SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

  • 9

    [...] Sidney Lumet, der bereits in Serpico ganz und gar meisterhafte aufzeigt, wie sich der unverwüstliche Gerechtigkeitssinn der Hauptfigur in einem privaten wie beruflichen Martyrium entlädt, erzählt auch Prince of the City als innerseelisches Drama. Treat Williams mag kein Al Pacino, dem die Rolle des Daniel Ciello zuerst angeboten wurde, sein, doch man merkt, wie er als Schauspieler mit der Erschöpfung seines Charakters wächst: Zu Anfang noch überzeichnet grinsend, sich auf seiner angeblichen Unantastbarkeit bettend, versteinert die Mimik von Williams von Minute zu Minute zusehends und ergibt nach der fast 170-minütigen Laufzeit das Gesicht eines Mannes, der durch die Hölle gehen musste. Wenn Ciello als nervöses Wrack in einem Sessel sitzt, unfähig, ein normales Gespräch zu führen und die Dosis täglicher Medikamente stetig erhöht, dann dringt Sidney Lumet tief in die psychologischen Verwüstungen dieser ambivalenten Figur vor.

    Prince of the City ist ein Film, der sich in gnadenloser Ausführlichkeit mit den Grundzügen der Moral beschäftigt; der in zermürbender Konzentration aufzeigt, dass es als Polizist keine Individual-, sondern nur eine Kollektivmoral geben kann. Und Ciello möchte sich dem Ethos des Gesetzesdieners wieder annähern, er möchte die Ideale, die ihn einst dazu bewogen haben, sich für diesen Beruf zu entscheiden, rekapitulieren, ist allerdings so tief im Sumpf aus Bestechlichkeit und Opportunismus versackt, dass ihm nur noch die von Paranoia befeuerten Ängste bleiben, jemand könnte ihn enttarnen und kurzerhand umbringen. Ängste, die nicht selten im Suizid enden. Die epische Breite, mit der Sidney Lumet sein Meisterwerk anlegt, fordert dabei die maximale Aufmerksamkeit des Zuschauers ein: Prince of the City entfaltet sich allein über Dialogsequenzen; über ein Protokoll emotionalen (Selbst-)Zerstörung und moralischen Abbitte.

    Ciello möchte Buße für seine Taten tun, deswegen gibt er sich in unzähligen Stunden mit Sonderemittern, dem Finanzamt, den Scharen von Anwälten und ihren Vertretern ab; wälzt sich mit ihnen durch Akten und Tonbandaufnahmen und lässt sich tagtäglich unter Personenschutz stellen, was das Familienleben noch weiter davon abhält, einen Funken Normalität zurückgewinnen zu können. Ciello riskiert alles, um sein Karma-Konto rehabilitieren zu können, zahlt dafür aber den Preis der nervlichen Zertrümmerung, die der Umstand der Vergebung zwangsläufig mit sich bringt. Und Sidney Lumet folgt dieser Zertrümmerung in einer subkutanen Sachlichkeit, die das umfangreiche Porträt eines Menschen, der in der Wahrheit noch nur Lügen fühlt, so lange hat er sich nicht mehr mit dieser befasst, unvergesslich plastisch gestaltet. Die Genauigkeit, mit der hier behördliche wie kriminelle Prozesse kontextualisiert werden, um die Lebensrealität der Figuren greifbar zu machen, wurde danach nur noch im HBO-Meilenstein The Wire erreicht. [...]

    10
    • 8

      [...] Del Toros Fabulier- und Abbildungslust ist auffällig, aber niemals überladen. Pans Labyrinth nutzt den doppeldeutigen Eskapismus, dem der Zuschauer ebenso verfällt wie Ofelia, als narrativen Nährboden, um nicht nur auf die damaligen Verhältnisse eines in sich gespaltenen Spaniens aufmerksam zu machen, sondern erzählt auch mit Sanftmut und Schöpfergeist von der poetischen Schönheit der Weltenflucht. Dass es in diesem Zauberwald, in dem das umwucherte Labyrinth liegt, eben auch Monster gibt, ist natürlich programmatisch. Besonders brennt sich dabei die Szene ein, in der es Ofelia in einem mit reich gedeckter Tafel ausgestatteten Gewölbe mit einem kinderfressenden Ungeheuer zu bekommt, dessen Augäpfel in die Handflächen eingesetzt werden – auch dieser gestalterische Umstand verweist darauf, wie sehr sich Ofelia dagegen sträubt, sehen zu wollen, letztlich aber keine andere Wahl besitzt.

