SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Mit „Gladiator“ von Ridley Scott, der imposanten Reaktivierung des Sandalenfilms, wurde ein Bild dieses Genres (neu-)kultiviert, welches sich gnadenlos in die Köpfe der Zuschauers gefräst hat. Ein Monumentalfilm darf nur edel und grob sein. Und das erste Kriterium erfüllt „Alexander“ auch mühelos, handwerklich wird hier die ganz große Show aufgeführt, mit einschüchternden Landschaftspanoramen, beeindruckend prunktvollen Interieurs und einer ohnehin detailobsessiven Auffassung davon, wie man einen durchkomponierten Ausstattungs- respektive Kostümfilm adäquat zum Leben erweckt. Allerdings wurde darauf verzichtet, einen virilen Heroen der Marke Maximus Decimus Meridius an vorderster Front zu präsentieren, obwohl ein Großherrscher wie Alexander eigentlich geradezu prädestiniert dafür war, eine ähnlich gepolte Funktion auszufüllen. Oliver Stones effeminierter Alexander, ein blonder, mit weichen Gesichtszügen und unschuldigen Augen ausgestatteter Schönling, widerstrebt der allgemeingültigen Vorstellung einer archetypischen Heldenikonographie indes. Grob und edel wird zu sensibel und filigran. [...]
Ein knuffiges Relikt längst vergangener Tage. Ein Musterbeispiel dafür, dass es auch mal eine Zeit gegeben hat, in der Superhelden auf der großen Leinwand noch keine Depressionen durchzustehen hatten und nicht jeder einzelne ihrer Wimpernschläge in das Tagesgeschehen kontextualisiert werden musste. Als Comicverfilmungen eben noch poppig, campy und arglos sein durften. Richard Donner geht es in „Superman“ noch um den unbefangenen Eskapismus (die opulente John-Williams-Komposition akzentuiert dieses Bestreben nachhaltig) und die Geschichte um einen messiasgleichen Erlöser, der auf die Erde gekommen ist, um den Menschen Hoffnung zu bringen, ist eine in ihrer Naivität ungemein erhabene. Sicherlich muss man den Film auch ein Stück weit durch die Nostalgiebrille betrachten, aber „Superman“ ist auf seine unkompliziert Art so herzlich wie auch phantasiebegabt, dass man sich nur zu gerne in den freiheitlichen Bildern verliert, in denen der Mann aus Stahl mal wieder die verhangene Wolkendecke am Himmel von Metropolis stürmt. Außerdem gibt es neben dem wunderbaren Christopher Reeve, der formidabel die Balance findet, wie er der Zwienatur im Herzen Supermans gerecht wird, einen Marlon Brando, der mit seiner unverwechselbaren Präsenz die Leinwand in Würde sprengt und einen dünkelhaften Gene Hackman, der als Lex Luther nach und nach seiner eigenen Eitelkeit ins Netz gehen darf. Und doch, Lobpreisung gilt in erster Linie Reeve. Dank ihm funktionieren auch die Zärtlichkeiten im mythologischen Gefüge. Er ist der Urheber des Charmes, der „Superman“ zum Klassiker gemacht hat.
[...] „The Keeping Room – Bis zur letzten Kugel“ ist ein Film über die Zeit des Krieges. Und damit hat Daniel Barber auch ein Film über die Zeit der unabwendbaren Veränderungen gedreht. Die drei Frauen im Zentrum bilden den Gefühlsknoten, der sich durch die anhaltende Traurigkeit, die Verbitterung und die Existenzängste merklich strammer und strammer zieht. Wenn sich später die beiden desertierten, vom Kriegsschrecken vollkommen verrohten Unions-Soldaten Zugang in das Haus der Damen verschaffen, wird das Stillleben der beinahe apokalyptischen Inszenierung jäh aufgebrochen und der rückwärtsgewandte Westen-Gestus in ein bedrückendes Home-Invasion-Szenario umgewandelt. Es folgt auch im archaischen Gewaltakt der Ausbruch aus Gender-Klischees. [...] Festzuhalten bleibt nur, dass, wenn die Moral stirbt, auch die Zukunftsperspektive versiegt. Krieg ist die Hölle.
