SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Unvergesslich bleibt der Moment, in dem Lee zum ersten Mal die Eckzähne zum Vorschein bringt. Sicherlich ist gebürtige Londoner der Grundstein für den Erfolg und das Gelingen dieses Filmes, weil Lee die Jahrhunderte alte Nachtgestalt konsequent als Architekt unserer Urängste anlegt: Unsichtbar, doch immer anwesend. Ihm gegenüber steht mit Peter Cushing (Krieg der Sterne) ein nicht minder begnadeter Charaktermime, der seinen Vampirjäger Dr. Van Helsing mit intellektueller Ausdrücklichkeit ausstaffiert – und Dracula so zum Duell zweier Giganten des Weltkinos erklärt. Bei all dem schauspielerischen Glanz scheint es zuweilen etwas in Vergessenheit zu geraten, mit welcher schöpferischen Inbrunst die verschiedenen Handlungsschauplätze dieser Schauermär zum Leben erweckt wurden: Da wird aus Pappmasche vornehm erstrahlender und auffällig detaillierter Prunk. An derart haptischem Grusel wird man sich nie sattsehen können. [...]
[...] Stattdessen ist dem Filmemacher erst einmal wichtig, dass die Haare von seinen Schauspielern richtig liegen; dass die historische Garderobe sitzt und das Setting adäquat ausgeleuchtet ist. Goodbye Christopher Robin hätte die Chance gehabt, sich als entschiedener Diskurs über die toxische Gewalt der Popularität einen bedeutungsvollen Platz im Kino des Jahres 2018 zu sichern. Wenn man sich allerdings einmal zu Gemüte führt, wie geschmacklos das Kriegsgeschehen des ersten wie auch des zweiten Weltkrieges hier als Spannungseffekt herangezogen wird, als bloßes Mittel zum Zweck, um die dramatischen Zuspitzungen zu forcieren, dann wird der allumfassende Formalismus sehr deutlich: Hauptsache die Oberfläche glänzt. Die Abgründe, die definitiv darunter lauern, sollen nicht weiter Beachtung finden. Schließlich soll Pu der Bär doch auch weiterhin ein unbefangenes Vergnügen bleiben und nicht mit dunklen Wahrheiten assoziiert werden.
So oder so ähnlich scheint die Intention gewesen zu sein, mit der Simon Curtis dieses durchaus spannende Projekt angegangen ist: Etwas Düsternis im innerfamiliären Zirkel soll erlaubt sein, aber nicht zu viel. Margot Robbie darf sich daher eindimensional als verhärmte Mutter, die keinen sonderlichen Wert auf eine liebevolle Kindererziehung legt, durch den Film grummeln, während Domhnall Gleeson vorerst seine Schreibblockade überwinden möchte und mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen hat (die übrigens geheilt wird, indem er zwei Luftballons zertritt). Danach spielt für ihn auch Christopher Robin eine Rolle - als Quell der Inspiration, als musischer Antrieb für die eigene Phantasiearmut. Bevor es tatsächlich unangenehm werden kann und die Wunden eines kriegsgebeutelten Englands zu den noch tieferen Wunden einer Familie werden, liegt der Schwerpunkt wieder auf der Lichtsetzung. Hauptsache, die Oberfläche glänzt. [...]
[...] In einem Bewerbungsgespräch wird Walter die Frage gestellt, wofür er außerhalb seines Berufs brennt. Seine Antwort? Schweigen. Jetzt.Nicht. ist gleichermaßen Gesellschaftsporträt wie die entschleunigte Beobachtung eines Einzelschicksals. Walters Problem ist, dass er keine Existenz, keine Identität außerhalb der Arbeit besitzt. Die Arbeit ist seine Komfortzone, außerhalb dieser gibt es für ihn keine Überlebenschancen. Dementsprechend hilflos gibt er sich nach seiner unerwarteten Freistellung. Existenzängste, (Selbst-)Zweifel, Frustration. All das sind Gefühlsregungen, mit denen Walter zuvor nicht vertraut war. Wie verarbeitet man derartige Empfindungen? Mit Aggressionen. Da wird auf den Chef der Frau eingeschlagen, der Dienstwagen im nächsten See versenkt, mit Boxhandschuhen auf eine Straßenlaterne eingeprügelt. Und doch bleibt Walter eine seltsam verschlossene, in sich verkapselte Persönlichkeit, die keine Entwicklung durchmacht, sondern der Ikonografie der Verlorenheit durchweg treu scheint.
Interessant ist auch, wie klar Jetzt.Nicht. aufzeigt, dass in der echten Welt, der Welt jenseits von Erfolgsbilanzen und Abverkaufszahlen, keine Resultate mehr einzuholen sind. Egal, wohin sich Walter bewegt, wer ihm begegnet, zu welchen Handlungen er sich hinreißen lässt – nichts davon bringt Konsequenzen mit sich, die sich auf den weiteren Verlauf in Walters Leben auswirken könnten. Resultate, Ergebnisse, Zählbares gibt es eben nur in der Berufswelt. Dass Jetzt.Nicht. sich auch gekonnt weigert, Walter als Identifikationsfigur aufzubauen, erweist sich für den emotionalen Zugang des Geschehen natürlich als äußerlich hinderlich, versteht sich aber auch als programmatischer Kniff, der auf dieses eiskalte Klima innerhalb von Deutschland hinweist. Im Brennglas der Gegenwart, in dem sich Jetzt.Nicht. aufhält, sind Gefühle nur noch Ballast. Hauptsache der Wecker klingelt morgen um 7:00 Uhr wieder. [...]
[...] Man muss sich natürlich auf die überspannt-infantile Scharmützel, für die Adam Sandler seit jeher mit seinem Namen steht, gefasst machen – und im Falle von Leg dich nicht mit Zohan an werden diese sogar noch ein gutes Stück weiter potenziert, bedient sich der Film doch an den ethnischen Verheerungen des Nahostkonflikts, um sein humoristisches Potenzial – und das ist hier wirklich ausgeprägt – am Leben zu erhalten. Leg dich nicht mit Zohan an allerdings ist niemals ernsthaft geschmacklos, selbst dann, wenn Zohans Arbeitsdevise Waschen, schneiden, (flach-)legen in ausgiebigen Montagen ausgereizt wird. Dafür steht dieser ehemalige Tötungsmaschine die kindliche Unschuld zu sehr in frisch frisierte Gesicht geschrieben: Adam Sandler möchte niemandem auf den Schlips treten, er möchte vielmehr alle Menschen unter einen Hut bekommen und zum gemeinsamen Lachen animieren.
Das mag naiv anmuten, versteht sich aber als hinreißend unbekümmerte Friedensvision, wie sie in diesem hemmungslosen Dadaismus nur Adam Sandler bewerkstelligen kann. Und da wird jener Nahostkonflikt zur Projektionsfläche, um Leg dich nicht mit Zohan an als anarchistisches Plädoyer gegen Ressentiments zu begreifen und an den Individualismus zu appellieren. Und so kurios dieses Konzept auch anmuten mag, es funktioniert. Wenn sich Zohan im Finale mit seinem (eigentlichen) Erzfeind, dem Phantom (grenzgenial: John Turturro, The Night of – Die Wahrheit einer Nacht), um sich mit diesem im letzten Gefecht über die Funktionalität von Schuhen mit offenen Zehen zu unterhalten, dann trägt dieser gnadenlos überzeichnete Nonsense endgültig das Herz am rechten Fleck und unterwandert Männlichkeitsideale so entwaffend selbstverständlich, als würde es immer schon allein auf die Größe des Busches ankommen. [...]