      Und an diesem Punkt, dem Punkt des alternativlosen Hinsehens, offenbart Pans Labyrinth sein gesamtes, nahezu traumwandlerisches Potenzial, wenn sich Ofelia an einem verwunschenen Ort ihrem Stiefvater stellen muss. Ihm geht es gar nicht so sehr darum, unter den Lebenden zu verweilen, es geht ihm nur um die Sicherheit, dass seine Blutlinie fortgesetzt wird – eine Blutlinie, deren symbolischer Wert sich über eine Taschenuhr ausgedrückt sieht, die Vidal einst von seinem Vater geschenkt bekommen. Das gleichmäßige Ticken des mechanischen Uhrwerks ist wieder zurück, um im Angesicht der großen Tragik, die Pans Labyrinth eigentlich immer mit sich bringt, stillstehen zu dürfen. Die Erlösung, die dieser Film trotz all dem Grauen in Aussicht stellt, ist, dass das Leben weitergehen kann, auch wenn die Uhren verstummen. An einem anderen Orten, zu einer anderen Zeit. Und schweigt das tickende Uhrwerk, bleibt uns die Unendlichkeit. [...]

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      • 10

        [...] Besonders be- und erdrückend erweist sich die Zeit, in der Michael wieder in Clairton ist und in jeder Minute merkt, dass er eigentlich nie aus Vietnam zurückkehrte. Es gab keine Heimkehr, kein Weitermachen, sondern nur ein Entwurzeln von all dem, was in ihm einst menschlich war und nun nahezu leblos geworden ist. Michael, Nick und Steven wurden in Vietnam ausgeräumt, verheizt, zerstört, zu Abfallprodukten des Krieges verdammt, deren körperliche Verwundungen sicherlich schmerzen, das wahre Grauen aber liegt unter der Oberfläche begraben. Die durch die Hölle gehen beißt sich regelrecht fest in dieser Trümmerlandschaft, die die Gefühlswelt der drei Freunde heute ausmacht und offenbart damit einen Film über die Todessehnsucht, die Ohnmacht, das elendige Verrecken an sich und der Unmöglichkeit, zurück in das Leben zu finden.

        Einen adäquateren Querschnitt durch die Gesellschaft einer langsam vor sich hin vegetierenden Nation sucht man wohl lange Zeit vergebens. Die durch die Hölle gehen ist die Innenansicht eines toten Landes, weil hier nicht nur das Leid der Veteranen thematisiert wird, sondern auch das Leid, welches auf die Freunde, Partner, Verwandte, das gesamte soziale Umfeld dadurch ausgeübt wird: Nicht umsonst darf die amerikanische Flagge nur dann wehen, wenn sie von unzähligen Leichensäcken flankiert wird. Wenn am Ende, nachdem sich Michael noch einmal nach Saigon aufgemacht hat, um seinen alten Freund Nick – beziehungsweise das, was von ihm noch übrig ist – zu retten, im kleinen Kreise God Bless America angestimmt wird, dann hat das nichts Hymnisches, nichts Pathetisches. Es ist nur der Versuch, sich gegenseitig Trost zu spenden, obgleich sich alle in dem Bewusstsein darüber sind, dass man sich damit nur bitteren Illusionen hingibt. [...]

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        • 8

          [...] Für Swofford und seine Kameraden aber wird das Ausrücken nach Kuwait vor allem eine Sache: Ein explosiver Nervenkrieg, der den äußeren Krieg vollkommen überdeckt. Nachdem man sich monatelang hat erniedrigen lassen, sich der zermürbenden Drill-Prozedur gestellt hat, um noch ein wenig Ablenkung von dem Gedanken zu haben, dass die eigene Freundin sich einen anderen Typen geangelt hat, ist die Zeit in der Wüste ein einziges Ausharren, Langweilen, Vertrocknen. Verquere sportliche Ertüchtigung in voller ABC-Montur auf der einen Seite, abwarten, ausdörren, durchdrehen auf der anderen Seite. Die Gruppendynamik gerät zusehends in ein Ungleichgewicht aus freundschaftlichem Zusammenhalt und hochentzündlicher Unberechenbarkeit. Der Krieg in Jarhead – Willkommen im Dreck ist eine introspektive Zerreißprobe. In der Ferne schlagen Bomben ein, im Kopf kreisen die Gedanken an das untreue Mädchen in der Heimat.

