SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

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    SoulReaver: FILMSTARTS.de 29.02.2016, 14:11 Geändert 29.02.2016, 14:18

    [...] Die Typologie der dünkelhaften Militärs ist dabei klar auf einen eindimensionalen Nenner abgesteckt. Während der Indianer im Bunde ein Talent für das Fährtenlesen besitzt, kann Major Dutch Schaefer, der muskelbepackter Anführer und Abbild eines in Granitstein gemeißelten Adonis mit Zigarre im Mundwinkel, natürlich alles. Sogar, ganz sanft, sich in Zweifel und Mitleid wähnen, wenn die kurzdenkend-lineare Kriegsführung (Feind – Schuss – Tod) an ihre Grenzen stößt. Und darum geht es auch: Die Aushebelung des Logischen, des Rationalen, des Berechenbaren, des in einfachen Blickwinkeln und Möglichkeitsformen Kanalisierbaren. [...] Schaefer und seine virilen Kämpen haben eine klare, erfolgversprechende Strategie in ihrem kriegerischen Handeln – sie mähen mit ihrem großkalibrigen Tötungswerkzeug einfach alles platt: Menschen. Gebäude. Den Dschungel. Letzterer schlägt für diese mutwillige Zerstörung anschließend auch umso martialischer zurück, in dem er lebendig wird, wie eine der Geiseln im Verlauf der Handlung voller Schrecken in die verdutzten Gesichter der Soldaten herausstottert. Die brachiale Söldner-Action konvertiert also in ein nebulöses Horror-Szenario. [...] Der Kampf gegen den Predator wird nicht nur äußerlich zur schmutzigen Angelegenheit, wenn sich Schaefer bis zum Hals und darüber hinaus im Morast suhlt. Die gesamte Mission ist ein unter falschen Voraussetzungen und Idealen ausgetragenes Kommando, in der sich eine kreative Replik auf Vietnam-Traumata finden lässt und ganz allgemein die Enttäuschung über eine destruktive Regierungsadministration, die die Gesellschaft nach und nach zu strauchelnden Seelen verdammte.

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    • 7

      [...] Wenn der stählerne – und aus dramaturgischen Gründen selbstverständlich auch mit toxischen Chemikalien beladene – Koloss losbricht, um sich zusehends in einen regelrechten Todesrausch auf Gleisen zu eifern, wird „Unstoppable – Außer Kontrolle“ zur formalästhetischen Hymne auf die Energie, die Kraft, die Geschwindigkeit. Auch hier sind es wieder die typisch spezifischen Manierismen und Trademarks des Regisseurs, die unvermittelten Reißschwenks, das impulsive Schnittgewitter, die hektischen Zooms, die die Dichotomie zwischen Form und Inhalt sichtbar auseinanderklaffen lassen. Wo inszenatorisch elektromagnetische Felder wabern, fällt die Charakterdynamik in der Handlungstechnik müden Buddy-Movie-Allgemeinplätzen zum Opfer [...]

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      • 2 .5

        Ein Prestigeprojekt. Genau das ist „Deadpool“. Und in welcher Pflicht- und Bringschuld die Verantwortlichen hier waren, möchte man sich als Außenstehender wohl nicht in Gesteinsbrocken auf die eigenen Schultern laden. Man muss diesem reinrassigen Fanservice allerdings vorurteilsfrei attestieren, dass er es versteht, eine extreme Kurzweil zu generiert und geradezu am Zuschauer vorbeirast, was sich vor allem auf Ryan Reynolds zurückführen lässt, der den Söldner im ledernen Ganzkörperkondom mit einem regelrecht ansteckenden Enthusiasmus verkörpert. Darüber hinaus nutzt sich „Deadpool“ konzeptionell relativ zügig ab: Sein selbstreferenzielles Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums versandet frühzeitig schon im Status Quo kontemporärer Superheldenverfilmungen, deren festgefahrene Erzählmechanik man hier doch eigentlich nach Strich und Faden unterwandern wollte. „Deadpool“ bettelt vielmehr in exponierter Schlaumeier-Attitüde mal mehr, mal weniger enervierend um Anerkennung, wenn er plakativ mit sich und seinem Medium Posse treibt, um das Genre in seinen Konventionen dann doch immer wieder zu bestätigen. Der ungezwungenen Lässigkeit, die hier allseits vorgegeben wird, wird man jedenfalls nicht wirklich gerecht. Zum Glück gibt es da aber, wie erwähnt, Ryan Reynolds, der dem zynischen, sexistischen, gewaltgeilen, in Wahrheit aber doch – Überraschung – sehr unsicheren Schutzpatron der Jammerlappen ein schwungvolles Porträt maßzuschneidern weiß.