[...] Was folgt, ist ein meisterhaft inszenierter Sci-Fi-Verschwörungsthriller, dessen inhaltliche Tiefe durch die philosophische Fragestellung zusehends ausgebaut wird, wie man Menschen für Taten belangen kann, die in der Gegenwart niemals passiert sind. Diese Vorbestimmungen bilden in einem oberflächlich sauberen Zukunftsentwurf ein exorbitantes Moral-Paradoxon, welches einerseits die Revolution der Verbrechensbekämpfung verspricht, andererseits aber den Menschen die Schwelle zur göttlichen Erhabenheit übertreiben lässt. Verfolgt von seinen ehemaligen Kameraden und gezwungen, seinen Blick abzuwenden (oder ganz deutlich gesagt: Die Augen zu verlieren), begibt sich Anderton auf die Suche nach den Schwachstellen innerhalb des eigentlich wasserdichten Systems. Eigentlich. Die durchweg brillante Montagetechnik reißt den Zuschauer dabei regelrecht hinein in dieses verzerrten Kosmos, in dem die Kriminalitätsrate rein statistisch sinken mag, die Abgründe der menschlichen Natur dafür aber immer extremer ausgebaut werden.
Die überbelichtete Bildsprache verweist auf den Zwang jener Tage, jeden Menschen auszuleuchten, während die gläsern-sterile und in ihrer Farbgebung erdrückend ausgewaschene Architektur des futuristischen Washingtons in ihrem artifiziellen Wesen den Verlust jedweder Zwischenmenschlichkeit veräußerlicht: Lebewesen sind zu Benutzeroberflächen verkommen. Zu Mustererkennungsfelder. Entweder sie funktionieren, sprich, sind bedienbar und intakt, oder werden aussortiert. Anderton, ein Vorzeigepolizist, der seinen Job mit manischer Akkuratesse erledigt, ist indes selbst nur bis zu einem gewissen Punkt funktionstüchtig. Seitdem seine Familie vor Jahren in die Brüche gegangen ist, ringen in seinem Inneren Schuld und Ohnmacht um die emotionale Vormachtstellung. Tom Cruise, den Steven Spielberg drei Jahre später im formidablen Angstmacher Krieg der Welten erneut adäquat besetzen sollte, überspielt diese Verlorenheit indes niemals mit Perlweiß-grinsender Souveränität.
Stattdessen sieht man ihn hetzend, keuchend, überfordert, entstellt und von Verlustgefühlen und Vergeltungsphantasien teilweise nahezu paralysiert. Wenn die Schmerzen wieder zu extrem werden, begibt er sich in seiner Hilflosigkeit zu dem Dealer an der nächsten Ecke. Nur Drogen mache diese defekte Existenz noch erträglich. Diese transparente, vorprogrammierte Existenz. Und was entgegnet ihm sein Dealer? Natürlich: Unter den Blinden ist der Einäugige König. Sehen und gesehen werden. Für Anderton indes gibt es nur noch die Flucht nach vorne; die Flucht in eine Chance, sich zu erlösen, das Andenken an den eigenen Sohn zu wahren und gleichwohl weitere Opfer dieser Zeit vor der destruktiven Macht des Sehens, des Sehen-müssen, zu bewahren. Gerade dadurch, in seinem diffizilen Umgang mit dem Themenspektrum des Sehens, gewinnt dieser hochspannende und exquisit in Szene gesetzte Film visionäre Tragweite: In seiner Verweigerung, den Bildern und Abbildungen Glauben zu schenken, findet Steven Spielberg (endlich) eine neue Ausdrucksform, sein Kino lebendig und komplex zu erhalten. [...]
[...] Beeindruckend an Im Angesicht des Verbrechens ist, wie kleinteilig und feingliedrig sich Dominik Graf mit den kriminellen, polizeilichen und menschlichen Geflechten über 10 Episoden, das sind fast 500 Minuten, auseinandersetzt. Seine Leidenschaft für das 1970er Jahre Kino thront unverkennbar über der Serie, im Existenzialismus des Szenarios, im treibenden Klangteppich, in der Ambivalenz der Charaktere, im Split-Screen-Verfahren, in der kinetischen Montage. Dass Im Angesicht des Verbrechens aber eben nicht einfach „nur“ eine pulpige Hommage an diese Ära ist, sondern eine Ausnahmestellung innerhalb der deutschen Kulturlandschaft einnimmt, ergibt sich aus der Aufmerksamkeit, die Graf den Protagonisten und ihrem sozialen Umfeld entgegenbringt. Alle Parteien sind hier insofern miteinander verzahnt, als dass sie versuchen, ihr individuelles Glück zu finden, dabei aber nicht die Grundsätze ihres ethischen Wertesystems unterminieren möchten. Was hier funktioniert und dort kläglich scheitert.
Der Bewegungsdrang, welcher sich in das inszenatorische Wesen von Im Angesicht des Verbrechens eingestampft hat, entfesselt gerade in der Verstrebung mit dem wunderbaren Lokalkolorit der Hauptstadt, den unzähligen Sets und Figuren, ein nahezu schicksalhaftes Klima innerhalb der unausweichlichen Kollision von Persönlichkeiten, Idealen und Boshaftigkeiten: Wo von Ehre gesprochen wird, kann auch deren Verlust nicht weit sein. Dominik Graf schreibt hier nicht nur Genre-Geschichte, er beleuchtet moralische Schattierungen und gibt sich dabei Kitsch (unvergesslich: der Rosenblütenregen), Brutalitäten und kulturellen Eigenarten immer haarscharf bis an den Rand der Überstilisierung hin. Graf weiß, wann genug ist. Und Graf weiß vor allem, wie Dynamik im ständigen Wechselspiel aus Aufpeitschen und Verschleppen entsteht. Deswegen ist Im Angesicht des Verbrechens nicht nur im besten Sinne europäisch. Es ist fraglos universal.
„Ich bin Polizist. Ich habe keine Phantasie, keinen Spaß.“ [...]
[...] Der Weg dorthin, die festgefahrenen Muster ihrer Lebenswirklichkeit zu zerschlagen, ist indes ein zermürbender. Ein Weg, der wahrscheinlich aus eigenem Antrieb nicht möglich wäre, aber durch die Kraft eines Naturspektakels womöglich angegangen werden kann. Einem Eissturm, der die emotionale Kälte endgültig zum Erstarren bringt und auf den entscheidenden Anstoß wartet, Risse zu ziehen und zerplatzen zu können – also die Figuren durch eine klare Gefühlsreaktion von ihrer Apathie zu erlösen. Bens Tochter Wendy (Christina Ricci, Buffalo '66) und Janey Söhne Mikey (Elijah Wood, Der Herr der Ringe-Trilogie) und Sandy (Adam Hann-Byrd, Das Wunderkind Tate) versuchen derweil den Versprechungen ihrer Dekade nachzukommen und ihren pubertären Bedürfnissen freien Lauf zu lassen: Eben als Adoleszente in einer adoleszenten Ära. Und doch geht auch in ihnen jeder Revolutionsgedanke verloren.
