SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

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    SoulReaver: FILMSTARTS.de 02.07.2016, 13:13 Geändert 02.07.2016, 13:14

    [...] Ron Howard, der sich hier ein weiteres Mal als miserabler Geschichtenerzähler bestätigt, bricht die mannigfaltige Materie indes auf eine träge Schnitzeljagd herunter, die weder ästhetisch noch inhaltlich von künstlerischem Feingeist geschwängert scheint. [...] Letztlich darf man sogar so weit gehen und The Da Vinci Code – Sakrileg als pomadiges Industrieprodukt diskreditieren, welches einzig und allein nach den – wenig überraschend - profitgierigen Parametern des marktwirtschaftlichen Kalkül funktioniert und über seine knapp dreistündige Laufzeit (Extended Cut) wie ein durchschnittlicher Fernsehspielfilm daherkommt, der zusammenklaubt, was Terra X im Vorprogramm übriggelassen hat. Der produktionstechnische wie logistische Aufwand in allen Ehren, aber wenn man so uninspiriert agiert wie Ron Howard, muss man sich nicht wundern, wenn selbst eine charismatische Versicherung wie Tom Hanks durch die Sets schlurft wie der schlaganfallgezeichnete Schatten seiner selbst. Welch mühselige Veranstaltung. [...]

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      SoulReaver: FILMSTARTS.de 01.07.2016, 10:09 Geändert 01.07.2016, 10:10

      [...] Tatsächlich fächert Express in die Hölle als philosophischer Diskurs über die Bedeutung individueller Freiheit eine solche Melancholie auf, dass es irgendwann wahrlich im Herzen schmerzt, dieser Odyssee, basierend auf Schienen, die direkt in die Ewigkeit führen, beizuwohnen. Denn wer sagt, dass die Ewigkeit auch äquivalent zur Erlösung steht? Vielleicht hat Ranken Recht, wenn er Manny als Tier beschimpft, ist es doch der unbändige Freiheitsdrang, die Unmöglichkeit, in Gefangenschaft zu existieren, die ihn bewegt. Doch Manny weiß, dass das Leben für ihn keine Zuflucht im Kreis Gleichgesinnter bereithält, kein Rudel, in dessen Schoß er Einkehr finden kann. Ihm ist bewusst, dass er sich nicht anpassen kann, egal, wie sehr er es sich auch wünscht. Dort liegt seine Tragik, dort findet er sein Ebenbild in der unbarmherzigen Natur, die das urzeitlich grölende Monstrum von Dieselzug von beiden Seiten säumt und Manny noch verschlingen wird. Vielleicht aus dem Grund, weil es seine Bestimmung ist. [...]

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        [...] Vielerorts hört man immer noch, dass „Game of Thrones“ nur eine auf niedere Gelüste spekulierende Seifenoper sei, die sich schlicht auf eine primitive Abfolge von Exploitation und Sleaze verlässt. Natürlich stammen diese Vorwürfe von Leuten, die „Game of Thrones“ entweder nie eine Chance gegeben haben oder eben nicht in der Lage sind, aus ihrer von Neid gefressenen Warte herauszuwachsen, um anzuerkennen, dass manche Hypes nun mal durchaus gerechtfertigt sind. Die sechste Staffel, die gerade ihr beeindruckendes Finale gefunden hat, ist jedenfalls der endgültige Beleg dahingehend, dass „Game of Thrones“ voll und ganz zu sich selbst gefunden hat – und das, nachdem weitreichend gezittert wurde, ob das Format nach der Überholung von George R. R. Martins Buchvorlage überhaupt bestehen könnte. Man muss sich sogar ernsthaft die Frage stellen, ob „Game of Thrones“ jemals besser war? In jedem Fall überzeugen die 10 Episoden der sechsten Staffel durch ein ausgefeiltes Storytelling, welches nur selten den Fehler begeht, Handlungsstränge überhastetet im luftleeren Raum versiegen zu lassen, stattdessen erfolgt weitergehend die findige Vernetzung mit der Politik unserer Gegenwart – und damit auch die zielstrebige Besinnung auf die eigentliche Stärke der Serie: Wer sich wirklich für hintergründige Mechanismen politischer Konsequenzen interessiert, der ist bei „Game of Thrones“ und der Spiegelung, die unsere Zeit reflektiert, ohnehin sehr gut aufgehoben. Tatsächlich muss man sogar so weit gehen, dass die sechste Staffel Geschichte geschrieben hat, da sich die Intrigen am Hofe nun mehr in eine epische Dimension aufgeschwungen haben, die ihresgleichen sucht. Die entscheidende Verdichtung auf das sich merklich anbahnende Ende jedenfalls gibt dem Narrativkörper der Serie eine kraftstrotzende Potenz, von der wir uns, im positiven Sinne, eine Pause redlich verdient haben. [...]