[...] Wenn man so möchte, ist „Pain & Gain“ die über Gebühr zynische Anklage an den American Dream, der sich hier als virulentes Wahnbild manifestiert, welches Menschen infiziert und sukzessive ganz nach unten drückt. Und Michael Bay inszeniert das wie einen flirrenden, testosterongeschwängerten Fiebertraum, direkt aus dem anabolikabefeuerten Muskel des Bodybuilder-Triumvirat im Zentrum extrahiert. „Pain & Gain“ ist definitiv das beste Musikvideo, welches MTV niemals über den Äther geschickt hat. Es ist ein übergreller, hypernervöser und menschenverachtender Rausch, losgelöst von allen Zugeständnissen an ein herkömmliches Erzählkino; eine überdrehte und überzeichnete Abrechnung mit einem Amerika, das hier vor allem für falsche Versprechungen einsteht. Und es ist die persönliche Abrechnung Michael Bays mit seinen eigenen Inszenierungsmaniersimen, die er hier so hysterisch und freimütig wie nie zuvor zum Abschuss freigibt. Man muss ihn gesehen haben, man muss dieser Sogwirkung verfallen sein, um sich der poppigen Unfassbarkeit des Ganzen bewusst zu werden. Es lohnt sich, auch wenn man sich dabei die Finger schmutzig macht.
[...] In der erste Hälfte seiner Spielzeit ist „No Escape“ tatsächlich äußerst gelungen, weil er sein bedrückendes Szenario bis zum letzten exploitativen Tropfen auswringt: Wie Dowdle das allgemeine Chaos greifbar macht, ist wahrlich einnehmend und hochgradig effektiv in Szene gesetzt, gerade weil der Regisseur sein Gespür für Impulse der Auslassung offenbart. Immer, wenn die Erde gerade so richtig bebt, schafft „No Escape“ Platz für kontemplative Zwischenräume, in denen die Überforderung der Charaktere zu Tage gefördert wird (die exzellente Aufzugszene, in der die Kamera starr auf Owen Wilsons versteinertem Gesicht verharrt, darf nicht unerwähnt bleiben). [...] Natürlich versucht „No Escape“ auch moralisch und politisch Wurzeln zu schlagen – ganz zum Leidwesen der treibenden Einwirkung auf den Zuschauer. Die asiatischen Aggressoren müssen sich als dämonische amorphe Masse beschreiben lassen und werden zum Ventil, um den in dieser Produktion ohnehin stetig brodelnden Rassismus endgültig an das Tageslicht zu fördern und ein schauerliches Antlitz zu verleihen. Tatsächlich wäre es kein Verbrechen gewesen, sich hier einer doch reichlich primitiven Gut-Böse-Dialektik zu bemächtigen. Die Lücke zwischen den Reine-Weste-Amerikaner und den „wild gewordenen Gelben“ aber klafft zu groß, was es „No Escape“ unmöglich macht, über seinen durch und durch xenophoben Horizont hinauszuwachsen. [...]
[...] Und sobald sich Sade und Bird im Haus von Carter eingefunden haben, bestätigt sich „Standoff – Die letzte Zeugen“ als High-Concept-Thriller nach DTV-Maß: Carter verschanzt sich im Obergeschoss, Sade lauert eine Etage darunter und fordert den altgedienten Soldaten zu einem Psychokrieg heraus, der unweigerlich auf seine finale Konfrontation zurollt – und dabei manch wirklich einnehmende Sequenz zutage fördert. Gerade Laurence Fishburne erscheint motiviert und glänzt als redseliger Profikiller wie schon lange nicht. Thomas Jane fällt da als auf Läuterung hoffender Schutzengel etwas ab, ist aber zum Glück noch Schauspieler genug, den Autopilot nicht zu offen auszustellen. Einige Hänger schleichen sich dennoch durchaus in das Geschehen, gerade wenn deutlich wird, wie repetitiv und ohne (wirklich) erkennbare Verdichtung der häusliche Grabenkrieg vonstattengeht.
Mit „Der letzte Mohikaner“ wurde in den 1990er Jahren klassisches Erzählkino, geboren aus der Urmaterie einer Nation im Wandel, geschaffen. Michael Mann nimmt sich dem James-Fenimore-Cooper-Roman entsprechend der Forderungen an, die die Vorlage zwangsläufig aufwirft: Das Narrativ um Ehre, Courage und Stärke darf sich auf einem ordentlichen Pfund Pathos betten und mit theatralischen Gesten das Herz des Zuschauers stürmen. Denn, egal wie sehr sich „Der letzte Mohikaner“ auch an den Konventionen des amerikanischen Historienkinos bedient, in seiner Essenz zeigt sich das Epos doch an überzeitlichen Themen interessiert und schickt den Zuschauer zusammen mit Daniel Day-Lewis auf eine Suche nach Identität, die sowohl ihn, als auch das von England und Frankreich zerrüttete Amerika erlösen soll. Wir folgen den Spuren der Gewalt und erleben einen Mehrfrontenkrieg, dessen Gesicht nunmehr auch das von Frauen und Kindern ist. „Der letzte Mohikaner“ empfindet die Kolonialkriege mit größtmöglicher Stilsicherheit nach. Ein umsichtiges Gedicht über die Liebe, ein ornamentiertes Schlachtengemälde. Beides gleichermaßen gerahmt vom blassen Mondlicht. Und da zeigt sich auch der genuine Ästhet, den wir in Michael Mann lieben gelernt haben: Reißende Flüsse, ewige Wälder, verbrannte Erde. Zeitgeschichte wird mit Blut geschrieben? Mann schreibt Filmgeschichte mit Poesie.
