Chloe.Price - Kommentare

Alle Kommentare von Chloe.Price

  • 7 .5

    Serien wie SHE-RA haben es nicht leicht.
    Dass der Zeichentrick-Artstyle im Laufe der Jahre immer mehr von der Bildfläche verschwunden ist und sich die Kinofilme, die Gebrauch davon machen, nur noch an einer Hand abzählen lassen, ist Beweis genug, dass die Massen sich von diesem Medium distanziert haben. Von Hand gezeichnete 2D-Welten seien Kinderkram, hieß es. 3D-Animation sei für Erwachsene, da es “realistischer” aussieht. Kombiniert man diese Denkweise mit einer Geschichte, die sich um magische Prinzessinnen in einer kunterbunten Glitzerwelt dreht, dann hat man das ultimative Füllhorn der Animosität. Ob wir es einsehen wollen oder nicht, ist es fast schon die Norm geworden, dass “mädchenhafte” Produkte als oberflächlicher Stuss gesehen wird. Ein rosarotes Paradies, wo es viel Gekichere, Geknutsche und Märchenprinzen gibt. Dass die Industrie diese Denkweise über mehrere Jahrzehnte mit geschlechtsspezifischen Spielzeugen, Filmen, Büchern usw. nur noch angefeuert hat, hat sie dann letztendlich in Stein gemeißelt. Und selbst wenn wir jetzt in einer Welt leben, die sich langsam aber stetig von diesem Schubladendenken wegbewegt, so werden die Vorurteile noch eine ganze Weile bestehen. Schon allein das Intro von SHE-RA dürfte manche Leute in kleine Jungs verwandeln, die mit ausgestrecktem Finger auf den Bildschirm zeigen, ne Grimasse machen und laut “Iiiiiih, Mädchen” schreien.
    Doch statt dass sich SHE-RA die abwertende Mentalität der Zuschauer aneignet und seiner Geschichte einen hippen Meta-Anstrich à la Disney gibt (“If you start singing, I am gonna vomit.” haha, ist das nicht meta?) oder mit dem Holzhammer auf die problematischen Klischees des vorgefertigten Bildes einer Prinzessin schlägt (“You can't marry a man you just met.” HAHA, IST DAS NICHT ME-), macht die Serie Gebrauch von all diesen Elemente und zeigt ohne einen Hauch von Zynismus, dass es nicht Beschämendes oder Minderwertiges an einer “mädchenhaften” Ästhetik gibt, solange man eine gute Geschichte zu erzählen hat.

    Anfangs scheint die Prämisse von SHE-RA UND DIE REBELLEN-PRINZESSINNEN noch ziemlich altbacken zu sein und die Geschichte nach Handbuch zu laufen. In einem Krieg zwischen zwei Völkern entscheidet sich die Heldin der Geschichte für eine Seite, um die Welt zu retten. Zudem erhält sie Zugang zu einer mysteriösen Kraft, die sie zum Symbol der Freiheit macht. Schon allein die Designs zeigen unverwechselbar wer die Guten und wer die Bösen in diesem Konflikt sind. Zugegeben klingt diese grobe Zusammenfassung so banal wie es nur irgendwie möglich ist, doch gelingt es der Serie nicht nur, sich von diesem scheinbar schwarz-weißen Konflikt stetig wegzubewegen, sie schafft es auch noch diese altbekannte Formel über das Konzept von Gut und Böse als Fundament für ihre Leitmotive zu nutzen. Statt dass die Serie eine gewisse Gruppe von Leuten antagonisiert, wird das eigentliche Konzept des Faschismus, der Dehumanisierung und dem Richten nach falschen Idealen (auf beiden Seiten) als der wahre Feind gesehen und nicht ein spezifisches Subjekt. Die Quelle von allem Bösen ist der Wille, sich einem ungesunden Idealbild zu unterordnen. Die Unterdrückung seines wahren Ichs, um eine Marionette des Systems und zu einem weiteren Zahnrad der großen Maschinerie des Hasses, des emotionalen Missbrauchs und der Repression zu werden. SHE-RA dreht sich nicht darum, einer dämonisierten Gruppe von Leuten zu Brei zu schlagen, sondern diesen Teufelskreis zu brechen. Die lange Kette des Leidens zu beenden, indem man zu der Quelle zurückkehrt und dem ein Ende setzt.