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        • 8 .5
          SoulReaver: FILMSTARTS.de 24.02.2016, 17:23 Geändert 25.02.2016, 18:05

          [...] Van Sant weiß natürlich nicht, warum es zu einem Amoklauf kommen kann (er negiert prinzipiell jedweden kausalen Zusammenhang). Er weiß nur, dass es passiert. Und, dass es wieder passieren kann. Mit diesem Gedanken muss man lernen zu leben. Der Schulkomplex wird dabei in „Elephant“ selbst zum sozialen Organismus, der nicht bemerkt, wie er von Krankheiten heimgesucht wurde und langsam daran zugrunde geht. Schlafwandlerisch bewegt man sich hier durch die Korridore, über Grünflächen und durch Sporthallen (die allesamt Mittel- und Kreuzungspunkte bedeuten), bis sich ein Stein Realität in den Weg rollt. Eigentlich war man doch nur auf der Suche nach einem Ziel, einem Ideal, nach Verständnis.

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            [...] Das eigentliche Anliegen, der Aufruf gegen die weitere Ölforderung, aus Rücksicht auf die Umwelt, die Wirtschaft, die Kultur, verpufft im Abgrasen von Allgemeinplätzen: Colin Pryce hängt an der Flasche, das Leben in politischen Zirkeln weist korrumpierte Verhältnisse auf, Affären machen einen Menschen auf Dauer nicht glücklich. „Der Kandidat – Macht hat ihren Preis“ ist ein phlegmatisches Polit-Drama auf TV-Niveau, bieder und leblos erzählt, gänzlich ohne das Verständnis arrangiert, die rigorose Frustration der Lage angemessen aufzuzeigen und zu behandeln. Das muss deutlich feinfühliger und reflektierter vonstattengehen. Einzig auf Nicolas Cage ist noch Verlass, der sich seiner Rolle zwar auch weitestgehend leidenschaftslos hingibt, aber immerhin eine geerdete Glaubwürdigkeit evoziert, die als Gravitationszentrum der Handlung ihren Sinn und Zweck erfüllt.

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              SoulReaver: FILMSTARTS.de 21.02.2016, 18:02 Geändert 21.02.2016, 21:58

              Als wäre Thailand in der Vergangenheit nicht schon krisengebeutelt genug gewesen, muss das Land nun auch noch hilflos die Fusselhirnbrigade um Zeki, Chantal und Danger über sich ergehen lassen. Was „Fack ju Göhte “ vor zwei Jahren initiierte, setzt „Fack ju Göhte 2“ indes pflichtschuldig und markentreu fort: Wer wirklich an ein gesellschaftliches System glaubt, in dem Bildung und Menschlichkeit die höchsten aller Güter darstellen, wird ausgelacht, bloßgestellt, beleidigt, bedroht. Stattdessen glaubt man hier weiterhin, dass der augenfällig Unterbelichtete unter allen anderen König ist, was „Fack ju Göhte 2“ auch dazu bewegt, die Tsunami-Katastrophe von 2004 als Aufhänger zu instrumentalisieren, um die Pöbelbagage zu gönnerhaften Samaritern zu inszenieren. Das hat schon nichts mehr mit salopper Dreistigkeit zu tun, das ist in dieser rücksichtslosen Selbsttüchtigkeit eine Lektion in abstoßender Impertinenz, der man sich unbedingt verweigern sollte. Und während die ganzen beschränkten Assis mehr und mehr unter ihrem selbstgeklöppelten Heiligenschein strahlen, darf ihnen nicht nur eine schwierige familiäre Lage zugestanden werden, die Elyas M'Barek mit einem liebevollen „DU MISSGEBURT“ am Lagerfeuer behebt, auch ein Autist, der mit auf Reisen gehen durfte, um die „Behindertenquote zu erhöhen“ (geht ja auch um Inklusion un so nä!), wird von seinen Kameraden therapiert, in dem sie ihm einfach sagen, er möge sich doch nicht so anstellen. Herrlich.

