SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

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    [...] Schwerpunkte bilden hierbei seine Zeit in Schweden und Holland, als er für Ajax Amsterdam, eine der bedeutsamen Talentschmieden im europäischen Profifußball, auf Torjagd ging, von den Fans ausgebuht und bejubelt wurde und endgültige in Erfahrung brachte, dass Fußball nicht nach dem „O Sole Mio“-Prinzip funktioniert, wenngleich ihm abseits des Stadions genau das immer wieder zu schaffen gemacht hat. Mittels Archiv- und Spielaufnahmen findet Zlatan: Ihr redet, ich spiele durchaus von Sensibilität signierten Zugang zu der in der Öffentlichkeit durch sein überdimensionales Ego so strahlenden Persönlichkeit, und trifft Zlatat in seiner Einsamkeit, in seinem Erwartungsdruck, in seinem unbändigen Temperament, welches ihn nicht nur zu memorablen Traumtoren verleitet (wie beispielsweise seinen Fallrückzieher in der Testpartie gegen England, den er aus fast 30 Metern verwandelte), sondern auch zu groben Unsportlichkeiten und innerer Unruhe. „There's only one Zlatan.“ Und er ist aus Fleisch und Blut. [...]

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    • 5 .5
      SoulReaver: FILMSTARTS.de 02.06.2016, 00:19 Geändert 02.06.2016, 01:13

      Klassischer Polit-Thriller, der idealistisch an die Relevanz des Investigativjournalismus appelliert und sich ganz im maßgebenden Geiste von den „Unbestechlichen“ entfaltet, wenngleich er sich in seinem methodischen, streng an der obligatorischen 3-Akt-Dramaturgie ausgerichteten Spannungsbogen vorwiegend in formelhaften Gewässern herumtreibt. Immerhin läuft „State of Play“ dank seines gut bis sehr gut aufgelegten Ensemble (allen voran Russell Crowe) und den geschliffenen Dialogsequenzen nie Gefahr, angesichts des erzählerischen Referenzreichtums qualitativ ernsthaft abzuebben. Altmodisch, im positiven Sinne, wird das Basisprogramm des Genres mit angenehmem Drive abarbeitet, von dubiosen Treffen in Dunkelgassen und dem gemeinschaftliche Brüten über Fotografien und anderweitigen Beweismaterial, spürt „State of Play“ einer Verschwörung bis in die höchsten Ebenen der inneramerikanischen Politik nach, um dabei gleichwohl die reziproke Abhängigkeit von Medien und Politik einzufangen. Konventionell, ja, aber hochwertig.

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      • 7
        SoulReaver: FILMSTARTS.de 01.06.2016, 00:09 Geändert 01.06.2016, 00:15

        [...] Von Beginn an dräut in jedem Frame das eskalative Unheil, welches sich alsbald in einem von blanker Gewalt dominierten Belagerungsszenario entlädt. Bis aufs Äußerste überfordert versucht man sich hier aus der labyrinthischen Hölle zu winden, während Saulnier seiner geerdeten Taktung weiterhin treu bleibt und ein enormes Gespür für menschliche Verhaltensweisen in Extremsituationen offenbart: Niemand wächst im überzogenen Sinne über sich hinaus, trotz der eindeutigen Zugeständnisse an das Genre-Kino, stattdessen wird Verzweiflung und Panik greifbar, rotgeränderte und tränenunterlaufene Augen versuchen derweil irgendwie Struktur in die Orientierungslosigkeit zu bringen. So funktioniert unbehagliches Spannungskino. Interessant ist ebenfalls die Besetzung von Patrick Stewart, den man durch seine ikonischen Auftritte in X-Men und Star Trek vor Augen hat, der den Anführer der Skinheads hier aber mit einem beunruhigenden Stoizismus ausstaffiert, dass man sich beinahe in Wehmut darüber wähnt, den Mann zuvor noch nicht in derart kantigen Performances gesehen haben zu dürfen. [...]