Die Isolation der Seelen nämlich schwillt sich aus der allgemeinen Kommunikationsunfähigkeit heraus nach und nach zu einem ohrenbetäubenden Crescendo an – für jede Altersgruppe. Ang Lees subtile und durchweg introspektive Genauigkeit, soziale Strukturen feingliedrig aufzudecken, verhilft Der Eissturm zu dem Status, eine der nachhaltigsten Zustandsbeschreibungen einer gesellschaftlichen Vergletscherung zu werden, die das amerikanische Kino seit jeher zu Tage gefördert hat. Der fokussierte Blick auf einen Mikrokosmos im Mittelstand von Connecticut, transferiert sich gleichwohl zeitgenössisch auf das Gemeinwesen der Vereinigten Staaten: Die sexuelle Revolution verlautete den Zerfall von Bigotterie und Kleingeistigkeit. Nie wieder sollten individuelle Begierden verleugnet werden. In dem Versuch, diesem Anspruch auch gerecht zu verwenden, verschlossen sich die Menschen eigenständig hinter Mauern der Lethargie, der Entfremdung, der Lebenslügen. Zeit, diese Mauern einzureißen, ist der Preis dafür auch ein schwerwiegender. [...]
[...] So richtig launig wird Hulk dann in den Momenten, in denen er die dynamische Ästhetik des Comics verwendet und in dieser den titelgebenden Wüterich entfesselt. Das Set Piece, in dem sich der Hulk in der Wüste über ein am Boden und in der Luft agierendes Militär-Geschwader hermacht, mag aus Sicht der digitalen Effekte nicht formvollendet sein, der blanke Spaß am zerstörerischen Treiben jedoch wird von Ang Lee auf das Maximale angehoben. Hier darf der grüne Klotz Panzer durch die Lüfte wirbeln oder den Sprengkopf einer Rakete abbeißen und auf seine Gegner spucken. Ausschlaggebend für Lee ist es indes nicht, die Möglichkeiten der Wut des Hulks in gigantischen Bildern auszureizen, sondern vielmehr die Kontextualisierung dieser ungehemmten Raserei. Und da entwickelt sich der Film zur veritablen Charakter-Studie.
Die Gründe, warum dieses urgewaltige Alter Ego von Bruce irgendwann aus ihm herausbricht, wird in Hulk in Form einer Suche nach dem Urheber des innerseelischen Schmerzes eingefangen. Natürlich ist der Laborunfall mit einer Gamma-Bombe in das Geschehen eingebunden, ebenso wie zwielichtige Gen-Experimente von Bruce' Vater (Nick Nolte, Warrior). Ang Lee aber spürt Belegen, Hinweisen und Antworten auf die Verwandlung zum Monstrum innerhalb des zerrütteten Gefühlsleben von Bruce Banner nach, analysiert kindliche Traumata und spricht auch von einer Identitätsstörung, die im nächsten Schritt die emotionale Distanziertheit von Bruce logisch erscheinen lassen würde. Hulk porträtiert den inneren Konflikt zweier Seelen und ein bisweilen bewegenden Kraftmarsch durch die Erinnerungslandschaft eines Menschen, dem die Liebe so konsequent entrissen wurde, dass er zum blinden Fleck der Gesellschaft wurde. Zur Missbildung der Zivilisation. [..]
[...] Duell am Missouri jedoch legt wenig Wert auf die vordergründige Spannung, die dem Rahmen der Geschichte eingeschrieben ist, und fokussiert sich auf die mehrschichtigen Charaktere, deren moralische Abstimmung kontinuierlich schwankt. Tom Logan (Jack Nicholson, Einer flog über das Kuckucksnest) ist Anführer einer Bande Gauner und wäre im traditionellen Western sicherlich als Antagonist eingeführt worden. Hier allerdings fungiert er als Protagonist, verschreibt sich einem niederträchtigen Gewerbe, kann vom Zuschauer aber nicht verdammt werden, weil er Beweggründe für sein Handeln besitzt – was ihn nicht weniger schuldig macht. Die Schwierigkeit, beziehungsweise, das Wunderbare an Duell am Missouri, ist, dass er sich klaren Gut-und-Böse-Zuschreibungen verweigert. Wenn mit Robert E. Lee Clayton (Marlon Brando) der Regulator die historische Bühne betritt, der Logan zur Strecke bringen soll, wird dieses ambivalente Figurenverständnis weitergehend potenziert.
Wenn Duell am Missouri also mit dem integren Wertesystem des traditionellen Western, dem Heimatfilm, aufräumt, dann bezieht sich das primär auf die Persönlichkeitsstruktur dieser eigenwilligen Akteure, die durch ihre klaffenden Widersprüche eine einnehmende Charakterdynamik entwickeln und die Suche nach der erlösenden Heldenrolle durch ihre differenzierten Wesen unterminieren. Dass sich Arthur Penn in diesem Psycho-Duell zweier Männer, die sich beide auf ihre Weise methodisch auf ihr Ziel zubewegen, auch immer wieder humoristische Ausreißer erlauben kann, ohne das in seiner Zweifelhaftigkeit beunruhigende Klima des Geschehens zu verwässern, liegt an der angenehm-diffusen Tonalität der Erzählung. Als ein Werk, welches sich irgendwie zwischen die Stühle gesetzt hat, konnte es nur den Missmut des Zuschauers auf sich ziehen, dabei liegt in dieser inneren Zerrissenheit eine bereichernde Faszination, die sich eben nur aus dem Scheitern an sich selbst ergeben kann. [...]
[...] In seinen besten Momenten erinnert Cargo ganz leicht an die tonale Ausrichtung des atmosphärischen Bravourstücsk It Comes At Night, welches im Januar in den Kinos startete und die undurchdringliche Dunkelheit der Nacht als beklemmendes Terrormedium verwendete. Auch in diesem Film ging es darum, wie Menschen versuchen, sich aufeinander einzulassen, obwohl sie längst in einer Zeit angekommen sind, in dem dieser Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Andy indes ist alsbald auf sich gestellt und hat 48 Stunden, um seine Tochter vor der Zombie-Seuche zu retten. Ihm laufen ebenfalls immer wieder Menschen über den Weg, denen er trauen möchte, denen er aber nicht trauen kann. Die Welt hat sich gegen ihre Bewohner gewandt, jeder kämpft hier für sich und auf eigene Faust. Jedenfalls fast, einen weiterführenden Gedanken nämlich offenbart Cargo hier ebenfalls.
Es ist der Umgang mit den australischen Ureinwohnern, den Aborigines, der Cargo eine weitere Lesart ermöglicht. Immer wieder nämlich sind wir Zeuge davon, wie Eingeborene in Käfige gesperrt werden, um die Zombies anzulocken. Auch Andy sieht sich irgendwann dazu gezwungen, sich einem Aborigine-Mädchen anzuschließen, um seinem Kind eine Chance zu bieten. Im weiteren Verlauf der Handlung, ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen, wandelt sich Cargo somit auch in gewisser Weise zu einem Kommentar auf die Mechanismen des Kolonialismus und dreht sie gezielt auf den Kopf, wenn es die indianischen Völker aus Down Under sind, die sich ihr Land zurückerobern. Yolanda Ramkes und Ben Howlings Endzeitszenario versteht sich also auch als eine Art ehrerbietendes Rückbesinnen auf die Bedeutung der Ureinwohner für die eigene Kultur.