          Mit der konzentrierten Menschenkenntnis, die Sam Mendes bereits in American Beauty hochdekorierte Preise einbrachte und später auch im famosen Zeiten des Aufruhrs auszeichnen wird, untersucht der Engländer die Wesensart des Soldatentum und stößt auf Ambivalenzen, Widersprüchlichkeiten, Diskrepanzen. Jarhead – Willkommen im Dreck ist keine Anklage an den Golfkrieg und seine politischen wie militärischen Mechanismen, sondern eine Anklage an den Krieg per se, die hier nicht belehrend, sondern mit beißender Ironie und gleichzeitig bedrückender Bodenhaftung vonstattengeht. Sam Mendes deckt Zweifel, Panik, Desillusion und seelische Verletzungen ebenso präzise auf, wie er den Glauben an das Handeln des Marines dokumentiert: Und dieser Glaube muss nicht plakativ hinterfragt werden, weil Mendes weiß, dass die Grundpfeiler des Soldatentums bereits von fragwürdigen Werten, fehlgeleitetem Idealismus und nicht zuletzt gesellschaftlicher Alternativlosigkeit gesäumt sind. Viele Männer sind hier, weil sie nirgendwo sonst eine Chance hätten.

          Anthony Swofford, auf dessen Autobiographie Jarhead – Willkommen im Dreck teilweise basiert, ist für den Film indes der idealen Protagonist, um die Zerrissenheit der Soldaten inmitten der Kluft von Individualität und Kollektivität zum Ausdruck zu bringen. Auch er hat sich vom Drill anstecken lassen, in seiner Brust pocht die Gier, zum Schuss zu kommen. Gleichwohl ist ihm aber bewusst, dass das Beschwören einer heiligen Bindung zum Gewehr; dass die Gegenwart in der kuweitischen Einöde; dass die Teilnahme an der Mutter aller Kriegen, wie Saddam Hussein den zweiten Golfkrieg nannte, nichts von Bedeutung sein kann. Und das ist es auch nicht. Es ist eine Qual, ein einziges, unaufhörliches Leiden, welches sich über das ganze Leben hinauszieht: Einmal in Berührung mit einem Gewehr gekommen, vergisst man dieses Gefühl nie wieder. Man bleibt für immer in der Wüste, hilflos, von Anspannung bis zum Scheitel verstaut – ein menschliches Schraubglas, das nicht mehr ist, als ein leeres Gefäß. Jeder Krieg ist anders, jeder Krieg ist gleich. [...]

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          • 5
            SoulReaver: FILMSTARTS.de 13.07.2018, 21:14 Geändert 16.07.2018, 15:03

            [...] Dabei besitzt Der Wixxer auch einige gelungene Einfälle hinsichtlich des visuellen und situativen Witzes: Allein die Umsetzung von Blackwhitecastle darf sich auch noch nach der mehrmaligen Sichtung als amüsante wie clevere Idee bezeichnen lassen, gehen doch in der Gegenüberstellung der kolorierten und schwarz-weißen Ästhetik Brauchtum und Moderne Hand in Hand – so wie es sich Kalkofe und Co. wohl auch für ihren Film gewünscht haben, der ältere und jüngere Semester gleichermaßen begeistern sollte. Leider aber verliert sich Der Wixxer zu oft im demonstrativen Referenzieren, was dem Film das organische, in seinen Anachronismen selbstverständliche Gefühl raubt und es durch ein ungemein penetrantes Posen austauscht. Unterhaltsam aber ist der Spoof-Flic dennoch, doch um das engmaschige Traditionsbewusstsein hinterfragen zu können, muss er sich erst einmal von seinen nostalgischen Zwängen befreien. [...]

            6
            • 5

              [...] Es dauert kaum eine halbe Stunde, bis sich Black Hawk Down bereits im Eskalationsmodus befindet und dem Zuschauer ein unaufhörliches Kugelgewitter um die Ohren peitschen lässt. Angenehmerweise verzichtet Ridley Scott größtenteils darauf, seine prominente Besetzung über ihren Star-Appeal in Szene zu setzen: Josh Hartnett (Pearl Harbor), Ewan McGregor (Cassandras Traum), Eric Bana (Hulk), sie alle sind irgendwann nur noch von Schmutz und Blut beschmierte Gesichter, die ausschließlich um das Überleben kämpfen. Wenn in Black Hawk Down das Chaos regiert, dann gelingt es Scott durchaus, aufzuzeigen, dass es in derlei Extremlagen tatsächlich keinen Grund mehr gibt, sich Gedanken um Politik zu machen, was die intellektuell entschlackte stilistische und erzählerische Ausrichtung dieses Filmes fast schon für logisch erklärt, würde er sich über die gesamte Laufzeit diesen flirrenden Charakter der (Kriegs-)Grausamkeit bewahren. [...]