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          [...] Rob Burnett ist daran interessiert, Probleme offen anzusprechen, um sie zu lösen und zu bewältigen. Dass das Motiv des Road Trips auch immer am Topos der Selbstfindung rührt, erklärt ich von allein. Umweg nach Hause ist jedoch der ehrenwerten Überzeugung, dass die Verdrängung dem Seelenleben nur neue Schmerzen zufügt, während der Film gleichwohl aufzeigt, dass das Leben dem Menschen immer wieder Wunden zufügt, die niemals gänzlich verheilen, man sich aber mit ihnen abzufinden lernt, in dem man sich selbst mit ihnen konfrontiert. Und das verkauft der Film niemals steril oder steif, wenngleich sich dieses gewisse Rascheln der Drehbuchseiten dann und wann durchaus bemerkbar macht, sondern mit einem angenehmen Gespür für nonchalanten Witz. [...]

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            SoulReaver: FILMSTARTS.de 25.06.2016, 12:14 Geändert 25.06.2016, 13:45

            Es gibt Szenenbilder in Zodiac – Die Spur des Killers, die sich zusehends wiederholen. So zum Beispiel die gleitende Kamerafahrt, die aus der Vogelperspektive einen beinahe inspizierenden Blick auf San Francisco bei Nacht wirft. Wir sehen bei diesem stilistischen Blickwinkel aus luftiger Höhe jedoch keine Westküstenmetropole, die sich langsam in den Schlaf wiegt, stattdessen dräut in diesen kartografischen Bildern eine bedrückend-ungeordnete Angst vor dem, was sich dort unten im (sub-)urbanen Raum, irgendwo in den Straßen, irgendwo in den Häusern, irgendwo in der Peripherie, abspielen könnte. Die Lichter der Großstadt, die bis an die Wolkendecke emporsteigen, sie gehen nicht von Menschen aus, sondern von Tätern. Hier veranschaulicht David Fincher (The Social Network) seine Meisterschaft, allein über seine virtuose Visualität Befindlichkeiten zu beschreiben.

            David Fincher nutzt, wie so oft, unseren durch Medienkonsum vorgeprägten Blick, um ihn keinesfalls zu bestätigen, sondern das sensorische Verständnis in Bezug auf optische Reize zu torpedieren. Der Unterschied, zu Filmen wie The Game, Siebenund Fight Club, liegt darin begraben, dass Zodiac – Die Spur des Killers nicht nur visuell herausfordert und unsere allgemeine Wahrnehmung auf den Prüfstand stellt, er wagt es auch inhaltlich zu neuen Ufern aufzubrechen und, das steht programmatisch für diesen Film, Erwartungshaltungen entschieden zu unterwandern. Wer einen Film über den Zodiac-Killer dreht, einem regelrechten Konsumprodukt, welches sich seiner Zeit einen Spaß daraus gemacht hat, sich selbst (mit beachtlichem Erfolg) als Marke zu verkaufen, der muss dem Serienkiller gemäß genreinhärenter Parameter auch eine Form und somit auch eine Identität zugestehen, damit es dem Helden möglich wird, diesem im großen Finale einen Schuss zwischen die Augen zu verpassen.

            Zodiac – Die Spur des Killers beschreitet andere Wege. Unter den Protagonisten befindet sich kein Dirty Harry, der sich nicht an Regeln halten muss, wie Polizist Dave Toschi (Mark Ruffalo, Spotlight) nach einer Kinoaufführung des gleichnamigen Werkes resigniert feststellt. Die Typologie der Ermittler speist sich aus geerdeten Charakter-Profilen: Da gibt es den überambitionierten Karikaturisten (Jake Gyllenhaal, Demolition), ein hochrangiger Pfadfinder, der ein Faible für das Rätselraten besitzt und den Kryptogrammen Zodiacs gnadenlos auf den Leim geht. Da gibt es den hedonistischen Paul Avery (Robert Downey junior, Stichtag), der von seinen Kollegen nur als 'versoffener Halunke' wahrgenommen wird, in Wahrheit aber eine reichlich bemitleidenswerte Figur darstellt, die durch ihren unverhältnismäßigen Alkoholkonsum mehr und mehr aus der Bahn gerät. Und natürlich Dave Toschi, keksbesessener Polizist, der keine Wunder bewerkstelligen kann, weil er, wie erwähnt, an irdische Gesetze gebunden ist.

            Und vielleicht erschließt sich daraus ja auch die große Tragik, von der Zodiac – Die Spur des Killers subtextuell spricht: Die Erkenntnis darüber, dass realistische Ermittlungsarbeit eben nur nach realistischen Maßstäben funktioniert. Und vielleicht muss man sich irgendwann eingestehen, dass es Fälle gibt, die einfach nicht gelöst werden können. Die nicht gelöst werden wollen. Genau diese Ernüchterung, die aus diesem Bewusstsein keimt, nimmt einen Großteil der Tonalität von Zodiac – Die Spur des Killers ein. Der Killer selbst ist eine Chiffre, ein Schemen, bestenfalls eine krude Vermutung, die zwanghaft materialisiert werden soll, damit die Befürchtung aus der gesellschaftlichen Mitte verdrängt werden kann, dass etwas derartig Böses auch in unserem Inneren angedeihen kann. Zodiac wird zu einem Krebsgeschwür, welches sich direkt in die Schaltstellen zwischen Medien, Polizei und Volkskörper einnistet – und er liebt es, seine Metastasen streuen zu lassen.