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        • 5

          [...] Hier kann man sodann auch den wohl interessantesten Aspekt am ansonsten doch reichlich unter seinem Möglichkeiten verbleibenden Stolz und Vorurteil & Zombies ausmachen, torpediert er nicht nur Rollenklischees, sondern vollbringt es auch, die Zombies als metaphorischen Faktor zu verwenden, in dem sie sowohl die Emanzipation der Akteurinnen akzentuieren, wie auch als Verweis aus soziale Ungerechtigkeit im Kampf um gesellschaftlichen Solidarität einstehen. [...] Die kinematographische Revision der Weltliteratur bleibt darüber hinaus aber auffällig höhepunktlos, fordert zwar den entsprechenden Blutzoll ein und protzt zeitweise mit einem detailverliebten Ausstattungs- und Kostümfaible, bremst seine eigentlich reichlich irrwitzige Prämisse jedoch dadurch aus, dass an die einzelnen Segmente, an die Erzählung des Romans und die Zombie-Epidemie, zu unterschiedliche Erwartungshaltungen geknüpft sind. Burr Steers vollbringt es nicht, ein organisches Ganzes aus beiden Bereichen zu formen und lässt Stolz und Vorurteil & Zombies in seiner gewagten Ausgangslage frühzeitig verflachen. Kultpotenzial hat das bemühte Mash-up folgerichtig allenfalls auf dem Papier.

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          • 5

            [...] Patterson treibt einen massiven Keil zwischen Inhalt und Form und sorgt zwar dafür, dass sich Electric Slide aus audiovisueller Sicht als durchaus stilvoll verdient macht, die Charaktere indes aber unterentwickelt im grell-poppigen 80s-Klima verfließen. Dabei hat man mit Jim Sturgess (50 Dead Men Walking) einen durchaus talentierten Hauptdarsteller gefunden, der dem mondänen Gauner nicht nur affektiert begegnet, sondern auch in der Lage wäre, ihm ein greifbares Porträt der Emotionen maßzuschneidern. So jedoch wirkt seine monetäre Notlage wie ein bloßer Plot Point, der pflichtschuldig ein Narrativ in Bewegung setzen soll, ohne diesem im weiteren Verlauf ernsthaft Aufmerksamkeit zu schenken. [...]

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            • 6 .5

              Dort, wo die Nacht ihren Schatten noch nicht hingeworfen hat, mag ein unscheinbarer Funke Restmenschlichkeit möglicherweise noch klammheimlich glimmen, für Azuma allerdings bleibt nur noch die Finsternis. Es muss schon vor Jahren geschehen sein, als sich der 39-jährige Polizist vollends vom Vorschriftenkatalog der Mordkommission losgelöst hat, denn „Violent Cop“ zeigt uns einen Mann, der zu Stein geworden ist. Das Gesetz, Klischees umschifft Takeshi Kitano da natürlich kaum, nimmt Azuma selbst in die Hand, doch sein Kampf gegen das organisierte Unrecht rührt von keiner gesunden Ratio: Es ist vielmehr ein obsessives Zwangsverhalten, welches ihn Tag für Tag, Nacht für Nacht antreibt. „Violent Cop“ stellt dabei vor allem die Konsequenzen sozialer Umwälzungen heraus und beschreibt eine Gesellschaft, die dichotomischen Verhältnisse behauptet, in Wahrheit aber nur noch aus Schwerverbrechern besteht. Gewalt ist hier alles, sie ist die Triebkraft eines sich selbst regulierenden Systems. Und Gewalt ist alles, was Azuma geblieben ist. Sie ist keine Option, wenn es brenzlig wird, sondern ein Automatismus – längst schon hat Azuma die Kontrolle über sich und seine Handlungen verloren. Die Tragik offenbart sich jedoch erst gegen Ende, wenn deutlich wird, dass man in dieser Welt womöglich persönliche Rechnungen für den Moment begleichen kann, man auf lange Sicht jedoch nichts ändert. Das System reguliert sich eben selbst.

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              • 4

                [...] Darüber hinaus vermag das Adam-Sandler-Vehikel jedoch keinerlei Auflehnung dahingehend zu mobilisieren, warum der geballte Hass der (pseudo-)elitären Kritikergemeinschaft, der Sandler im Prinzip seit Anbeginn seiner Karriere widerfährt, nicht gerechtfertigt sein sollte. Vielleicht bedarf es auch im Netflix-Kosmos einfach einer kleinen tonalen Kurskorrektur, der Zug für eine Neuerfindung ist ohnehin abgefahren, doch eine Anlehnung an die Tragikomödie Cobbler – Der Schuhmagier, die noch nicht in allzu ferner Vergangenheit liegt, in der Adam Sandler durch sensible Töne überzeugte, könnte vielleicht ermunternde Impulse dahingehend freisetzen, beim nächsten Mal mit dem rechten Enthusiasmus gewappnet aus den dadaistischen Vollen zu schöpfen. Heute hat man sich eben wieder sattgesehen an dem Sandler-Typus, der sich ohne humoristische Durchschlagskraft als draufgängerischer Bonvivant geriert. [...]

