SKURRIL - Kommentare
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Alle Kommentare von SKURRIL
Der im Aufzug geborene Jack Lemmon lernt im Aufzug als C.C. Baxter die Liebe seines Lebens kennen. Doch der Versicherungsangestellte hat ein Problem: Er ist kein Mensch. Sein deutscher Nachbar rät ihm: „Why don't you grow up, Baxter? Be a mensch!“ Er verweigert sich zunehmend selbst das Leben in Privatsphäre, indem er seine eigene Wohnung Kollegen mit höherem Status überlässt, damit sie ihre Ehefrauen betrügen können und er einen besseren Job bekommt - welch herrliche, bitterböse Satire. Die Fahrstuhlführerin Fran (Shirley MacLaine), der Baxter schüchtern nachstellt, ist ebenso im Zwiespalt. Als Baxter sie darauf aufmerksam macht, dass ihr Spiegel in der Mitte zerbrochen sei, antwortet sie „Yes, I know. I like it that way. Makes me look the way I feel.“ Fred MacMurray als charmanter Personalchef J.D. Sheldrake („He‘s a taker.“) komplementiert das hervorragende Schauspieltrio, um das die Handlung perfekt gewoben ist. Wilder schafft es trotz grotesken, äußerst humorvollen Szenen, „The Apartment“ die gewisse ausschlaggebende Seriösität zu verabreichen: Lemmons slapstick-artige Gestik und Mimik unterstreichen die Satire, doch Tragisches verändert und verweist den humorvollen Tonus fast ununterbrochen in Konflikte. Der moderne, opportunistische Mensch als korrupter Bürokrat und Freund der Untreue und Unmoral, das in der Masse untergehende, uninteressante Zahnrad eines Riesenkonzerns, das sich durch erwähnte Bestechung hervorzuheben versucht und das unschuldige Mädchen mit zu viel Sentimentalität und Naivität. Durchaus gibt es in Bezug auf den Aspekt der Bürokratie Analogien zu George Orwells Jahrhundertroman „1984“ oder dessen Verarbeitung in „Brazil“ von Terry Gilliam, aber Wilder geht einen vollkommen anderen Weg - einen weniger radikalen, aber mehr satirischen und pro-humaneren. Baxters Appartement steht einerseits metaphorisch für seine Nichtzugehörigkeit zu einer Welt egoistischer Menschen, andererseits für seinen übertriebenen Altruismus, dem er zunächst einmal widerstandslos ausgeliefert ist, weil er das Rotieren des eigenen Rades nicht stoppen kann. Gleichzeitig wird ein nicht zu verstehendes, aber natürliches Faible, flunkernden Charme der offensichtlichen Liebe vorzuziehen auf wunderbare Art und Weise subtil thematisiert: „Why can't I ever fall in love with someone nice like you?“ Dennoch wundert man sich, ob unser liebevolle und bemitleidenswerte Protagonist nicht auch „heimlich“ egoistisch handelt in diesem komplexen Geflecht der Bürokratie. Zynisch beantwortet Baxter diese Frage ambivalent, indem er behauptet, er habe alle ausgenutzt.
Wirklich alle Dialoge von Wilder und I. A. L. Diamond, die zu Recht den Oscar 1961 für das beste Drehbuch entgegen nehmen durften, sind harmonisch, das Szenenbild (ebenfalls mit dem Oscar ausgezeichnet) ideal und die Handlung immer kurzweilig und interessant. Außerdem gewann Wilder den Regie-Oscar plus den Oscar für den besten Film, was betont werden muss, da er Hitchcocks Meisterwerk „Psycho“ gnadenlos ausstach. Die Tragikkomödie funktioniert bemerkenswert gut und das nach immerhin schon 50-jähriger Geschichte.
Mein fünf Jahre jüngerer Bruder und ich schauten vor rund einer Dekade gerne die Asterix-Zeichentrick-Filme auf Sat 1. Da wir meistens nicht bis zum Ende aufbleiben durften, nahmen wir eines Abends die Sendung und das darauf folgende (VHS sei Dank!) auf. Am nächsten Tag spulte ich zurück, ohne auf die Stop-Taste gedrückt zu haben und dann war es geschehen: Düstere, äußerst dunkle Aufnahmen; plötzlich ein furchteinflössendes Gesicht, das mich nächtelang nicht schlafen lassen würde; Sex in der Wüste; ein brennendes Haus; eine Explosion, die vorwärts abläuft, obwohl ich zurückspule - halt Stop! Die Frage: Was war das? Mein erster Kontakt mit Genius David Lynch, und das gerade mal mit vielleicht zehn-zwölf Jahren! Ich bekam ein sehr eigenartiges Gefühl, während ich gleichzeitig überprüfte, ob ich wirklich allein im Wohnzimmer war und schwitzend (an-)gespannt, ja fast schon paranoid, die Szenen noch einmal abspielte. Ich hatte Angst, erwischt zu werden, dachte ich würde etwas verbotenes treiben und wie das nunmal in solch einem prepubertären Alter ist, hat man ein gewissen Drang, genau diese extremen Situationen auszuleben. Da sah ich nun einiges, was meine Augen fesselte und natürlich kam mein Bruder direkt bei einer sandigen Nacktstelle ins Zimmer gerannt, was mich aber zugegebenermaßen kaum interessierte, weil mich eine Mischung aus Angst und Faszination ergriffen hatte. Wie es kommen musste, traf meine Mutter kurze Zeit später ein, schimpfte mich, was ich mir denn da anschauen, meinem Bruder zeigen würde und machte den Fernseher aus. Das alles löste in mir eine bis heute andauernde Assoziation mit „Lost Highway“ aus, und nachdem ich erst einmal zu viel Angst vor dem Gesehenem bekommen hatte, verführte mich die Faszination in darauf folgender Zeit