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                SoulReaver: FILMSTARTS.de 20.02.2016, 09:46 Geändert 23.03.2016, 11:52
                über Macbeth

                [...] Vermutlich kein Lyriker der Welt hat mit seinem Versmaß einen so vielfältigen Resonanzraum der Möglichkeiten erschaffen, wie es William Shakespeare tat, tut und immer tun wird. Das zwingt einen Künstler ja förmlich, diese schöngeistigen Tiefen Stück für Stück auszuloten, um sich mit ihnen zu imprägnieren, um sich selber in ihnen zu spiegeln und sich so mit der Materie zu synchronisieren. Nur dann ist es machbar, eine Variation des Gegebenen zu rechtfertigen. Justin Kurzel aber bindet sich zu sklavisch an das bloße Rezitieren und verliert sich zusehends in einem spröden Formalismus, der per se „schön“ anzusehen ist – in Sachen Bildsprache ist Kurzel ja ohnehin der eiskalte Bringer -, aber auf Dauer ohne jeden Mehrwert erscheint. Mehr Distanz zur Vorlage, mehr Mut zur Lücke und Paraphrase, wäre angesichts Kurzels Unterwerfung wünschenswert gewesen. „Macbeth“ erweckt fortwährend den Eindruck, als würde hier einzig eine fremde Idee, anstatt einer eigenen Vision passioniert verwirklicht werden; als hätte man kein Interesse am Inhalt gehabt (Stichwort Lady Macbeth), aber dafür am Formalen. Und das Formale wirkt immer statischer, von Minute zu Minute, weil sich Shakespeare letztlich eben doch nur durch die Synthese von Inhalt und Form adäquat dynamisieren lässt.

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                  SoulReaver: FILMSTARTS.de 18.02.2016, 19:16 Geändert 18.02.2016, 22:23

                  [...] Wer zur damaligen Zeit schon in der Lage war, die nationale Berichterstattung zu verfolgen, wird wohl nie vergessen, wie sich der Stern großsprecherisch damit brüstete, dass wir es bei den Hitler-Tagebüchern mit einer „Revision der deutschen Geschichtsschreibung“ zu tun bekommen. Heute kann man sich anhand dieser aufgeladenen Worte ein Schmunzeln kaum verkneifen. Auch wenn sich der Film erlaubt, einigen klamaukigen Ausreißern nachzugeben, kann man sich im nächsten Schritt sicher sein, dass das außerordentlich spielfreudige Ensemble, bei dem vor allem ein brillanter Götz George heraussticht, den Film wieder zurück in seiner Bahn bringt: Schmunzeln darf man in diesem Fall jedenfalls auch vollkommen zu Recht. Helmut Dietl ist es in „Schtonk!“ daran gelegen, die grandiose Ente, zu der sich der Fund der Hitler-Tagebücher entpuppte, genüsslich durch den satirischen Kakao zu ziehen: Nicht nur die pseudo-intellektuellen Kunsthistoriker bekommen ihr Fett weg, „Schtonk!“ holt zum schwungvollen Rundumschlag gegen die Sensationshascherei der gesamten Medienbranche aus.

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                    [...] Der Metzger ist genau das, was man wohl als eine Antithese zur klassischen Identifikationsfigur beschreiben würde. Er schleppt eine faschistoide Ideologie mit sich herum, er sieht die Welt in schwarz-weißen Extremen, ohne zu verstehen, dass hinter all seiner unbändigen Verachtung gegenüber der Menschheit der rigorose Selbsthass lauert, der ihn zu einer Weltsicht zwingt, die aus reinen Antagonismen entwächst. Einer gegen alle. [...] Und das ist interessant, eine Figur zu entwerfen, die den Zuschauer prinzipiell auf Abstand zwingt – jedenfalls auf den ersten Blick. Gaspar Noe aber verpasst es, dem Metzger wirklich nahe zu kommen, ihn organisch zu porträtieren und durch Ambivalenzen zur dreidimensionalen Persönlichkeit zu formen. Unter Noes Ägide verkommt der Metzger nunmehr zur plumpen Karikatur, die durch die Welt stampft und in ausgiebigen Voice-Over-Tiraden ihren Unmut gegenüber allem und jedem plattwalzen darf. „Menschenfeind“ labt sich an den durch den Raum mäandernden Ausbrüchen regelrecht, hat dem Ganzen aber bereits nach 20 Minuten schon jedwede Möglichkeit abgesprochen, einen doppelten Boden zu gewinnen, um das Sozial-Drama selbst beinahe schon auf Tuchfühlung mit einem gar effekthascherischen Elendstourismus gehen zu lassen. Die letzten Minuten bringen dann zwar die Ambiguität mit, in der „Menschenfeind“ seine Kraft in mehrwertige Dimensionen zu kanalisieren versteht, doch bis dahin durften wir uns bereits über fast 80 Minuten repetitiv um die eigene, wutschnaubende Achse drehen.