            Zodiac – Die Spur des Killers hinterfragt nicht nur die Faszination für Serienkiller, die in den Vereinigten Staaten fester Bestandteil der hiesigen Kultur ist, er offenbart nicht nur die Ungewissheit und Verzweiflung, die Hilflosigkeit und Desillusion, die sich in dem sich über Jahre erstreckenden Netz ballen. David Fincher hat einen, für seine Verhältnisse, beinahe schon kontemplativ-dokumentarischen Film über die virulente Kraft von Ängsten und Panik inszeniert. Über Obsession und Paranoia und darüber, wie man sich diese zu eigen machen kann, um dem individuellen Geltungsdrang zu frönen. Fincher verzichtet dabei auf grobschlächtige Effekthascherei, der Mann hat die Pubertät offensichtlich hinter sich gelassen, und wähnt sich vielmehr bedächtig in der lähmenden Kollektivstimmung jener Tage, in den zermürbenden Recherchearbeiten, bis sich die allseits ersehnte Wahrheit als Chimäre herausstellt. Es gibt keine Spur, kein Muster, der deutsche Beititel lügt, es gibt nur diese eine Fährte, die in unser eigenes Scheitern führt. Willkommen zur Antithese des Kriminalfilms.

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              SoulReaver: FILMSTARTS.de 23.06.2016, 13:39 Geändert 25.06.2016, 11:11

              Ein bisweilen kurioser Film, der sich einerseits angenehm vom Einheitsbrei des deutschen Kriminalkinos abhebt, auf der anderen Seite aber auch nicht an banalen Symbolen und klischierten Handlungselementen spart. Angenehm ist „Die dunkle Seite des Mondes“, weil er nie Interesse daran aufweist, zur verklärten Aussteigerphantasie heranzureifen, um auf die zivilisationskritische Kacke zu hauen. Urs (chargiert sich herrlich durch den Film: Moritz Bleibtreu) erlebt kein „Abenteuer Wildnis“, sondern trifft im Wald auf den Wolf in seiner Seele, der nur einen vorgetäuschten Stimulus, einen logischen Vorwand, gesucht hat, um als archaische Bestie aus seinen (eigentlich) domestizierten Urinstinkten herauszubrechen. Sicherlich gestaltet sich „Die dunkle Seite des Mondes“ als in gedämpften Farben gehaltener Thriller, der sich um den ganz großen Pharmaskandal schlängelt, als nicht selten fahrige Veranstaltung, aber Stephen Rick ist ein überaus begabter Handwerker und versteht so einiges von audiovisueller Suggestion: Wenn tieffrequentes Raunen und verzerrte Streicher über die Tonspur poltern, wird zuweilen ein sehr akkurates Gefühl dafür vermittelt, wie ausgeliefert Hauptfigur Urs seinem zweiten Gesicht doch ist. Einen derartigen Gewalttrip hat die deutsche Filmkultur jedenfalls schon lange nicht halluziniert. Nicht unter diesen Bedingungen. Beim nächsten Mal aber bitte einen Funken Mut, um so richtig freizudrehen.

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                SoulReaver: FILMSTARTS.de 22.06.2016, 00:54 Geändert 24.06.2016, 00:08
                über Raum

                7 Jahre lang auf 9 Quadratmetern gefangen. 5 Jahre davon zusammen mit ihrem Sohn. „Immerhin nicht allein“, ist man fast gewillt zu sagen. Und bereits während man diesen Gedanken formuliert, fühlt man sich schlecht und anstandslos. Was für ein Leben muss das sein, wenn sich die Welt auf einen mickrigen Radius von 9 Quadratmetern bemisst? Was bedeutet das für die Entwicklung eines Menschen, für seine sozialen Fähigkeiten, für seine Vorstellungskraft? Und weitergehend: Was bedeutet es, wenn sich die Welt von 9 Quadratmetern mit einem Lidschlag auf 510 Quadratkilometer potenziert? Wenn die Laube sich plötzlich zum Globus formiert? Lenny Abrahamson spricht diese Dinge an, weitergehend: Er macht diese Dinge in „Room“ erfahrbar, in dem er den 5-jährigen Jack auf eine herzzerreißende Entdeckungsreise schickt, die direkt in die Wirklichkeit führt und den Horizont sprengt, in dem er das – für uns – Alltägliche ertastet, erforscht, erkennt. „Room“ ist so unheimlich wuchtig in seiner Schönheit und seinem Schmerz, dass die einfache Erkenntnis, über die alleinige Entscheidungsmacht zu verfügen, welche Türen man öffnet und welche man schließt, wahrhaft ergreifend auf den Zuschauer einwirkt. Und Brie Larson? Die Frau ist ein Segen für die Schauspielwelt. Die Meisterschaft ihres Können liegt in ihrer aufopferungsvollen Natürlichkeit. Bravourös.