ein paar Mal dazu, diese für mich damals absolut verstörenden Bilder erneut zu begutachten, schaffte es aber weder von Vorne zu beginnen, noch dauerhaft zuzusehen. Eigentlich ist es im Film selbst genauso: Wann beginnt „Lost Highway“? Beginnt er überhaupt? Beginnt das Ende am Anfang? Lynch erschafft eine Welt verschwimmender Grenzen. Phantasmen treffen auf Metamorphosen, Schatten auf roten Abgrund. Paradox geleitet er uns durch eine bedrückende Höllenfahrt, wir werden Zeugen vom ergreifenden Erzeugen. Mystery trifft auf Horror und kreiert genau das, was mich schon als kleiner Junge nicht wegsehen ließ: Eine ungeheure böse Kraft an faszinierenden Elementen lädt wie der Teufel per se ein, und zur gleichen Zeit entsteht ein beängstigenderer, immenser Druck der absoluten Ungewissheit, der wiederum zum bedingungslosen Weiterschauen befiehlt. Das klingt danach, als entstünde ein Art Zwang, aber nein, es ist Faszination. Ein paar Jahre danach - ich hatte „Lost Highway“ im Hinterkopf behalten, ihn jedoch aus besagter Angst nie ganz angesehen - bemerkte ich beim Durchschauen des DVD-Schranks von meinem Vater ein bekanntes Gesicht auf dem Frontcover: Das hämische Grinsen dieses Mannes ohne Augenbrauen. Sofort schossen mir die Erinnerungen durch den Kopf und ich dachte mir: „Das kann doch jetzt nicht wirklich sein?“ Diese Frage ist zudem durchaus legitim, nachdem man mit offenem, sabbernden Mund, fast schon dement vor dem Fernseher sitzt und der Film gerade zu Ende ging. Ich hatte das Werk eher in der Kategorie Porno abgespeichert, Porno in Kombination mit Horror. „Wieso hat mein Vater diesen Film???“ wunderte ich mich, beschloss meine Angst zu überwinden und die verlorene, schier endlose Straße zu erkunden. Als ob Lynch es selbst nur für mich inszeniert hätte, betrat etwa zur selben Stelle wie damals auch wieder jemand das Wohnzimmer. Doch dieses mal war es mein Vater und schaute von da an mit. Ich schwitzte, meine Angst stieg kohärent mit Lynchs genialer Evokation totaler Verwirrung, mir war unwohl und wohl zugleich, lauschte erfreut Badalamentis, Bowies, Reznors, Rammsteins und Mansons wahnsinnigen Soundtrackbeiträgen, versteckte mich in den dominierenden Schatten, wurde daher als ergiebiges Opfer von der Intensität audiovisueller Unübertrefflichkeit problemlos verschlungen, wollte nur noch wissen, was passieren würde, wollte wissen und verstehen, was ich da gerade sah, um mich letztendlich vollkommen überfordert und sabbernd zu fragen: „Das kann doch jetzt nicht wirklich sein?“
Kunst-Allrounder Vincent Gallo fasziniert 1998 in Buffalo ’66 mit überraschender Story und innovativer Regie. Der Amerikaner mit sizilianischen Wurzeln schrieb mit Alison Bagnall das Drehbuch, komponierte die Musik und spielte selbst die Hauptrolle eines bemerkenswert kranken Psychopathen namens Billy Brown, der neben heftigen Wutausbrüchen ständig am unaufhaltbaren Postulieren ist. Die damals erst 17 Jahre alte Christina Ricci schlüpfte in die Roller der - dumm wäre schon sehr untertrieben - unfassbar blöden Layla, die anscheinend ein Faible für absolute Arschlöcher hat, was sich glänzend als Satire auffassen lässt. Billy, seine verrückten, nein wohl eher vollkommen dementen Eltern (die laut Gallo seinen eigenen nachempfunden seien) und sein Freund Goon haben eines gemeinsam: Sie sind „Buffalo Bills“-Fanatiker. Rund herum diesen Fakts dreht sich das bizarre Geschehen dieses Independentkultfilms, auf sowohl lustige als auch tragische Art und Weise. Die originelle Kamera von Lance Acord, der im Übrigen auch für die Bilder in „Being John Malkovich“ und „Lost in Translation“ verantwortlich ist, fängt das durch grandiose Dialoge gestützte kleine Meisterwerk vorbildlich ein. Der überdrehte Verlauf der Story, die hervorragende Schauspielkunst und die unterhaltende Einzigartigkeit in seiner Gesamtheit machen „Buffalo ’66“ wahrscheinlich zu einem der persönlichsten Projekte Gallos und gleichzeitig zu einem der besten Filme der 1990er, obwohl er eigentlich am Film nicht selbst als Regisseur arbeiten wollte.
„And the truth is that in the process of making the film, I felt that I was ruining the movie. The feeling was that I could adapt myself to the character defects, the emotional life of the actors themselves and of the characters that they were playing in a way that I could be really focused on that relationship. When I filmed myself, it was difficult for me to concentrate because I was forced into producing the film, I was forced into a lot of responsibility that took away my focus. And I had felt a lot of pain over the performance. I had never felt so uncomfortable acting in a film and I had never felt that I had let down a director myself in a performance; Auch der Streit mit den Darstellern war nicht leicht für Gallo: Anjelica Houston hatte Sonderwünsche bezüglich Makeup und wollte nicht am Ostersonntag drehen. Seine freundliche Aussage dazu: "You tell that vicious cunt, you tell that bitch, that cunt to get the fuck off my set."
