verblendung der Auftraggeber ist, wie es auch eine gewisse Rest-Rationalität beweist, die für eine Theorie der Propaganda nicht uninteressant ist. Der Film heißt „Das Leben geht weiter“. Fast 50 Jahre war er dem kulturellen Gedächtnis entschwunden, bis Hans-Christoph Blumenberg sich 1992 auf die Suche gemacht hat. Produkte seiner Suche sind ein Dokumentarfilm und ein Buch. Der Film selbst ist verschwunden. Erhalten haben sich aber Exposes, Skizzen, Drehbücher, Erinnerungen. Die Grundidee zum Film geht wohl auf Goebbels selbst zurück.

                                        Unzweideutig ein Produkt der Verblendung ist „Das Leben geht weiter“, weil der/die Auftraggeber (und vielleicht auch die Autoren) von der „Wunderwaffen-Hoffnung“ beseelt sind: Mag die Welt auch in Schutt und Asche liegen: Es ist nur noch ein Frage der Zeit, bis deutsche Ingenieure die Wunderwaffen erfunden haben, die die Wende herbeiführen. Hier ist es Gustav Knuth, dem die Rolle des genialen Erfinders zu fällt. Ihm zur Seite steht seine Frau Gundel, patente Hausfrau und S-Bahn-Begleiterin (Hilde Krahl). - Auch die Dimensionen des Projektes sind verrückt: Angesetzt sind 121 Drehtage, Teile Berlins müssen komplett in Babelsberg nachgebaut werden, 1200 Komparsen werden benötigt, geschätzte Kosten 2,4 Mio. RM. Und das alles inmitten einer Apokalypse, deren Ausgang den meisten inzwischen klar gewesen sein dürfte.

                                        Eine Rest-Rationalität muss man den Auftraggebern/Autoren zugestehen, weil sich die Propaganda hier nicht als Historien-Spektakel verkleidet oder als dokumentarische Überhöhung des „Volkswillens“ daherkommt. Man weiß inzwischen: Not und Elend sind nicht mehr zu leugnen. Will Propaganda nun noch wirken, muss sie ihren Ausgang in der Realität nehmen. Hier ist es die Realität einer star-besetzten Zehlendorfer Hausgemeinschaft, eine Art Lindenstraße(Blumenberg) im Bombenhagel.

                                        Interessanterweise hat sich Goebbels für Wolfgang Liebeneiner als Regisseur entschieden und nicht für den Brechstangen-Melodramatiker Veit Harlan. Liebeneiner hatte mit „Ich klage an“, einer Euthanasie-Apologie, seine Linientreue bewiesen. Er bekommt den Auftrag eine Art deutsches „Mrs. Miniver“ abzuliefern. Spekulieren kann man nur, ob Liebeneiner tatsächlich den letzten Propaganda-Film der UFA abliefern wollte, ob er diese Projekt subversiv ummodeln wollte – oder aber ob er die „unendlichen“ Drehtage schlicht genutzt hat, um im Schutz der u.k.-Stellung mit seinen Darstellern bei Lüneburg (dorthin musste man die Dreharbeiten inzwischen verlegen) auf das Kriegsende zu warten. Für alle drei Thesen gibt es Anhaltspunkte.

                                        Interessant ist eine Anekdote vom Dreh, die Blumenberg - leider nur im Buch- berichtet. Zwischen Liebeneiner und seiner Frau und Hauptdarstellerin Hilde Krahl kommt es zum Streit. Sie soll den Satz sagen „Wie schön die Nacht ist.“ Dann, ihr Film-Ehemann Gustav Knuth: „Hm. Hm. Weißt du noch, im Frieden konnte man das gar nicht sehen, von all dem Licht auf der Straße.“ Zu Recht findet Krahl diesen Wortwechsel problematisch, zynisch, eine Verklärung der kriegsbedingten Finsternis. Albern geradezu diese These, der Frieden sei eine Art Sicht-Behinderung. Doch Liebeneiner besteht darauf: Erst in der Finsternis ist der Sternenhimmel in seiner ganzen Pracht sichtbar! Kriegsbedingter Stromausfall kann auch sein Gutes haben! Wieviel Ideologie steckt in solchen Dialogen?