Darüber hinaus bleibt sich Cargo vordergründig den Genre-Tropen treu und zeichnet einen Wettlauf gegen die Zeit nach, ohne sich in überzogenen Gewaltspitzen zu verlieren oder seine apokalyptische Drohkulisse dem reinen Effekt unterzuordnen – die Zombies fungieren erstrangig als nur selten zu sehende Präsenz. Cargo bleibt vor allem ein Film, der sich um das Verhalten der Menschen in Extremsituationen dreht und hat mit Martin Freeman einen talentierten Schauspieler in der Hauptrolle, der die Palette an Emotionen zwischen Aufbäumen und Resignieren gekonnt ausspielt. Dass sich die Erzählung dennoch in ihren altbekannten Motiven abnutzt, ist ein Problem, mit dem inzwischen so gut wie jeder Zombie-Film zu kämpfen hat, genauso wie die gelegentlichen Nebenstränge des Geschehens, die die atmosphärische Dichte des Films zwar nicht rauben, dem Porträt einer sich selbst zerfleischenden (Rest-)Menschheit allerdings kaum tiefergehende Impulse einverleibt. [...]
[...] Eine klare Antwort darauf kann Alan Parker dem Zuschauer auch nicht liefern, der Schluss aber liegt nahe, dass dieses Durchhaltevermögen, dieses vehemente Ringen um den Erhalt der eigenen Würde, eine Frage der Mentalität ist. Frank und seine (noch lebenden) Brüder mussten Zeit ihres Lebens mit ansehen, wie die Welt um sie herum in die düstersten Töne getaucht wurde, die die Farbpalette der Realität hergegeben hat, und doch blieb ihnen nichts anderes übrig, als immerzu weiterzumachen. Aufstehen und sich durchbeißen, so plump es sich auch an dieser Stelle anhören mag. Sie mussten mitansehen, wie ihr Vater (Robert Carlyle, Trainspotting – Neue Helden) das Haus verließ, um sich eine Arbeit zu besorgen und am Abend dann stockbesoffen auf der Flurtreppe vor sich hin vegetierte. Sie mussten mitansehen, wie sich ihre Mutter (Emily Watson, Breaking the Waves) zum Betteln gezwungen sah.
Die Asche meiner Mutter verkommt in Armut, Kälte und Schmutz. Wenn sich das eigene Haus nicht mehr von der Kloake gegenüber unterscheidet, dann würden sich manche Regisseure womöglich dazu hingerissen fühlen, reinrassigen Elendstourismus zu betreiben und sich an den miserablen Lebensumständen der Familie McCourt orgiastisch laben. Alan Parker jedoch nimmt eines der zentralen Themen des Films, nämlich der Kampf um die Selbstachtung, auch als Ansatz der erzählerische Devise: Das klägliche Dasein wird nicht sensationalistisch ausgeschlachtet, sondern behutsam dokumentiert und greifbar abgebildet. Durch sein ungemeines Gespür für das irische Lebensgefühle erstrahlt Die Asche meiner Mutter unter all dem Dreck als wahrlich empathische Erfahrung, die nicht das Scheitern als tonangebenden Handlungsaspekt begreift, sondern den stolzen Nachdruck des familiären Verbunds, dieses Scheitern wegzustecken. Und genau das ohne Romantisierung zu erzählen, verdient Respekt. [...]
[...] Ja, es mutet ein Stück weit konventionell an, dass auch Feinde – Hostiles nach der Maxime ‚Der Weg ist das Ziel‘ aufgebaut ist und einem bis zuletzt in seinem Hass verkapselten Charakter Aussicht auf Besserung und Veränderung stellt. Die Art und Weise, wie Regisseur Scott Cooper diese Geschichte jedoch in Szene gießt, ist nichts weiter als schlicht und ergreifend beeindruckend. Anstatt sich einer gewissen Melancholie zu bemächtigen, die das Ergebnis einer jahrzehntelangen Unterdrückung gnadenlos verklären würde, lässt Feinde – Hostiles seinen Figuren ihre Ambivalenzen. Allein der Umstand, dass Blocker die Indianer für eine Sache verdammt, für die er sich selbst unzählige Mal schuldig gemacht hat, offenbart nicht nur die innere Zerrissenheit der Akteure, sondern projiziert sich auch auf die gesamten Vereinigten Staaten. Auf eine Identität, die auf dem Blut von Millionen errichtet wurde.
Nicht umsonst empfängt Feinde – Hostiles den Zuschauer mit einem Zitat von D.H. Lawrence, welches besagt: „The essential American soul is hard, isolate, stoic, and a killer. It has never yet melted.“ Und mag die amerikanische Seele in ihren Grundzügen eine verrohte sein, womöglich aber besteht doch noch die Chance, eine Nation zu erschaffen, die sich – und das ist elementar für die Entwicklung einer moderne Gesellschaft – über ihre Verfehlungen im Klaren ist. Blocker ist dafür symbolisch für einen ganzen Kontinent heranzuziehen, weil an seinem Beispiel deutlich gemacht wird, dass selbst der verbohrtesten Barbarisierung der eigenen Persönlichkeit immer noch die Verfassung angeboten wird, durch entscheidende Impulse lebensumwälzende Prozesse einzugehen. Doch der Weg dorthin, der Weg zum Erbarmung, zur Vergebung, zur Selbsterkenntnis, ist ein brutaler, durchweg auf Tuchfühlung mit der Resignation.
Der Grundton von Feinde – Hostiles ist ein düsterer und zermürbender. Die Eskorte, die sich von New Mexiko bis nach Montana erstrecken wird, also weit über 1000 Meilen, wird zu einer Reise in Neu-amerikanische Abgründe. Und zu einem Kampf um Menschlichkeit, den nicht jeder gewinnen wird. Durch seine Doppelwertigkeit, vor allem im Umgang mit den Charakteren, aber gewinnt Feinde – Hostiles eine nahezu paralysierende Kraft, die nicht nur das Psychogramm des in seiner Haut gefangenen Joseph J. Blocker zu einem der interessantesten innerhalb des Western-Genres der letzten Jahre erhebt, sondern auch Christian Bale erneut zur pointierten Höchstleistungen antreibt. Seine Performance ist verbittert und doch hochemotional; die Studie eines Mannes, der in sich gefangen ist, obwohl er eigentlich intelligent genug sein müsste, die Fesseln seiner selbst zu lösen. Ein maßgeblicher Erbe von John Waynes Ethan Edwards. [...]
[...] Umso überraschender erweist sich der Umstand, dass Blutzbrüdaz eine wirklich schwer sympathische HipHop-Komödie geworden ist, die sich jeder zwanghaften Ernsthaftigkeit verweigert und zu keiner Zeit als DER Film über Sido und B-Tight verstanden werden möchte. Regisseur Özgür Yildirim (Nur Gott kann mich richten) inszeniert die Geschichte der Berliner Rapper Otis (Sido, Halbe Brüder) und Eddy (B-Tight) als durchweg augenzwinkernde Abrechnung mit dem kommerziellen Musikgeschäft. Angenehm ist es vor allem mitanzusehen, dass es Sido und B-Tight hier nicht darum geht, ihr Image für die breite Öffentlichkeit zu korrigieren (so, wie es bei Bushido der Fall war – mit fatalen Folgen für selbiges). Blutzbrüdaz ist schlicht und ergreifend eine einfache, in der Berliner Rap-Kultur angesiedelte Fiktion, die zwei Freunde mit den Gefahren und der Niedertracht von Major-Labels in Berührung bringt.