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              • 6 .5

                [...] Es ist die Individualmoral, die dem Ethos des Farmers entspricht, die Menschen am Fluss in den höchsten Tönen preist. Obgleich sich Mark Rydell zweifelsohne stimmungsvoll und mit guten Schauspielern gewappnet über die soziale Realität der Landarbeiter auslässt, ihre Existenzängste artikuliert und aufzeigt, dass so ein Generationen- und Familienbetrieb, wie Tom ihn führt, eben auch oftmals mit der Weitergabe jahrzehntelanger Lasten verbunden ist. Missernten, Überflutungen, beschädigte Maschinen und ein Arbeitsaufwand, der sich rund um die Uhr erstreckt. Tom ist in diesen ewig-mühseligen Aufwand hineingeboren, aber, auch wenn seine Frau Gedanken des Ausbruchs formuliert, wird er dieses Dasein niemals aufgeben. Mag Menschen am Fluss schlussendlich auch erbaulich gemeint sein, dieser Gesang auf das Durchhaltevermögen und die Solidarität ist auch ein (leises) Hinterfragen von vererbten Zwängen, Pflichten, Bürden. [...]

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                • 2 .5

                  [...] Antoine Fuqua hingegen entscheidet sich dafür, den harten Schwa...den starken Oberarm Amerikas bis zur Besinnungslosigkeit aufzupumpen, um Tränen der Sonne zur fast schon mythisch überhöhten Kraftdemonstration der alleinigen Weltpolizei aufschwingen zu lassen: Es geht hier nicht darum, wofür sich die NAVY SEALs einsetzen. Es geht darum, wie sie es tun und dass sie es tun. Mit weltfremdem Egoismus und dem unaufhörlichen Drang, die Großmacht-Imagepflege auf Hochglanz zu polieren, wird der Hintergrund eines bestialischen Bürgerkriegs zur Projektionsfläche amerikanischen Edelmuts. Frei von Grauzonen bleibt den westlichen Soldaten nichts anderes übrig, als sich jenseits aller Bedenken für die Sache zu opfern (obwohl, wie unzählige Male erwähnt, es gar nicht ihr Krieg ist – echte Samariter eben), während die radikale Moslem-Meute als amorphe Masse diabolischer Marodeure auftritt, die Frauen sogar die Brüste abschneiden, nachdem sie sie vergewaltigt haben. Saubande!

                  Dass Antoine Fuqua ein begnadeter Handwerker ist, schlägt sich indes in den tadellosen Fotografien des Filmes nieder: Als wäre es Tränen der Sonne eigentlich nicht scheißegal, wo er spielen würde, wirkt es zuweilen schon gewollt, dass der Dschungel keinen Charakter besitzt. Er ist toxisch, er ist zersetzend, er ist irreal. Und wenn zu den Schusswaffen gegriffen wird, dann poltert es dermaßen gekonnt und wuchtig, dass Tränen der Sonne womöglich sogar als Exploiter durchgehen hätte können, wenn Fuqua nicht ständig mit seinem Schnuffeltuch mit Stars-n-Stripes-Aufdruck gekuschelt hätte. Obgleich sich die Soldaten durchaus ergriffen angesichts des elendigen Massenmordens zeigen, positioniert der Film sich niemals gegen den Krieg. Im Endeffekt heißt er ihn sogar für gut, denn: Wenn der Rest der Welt mal wieder wegschaut, dürfen die Vereinigten Staaten unter Beweis stellen, wer den Längsten hat. [...]

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                  • 5
                    • 6 .5
                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 25.06.2018, 19:14 Geändert 25.06.2018, 19:15

                      [...] Man kann das freilich als Stilmittel sehen, welches ironische Bruchstellen manifestieren soll. Man kann aber auch weitergehen und die Masken-Täter durch den musikalischen Einsatz in einer Art Anklage einsortierten: Das sind die Kinder Amerikas. Das sind die Kinder, die ihr geschaffen habt. Kinder, die nicht wissen, was sie tun; Kinder, die nur tun, weil es ihrem Naturell entspricht. Durch das weitere Einspielen von Klassikern der 1980er Jahre, mit Vorliebe Bonnie Tyler und ihre anbetungswürdige Schmalzballade Total Eclipse of the Heart, führt sich dieser Gedanke fort: Die anerzogene Gewalt ist genauso geläufig wie die (längst überhörten) Hits aus der Radio-Rotation. Die Gewalt hat sich verselbständigt, sie wird nicht mehr geplant, sie wird nur noch ausgeführt. Keine Logik, keine Reflexion, nur noch die Gewohnheit. Die Regelmäßigkeit. Die gängige Tretmühle aus Bestialität und Abstumpfung. [...]