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                • 4
                  SoulReaver: FILMSTARTS.de 28.05.2016, 16:38 Geändert 28.05.2016, 16:43
                  über Love

                  [...] Mögen die Sexszenen, gerade die Ménage-à-trois mit Omi, kompositorische Meisterleistungen sein, scheint Noé sich, wenn überhaupt, maximal darüber im Klaren zu sein, dass Lust und Liebe durchaus zusammengehören, nicht aber, dass diese Begriffe niemals deckungsgleich zu benutzen sind. Für ihn ist Liebe immer Ficken. Für ihn ist Sinnlichkeit immer Ficken. Für ihn ist Zwischenmenschlichkeit immer Ficken. Wie enttäuschend und auf Dauer schrecklich albern „Love 3D“ wirklich ist, wird einem anhand dieser lebensweltlichen Kurzsichtigkeit nur zu klar. Dadurch, dass Noé indes streng aus der maskulinen Perspektive erzählt, findet er zudem noch den Raum, um der autobiographischer Selbstbeweihräucherung zu frönen, wenn er nicht nur das eigene Output zitiert, sondern auch involvierten Figuren direkt seinen Namen schenkt. Schade. Immerhin, und das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, ist Noé audiovisuell immer noch ein Großer: Ineinander verschmelzende Körper im flackernden Rotlicht, Sperma, Blut und Tränen als visualisierte Essenz des Lebens, sind intensive Impressionen ästhetischer Formvollendung. [...]

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                  • 7

                    „Der ist so scheiße, der kommt auf der anderen Seite als Arthaus wieder raus.“ Helge Schneiders Humorstrategie ist unergründlich, vermutlich aus dem Grund, weil schlichtweg keine existent ist. In jedem Fall verschließt er sich konsequent jedem herkömmlichen Mechanismus dessen und haut mit ungezügelter Ekstase auf den anarchistischen Putz. Daraus ergibt sich ein unvorhersehbar-improvisatorischer Strudel reiner Sinnlosigkeit, dessen Klasse nach ernsthaften Maßstäben unmöglich zu evaluieren scheint, wie Helge hier aber die Western-Typologie respektive die Konventionen des Genres nutzt, um sie...ja, was überhaupt?, ringt einem schon Respekt ab. Viel Respekt. Und einige schallende Lachkrämpfe dazu. Kunst.

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                    • 6
                      über Baskin

                      Der filmische Gebrauchtwarenladen, bestehend aus illustren Horrormotiven, hat wieder geöffnet, dieses mal gewährt uns allerdings ein (hoffentlich) aufstrebender türkischer Filmemacher Einlass. Das assoziative Spiel mit Urängsten, welches „Baskin“ anschlägt, überzeugt über alle Maßen durch seine elaborierte Formalklasse: Die (über-)stilisierten Farb- und Lichtverhältnisse sprechen eine genreaffine Sprache, das glimmendes Höllenrot und ein kühl-blauer Schrei der Sehnsucht gehen Hand in Hand, während das tieffrequente Raunen, welches sich immer wieder zum ohrenbetäubenden Crescendo verdichtet, die Audioebene auf eine echte Zerreißprobe stellt. Komplettiert wird das Kaleidoskop des Grauens, in dem sich eine Gruppe von Polizisten wiederfindet, von zuweilen regelrecht viehischer Gewalt. Wer sich damit abfinden kann, „Baskin“ als ein überwiegend audiovisuelles Erlebnis anzunehmen, der erlebt ein durchaus suggestives Inferno, allegorisch kann man jedoch auch das von Allmachtsphantasien fehlgeleitete Männlichkeits(selbst)bildnis in seine Einzelteile zerlegt sehen - wenn man denn möchte. Ein Pastiche aus renommierten Versatzstücken der (Okkult-)Horrorfilmhistorie bleibt „Baskin“, aber wenn eine Ermangelung an Innovation zum Vorschein tritt, dann doch bitte, wie in diesem Fall, mit einem solch handwerklichen Talent aufwiegen.