Wobei Fiktion natürlich schon etwas zu weit gegriffen ist, sind einige Parallelen zu dem tatsächlichen Werdegang von Sido und B-Tight auch in Blutzbrüdaz zu entdecken. Im Großen und Ganzen allerdings unterliegt das Geschehen hier keinem biographischen Anspruch, sondern lässt die schon immer bekannte Selbstironie der Hauptdarsteller, hier natürlich vor allem bei Sido, in entwaffnender Leidenschaft aufatmen. Da wird der eigene Ruf durch den Kakao gezogen (primär wenn es darum geht, dass der heutige Rap in Deutschland nur noch kommerzieller Einheitsbrei ist) und gleichzeitig auf die ausbeuterischen Mechanismen einer Branche hingewiesen, in der es, folgerichtig, nicht mehr auf die Identität des Künstlers ankommt, sondern nur noch auf dessen wirtschaftliche Vermarktung. Während eines Videodrehs werden Sido und B-Tight bezeichnenderweise vom Kopf der renommierten Produktionsanstalt in schrille Glitzerklamotten gekleidet. Warum? Weil es gut aussieht!
Diese Szene verdeutlicht in ihrer Übertreibung natürlich recht gut, wie viel Bezug die anzugtragenden Verantwortlichen eines millionenschweren Unternehmens eigentlich zu ihrem Produkt aufbringen – gar keinen. Die langjährigen Freundschaft der beiden Rapper, die im Untergrund für Furore gesorgt haben (sowohl in der Realität als auch im Film), wird durch das Geld alsbald auf einen harten Prüfstand gestellt. Und auch hier lässt sich Blutbrüdaz, der übrigens namhaft von Fatih Akin (Aus dem Nichts) produziert wurde, nicht auf pathetische Aussöhnungsgesten ein, sondern regelt die Diskrepanzen der beiden Kumpels sinngemäß, wie es sich für einen echten Rap-Film gehört: Auf der Bühne. Hier wird der Sprachgesang – im Gegensatz zu Zeiten ändern Dich – endlich charaktetisiert. Nämlich nicht nur als Frage der Mentalität und Herkunft begriffen, sondern auch als Ventil, um seinem Kummer Ausdruck zu verleihen. Herrlich. [...]
[...] Stattdessen aber ist Zeiten ändern Dich darauf versessen, Bushido ein Denkmal zu errichten und all die Kritik, die seine Person mal mehr, mal weniger verdient in den Jahren seines Schaffens erfahren hat, durch traumatische Erfahrungen in der Kindheit zu legitimieren. Bedeutungsschwanger liest der „Rüpelrapper“ aus dem Off die zu 90% gelogenen Phrasen seiner Autobiographie ab und spielt sich selbst derart unbeholfen, dass wir über die Performance von Daniel Küblböck in Ulli Lommels Daniel – Der Zauberer noch einmal reden müssen. Vielleicht war dieser Meilenstein der deutschen Kulturlandschaft doch subversiv gemeint? In Zeiten ändern Dich aber gibt es keinen doppelten Boden, es gibt kein Augenzwinkern, es gibt nur Klischees über Klischee, unfreiwillige Komik in jeder Szene und einen pädagogisch-wertvollen Überbau, der einem die Schamröte ins Gesicht treibt.
Am Ende nämlich geht es um Vergebung. Und Loyalität. Und Respekt. Bushido vergibt seinem Vater und hofft inständig darauf, dass auch die Massen ihm dafür vergeben, sich ab und an mal im Ton vergriffen zu haben. Schließlich hat sein Erzeuger seine Mutter immer wieder verprügelt. Schließlich war er in der Besserungsanstalt. Schließlich hat er einen mehrtätigen Gefängnisaufenthalt hinter sich. Er hatte doch keine andere Wahl, bei den Erfahrungen, die er schon als Kind machen musste. Genau. All die Attribute, an die Zeiten ändern Dich bedeutungsschwanger appelliert, hat der echte Bushido nie in sich vereint. Die Gerüchte (eine Untertreibung), dass der Rapper ein hinterfotziger Quacksalber sein soll, der nicht einmal ein Drittel seiner Texte selber geschrieben hat, reißen nicht ab. Ganz im Gegenteil: Sie werden mehr und mehr bestätigt.
Aber warum aufregen? Denn, so dilettantisch, hölzern, undifferenzierte und realitätsfremd dieser Film auch sein mag, gerade durch seine künstlerische Hilflosigkeit auf allen Positionen, gewinnt Zeiten ändern Dich ein nicht zu verachtendes Unterhaltungspotenzial. Quasi das Phänomen des Autounfalls: Man muss hinsehen. Man muss gaffen. Und irgendwann, wenn man tief genug in diesen Abgrund geblickt hat, entwickelt man eine Art Schadenfreude gegen sich selbst und labt sich an den Schmerzen, die man sich durch dieses Machwerk geflissentlich aussetzt. Ein Masochismus, der dadurch gestillt wird, mitanzusehen, wie ein zwar hochgradig bekannter, musikalisch aber selten relevanter Rapper durch dieses deutsche Märchen tölpelt und sich der festen Überzeugung hingibt, eine Geschichte mitzubringen, die wirklich erzählenswert wäre. Die wirklich kinotäuglich wäre. Tja, ein Hoch auf Bushido. Dem König der Narren. [...]
[...] Derlei Offensichtlichkeiten in der Persönlichkeitsformung der Figuren aber waren Christan Petzold, dem womöglich besten Regisseur, den die deutsche Kulturlandschaft momentan aufbietet (Transit hat dieses Superlativ zuletzt noch einmal unterstrichen), schon immer zuwider. Barbara hingegen münzt seinen historischen Rahmen zur narrativen Strategie um und erzählt nicht nur von permanenter Beobachtung, sondern wird auch durch einen Blick erzählt, dessen charakterisierende Zuschreibung in erster Linie 'beobachtend' sein muss. Und passenderweise sind es die Augen, die in Barbara von höchster Bedeutung sind. In diesem staatlichen Territorium kann das gesprochene Wort schnell zum eigenen Todesurteil führen, dementsprechend logisch ist es, dass neue Kommunikationskanäle erschlossen werden müssen – so wie der Augenkontakt. Das Misstrauen, welches Barbara gegenüber André hegt, es potenziert sich und minimiert sich mit jedem neuen Wimpernschlag.
Petzold jedoch ist es nicht daran gelegen, seine Geschichte über die Mechanismen des Thrillers herzuleiten, an dessen Ende die Auflösung steht, ob André nun von oberster Instanz präpariert wurde oder nicht. Natürlich ist er das, daran besteht kein Zweifel. Barbara versteht sich vielmehr als tiefgreifender Diskurs über Moral und Ethik, wenn er den Faktor Mensch in einer Welt nachspürt, die aufgrund ihre Durchstrukturierung keinerlei Individualismus zulässt. Wenn man so möchte, dann könnte man Petzolds Werk als stillen Liebesfilm bezeichnen, der dem Leben in der DDR seine Zärtlichkeit zurückgibt – und der oftmals so unterkühlt agierenden Nina Hoss ihre Verletzlichkeit. Erst sind es nur ihre Hacken, die von den Riemen ihrer Schuhe blutig gescheuert wurden, der wahre Schmerz indes aber füllt die großen Augen dieser Frau, die sich brennend nach Zuneigung sehnt.
Während sie gleichwohl eine Beziehung zu einem Mann aus dem Westen pflegt (jene Person, für den sie den die Story in Gang bringenden Ausreiseantrag gestellt hat), dem sie sich bei gelegentlichen Treffen im Wald und im Hotelzimmer voller Leidenschaft hingibt, ist ihre Hingezogenheit zu André der eigentliche Konfliktherd und Interessenschwerpunkt der voller subtiler Emotionalität steckenden Erzählung. Petzold behandelt André und Barbara, ihre zwischenmenschlichen Berührungen und die darauffolgende reflexartige Ablehnung jedweder aufkochender Verbundenheit, mit chirurgischer Präzision. Auf die äußere Spannung, ausgehend von einem auf Erniedrigung und Überwachung basierenden Politsystem, folgt eine mitreißende innere Zerrissenheit, die Barbara zu dem vielleicht gefühlvollsten Werk von Christian Petzold erklärt. Noch immer bleibt eine gewisse existentielle Schwere bestehen, doch Petzolds Protagonisten dürfen sich nun auch einen Funken Hoffnung in tiefschwarzer Nacht ausrechnen. [...]