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                      • 7
                        SoulReaver: FILMSTARTS.de 21.06.2018, 22:49 Geändert 25.06.2018, 19:16

                        [...] Kristen und James wissen, dass sie Opfer eines sadistischen (Todes-)Spiels geworden sind, aber sie wissen einenn Großteil des Terrorszenarios nicht, wo sich das Trio mit den ausdruckslosen Masken gerade befindet. Sie agieren als Silhouetten in der Tiefe des Bildes, als allgegenwärtige Schemen der Bedrängung. Und genau darauf, auf diese beklemmende Gefühlswelt, konzentriert sich die stilsichere Regie seitens Bertino: Er reduziert das Geschehen auf das Wesentliche, The Strangers besteht allein aus ungefilterter, plastischer Panik. Das Unwohlsein, welches man als Zuschauer während der Sichtung des Filmes empfindet, kulminiert schließlich im ultimativen Horror, wenn Bertino auf die Nicht-Logik der Gewalt hinweist. Nichts ist schlimmer, als ohne jede Motivation vergossenes Blut. Der Zuschauer kann nicht verstehen, er kann nur hinnehmen und hoffen, dass es das nächste Mal nicht ihn trifft. Was für ein schrecklicher Gedanke. [...]

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                        • 6 .5

                          Die Begegnung mit Khan hat tiefe Wunden (und reichlich Eindruck in der Filmwelt) hinterlassen – die schmerzhafteste von ihnen ist selbstverständlich der emotionale Opfertod von Mr. Spock. Leonard Nimoy, der nach dem Ableben des ikonengleichen Vulkaniers nun Zeit hatte, den Regiestuhl zu beziehen, führt den Zuschauer geradewegs in das klaffende Trauergespinst, in dem sich die Kernbesetzung der Enterprise nun befindet: Nur logisch erscheint es, dass STAR TREK III mit der Grabrede von Captain Kirk beginnt, in der er noch einmal an die Menschlichkeit seines ergebenen Freundes gemahnt. Als Nachfolgefilm und direkte Fortsetzung, die sich ausschließlich damit beschäftigt, Mr. Spock doch noch irgendwie zurück ins Leben zu rufen, verfällt das dritte Leinwandabenteuer von STAR TRK immer wieder in erzählerische Anwandlungen einer überlangen TV-Episode des Raumschiff Enterprise. Die Suche nach Mr. Spock gestaltet sich mal behäbig, manchmal etwas desorientiert und hin und wieder auch überstürzt, überzeugt aber dennoch durch bisweilen famose Effekte von George-Lucus'-Effekteschmiede, fährt mit grandiosen Bildern auf (die abstürzende Enterprise als flammender Stern) und besitzt einen tollen Endkampf, in dem sich Kirk und Klingone Kruge im apokalyptischen Feuer eines sterbenden Mondes ordentlich auf die Nase poltern. Memorabel aber wird STAR TREK III als Hymne auf den überzeitlichen Wert der Freundschaft. Kirk, der nach den Erfahrungen aus DER ZORN DES KHAN weiser geworden ist, weiß, wann es sich lohnt, allen Verlusten zum Trotz bis an die Grenzen und darüber hinaus zu gehen.

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                          • 4
                            SoulReaver: FILMSTARTS.de 19.06.2018, 12:33 Geändert 19.06.2018, 12:34

                            Da haben es die Jungs nun schon geschafft, sich Freundinnen zu angeln, und dennoch fällt ihnen nichts Besseres ein, als Löcher in die Wand der Damenduschen am Strand zu bohren, um einen flüchtigen Blick auf die entblößten Frauenkörper zu erhaschen. Die große Stärke der ersten beiden Episoden der Kult-Reihe war es, den hormonellen Überdruck der Bande bisweilen hinzunehmen, diesem aber auch die Grenzen aufzuweisen. In Eis am Stiel 3 – Liebeleien aber scheint das Franchise zum ersten Mal vor der omnipräsenten Lüsternheit von Benny, Johnny und Momo zu kapitulieren. Anstatt das bunte Treiben des Trios zu kommentieren, wird es ausgestellt, weihevoll ausgereizt und mündet immer wieder in der Visualisierung pubertärer feuchter Träume: Da darf die Cousine bestiegen, der Klavierlehrerin mal gediegen zwischen die Beine gelangt und zusätzlich ordentlich fremdgerammelt werden. Eis am Stiel wird primitiver und dümmer, die Irrwege der Liebe sind nunmehr Sackgassen der Geilheit. Mit dem Eintreffen der ehemaligen Pornodarstellerin Sybille Rauch allerdings fährt Eis am Stiel mit den bisher amüsantesten Augenblicken der Reihe auf. Obgleich auch das Ende erneut mit einer Lektion für unseren (anscheinend lernresistenten) Benny aufwartet, scheint es unwahrscheinlich, dass diese bis zum nächsten Teil überhaupt Bestand hat. Ab jetzt wird es nur noch lümmelig.