                                        Wo ist „Das Leben geht weiter“ geblieben? Liebeneiner hat Filmrollen im Bardowiker Dom versteckt. Dort ließen sie sich allerdings nicht mehr finden. Haben Soldaten sie mitgehen lassen? Zwei Bardowiker behaupten, sie hätten die Filmrollen als Kinder angezündet. Belegt ist: Die Sowjets haben die Filmrollen noch mal angefordert: Man wollte Szenen des Films in eigenen Wahlwerbungs-Spots nutzen. Ist das passiert? Hat sich auf diese Weise vielleicht Nazi-Propaganda in Sowjet-Propaganda erhalten? Ein solch irres Ende würde der irren Produktionsgeschichte des Films durchaus entsprechen, ist bisher allerdings nicht belegt.

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                                        • 7 .5

                                          "Komm näher" ist nicht nur eine kleine-feine Berlin-Ballade zum Thema "Entstehen und Vergehen von echter und nur imaginierter Nähe", sondern für mich auch der Anlass zu der Frage: Wo sind eigentlich die Nähe-Berechnungen bei MP geblieben? Ich bin ja völlig orientierungslos.... oder ist das jetzt eine Art Chaos-Experiment bei MP nach dem Motto: "Wildfremde Menschen müssen irgendwie herausfinden, ob es mit ihnen passt?"

                                          Ein bisschen so ist es auch in "Komm näher". Wir sehen sieben Protagonisten, alle irgendwie um ein paar Ecken herum miteinander verbandelt, alle irgendwie einsam, alle probieren es mal mit der "Nähe", mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Von den Darstellern hervorheben würde ich Meret Becker, die hier eine nymphomanische Imbiss-Verkäuferin spielt, die sich in einen Polizisten (Hinnerk Schönemann mal wieder - hat eigentlich im deutschen Film/Fernsehen jemand häufiger einen Polizisten spielen müssen?) verguckt sowie Heidrun Bartholomäus und ihre Filmtochter Marie-Luise Schramm, die im Film Mandy heißt und wie so oft gilt auch hier: Nomen est Omen.

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                                          • 8
                                            mattxl 04.03.2015, 09:42 Geändert 04.03.2015, 10:00

                                            „Maps tot he Stars“ würde ich als eine sich ausschleichende Satire bezeichnen. Mir sehr gut gefallen hat, wie der zunächst unbekümmert-amüsant-plappernde Ton nach und nach ins melodramatische übergeht – dabei offen lassend, wie ernstgemeint der Schluss ist. Man steht hier irgendwo zwischen „Sunset Boulevard“ , „Meine liebe Rabenmutter“, Altmans „The Player“ und „Justin Bieber in 3D“.

                                            Hollywood: allgegenwärtiger Inzest. Freudianer werden ihren Spaß an den kontinuierlichen Tabu-Verletzungen haben, die quasi das Gerüst des Films bilden. (Kleinere Spoiler enthalten) Töchter, die als Mutter erscheinen wollen, Mütter, die als Tochter erscheinen, Väter, die drohend ein höchst instabiles Geflecht in Schach zu halten versuchen und Söhne, die, anstelle den von der Psychoanalyse aufgegebenen mentalen Vatermord zu begehen, lieber die Konkurrenz beseitigen: Erwachsenwerden geht anders und in Hollywood vermutlich gar nicht. (Der Bestseller von Psycho-Schwafler Dr. Stafford Weiss (John Cusack) heißt: „GEHEIMNISSE TÖTEN“. Das kann man lesen als: „Werden Geheimnisse verschwiegen, fressen sie Dich auf.“ Man kann es aber auch aktiv lesen: „Bring Dein Geheimnis um, beseitige, banne es.“ „Maps to the Stars“ coloriert beide Überlebens-Strategien.

                                            Wie immer großartig: Julianne Moore. Ich muss gestehen: So böse habe ich sie noch NIE gesehen. Höchstes Lob auch an Mia Wasikowska, deren Zerbrechlichkeit, aber auch Stärke mich wirklich angerührt hat. Evan Bird gebührt ein Ehrenrang in der Liste „Nervigste Filmkinder ever ever ever“ (gut, für die Rolle kann er nix. Ich habe ihn wirklich gehasst – also kann er so schlecht nicht gewesen sein.).

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                                            • über Hund

                                              Der Hund, der Herr Bozzi hieß - mit Peter Ustinov!