[...] Hier wird ganz eindeutig unterschieden: Es gibt gute Gewalt, die es frenetisch zu bejubeln gilt, und es gibt schlechte Gewalt, die nur von grausamen Dämonen aus einer anderen Welt ausgeführt wird. Dass Aamir Barkawi und seine Organisation ganz eindeutig vor der Folie des Islamischen Staates entstanden sind und gezielt Panik in entfernten Hauptstädten sät, um die politische Instabilität anzuheizen und so den Waffenhandel massiv zu steigern, ist für „London Has Fallen“ natürlich eine äußerst willkommene Relation: Das Fiktive verschränkt sich mit dem Realen. Und wenn man ehrlich ist, ist diese Verfahrensweise durchaus legitim. Seit Jahrzehnten. „London Has Fallen“ scheitert vielmehr daran, dass er sich nicht eingestehen kann, primitivste, doppelmoralische Exploitation zu betreiben und geriert sich fortwährend als eindrucksvolles A-Picture, dem man doch bitte mit offenen Mündern den größtmöglichen Respekt zollen sollte. Martialisch, xenophob und rückständig darf Gerard Butler mit ausgestellter Ernsthaftigkeit und allerhand Kriegsgerät durch London wüten, dass sich die Donald-Trump-Fraktion wie aphrodisiert auf die Unterlippe beißt. Hip-Hip-Hurray. Bartträger? Nehmt euch in Acht.
[...] Für Steve Jobs sind Computer Gemälde. Kunstwerke, nuanciert und erfüllend. Ihm, dem popkulturellen Phänomen, dem Revolutionär und Visionär, fehlt indes die entscheidende Distanz zur Materie, um erkennen zu können, dass sein Kunstwerk, welches schließlich auch quasi aus seiner eigenen Rippe erbaut wurde, nicht nur in rein technologischer Brillanz überwältigt, es trägt auch seine menschlichen Makel in sich, wie Steve Wozniak in einer Rückblende prägnant festhält. Sie sind miteinander verschmolzen. Danny Boyle ist der richtige Mann, um sich dieser Person anzunehmen, die nicht nur eine Delle ins Universum schlagen sollte, sondern auch ein manischer Egomane war, dem Michael Fassbender in der Hauptrolle oftmals die Augen des Teufels verlieht: Und Steve Jobs ist ein Teufel, der sich selber auf den Leim gegangen ist. Ein soziopathische Tendenzen aufweisender Workaholic, dessen Pedantismus keinen Raum für Rücksicht auf zwischenmenschliche Interaktion ermöglicht, denn hier dirigiert der Rockstar höchstselbst das Orchester. „Steve Jobs“ reißt sich los von den Tretmühlen filmischer Biographien, es ist kein Abklappern gravierender Lebenssituationen, sondern eine flirrend-rhythmisierte Dialogsequenz in drei Akten, ein Strudel aus Analogien und Metaphern, direkt aus einer hermetisch abgeriegelten Welt berichtend, die sich – bis auf die letzten Minuten, wenn „Steve Jobs“ etwas dressiert von sozialer Bekehrung referiert - mühelos in Relation mit dem OS X bringen lässt: Inkompatibel mit außenstehenden Systemen. Und doch alles verändernd.