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                • [...] Der Spagat zwischen Arthouse und Mainstream stand ihm ohnehin wunderbar zu Gesicht, seine Offenherzigkeit war die Stimme, mit der er sich in allen Bereichen Gehör verschaffen konnte. Doch nun ist diese Stimme verstummt und es heißt unversehens Abschiednehmen. Ein unvollendetes Schaffen blickt uns kummervoll entgegen; ein offenes Ende, in dem Verheißung voller Tragik verfließt. Anton Yelchin wird uns fehlen, vielleicht nicht in den Nominierungslisten hochdekorierter Filmpreise, aber im Herzen. Der Tod bleibt für Außenstehende eine Erfahrung, die vor allem in Ratlosigkeit verweilen lässt. Das wird dieser Tage wieder schmerzhaft bewusst. [...]

                  Mein Nachruf: http://bit.ly/28IoE16

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                    [...] Schließlich ist Hellboy, nicht anders als Prinz Nuada und sämtliche andere Geschöpfe, eine Kreatur, die abseits der Gesellschaft verharren muss, im Untergrund, hinter stählernen Mauern, als Teil eines von der Regierung finanzierten Geheimdienstes, der, natürlich, offiziell nicht existiert. Hellboy II – Die goldene Armee formuliert anhand dieser Topoi auch eine durchaus emotionale, aber niemals den Humor vernachlässigende Initationsgeschichte, die sich vor allem mit Unterdrückung und Selbstbestimmung auseinandersetzt, zum Ende hin aber eine herrliche übersprudelnde Hommage an die Liebe entfaltet und Barry Manilow noch einmal zum schnulzigen Wort kommen lässt: „You know I can't smile without you.“ Und auch das passt in dieses Universum, in diesen mythologisch-herzlichen Kosmos, der, würde es ihn nicht geben, uns tatsächlich um ein breites Grinsen ärmer machen würde. [....]

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                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 18.06.2016, 13:22 Geändert 24.06.2016, 00:08

                      Erfolg. Neid. Einsamkeit. Freundschaft. Ein Quasi-Road-Trip, verdichtet auf den Resonanzraum eines kammerspielartigen Zwei-Mann-Stücks. Rolling-Stone-Schreiber David Lipsky (Brillant: Jesse Eisenberg) und das Autorenphänomen David Foster Wallace (Stark: Jason Segal) treffen sich zum mehrtätigen Interview. Dabei verbringen sie zuvorderst Zeit miteinander, der „Job“ gerät in den Hintergrund und „The End of the Tour“ wächst heran zur menschlich-packenden Innen- wie Außenansicht beider Charaktere. Das, was sie wollen und das, was sie sind, steht im Zentrum. So, wie sie sich sehen und so, wie sie von anderen gesehen werden. Ihr individuelles Streben nach Glück und das Scheitern daran, minimalistisch inszeniert und ausschließlich dialogisch angetrieben. Was an „The End of the Tour“ nur stört, ist, dass man zu Anfang vom Suizid Wallace' erfährt und der Film so eine Rückblende vollstreckt. Dadurch forciert James Ponsoldt einen dramaturgischen Bogen und als Zuschauer zwingt man sich durchgehend zur vermessenen Psychologisierung, um Anhaltspunkte für den Freitod des Schriftstellers zu entdecken. Das scheint der Intimität der Dialogfontäne zuweilen etwas abträglich, dennoch vermittelt „The End of the Tour“ einen starken Eindruck darüber, wie man damit umgeht, wenn man bemerkt, dass sich die Fixpunkte im eigenen Leben als falsch herausstellen.

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                        SoulReaver: FILMSTARTS.de 15.06.2016, 17:01 Geändert 24.06.2016, 00:08

                        Seit dem brillanten Watergate-Thriller „Die Unbestechlichen“ hat sich der filmische Umgang mit dem Arbeitszweig des investigativen Journalismus nicht mehr sonderlich weiterentwickelt. Jedenfalls dann nicht, wenn man als Filmemacher seinen Fokus streng auf die rein informale Ausbreitung jener Langzeitrecherche richtet. Das ist nun aber nicht unbedingt als schlecht zu bewerten, vor allem dann nicht, wenn man die „altmodische“ Inszenierung als funktionalen Gegenstand der Narration begreift – wie zum Beispiel „Spotlight“. Jedes Bild, jede Einstellung und jede Figur funktioniert hier einzig und allein im Kontext der beruflichen Passion (oder besser: Obsession). Der investigative Journalismus und seine zermürbende Langwierigkeit sind es, um die sich hier alles dreht. Es ist ein Film ÜBER die Arbeit. Und es ist ein Film FÜR die vierte Gewalt. Über das Durchforsten von Akten, über das Wälzen von Kirchenverzeichnissen, über das Inspizieren von verstaubten Kartons aus dem Archiv, über das Befragen von möglichen Zeugen – bis zum möglichen Sieg, der jedoch keine Helden hervorruft, sondern einen erfolgreichen Arbeitstag. „Spotlight“ ist ohnehin kein Film, dem sonderlich zum Feiern zumute ist (alles andere wäre auch reichlich daneben). McCarthy, der durchweg konzentriert arbeitet, hat viel eher ein soghaftes Werk inszeniert, das dem Berufsethos des Investigativjournalisten einen warmen Schulterdruck schenkt: Gut gemacht. Die Uhren jedoch bleiben nicht stehen. Und noch weniger lassen sie sich zurückdrehen. Die Arbeit ruft, auch morgen.

