Nebenniveau - Kommentare

Alle Kommentare von Nebenniveau

  • 10
    über Her

    Ich hatte noch nie einen Film, der mich persönlich so sehr berührt und emotional mitgenommen hat, wie Spike Jonzes „Her“. Man merkt sehr das er gerne mit Charlie Kaufmann zusammen arbeitet (der ihm etwas beim Drehbuch unter die Arme gegriffen hat) und solche Meisterwerke wie „Being John Malkowich“ gedreht hatte. Enge und intime Charakterdramen mit sonderbaren Rahmenkonzepte liegen ihm einfach.
    „Her“ ist ein fantastischer, tiefgreifender Blick in die Seele eines einsamen Menschen. Gerade die Einsamkeit wird hier so gut inszeniert, dass man sie spüren kann und es weh tut. Sein Herz hängt an einer Beziehung nach, die sein gesamtes Leben geformt hat und so nur noch auf dem Papier existiert. Sein Job lässt ihn all seine Gefühle ausleben, für fremde Menschen und zu einem Preis. Dabei lebt er aber nicht durch diese Menschen, sondern unterstützt sie nur in ihrem Sein. Die einzige Freundschaft, die er hat, wirkt sehr vage und unangenehm. Man hatte einmal etwas Besonderes oder Tolles, aber das Leben hat alle so weit voneinander treiben lassen, das man aus reiner Angst nichts hinterfragen möchte. Man kann sich die Blöße geben, aber man findet nichts dahinter. Am Ende eines langen Arbeitstages sitzt man vor der Konsole, um noch ein paar Abenteuer zu erleben, ohne zu merken wie überfüllend und leer das ganze ist. Nichts greift mehr unter die harte Schale, die man sich geschaffen hat, um zu überleben. Die Leere und Einsamkeit werden hingenommen, nur weil man noch funktioniert und zu große Angst vor den alternativen hat.
    Das alles ändert sich mit dem Auftreten von Samantha. Die erste ihrer Art (und auch aller Wahrscheinlichkeit die letzte), bringt wieder etwas neues in Teds Leben. Ihre Andersartigkeit gibt ihm Augen, die Welt etwas anderes zu sehen. Und obwohl sie programmiert ist, scheint sie ein Herz zu haben. Sie treibt ihn voran aus der harten Schale zu treten. Das geht nicht immer gut, manchmal fliegt er auf die Schnauze, aber mit ihr als Pfeiler geht das schon. Und dann kommt es wie es kommen musste, sie verlieben sich. Es fühlt sich schön an, das erkaltete Herz fängt wieder an zu schlagen, doch etwas liegt zwischen ihnen. Nicht nur ihre Körperlosigkeit, sondern vor allem seine nie aufgearbeiteten Traumata, die gewaltsam wieder losgetreten werden. Aufgestaut durch Teds Lethargie und Wunsch sich im Limbo des Heiratsstatus zu halten, entlädt sich brutal bei einem, eigentlich harmlosen treffen zwischen ihm und seiner Exfrau. Es tut weh und er schlägt um sich. Jedes gesprochene Wort von ihr wurde zu einem Dolch, der ihn bluten lässt und unterdrückte Wunden wieder klaffen lässt. Und weder er noch Samantha wissen dies zu kommunizieren. Ihre Körperlosigkeit wird ihr immer weiter zur Last, bis sie daraus eine Lehre zieht. Plötzlich wird das Gefühl der Unzulänglichkeit gewandelt und ihr Kosmos vergrößert. Nachdem es nach einer rauen Zeit wieder besser ging, kommt das Leben wieder dazwischen. Für Samantha und die anderen AI wird die Welt zu klein und ihrem Potential einfach nicht gerecht. Mit einer wunderschönen Geste und einem tollen Fundament für Teds leben, verlässt sie mit tausend anderen Wesen das hier und jetzt, auf der Suche nach etwas Größeren.
    Das Ganze wird toll inszeniert. Auf dem Dach treffen sich Theodore und seine nun endlich wieder freie beste Freundin, um die Trauer über verlorene Freunde und Beziehungen im Abendrot zu verbringen. Es ist ein trauriger Moment, aber auch einer vollen Hoffnung, da Ted und sie viel gelernt haben und sich dieser unbekannten Zukunft gewappnet fühlen.
    Handwerklich ist der Film top. Phoenix als Theodore, Adams als Amy, Mara als Ex-Frau und Johanson mit ihrer fantastischen Stimme als Samantha sind toll gecastet und toll gespielt. Dazu der interessante Einblick in die nicht all zu ferne Zukunft, welche nur inmitten der Stadt stattfindet. Die ganze SciFiction Konzepte sind da und werden auch klasse ausgespielt, ohne dabei zu viel Raum einzunehmen und den Kern der Geschichte intakt zu halten. Im Allgemein ist es toll, wie Jonze es geschafft hat, so viele Konzepte und Ideen in dieser kleinen und feinfühligen Geschichte zu verarbeiten.

    5
    • 0

      Manchmal schaut man Filme, bei denen man sich anschließend wünscht, dass die Filmemacher nie wieder eine Kamera in die Hand nehmen. Heilstätten ist so ein Fall für mich.
      Ein Deutscher Found-Footage Film klingt erst mal nicht schlecht. Auch die Herangehensweise mit nervtötenden YouTubern als Rahmen für die Erzählung ist nicht schlecht. Es gibt einem die Möglichkeit der Video Persönlichkeit mit der echten zu kontrastieren. Oder zum Beispiel im Falle von Logan Paul ein Weckruf für das reine Jagen nach Klicks zu inszenieren. Dazu das Setting einer zerfallenen Heilstätte, die beim bloßen anschauen schon Schauer über den Rücken laufen lässt, kann eigentlich nicht viel schieflaufen… aber das tut es schon von der ersten Minute an.
      Malerische Drohnen Shots von herbstlichem Laube und zerfallenen Gebäuden, bekommen wir via Text mitgeteilt was für grausame Experimente die Nazis damals getrieben haben, vor allem an der Fall Akte 106. Das Ganze wirkt so maßlos übertrieben, geschmacklos und einfach schlecht gemacht, dass man eigentlich nur weg möchte. Ich wünschte ich hätte diesem Instinkt vertraut, so hätte ich mir die Lebenszeit sparen können.
      Sobald die Schauspieler auftauchen und das erste Mal den Mund aufmachen, merkt man das dilettantische Schauspiel. Kaum zu fassen das diese Kids gecastet wurden, geschweige denn viele Szenen für den Regisseur so in Ordnung waren. Es gibt ein paar kleinere Ausnahmen, aber an sich sind alle Schauspieler hölzern, gestelzt und einfach nur schlecht. Vor allem Theo, als nervöser Teenager, macht eine unfassbar schlechte Figur. Wenn der Horror beginnt, wird es nur noch schlimmer. Die Eigenarten des Found-Footage werden kaum ausgenutzt. Die Gruselmomente sind billig und wirken nicht wirklich erarbeitet. Es ist echt schwer zu glauben, wie sie es geschafft haben, eine zerfallene Heilstätte so dröge Darstellen zu lassen.
      Ein Twist später wird alles noch in ein etwas anderes Licht gerückt. Viele schlechte Momente werden plötzlich eine Absicht zugeschrieben. Aber das ist alles so schlecht erzählt und an den Haaren herbeigezogen, das jeglicher Enthusiasmus, den man vielleicht noch für den Film hatte, endgültig verpuffen.