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                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 14.02.2016, 18:26 Geändert 16.02.2016, 21:33

                      Alejandro Amenábar meldet sich zurück im Genre-Kosmos und zeigt, was er am besten kann: Misstrauen schüren. Verunsicherung stiften. Den Zuschauer nach und nach in eine Senkgrube aus Zweifeln absteigen lassen. Und das bietet sich bei „Regression“ natürlich ganz wunderbar an, der sowohl Okkult-Horror, Psycho-Thriller als auch gesellschaftlicher Querschnitt ist und heute noch genauso funktioniert, wie im Jahre 1990, in dem die Geschichte datiert ist. Ethan Hawke brilliert einmal mehr als ausgezehrt-gequälter Ermittler, der sich vollkommen in einem Fall um rituellen Missbrauch verstrickt (respektive verstricken lässt), während der nicht minder tolle David Thewlis als Vertreter der regressiven Psychoanalyse „Regression“ eine neue Ebene im psychologischen Komplex eröffnet und ganz gezielt die Frage unterbreitet: Wie soll eine solche Methode Früchte tragen, wenn alles nur auf trügerischen (weil subjektiv) Erinnerungen basiert und damit für die forensische Polizeiarbeit nahezu unbrauchbar ist. Oder vielmehr: Weil dadurch erst recht seltsam, infektiöse Blüten getrieben werden, die Ethan Hawke so richtig ins Rotieren bringen. Das Ende ist dann, formulieren wir es gelinde, äußerst mäßig geraten, der Abstieg in den Orkus der Verdrängung aber bleibt stilistisch herausragend und pendelt immer wieder äußerst ansprechend zwischen klassischem Spannungskino und einem beinahe schon pulpig anmutenden Film-Noir-Flair.

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                        SoulReaver: FILMSTARTS.de 13.02.2016, 10:25 Geändert 13.02.2016, 16:30

                        Hilfe, wirkt JCVD hier zum Teil träge. Kein Wunder, dass er sich selbst – wie Schwabbelzopf Steven Seagal – inzwischen auch bei Dialogsequenzen doublen lässt und dazu nur noch in ausgewählten Set Pieces selbst die Faust ballt. So richtig schlimm ist „Pound of Flesh“ letzten Endes aber nicht geraten, er glaubt nur etwas zu sehr daran, sich aus der schnöden Konformität der Direct-to-DVD-Grube erheben zu dürfen, in dem er der kolportagehaften ICH-WILL-MEINE-NIERE-ZURÜCK-Story einen religiösen Überbau verpasst und Van Damme sowie seinen von John Ralstin solide gespielten Bruder über Gott und die Welt palavern lässt. Motive wie Schuld, Läuterung und Vergebung sind Gegenstand der Narration, keine Frage, aber „Pound of Flesh“ ist niemals in der Verfassung, diese adäquat anzugehen, ohne dass es lächerlich wirkt, wenn JCVD mit Weltschmerz-Visage durch die neonlichtgefluteten Straßen Manilas (geradewegs aus dem Klischeekatalog abgelichtet, Seite 7: „Wie sich der Westen das asiatische Nachtleben vorstellt.“) tigert. Dass die Fights selbst zwischen „okay“ und „du bist im Prinzip halt doch nur ein Ostblock-Schlonz“ schwanken, versteht sich beinahe von selbst.

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                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 11.02.2016, 20:22 Geändert 21.02.2016, 21:58
                          über Con Air

                          Was macht einen Verbrecher zum Verbrecher? Ist es sein gesellschaftliches Umfeld? Ist womöglich die genetische Veranlagung die Schuldtragende? Und viel mehr: Was zeichnet einen Verbrecher überhaupt aus? „Con Air“ liefert darauf keine Antworten, muss er auch nicht, weil Simon West hier ganz gezielt den soziologischen wie politischen Resonanzraum drosselt, um eine ganz andere Frage zu erschließen: Was macht einen Amerikaner aus? Und was macht ihn so unverderblich heldenhaft? Am Paradebeispiel des von Großmeister Nicolas Cage (mit pomadiger Haarpracht im Wind) verkörperten Cameron Poe werden darauf reichlich Antworten geliefert: An erster Stelle allerdings steht natürlich der verbissene Kampf für die eigene Familie (und keine Zeit damit zu verschwunden, der ohrenbetäubenden Explosion im Hintergrund einen kurzen Blick zu spendieren). Einen solchen High-Concept-Quatsch, wie ihn „Con Air“ darstellt, kann man nur genießen. Eine wüste Eskapismusgranate, maßgeschneidert der Jerry-Bruckheimer-Manufaktur entwachsen und durch die sichere Hand eines Simon West hochwertig in Szene gegossen – So geht 90s-Sommer-Blockbuster-Kino. Ein launiger, testosteronschwelender (Analogizität-)Cocktail aus Radau und Krawall, Hurrapatriotismus, Männerpathos und Kitsch. Herrlich klebrigem Kitsch. Begleitet von Trisha Yearwood. Da beißen sich sogar Kleinkinder vor sentimentaler Überwältigung auf die Unterlippe. Ein großer, greller Spaß.