Der Egomane und Ricci kamen am Set übrigens auch nicht wirklich glorreich miteinander aus, Gallo sprach ihr jegliche Selbstständigkeit ab und nannte sie eine „Puppe“. Sie sagte in einem Interview zehn Jahre nach dem Dreh: „I really didn’t understand what was going on most of the time working with a crazy lunatic man. I’d never encountered such insanity.“ Da fragt man sich, ob Gallo seine Rolle wirklich nur spielte... “So when I got my chance to direct a film, I felt that it might be my only chance of my whole life and I obsessed on every detail. I don't know if I'm completely thrilled with everything in the film, but at least I feel responsible for everything so there's no pain. When I watch the film there's no pain the normal way I feel pain when I try to watch movies that I was in . . . something like that . . . you know what I'm saying?“ Nein!
Aus dem fantastischen Artikel:
http://www.freiewelt.net/blog-4951/dann-mach-doch-die-bluse-zu!.html
"Wieso ist es in Ordnung, dass Frau ihr Aussehen strategisch einsetzt, aber nicht in Ordnung, dass Mann darauf reagiert? Wir dürfen also alles tun, um uns gut in Szene zu setzen, es soll uns aber bloß keiner drauf ansprechen? Wie viele Frauen warten nur darauf, dass ein Mann reagiert? Wenn aber der Falsche auf die Signale anspringt, dann ist er Sexist. Nein Ladies, so geht es auch nicht."
" Wir laufen in Slutwalks durch die Straßen und proklamieren das Recht, wie Schlampen herumlaufen zu dürfen. Gleichzeitig wollen wir aber nicht als Schlampe bezeichnet oder gar behandelt werden. Wir punkten mit unserem Aussehen, gelten als das schöne Geschlecht, schnüren uns die Brüste hoch beim Oktoberfest, aber nein, wir wollen damit keine Aufmerksamkeit, wir wollen damit nur unsere inneren Werte betonen."
Wohlgemerkt, von einer Frau geschrieben!
Eigentlich ziemlich langweilig das Ganze. ich freu mich für Waltz, Tarantino, Day-Lewis und Amour.
Life of Pi 4
Les Miserables 3
Argo 3
Lincoln 2
Django Unchained 2
Skyfall 2
Liebe 1
Zero Dark Thirty 1
Anna Karenina 1
Silver Linings 1
yeah! :)
Paul Thomas Anderson erschafft mit „The Master“ ein filmisches Kunstwerk voller phänomenaler Bildgestaltung und herausragendem Schauspiel. Die Kernelemente für die beeindruckende Exzellenz bilden neben den ebenbürtigen Protagonisten Joaquin Phönix und Philip Seymour Hoffman, der von Francis Ford Coppola entdeckte rumänische Kameramann Mihai Mălaimare Junior und Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood, der seine musikalischen Qualitäten in kompositorischer Hinsicht schon in Andersons Vorgängerfilm „There Will Be Blood“ unter Beweis stellte.
Der zweite Weltkrieg ist vorbei, Phönix ist nicht aus seiner Asche wiedergeboren: ziellos streift er Sex-besessen als Freddie Quell umher, repräsentativ für viele Veteranen, die ihren Lebenssinn mit all ihrer Energie zum Patriotismus erfüllten und plötzlich in ein Loch hilfloser Belanglosigkeit fielen. Er ist so absonderlich gezeichnet, dass man als Zuschauer nicht eine Figur zum Identifizieren erhält, sondern zum puren Beobachten in einer Mischung aus sympathisierendem und abstoßendem Wundern. In grandiosen Kameraeinstellungen, aufgenommen auf 65-mm-Film, sehen wir ihn in verschiedensten Arbeiten, die er aber aufgrund seines teils manischen, teils alkoholisierten Verhalten alle wieder aufgeben muss. Sein exzessiver Alkoholkonsum beruht vor Allem auf seiner Schwarzbrennerei von sogenannten „moonshines“ und schließlich landet er eher zufällig auf einem Schiff der Sekte „The Cause“, dessen Master Lancaster Dodd (Hoffman) sich schnell mit ihm anfreundet und ihn in jene lockt. Dodd und Quell verbindet viel, zudem wird Quell von der Lehre der Sekte ergriffen, die gerade Veteranen anspricht. Schnell wird er von den psychologischen Gesprächen mit Dodd überzeugt und zu einem sturen, kompromisslosen Verteidiger der Sekte. Quell scheint neuen Halt gefunden zu haben, es fehlt ihm aber der physische Bezug, auch in sexueller Hinsicht, da die Lehre nur auf einer psychischen Ebene erfolgt. Die stoische Ruhe wird auf den Erzählrhythmus übertragen, zunächst als Ausdruck der Belanglosigkeit, dann der vermeintlichen Ataraxie. Phönix verleiht seiner Figur verschiedenste Gesichter, spielt absolut hervorragend neben Hoffman auf, der die zugleich charismatische und intellektuelle Ader von Lancaster Dodd perfekt auf die Leinwand bringt. Anderson wurde natürlich, wie er selbst sagt, von der Entstehung der Sekte „Scientology“ inspiriert und packt damit ein sehr aktuelles Thema unserer Zeit an der Wurzel, nur latent und vorsichtig nüchtern kritisierend. Diese Subtilität und die oben angesprochenen elementaren Kerne machen „The Master“ zu einem der besten Filme von sowohl 2012, als auch von Anderson und werden dessen Jünger mehr als ausreichend bedienen. "If you figure out a way to live without a master, any master, be sure to let the rest of us know, for you would be the first in the history of the world."