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                      • 7
                        SoulReaver: FILMSTARTS.de 25.05.2016, 23:57 Geändert 26.05.2016, 09:23

                        Vielleicht nicht ganz aus einem Level mit „Her“ oder „The Lobster“ und dennoch ein wahrhaft großartiger Diskurs über den inständigen Wunsch nach dem Gedeihen sowie der bitteren Akzeptanz vom Verfließen der Liebe innerhalb einer sich stetig mehr und mehr entfremdenden Gesellschaft. Emotionale Unausgeglichenheit und innere Unruhe bestimmen den Alltag, und wer einmal stürmisch geliebt hat, der weiß genau, wie es ist, wenn man feststellt, dass dieses beflügelnde Stadium nicht mehr Fall ist. Und „Anomalisa“ erzählt genau davon: Davon, wie die Liebe im Auge des Betrachters liegt und wie sich der Blick auf sie früher oder später ändert. Ändern muss? Womöglich. Alles sehnt sich hier nach Zuneigung und zwischenmenschlicher Einkehr, doch wirklich in der Lage, diese Begehren langfristig auszukosten (respektive es überhaupt zu formulieren) scheint niemand mehr. Charlie Kaufman beweist um ein weiteres Mal, dass er ein Meister darin ist, menschliche Empfindung zu studieren und schenkt der Welt einen so ungemein sensiblen Film – man greift sich an die Brust, um zu vermeiden, dass einem das Herz darin zerreißt.

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                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 25.05.2016, 18:33 Geändert 25.05.2016, 18:48

                          [...] Und der Versuch, die Geschichte des Vorläufers in ein neues Gewand zu pressen, mit Helikoptereltern und Quälgeistern, die den gesamten Allergiekatalog aus dem Stegreif herunterbeten können, bleibt ein müßiger Versuch, diesem Projekt einen Funken Leben einzuhauchen. Kindergarten Cop hatte 1990 immerhin das Können, seine Family-Comedy organisch in das kriminalistische Prozedere zu migrieren. Kindergarten Cop 2 allerdings ist ein seelenloser Abklatsch ohne Ambition, dafür mit dem peinlichsten Product placement der letzten Zeit, einzig und allein aus dem Grund produziert worden, um einen anziehenden Markennamen auszuschlachten, was wenigstens aus kommerzieller Sicht die mantraartig durch den Kopf polternde Frage beantwortet, warum man einen Film fortführen muss, der in 4 Jahren sein 30-jähriges Jubiläum feiern wird. Die leidlich spannende Kreuzung aus ungezwungenem Spaß (den Dolph Lundgren absolut solide meistert) und detektivischem Geplänkel reicht hier jedenfalls nicht einmal zur Schmalspurversion des Originals. [...]

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                            [...] Der bärbeißige, rustikale La Bête bestätigt sich vorerst noch als unkultivierter Grobian, der selber mehr Tier denn Mensch ist. Eve hingegen scheint La Bête durch ihre Geduld (unterstrichen durch die unfreiwillige Unfähigkeit sich zu verbalisieren) nach und nach zu domestizieren. Die Annäherung beider Parteien versinnbildlicht auch die Diskrepanz zwischen Natur und Zivilisation, in der La Bête verdeutlicht werden muss, dass er es bei Eve mit einem Menschen zu tun bekommt. Im Verlauf der Zweisamkeit entwickelt Wie ein Schrei im Wind eine berührende Zärtlichkeit, in der sich der Kampf um das Überleben auch zu einem Kampf für die Liebe wandelt – oder schlicht den Mut, sich und seinem Gegenüber diese überhaupt einzugestehen. Und mit den erwachenden Gefühlen der beiden Hauptakteuren ändert auch die Natur ihr Antlitz, ein Schneegestöber wickelt sich um die Nadel- und Laubwälder, die Gebirge versinken in Nebelschwaden, das Geheul der Wölfe, die Schreie im Wind, werden bis an die Tür der Holzhütte getragen. Und die Liebe trotzt allem. [...]

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                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 24.05.2016, 15:23 Geändert 24.05.2016, 22:47

                              [...] Zu oft bestätigt sich „X-Men: Apocalypse“ offen als auf reinen Umsatz konzipiertes Kommerzprodukt, welches primär darauf ausgelegt ist, die Prequel-Trilogie zu einem Abschluss zu führen. Ein funktionaler Eindruck, den Bryan Singer noch in „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ gänzlich ad absurdum führte, als er dem Zeitlinienchaos der Serie mit beständiger Radikalität begegnete und nicht nur den von Fans und Kritikern weitestgehend verschmähten „X-Men: Der letzte Widerstand“ für quasi ungeschehen erklärte, sondern auch einen Kontinuitätsstrudel heraufbeschwörte, der sich irgendwo zwischen Prequel, Sequel und Reboot entlud. Es wäre mit Sicherheit zu harsch ausgedrückt, würde man „X-Men: Apocalypse“ als kompliziert titulieren, dadurch, dass der Film aber bis unters Dach mit (alten neuen und neuen alten) Figuren und verschiedenen Handlungssträngen vollgestopft wurde, erscheint das grundsätzlich reichlich konventionelle Narrativ des sich über 140 Minuten erstreckenden Blockbusters wirr und wüst, was die Nachvollziehbarkeit des Zuschauers schon mal auf eine merkliche (Gedulds-)Probe stellt. [...]