    Wenn sich SHE-RA mit einer Sache stark auseinandersetzt, dann wie der schlechte Einfluss anderer unschuldige Seelen in “Monster” verwandelt und wie auch diese Übeltäter einst dasselbe in ihrer Vergangenheit erleben mussten. Der niemals enden wollende Zyklus des emotionalen Missbrauchs ist wie eine Fackel, die von Mensch zu Mensch weitergereicht wird. Ein Dominostein wirft den nächsten um.
    Selbst der große Antagonist der Serie wird nicht als eindimensionales Hindernis hingestellt, obwohl sein stereotypisch diabolisches Design das vielleicht vermitteln würde. Statt eines kaltherzigen, selbstsüchtigen Monstrums, sehen wir einen geistig und körperlich gebrochenen Klon, der sich aufgrund seiner Imperfektionen und den resultierenden Drucks seines nach Perfektion strebenden Volkes, das ihn verbannt hat, als Fehlschlag sieht und alles tut, um dem perfekten Bild zu entsprechen, das seine Heimat in sein Hirn gepflanzt hat. Sein Zweck in der Geschichte ist es nicht, unseren Helden im Weg zu stehen, sondern sich von dieser Mentalität zu distanzieren, sich selbst lieben zu lernen und sich einen eigenen Namen zu machen. Es ist kein Wunder, dass dieser Heilungsprozess durch eine Person eingeleitet wird, die aufgrund ihrer autistischen Natur von manchen als “Fehler” gesehen wird, aber gelernt hat, sich nicht von diesen “Narben” prägen zu lassen. Die Serie findet die perfekte Balance darin, auf der einen Hand die schlechten Seiten zu zeigen, wenn man als Mensch emotional, geistig oder körperlich “beschädigt” wurde, sei es von äußeren Einflüssen oder weil es ihrer Natur entspricht, und auf der anderen wie die Charaktere mit ihrem Trauma umzugehen wissen. So gut wie jeder hat seine eigene Narbe, seine eigene Behinderung, selbst bei Attributen, die man in den meisten Medien sonst als positiv sehen würde, wie z.B. das romantisierte Bild der heroischen Selbstaufopferung, das hier kritisch hinterfragt und fast schon als Charakterschwäche hingestellt wird.

    Die Protagonistin ADORA, die den Mantel der nächsten SHE-RA auf ihren Schultern trägt, ist die Antithese zu dem Heldenbild, das wir von Ikonen wie Superman haben. So sehr wir auch Menschen lieben, die selbstlos handeln und das Wohl der anderen über ihr eigenes stellen, zeigt die Serie die Risse hinter einer solch entbehrungsvollen Attitüde. Die ist sogar genau der Grund, warum Adora und ihre Freundin CATRA getrennte Wege gehen und sich als Feinde auf dem Schlachtfeld wieder treffen. Nicht nur ist ihre Dynamik das Herz der Serie, ihr tragischer Zerfall zeigt auch wie ihre Rolle in der Geschichte zwei Seiten derselben Medaille zeigen. Sie wuchsen beide als gute Freundinnen in der Horde auf, erlitten jedoch aufgrund der grausamen Art, wie sie erzogen wurden, eine Gehirnwäsche, die sie ihr Leben lang begleiten würde. Während in Adora alle Hoffnungen und Erwartungen der Horde gesetzt wurden und sie (wenn auch toxische) Liebe erfahren durfte, wurde Catra eingeredet, dass sie es zu nichts bringen würde und wertlos ist, was zu einer Kindheit voller Schmerz und emotionalen Missbrauchs geführt hat. Doch trotz der klaren Bevorzugung von Adora hielten sich beide immer den Rücken frei. Wird aber jedoch in den jungen Jahren eines Kindes eine negative Saat gesetzt, so wächst sie im Laufe der Jahre in deren Geist immer weiter, bis es alt genug sind, eine eigene Entscheidung treffen und was für ein Mensch es sein will. Und wenn es darum geht, wessen Seite man in einem Krieg Treue zeigt, können sich die Wege zweier Kinder trennen, je nachdem wie sie in ihren jungen Jahren gelernt haben, wie die Welt funktioniert und welche Rolle sie darin spielen. Um die Herzen verletzter Menschen zu ändern, braucht es mehr als eine nette Geste und eine motivierende Rede, so viel macht die Serie klar. Wenn sich die Wege von Catra und Adora kreuzen, haben wir als Zuschauer keine Freude daran, wenn sie sich gegenseitig die Augen auskratzen wollen, sondern halten uns an der Hoffnung fest, dass einer von beiden es schafft, den Schutzpanzer des anderen zu brechen, um sie von all dem Schmerz zu befreien. Jeder Sieg kommt mit einem Hauch Melancholie, da wir immer noch die beiden Kinder sehen, die sich in ihren jungen Jahren beschützt haben, ganz egal, wie grausam die Welt zu ihnen war.