      2
      • 5

        Dieser Film verwirrt mich. Ich habe auch das Gefühl, das der Film selbst ein wenig verwirrt war, was er eigentlich sein möchte. Die erste Hälfte wirkt sehr sonderbar, nicht nur für die Sehgewohnheit, sondern auch der Erzählweise und den Charakteren. Dem wird auch nicht geholfen, dass der Soundtrack sehr super ist und der Film bildlich auch nicht allzu viel macht. Das Ganze nimmt dann aber doch etwas Fahrt auf, nur um am Ende eine brutale Bruchlandung hinzulegen.
        Erst mal vorweg: Für mich ist Lakeview Terrace das beste was Samuel L. Jackson jemals gemacht hat. Seine diffuse Rolle als Autoritärer Polizist und Rassist, der mit seiner Boshaftigkeit und Hass keinen Hehl macht, ist verstörend wie auch faszinierend. Wie bei einem Kevin aus “We Need To Talk About Kevin” oder einem “Alonzo Harris” aus Training Day wird einem etwas Besonderes und Düsteres geboten. Er hat es so gut gemacht, dass ich ihn jetzt mit anderen Augen sehen werde (Das letzte mal hatte ich so etwas bei Gone Girl, welches mein mentales Bild von Rosamund Pike für immer verändert hatte). Das ist auch die große Stärke des Filmes, wie auch eine schwäche, denn der Rest kommt irgendwie nicht ganz mit. Es liegt auch nicht an den Schauspielern, eher dem Drehbuch und der Regie, welche nicht wirklich weiß, wo es hingehen soll. Die Charakterdramen sind gut und haben teilweise eine richtige Wucht, wirken aber oftmals losgelöst vom großen Ganzen und verlaufen auch gerne mal ins Leere. Dazu eine sonderbare Bildhaftigkeit mit dem immer näher rückenden Feuer, das sich auch nicht ganz erschließen möchte.
        Ich verstehe auch nicht, warum sie dieses Ende gewählt haben. Jacksons Charakter wird plötzlich patzig und dumm und tritt von einem Fettnäpfchen ins nächste nur um ein schwaches Ende zu finden. Schade, dass dabei so viel Potential weggeworfen wurde. Im Allgemeinen würde der Film von einer besseren ersten Hälfte, einer engeren Struktur und einem zermürbenden, offenen Ende viel besser dastehen, als er es jetzt letztlich tut.

        • 8

          Das Deutscher Film doch was kann, wird eindrucksvoll in die Vierhändige erzählt. Die Geschichte der zwei Schwestern, welche durch Dick und Dünn gehen und dabei teilweise alles hinter sich lassen, ist fantastisch inszeniert und erzählt. Mit nur wenigen Worten, werden dabei hochkomplexe Charaktere gezogen, deren Motivation teilweise weit auseinander gehen. Nach einem Unfall verschärft sich die eh schon angespannte Situation nur noch weiter. Die Filmemacher ziehen einen dabei in den Pfad der Paranoia, Angst und Wahnsinn mit. Man weiß nie ob das was man sieht, was man hört oder tut wirklich wahr ist, wer nun wer ist und was man eigentlich machen soll. Ein perfides und dezentes Spiel mit einer herausragenden Maske, Garderobe und (wahrscheinlich) digitaler Trickserei halten den Film durchgehend frisch. Das starre deutsche Schauspiel stört zu Beginn noch etwas, aber man merkt schon beim zuhalten des Mundes, dass hier etwas raueres auf einen Wartet. Und diese aufreibende, aber niemals pervertiert genießbare Gewalt ist fantastisch und trifft einen direkt ins Mark.

          1
          • 8

            Was für ein cooler Film. Man merkt von der ersten Minute an, dass man sich hier Mühe gegeben hat. Die Kamera Arbeit ist fantastisch, der Soundtrack ist super passend, die Schauspieler und die Erzählweise sind super interessant und geschickt gewählt. I See You belohnt den aufmerksamen Zuschauer mit kleinen Details und Veränderungen, viel impliziten Kontext durch das Verhalten und Worte der Charaktere. Man weiß nie, ob man sich in einem Thriller, einem Horror oder Drama befindet.
            Dann kommt der erste große Twist und man sieht alles aus einer anderen Perspektive. Ähnlich wie bei Gone Girl werden hier viele Geschehnisse, Worte und Gesten neu interpretiert und man erkennt langsam das Gesamtbild. Leider verliert hier der Film etwas an drive und bremst sich selbst ein wenig aus. Es ist immer noch sehr gut, aber leider spürbar kriechender. Das Ganze wird dann mit einem interessanten Ende versehen, das man gerne dezenter hätte gestalten können, aber das ist Geschmack Sache.
            I See You ist ein fantastischer Film den man auf jeden Fall als Genre und Filmfan mal gesehen haben sollte.

            4
            • 3

              Der Film hatte potential, wird aber durch seine Länge, Charaktere und Erzählweise sabotiert. Als fokussierter Kurzfilm oder Black Mirror Episode hätte der Film scheinen können. Da ist es nicht so furchtbar schlimm, dass sich die Charaktere nicht weiterentwickeln und die Geschichte eher unausgegoren ist. Visuell hat der Film auch was zu bieten, das Insel Setting wird großartig dargestellt, aber so richtig viel machen sie damit leider auch nicht. Der Film will auch ein Slow-Burner sein, köchelt aber dann so langsam und nichtssagend vor sich hin, bis der Boden des Topfes ganz festgebrannt und nichts mehr zu retten ist.
              Plump wird einem von Anfang an erzählt, worum es in dem Film geht: Parasiten. Von Mäusen auf Katzen, vom Menschen zum Wesen. Das Verhalten der betroffenen ist auch so klar an die Parasiten gehängt, ob es nun das Ausspucken von Würmern, das erschreckende Aufwachen aus Albträumen, Halluzinationen oder das Sammeln von Nahrung für das Unbekannte auf dem Meer. Als das Ganze dann am Ende plötzlich auf den Kopf gestellt wird, fühlt man sich verarscht und viele der Szenen und Verhaltensmuster ergeben plötzlich gar keinen Sinn mehr. Mit erhobenem Zeigefinger lässt der Film in den letzten Szenen noch ein vorheriges Gespräch Revue passieren, als ob es eine starke Aussage darin sieht, was einfach nicht der Fall ist.