[...] Und der nächste Gegenbeweis dahingehend, dass Woody Allen sich in seiner Altersmilde nur noch darauf berufen würde, erfrischend-sinnliche Postkartenmotive aneinanderzumontieren – mit seniler Urlaubswerbung hat der Mann, so sehr sein Spätwerk auch immer wieder Fernweh zu evozieren wusste, ohne noch nie etwas am Hut gehabt. „Irrational Man“ beleuchtet einmal mehr, wie herrlich entlarvend Allen doch auch noch im hohen Alter in der Lage ist, sich auf die Welt- und Selbstbilder seiner Charaktere einzulassen, um ihre persönliche Moral alsbald mit dem normierten lebensweltlichen Verständnis abzugleichen. Fjodor Dostojewski lässt mal wieder grüßen. Joaquin Phoenix und der von ihm verkörperte Philosophie-Professor Abe bilden das Zentrum der gewiegten Erzählen: Ein in seiner (exponierten) Todessehnsucht seltsam anziehender Poser, der, nach eigener Aussage, bereits emotional durch das Tal der Finsternis gewatet ist und dem Orgasmus als Schmerzmittel endgültig abgeschworen hat. Erst als die fixe Idee Wurzeln geschlagen hat, einen Mord zu begehen, erwacht Abe aus seiner Lethargie und deckt sich ein in morbide Erlöser-Phantasien, die Woody Allen natürlich als dankbaren Aufhänger nutzt, um Abe in seinem neurotischen Betragen zu durchleuchten und letztlich auch bloßzustellen. Der Mord und seine ethischen Verflechtungen werden in „Irrational Man“ zum Knotenpunkt eines engmaschigen sozialen Gefüges und „Irrational Man“ ist durchweg ein böser Film, weil er nicht nur den Zuschauer unter falschen Erwartungen in seine Geschichte lockt – er macht ihn auch, so charmant und feingeistig wie es nur Allen vermag, zum Mittäter.
[...] „Breakfast Club – Der Frühstücksclub“ aber dokumentiert einen Prozess der schleichenden Selbstwahrnehmung; er lässt die Jugendlichen, so wie es ihnen der Rektor aufgebrummt hat, einen Aufsatz über ihre Identität anfertigen, der sich durch den Dialog miteinander wie von selber von der Seele schreiben lässt. John Hughes adoleszenter Seelenstriptease ist so intim, wie Tränen in einer Gruppe von (eigentlich) Fremden nun mal sind; er ist so zärtlich und gleichzeitig ungebunden, wie Schmetterlinge, wenn sie merken, dass sie nicht für ein Leben auf dem Boden geschaffen sind und ihre Flügel zum ersten Mal spannen. Tatsächlich hätten die Offenbarungen aus dem zerklüfteten Innenleben, die alle Jugendlichen in dieser beinahe selbsttherapeutischen Anordnung ablegen, schnell ins Lächerliche abdriften können, aber John Hughes hört ihnen zu. Er lässt ihnen Zeit, zu wachsen. Er gibt ihnen Raum, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen und zu hoffen, nie wie die eigenen Eltern zu werden. Das Herz darf nicht sterben. Vielleicht aber gehört das einfach dazu.
[...] Das ist schönes, archaisches und analoges Actionkino, 90s durch und durch. Der (mehrwertige) Clou des Films aber liegt (erneut) hinter den gelungenen Oberflächenreizen der stimmungsvollen Hetzjagd begraben. Die brütende Hitze und die extreme Ausformung organisierter Gewalt bestimmten das Klima der Betonhölle. Keine Frage, in diese ohnehin schon reichlich derangierten Verhältnisse passt der Predator hinein. Nicht, weil ihm hier genügend (menschliches) Wild angeboten wird, an dem er seine Fähigkeiten prüfen kann. „Predator 2“ definiert seinen ikonischen Jäger auch als dämonisches Warnzeichen dafür, was Gewalt generell auslöst: Sie erzwingt immer eine noch höhere Dimension ihrer selbst.
[...] Augenwischerei. Genau das ist es, was „Ich und Kaminski“ am besten beherrscht. Und es ist nicht einmal gewiss, ob diese Augenwischerei hier mutwillig betrieben wird. In jedem Fall ist Wolfgangs Beckers gleichnamige Adaption der blühenden Daniel-Kehlmann-Vorlage einer dieser Filme, denen man hinterhertrauert, was sie an Potenzial ungenutzt lassen, anstatt sich damit zu „begnügen“, was sie unterm Strich Zählbares geleistet haben. Die Vorzeichen erschienen jedenfalls durchaus attraktiv: Daniel Brühl glänzt einmal mehr als Journalist und Gefühlslegastheniker, dessen selbstverständliche Reserviertheit beim Aufeinandertreffen mit Manuel Kaminski (Jesper Christensen), dem letzten Vertreter der klassischen Moderne, mehr und mehr bröckelt. Mit den Spannungen, die sich zwischen den beiden Männern auftun, die aber auch den Effekt nach sich ziehen, dass die werten Herren sich gegenseitig dabei unterstützen, sich von ihren Eitelkeiten abzunabeln, hätte das Zeug gehabt, als intergenerationelles Porträt zu gefallen. „Ich und Kaminski“ ist indes nicht sonderlich am Zwischenmenschlichen interessiert, vielmehr verschreibt man sich hier den narrativen Sperenzchen, die formal sicher nett anzusehen sind, aber immer wieder den Bezug zu den Charaktere in die Ferne rücken. Die musikalische Untermalung steht quasi programmatisch für den Film und zeigt auf, wie unwirsch es hier doch vonstatten geht: Mal streicht es dünkelhaft, dann wird sich pathetisch aufgeplustert, um dann doch in einem parodistischen Zupfen zu munden. Schade, denn eigentlich steckt in „Ich und Kaminski“ eine angenehme satirische Abrechnung mit der mythenverhafteten Schein-und-Sein-Kunstwelt, die doch wirklich glaubt, dass das maskuline Geschlecht hier ihr Hoheitsgebiet erschlossen hätte. Der Film aber bestätigt das hinten raus in sentimentalen Tendenzen, anstatt es zu überspitzen.