Deftones <3
Kieślowski drehte 1993/1994 die Drei-Farben-Trilogie, die sich mit der praktischen Umsetzung der drei Grundsätze der französischen Revolution - liberté (Freiheit), egalité (Gleichheit) und fraternité (Brüderlichkeit) - beschäftigt, die als eines der wichtigsten Ereignisse in die Geschichte der Menschheit einging. Logischerweise stellt das Gesamtkonstrukt der drei Farben die französische Flagge dar. In „Blau“ wird die Bedeutung und der Sinn von Freiheit symbolisiert, definiert und hinterfragt. Wie viel Freiheit aushaltbar und von Nutzen sei, ist die elementare Frage, die Kieslowski stellt und in einer außerordentlichen Natürlichkeit künstlerischer Finesse zu beantworten versucht. Eine farblich perfekt angepasste Stimmung wird durch die herausragende Kameraarbeit von Sławomir Idziak erschaffen und durch clevere Schnitte und Schwarzblenden verstärkt, der Spannung und nicht des Zeitsprungs auf genialste Art dienend. Juliette Binoche spielt mit unglaublicher Authentizität eine Frau, die Mann und Tochter verliert und damit aus ihrem schutz- und rahmengebenden Leben gerissen wird. Ihre Trauer ist emotionslos, so fest sitzt diese in Mark und Bein. Sie intensiviert ihren persönlichen Anarchismus, indem sie versucht eine neue Existenz aufzubauen, aber nicht aus den Ruinen ihrer selbst, sondern in Folge einer imaginären Neugeburt. Um ihre Erinnerung an das frühere Leben komplett zu löschen, sämtliche Assoziationen an jenes grundsätzlich zu vermeiden, zieht sie in eine neue Wohnung in Paris, vernichtet nicht vollendete Arbeit ihres Mannes, eines populären Komponisten, und nimmt wenigstens inoffiziell ihren Mädchennamen an. Ihre Welt mindert sich auf Banalitäten und Verdrängung, sie hat dabei aber die vollkommene Freiheit. Freiheit, zu tun und lassen, was und wie sie will. Repräsentativ dafür ist eine Sequenz in einem Café: Ein Freund ihres Mannes, der sie liebt und dessen Zuneigung sie für eine einmalige Befriedigung ihres Sexualtriebs benutzte, findet sie nach tagelanger Suche und setzt sich zu ihr an den Tisch. Sie bleibt kalt, sich seiner Liebe bewusst und schickt ihn weg. Die Kamera fängt danach eine Detailaufnahme ein, in der sich ein Zuckerwürfel mit Kaffee vollsaugt. Kieslowski will damit ihre Interessenlosigkeit und Konzentration auf Nichtigkeiten in Folge ihrer Selbsteingrenzung zeigen. Doch ihrem Verdrängen folgt kein Vergessen. Draußen spielt ein Strassenmusiker eine Melodie, die einer Melodie aus dem vernichteten Material ihres Mannes exakt gleicht, welches der Musiker mit Sicherheit niemals kennen konnte. Sofort schießt es Julie in den Kopf, wie, als ob ihr Erinnerungsvermögen einen verzweifelten Existenzschrei bestehend aus Memoiren durch ihr Gehirn jagen würde. Kieślowski beschrieb diese Szene in einem Interview als Ausdruck einer seiner Obsessionen, seelische und gedankliche Menschenverbundenheit zu beweisen. „Blau“ macht deutlich, wie diese stets vom Menschen geforderte, absolute Freiheit immer in einem gewissen Grade von Gedanken, Erinnerungen, Traumata, Träume, Ziele, Erfahrungen, Ethos und Kultur determiniert ist. Die Haushilfe Marie fragt hierzu weinerlich das Entscheidende: "Wie soll man nur vergessen?" Denn nur das Vergessen birgt die Möglichkeit praktisch anwendbarer, absoluter Freiheit. Und da stellt sich die Frage: Macht Freiheit wirklich „frei“?