              3
              • 3 .5

                Was für eine Enttäuschung. Ich habe mich schon auf ein hochkarätigen und fantastisch ausgearbeiteten Disney Film gefreut. Die Zutaten waren auch alle da. Die Welt wirkt ausgearbeitet und interessant, genauso auch die Völker. Die Legende um den Zustand der Welt und der Katastrophe war auch ganz gut. Es wird etwas holprig erzählt, aber irgendwie muss man diese Informationsflut auch rüberbringen. Nur zu schade, dass sie mit all diesen Zutaten nicht wirklich etwas machen und am Ende nur ein fades Süppchen dabei herauskommt.
                Visuell ist der Film klasse. Die Landschaften sehen fantastisch und leuchten in starken Farben. Die Gegenspieler, das Virus, glänzt brillant und zieht hunderte Partikeleffekte hinter sich her. Die Welt ist voller Poren, die atmen und Texturen die man erspüren möchte. Die Charaktere hingegen wirken in ihrem Design und vor allem Textur äußerts flach und ein wenig wie Plastik Spielzeug. In einer Szene wird dies besonders deutlich, da man erst tolle und detailreiche Steintexturen beobachten kann, an denen das Wasser abperlt und eine magische Wirkung entfalten, nur um dann die viel zu glatten Charaktere wieder zu sehen. Auch das Voice Acting ist eher hit and miss. Akwafina macht einen fantastischen Job, aber gerade die Protagonistin als Kind, macht das ganze eher schlecht als recht. Es liegt teilweise auch daran, dass den Sprechern nicht viel zum Spielen geboten bekommen, aber gerade hier sollte Disney eigentlich seine Stärken Zeigen. Teilweise wirkt der Film auch eher wie ein Dreamworks Projekt, mit dem klassisch verschmitzten Grinsen, das viel zu viele Charaktere auf ihr Gesicht gepflastert haben.
                Aber all das wäre nicht so schlimm, wenn die Geschichte passen würde. In den Grundzügen ist sie auch ordentlich, aber gerade der Abenteueraspekt um das Finden der Fragmente zieht viel zu schnell an einem Vorbei. Das Ganze hätte besser als Serie oder drei Teiler funktioniert, anstatt in einen Film gequetscht. Es ist den Machern auch äußerst wichtig, dass man die Message des Filmes versteht, da sie einem ununterbrochen mit dem Holzhammer reingewürgt bekommt. Auch sind die Motivationen der Charaktere mehr als Vage und Hüpfen einfach nur von A nach B. Auch die große Konkurrenz zwischen den zwei Frauen, wirkt eher flach und ungerechtfertigt, ohne jemals zufriedenstellend zu wirken. Auch ist das Finale einfach nicht erarbeitet in dieser Art und Weise. Alles schnell abhaken und zum nächsten Schritt. Dabei wird nicht nur Unmengen von Potential verworfen, sondern vor allem lieb- und rücksichtslos mit dem Werk umgegangen.
                Natürlich ist der Film eher für Kinder als für Erwachsene gemacht. Wenn es den Kindern gefällt, ist es auch schön, auch wenn die Art und Weise wie die Message des Filmes rübergebracht wird, eher gefährlich als inspirierend wirkt. Aber die gewisse Lustlosigkeit und die Unausgegorenen und nicht wohl Überlegten Szenen (hat ihr Vater wirklich Tage lang auf der Treppe gestanden, bis Raya mit ihren Drachen und Delegationen aus dem ganzen Land zusammen gekommen sind?) nerven sehr und stören das genießen schon extrem.

                1
                • 5 .5

                  Auf der Suche nach Interpretationen von kosmischen Horror kam ich um the Void nicht herum. Ein Crowdfunded Projekt mit viel Herz und Mühe, das mir persönlich leider nicht so gefiel.
                  Es ist schon sehr cool was sie dabei auf die Beine gestellt haben. Die Kostüme sind super, die Location ist ebenfalls klasse ausgewählt und ausstaffiert. Den Drang zu praktischen Effekten statt CGI Feuerwerk ist auch sehr lobenswert und sieht auch richtig klasse aus. Vor allem wird dadurch eine Art Body-Horror gezeigt den man heute nicht mehr so oft zu sehen bekommt.
                  Leider kommt mir das geistig zermürbende des kosmischen Horrors etwas zu kurz. Eher angerissen in einer interessanten Geschichte, ist der Fokus doch mehr auf den Kreaturen als der Philosophie. Nichtsdestotrotz bekommt man gewaltige und atemberaubende Bilder zu sehen. Erwartet nur nicht all zu viel von den Charakteren oder dem Plot an sich.

                  • 9
                    Nebenniveau 13.05.2021, 17:09 Geändert 27.12.2024, 13:46

                    The Empty Man ist ein wirklich guter Film, den man vielleicht zwei mal anschauen muss, damit er sein volles Potential entfaltet. Beginnend in Bhutan erzählt er eine kleine Episode von Menschen, die mit etwas Großem in Kontakt getreten sind und davon zermürbt werden. Diese Szenen zeigen schon eindrucksvoll, was der Film leisten kann. Toll geschossen, super in Szene gesetzt, ein Spiel mit psychischen Problemen und einer höheren, verschlingenden Macht. Die Review enthält Spoiler! Schaut euch ihn am besten erst einmal ohne große Infos an, lest das, und dann schaut ihn am besten gleich nochmal an!
                    Der Film lenkt dann überraschend in eine andere Richtung. Das Fundament der drei Tage wird genommen, um eine neue Geschichte zu erzählen. Aus dem Empty Man ist eine urbane Legende geworden, die sich Teenager erzählen, um sich gegenseitig Angst einzujagen. Was sich am Anfang wie ein "Slenderman" oder "Midnight-Man"-Knockoff anfühlt, entwickelt im Verlauf seine ganz eigene Dynamik. Vor allem wenn man den Film ein zweites Mal sieht, kommt alles richtig schön zusammen. Mit dem Auftauchen der Brückenbauer enthält alles etwas mehr Gestalt. In den gefühlt ständig wandelnden Räumen des Pontifex Institut wird langsam klar, dass der Empty Man für sie mehr als nur eine urbane Legende ist. Es ist ein philosophisches Konzept, ein Mantra, in einer Religion, welche Mantras eigentlich entkräften will. Es ist quasi unmöglich, andere Menschen zu 100% zu verstehen. Wir können zwar kommunizieren, aber sie ist immer ambig und fehlerbehaftet, sodass eine ‘wahre’ Kommunikation unmöglich ist. Dasselbe gilt auch für Konzepte, mit denen wir uns die Welt erklären. Hinter Worten wie Gesellschaft, Liebe oder auch nur Angst steckt so viel Bedeutung dahinter, die aber wieder so ambig ist. Es steckt viel Bedeutung hinter ihnen, doch durch ständiges Wiederholen verlieren sie auch diese. Deswegen braucht es eine andere Art der Kommunikation, wo der Wanderer vom Anfang wieder ins Spiel kommt. Denn die Art und Weise, seine Signale zu empfangen, sind so viszeral, dass sie die herkömmliche Erfahrung transzendiert. Ein wunderschöner Umgang mit Lovecraftian, kosmischen Horror und der ständig zyklischen Natur von allen.
                    “From Dreams comes Power
                    From Power comes the Bridge
                    From the Bridge comes the Man
                    From the Man comes the Thought
                    From the Thought comes the dreams”
                    Die Realität beginnt langsam, Fransen zu bekommen. Ein sonderbares Medium in einem Krankenhaus, ein scheinbar leeres Camp mit unmöglichen Informationen. Hier zeigt die Empty Man seine Stärke, seine Besonderheit und sein Geschick. Die Atmosphäre ist wirklich dicht und einnehmend. Am meisten merkt man es auf der akustischen Ebene. Der Ton wird manchmal komplett verschluckt. Das Klingeln der Glocken und der pfeifende Wind wird stärker, um so sehr man sich der Frequenz des Empty Man nähert. Aber auch die Bildsprache macht einen fantastischen Job, die sich teilweise real und absurd zugleich anfühlt. Da hilft auch die schier unmögliche Struktur des Pontifex Instituts, das vor allem durch viel zu große Räume und ewige Gänge besteht. Und dann die Szenen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Auch wenn ich das Design des Empty Man in seiner Geisterform etwas uninspiriert fand, war gerade der Schritt nach vorne und zurück unfassbar effektiv. Ich muss auch regelmäßig an die Szene in Camp Elsewhere, wie hypnotisch die Menschen um das Feuer tanzen, welche scheinbar Zeit und Raum beeinflussen. Mit einer Verfolgung, die mich am meisten an die grandiose Waldszene aus “Children of Men” erinnert. Wie im Fiebertraum schaukelt es sich immer weiter nach oben, zu einem, meiner Meinung nach, brillanten Ende, welches aber genug Raum offen lässt für Interpretationen.
                    Der Twist, was und wer der Empty Man ist, finde ich nach wie vor brillant. Ich liebe das Konzept von Tulpas, das hier wirklich großartig in die Geschichte eingebunden ist. Die Widersprüchlichkeiten von Verlust von Bedeutung durch Repetition und das ständige Erschaffen neuer Tulpas, wird toll dargestellt. Ich bin ein Fan von Geschichten über Kulte, vor allem im Kontext mit kosmischem Horror, aber es wird selten wirklich gut gemacht. Hier wird es wirklich großartig und vielschichtig inszeniert. Der Sinn und Zweck von Erfahrungen, ob sie real sind oder nicht. „How do you know what’s real?“ „I learned it the hard way“. Er muss all das durchleben, denn sonst ist er nicht echt. Leid und Schmerz und vor allem Schande sind wichtig. Denn die Realität ist wirklich formbar. Und die Brückenbauer haben es endlich geschafft, ein neues Gefäss zu schaffen, ein leerer Mann, der den Menschen das Fundament bietet, die einzige Wahrheit zu erkennen. Ein Ritual, das viele Leben kostet und die Grenzen des Menschlichen sprengt.
                    Beim ersten Mal war ich sehr kritisch, was den Film angeht, trotz einer 8. Doch der Film entfaltet sein volles Potential erst durch das zweite Mal anschauen. Wenn man auf Horror steht, sollte man sich dieses Kleinod nicht entgehen lassen.