Taxifahrer Max (Jamie Foxx) treibt durch ein Leben, welches keines ist. Er tut Dinge, die in seinen Augen in Wahrheit bedeutungslos sind, jeden Tag aufs Neue, weil er sich selbst jeher im Weg gestanden hat und Ausflüchte in Lebenslügen bevorzugt, anstatt das Leben einfach geschehen zu lassen. Ihm fehlt der Mut, die Dinge ins Wanken geraten zu lassen. Weil ihm eingeredet wurde, dass man die Dinge nicht ins Wanken geraten lassen darf. Auftragskiller Vincent (Tom Cruise) wird Max herausfordern, in dem er ihm aufzeigt, dass das Leben sich Dir in den Weg rollt, wenn Du nicht damit rechnest – und er wird Max damit zur Neugeburt verhelfen, weil er in der Lage ist, Max aus der Bahn zu werfen. Zwei Menschen am Scheidepunkt, ein filmisches Konstrukt am Siedepunkt. Es wird jedoch viel passieren, bis die Dämmerung ihre kathartische Kraft zum Ausdruck bringt und Michael Mann formt eine Ballade an das Nachtleben, selbstverständlich intoniert von einem sich bis zum Horizont erstreckenden Lichtermeer, deren urbane Topographie nach und nach zur Reflexionsfläche unserer Hauptakteure wird. Vorbei an stählernen Türmen und gläsernen Palästen, hinein in eine schicksalhafte Odyssee und Sinnsuche, die ein großstädtisches Panorama entfaltet, welches nur Michael Mann in dieser visionären Art und Weise zu vitalisieren und dynamisieren imstande scheint. Man wähnt sich zuweilen schon etwas in Unbehagen, wenn sich „Collateral“ mehrmalig in Genre-Konventionen zurückzieht; wenn er seinen Plot in den Fokus rückt, anstatt sich die Nacht tiefer und tiefer in das eigene Fleisch zu imprägnieren. Doch dann tauchen unter Begleitung von Audioslave zwei Kojoten im Scheinwerferlicht auf und man schwelgt in Poesie. Und schwelgt und schwelgt.
Shapes of every size
Move behind my eyes
Doors inside my head
Bolted from within
Every drop of flame
Lights a candle in
Memory of the one
Who lives inside my skin
Die Kraft des Visuellen. Die Kraft des Auditiven. In „Miami Vice“ machen sie sich wieder füreinander stark und werden unter der genuinen Führung eines Michael Mann zu den stimmgebenden Elementen: Losgelöst von einer herkömmlichen Narration, abgenabelt von Erwartungen, die hinter einem Markennamen wie „Miami Vice“ nun mal zwangsläufig verharren, gibt sich Michael Mann einem sinnlichen Lichtstrudel hin, der jeden – auf und vor der Mattscheibe – in sich saugt. Tatsächlich wird der Takt des Films vom Zittern, vom Flimmern, vom Schimmern des in sich verflochtenen Mehrfrontenkrieges bestimmt, in dem sich Menschen nur in Codes artikulieren, um selbst nach und nach zur Chiffre zu transformieren. Aber Michael Mann lässt das Licht nicht im Wellengang verfließen, um stur von den Resultaten systematischer Entmenschlichung zu berichtet. „Miami Vice“ ist eine von kalter Faszination elektrisierte Abhandlung über einen hermetisch abgeriegelten Kosmos, in dem sich jede Souveränität und Coolness als profilneurotisch Unart herausstellt. Das Tragische daran: Die Menschen darin sind nicht in der Lage, diesem eisigen Gefängnis zu entkommen, weil sie sich selbst eingeredet haben, dass der Faktor Mensch Ballast ist. Sie sind nur zeitweise aufblinkende Silhouetten im Dickicht des (flackernden, flimmernden und zitternden) Schattenkabinetts. Und alles, was von außen in diese Welt eindringt, erstickt unweigerlich. Hilflos wie ein Kind im dunklen Wald wird man hier Zeuge der Gemeinsamkeit von Zeit und Glück: Beides ist vergänglich. Nur der gleißend rote Nachthimmel, konserviert im digitalen Korn, der bleibt.