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                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 14.06.2016, 19:01 Geändert 14.06.2016, 19:56

                          Er studiert seine Bewegungen ein; er überprüft sein erfrischendes, durch die langjährige Tätigkeit im Scheinwerferlicht ankonditioniertes Lächeln vor dem Badezimmerspiegel: David Spritz (kongenial: Nicolas Cge) ist Wetterfrosch und wenn es um Einblendungen und Größenverhältnisse geht, die sich für ihn unsichtbar in seinem Rücken über den Greenscreen erstrecken, kann er sich eine Souveränität eingestehen, der er privat erfolglos hinterhereifert. Spritz' Augen sind gefüllt von Traurigkeit; es sind die Augen eines Mannes, der nur Gutes tun möchte, für den die Welt aber nur noch Fast Food bereithält – und das saust ihm aus heruntergekurbelten Autofenstern zumeist direkt ins Gesicht. Spritz ist an einem Punkt angekommen, an dem ihm sein breitbackiges TV-Grinsen nicht mehr weiterhilft, weil er auf die harte Tour in Erfahrung bringen musste, dass das Leben, anders als das Wetter, nicht vorhersagbar ist. „The Weather Man“ erzählt seine von lakoniegefärbtem Humor angenehm gestreichelte Geschichte, er ist das Zentrum, auf den alle zwischenmenschlichen Spannungslinien zulaufen, und Gore Verbinski, der sich sonst eher in anderen Produktionsregionen herumtummelt, beweist einen ganz und gar wunderbaren Sinn für das erzählerische Tiefstapeln, wenn er Nicolas Cage, begleitet von inneren Monologen, unaufgeregt und besonnen durch das Chicagoer Schneegestöber schickt. Immer auf der Suche nach Wiedergutmachung und Abbitte, bis auch ihm deutlich wird: Manchmal ist das Loslassen der beste Weg. Manchmal muss man Träume versiegen lassen und Facetten, die man sich aneignen wollte, vergessen, um mit sich selbst ins Reine zu kommen.

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                            SoulReaver: FILMSTARTS.de 14.06.2016, 14:09 Geändert 14.06.2016, 16:44

                            »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«

                            #13 (Staffel – 2)
                            M…wie Mystery-Film.

                            Entweder auf direktem Wege die Verbindung kappen oder doch den weitaus gelungeneren „Unknown User“ bevorzugen, der sein Topoi um Cyber-Terror und deren Auswirkungen in der analogen Welt nicht nur (aber hauptsächlich) in visueller Hinsicht weitaus sinnstifender und genredienlicher angegangen ist – Mit „Unfriend“ jedenfalls wird man nicht glücklich. Simon Verhoeven, der mit seinem ersten englischsprachigen Film vor allem die stumpfsinnige Anbiederung an den internationalen Markt bemüht, versucht die angesagte Internet-Ist-Böse-Welle für sich zu nutzen und rattert seinen peinlich-humorlosen Budenzauber im Datenstrom unfassbar uninspiriert herunter. Das Horror-Szenario, welches sich natürlich durch seine tagesaktuelle Verknüpfung auch als Zeitgeist-Kommentar geriert, übersetzt den Schrecken, der nicht lange im virtuellen Raum seine Bahnen zieht, vor allem in dusseligen Jumpscares, die maximal durchschnittliche Schauspieler über 90 Minuten dazu zwingen, verschreckt auf ihr Smartphone zu glotzen, als hätte das neuste Profilbild nach 2 Minuten noch keine 75 Likes.

                            http://www.moviepilot.de/liste/soulreaver-und-lieber_tee-in-den-untiefen-des-ganz-normalen-genrewahnsinns-soulreaver

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                              [...] Uwe Bolls Gefallen an Exploitation spart Darfur – Der vergessene Krieg nicht aus, und Boll, dieser großkotzige Marktschreier, der sich als politischer Filmemacher geriert und tatsächlich glaubt, hier den 'besten Film über Afrika' abgeliefert zu haben, rechtfertigt die sich über 40 Minuten erstreckende Abfolge viehischer Gewaltakte damit, dass sie ja der 'Realität' entsprächen. Dabei vergisst Boll jedoch, dass seine Brutalitäten zu stupiden Trägermedien werden, weil er Schrecken aufzeigt, ihn jedoch zu keiner Zeit kontextualisiert. Sein Grauen ist ein vom Thema entkoppeltes, die Wahrheit indes verbirgt sich dort, wo Boll niemals hingelangen wird: Im Bewusstsein über die mannigfaltigen Deutungsräume vom Medium Film. Darfur – Der vergessene Krieg ist ambitioniert, möchte wachrütteln und schockieren, die Mittel, denen sich Uwe Boll bedient, bleiben jedoch so platt, abstoßend und kalkuliert, dass man sich sicher sein kann: Ja, Boll hat die „Show, don't tell“-Maxime maßgeblich fehlinterpretiert. [...]