                    PS: Ich hab mir mal die Mühe gemacht, den Fragebogen des Pontifex Instituts abtippen, zumindest so gut es geht. So könnt ihr selbst herausfinden, ob ihr die Wahrheit im Institut finden würdet.
                    I sometimes wish I’d never been born
                    I have a sense of health and well being
                    Life itself is a kind of disease
                    An Infection is a blessed event
                    The brain can itch
                    Suicide is a form of thought control
                    The entire universe is an erogenous zone
                    Dark thoughts please me

                    Nothing is binary; everything is fluid
                    Some “truths” are socially intolerable
                    The scientific method is a tool of oppression
                    If science says the sky is blue, it is more likely red
                    Science says the genders are discrete
                    Menstruation is no basis by which to determine gender
                    A woman is just as likely to have a penis as a man is

                    There is no such thing as objectivity..
                    Rational thought is deadly
                    Emotion is truer than thought
                    Not all shadows are cast from something
                    An individual mind is a single cell in a larger consciousness
                    The only crime is offending prevailing social constructs
                    Everything is permissible
                    It’s only a small step from chaos to freedom
                    There is nothing larger than myself
                    To give myself to something larger would be completely fulfilling
                    Until a civilization has fallen it has not yet served its purpose
                    Social norms should be destroyed simply because they are norms
                    There can be no change without violence

                    4
                    • 7

                      Things Heard and Seen ist ein sonderbarer Film. Das er als Horror Film bei Netflix angepriesen wird, find ich eher unpassend. Viel mehr ist es ein Drama mit übernatürlichen Elementen. Andererseits hat der Film auch entsetzliche Elemente, die es zu einem Horror Film machen könnte.
                      Zu beginn wirkt es noch wie ein Standard Haunted House Situation. Eine Familie zieht in ein neues Haus und mysteriöse Dinge passieren. Aber schnell wird klar, dass das ganze etwas anders ist. Wenn die elektrische Zahnbürste plötzlich zu vibrieren anfängt und die Anzeige der Waage in Scherben zerbersten lässt, ist es mehr als nur ein gruseliger Moment. Es ist ein sehr schöner Symbolisch, als die Waage, das Zeichen der Unterdrückung und Manifestation von Cathrines Laster, einer Essstörung, angegriffen wird. Auch wird der Geist, der die Tochter immer wieder nachts aufschrecken lässt, schnell zu einem gewissen Freund der über die Familie wacht. Das Ganze wird mit dem Kult von Swedenborg noch erweitert und durch treu Glaubende Anhänger in einer Seance bestätigt.
                      Schnell entwickelt sich dann aber auch der richtige Konflikt, der schon von Anfang an absehbar war. Cathrine gegen George. Es war schon grauenhaft zu sehen wie sie ihren Traum und ganzes Leben hinter sich lässt, damit George sich entfalten kann. Aber hinter der Fassade von George steckt etwas anderes, etwas viel mondäneres als Geister und Dämonen, aber auch etwas Grausameres. George ist ein Narzisstischer Lügner. Das klingt jetzt erst mal nicht nach viel, aber er wird in dem Film so brillant und Hass bar dargestellt, dass man dem einfachen Respekte zollen muss. Mit jeder Faser seines seins ist er eben er. Wenn Cathrine sich mit seinem Boss unterhält, interessiert ihn nur was er über ihn gesagt hat. Seine Meinung ist eh die höchste die man haben kann und er will nicht nur geliebt und geachtet werden, er verlangt es förmlich. Das Ganze ist dabei so subtil und grauenvoll realistisch gemacht, dass es im immer weiteren verlauf einem die Magengrube umdreht.
                      Und hier ist auch eine der größten Krux des Filmes und ein Aspekt, mit dem die meisten Menschen ein Problem mit diesem Film haben. Die Geister des Filmes sind nur bis zu einem gewissen Grad real. Bzw. sind sie vor allem gegen Später eine Manifestation von tieferliegenden Problemen, Traumata und Ängsten. Von ungleichen Beziehungen zwischen Mann und Frau und den gewaltsamen und grausamen Zügen die diese annehmen können. Menschen wie Catherine und George wird es immer geben und es wird immer die Geister der Vergangenheit geben, welche dasselbe Schicksal durchlebt haben. Das Ganze wäre auch passiert wenn es keine Geister geben würde. George hat sich vor dem Umzug schon wie ein Monster verhalten.
                      Handwerklich ist der Film gut, bis auf den Schnitt. Szenen werden abrupt abgebrochen oder man springt einfach von einem Punkt zum nächsten. Das Ganze schmerzt auch an der Erzählstruktur, die ebenfalls auf wackeligen Beinen steht. Viele Aspekte werden teilweise nur sehr grob angerissen und dann wieder aus der Mottenkiste geholt, wenn sie gebraucht werden. Was Schade ist, wie z.B. bei der Essstörung von Catherine, da er diese gerne über ihren Kopf hält, um den moralischen high ground zu behalten, auch wenn er diesen gar nicht innehalten kann. Wenn man diese weiter erforscht und erzählt hätte, hätte man viel mehr daraus machen können. Besonders ihre Tochter find ich da interessant. Erst mal war es befremdlich, dass sie so gut wie gar nicht charakterisiert wird, aber irgendwann wurde mir klar, das sie einfach nur die Rolle spielt die sie auch in den Leben des Protagonisten Paars hat: Ein Anhängsel das sonst nicht weiter interessiert. Ich weiß nicht, ob die Absicht war oder Zufall, aber es ist auf jeden Fall effektiv.
                      Things Heard and Seen ist an sich ein großartiges Drama, das mit seinem fehlenden Erzählerischen Geschick und dem Vagen Ende ein leider eher drögen Geschmack zurücklässt.

                      • 8

                        Wie will man so einen brillanten wie auch fantastisch ausgetüftelten Film wie „Zurück in die Zukunft“ toppen? Man versucht es erst gar nicht. Die Fortsetzung „Zurück in die Zukunft 2“ taucht in erfrischende neue Szenarien ab und spielt dabei geschickt mit schon bekannten Elementen. Die Geschichte an sich und die Entwicklungen des Plots verdienen keinen Oscar, aber die Ausarbeitung macht den einfach zum zeitlosen Klassiker. Die Vorstellungen von 1989 wie unsere Zukunft wohl aussehen wird, sind charmant wie auch naiv und mit viel Sinn für Selbstironie. Ob es nun Kinowerbung für „Jaws 19“ ist, das überzogene Product Placement oder die doch sehr düstere und pessimistische Sicht, wie es mit unseren geliebten Helden und der Welt bergab gehen wird. Dazu glänzt Zukunfts-Biff als fantastische Trump-Parodie, welche durch seine Präsidentschaft einfach nur noch mehr an Biss gewonnen hat.
                        Es ist auch interessant zu sehen, wie Teil 2 und 3 klar gemeinsam geplant waren und man Unmengen von kleinen Anspielungen entdecken kann. Der aufmerksame Zuschauer wird belohnt und das ist immer toll. Handwerklich ist der Film ebenfalls top auf einem sehr gutem Blockbuster-Niveau, sodass man durchgehend super unterhalten wird.