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                            [...] In „My Son, My Son, What Have Ye Done“ geht es vielmehr darum, die Essenz des Filmemachens wiederzuentdecken und damit auch den Mut aufzubringen, ein Kino zu entwerfen, in dem es um die Erfahrung selbst geht und nicht um die Möglichkeit, das scheinbar Erfahrene in Analysen pedantisch zu zergliedern. [...] „My Son, My Son, What Have Ye Done“ negiert jedwede Form von konventioneller Erzählung und chiffriert sich in ein filmisches Wunderland, welches sich komplett dem Sog des Wahnsinns verschrieben hat – ein Motiv, mit dem Werner Herzog ja bereits genügend Erfahrungen gemacht hat. Man muss sich den Film wie ein Gemälde vorstellen, mit kraftvollen Pinselstrichen versehen und doch von verblichenen Farbflächen befallen; wie ein intuitives Experiment, welches dort weitermacht, wo der herausragende und ungemein vegetative „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ aufgehört hat. Herzog vertraut auf die Poesie des Wahnsinns und bindet sich daran, „My Son, My Son, What Have Ye Done“ allein über die Emotionalität wirken zu lassen: Es geht allein um das, was die Bilder auslösen, was man durch diese in seinem Inneren imstande ist, fühlen zu dürfen. [...]

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                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 08.02.2016, 17:15 Geändert 08.02.2016, 17:16

                              [...] Nicht selten allerdings dürfte „Unten am Fluss“ auch Grundstein unzähliger Traumata gewesen sein, schlägt sich die tonale Taktung von „Unten am Fluss“ doch in einer außerordentlichen Härte nieder, die sich wahrlich ins Gedächtnis brennt – und für die ganz Kleinen verstörende Effekte erzielt. Die Bilder der Gewalt, mit denen man hier als Zuschauer konfrontiert wird, fusionieren sich im Angesicht von Schrecken und Virtuosität: Die blutüberströmten Kaninchenfelle schockieren, aber sie entschlüsseln auch auf der visuellen Ebene, dass der Zeichentrick nicht zwangsläufig die abgerichtete Projektionsfläche für einen verniedlichten Anthropomorphismus sein muss. Vielmehr trägt „Unten am Fluss“ eine Düsternis mit sich, die aufrüttelt, den Film selbst aber niemals in Gänze verschlingt. [...] „Unten am Fluss“ nämlich lässt sich gleichermaßen als religiöse Parabel definieren, wie er auch als soziopolitischer Diskurs und Initationsgeschichte funktioniert. Hier wird über Sterblichkeit, kulturelle Prägung und Gemeinschaftswillen philosophiert; und obgleich sich die Animationen einigen Unsauberkeiten nicht entbehren können, ist „Unten am Fluss“ doch ein pittoreskes Paradebeispiel dafür, was Trickfilm sein kann, wenn man nur den Mut besitzt, ihn eben nicht als Genre, sondern als Medium zu deuten.

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                                SoulReaver: FILMSTARTS.de 07.02.2016, 18:00 Geändert 08.02.2016, 12:19

                                [...] Nach den Vorkommnissen im ersten Teil scheint Jennifer von Gewaltphantasien geplagt zu werden, die es ihr unmöglich machen, sich adäquat in die Gesellschaft einzubinden, während der Film diese imaginierten Sequenzen natürlich gleichermaßen benutzt, um die Gorehounds vor der Mattscheibe bei Laune zu halten. Sicherlich ist „I Spit on Your Grave 3 – Mein ist die Rache“ immer noch ein gutes Stück davon entfernt, ein guter Film oder gar eine facettenreiche Charakter-Studie zu darzustellen, aber R.D. Braunstein versucht immerhin, das filmische Potenzial aufzufächern, „I Spit on Your Grave 3 – Mein ist die Rache als (Genre-)Teststrecke für das eigene Moralbewusstsein fungieren zu lassen, während die ersten beiden Teile in dieser Hinsicht bekanntlich vollkommene Einbahnstraßen blieben.