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                            • 6

                              Handfeste Überraschung. Der zweite Teil der Eis am Stiel-Reihe befindet sich nahezu auf Augenhöhe mit dem bereits gelungenen Erstling. Warum? Weil es auch Feste Freundin beherrscht, die Sommerstimmung immer wieder vom kalten Herbstwind heimsuchen zu lassen. Wo auf der einen Seite die pubertäre Hormonübersteuerung reagiert und dementsprechend zelebriert wird, entstehen auf der anderen Seite wunderbar zärtliche Momente menschlicher Zerbrechlichkeit, für die sich zuvorderst Benny und Tammy verantwortlich zeigen. Selten jedenfalls wurde die zerrissene Gefühlswelt Jugendlicher exakter eingefangen, als in der Sequenz, in der sich Benny und Tammy nackt gegenüberstehen, sich in den Arm nehmen und doch jeder für sich allein Tränen vergießt. Ernst genommen werden die Empfindungen der Charaktere hier ohne Frage – und ihre Handlungen werden gezielt verurteilt, wenn sie den Rahmen überspannen (was sie dann tun, wenn Momo mit einem Mädchen nach Hause geht und seine Freunde anschließend nacheinander über sie herfallen lassen möchte). Eis am Stiel allerdings war in der Beschreibung der Lebensrealität der Heranwachsenden immer schon ein nostalgischer Ausstellungsort, der sich von allen äußeren Einflüssen nahezu vollständig abgeschirmt hat. Wenn man diesen Umstand berücksichtigt, dann klappt es auch mit dieser ersten Fortsetzung.

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                              • 6

                                Früher heimlich mit den Händen unter der Bettdecke geguckt, heute endlich nachgeholt und eingesehen, dass der erste Teil ungemein unter dem zelebrierten Pennälergehabe der Nachfolgern leidet. Ansatzweise verleitet auch Eis am Stiel zum Augenverdrehen, hinten raus aber beweist sich der Film als überraschend gefühlvoll und wächst zur seriösen Coming-of-Age-Geschichte heran, die vor allem aufzeigt, dass man mit dem Erwachsenwerden eben auch den Schmerz des Lebens erfährt – und damit auch, dass es zwangsläufig dazu gehört, das Herz gebrochen zu bekommen. Dass Eis am Stiel auch nicht erbaulich, sondern durchaus betroffen und bitter endet, macht ihn tatsächlich sehenswert. Den darf man sich gerne in die Sammlung stellen.

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                                • 4

                                  [...] Hellraiser III hingegen möchte vor allem schneller und lauter sein. Er möchte den Körper nicht mehr als Leinwand und den Willen keinesfalls als Pinsel deuten, sondern nur noch Schmerzen verbreiten, anstatt diese zu untersuchen. Und mit dieser banalen Verfahrensweise leitet Anthony Hickox den Ausverkauf der Hellraiser-Reihe ein: Die Saat der Qual wird nicht mehr gesät, sie wird unter mäßigen Schauspielleistungen, lächerlichen Psychologismen und kreischender Effekthascherei verschüttet. Als Tiefpunkt des Filmes erweisen sich die Einblick in das Seelenleben von Hauptdarstellerin Joey (Terry Farrell, Get a Life!), die im Traum immer wieder den Kriegstod ihres Vaters in Vietnam miterleben muss. Nicht nur sind diese Einschübe mit ihrem seltsamen Dorfpark-Flair unheimlich minderwertig gestaltet, sie nötigen den nunmehr in sich zerrissenen Pinhead auch, zu einer Art Freddy Krueger zu werden, wenn er Träume als neuen Nährboden des Grauens erkennt. [...]

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                                  • 7

                                    [...] Suchte Cliver Barker in Hellraiser – Das Tor zur Hölle noch einen Zugang, die Abgründe seiner Figuren intrinsisch herzuleiten, also das Grauen aus seinen Akteuren herauszutragen, so ist Hellbound - Hellraiser II weitaus effektreicher und audiovisuell vehementer, wenn es darum geht, die Hölle der Zenobiten als ein Labyrinth des menschlichen Geistes zu interpretieren. Tony Randal kehrt die Motive des ersten Teils noch massiver an die Oberfläche, bleibt der ambivalenten Ausdrucksform aber treu, wenn er aufzeigt, dass Angst auch immer mit einem Teil Neugierde korreliert; dass sich Leidenschaft auch immer aus dem brachialen Akt der körperlichen Zerstörung und Deformation ergibt. Erneut vereinen sich Libdo und Destrudo und zerfleischen sich im Wechselspiel aus Hingabe und Verweigerung regelrecht selbst. Diese Sadomaso-Version eines psychosexuellen Gruselkabinetts bleibt weiterhin eine alptraumhafte Grenzerfahrung. [...]