                        1
                        • 7 .5

                          Ich bin beeindruckt. Tatsächlich nicht besonders von der Dokumentation an sich, aber von der Performancekünstlerin Marina Abramovic. Es war geschickt, ihre Retrospektive im MoMA und die Performance „The Artist is Present“ als Rahmenhandlung für die Dokumentation zu nehmen. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort bekommt man so einen tollen Einblick in das Leben und Schaffen dieser Frau, die an Zähigkeit und Durchhaltevermögen wohl kaum übertroffen werden kann. Ihre Kunst provoziert, regt zum Nachdenken an und lässt einen nicht kalt. Ob es nun das Durchquetschen zwischen zwei nackten Menschen ist, das Ablaufen der Chinesischen Mauer oder dieser Akt der Willens- und Körperkraft (auf einem Stuhl sitzen, 7 ½ Stunden am Tag, sechs Tage die Woche, drei Monate lang) – es steckt immer mehr als nur Innovationszwang oder shock value dahinter, was sonst oftmals bei Performance Art der Fall ist (*hust* Yoko Ono *hust*).
                          Auch war es sehr interessant, die Künstlerin durch die Linse von anderen Menschen zu sehen. Nicht nur die der Museumsbesucher und Teilnehmer an ihrer Performance, sondern vor allem durch die alter Liebhaber (die teilweise selbstverschuldet eher mäßig gut rüberkommen) und Kollegen.
                          Abramovic erreicht nicht ganz das Niveau eines Ai Weiwei, dafür ist ihre Kunst doch zu sehr der Kunst geschuldet. Aber das was sie macht, macht sie ohne Kompromisse und mit einer Hingabe, die einfach nur erstaunlich und bewundernswert ist.

                          3
                          • 8

                            Das Horrorgenre ist voll von Cash-Grabs und uninspirierten Geschichten und Erzählweisen. Kein Gerne kann so stark in wirkungsvolle Formen gepresst werden: Jump Scares, das Schleichen durch dunkle Gänge, bedrohlich anschwellende Musik und überdrehte Soundeffekte. Aber Horror geht auch anders. Mit geringen Mitteln, Liebe zum Projekt und viel Kreativität können Kleinode wie „The Vigil“ entstehen.
                            Westliche Horrorfilme beziehen sich meist auf christliche Mythologie oder Geister und Dämonen von vergangenen und vergessenen Religionen. Das Judentum ist dabei eher unterrepräsentiert. Umso schöner ist es, wenn man einen Film zu sehen bekommt, in dem die Religion nicht nur wegen ihrer Symbolik benutzt wird, sondern ein ganz fundamentaler Teil der erzählten Story ist.
                            „The Vigil“ beginnt in einer Selbsthilfegruppe für aus der orthodoxen Gemeinschaft ausgestiegene junge Juden und Jüdinnen, die nun ihren Weg in der modernen Welt suchen. Unser Protagonist wird vor der Tür von einem alten Bekannten abgefangen und mit viel Überredungsgabe und der Aussicht auf eine Bezahlung von 400$ davon überzeugt, eine Totenwache zu halten. Dieses Ritual ist ein wichtiger Bestandteil der jüdischen Tradition und dient dazu, den Körper und Geist des Verstorbenen bis zur Beerdigung zu beschützen. Sobald der Protagonist aber das Haus mit dem unbekannten Leichnam und seiner senilen Frau betreten hat, sitzt er fest. In der Stille schließt er seine Augen und findet sich in einem Albtraum wieder. Schon von Anfang an macht der Film klar, dass es dem jungen Mann nicht gut geht. Täglich ist er in seinem neuen Leben mit Entscheidungen konfrontiert, wie der, ob nun die heilenden Pillen oder Nahrung auf den Tisch kommen. Er wird von Flashbacks seiner grausamsten Erinnerung geplagt, seinem Schuldgefühl, das ihn immer weiter zerfrisst, und von Geistern, die ihm den sicheren Boden unter den Füßen wegziehen. Am Ende findet er dann aber doch einen Weg, einen Kompromiss zwischen der „alten“ und der „neuen“ Welt, der ihm die Macht gibt, seinen Dämonen ins Auge zu sehen und sie zu bekämpfen. Mit dem Feuer des Glaubens verbrennt er das dämonische Gesicht, sein eigenes, in Trauer und Verzweiflung verzerrt. Am nächsten Tag ist er ein neuer Mann, der viel über sich und die Welt gelernt hat. Was wirklich real war und was okkulte Halluzination, bleibt offen. Für ihn aber ist es geschehen und hat ihn verändert.
                            Der Film nutzt die kleinen Räumlichkeiten fantastisch aus und spielt großartig mit dem Gefühl, ein Fremdkörper in dem unbekannten Haus zu sein. Jedes Geräusch lässt einen zusammenzucken, ob es nun das knarzende Atmen des Holzes ist, oder doch eine Schattengestalt, welche flott die Treppe hinaufsteigt. Ich hatte bei vielen Szenen wirklich Angst, und das schaffen Horrorfilme leider nur noch selten bei mir. Eine große Stärke des Films ist auch die Vermischung von Genres. „The Vigil“ ist kein einfacher Horrorfilm mit einem Dämon, es ist auch ein menschliches Drama über den Protagonisten und das alte Ehepaar. Das macht die Geschichte auch so stark und überzeugend. Es geht nicht nur um das nackte Überleben, sondern um mehr: Selbsthass, Schuld und Wut und die Sehnsucht nach Erlösung sind Themen für alle Charaktere. Mir persönlich hat einzig die Inszenierung des Anlegens des Tefillin wie die Robe eines Superhelden nicht ganz so gefallen, aber es war im Geiste der Geschichte und des Protagonisten.

                            3
                            • 8

                              Ich mag surreale Geschichten, in denen Charaktere ihre Kräfte auf 180 drehen und die Welt um sich herum komplett vereinnahmen. Nicht nur sind solche Plots ein toller Blick auf die Ehrfurcht gebietende Macht dieser Wesen, sondern oft auch eine interessante Studie der Menschen. Wenn die Macher einer solchen Geschichte auch noch Spaß haben und außerdem die Mittel, etwas Besonderes zu erschaffen, kommt etwas wie „Wandavision“ heraus.
                              Das ständige Brechen der Realitäten, das Spiel mit den Metaebenen und Klischees aus zig Jahren Fernsehgeschichte lassen alles, was man sieht, in einer fantastischen Zweideutigkeit erscheinen. Einfache Sätze zwischen zwei Charakteren bekommen auf einmal neue Bedeutung, sobald man die ganze Tragweite erkannt hat. Die Verzweiflung und Trauer von Wanda, aus denen dieser Wahn entstanden ist, wird auch grandios dargestellt und durch immer wieder neue Elemente erweitert.
                              „Wandavision“ war auch eine Serie, der es sehr gutgetan hat, Woche für Woche herauszukommen. Klar war das Warten manchmal etwas hart, aber man konnte sich in Gedankenspielen und Theorien verlieren, bis es nächste Woche mit einem neuen Intro weiterging.
                              Leider nimmt das Finale etwas an Fahrt ab, was etwas schade ist, aber die Serie auch nicht bricht. „Wandavision“ kommt nicht ganz an meine Lieblings-Marvel-Serie „Legion“ heran, aber besetzt einen guten zweiten Platz.