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                                • High Fidelity
                                  Grosse Pointe Blank
                                  Breakfast Club
                                  Ferris macht blau
                                  Midnight in Paris
                                  To Rome With Love
                                  Magic in the Moonlight
                                  Inside Llewyn Davis
                                  Verrückt nach Mary
                                  Die Nackte Kanone 1-3
                                  Ein Fisch namens Wanda
                                  Indiana Jones 1-4
                                  Meine teuflischen Nachbarn
                                  Big
                                  ...
                                  ...
                                  ...

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                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 30.01.2016, 15:42 Geändert 30.01.2016, 17:30

                                    [...] Genau die gleiche Frage, wie sie Geoff in seinen Gedanken behandelt, quält Kate zusehends: Was wäre wenn? Was wäre, wenn Katya damals nicht tragisch ums Leben gekommen wäre? Und ist Kate nur ein Lückenbüßer, der die Wunden der Vergangenheit flicken soll? Zweifel keimen auf, es wird sich um Empathie bemüht, doch die Vernunft zerschellt zwangsläufig an der Irrationalität des eigenen Gefühlshaushaltes. [...] Entscheidend für diese Authentizität ist nicht nur das feingliedrige Drehbuch, welches sich zu keiner Zeit in Plattitüden wälzt und das strauchelnde Eheleben über Schlagworte zu entschlüsseln versucht, sondern auch die formidablen Schauspielleistungen. Sowohl Charlotte Rampling als auch Tom Courtenay begegnen ihren Charakteren mit einer pointiert angelegten Menschlichkeit, die unausgesetzt beeindruckend. Das Überdenken der gemeinsamen Geschichte, die Ungewissheit, die Zweifel, ja, das Hinterfragen der eigenen Identität wird auf den standhaften Schultern der großen Darsteller ausgetragen, die wissen, wie man Emotionen exakt in Gesten und Gesichtszüge übersetzt, ohne ein Wort darüber zu verlieren.

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                                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 27.01.2016, 18:19 Geändert 27.01.2016, 18:53
                                      über Martyrs

                                      [...] Man muss „Martyrs“ aber trotzdem unbedingt in Verbindung mit dem Torture Porn und seiner doch auffällig offensiven Begrifflichkeit setzen, weil sich Pascal Laugiers selbst im liberalen Frankreich heiß diskutierter „Martyrs“ auch als Kommentar auf dieses bestialische Subgenre verstehen lässt: „Martyrs“ ist nichts weniger, als die beängstigende Abstraktion des Torture Porn, er verzerrt die Parameter und Gesetzmäßigkeiten dieses Gefilde so extrem, dass man sich, rollt der Abspann erst einmal über den Bildschirm, beinahe in Schamgefühlen wägt, „Martyrs“ anfangs dieses Stigma auf die Brust brennen zu wollen. [...] Die Dekonstruktion des Körpers soll in die Transzendenz führen. Und das Widerliche daran ist, dass die Logik dahinter so unfassbar plausibel erscheint, dass es einem – neben der Lasterladung Geröll auf dem Brustkorb – einen eiskalten Schauer über den Rücken schickt. Problematisch wird es nur im Finale, wenn das methodisch-systematische Zerbrechen eines Individuums Früchte trägt, die (intellektualisierte) Gewalt selbst einer klaren Sinnhaftigkeit untergeordnet wird und die Mittel des pervertierter Erkenntnisgewinns von Erfolg gekrönt sind. Widerwärtig.

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                                        [...] Die Bibelferne dieser Klitterung ist nicht von der Hand zu weisen. Und damit muss sich Mel Gibson auch den Vorwurf gefallen lassen, dass sein „Die Passion Christi“ ein erhebliches ideologisches Problem mit sich trägt. Wenn dazu die bestialische Gewalt erst einmal über den Bildschirm wütet, wandelt sich „Die Passion Christi“ auch zur Pornographie dergleichen: Gibsons Ägide scheint sich in der voyeuristischen Ästhetik der physischen Zerstörung zu verkapseln, um sie zum Ankerpunkt in Jesus' Werdegang zu (v-)erklären. Und das müsste selbst einem Vollblut-Fundamentalisten wie Mel Gibson irgendwie seltsam anmuten. Aber, wie bereits eingangs erwähnt: Hier operiert ein Filmemacher, der seinen eigenen Affekten ausgeliefert scheint; der auf außerordentliche Brutalität nur noch mit außerordentlicher Brutalität zu Antworten weiß. Der kontrovers-exploitative Lanzenstoß ins Wespennest religiöser (Schein-)Wahrheiten jedenfalls ist damit geglückt, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Sujet allerdings findet nicht statt.