„Johnny Get Your Gun“ lautete vor dem ersten Weltkrieg der Aufruf der amerikanischen Armee an junge Männer, die sich freiwillig melden sollten, um für Demokratie zu kämpfen. Wunderbar sarkastisch, sowie melancholisch betitelte 1939 Dalton Trumbo seinen Roman „Johnny Got His Gun“, den er 1971 mit seiner einzigen Regiearbeit selbst verfilmte und dessen Inhalt auch auf eigenen Erfahrungen basierten. Der Drehbuchautor mit Hang zum Kommunismus schuf damit einen Meilenstein von Antikriegsfilm, so schockierend und real, dass man sich als Zuschauer glücklich schätzt, nicht selbst an der Ausweglosigkeit des jungen Johnny zu krepieren. Trumbo setzt Vergangenheit, Erinnerung und Halluzination eskapistisch in Farbe ein, als Ausdruck des menschlichen Überlebenswillen. Für die Gegenwart streicht er jegliche farbige Sättigung, allgemein herrscht viel Dunkelheit und Grauen in den Aufnahmen, verstärkt durch zahlreiche froschperspektivischen Aufnahmen aus Johnny‘s Sicht. Dieser liegt taubstumm, blind und ohne Extrema in einem Krankenbett, reduziert auf seine Existenz als menschliches Wunder, das absolut streng vertraulich gekennzeichnet und ohne wirkliche moralische Berechtigung am Leben gehalten wird. Manchmal scheint es so, als wäre jeder Tag gleich, doch dann werden durch raffinierte Schnitte Zeitabstände deutlich gemacht. Johnny versucht zu verstehen, rezipieren, kommunizieren und leben. Allerdings schwindet seine naive Hoffnung und wandelt sich in den Wunsch zum Freitod. Trumbo schafft es bemerkenswert gut, seine pazifistische Botschaft in Bildern auszudrücken, was er vor allem durch die clevere Kombination aus Vergangenheit und Träumen sowie Vergangenheit und Gegenwart erreicht. Alles ist miteinander verwoben und keine Einstellung umsonst, weder für den Inhalt, noch für die Wirkung des Gesehenen. Besonders hervorzuheben sind die Dialoge mit Johnny‘s Vater, die mich mit einer besonderen Authentizität tief im Herzen berührten und den Kontext erheblich verständlicher machten. Ein wirklicher Antikriegsfilm ohne (unabsichtliche) Glorifizierungsmöglichkeit, der kaum besser die Sinnlosigkeit eines Krieges darstellen könnte. „‘Johnny zieht in den Krieg‘ hat mir außerordentlich gut gefallen. Der Film besitzt dieselbe Kraft wie der Roman, er hat dieselbe aufwühlende Wirkung und Momente von sehr großer, starker Emotion. Der Eindruck, den der Film bei mir hinterlassen hat, ist einer der stärksten, die ich je empfunden habe.“ - Luis Buñuel. Da hat er wohl eindeutig Recht.
Ein bisschen wie in Tarkovsky-Filmen wird in „Valhalla Rising“ mit einer ausschweifenden Bewegungslosigkeit eine relative Zumutbarkeit erreicht. Diese schwankt von Zuschauer zu Zuschauer: Menschen, die sowohl am Naturalismus als auch an nordischer Mythologie Gefallen finden, werden es auch hier tun; Menschen, denen Wortkargheit und im Sekundenstil behandelte Bilder nicht zusagen, werden ihren Hass offenkundig aussprechen. Weite Panoramaaufnahmen verleihen der ergreifenden Mystik skandinavischer Regionen einen entscheidenden, distanzierten, kalten Touch. Kamera, Belichtung und Nebel erzeugen eine äußerst bedrohliche, triste Landschaft und Poesie. Inmitten dieser befindet sich One-Eye, ein gefangener Krieger aus der Hölle (im Orginalton möglicherweise ein homophones Wortspiel: entweder „hell“ oder „hel“, die Unterwelt der nordischen Mythologie), wie es sein einziger Freund behauptet, ein kleiner Junge, der ihm Wasser und Nahrung bringt. Unglaublich, was Mikkelsen ausschließlich durch Mimik und Gestik vermittelt - das ist ganz große Kunst. Sein Charakter weist etliche Parallelen zur Götterhoheit Odin auf, sei es die Wunde an der Brust, sei es seine Unbezwingbarkeit in den Kämpfen, zu denen er gezwungen wird, sei es seine Einäugigkeit, die jener im Tausch gegen die Weisheit erlangte oder sei es seine übermenschliche Fähigkeit für Visionen. Ihm gelingt es, sich zu befreien und er entledigt sich zugleich brutal seiner Peiniger. Allein den Jungen verschont er. In seiner weiteren Reise in Richtung Walhalla, dem Ruheort der glorreichen Krieger, brodelt es immer wieder von brachialer Gewalt, eingetaucht in einer poetisch düsteren und religiösen Stimmung, aber auch von einer Prise Groteske. Refn beeindruckt mit diesem Kunstfilm, spaltet Köpfe und Zuschauer, aber dies in einer stilsicheren Art und Weise voller Authentizität. Keine Sekunde lang kommt Zweifel am Gesehenen auf, obwohl dieses aufgrund seines eigenwilligen Mythos‘ und seiner faszinierenden Wirkung durchaus als surreal und irritierend aufgefasst werden kann, weil sich Traum-/Visionsequenzen, die wirklich ein optischer Genuss voller bevorstehender Wahrheit sind, konträr in die Erzählhaltung eingliedern. Wie eine Irrfahrt, angesiedelt in einer Fusion aus Himmel und Hölle, wie eine Reise innerer Handlung, die auf die Bilder nach außen hin projiziert wird.
Fleischer. Das wäre vielleicht kein schlechter Beruf für Ruben, denn wenn er die Körper teilt und schlachtet, beweist er Talent. Aber herausragendes Talent für Inszenierung von Filmen blieb dem Amerikaner mit scheinbar deutschen Wurzeln eher verwehrt, weswegen er sich in die zahllose Reihe der für mich eher belanglosen Filmemacher stellen kann. Nach dem einigermaßen lustigen Zer“fleischen“ von Zombies in „Zombieland“ versucht er mit „Gangster Squad“ einen coolen und imposanten Gangsterfilm im Ende-1940er-LA-Feeling zu kreieren. Leider scheitert er offensichtlich daran, um es prägnant auszudrücken.