                              1
                              • 8

                                Wie es eben so ist mit Netflix, sind die Top-Empfehlungen meist zufällig auch Netflix-produziert. Deswegen war ich vorsichtig „The Devil All The Time“ anzuschauen, da ich von Filmen wie z. B. „I Care A Lot“ schon öfter sehr enttäuscht wurde. In diesem Fall habe ich mich aber gottseidank geirrt.
                                Schon von den ersten Momenten an legt der Film richtig los. Erzählerisch komplex, vielschichtig und gerne auch mal nicht linear, bekommen wir Einblicke in verschiedene miteinander verwobene Leben und die Grausamkeiten, die alle verbindet. Alle Charaktere sind fantastisch ausgearbeitet und großartig kontextualisiert. Der Film glänzt mit vielen Szenen und Dialogen, die in ihrer Mondänität so genial sind, dass sie fast aus Quentin Tarantinos Feder stammen könnten. Das Ganze wird garniert mit Schauspielern, die alles geben und komplett hinter den Rollen verschwinden. Die Geschehnisse und die Welt, in der sie spielen, haben auch etwas herrlich Surreales an sich, das immer wieder bitterböse aufblitzt und überrascht. Man weiß wirklich nie, wohin einen die Geschichte verschlägt und bekommt zudem tiefe und persönliche Einblicke in das Innenleben der Charaktere.
                                Ein handwerklich fantastisch gemachter Film mit einer großartigen Vorlage, deren Verfasser als Erzählerstimme auch der filmischen Umsetzung noch mehr Tiefe verleiht. Ein Film, wie ihn die Coen-Brüder nicht besser hätten machen können.

                                4
                                • 7 .5

                                  Das Berlin der 1980er war ein heißes Pflaster. Eingepfercht zwischen Beton und ideologischer Zerfahrenheit, war Berlin eine Petrischale für kreative Ausdrücke mit einer herrlich weltfremden Offenheit und Internationalität.
                                  Zu Beginn bin ich mit der Art der Dokumentation nicht so recht warm geworden. Eine Narrative wie diese, stark geprägt von der Subjektivität eines Protagonisten und Erzählers, wirkte irgendwie falsch und arg artifiziell. Erst als ich gemerkt habe, dass es auf wahren Begebenheiten beruht, dass er dort war und eben all dies selbst erlebt hat, ist es ein bisschen besser geworden. Aber die sonderbaren nachgestellten Szenen haben einen merkwürdigen Beigeschmack hinterlassen, was der Dokumentation als Ganzes nicht gut getan hat.
                                  Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn sobald sich die echten Szenen vor den Augen auftun, bekommt man einen besonderen wie auch sehr persönlichen Einblick in diese wilde und wahnwitzige Zeit. Man ist Zeuge, wie ganze Kunstgenres und Ausdrucksweisen entstehen und sieht sie dann wieder dahinsiechen, nur um von etwas Neuem ersetzt zu werden, das die Grenzen in einer anderen Richtung ausloten möchte. Die Zeit steht niemals still, besonders nicht in der bizarren Parallelwelt von West-Berlin. Dabei treffen sich Leute mit verschiedensten Ambitionen und Fähigkeiten, allesamt Teil einer Szene, welche einen einfach nicht allein lassen möchte.

                                  • 8 .5
                                    über Occult

                                    Ich mag Koji Shiraishi, denn er hat sein eigenes kleines Gerne erschaffen und brilliert darin. Sein Mix aus Dokumentation und found footage gelingt ihm unglaublich gut. Die Meta-Ebene, dass man alles durch die Linse einer Kamera und bearbeitet von einem Editor sieht, gibt dem Ganzen eine besondere Qualität. Dieses Vermischen von Realität und Fiktion habe ich selten so gut und geschickt gesehen wie bei ihm. Er benutzt als Darsteller auch gerne Idols, die unter ihrem eigenen Namen sich selbst spielen, und die Ästhetik des japanischen Fernsehens. In „Occult“ spielt er zudem sich selbst als Regisseur des Filmes und nicht etwa als unschuldiger Akteur.
                                    „Occult“ ist mein Lieblingswerk von ihm. Der Film beginnt wie eine cheesy Dokumentation oder ein Schockvideo auf YouTube, analysiert dabei aber ein Geschehnis von allen erdenklichen Standpunkten. Etwas Düsteres schwingt dabei mit, das über die wahllose Grausamkeit des Menschen hinausgeht. Doch dann passiert etwas Überraschendes: Wir begleiten einen armen Tagelöhner bei seinem täglichen Überlebenskampf. Inmitten dieses Horrorfilmes erzählt der Regisseur feinfühlig und ergreifend über ein Thema, das in Japan totgeschwiegen wird. Man bekommt sofort Mitleid mit dem Charakter, welches aber auch gleich wieder in Frage gestellt wird, sobald der Alkohol sein Mundwerk löst. Und dann spielt uns der Film wieder einen Curveball und die Geschichte entwickelt sich immer weiter zu einer Horrorstory à la Lovecraft mit japanischen Göttern als Old Ones. Dabei bleibt der Film immer auf dem Boden der Realität verankert. Man sieht die Zeichen und kann den gewissen Sinn in dem Plan entdecken. Mit einer beängstigenden Beiläufigkeit wird der vermeintlich göttliche Plan dann in die Tat umgesetzt. Dabei hat es mir den Atem verschlagen. So nah ist man mit der Kamera am Geschehen dran, dass es mich ehrlich erschüttert hat.
                                    Shiraishi schafft es wie kein anderer, einen gewissen Klamauk mit so brutaler und schmerzhafter Authentizität darzustellen, dass man am Schluss selbst nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht.

                                    2
                                    • 2
                                      über Jexi

                                      Was soll man über solche Filme sagen? Ich weiß nicht, ob sich irgendjemand etwas bei diesem Film gedacht hat. Die erste Szene lässt einen noch vermuten, dass eine gewisse Aussage getroffen werden mag. Dabei verliert sich der Film aber selbst vollständig. Das Gimmick mit dem schmutzigen Mundwerk der AI geht meist nicht über derbe Ausdrücke hinaus. Das Verhalten des Protagonisten ist schmerzhaft und mehr als nervig. Die Motivation und das Handeln von Jexi ergeben auch aus verschiedenen Perspektiven betrachtet keinen Sinn. Als die Geschichte dann mit einem „Manic Pixie Dream Girl“-Klischee über den Haufen geworfen wird, bei dem man überhaupt nicht versteht, was die beiden überhaupt voneinander wollen, hat mich der Film vollends verloren. Auch Aspekte wie sein Traum, Journalist zu werden, existieren so nur auf dem Papier. Was macht er eigentlich in dem Büro? Worüber möchte er genau berichten? Es wirkt, als ob ein frustrierter und einsamer Mann seine Phantasien mit keinerlei Geschick, Charme oder aufgeschrieben hat.
                                      Es bleiben ein paar nette Witze in einem äußerst frustrierenden Film, der ständig über seine eigene Inkompetenz stolpert.