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                                [...] Wie es sich für eine Sitcom geziemt, wird Sol natürlich von einigen Missgeschicken heimgesucht, und während seine Freundin Jessica (Youtuberin Joyce Ilg) das Geld auf einer Autobahnraststätte verdient, muss Sol zusehen, wie er seine Probleme und Fettnäpfchen, die sich zumeist dann doch irgendwie von ganz allein in Luft auflösen, regelt – was natürlich so gar nicht mit seiner fundamentalen Faulheit harmoniert. Blockbustaz – Willkommen in der Hood jedenfalls macht ganz deutlich: Sol, respektive der ganze Block, besteht aus gammelig-prolligen Versagern, die zu blöd sind, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen, schließlich bietet sich doch alle naselang eine Möglichkeit, aus der Armut auszubrechen! Mehr als ein hämisches „Selbst Schuld“ hat man für die Figuren indes nicht übrig. Und weil sie eben so unfähig sind, den „rettenden Strohhalm“ zu ergreifen, darf man sich auch gebührend über ihre Schicksale lustig machen, denn was gibt es schon Spaßigeres, als eine laszive Minderjährige, die mit dem Vertreter des Jugendamtes schläft, damit sie nicht ins Heim kommt? Genau. [...]

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                                  [...] In jedem Fall gestaltet sich „Warcraft: The Beginning“ als erwartungsfrohes Prestigeprojekt, weil auf seinen Schultern nicht nur der Anspruch lastet, ein originäres Franchise für das Kino aus dem Boden zu stampfen, sondern auch, der Vorlage gerecht zu werden und deutlich zu machen, dass sich hier über mehrere Episoden nicht nur der alttestamentarische Kampf zwischen Licht und Dunkelheit abspielen wird. Dass sich das Narrativ aber genau an dieser müden Dialektik abmüht, zeigt ziemlich genau auf, warum „Warcraft: The Beginning“ keinerlei eskapistische respektive immersive Impulse auf den Zuschauer übertragen kann und Duncan Jones auf Dauer überraschend freudenleer operieren lässt. Das Worldbuilding erscheint abgehetzt, die Charaktere sind zu eindimensional, ihre Positionen immer stabil und erschütterungsfrei und die Krisenherde, die sich auch intern im Ork-Aufmarsch breitmachen, nur ein weitestgehend hilflos umgesetzter Ausdruck dahingehend, die ethnografische Diversität des Originals nicht vollkommen brachliegen zu lassen. Punkten kann tatsächlich nur das Motion-Capture-Verfahren, welches Schauspieler wie Toby Kebbell oder Daniel Wu zu kraftstrotzend-lebensechten Orkkolossen transformiert. Ein bescheidener Trost, in seiner Hochwertigkeit aber nicht von der Hand zu weisen. [...]

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                                    über Carol

                                    In einer Szene treffen wir die von Rooney Mara gespielte Therese im Kino. Sie kauert im Projektionsraum, um durch das Trennfenster einen sauberen Blick auf die Leinwand zu erhaschen. Ein junger Mann, der sich ebenfalls im Projektionsraum befindet, offenbart sich bald als filmbegeisterter Schreiberling, der den Film, es muss „Boulevard der Dämmerung“ gewesen sein, auf die Wechselwirkung zwischen dem, was die Figuren sagen und dem, was sie wirklich empfinden, untersucht. Hier enthüllen sich zwei entscheidende Aspekte, die die motivische Orientierung von Todd Haynes auf den Punkt bringen: „Carol“ nämlich erzählt von einer Liebe, die mit dem ersten Blickkontakt besiegelt zu sein scheint, das öffentliche Empfinden aber muss unter Verschluss gehalten werden, weil das heteronormative System Homosexualität kriminalisiert. Es muss also ein Raum, ein Ort, ein Areal geschaffen werden, in dem sich Therese und Carol frei aufeinander zu bewegen dürfen, wo sie sich erkunden, verständigen, vereinigen können, ohne gesellschaftspolitische Repressalien, die der Film als hintergründigen Druckmesser nutzt, anstatt die Diskriminierung tumb in den Primärtext zu zwängen, zu fürchten. Und Haynes findet respektive konstruiert diese Räume wie ein technischer Modellbauer: Hinter Glasscheiben, hinter Hoteltüren, im Automobil – und wir dürfen teilhaben, an dieser graziösen Hingabe zueinander. Gemeinsam im Inneren der Nussschale. „Carol“ ist kein manisches Ausstellungskino, kein theatralisches Melodram, sondern eine subtile Schönheit, festgehalten in formvollendeten 16-Millimeter-Aufnahmen und bis zum Rand gefüllt mit natürlicher Innigkeit.