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                                        [...] Herausgekommen ist dabei ein Film, der sich zwar bisweilen thesenhaft gebiert, sein politisches Potenzial aber ungemein fesselnd über die Mechanismen des Spannungskinos entfacht und dabei vor allem aufzeigt, wie es um eine Sozial- und Gesellschaftsstruktur steht, wenn sie das Vertrauen in den Polizeiapparat sowie die Justiz- und die Politorgane verliert. Was bleibt, sind die Massenmedien, die selbstverständlich entscheidenden Einfluss darüber genießen, das Temperament des Volkskörpers aufzuhetzen und abzukühlen. Kristallisationspunkt von Das Syndikat ist ein Überfall des Ganoven Michele Settecamini (Jürgen Drews, Malastrana) auf einen Juwelier, bei dem eine Frau ums Leben gekommen ist, aber kein Raubgut erbeutet wurde. Die Stellschrauben des Wahrnehmungsraumes der Allgemeinheit verweisen auf die Todesstrafe für den Flüchtenden, Kommissar Bertone aber sieht in Michele nur einen willigen Vollstrecker, der auf ein viel größeres Übel verweisen könnte.

                                        Was Das Syndikat den noch folgenden Poliziotteschi (vornehmlich mit dem ikonengleichen Franco Nero besetzt) voraus hat, ist Vanzinas mit Vorbedacht arrangierte Inszenierung: Hier entfesselt sich kein wüster Exploiter, sondern ein politisch-aufgeladener, von konspirativen Umtrieben verschalter Großstadtthriller, der die verstrebten Machtarchitekturen von der Unterwelt bis in die oberste Regierungsinstanz abtastet und sich ob all der (zwischen-)menschliche Entartung frustriert, aber niemals resignativ präsentiert. Irgendjemand wird sich dem düsteren Treiben in den Weg stellen, egal, welcher Preis dafür gezahlt werden muss. Und sicherlich ist auch dies ein wegweisendes Element in Das Syndikat: Die Protagonisten sind keine virilen Helden, sondern bemühen sich dort um Schadensbegrenzung, wo noch ein Funke Zuversicht bestehen könnte. Das System ist schlecht, nicht der Mensch. Es bleibt zu hoffen, dass diese Haltung der Wahrheit entspricht. Wenigstens etwas. [...]

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                                          [...] Und so gerät The 15:17 to Paris zur fast 70-minütigen Exposition, die sich uninspiriert durch die Biografie der Protagonisten fleddert und zusehends bestätigt: Helden muss man nicht Beschwören, ihnen ist der Mut in die Wiege gelegt. Alles klar. Wenn sich das Trio dann noch auf Europareise begibt, scheint Eastwood vollkommen die Beherrschung hinter der Kamera zu verlieren: Da zeichnet er in endlosen Montagen aus dem Tourismus-Katalog nach, wie Stone und Co. in Venedig über die Kanäle schippern, Eis schlecken, Vino saufen, Sightseeing betreiben („Oh, so etwas sieht man Zuhause nicht!“), Mädchen kennenlernen, um dann in Amsterdam noch eine flotte Partynacht im Stroboskoplicht mitzumachen. Das Leben kann so schön sein! Wäre da nicht der Tag, an dem man seiner amerikanischen DNA gerecht werden und seine Ehrenhaftigkeit unter Beweis stellen muss. Wobei, dafür wurde man schließlich geboren!

                                          Im letzten Drittel des Filmes wird dann (endlich) der Thalys-Hochgeschwindigkeitszug bestiegen, obwohl den Jungs im Vorfeld natürlich tunlichst davon abgeraten wurde, nach Paris zu reisen. Paris, pff, was soll an der französischen Hauptstadt schon reizvoll sein? Alle Distinktionsmerkmale jedenfalls scheinen abgearbeitet und unsere Helden endgültig in schillernde Edelmann-Form gegossen worden zu sein, ohne Bruch, ohne Zweifel, ohne Widerstand. Die Auseinandersetzung selbst im Zug inszeniert Clint Eastwood nüchtern, womöglich auch aus dem Grund, weil ihm in den weit mehr als 60 Minuten vorher ohnehin jedwedes Verständnis für atmosphärische Dringlichkeiten abhandengekommen ist. Hauptsache unsere Helden sind ausformuliert, einsatzbereit und gottesfürchtig. Und, meine Güte, das sind sie in dieser schmucklosen, plakativen und unfassbar tendenziösen Hagiographie auch. [...]