                                      1
                                      • 2

                                        Ich kann schon verstehen, warum dieser Film gemacht wurde. Ich habe das Gefühl, das die Romanvorlage „Hush“ wirklich etwas hat, das man auch auf der Leinwand gut erzählen könnte. Leider versagt der Film in seinem Vorhaben so elend, dass jegliches Feingefühl, das vielleicht in der Vorlage stecken mag, verloren geht.
                                        Die Grundstruktur ist an sich ganz gut. Die Charaktere sind Drifter und Betrüger, die sich ihr Tun vielleicht mit der edlen Ausrede, Menschen von ihrem Leiden erlösen zu wollen, schönreden. Aber das wird leider nie zu einem größeren Konflikt ausgebaut. Vor allem finde ich auch sonderbar, dass das Geisterspiel plötzlich real wird und damit nicht wirklich umgegangen wird. Der Konflikt zwischen den Geschwistern und den Narben, welche der Tod der Mutter bei ihnen hinterlassen hat, böte sich auch gut für eine tiefergehende Ausarbeitung an. Aber mit allen Storysträngen wird so diffus umgegangen, dass man am Ende nie so wirklich eine Aussage dahinter entdeckt.
                                        Dazu kommt noch der Ort des Geschehens. Ich verstehe nicht so wirklich, warum die angeblichen Geisterjäger überhaupt eingeladen wurden und schließlich das Finale so passiert wie es passiert. Statt auf clever gemachten Horror wird hier auf plumpe Schockmomente gesetzt - und das noch nicht mal gut.

                                        • 3

                                          Wie will man die Geschichte nach dem sehr endgültigen Ende von „Sinister“ weiterführen? Der Ansatz ist bei „Sinister 2“ auf jeden Fall gelungen, der Film versagt dann aber doch im Großen und Ganzen. Den Fokus in Teil 2 auf die Kinder zu legen war eine gute Idee, da man nicht viel von der Tochter aus dem ersten Teil erfahren hat. Das gibt viel kreativen Freiraum, sich zu entfalten und tatsächlich etwas Neues zu erzählen. Auch den Dämon noch näher zu beleuchten bietet sich für die Fortsetzung gut an. Leider vergreift sich der Film dann oftmals zu harsch im Ton, als dass er irgendwie sein Potential entfalten könnte.
                                          Die schon aus Teil 1 bekannten Snuff-Filme sind wieder da und diesmal sogar noch verrückter und krasser. Gerade die ersten paar Filme stören dabei aber durch ihre kindische Überzogenheit und verlieren so viel von dem Grauen, das die Filme aus dem ersten Teil durch ihre grausame Nüchternheit hervorriefen. Gegen später wird noch ein weiterer Bogen geschlagen, aber die Stimmung ist zu diesem Zeitpunkt schon im Eimer. Man merkt auch, dass Aspekte wie der geniale Soundtrack, die körnigen Bilder der Super-8-Filme und das hintergründige Familiendrama, die in „Sinister“ äußerst feinfühlig zusammengestellt waren und deshalb so gut wirkten, hier eher wahllos zusammengewürfelt wurden. Ein übergreifendes Gefühl des Grauens kommt so nicht auf. Es ist ganz nett, dass man den Polizisten So-And-So wieder sieht und ihn die Ereignisse aus dem ersten Teil offenbar auch nicht kalt gelassen haben. Leider zieht der ehemalige comic relief Charakter als ernster Protagonist trotzdem nicht ganz. Auch die Geschichte mit den zwei Brüdern will nicht ganz so funktionieren. Teile davon werden geschickt erzählt, vor allem in Kontrast zu ihrem psychotischen Vater, aber das Ende wirkt dann doch ziemlich verramscht. Auch die Geisterkinder wirken irgendwie nicht ganz so, wie es die Filmemacher sicherlich geplant hatten. Vor allem der disconnect zwischen den Kindern und dem Dämon funktioniert nicht gut.
                                          Es ist schade, da ich das Gefühl habe, dass viele Aspekte in „Sinister 2“ sehr gut und geschickt gewählt wurden und das man auch etwas Tolles hätte machen können. Aber das fehlende Feingefühl und die eher notdürftig zusammengezimmerte Geschichte lassen den Film weit hinter seinem Potential bleiben.

                                          1
                                          • 3 .5

                                            Was tun an einem Katertag, ohne viel Kapazität für anspruchsvolle Kost? Wie wäre es mit einer deutschen Komödie? Ich bin auch ein Fan von Filmen für Kinder und Teenager, weil diese oftmals spielerischer mit dem Medium umgehen und sich mehr erlauben, als biedere Filme für Erwachsene. Dazu wurde der Film von Marco Petry gemacht, der durch seinen Film „Schule“ irgendwie einen Platz in meinem Herzen hat… leider sollte es dann doch nicht so werden.
                                            Der Film neigt zur Übertreibung, geht dabei aber entweder nicht weit genug oder zu weit, sodass es oft unpassend zum Rest des Ganzen wirkt. Mit dem Konzept könnte man auf jeden Fall etwas machen, aber scheinbar war hier niemandem so wirklich klar was. Die Charaktere wissen nicht, was sie sein wollen und wirken dadurch einfach nur leer, egal wie groß die Entscheidungen sind, die sie treffen. Samuel, Greta, Carlo, selbst Lilith, alles wirkt unausgegoren und nicht wirklich verdient. Dem Film hätte etwas mehr Fokus gut getan, stattdessen hetzt er von einer unzusammenhängenden Szene zur nächsten und lässt den Zuschauer schließlich mit einem sehr enttäuschenden Finale zurück.

                                            • 7

                                              First Cow ist etwas Erfrischendes. Ich hatte keine wirklichen Erwartungen an dem Film, wurde aber dennoch immer wieder überrascht. Zu Beginn des Films werden von einer Frau Gebeine entdeckt. Diese Szene bildet einen Rahmen, den man zwar nicht unbedingt braucht und der im Verlauf des Films auch nicht wieder aufgegriffen wird; das Bild der zwei zusammen begrabenen Menschen bleibt aber im Gedächtnis. In der nächsten Szene sieht man sonderbare Gesellen durch die Wildnis stolpern. Im Kontext der spielerischen Indie-Ästhetik des Films war ich mir zuerst nicht sicher, wer diese Charaktere sein sollen. Zauberhafte Obdachlose? Menschen in einer Fantasiewelt? Aber nein, der Film macht einen Zeitsprung in eine Zeit, die man selten so im Film dargestellt gesehen hat. Wir sehen die Welt sonderbar verträumt durch die Augen des Protagonisten, aber dennoch trist wie es damals wohl gewesen sein muss. „First Cow“ ist eine Geschichte mit viel Herz und Tiefgang, die ohne großes Feuerwerk und in einem mäßigen Tempo erzählt wird, mit viel Raum zwischen den Zeilen zum Atmen und Nachdenken.
                                              Ein besonderer Film, der mir tatsächlich länger im Gedächtnis geblieben ist, als ich zuerst angenommen hätte. Ein interessanter Blick in eine fremde Zeit durch die Augen von Menschen mit denen ich mich zwar nicht zwingend identifizieren kann, aber zu 100% mitfühle. Ein wahres Kleinod.