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                                SoulReaver: FILMSTARTS.de 23.05.2016, 14:17 Geändert 23.05.2016, 14:26

                                [...] Es mutet fast ausschließlich etwas krampfhaft an, die Fusion von Arthouse und Genre unter einen Deckel zu bekommen, was man zuletzt auch an „Ich seh, Ich seh“ von Veronika Franz und Severin Fiala gut beobachten konnte. „The Witch“ ergeht es da durchaus ähnlich, er ist zu angestrengt in seinem ambitiösen Gebaren, was zur Folge hat, dass dem verkopften Film oftmals die Luft zum Atmen fehlt. Robert Eggers aber lässt keine Skepsis an seinem Konzept zu und destilliert aus der Verschränkung von neuenglischer Folklore und dicht inszeniertem, von Märchen-Insignien und historischen Bezügen durchgehend flankiertem Schauerstück eine Vielfalt an thematischen Querverbindungen: Tatsächlich verbirgt sich in „The Witch“ ein Film, der symbolträchtig und referenziell (von Michael Haneke bis Lars von Trier lassen sich einige Inspirationsquellen ausfindig machen) über Glaubenssysteme, ritualisierte Erziehungsideale, Emanzipation, sexuelles Erwachen und die Befreiung von Körper und Geist sinniert. Die Abkehr von Traditionen muss hier jedenfalls nicht das Ende bedeuten, was das Holzhammerfinale idiotensicher untermauert. [...]

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                                  SoulReaver: FILMSTARTS.de 22.05.2016, 22:43 Geändert 22.05.2016, 23:36

                                  Wichtiger und richtiger Film. Für ein Debüt geradezu beeindruckend weitsichtig im Umgang mit der Innen- und Außenwahrnehmung von Pädophilie und der reellen Möglichkeit von Resozialisierung. Nicole Kassell geht es dementsprechend auch nicht darum, ihr Narrativ entlang der (potenziellen) Läuterung des Triebtäters Walter arbeiten zu lassen, sondern um den zeit- und arbeitsintensiven Lernprozess, in dem Walter sich aneignet, sein Handeln an moralischen Maßstäben abzugleichen. Und das geht nur durch zwischenmenschlichen Kontakt, gibt es in der sozialen Isolation doch keinerlei Initiation für eigenständiges Hinterfragen. Zu Anfang noch müssen Rechtfertigungen her, er würde den Kindern schließlich nicht weh tun und wenn die Kleinen zu Fremden ins Auto steigen, dann tun sie das aus eigenem Antrieb. Nach und nach reißt dieses verklärte Selbstverständnis ein, indem Walter seine eigene Position erkennt, indem er mit der Sichtweise der Menschen um ihn herum konfrontiert wird. Darin liegt die Stärke des Films begraben: Das mehrseitige Perspektivieren. Der Täter, sein Umfeld, das stete Reifen durch die individuelle Wahrnehmung. „The Woodsman“ funktioniert letzten Endes aber auch nur wegen Kevin Bacons feingliedriger Performance. Er verleiht dem in sich gewandten Walter ein Profil, eist sich geradewegs vom Monster los und porträtiert hochgradig sensibel den Menschen hinter dem vorbelasteten Blick der Öffentlichkeit.

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                                    Oh man. Da ist er wieder, dieser unwägbare Zustand, irgendwo zwischen beflügelnder Melancholie und bleierner Depression, wie er einen immer und immer wieder übermannt, wenn man Nirvana zum tausendsten Mal gefühlt zum ersten Mal hört. Genau dieses Befinden sucht einen auch heim, wenn man sich „Cobain: Montage of Heck“ zu Gemüte führt, was wohl Beleg genug ist, dass Brett Morgen hier wenig bis gar nichts falsch gemacht hat. „Cobain: Montage of Heck“ ist ein Paradebeispiel dahingehend, wie man heutzutage innovatives und zutiefst berührendes Dokumentarkino bewerkstelligen kann. Mittels (zum Teil unveröffentlichten) Notizen, Tagesbucheinträgen, Archivaufnahmen und einer eigens angefertigten Graphic Novel kommen wir Kurt Cobain, diesem Sprachrohr und Identifikationsfigur einer ganzen Generation, über die fast 130-minütige Laufzeit unfassbar nah: Cobain erschließt sich und seine von Allüren befreite, mit Komplexen vollgestopfte Welt quasi eigenhändig. Dabei entsteht ein lebendiges, eigendynamisches, collagiertes Porträt, beinahe schon einem sich ständig in Bewegung befindender Bewusstseinsstrom gleichend, welches durch die imponierende Wahrhaftigkeit die Herzen öffnet.