    So sehr das Konzept von der alles rettenden Liebe belächelt wird, gibt es viele Wege, wie man dem die nötige Substanz geben kann, ohne dass es naiv oder simplistisch wirkt. In einer Geschichte, wo Kontrolle als der wahre Feind hingestellt wird, sei es vom System oder von dem Einfluss bestimmter Individuen, ist es nur logisch, dass Empathie und der Ausbruch aus den Fängen derer, die versuchen, ihre dehumanisierende Ideologie auf andere zu übertragen, als die Lösung gesehen wird. SHE-RA scheut sich nicht zu zeigen, dass selbst das betitelte Symbol der Hoffnung nur ein Werkzeug eines weiteren Systems der Kontrolle ist, das wir für eine Weile als die “gute” Seite gesehen haben. Für eine Welt, wo das Farbschema einem suggerieren soll, wer die Guten und wer die Bösen sind, ist der Konflikt weit grauer als es den Anschein hat.

    Nach allem, was ich geschrieben habe, habe ich vielleicht den Eindruck erweckt, dass SHE-RA eine ziemlich deprimierende Serie ist, aber so wie viele andere großartige Cartoons in der Liga von AVATAR-DER HERR DER ELEMENTE und DIE LEGENDE VON KORRA schafft sie es ernste, tiefgründige Themen mit einem spannenden Abenteuer, sympathischen Charakteren, guter Comedy und einer Welt zu kombinieren, die Freude macht, zu erkunden. Und es macht mich ungemein glücklich, wie weit Animationsserien für Kinder gekommen sind, wenn es um queere Repräsentation geht. Von zahlreichen LGBT-Pärchen bis hin zu nonbinären Charakteren, die sogar mit dem richtigen Pronomen angesprochen werden, diese Serie ist so bunt wie die Welt, in der die Charaktere leben. Ganz egal was der scheinbar kitschige Look euch glauben lassen mag, ist es eine Serie, die sich jeder anschauen kann. Egal ob man ein Mann, eine Frau, ein Kind, ein Erwachsener usw. ist. Es wird Zeit, dass wir uns von dem Schubladendenken wegbewegen und erkennen, dass Schönheit und Qualität in allem zu finden ist, selbst in einer Geschichte mit fliegenden Einhörnern und magischen Prinzessinnen. Denn wie die Serie schon aussagt: Oberflächen können irreführend sein und bestimmen nicht, wer wir sind.

    10
    • Dass sich manche Leute immer noch daran aufhängen, ist echt traurig.
      Filme sind als Kunstwerke zu betrachten, ein visuelles Ausdrucksmittel seiner eigenen Ideen und Ideologien, und nicht als Dokumentarfilme, wo alles erklärt und logisch sein muss.
      Wen kümmert es z.B. wie der Joker in The Dark Knight diesen komplizierten Fluchtplan aufstellen konnte, der auf so vielen Zufällen aufbaut? Es ist ein Film.

      8
      • Wenigstens eine Neuigkeit in 2020, die mir nicht den Tag verdirbt.
        GO LYNCH!