[...] „Kill Your Friends“ versteht sich als bissige Satire auf den Tonträgermarkt und fräst Schächte durch die Eingeweide dieser Branche, um klarzustellen: In diesem Kosmos hat der Erfolg tausend Väter, während der Misserfolg ein Waisenkind bleibt. Es ist eine Welt, die von Konkurrenzdenken und Leistungsdruck bestimmt wird, und Nicholas Hoult besticht in der Hauptrolle als moderierender, traumwandlerischer Materialist, der keine Ahnung von der Materie besitzt, aber die Lügenmär vom Ruhm aus dem zynischen Stegreif herunterkurbelt. Owen Harris lässt sich oft und gerne treiben, genießt den furiosen Fluss, der entsteht, wenn das Haifischbecken in Rage gerät, muss sich aber auch ankreiden lassen, dass der ständige Exzess ermüdet und die Entwicklung der Geschichte merklich stagniert. Eine launige Angelegenheit ist „Kill Your Friends“ dennoch.
Jerry Lewis sagte einmal: „I don't want to be remembered. I want the nice words when I can hear them.“ Fakt ist, dass er sich beiden Fällen sicher sein kann. Und angesichts seines 90. Geburtstages ist mal wieder ein passendes Datum eingetreten, um eine Lanze für diesen Mann zu brechen, der vor der Kamera gerne und oft sein überdimensionales Ego gestreichelt hat respektive es streicheln ließ, aber im Kern doch immer von einer Herzensgüte angetrieben wurde, die Generationen von Menschen dazu veranlasste, Jerry Lewis als „unser Jerry Lewis“ zu beschreiben. 90 Jahre hat diese stilprägende Erscheinung nun auf dem Buckel. Immer noch schimmert an ihm der geschmeidige Glanz längst vergangener Traumfabrikstunden. 90 Jahre Klassenkasper, Grimassenextremist und Witzbold. 90 Jahre der trauriger Clown mit Tränen im Augenwinkel, der oft am Tragischen zerbrochen ist, welches zwangsläufig im Komischen gebiert. Danke, für diese freimütige Menschlichkeit.
[...] Anders Morgenthaler hat, das muss man ihm durchaus zugestehen, immerhin den Anspruch, die Leiden seiner Hauptdarstellerin anzusprechen. Er zeigt auf, dass ein Leben ohne Kinder für Maria den Verlust eines jeden Lebenssinns bedeutet. Er zeigt auf, dass die Verzweiflung Marias längst überhand genommen hat und ihre Ehe mit Peter (Sebastian Schipper, Regisseur von „Victoria“) mehr als nur kriseln lässt. „Um jeden Preis“ jedoch mundet zwangsläufig, egal aus welcher Perspektive man ihn auch betrachtet, im Elendstourismus. Morgenthalers Ägide ist aufgesetzt und schnürt den Film in ein artifiziell-befangenes, Klischees am laufenden Band reproduzierendes Gewand. [...]
[...] Es folgt eine inszenatorische Verdichtung, die sich allein auf die soziologischen Mechanismen reiner Entmenschlichung fokussiert. Vergewaltigungen, Gewalt und Demütigungen jeglicher Couleur stehen auf der Tagesordnung. Eine apokalyptische, unlängst Realität gewordene Vision entflammt. [...] Pier Paolo Pasolini aber ist ein Meister darin, den gesellschaftlichen Beißreflx zu entlarven und entwirft eine Parabel, die sich nicht nur in eine Richtung deuten lässt: Ob als politische wie kulturelle Allegorie, als Abhandlung literarischer Vorboten, als (er-)drückende Zukunftsvision. Die Kombination aus allen Konnotationen macht „Die 120 Tage von Sodom“ so reichhaltig, so künstlerisch wertvoll. Der Rückfall in barbarische, ja, vorzivilisatorische Verhaltensmuster ist ein Themenkomplex, der überzeitliche Kapazität genießt. Umso wichtiger ist es, sich mit ihm zu befassen, sich ihm in seiner ganzen Radikalisierung ebenso radikal anzunehmen. Ohne Ausflüchte, ohne Verflachung. Nur so übersteht man die Ewigkeit. Nur so wird das ambitiöse Bestreben zum erschütternden Monument.