[...] Wäre die Figur des Charlie Anderson nicht so unerschütterlich in ihren Idealen gezeichnet und die Regie von Andrew V. McLaglen zuweilen etwas bescheidender im Umgang mit der sich im Verlauf der Handlung auffächernden Sentimentalität gewesen, dann hätte Der Mann vom großen Fluss durchaus zur Referenz innerhalb des Genres heranreifen können – womöglich als geistiger Verwandten von Das Wiegenlied vom Totschlag, der ebenso als Kommentar auf die Gräuel Vietnams funktioniert. Seine pazifistische Haltung nämlich unterbreitet der Film in klaren Bilder und noch klareren Worten. Die Geschichte einer Familie, die vom Schreckens des Krieges eingeholt wird, indem sie sich so standhaft von diesem distanzieren wollte, ist hier vor allem als moralische Lektion arrangiert, in der sich alle Figuren über ihre ethischen Grundsätze im Klaren werden müssen.
Das wahre Erlebnis in Der Mann vom großen Fluss jedoch ist die Performance des überlebensgroßen James Stewart. Mit grau melierten Haaren, die seinen himmelblauen Augen eine bohrende Dringlichkeit abverlangen, füllt der Mann hier jeden Raum mit einer ganz und gar mitreißenden Präsenz. Das Besondere an Stewarts Spiel ist erneut sein pointiertes Herausarbeiten seelischer Zerrüttungen. Auf den ersten Blick von der körperlichen Konstitution einer absoluten Autoritätsperson beseelt, sind es die kleinen emotionalen Zusammenbrüche, die Stewart nur in Nuancen darbietet, die seinen Charlie Anderson trotz etwas zu eiserner Tugendhaftigkeit mehrdimensional gestalten. Der Rest des Ensembles ist, wie könnte es anders sein, diesem Auftritt natürlich maßlos unterlegen. Aber wahrscheinlich war die Ehrfurcht, die diesem lebensweisen Patriarchen auf der Leinwand entgegengebracht wurde, nicht einfach nur Fiktion. [...]
[...] Interessant an The Arrival – Die Ankunft ist gar nicht einmal der Umstand, wie Zane in Kontakt mit den Außerirdischen gerät, sondern vielmehr die strukturellen Mittel, mit denen sich Regisseur David Twohy (Pitch Black – Planet der Finsternis) seinen inszenatorischen wie erzählerischen Pfad ebnet. Denn eigentlich ist The Arrival – Die Ankunft den Mustern des Sci-Fi-Genre gar nicht primär zugewandt. Vielmehr präsentiert sich der Film dem konspirativen Thriller der 1970er Jahre gewogen, wenn Zane einer, mehr oder weniger, dunklen Wahrheit hinterhereifert und zusehends stärker um sein Leben fürchten muss. Hier wird The Arrival – Die Ankunft zum Paranoia-Kino, in dem der Sci-Fi-Anteil zwar von Belang, aber nicht tonangebend ist. Sicherlich ist diese Hybridisierung zweier Elemente, die auf den ersten Blick nicht unbedingt verwandt scheinen, reizvoll, David Twohys Regie allerdings fehlt der originäre Gestus, um der Geschichte Vitalität und Kreativität abzuverlangen. Mit fast 120 Minuten ist The Arrival – Die Ankunft, der gleichwohl mit der Patina einer Fernsehproduktion zu ringen hat, deutlich zu lang geraten, fehlt den Charakteren doch das psychologische Profil, um eine spannungsgeladene Fallhöhe über diese Laufzeit zu rechtfertigen. Überzeugend jedoch ist Charlie Sheens Auftritt. Dauerschwitzend und mit Bürstenschnitt reißt der Eskapadenpromi erstaunlich gut mit. [...]
[...] Unter Malicks meditativer Ägide erinnert Der schmale Grat oftmals an Werner Herzogs elegische Erkundungsreisen in allegorische Seelenlandschaften und bezieht seine ungemeine Intensität aus dem Heraufbeschwören von Kontrasten. Die Schönheit der unberührten Natur auf der einen Seite, das Leiden und Sterben auf der anderen Seite. Als die Infanteristen eine Anhöhe stürmen und vom Feuer der nahezu unsichtbaren Japaner wie gelähmt ihrem Tode entgegenrennen, hebt sich voller Anmut die Sonne über die pittoresken Hügel Guadalcanals und gießt dem Szenario eine Wärme, eine Besinnlichkeit ein, die der Dualität der Narration nachhaltig auf den Zahn fühlt. Der schmale Grat formuliert auch einen Ausdruck kosmologischer Hilflosigkeit, wenn die Verbundenheit von Leben und Tod, von Liebe und Hass, von Erlesenheit und Grauen in einer sich selbst widersprechenden Harmonie gedeiht.
Geradezu transzendent gestaltet sich dieses 170-minütige Seherlebnis in seinen Diskrepanzen und Gleichklängen, begleitet von inneren Monologen des sagenhaften Starensembles und einem der feinfühligsten Soundtracks, die Hans Zimmer jemals geschaffen hat. Die majestätischen Bildkompositionen befreien eine Sogwirkung, die im assoziativen Erzählprinzip von Terrence Malick letztlich aufzeigt, dass in dieser Welt, in der wir leben und sterben, das Selbstverständnis gegenüber altertümlichen Dichotomien, so wie Gut und Böse, wie das Paradies und die Hölle, nicht mehr intakt ist. Alles verschmelzt miteinander, wird zu Blattwerk, wird zu Sonnenstrahlen, wird zu Fleisch, wird zu Staub. Und genau dort, im Verfließen der unvereinbaren Dinge, reift Der schmale Grat zur äußersten Reflexion über den Krieg, weil er ihn als Antwort auf existentielle Fragen begreift. Weil er unserem Sein und unserem Ableben eingeschrieben ist. [...]
[...] Ganz zum Unmut der ständig tratschenden Kleinstadt, selbstverständlich. Carys Ehemann war schließlich ein wohlhabender Gentleman, Ron hingegen ist ein naturverbundener Athlet. Wie soll das funktionieren? Wie soll ein Mann, dessen oberste Devise eine Existenz in innerer Zufriedenheit ist, eine Frau versorgen? Es bäumt sich ein Sturm aus Gehässigkeit und Missgunst an, dem auch die Leidenschaft zwischen Cary und Ron erst einmal nicht gewachsen ist. Wer sich anhand dieser Geschichte zweier Menschen, die gegen die äußeren sozialen Einwirkungen auf ihre Liebe zur Wehr setzen, an einen anderen Film erinnert fühlt, dem sei Rainer Werner Fassbinders Angst essen Seele auf an dieser Stelle ans Herz gelegt. Fassbinder, der Sirk zu seinen Lieblingsregisseuren zählte, muss nachhaltig beeindruckt von der filmsprachlichen Grammatik gewesen sein, mit dem Sirk sein wegweisendes Melodrama zum mitreißenden Protest gegen Konformität, Materialismus und Bigotterie erhoben hat.