        8
        • Chloe.Price 19.11.2020, 14:22 Geändert 19.11.2020, 14:34

          DER BABADOOK war nie als Monsterfilm konzipiert, sondern als psychologisches Drama. Der Fokus liegt auf dem Trauma der Mutter, was dieses Wesen in diesem Film verkörpert. Der Horror kommt nicht von irgendwelchen billigen Schockeffekten oder Monstern, die sich im Schrank verstecken, sondern ob sie den psychischen Druck mit ihrem beabsichtigt nervig in Szene gesetzten Sohn aushalten kann oder sich der Schmerz manifestiert und sie ihr eigenes Kind tötet.
          Und wie Jennifer Kent dieses Gefühl des aufkommenden Wahnsinns in diesem Film einfängt, ist beängstigend gut und macht DER BABADOOK zu so einem Glanzstück im Horror-Genre. Viel zu schade, dass viele sich nicht dafür interessieren, hauptsache, es springt ein Monster aus dem Schrank raus und bringt sie zum Hüpfen. Diese Leute sollten echt mal lernen, was wahrer Horror ist.

          11
          • Wenn ich mir hier manche Kommentare durchlese, trauere ich echt um die Menschheit.

            4
            • 10

              Was ist HUNTER x HUNTER?
              Worum geht es in HUNTER x HUNTER?

              Würde mich das jemand auf der Straße fragen, würde ich ihn auf einen Kaffee bei mir zuhause einladen, da ich all meine Gedanken und Gefühle niemals in eine kurze Synopsis fassen könnte. Wohlgemerkt hat eine schwer zu definierende Prämisse nichts mit der Qualität einer Serie zu tun. Viele der besten Serien lassen sich in ihren Grundbausteinen auf ein zweisätziges Exposé reduzieren. Gegen Simplizität ist nichts zu einzuwerfen. Doch warum fällt mir das bei diesem scheinbar harmlos aussehenden, quietschbunten Shōnen so schwer? Und genau mit dieser Frage in eurem Kopf hat euch der Mangaka Togashi schon um den Finger gewickelt. Alles, was ihr auf dem ersten Blick von der Serie erwartet, ist eine Fassade, um euch in ein falsches Gefühl der Sicherheit zu wiegen, bis dass dann der Vorhang gelüftet wird und ihr mit den wahren Intentionen dieses Animes konfrontiert werdet.

              Doch lässt sich Togashi Zeit, indem er sein Publikum eine Weile im Unklaren lässt, bevor er ihnen den Teppich unter den Füßen wegzieht. Es fängt schon allein damit an, dass die ersten Episoden genau den Erwartungen entsprechen, die ihr nach einem Blick auf das Cover in eurem Kopf aufgebaut habt. Nämlich, dass wir es mit einem weiteren DragonBall-Hybrid von einem anderen japanischen Animationsstudio zu tun haben. Schon allein die pathetische Erzählerstimme im Intro lädt die Zuschauer auf eine Geschichte voll von Abenteuern, Monstern und Helden ein. Und eine Zeit lang scheint diese Serie genau diesem Pfad zu folgen, dem sich so viele andere Anime unterwerfen:
              Wir folgen dem strahlenden, optimistischen Jungen Gon, der seine Heimat verlässt, um sich als Hunter zu beweisen, seinen Vater zu finden und alle möglichen Abenteuer zu erleben, die über seine Vorstellung hinausgehen. Auf seiner Reise trifft er auf die rationale Kämpferseele mit tragischer Vergangenheit in Form von Kurapika (bei dem ihr euch anfangs öfter fragen werdet, ob er nun ein Mann oder eine Frau ist), dem leicht gereizten Comic Relief mit einem Herz aus Gold in Form von Leorio und den Besten Freund Archetyp in Form von Killua, der sich nichts anderes wünscht, als mit einer neuen Bestimmung seinem alten Leben zu entfliehen. Schon allein wenn ich all diese Punkte aufzähle, könnte man glauben, dass ich von einer Anime Checkliste ablesen würde. Und Togashi setzt das bewusst ein. Er lässt uns in dieser Fantasiewelt verharren, die wir aus so vielen anderen Überlieferungen praktisch auswendig kennen, lässt uns teilhaben an den spannenden Abenteuern, die diese kleine Truppe zu überwinden haben. Doch egal wie lang die Sonne auch scheinen mag, dauert es nicht lange, bis sich die ersten Regenwolken zeigen. Und die manifestieren sich in Form eines subversiven Umgangs mit dem eigenen Genre und den Klischees, die sich in der japanischen Popkultur in Stein gemeißelt haben. Wer hier eine Power Fantasy erwartet, der ist hier fehl am Platz. Wer auf eine ultimative Konfrontation zwischen Gut und Böse hofft, der wird lange warten müssen. Togashi greift sich altbekannte Konzepte auf, die sich in die Köpfe von Anime-Heads eingebrannt haben und reißt die Oberflächen ein, um sie zu dekonstruieren und in einen neuen Kontext zu bringen. Und die erzählt er nicht in einer Geschichte, sondern in mehreren.