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                                              • 3 .5

                                                Richtig schlecht und eine unglaubliche Verschwendung von Stars und Talenten. Positiv zu vermerken allerdings, dass Woody Allen durch Casino Royale zu folgender Einsicht gelang: "I never bothered to see Casino Royale. I knew it would be horrible. The set was a madhouse. I knew then that the only way to make a film is to control it completely." Auch filmische Katastrophen wie diese hier können also ihr Gutes haben.

                                                Eine Anregung: Die mehr als chaotische Entstehungsgeschichte von Casino Royale könnte allerdings wirklich verfilmenswert sein. Mehr Pfauenhafitigkeit, mehr Neurosen und mehr Missgunst dürften kaum je an einem Set versammelt gewesen sein.

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                                                • 5
                                                  mattxl 26.02.2015, 10:07 Geändert 26.02.2015, 12:35

                                                  Gesneaked. Ich versuche mich mal an einer „neutralen Kritik“ und punkte (noch)/ spoiler nicht:

                                                  Ihren Spaß an dem Film werden haben:
                                                  • (natürlich und wenig überraschend) die Freunde des weitestgehend sinnbefreiten Erzählens
                                                  • Britisch-kariert- und Hornbrillen-Fans
                                                  • Japanisches-Kirschblütenfest-Feuerwerks-Gucker.
                                                  • Ältere, die erkennen: „Auch mit 55 kann man noch wie ein junges Reh durch CGI-Kulissen hüpfen!“
                                                  • Jüngere, die, auch wenn RTL täglich das Gegenteil beweist, von der ehrenwerten Hoffnung beflügelt werden: „In jedem Proll steckt auch ein Gentleman.“
                                                  • Knigge-Leser („Manieren machen den Menschen zum Menschen“)
                                                  • Brad-Pitt-Hater, die von der SUN über seine monströsen Vergehen aufgeklärt werden wollen.
                                                  • Menschen, die meinen, O-Ren Ishii sollte sich auch mal in Gotham City austoben dürfen.
                                                  • Waffen-Narren
                                                  • Tranchier-Künstler
                                                  • Paralympics-Gucker bzw. Pistorius-Fans
                                                  • Fans von Offizierin Rosa Klebb bzw. Lotte Lenya
                                                  • Anhänger der Überzeugung: „Für einen guten Satz braucht es nie mehr als drei Worte.“
                                                  • (Post-)Strukturalisten, die wissen: „Der Autor ist tot. Es lebe das dauerhafte Geballer und Geschepper!“
                                                  • Anal-Fixierte.

                                                  Vermutlich weniger Spaß werden haben:
                                                  • Ken-Loach-Fans (Loach sei hier als britisches pars pro toto genannt. Natürlich sollten alle notorisch fixierten Art-House-Huldiger hier nicht mit der Erwartung hineingehen, das Eintrittsgeld wäre sinnvoll investiertes Geld).
                                                  • Politisch-Bewegte, die meinen: „Treibhausgas-Senkung ist das Gebot der Stunde!“
                                                  • Menschen, die ihre Zweifel an einem Konzept haben, das vorsieht: Der Oberbösewicht und Weltenherrscher in spe ist ein lispelnder Basecap-Volltrottel.
                                                  • James-Bond-Puristen.
                                                  • Menschen, deren Mission es ist, den Rest der Menschheit davon zu überzeugen, dass Menschsein eine vielschichtige Angelegenheit ist , dass es „Grautöne“ gibt, und dass es sich bei der Figurenzeichnung um eine anspruchsvolle Tätigkeit handelt, der nicht jeder gewachsen ist.
                                                  • Anal-Blockierte.

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                                                    Typischer Sonntag-Nachmittag-Film, der weder Hirn noch Gemüt übermäßig beansprucht. Wer - wie ich - ein Faible für disfunktionale-Familien-Filme hat, sollte hier unbedingt reinschauen, die Erwartungen allerdings nicht zu noch schrauben: Das reicht weder an "Familienfest und andere Schwierigkeiten" heran, noch an "Im August in Osage County", die deutlich tiefer in Abgründe bzw. schärfer hinter familiäre Fassaden blicken. (Von "Das Fest" wollen wir ganz schweigen, andere Kategorie).

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