Klischees und nur kurz angerissene, stereotype Figuren werden auf der „guten“ Seite konstruiert (Ein Afroamerikaner, ein Mexikaner, ein Revolverheld, ein Wanzen-Freak - laaaangweilig, da diese künstliche Repräsentantentruppe der USA langsam nervt und nicht an Tiefe gewinnt). Neben ihnen agieren Sprücheklopfercop Ryan Gosling und Josh Brolin als ein Veteran-Sergeant, dessen typisch amerikanisches, unerschütterliches Pflichtbewusstsein den Film vorantreibt. Beide geben dabei eine solide Leistungen ab. Im Gegensatz dazu ist Emma Stone so unglaublich schlecht in Szene gesetzt, das man glatt vergisst, dass sie existiert. Sie wird auf wenige uninteressante Szenen mit Gosling reduziert und spielt dabei vollkommen austauschbar und ziellos. Auf der anderen Seite befindet sich quasi ein einziger Mann: Sean Penn als Mobster Mickey Cohen. Lächerlich wirkt seine Maske, sein Schauspiel passt aber. Der Rest der Mafiosi wird entweder abgeschossen oder befindet sich außerhalb der Relevanz. Und das ist der entscheidende, mehrfach angedeutete Grund, wieso Fleischer nicht mehr erreicht, als durchaus sehenswerte Optik mit einer guten Kamera bzw. gutem Schnitt: Die mangelnde Charaktertiefe, resultierend aus dem mäßigen Drehbuch führt die Darsteller zur allgemeinen Belanglosigkeit und damit zu meinem reinen Desinteresse. So wird nicht das Ziel einer atemberaubenden Coolness erreicht, sondern eine lästige Pseudocoolness, die sich vor allem in den peinlichen Möchtegerndialogen zeigt. Bei diesem Film wird mir wieder klar, wieso nur Quentin Tarantino das Talent besitzt, Gewalt, glorreiche Dialoge und optischen Stil erfolgreich zu kombinieren: Seine Filme besitzen eine anziehende und einbindende Atmosphäre.
Tarantino trifft mal wieder mitten ins Bullseye! So geht das, wenn man sowohl die konventionelle Masse als auch die eher spezifischen Zuschauer an Land holen will. Er erreicht es durch eine unnachahmbare Atmosphäre, die zum Einem auf einem Mix aus sorgfältig ausgewählten Westernsoundtracks und neuen Liedern basiert, die sich perfekt ergänzen. Die Musik wird Teil des Bildes, unterstützt maßgeblich die faszinierende Erfahrung. Zum Anderen strotzen die typischen Tarantino-Dialoge, die niemals überzogen wirken, von einer natürlichen Lässigkeit. Das Drehbuch ist klasse und ich finde, dass Tarantino alles richtig gemacht hat, und das gilt auch für die letzte halbe Stunde, die hier so viele kritisieren. Die Umsetzung dessen ist wie gewohnt stilsicher inszeniert und bedient aufgrund zahlreicher Zitate bzw. Hommagen und makaberer, schwarzhumoriger Szenen sowohl alt und jung, Filmkenner als auch die neueren Generationen. Ebenso gekonnt ist das Schauspiel, eine weitere große Komponente, die diesen gewissen Flair bei Tarantino-Filmen ausmacht. Alle Hauptdarsteller agieren grandios, allen voran Christoph Waltz, der hierfür seinen zweiten Oscar mehr als verdient hätte. Auch DiCaprio überzeugt mich voll und ganz (keine Ahnung was hier manche für einen anderen Film gesehen haben?).
Der Film kam in die Kritik, er übertreibe mit der Darstellung weißer, rassistischer Amerikaner, was ich allerdings arg bezweifle und mir selbst nur als Euphemismus erkläre. Außerdem ist der Film in seiner Gesamtheit geradezu prädestiniert, solch eine Historie in einem vielleicht leicht überzogenem Maße an Wahrhaftigkeit zu verarbeiten, um vor allem den amerikanischen Bürgern eine eindeutige Schuldlast bewusst zu machen. Das kann er, weil er trotz aller lustigen Szenen eine gesunde Ernsthaftigkeit des Themas bewahrt. Was ich abschließend noch anmerken und feststellen will: "Django Unchained" ist das exakte Gegenteil von rassistisch und jeder, der etwas anderes behauptet, tut mir ernsthaft Leid.
Mund auf - und rein damit! Vollkommen überzogen und grotesk frisst sich das Werk in die Absurdität voran. Ununterbrochen wird nicht nur dekadent gefressen, ununterbrochen werden Konventionen gebrochen und man stelle sich hierbei die Reaktionen aus dem Jahre 1973 vor, als es noch so etwas wie fühlbare Grenzen der Geschmacklosigkeit gab. Marco Ferreri hobelt diese satirisch, gesellschaftskritisch und anarchisch aus. Die vier Protagonisten Michel Piccoli, Philippe Noiret, Marcello Mastroianni und Ugo Tognazzi spielen fabelhaft und man stelle sich erneut vor, die besten und populärsten Schauspieler unserer Zeit, zu denen Piccoli, Noiret und Mastroianni damals zählten, agierten heute äquivalent in einem ebensolchen Skandalfilm. Dieses Szenario würde wohl kaum entstehen und gerade das zeigt, wie stark, mutig und respektabel die Leistung der Akteure in „La Grande Bouffe“ ist. Zugleich erfordert es ein hohes Maß an künstlerischer Gleichgültigkeit: Schauspiel für die Kunst und nicht Schauspiel für Geld oder das eigene Ansehen. Unterstrichen wird jene durch die Namensgebung, da alle vier plus die Grundschullehrerin (Andréa Ferréol) ihre richtigen Vornamen im Film beibehalten. Im Prinzip kann ich eine negative Meinungsbildung aufgrund perverser und abartiger Tendenzen des Films nachvollziehen, die aber nur einen Teil des Gesamten darstellen. Ferreris Werk ist nicht nur ein grandioser Mundöffner (egal ob zum Essen oder Staunen), sondern ein wirklicher Augenöffner zur Entlarvung der dekadenten (schein-)luxuriösen Konsumgesellschaft, deren Mund nicht offen genug sein kann und wortwörtlich solange frisst, bis sie nicht mehr kann.