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                                            SoulReaver: FILMSTARTS.de 05.06.2018, 12:59 Geändert 11.06.2018, 22:00

                                            [...] Ob James Coburn, Peter Fonda (Flucht aus L.A.) oder Charlie Sheen (Wall Street). Sie alle sind schräg, drüber und dementsprechend daneben. Kaum ernstzunehmen, aber ein echter Blickfang – das Scheitern entfesselt oftmals ungeahnte Möglichkeiten der Selbstverwirklichung wie -Demontage. Ungekrönter König in diesem schauspielerischen Amoklauf aber ist Nicolas Cage (Mandy); jener Nicolas Cage, der zwei Jahre später den Oscar für Leaving Las Vegas – Liebe bis in den Tod gewinnen sollte und sich inzwischen nur noch durch sein Mitwirken in zweit- bis drittklassigen Billigproduktionen einen (zweifelsohne schillernden) Namen macht. Sein Auftritt in Deadfall, hier als kleiner Ganover mit großer Schnauze, aber zählt zweifelsohne zu seinen Sternstunden. Mit Perücke, hervorstechendem Gebiss, falscher Nase und vom Kokainkonsum zusammengekniffenen Augen ergibt sich Cage als psychopathischer Hansdampf in allen Gassen dermaßen hemmungslos in seinem Wahn, dass es ein Fest ist. Muss man gesehen haben. [...]

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                                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 05.06.2018, 12:58 Geändert 11.06.2018, 22:01

                                              [...] Dass Explosiv – Blown Away den weltweiten Sprengstoffexperten gewidmet ist, wie eine Texttafel am Ende des Filmes erklärt, hätte rückführend Vermutungen dahingehend aufwirbeln lassen können, dass sich der Action-Thriller als durch und durch schwülstige Heldenmär präsentiert. Hopkins, Bridges und Jones aber sorgen dafür, dass sich die zweistündige Spielfilmdauer als reines Genre-Vergnügen einstellt. Sicherlich fehlt es dem Drehbuch an ausgereiften Charakteren, um den psychologischen Gehalt der Auseinandersetzung zwischen Dove und Gaerity über den konventionellen Tellerrand herauszubewegen (gerade auch durch ihren historische Ursprung). Wenn die Augen von Dove aber durch eine Explosion im Zentrum der Stadt infernalisch aufleuchten, dann findet Explosiv – Blown Away derart eindringliche Bilder, die gekonnt auf die Abhängigkeits- und Schuldgefühle seiner Figur aufmerksam machen, dass man die Schicksale der Hauptakteure durchaus ernst nehmen kann. [...]

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                                                SoulReaver: FILMSTARTS.de 03.06.2018, 12:08 Geändert 11.06.2018, 22:01

                                                [...] Wenn das (wortwörtliche) Himmelfahrtskommando um Martin und Rudi also von Köln an die Nordsee aufbricht, Banken und Tankstellen überfällt, Polizeiuniformen entwendet und sich einen babyblauen Mercedes 230 SL-Cabrio als Fluchtfahrzeug aneignet, dann lässt Knockin' On Heaven's Door – ganz und gar Genre-Film – jenseits logischer Konstitution den Zufall aufleben. Und dort artikuliert sich Thomas Jahn voller Humor, gerne wüst, aber immer sympathisch. Wenn sich Til Schweiger, dem man in dieser Rolle den Rowdy mit gutem Herzen noch abkauft, und Jan Josef Liefers, dessen nach Leben gierende Augen von einem bisherigen Dasein in Deckung klagen, sich gegenseitig antreiben, diese Reise bis zu ihrem Bestimmungsort zu bringen, dann erklärt Knockin' On Heaven's Door auch: Die Reise ist nicht immer das Ziel. Die Reise aber ist der Grund, warum dieser schönen Geschichte über Freundschaft ein fast schon poetischer Abschluss gelingt. [...]

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                                                  SoulReaver: FILMSTARTS.de 02.06.2018, 23:21 Geändert 11.06.2018, 22:01

                                                  [...] Aber auch diese Freundschaft, ist sie auf der Reise, die Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers begleitet, auch ungemein intensiv und vertraut sein, hält womöglich nicht für immer. Seine Deutlichkeit, die Vergänglichkeit der Dinge, die unser Dasein ausmachen, aufzeigen, gibt Rob Reiners unverwüstlichen Klassiker eine emotionale Strahlkraft, die schlichtweg nicht abklingen möchte. Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers ist kontemplatives Coming-of-Age-Kino, welches sich ausschließlich für den Erfahrungs- und Gefühlshorizont seiner Hauptfiguren interessiert. Die Ode an die Freundschaft ist auch immer ein Kampf mit den eigenen Dämonen; der Sanftmut und die Melancholie, die aus diesem Film hervorgeht, ist auch immer eine Anwandlung der Traurigkeit und Unsicherheit. Mögen die Wege des Schicksals auch unergründlich sein; mag unser aller Tod auch sicher sein – die Erinnerungen bis dahin bleiben. [...]

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