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                                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 21.05.2016, 14:35 Geändert 21.05.2016, 14:36

                                      [...] Interessant wird der Themenkomplex, wenn man sich verdeutlicht, dass Leute wie der Punisher nur gedeihen konnten, weil es Daredevil gibt. Er ist die unvermeidbare Konsequenz eines selbsternannten Rächers, dessen Selbstjustiz vielleicht nicht so radikal sein mag, wie die des Punishers, aber von der Gesellschaft legitimiert und glorifiziert wird – ja, letztlich auch als moderates Mittel akzeptiert. Das allseits verschrieene Heldendasein von Daredevil befindet sich auf dem Prüfstein. Ist er wirklich der Inbegriff eines ritterlichen Ideals? Oder wird man wirklich zum Helden, in dem man die Vorbildfunktion verweigert und in der Masse untergeht? Da wird es dann auch augenscheinlich eng im Lügengebäude, in dem sich Matt Murdock durch sein strapaziöses Doppelleben ein brisantes Lager aufgeschlagen hat. Marvel's Daredevil hinterfragt an dieser Stelle nicht nur individuelle Auffassungen der Wiederherstellung von Gerechtigkeit, sondern auch das Rückgrat des Rechtssystem, welches sich niemals über eine groteske Perversion des Waffengesetzes definieren lassen respektive von diesem in die Knie gezwungen werden darf. [...] Highlight der zweiten Staffel ist der nuancierte Umgang mit den Charakteren und das Einlassen auf ihre Psychologie. Während Charlie Cox endgültig in der Rolle des Teufelskerls angekommen ist, darf Jon Bernthal als Frank Castle/ Punisher schauspielerisch so richtig brillieren. Seine Performance überrascht umso mehr, weil man Bernthal zwar als ordentlichen Darsteller aus der zweiten Riege wahrgenommen hat, das subtile Spiel, mit dem er Frank Castle zwischen unkontrollierter Killermaschine und zerbrochener Persönlichkeit anlegt, war in dieser affektiven Präzision jedoch nicht zu erwarten. Durch ihn gewinnt Marvel's Daredevil ganz entscheidend an Emotionalität und Ambivalenz, was die Serie grundlegend vitalisiert und über 13 Episoden so ungemein mitreißend gestaltet. [...]

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                                        SoulReaver: FILMSTARTS.de 20.05.2016, 20:16 Geändert 20.05.2016, 20:41

                                        Es wäre unfair zu postulieren, „Zoomania“ würde nicht auch einige Federn durch den Umstand der persönlichen Erwartungshaltung lassen, denn: Weder ist das hier der große Schenkelklopfer, noch scheint der Film über den emotionalen Punch zu verfügen, der einem mit aller Kraft aufzeigt, dass man diesen Film nicht nur sieht, sondern ihn auch mit respektive in seinem ganzen Körper spürt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich „Zoomania“ einer doch recht penetranten Oberlehrerattitüde nicht entbehren kann. Man muss sich nur im nächsten Schritt vergegenwärtigen: Mag der Film auch didaktisch anmuten, hat er doch eine unfassbar ehrenwerte Vision, die auf Ambitionen gestützt ist, denen er womöglich nicht gänzlich gewachsen scheint, in großen Dinge genügt es allerdings bekanntlich, sie gewollt zu haben. „Zoomania“ nämlich, der Rassismus (und Sexismus) nicht nur als Sub-, sondern als Primärtext nutzt, stellt damit ein Novum in der Disney-Vita dar. Er nutzt Motive wie Selbstverwirklichung, Rassenlehre und Vorurteile, um seinen Kriminalplot anzutreiben und gleichermaßen zu transzendieren, geht es doch nicht nur um das bloße Aufspüren einer staatlichen Verschwörung, sondern um das (wenn auch tonal und inhaltlich nicht gänzlich ausgewogen) Offenlegen des Rassismus als (vor)geprägtes Hirngespinst, welches in Zeiten der Unruhe effektiv als Instrument der gesellschaftspolitischen Manipulation genutzt wird. Das ist durchaus bewundernswert, gerade für Disney-Verhältnisse, und gewinnt letztlich weitergehend an Gewicht, wenn man tagesaktuelle Bezüge forciert.