Habe Heute einen Teil von Triumph des Willens gesehen plus ein Interview aus den 90ern mit dieser unwiderstehlichen Dame. Unglaublich, wie unsympathisch und falsch sie ist, ihre Ausreden und Argumente sind so inhaltslos und lächerlich. Boah, werd ich da aggressiv!!!!! -.-
Jetzt das dritte mal gesehen (diesmal auf Bluray), und schwupp da sind es doch 9 Punkte statt 7. Starke Kameraleistung und beeindruckende Ästhetik. Nicolas Winding Refn inszeniert gekonnt und stilvoll einen mit genialem Sound unterlegten Gangsterfilm mit einem sehr gut spielenden Ryan Gosling. Alle Schauspieler spielen überzeugend, die Atmosphäre ist einfangend und wirkt träumerisch. Interessant bleibt als Randbemerkung, dass weder der Drehbuchautor des Films Hossein Amini noch Refn normalerweise mit dem Auto fahren. Zum Glück stellt "Drive" aufgrund seines Erfolges bei Kritikern und der Masse nun einen Gegenpol zu "Fast and The Furious (Teil 1-1000)" oder der "Transporter"-Reihe dar und zeigt, dass man mit Autos in Filmen nicht unbedingt gleich hirnloses, ultramännliches, pseudoimponierendes Cruisen mit 400 km/h assoziieren muss.
Eine Ode an die Öde,
Kompromisslos langweilig wird die ohnehin schon höhepunktarme Geschichte einer ostdeutschen Ärztin namens Barbara wiedergegeben, die nach einem Ausreiseantrag strafversetzt wird. Sie ist hin und her gerissen zwischen der möglichen Ausreise und ihrem/ihrer Verantwortungsbewusstsein/Empathie gegenüber ihren Patienten. Auch ihr Arztkollege, dessen ständige, schlechte Ranmachungsversuche übrigens extrem nerven, steigert diese innere Unsicherheit. Weder die Schauspieler überzeugen mich, noch berührt mich Irgendetwas in diesem kühlem, pseudointellektuellem Film.
Die Orpheus-Interpretation von Cocteau aus dem Jahre 1950 hat sehr gute Momente, schwächelt aber gleichzeitig auch an anderen Stellen. Die Kameraführung und -perspektiven sind interessant, allein die Spiegelszene (wie auf dem Cover zu sehen) ist unglaublich ästhetisch. Die Effekte sind gut eingesetzt und die Inszenierung der Unterweltszenen hat mir besonders gefallen. Dennoch kommt ab und an die Langeweile und das Unverständnis angekrochen, weil der Film nicht stringent und flüssig wirkt. Die eigentliche Handlung verliert sich teilweise und ist manchmal wirr/unverständlich zusammengeschnitten. Beispielsweise wird erklärt, dass Orpheus von den Sätzen, die ihm per Autoradio zukommen, fasziniert ist, man sieht ihn pausenlos dort sitzen und die Sachen aufschreiben, ohne dass der Bezug zur Handlung bzw. die Motivation evident gemacht wird. Außerdem hätte ich mir als Mythologiefan mehr Präzision im Handlungsverlauf gewünscht. Schade ist auch, dass man Orpheus kein einziges mal musizieren hört, was ja ursprünglich sein herausragendes Talent darstellt. Trotz der kritisierten Seite, bleibt "Orphée" als eine moderne Interpretation einer antiken Sage ein sehenswertes und kreatives Werk.
Schwachsinn. Unglaublich spannender und intelligenter Film.
Wie konnte ich zuvor nur 9,5 Punkte an dieses perfekte Meisterwerk verteilen?
Meisterliche Leistung in jeder Hinsicht. Epische, absolute - ohne wenn und aber - Genialität. Unheimlich unheimlich und penetrant spannend wird eine kaum begreifbare Geschichte in Los Angeles erzählt, dessen Stränge in sich miteinander verwebt und gleichzeitig kontrastiert sind. Ohne Beginn und ohne Ende, ein teuflischer Kreis der Schattenseite von Hollywood. Und worum geht es? Abgründe in der Masse, Illusionen als Zeuge unserer naiven Manipulierbarkeit, Träume, Erfolg und Eifersucht. Bei Lynch geht es nicht immer nur darum, was es ist, was man sieht, sondern wie man die Ereignisse verknüpft und vor allem, WIE man sie sieht. Die Beschattung der Lichter und die fast schon unmenschliche Kamera gewähren dem Zuschauer keine ruhige Minute, weil sie paranoide Ängste hervorrufen können und sich in meinem Fall dutzende Schweißperlen aus meinem Körper holen. Wie ein Angriff auf Psyche und Physis peitscht mich allein das Verlangen nach dem erlösenden Grund voran, ich falle und steige zusammen mit den beiden exzellent aufspielenden Protagonistinnen Naomi Watts und Laura Harring, gefangen in der Unendlichkeit des Seins, getragen von sinusartigen Wellen, die ihre Extrema weit über dem menschlichen Verstand haben. David Lynch selbst sagte, der Mulholland Drive sei für ihn eine Straße der Träume, was den Film perfekt beschreibt: von vorne bis hinten und von hinten bis vorne surreal, wie ein Traum, den man wohl sein Leben nicht mehr vergessen wird. Die endlose Straße führt uns nach LA, die Stadt, in der sich Möglichkeiten in alle Richtungen bewegen können und sie führt uns weg von den Engeln, rein in das gewaltige Verlangen, sofort wieder zurückzufahren und nicht in der Belanglosigkeit zu verweilen, die sich aber nicht nur außerhalb des scheinbaren Paradieses versteckt, sondern gerade aus diesem entsteht. So sehen wir ein Wechselspiel der Welten und Gefühle, der Seelen und der Körper. Wie versuchen zu verstehen, was es nicht zu verstehen gibt und realisieren, dass wir alle auf dem Mulholland Drive fahren und dass es dabei vollkommen egal ist, in welche Richtung.