[...] Ohnehin ist „Thief – Der Einzelgänger“ ein Film, der Bilder sprechen lässt; der die Ambition besitzt, neue Visionen in der Kinolandschaft zu kultivieren. Und wenn sich dazu noch der mal treibende, mal ganz gezielt Geschwindigkeit drosselnde, ja, beinahe schon von Harmonie und Einmütigkeit säuselnde Soundtrack von Tangerine Dream einen paralysierenden Klangteppich über das Szenario legt, dann ist man sich wieder im Klaren darüber, was man unter einer 'audiovisuellen Allianz' zu verstehen hat. [...] „Thief – Der Einzelgänger“, diese in Grün und Blau verwischte Paraphrase des Film noir hat dem amerikanischen Neo-Noir dadurch einen Bärendienst erwiesen, dass sie durch ihre originären Bildwelten den Menschen vor den Leinwänden wieder einmal ins Gedächtnis gebrannt hat, welch Interpretationsfreiraum man genießt, wenn man sich dem klassischen Film noir annimmt, ihn aber im nächsten Schritt nicht dezidiert klassisch in die Moderne transferiert. [...] Ein Leitmotiv, welches Michael Mann auf audiovisueller Ebene aushandelt. Die Korrelation zwischen dem (im besten Sinne) Altmodischen und dem Neuzeitlichen. Hier wird mit dem Film noir ein Stilphänomen auf ein neues Level gehievt, um eine eigenständige Ikonographie zu etablieren, die in ihrer fluiden Dynamisierung gar hypnotisch auf den Zuschauer einwirkt, ohne aber ihre Wurzeln zu vergessen. [...]
»SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«
#10 (Staffel – 2)
J…wie Justizdrama.
[...] Elementar für das Gelingen von „Wer den Wind sät“ ist der Umstand, dass sich das Drehbuch auf keine Seite der ausschlaggebenden Oppositionen schlägt. Es geht hier nicht darum, ein allgemeingültiges Ergebnis beim Namen zu nennen und damit entweder den Kreationismus oder doch eher den Darwinismus in die Ecke zu drängen und damit zu denunzieren. „Wer den Wind sät“ appelliert an eine Lebensrealität, in der jeder Mensch die Freiheit besitzt, das zu glauben und zu äußern, was er für sich persönlich am geeignetsten empfindet, gleichwohl aber akzeptieren muss, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse den gleichen Stellenwert genießen, wie die der Bibel destillierte Offenbarungsweisheit. [...] „Wer den Wind sät“ lebt von seinen pointiert geschriebenen Dialogsequenzen: Worte wie Pistolenschüsse feuern durch den Raum; Bonmots, die in ihrer überzeitlichen Prägung wie ein Echo in der Ewigkeit wirken. [...]
http://www.moviepilot.de/liste/soulreaver-und-lieber_tee-in-den-untiefen-des-ganz-normalen-genrewahnsinns-soulreaver
[...] Die Wall Street ist eine Brutstätte für Freudlosigkeit. Sie entbindet die Spekulation, die Wurzel des Bösen, und erklärt sich bösartig und global wie Krebs dazu, den systematischen Bankrott in einem Teufelskreis aus Banken, Tradern und Verbrauchern zu feiern. Gordon Gekko, dieser Prophet des wirtschaftlichen Niedergangs, ist sich im Klaren darüber und er versucht dies, aus Rachemotiven, für sich und seinen Schwiegersohn in spe, Jacob, zu nutzen, um sich einen Platz in der zerrütteten Familie zurückzukaufen – und das ist der Moment, in dem Stone wirklich gallig auf die Kraft des Mammon zu blicken scheint. Mit seiner Tochter Winnie hat sich Gekko schon vor langer Zeit überworfen, was „Wall Street: Geld schläft nicht“ auch zu einer, mal mehr, mal weniger, phlegmatisch erzählten Familiengeschichte macht, an dessen Ende jedoch die Menschlichkeit im gealterten Antlitz Gekkos thront. Der hat nämlich verstanden, dass auch in ihm ein Mensch steckt und kein alle Zeiten überdauerndes Prinzip. Nicht mehr das Geld ist hier das wertvollste Gut, sondern die Zeit selbst.