Und genau diese Leseart lässt Was der Himmel erlaubt bis in die Gegenwart erblühen: Als ein Aufbäumen gegen das verklemmt-hinterhältige Spießbürgertum. Denn obwohl Douglas Sirk hier auch den dramaturgischen Strukturen der Seifenopfer hofiert, steht im Zentrum seiner Erzählung doch immer noch der feste Glaube an die Kraft der Zweisamkeit, akzentuiert durch eine phänomenale Farb- und Lichtdramaturgie, die das Blau nie seidener und das Rot nie samtiger in Szene gesetzt hat. Das finale Gelingen von Was der Himmel erlaubt aber basiert letztlich auf der vortrefflichen Chemie der beiden Hauptdarsteller. Jane Wyman und Rock Hudson, zwei Ikonen des klassischen Hollywoodkinos, geben sich hier dem feinfühligen Bild einer eigentlich zum Scheitern verurteilten Liebe hin, entlocken sich im hingebungsvollen Zusammenspiel aber ein kämpferisches Vermögen, welches auch der verbohrtesten Gesellschaftsschicht Respekt abringen muss. [...]
[...] Menschen wüten in Scharen durch die Straßen, stürmen von Wohnung zu Wohnung, allein angetrieben von ihrem Fresstrieb. Es dauert kaum mehr als 10 Minuten bis, bis Regisseur Marvin Kren (Blutgletscher) den gemütlichen Ösi mit den apokalyptischen Verhältnissen in Berührung bringt und ihn, zusammen mit einigen wenigen Gefährten, um das Überleben kämpfen lässt. Krens Affinität für den klassischen Horrorfilm ist in jedem Frame dieser Fernsehproduktion erkennbar, allerdings ist es dem Filmemacher nicht daran gelegen, offensiv über das Gemetzel Zugang zum Zombie-Reißer zu finden. Vielmehr ist es Rammbock daran gelegen, der psychischen Belastung und körperlichen Anspannung Aufmerksamkeit zu spenden und das Geschehen über die psychologischen Beklemmungen abzutasten. In seinen stärksten Momenten gelingt es Kren dabei, das Alltägliche auf den Prüfstand zu stellen und in Zeiten der Katastrophe eine neue Normalität zu etablieren.
Ganz selbstverständlich greift Michael eines Morgens in den Kaninchenkäfig und isst den Vierbeinern die Knabberstangen weg. Der neue Alltag fordert eine neue Logik ein, ein neues Handeln, ein neues Reflektieren. Und dieser neue Alltag wird genau dadurch so bedrückend, weil die Seuche sich als namenloses Übel über Berlin (oder die Welt) ausgebreitet hat. Mag Rammbock sich in seinem epigonalen Gestus auch nicht aus dem Schatten der großen Vorbilder bewegen und gleichwohl durch den Rahmen des TV-Films ein Stück weit in seinen Möglichkeiten (finanziell, aber auch technisch) eingeengt sein, so ist die knapp über 60-minütige Laufzeit doch ein Beispiel dafür, dass der deutsche Genre-Film durchaus existiert. Das Klima der Tristesse und Ausweglosigkeit jedenfalls weiß Marvin Kren gekonnt heraufzubeschwören, nicht zuletzt, weil seine Regie die richtigen Schwerpunkte setzt und Rammbock als Stimmungsbild einer sich selbst zerfleischenden Gesellschaft definiert. [...]
[...] Dass sich Die Woche selbstverständlich auch zu dadaistischen Albernheiten hinreißen lässt, ist dem Namen Adam Sandler ins Fundament gemeißelt, allerdings dienen diese oberflächlichen Geschmacklosigkeiten, die mit Vorliebe auf Kosten des beinamputierten Onkel Seymour (Jim Barone) gehen, dem Regisseur dem reichhaltig Comedy-erprobten Sandler-Buddy Robert Smigel (Arrested Development, Curb Your Enthusiasm) auch als Stimmungsparometer für gesellschaftliche Befindlichkeiten. Eine Szene, in der Seymour von den Zuschauern eines Baseballspiels zum Kriegshelden erkoren wird, sagt mehr über die vorherrschenden Sozialzustände von Amerika aus, als man es im ersten Moment wahrhaben möchte. Und genau diese Doppeldeutigkeiten sind es, die Die Woche in seinem komödiantischen Impetus nicht platt, sondern mehrwertig gestaltet. Es darf gelacht werden, reichlich, allerdings steht der Lacher nicht nur für sich, sondern besitzt oftmals auch die Funktion eines Verweises.
Und so wird Die Woche auch ein Film über die Gräben zwischen sozialen Klassen, über (falschen) männlichen Stolz und die Kraft, die man als Vater aufbringen muss, endlich loszulassen. So sehr sich die zwei Familien, die hier auf engsten Raum miteinander kollidieren, auch gegenseitig dazu anstacheln, ein Malheur auf den nächsten Rückschlag folgen zu lassen, bleibt Die Woche als ein versöhnliches Werk in Erinnerung. Eine durch Adam Sandlers zwischen Tragik und Komik austariertem Spiel überraschend aufrichtige Auseinandersetzung mit dem altmodischen Wesen familiärer Werte und Ideale, die an den Zusammenhalt glaubt, verhärtete Fronten auflöst und die Protagonisten in eine glückliche Zukunft blicken lässt. Sicherlich mag dieser Optimismus auch etwas Naives mit sich bringen, in seiner unverkennbaren Menschenliebe aber schwingen sich Netflix und Happy Madison hier nach dem bereits gelungenen Sandy Wexler in neue Höhen auf. [...]
[...] Tatsächlich nämlich bleibt sich Avengers: Infinity War in seiner Tonalität der Ausweglosigkeit nicht nur treu, nein, er potenziert dieses Klima der mehr und mehr weichenden Hoffnung dermaßen gekonnt, dass es einen aufgrund der daraus entstehenden Immersion urplötzlich aus dem Geschehen (und der Beklemmung) reißt, wenn nach diesem zweieinhalbstündigen Leidensweg der Abspann einsetzt. Es erweckt ohnehin den Eindruck, als hätte das MCU ein Stück weit gelernt, seinen Protagonisten das Leiden zuzugestehen – also eben genau jene Stärke, die Zack Snyder in Man of Steel oder Batman V Superman: Dawn of Justice eindrucksvoll an die Oberfläche trug. Wenn sich Thanos (Josh Brolin, Sicario) auf die Suche nach den sechs Infinity-Steine begibt, gleicht dies einer einzigen Schneise der physischen und psychischen Zerstörung. Egal, wo dieser Koloss auftaucht – alles, was er hinterlässt, ist Tod und Verderben.
Thanos darf sich indes auch als erster echter Bösewicht nach Loki aus dem ersten The Avengers beschreiben lassen – und das, obwohl sein Auftritt in den Trailern immer auch mit einer gewissen unfreiwilligen Komik verbunden war. Im Film selbst allerdings geht von ihm kontinuierlich eine unheimliche Aura der Vernichtung aus, weil sich das Regie-Gespann nicht auf beschwichtigende Kompromisse einlässt, sondern Thanos in seiner ganzen machtgierigen Unerbittlichkeit porträtiert. Bevor dieser Charakter aber Gefahr laufen könnte, zur Karikatur zu verkommen, ermöglicht Avengers: Infinity War ihm leise Momente der emotionalen Offenbarung, ohne diese schematisch oder kalkuliert wirken zu lassen. Der berechtigte Vorwurf, dass Marvel es einfach nicht beherrscht, einen gelungenen Bösewicht zu entwickeln, stampft Thanos jedenfalls in Grund und Boden und hinterlässt nur Schutt, Asche und, ja, Tränen.