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                                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 20.01.2016, 15:24 Geändert 20.01.2016, 15:32
                                          über Messi

                                          [...] Tatsächlich ist „Messi“ eine furchtbar verquatschte Angelegenheit, ständig wird mit Anekdoten hantiert und das Wollknäuel der Erinnerungen durch die Reihe gereicht, damit sich jeder einen Faden schnappen kann und bis zur Schmerzgrenze in die Länge strecken. [...] „Messi“ ist die Hagiographie des 'argentinischen Flohs' und folgt im Kern, so wie es die Realität nun einmal vorgeschrieben hat, streng chronologisch dem Traum eines kleinwüchsigen Straßenfußballers, der es geschafft hat, zur Legende heranzuwachsen, ohne dabei auch nur einmal aufzuzeigen, was Lionel Messi zu einer interessanten Persönlichkeit machen könnte – abseits seines unzweifelhaften Genies auf dem Fußballplatz. Heimatverbundenheit? Seine Bescheidenheit? Das macht ihn höchstens greifbar, für eine Dokumentation, die aber hinter die Fassade des Sportlers blickt, hat der einseitige „Messi“ indes erstaunlich wenig zu sagen. Hier muss man mit der unreflektierten Heldenverklärung vorlieb nehmen.

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                                            SoulReaver: FILMSTARTS.de 19.01.2016, 15:28 Geändert 19.01.2016, 17:04

                                            [...] Der kriminalistische Plot um einen Mord an einer senegalesische Einwandererfamilie läuft deshalb auch quasi fortwährend am Film vorbei. Stattdessen verlieren wir uns in einem Delirium; in einem fiebrigen Alptraum, einem in verschwommenem Grün und Blau gehaltenen Rausch, den wir in natura bestenfalls durch eine Überdosis bewusstseinserweiternder Substanzen halluzinieren könnten. „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ verkommt nach und nach zu einer einzigen, überdimensionalen Chiffre, die man sich nicht wagt zu entschlüsseln, aber von ihrer wilden, äußeren Schale vollkommen fesseln lässt. [...] In „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ geht es letztlich nur darum, wie sich diese Schlange, diese fast schon bemitleidenswerte Scheißhausfliege ie kontinuierlich einer eigenen (Un-)Moral wie (Un-)Logik folgt, präsentiert, nicht, auf welchem Fundament sie errichtet wurde. „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ interessiert sich folgerichtig nicht für das WAS, sondern für das WIE und wird ein überdeutliches Paradebeispiel dafür, wie intuitives Erzählen im Kino aussehen könnte. Welch grenzensprengende Konsequenzen es für den eigenen Horizont haben kann, wenn die konventionelle Erzählmethodik nicht nur unterwandert, sondern auch mit irrem Blick verhöhnt wird. „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ treibt seine Verfremdung von allem Herkömmlichen sogar so weit, das Menschliche vollends zu verdrängen und den Amphibien und Reptilien das Wort zu teilen. Welch radikal entfesselter Irrsinn.

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                                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 17.01.2016, 13:40 Geändert 17.01.2016, 14:13

                                              [...] Auch darum geht es in „Das Schweigen der Lämmer“: Menschliche Abgründe erkunden, um nicht nur die Faszination dahinter zu entdecken, sondern im nächsten Schritt auch die zerstörerische Energie dieser unverkennbar existenten Faszination. Wer sagt, Hannibal Lecter würde kein Charisma auf ihn ausüben, der lügt, Hannibals Intellekt ist zu beeindruckend, seine Präsenz zu emphatisch, so dass er in jeder Szene gegenwärtig scheint, selbst wenn seine Screentime sich nicht einmal auf einen Umfang von knapp 20 Minuten beläuft: Die bohrenden Augen des kultivierten Teufels brennen sich ständig ins Mark des Zuschauers, um diesen, wie auch Clarice Starling, psychoanalytisch zu sezieren. Diese menschlichen Abgründe, in deren Kontakt jeder der Charaktere schon gekommen ist, flammen zu einem beängstigen Psycho-Duell auf; ein Machtkampf, bei dem es nicht nur darum geht, andere Personen zu retten, sondern auch, den eigenen Seelenfrieden zu gewinnen. Und doch, wir alle sind nur verstörte Rehe im Lichtkegel des Wahnsinns, was spätestens dann überdeutlich wird, wenn das Grün des Nachtsichtgerätes die gesamte Leinwand für sich beansprucht.