[...] „Pay the Ghost“ wirkt in seinem drögen Gebaren wie ein weiterer Blumhouse-Ableger: Retorten-Hokospokus um keltische Bräuche und irische Volkssagen werden zu einem leidlich spannenden Mystery-Thriller aufgekocht, der zu Anfang noch den Anschein erwecken könnte, Verlustängste in Verbindung mit einer übersinnlichen Dimension zu reflektieren, hinten raus aber doch nur vor allem als eine Sache zu klassifizieren scheint: Unkonzentrierte Konfektionsware. Selbstverständlich ist Nicolas Cage in der Lage, diesen Film in der Hauptrolle auch schauspielerisch zu stemmen, der Plot um ihn herum jedoch verendet zusehends in abgehalfterten Motiven. Stimmen aus der Zwischenwelt kreischen auf, fratzenhafte Gestalten schnellen in den Ellipsen des Filmschnitts über den Bildschirm und CGI-Greifvögel müssen sich zwingend als unheilverkündende Vorzeichen definieren lassen, als würde der schicksalhafte Unsegen nicht ohnehin schon plakativ in den entkräfteten Aufnahmen New Yorks dräuen. [...]
[...] Interessant ist, wie „Der 13te Krieger“ mit folkloristischen Versatzstücken und diversen Mythologemen hantiert, um sich so von jedem Anspruch auf historische Akkuratesse zu emanzipieren. Im Kern handelt „Der 13te Krieger“ den Aspekt aus, wie viele Mythen ein Kollektiv respektive ein gesellschaftlichen System vertragen kann und führt diesen Punkt in der Frage fort, wer denn der ehrenhaftere Mann wäre: Derjenige, dessen Geschichte niedergeschrieben wird oder doch derjenige, der die Geschichte niederschreibt? Hier jedenfalls kommen Araber und Nordmänner zusammen, um Seite an Seite zu kämpfen, um den (metaphorischen konnotierten) Nebel zu lüften und das Primitive mit dem Formgewandten auszutauschen – auch wenn dafür ein rohes Schlachtgetümmel im schwarzen Dunst der Nacht unausweichlich scheint, um der amorphen Kannibalenmasse aus den Bergen die Stirn zu bieten. Es ist eine Geschichte um Respekt und Fortentwicklung, entwachsen aus dem Urschlamm einer archaischen Zeit im Umbruch. Der Glaube an die Hoffnung besteht.
[...] Rambo veranschaulicht seine in Einzelkämpfer-Ausbildungen erlernten Fähigkeiten, in jedweder Lage aus eigener Kraft zu bestehen. Der elementare Punkt jedoch ist, dass „Rambo“ sich damit nicht begnügt und keinesfalls stehenbleibt. Ted Kotcheff erzählt immerzu über das Dargestellte hinaus, er dokumentiert John Rambo als Aushängeschild eines Kollektivs, welches nur noch in der Verfassung ist, für Ideale einzutreten, die mit der zivilen Lebensrealität nichts mehr gemein haben. Mit Col. Trautman fächert „Rambo“ seinen kritisch konnotierten Tiefgang dann weiter auf. Der Mann, der Rambo zur Kampfmaschine gedrillt hat, soll nun dafür sorgen, dass „sein Junge“ den kriegerischen Modus wieder ablegt und aufgibt. Wenn Rambos finaler Monolog in einem Tränenschwall kulminiert, liegt auf der Hand, worum es hier geht: Nicht um Ehre, um Mut, um Stärke. Es geht allein um Menschwerdung. [...] Rambo hat jemanden gebraucht, der gesehen hat, was er gesehen hat. Dabei geht es ihm auch gar nicht darum, ob Col. Trautman ebenso fühlt, wie er es tut. Es liegt ihm nur daran, sich einem Menschen zu öffnen, zu dem er gewissermaßen eine Form der Verbundenheit pflegt. Und diese Verbundenheit ist der ausschlaggebende Faktor, mit dem Rambo sich zurück zum Menschen entwickeln kann, weil er sich einer Sache hingegeben hat, die ihm zuvor strengstens untersagt wurde: Emotionen. „Rambo“ wirkt da wie ein Abgesang auf den archetypischen amerikanischen Heldentypus. Hier giert es niemanden nach Krieg, es lebt der Wunsch nach Resozialisierung und Neuanfang. Nach einer Perspektive. Nach dem, was sich Rambo hier während der gesamten Laufzeit vehement verweigert hat, weil die Schatten der Vergangenheit zu schwer wiegen: Einer Heimat. [...]