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                                      Die Kamera treibt elegisch durch die unendlichen Weiten, gigantische Bauten passieren den Bildkader, während sich eine fremdartige Entität, eine aufwallende Energiewolke, auf die Suche nach ihrem Schöpfer begibt. Wird man Zeuge dieser Bilder, dann fühlt man sich auch „2001 – Odyssee im Weltraum“ wieder nah, obgleich ein Vergleich zwischen „Star Trek – Der Film“ und Stanley Kubricks horizontsprengendem Jahrhundertwerk purer Blasphemie gleichkommt. Aber es gestaltet sich äußerst wohlig, den aufwendig produzierten Franchise-Auftakt dieser Tage wieder anzuschauen, weil sich hier noch eine verträumte Liebe zum Kino ausmachen lässt; ein hingebungsvoller Glaube an die schöpferische (Spreng-)Kraft, dass man durchaus nachvollziehen lernt, warum die Augen des anziehend-fehlerbehaften Kirks beim Anblick der Enterprise, seiner Enterprise, derartig leuchten. Ja, hier bedeutet Abenteuer eben zuerst einmal in den Schoß der Familie zurückzukehren, bevor die Kommandobrücke wieder zum aufgescheuchten Sozialraum wird, in dem man navigieren, räsonieren und Gefühle walten lassen darf. Ein angenehmer Film, mehr an Philosophie als an Krawall interessiert.

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                                        SoulReaver: FILMSTARTS.de 09.06.2016, 12:47 Geändert 09.06.2016, 16:43

                                        [...] Epizentrum ist ein gewohnt gut aufgelegter Michael Douglas, der als vom eigenen moralischen Pflichtbewusstsein in den Klammergriff genommener Richter am eigenen Leibe erfährt, was es bedeutet, wenn feurige Affekte wuchern und man plötzlich grundlegende Zweifel an einer Sache hegt, die doch immer als goldgeprägte Wahrheit das bisherige Leben bestimmte. Ein Richter sieht rot aber bleibt zu oberflächlich, zu eindeutig in seinen Lösungsansätzen, als dass er etwas wirklich Substanzielles in Bezug auf die Vieldeutigkeit des Gesetzesapparates formulieren, noch als Meditation über das trügerische Wesen der Selbstjustiz standhalten könnte. Es liegt letztlich an Michael Douglas, der seinem Kadi immerhin reichlich strauchelnd anlegt, was das plakative Gebaren des Films ein Stück weit abfedert. [...]

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                                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 08.06.2016, 15:32 Geändert 08.06.2016, 15:33

                                          [...] Dramaturgisch gestaltet sich King Arthur folgerichtig ähnlich einfältig, wie sämtliche andere Genre-Vertreter, und arbeitet sich nach altbewährter Methodik bis zum alles entscheidenden Gefecht vor, untermalt von Hans Zimmers pathetisch-aufgeblähtem Orchester und einem penetranten Color Grading, welches die nebelumflorten Bilder so richtig matschig erscheinen lässt: Dark & Gritty ist eben en vogue, was auch das ungepflegte Erscheinungsbild der heroischen Mannen begreiflich macht. Immerhin gelingt es Fuqua hier und da, seine inszenatorischen Fähigkeiten aufblitzen zu lassen, beispielsweise, wenn sich Arthur und Cynric zum ersten Mal auf einem zugefrorenen See Auge um Auge gegenüberstehen. Aber jene an einer Hand abzählbaren Set Pieces retten diesen düsteren Feldzug nicht vor reichlich Leerlauf. [...]

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                                            [...] Denn was bringt eine Existenz im langen Schatten der Verbitterung, wenn es doch die Chance gibt, auch in Haft – durch die Macht der Bildung - einen Sinn für das eigene Leben zu entdecken. Und wenn dafür der ein oder andere Paragraf zu niemandes Nachteil missachtet werden muss, sollten wohl die Gesetzbücher eine ausführliche Korrektur erfahren, anstatt der Häftling wegen „Unangepasstheit“ das Ende des Schlagstocks. Der Gefangene von Alcatraz jedenfalls besticht durch seine Einfühlsamkeit und den unbedingten Willen, Menschen ihre Würde zu lassen, wenn sie für eine schwere Schuld eine ebenso schwere Sühne angetreten sind. Ergreifend gestaltet sich dabei das Schauspiel vom legendären Burt Lancaster, der seiner Robert-Stroud-Interpretation eine emphatische Präsenz einverleibt und den Zuschauer auf seinem so beflügelnden wie bedrückenden Weg voller Inbrunst mitreißt. [...]

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                                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 06.06.2016, 12:20 Geändert 06.06.2016, 12:23

                                              [...] Aber genau das passt natürlich auch zum zweifelhaften Männlichkeitsideal, mit dem „Ride Along“ und nun auch „Ride Along 2: Next Level Miami“ hausieren: Ben ist kurz davor, James' Schwester Angela (Tika Sumpter) zu heiraten. Und weil Ben die Hochzeit am Herzen liegt, ja, er sich sogar Gedanken um das Blumenarrangement macht, wird er durchweg in seiner Männlichkeit infrage gestellt. Der mürrische James gilt in „Ride Along 2: Next Level Miami“ weiterhin als maskuline Konstante, an ihm erfährt der Zuschauer, was sich für das „starke Geschlecht“ gehört: Vor allem ein distanziertes, sprich, unnahbares Gebaren, versperrt hinter einer verspiegelten Sonnenbrille. Die wirklich gelungenen Buddy-Movies, wie zum Beispiel „Lethal Weapon“, arbeiteten ebenfalls mit der augenscheinlichen Gegensätzlichkeit der Charaktere, bezogen aber niemals dahingehend Stellung, um eine der beiden Seiten bloßzustellen. [...] Und dementsprechend flachbrüstig gestaltet sich das infantile Humorverständnis von „Ride Along 2: Next Level Miami“: Ben ist emotional, also dürfen wir ihn auslachen. James ist cholerisch und chronisch verstimmt, also dürfen wir ihn für seine Verwegenheit bewundern. Da ist es nur folgerichtig, dass es maximal zur humoristischen Bankrotterklärung reicht, wenn man glaubt, der beste Witz sei es, diese beiden Persönlichkeitsstrukturen herablassend zu verbinden. [...]