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                                                SoulReaver: FILMSTARTS.de 16.01.2016, 00:04 Geändert 16.01.2016, 09:10

                                                [...] Er geht tiefer, jedenfalls in Bezug auf Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) und Chris Mannix (Walton Goggins), die zu Beginn noch ideologische Konflikte auszutragen haben, nach und nach aber zu einer Gemeinschaft heranwachsen, die nicht nur für den Moment Freundschaft möglich macht, sondern die Nord- und Südparteien auch für die Zukunft in der Herstellung respektive Erhaltung von Gerechtigkeit (gerade, weil sich Justitia als flüchtige Schattengestalt präsentiert) zusammenschweißt. Wie Quentin Tarantino diesen Hoffnungsschimmer herausstellt, ist natürlich von einem charakteristischen Zynismus begleitet, doch es steht außer Zweifel, dass Tarantino weit darüber hinaus gegangen ist, mit Figuren aufzuwarten, die einzig über das schiere Schlagwortbedienen funktionalisiert wurden. Man hat sich also nach „Django Unchainend“ durchaus weiterentwickelt und verstanden, welch immensen Wert man einer dreidimensionalen Prägnanz innerhalb der Charakterbeschreibung beimisst, gerade bei einem solch komprimierten Setting.[...]

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                                                • 7 .5

                                                  »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«

                                                  #09 (Staffel – 2)
                                                  I…wie Italo-Western.

                                                  Helden wider Willen. John (James Coburn) und Juan (Rod Steiger) wollen nicht von den Massen gefeiert werden, sie wollen nur gemeinsame Sache machen, um das schnelle Geld abzugreifen. Das Schicksal hat andere Pläne mit den beiden Männern und plötzlich finden sie sich als Galionsfiguren der mexikanischen Revolution wieder, hören ständig Parolen von „Freiheit“ und „Erlösung“, werden aber doch nur Zeuge, wie sich die Leichen höher und höher türmen. „Todesmelodie“ ist ein seltsamer Film, wahrscheinlich sogar Sergio Leones eigenwilligster, weil seine Tonalität gerade in der ersten Hälfte nach Lust und Laune ins Wanken gerät, krude Zoten zündet, um dann doch wieder die Gewalt jener Tage gnadenlos zum Ausdruck zu bringen. Irgendwann, und da verabschiedet sich Sergio Leone auch von jedweder Verspieltheit, verdichtet sich die Stimmung merklich, wird düsterer und „Todesmelodie“ macht deutlich, wie wichtig ihm sein politischer Kontext ist, um Motive wie Freundschaft, Rache und Vergebung in einem gar existenzialistischen Format nachhaltig zu betonen. Die Allgegenwart von Verzweiflung jedenfalls bestimmt das Bild, welches Sergio Leone von den Wirren der mexikanischen Revolution anlegt. Und eine Schönheit in CinemaScope ist „Todesmelodie“ zudem auch noch, für die größtmögliche Leinwand fotografiert, um sich in den unendlichen Weiten vorbehaltlos verlieren zu dürfen.

                                                  http://www.moviepilot.de/liste/soulreaver-und-lieber_tee-in-den-untiefen-des-ganz-normalen-genrewahnsinns-soulreaver

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                                                    [...] „Ricki – Wie Familie so ist“ ist, das muss man so forsch sagen, generische Wohlfühlsülze aus der Hollywoodretorte. Einzig die Momente, in denen man Meryl Streep zusammen mit Rick Springfield auf der Bühne einer urigen Kneipe in Los Angeles beobachten darf, lassen etwas lebensgewandte Energie anklingen, während der Rest schlicht und ergreifend im Morast harmoniesüchtiger Tragikomödien verendet. Zwanghaft bemüht man sich in „Ricki – Wie Familie so ist“ am Narrativ der Reue und Vergebung entlangzuarbeiten, findet aber niemals die Schärfe, um den familiären Scherbenhaufen ins Visier zu nehmen, für den sich Ricki nach all den Jahren schuldig fühlt. Stattdessen zeigt man eine in die Jahre gekommene, aber immer noch lebendige Frau, die hofft, dass ihre (eigentlich) Liebsten ihr Abbitte tun, im bedeutungsvollen Finale aber tatsächlich dem Geltungstrip Vorrang lässt, um doch wieder die plärrende Ricki-Show anzustimmen – während die Menschen um sie herum in beste Feierlaune geraten. „Ricki – Wie Familie so ist“ besitzt nicht einen Funken Sinn für (zwischenmenschliche) Stimmungen.

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