Überwältigend.
Stanley Kubrick ist wirklich so ein Genie, wie immer behauptet wird. Für dieses MEISTERWERK braucht man neue Superlative, denn alle bisherigen wären eine reine Untertreibung. Jede Szene ist ein Kunstwerk für sich, jedes eingefangene Bild ein Gemälde. Wie perfekt und genial ist das bitte? Genauso, wie die musikalische Untermalung: Pure Gänsehaut durch Strauß, Strauss, Ligeti, usw. Der Plot des Sci-Fi-Spektakels ist hochgradig philosophisch und das mit Niveau. Besser kann man nicht eine anziehende Atmosphäre erzeugen, besser kann man den Zuschauer nicht involvieren, besser kann man einen Menschen nicht dazu bringen, vor mentaler Überforderung das Gesehene kaum verarbeiten zu können.
"Festen" ist ein Film für Fans der Grotesk. Von Anfang an zieht sich ein roter Faden der bizarren Unvorhersehbarkeit durch die gesamte Handlung. Mit einer unglaublich realistischen und naturalistischen Erzählsweise schockiert er zunehmend den Zuschauer. Alle Darsteller spielen absolut perfekt, besonders das Schauspiel der Hauptdarsteller Christian (Ulrich Thomsen) und seines Vaters Helge (Henning Moritzen) sind ein Augenschmaus, mir persönlich gefällt auch die Figur des Michaels, Christians Bruder, enorm. Das Ganze wird im Stile eines Amateurvideos grandios von Anthony Dot Mantle abgelichtet, man könnte meinen, man sei ein Gast dieses Fests - und das ist man in gewisser Weise auch. Mantle filmte übrigens auch bei Lars von Triers Meisterwerken "Dogville" und "Antichrist". Alles im Film wird nach dem Dogma 95 Abkommen gemacht, also so natürlich wie möglich. Das hat einen riesigen Reiz für mich, da somit das Schauspiel und der Plot immens an Bedeutung gewinnt. In "Festen" beobachten wir, wie der Halt einer wohlhabenden Familie innerhalb einer einzigen Feier stetig zerfällt, trotz bitterer Eigenverleugnung und unerträglichem Euphemismus'. Geradezu provokant gegenüber dem Zuschauer und unermüdlich scheinen die Verwandten zu sein. Das Wechselspiel zwischen den Kindern und dem Vater ist brillant, auch die zwei Klassengesellschaft innerhalb der Familie spielt eine ungemein hohe Rolle. Zudem gibt es noch unzählige weitere interessante Gestalten, die nur durch kurze Szenen oder Gespräche eine äußerst hohe, repräsentative Charakterzeichnung erhalten. Thomas Vinterberg schafft es, ein Spektakel aus subtiler Satire und verstörender Tragödie zu inszenieren. Das ist einfach großartig und absolut herausragend.
"Seven Psychopaths" nimmt sich keine einzige Sekunde lang ernst. Martin McDonagh's zweiter Spielfilm ist vollkommen absurd, verwirrend und aberwitzig. Zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen Kreativität und Idiotie oszillierend, schöpft der Ire einmal mehr aus seinem höchst dramaturgischen Repertoire. Dabei erschafft er skurrile Situationen und ebenso intelligente wie hirnlose Dialoge. Der Plot ist im nach hinein kaum wiedergebbar, zu komplex und durch ironische Wenden verworren ist das gesamte Konstrukt. Besonders hervorzuheben sind die schauspielerischen Leistungen, anzupreisen der exzellente britische Humor, verkörpert durch Colin Farrell, Sam Rockwell, Woody Harrelson, Christopher Walken und Tom Waits. Allesamt harmonieren sie wunderbar und verkörpern ihre grotesken Figuren in einer so unglaublich authentischen Art und Weise, dass sie Zweifel aufkommen lassen, ob sie die Rollen auch wirklich nur gespielt haben. Ich bin froh, dass der schwarze, makabere Witz einen weiteren Vollführer gefunden hat, der mir das geballte Lachen nicht aus der Nase ziehen muss. McDonagh knüpft nahtlos an den Sprachwitz und die Subtilität von "In Bruges" an, und setzt meiner Meinung nach sogar noch einen drauf. Mehr Unterhaltung für Leute mit Geschmack gibt es wohl kaum!
mit Abstand schwächster Film von Nolan!