Von fundamentaler Wichtigkeit ist es schließlich auch für einen Film, der sich in einer solch ausgeprägten Hoffnungslosigkeit verständigt, die emotionale Fallhöhe des Geschehens nachvollziehbar und organisch fassbar zu machen. Und auch hier punktet Avengers: Infinity War, wenn sich das Scheitern der Superhelden-Gruppe immer augenfälliger anbahnt und auf das Grauen nicht nur Zeiten der Sorge, sondern Zeiten des Sterbens folgen. Das emotionale Gewicht, welches die Russos mit ihrer starken Inszenierung wuchten, fußt immerzu auf der Gegebenheit, dass einer unserer liebgewonnenen Heroen tatsächlich getötet werden könnte. Nichtsdestotrotz ist der Humor, der zuvor Marvel-typisch auch gerne mal überstrapaziert wurde, auch in Avengers: Infinity War vorhanden – und das, bis auf wenige Ausnahmen, sogar treffsicher und charmant. Der Witz ergibt sich hierbei aus einer gut konstruierten (und nicht zuletzt 10 Jahre vorbereiteten) Narration.
Avengers: Infinity War begeistert letztlich auch in Sachen Storytelling und arrangiert seine Geschichte in einer Art großer Parallelmontage, in der Thanos Pfad des Grauens und die Wieder- und Neuzusammenführung der Superhelden ineinanderfließt. Gerade die Augenblicke, in denen sich die Guardians of the Galaxy die Bälle mit Chris Hemsworths Thor zuspielen, sind hinreißend komisch, rauben dem Szenario aber nichts von seiner dringlichen Düsternis. Die Verwunderung, die sich nach dem Seherlebnis einstellt, basiert in erster Linie also wohl darauf, wie homogen dieser Film doch wirkt, obwohl er unter seinem Erwartungsballast eigentlich nur hätte zusammenbrechen können. Hätte. Anthony und Joe Russo allerdings beweisen ihre fachliche Kompetenz und machen aus Avengers: Infinity War ein mitreißendes, bisweilen aufwühlendes Spektakel, an dem sich im Zuge seiner Geradlinigkeit weitere Blockbuster dieser Größenordnung messen lassen müssen. [...]
[...] Wenig überraschend übernimmt die Hauptrolle in Duell in Diablo mit James Garner (Gesprengte Ketten) ein arrivierter, weißer Schauspieler. Er gibt den Scout Jess Remsberg, der einen Treck von Soldaten nach Fort Concho begleitet, sich in Wahrheit aber auf der Suche nach dem Mörder seiner Frau, einer Comanche, befindet. Angenehmerweise legt Garner seine Rolle nicht als ehrenhafte Western-Ikone an, sondern gesteht seinem Charakter durchaus menschliche Züge zu, wenn ihm die Gesichtszüge entgleisen, weil er den Mörder seiner Geliebten unerwartet entlarvt hat, oder seinen souveränen Kampfkünsten auch immer Momente der Überforderung einräumt, eben weil die kriegerischen Auseinandersetzungen für ihn keinerlei Sinn ergeben: Remsberg hegt keinen Groll gegen die Indianer, schließlich hat er sich mit einer Indianer vermählt und den grausamen Rassismus jener Tage durch die symbolische Institution der Ehe zerschlagen.
Ebenfalls mit von der Partie ist der Ex-Kavallerist Toller (Sidney Poitier, Flucht in Ketten), dessen Figur auf eine weitere thematische Grundierung des Rassenhasses schließen lassen könnte, hier allerdings lässt Ralph Nelson die Möglichkeit verstreichen, Tollers Selbstfindungssuche, die hier durchaus angeschnitten wird, auch als Zurückeroberung seiner schwarzen Identität aufzeigen. Duell in Diablo scheint generell ein Film zu sein, dessen Umsetzung ambivalenter Natur ist, denn auch wenn sich Nelson von reaktionären Denkschemata klassischer Action-Western distanziert, ist sich seine handwerklich kompetente Inszenierung nie sicher, ob sie nicht gänzlich von den Anlagen einer Charakter-Studie zur vollkommenen Kolportage umschwenken soll. Das wird vor allem im zweiten Drittel deutlich, wenn Duell in Diablo von grell-lauten Verfolgungs- und Gefechtsszenen dominiert wird. Nichtsdestotrotz ist dieser Zweischneidigkeit der sich widerstrebenden Motive eine packende Dynamik eingeschrieben. [...]
[...] Wenn man die Zeichen deutet, dann könnte man auf die Idee kommen, dass der historisch verbürgte Amerikahass, dem Roberto Duran erlagt, der entscheidende Antrieb war, um sich in seiner Klasse bis an die Spitze zu kämpfen. Und sicherlich wäre das ein interessanter Film gewesen, aufzeigen, wie Duran zu seinem größten Feindbild wird, wenn er durch das Land, welches er verabscheut, zur Heldenfigur aufsteigen darf. Jakubowicz aber grundiert diesen Aspekt nicht, sondern heftet sich lieber an das hitzköpfige Temperament Durans, welches im Film zwar nicht folgenlos bleibt, aber ihn auf lange Sicht niemals wirklich auf die Bretter schickt, versteht sich Hands of Stone doch letzten Endes als wenig eigenständge Hymne auf den unnachgiebigen Geist im Herzen seines Protagonisten. Trotz des Hintergrundes der panamaischen Unruhen fehlt dem Film also das wirkungsmächtige Alleinstellungsmerkmal.
Der Box-Film aber ist nicht nur das dröge Abklappern dramaturgischer Allgemeinplätze, sondern auch immer eine Plattform für Schauspieler, die zeigen wollen, was sie im darstellerischen Repertoire mit sich tragen. In diesem Fall ist es Edgar Ramirez, der natürlich nicht an die famose Performance eines Jake Gyllenhaal in Southpaw heranreicht, Robert Duran aber mit seiner Darbietung immerhin eine Idee von Ambivalenz einräumt, bevor die konventionelle Regie diesen Impuls im Keim erstickt. Auch Robert De Niro (Zeit des Erwachens) als Trainerikone Ray Arcel löst sich ein Stück weit vom lethargischen Autopilot, dem die einst so schillernde Mine zuletzt gerne mal verfallen war, und gibt den Mentor von Duran als lebenserfahrenen Strategen. Schade nur, dass ihm das Drehbuch immer wieder die muffigsten Binsenweisheiten aus dem Box-Jargon in den Mund legt („Kämpfe gewinnt man im Kopf!“). [...]
[...] Ihre zweite Ehe mit Ken (Ian Holm, From Hell) ist inzwischen in einem Stadium angekommen, in dem es – wie sollte es anders sein - ausschließlich um das Funktionieren geht. Wenn Ken und Marion allein sein, geht man tiefgreifender Kommunikation aus dem Weg – von Geschlechtsverkehr ganz zu schweigen, Ken tut diese zwischenmenschliche Starre als „nicht so aktive Phase“ ab. Mit Eine andere Frau aber beschreibt Woody Allen nicht die Niederlage einer Frau, die sich vollends von ihrem Gefühlsleben abklemmt hat, sondern vielmehr ihre kräftezehrenden Versuche, eine Versöhnung mit sich selbst zu forcieren, um zum ersten Mal eine Art seelisches Gleichgewicht für sich zu entdecken. Der Mensch, da hat Woody mal wieder vollkommen Recht, kann nur dann mit sich im Reinen sein, wenn er sich über seine Verfehlungen im Klaren ist. [...]