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                                          [...] Ross William Ulbricht, Erstbetreiber der virtuellen Handelsplattform Silk Road, jedenfalls agierte nicht aus der Motivation heraus, ein begütertes Element im kriminellen Kosmos zu werden. Er operierte im Namen der Menschlichkeit und Libertät. Sein Vorbild war der austroamerkanischen Wirtschaftswissenschaftler Ludwig von Mises, was ihn anhielt, sich Gedanken zu machen, wie er der systematischen Anwendung von Gewalt entgegenwirken kann. Hier die Gewalt, die im Zuge des War on Drugs tagtäglich unzählige Opfer einfordert. Dadurch, dass die Drogen über die Silk Road zu ordern sind, sollte sich das Dealen auf der Straße einstellen, was folgerichtig auch die Schießereien in aller Öffentlichkeit unterbindet. Diese Menschen müssten nicht mehr sinnlos ihr Leben lassen, weil Zwang und Aggressivität aus ihrem Wirtschaftssektor vollkommen vertrieben wären. Heute sitzt Ross Ulbricht im Gefängnis, das Urteil am 29. Mai 2015 lautete lebenslänglich. Sein Prozess glich einer emotionsgefärbten Chimäre, in dem durch Erpressung und Geldwäsche alles dafür getan wurde, den Idealisten und Freidenker Ulbricht zur Rechenschaft zu ziehen. Sicher ist Deep Web – Der Untergang der Silk Road nicht objektiv, Winters Absichten jedoch sind hehr und Ulbrichts Wirtschaftssimulation auf jeden Fall wert, ausgiebig auf ihre Sinnhaftigkeit abgetastet zu werden. Vielleicht fällt ja der Groschen.

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                                            [...] Die Typologie speist sich eher aus Alkoholikern, Falschspielern, Verzweiflungstätern, Nacht- und Schattengestalten. Und aus jenen, die man am ehesten als Eiferer beschreiben möchte, so wie Chris einer ist. Wirklich bestechen kann „Triple 9“ aber dadurch, wie es ihm mit Bravour gelingt, einen urbanen Organismus um die, wie in jedem Werk von Hillcoat, Konstante der Gewalt herum zu bauen und die pulsierende Metropole als reflektorische Fläche abzubilden: Die großstädtische Dynamikstruktur übersetzt sich in die Beziehungen der Figuren. Kartografische Schnittstellen werden fein-säuberlich abgesteckt, Atlanta erwacht zum pumpenden Körper und in ihm findet sich ein System, in dem alles verzahnt, geschichtet, auseinander getrieben und ganz eng zusammen gepresst scheint. Fluchtwege und Sackgassen spiegeln sich und verwachsen. Es ist ein von Korruption vergifteter und von Hektik angefeuerter Wust, bei dem Hillcoat niemals die Übersicht verliert, stattdessen liefert er einen der formal eindrucksvollsten Cop-Thriller des neuen Jahrtausends, wenngleich er (gemessen an Genre-Insignien) zuvor nie so regelhaft agiert hat.

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                                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 17.05.2016, 14:30 Geändert 17.05.2016, 14:32

                                              Es gibt nur eine universelle Sprache: Die Gewalt. Und genau diese ist es, die in „The Tribe“ fortwährend ausgeübt wird, um sich in einer gänzlich taubstummen Welt schnellstmöglich Gehör zu verschaffen. Lange schon gab es keinen Film mehr, der seiner stilistischen Marschroute mit einer solch formalen Strenge die Treue geschworen hat und den Zuschauer geradewegs in die barbarische Welt der Protagonisten zerrt: Niemand verliert hier ein Wort, die Körper artikulieren sich dafür umso deutlicher und verlagern „The Tribe“ so was von jenseits der Stille – es fröstelt einen ganz gewaltig ob dieser vehementen Trostlosigkeit und Verrohung, da, wo Menschlichkeit mit Schmerz und Hilflosigkeit aufgewogen wird. Miroslav Slaboshpitsky geht dabei zurück zur Essenz des Filmemachens, so roh, pur, urwüchsig-immersiv, man möchte unentwegt applaudieren, während man dabei irgendwie das Würgen unterdrückt.