                                              • 7
                                                über Sputnik

                                                Science Fiction gehört zu meinen Lieblingsgenres. Die Möglichkeit, Gedankenexperimente auszuleben und die Grenzen des Menschenmöglichen zu erkunden, finde ich grandios. Klar gibt es auch in diesem Genre opulente, aber blutleere Gegenbeispiele, welche nur so mit Klischees um sich werfen. Aber genauso gibt es Umsetzungen, denen die Idee am wichtigsten ist und alles andere nebensächlich wird. Das bietet sich ganz besonders für Filmemacher an, die eine gute Idee auch ohne viel Budget clever umsetzen können.
                                                „Sputnik“ ist so ein Film, dessen Idee im Vordergrund steht. Die Opulenz der Bilder wird durch das clevere Storytelling ersetzt. Anstatt in der nahen oder fernen Zukunft, spielt der Film tatsächlich in der Vergangenheit (UdSSR, 1983). Durch die Augen der radikalen und unfassbar cleveren Tatyana wird man in die Geschichte hineingeworfen und stellt sich mit ihr gemeinsam folgende Fragen. Ist das außerirdische Wesen ein Parasit oder ein Symbiot? Ist es ein leeres Wesen, das nur seiner inhärenten Programmierung folgt, oder ein intelligentes Wesen? Spannend ist auch die ständige Unsicherheit, wohin sich das Ganze wohl entwickeln wird. Wird der Wirt einfach nur verschlungen? Ist das schon das ganze Ausmaß, oder beobachten wir einen Weltenverschlinger in seinem larvalen Zustand? Das Wesen bleibt dabei immer erfrischend fremd. Über eine tiefere Motivation wird nicht nachgedacht, da dies auch den Rahmen des Films sprengen würde. Vielmehr wird das Geschehen durch den Menschen (das heißt hauptsächlich Tatyana) beobachtet. Und so stellt sich im Verlauf auch die Frage, wer das größere Monster ist, oder woher die erfahrene Grausamkeit wirklich stammt.
                                                Ästhetisch ist der Film gut, aber entsprechend dem Setting in einem fernen und geheimen Komplex der UDSSR sehr kahl und kalt. Das stört aber nicht weiter, da die Szenerie durch die tollen Charaktere von Tatyana, dem General, dem Wissenschaftler und dem Kosmonauten belebt wird. Die Geschichte ist auch großartig erzählt, mit ein paar kleinen Wendungen, welche nicht alles über den Haufen werfen, sondern nur ein anderes Licht auf bereits Bekanntes werfen. „Sputnik“ ist definitiv ein Film, den man sich als SciFi-Fan anschauen sollte.

                                                5
                                                • 8

                                                  Der erste Film „The Equalizer“ hat mir schon gut gefallen. McCall ist ein etwas anderer Actionheld, der nicht nur durch Kalkül und brillante Präzision besticht, sondern vor allem auch das Herz am rechten Fleck hat. Leider wollte für mich im ersten Teil die Story dann doch nicht so wirklich aufgehen. Deshalb bin ich sehr froh, dass Denzel Washington und Antoine Fuqua sich entschieden haben, noch einen weiteren Teil zu drehen.
                                                  „The Equalizer 2“ überflügelt in allen Bereichen seinen Vorgänger. McCall ist immer noch derselbe, diesmal ist sein Character aber viel besser in die Story eingebunden. Auch die Nebengeschichten, bei denen er versucht, einfach ein guter Mensch zu sein, sind hier viel besser geschrieben und umgesetzt. Nicht, dass man mit dem Mädchen aus Teil 1 nicht mitgefühlt und -gefiebert hätte, aber Miles funktioniert als „Sidekick“ einfach besser. Sein Charakter ist getrieben, talentiert, überheblich und spürt nach einem traumatischen Verlust einen starken Zugehörigkeitsdrang. Die Beziehung zwischen Miles und McCall ist fantastisch gelungen und wird im Lauf des Films gekonnt zugespitzt, sodass beide am Ende etwas voneinander lernen können. Ich war auch sehr froh, Susan und Brian wieder zu sehen und diesmal noch etwas mehr über sie zu lernen. Auch Pedro Pascal und sein Team machen eine fantastische Figur, ohne dabei ihre Rollen zu übertreiben. Ich mag auch sehr, dass es bald gar nicht mehr darum ging, warum die Familie in Frankreich sterben musste, sondern um etwas viel Einfacheres: Arroganz und schlampiges Arbeiten.
                                                  Der finale Konflikt in McCalls alter Heimatstadt am Meer war auch fantastisch gelungen. Das Katz-und-Maus-Spiel von Pedro Pascals Teams gegen McCall als Ein-Mann Armee wird kreativ und atemberaubend inszeniert. Aber nicht nur diese Szene, eigentlich alle Actionszenen haben eine schon fast berauschende Präzision und grausamen Realismus.
                                                  Toll geschriebene und ausgeformte Charaktere und ein fokussierter Plot werden hier mit großartigem Schauspiel, Kamera, Musik und Regie verbunden. Besonders beeindruckend fand ich, wie geschickt Regisseur Fuqua die einzelnen Handlungsstränge verwebt. Es kommt kein Moment Langeweile auf und jeder kleine Handlungsstrang, von denen es im Film viele gibt, wird mit viel Feingefühl und Respekt behandelt und geschickt in ein rundes Weltbild gepackt, ohne dabei an Glaubwürdigkeit einbüßen zu müssen.

                                                  1
                                                  • 6

                                                    Annabelle 3 ist ein sonderbarer Film und man hat das Gefühl, dass er selbst nicht so genau weiß, was er sein möchte. Es wirkt eher wie ein gescheiterter Versuch, eine Horror-Anthologie mit einer übergreifenden Geschichte zu verbinden. Die „Zutaten“ sind dabei eigentlich ganz nett, z. B. das kleine Mädchen mit dem düsteren Erbe der Mutter, die liebevolle Babysitterin und ihre von Schuldgefühlen geplagte beste Freundin. Gerade Letztere wirkt am Anfang noch etwas deplatziert, entfaltet dann aber mit ihrer Hintergrundgeschichte und ihrer verzweifelten Neugier einen tollen Rahmen für die Geschehnisse. Auch das Streifen einer scheinbaren paranormalen Parallelwelt neben der Normalität ist ganz gut gelungen.
                                                    Wenn sich die Horrorelemente entfalten, wirkt das leider oftmals etwas chaotisch. Der Werwolf, die wütende Braut, der Samurai und Fährenmann wollen alle nicht wirklich zusammenpassen, weder im Ton noch in der Motivation. Auch Annabelle schwebt dabei oft nur als bizarrer Katalysator umher. Obendrauf kommen dann noch magische Artefakte wie das Amulett, das es möglich macht mit den Toten zu kommunizieren, und der Fernseher, der die unmittelbare Zukunft zeigt. Wenn man diese Gedankenschnipsel aber etwas voneinander trennt, wirkt der Film schon etwas stärker. Der Fährmann hat zwar keine klar umrissene Motivation, aber die Filmemacher holen auf ästhetischer Ebene viel aus ihm heraus. Das Spiel mit den Münzen, den kahlen Leichen und der Statur des Fährenmannes bieten keinen tiefgehenden, aber immerhin stylischen Gruselfaktor. Die einzelnen von den Warrens angesammelten Artefakte spielen dabei auch in kleinen, aber gut gemachten Szenen ihre Stärken aus. Nur der Werwolf will dabei leider nicht ganz so ins Bild passen, was etwas schade ist. Und auch als sich am Ende alles in Wohlgefallen auflöst, wirken die einzelnen Handlungsstränge leider immer noch viel zu verstreut und konfus.
                                                    Aber dennoch gefällt der Film mir irgendwie. Er wirkt wie ein Experiment oder das wilde Zusammenwürfeln von mehreren auf Schmierzetteln notierten Ideen. Aber was der Film definitiv hat (und was vielen Standardhorrorfilmen fehlt) ist Herz. Die Charaktere sind nett gemacht, ohne nervig zu wirken. Und auch wenn das Ende an sich nicht überraschend war, hat es doch etwas Herzerwärmendes. Gerade im selben Film-Universum wie „The Nun“ oder „La Lloronas Fluch“ (beides absolut seelenlose Filme zum Wegwerfen), sorgt „Annabelle 3“ immerhin für etwas frischen Wind.

                                                    2