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                                                [...] In Frost/Nixon aber geht es glücklicherweise nicht um Sieger und Verlierer. Stattdessen hat Ron Howard hier einen Film inszeniert – mit ziemlicher Sicherheit sogar seinen besten Film -, der sich ganz auf seine Figuren einlässt und sich weniger am verbalen Kräftemessen, am aufgeladenen Kreuzverhör und dem gewieften Taktieren weidet, sondern den Blick hinter das sensationalistisch aufgeblasene Spektakel wagt: Da, wo sich zwei Menschen offenbaren, die am Tief- und damit auch am Scheidepunkt ihrer Karriere stehen. Die um ihre Zukunft fürchten, zwischen den Interviewpassagen ihre situative Verwandtschaft entdecken und im nächsten Schritt voller Besorgnis um die entlarvende Kraft von Nahaufnahmen wissen. Die allseits ersehnte Inquisition wird zum Dokument der ambivalenten Menschlichkeit, konserviert in einem einzigen Schlaglicht. [...]

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                                                  [...] Als würde der angstgefärbte Ballungsraum, den dieses verästelte Unterholz darstellt, nicht schon allein die Kehle zuschnüren, baut Zada lieber auf die primitivste Schock-Mechanik, die dem Horrorfilm je widerfahren ist: Jump Scares. [...] Wo Jason Zada nun also die Chance gehabt hätte, eine Reise in den Seelenraum zu initiieren, in dem sich die Manifestationen unterbewusster Ängste im Gewand des Psycho-Horrors entladen, bleibt das Interesse doch verstärkt an plumper Effekthascherei haften. Ein Film wie The Forest funktioniert vor allem, wenn er Bilder für sich sprechen lässt, um die mystische Tiefe des Settings eigendynamisch zur Geltung zu bringen. All der konkret visualisierte übersinnliche Hokuspokus ist nur Ausdruck einer künstlerischen Unfähigkeit, die sich daraus speist, dass Jason Zada ein Filmemacher ist, der keinerlei Gespür für erzählerische Feinheiten besitzt, sondern jeden Strich mit dem groben Pinsel anlegen muss [...]

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                                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 03.06.2016, 15:20 Geändert 03.06.2016, 17:32

                                                    Zweifelhaft ist „13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi“ gewiss, wenn er Kollektivängste nachdrücklich schürt und Symbolbilder bemüht, die keinerlei semiotische Grundierung benötigen, um ihren Sinngehalt aufzuspüren: Der Gebetsteppich gehört zur Kalaschnikow und die Kalaschnikow ist es, die die Amerikaflagge ratternd in tausend Fetzen zerreißt. Derlei Assoziationen tragen schon reichlich ideologische Strahlkraft in sich, die sich jeder weiteren Unterredung müßig zeigen. Michael Bay aber beweist auch in „13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi“, dass er ein faszinierender Filmemacher bleibt, infantil und primitiv, aber doch auf eine ganz und gar obskure Art und Weise effektiv verführerisch, dass es einen immer wieder schüttelt, denn mit reinem Gewissen und gesunder Ratio im Schlepptau ist diese diffuse Anziehung nicht zu rechtfertigen. Den Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi nutzt Bay als Projektionsfläche für spektakuläres Kriegsgetümmel, in dem er sowohl seine inszenatorischen Trademarks zelebrieren kann, um hinten raus noch ein Hohelied auf den amerikanischen Edelmut anzustimmen. Eine Kathryn Bigelow hätte aus diesem Stoff, im besten Fall, ein bleiernes Protokoll des Scheiterns entworfen. Der von glühenden Mündungsfeuern und rauchenden Mörsern angetriebene Horror, die stete Orientierungslosigkeit, bestätigen sich über 145 Minuten als unfassbar intensive Seherfahrung: „13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi“ ist ein im Kugelgewitter und Granatenregen pulsierender Befindlichkeitsfilm, der das Selbstverständnis der Spezialeinheit brach legt und diesem mit platzenden Trommelfellen und Adrenalinschüben begegnet, während amorphe Menschenmassen sich unmöglich in Gut und Böse trennen lassen. Immerhin weiß Michael Bay, dass es auch in diesem verqualmten Moloch nicht nur Zielscheiben gibt, wenngleich Grauzonen freilich auf der Strecke bleiben. Eindrucksvoll ist dieser ungemütliche Film dennoch.

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