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                                                [...] Natürlich, das wissen wir nicht erst seit „Schlaflos in Seattle“, kann man der Liebe ernsthaft keinerlei Einhalt gewähren. Und der Kampf, den der Huntsman und seine Holde Sara angehen, ist keiner, der sich um des Krieges willen entlädt, der politische oder wirtschaftliche Ziele legitimieren soll, sondern einer, der der Liebe Auftrieb verleiht. Dementsprechend sympathisch gestaltet sich „The Huntsman & The Ice Queen“, wenn er in ganz und gar naiv-romantischer Taktung aufzeigt, wie der Huntsman sich auch mal von seinen weiblichen Gefährten unterbuttern lässt – und es einfach hinnimmt. Ob Cedric Nicolas-Troyan aber in der Lage ist, Innovatives aus dem Köcher zu zaubern und einen Funken schöpferische (Spreng-)Kraft freizusetzen, muss negiert werden. Im Prinzip ist „The Huntsman & The Ice Queen“ ein konfuses Konstrukt, dramaturgisch unfruchtbar und visuell, bis auf so manch fabelhaftes Wesen und dem imposanten Winterpalais, wenig erquicklich. Teure Konfektionsware eben, aber, im Gegensatz zum Vorläufer, zumutbar.

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                                                  Anmutig pflügt sie sich durch die pazifischen Wellen, die Essex, das legendäre Walfängerschiff, welches Lüftchen, Böen und Stürmen gleichermaßen zu trotzen wusste. Ron Howard lädt uns an Bord des Segelkübels und spürt in „Im Herzen der See“ der historischen Ergänzung hinter „Moby Dick“ nach. Das Schlussresultat ist durchwachsen, wenn auch immer noch durchaus positiv: Die (kinetische) Digitalkamera und das omnipräsente Color Grading sorgen zeitweise für wahnsinnig hässlich-matschige Bilder, die so synthetisch erscheinen, dass man glaubt, niemals Zugang zu der Geschichte finden zu können. Ein Trugschluss, zum Glück. Denn „Im Herzen der See“ ist, Obacht, ein Film, der das Herz eines echten Epos in seiner vernarbten Brust trägt. Und Howard erzählt hier nicht über den Aufbruch ins Abenteuer, in denen die mythologisierten Tiefen des Meeres heroisch erstürmt werden, sondern über die Heimkehr und wie schwer ein Mensch manchmal dafür kämpfen muss, um diesen Gang antreten zu können. Eine moralische Reifeprüfung, die den geläuterten Jäger und den alabasterweißen Wal Auge um Augen gegenüberstellt. Schade nur, dass Ron Howard, der ja sonst nicht darum verlegen ist, dem Zuschauer die grobe Sülze auf die Stulle zu klatschen, hier ein wenig gedrosselt agiert, bettelt „Im Herzen der See“ doch eigentlich durch und durch um ungezähmten Pathos.

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                                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 15.05.2016, 12:24 Geändert 15.05.2016, 16:53

                                                    Steven Soderbergh gehört zu den Filmschaffenden, über die es äußerst schwer fällt, sich eine handfeste Meinung zu bilden. Nicht nur, weil aus Soderberghs eklektisch-sterilem Stil keine markante Handschrift zu destillieren scheint, sondern auch, weil sein Output einfach zu stark zwischen achtungsgebietenden Höhen- und bestürzenden Tiefflügen oszilliert. Sein Langfilmdebüt „Sex, Lügen und Video“, welches mit dem Gewinn der Goldenen Palme quasi den künstlerischen Ritterschlag in Trophäenform erhalten hat, gehört glücklicherweise zu den Filmen, in denen sich Soderbergh tatsächlich mit Hintersinn für seine Charaktere interessiert. Das Geschlechterstück, welches nicht nur die individuelle Notwendigkeit von Sexualität hinterfragt, sondern vielmehr die Kommunikation als Basis der Kultur der Leidenschaft begreift, findet im Video ein korrektives Medium, welches dazu dient, die „unmoralische“ Ordnung innerhalb des aus vier Parteien bestehenden Ensembles zu regulieren. Graham (James Spader) redet sich ein, impotent zu sein, seine Wege zur Lustbefriedigung führen über die Aufnahme von Frauen, die ihre Bedürfnisse vor seiner Kamera formulieren. Dabei fallen unweigerlich die Masken, jeder findet in einem Strudel aus Selbstlügen zu sich, weil Graham sich zwar verschlossen gibt, aber die richtigen Fragen zur richtigen Zeit stellt. Und Soderbergh inszeniert das niemals puritanisch, sondern minimalistisch und feinsinnig, was fast schon etwas wehmütig stimmt, denkt man erst mal darüber nach, was sich der Mann in den folgenden Jahren oftmals für geistlose Schnitzer geleistet hat.

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