              HUNTER x HUNTER hat oberflächlich gesehen keine geradlinige Handlung. Mit der Suche nach seinem Vater gibt der Protagonist Gon der Serie ein Ziel, auf das hingearbeitet werden soll. Doch der Weg dorthin erlaubt sich einige Abzweigungen. Eine kreative Entscheidung, die in der allerletzten Episode reflektiert wird und sinnbildlich für die Serie steht.

              “You should enjoy the little detours. To the fullest. Because that's where you'll find the things more important than what you want.”

              Und das ist das, was HUNTER x HUNTER ist: ein Füllhorn an Ideen, die alle auf verschiedene Arcs verteilt sind und aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Ja, wenn ihr dachtet, dass unser liebevolles, kleines Quartett von Anfang bis Ende durch Dick und Dünn geht, habt ihr Pech gehabt. Jeder Charakter bleibt nur so lange, wie er gebraucht wird und kehrt erst nur dann zurück, wenn die Geschichte es wirklich verlangt. Da springt man von einer spannend-lockeren Trainingsarc in einer Arena zu einer tiefgründigen Auseinandersetzung über das menschliche Potenzial der Zerstörung und der Nächstenliebe, die auf 60 Episoden erzählt wird. Auch auditiv sind diese Wechsel spürbar. So springt man von zirkushafter Abenteuermusik zu Opernmelodien oder Sinfonien auf der Violine, die jedem Abschnitt einen eigenen musikalischen Charakter geben. Und trotz all dem gelingt es Togashi, diesen verschiedenen Geschichten einen roten Faden zu geben, selbst wenn manche vom Ton her locker und heiter und andere eher düster und deprimierend sind. Denn wenn ich euch eines versprechen kann, dann das:
              HUNTER x HUNTER kann so richtig auf die Kacke hauen! Wenn euch manche der düsteren oder brutalen Elemente aus den ersten Episoden überrascht haben, habt ihr noch gar nichts gesehen. Diese Serie wechselt sein Genre öfter als Son Goku seine Form. Erst sammeln unsere Helden quietschvergnügt ein paar Karten auf einer Insel, dann werden wir Zuschauer mit groteskem Body Horror konfrontiert, wo Blut aus allen Rohren schießt. Sollte man diese beiden Geschichten miteinander vergleichen, könnte man auf die Idee kommen, dass man sich zwischendurch eine ganz andere Serie angeschaut hat. Doch Togashis Writing sorgt dafür, dass die Übergänge nicht zu schlagartig sind, selbst wenn die Serie so weit geht, das Abmetzeln und Verspeisen von Kleinkindern in seine Handlung zu integrieren. Er pflanzt seine düstere Saat früh ein und lässt sie dann unter der kinderfreundlichen Oberfläche so lange wachsen, bis dass der Zuschauer selbst davon Wind kriegt, dass Gon nicht mehr in Kansas ist, Toto. So schafft es HUNTER x HUNTER sein Publikum in naher Zukunft zu schockieren, ohne dass sie den Eindruck bekommen, als wären diese fiesen Szenen aus dem Nirgendwo gekommen. Solltet ihr euch am Anfang noch wundern, ob die Serie tatsächlich den Mumm hätte, so viele Menschen zu töten, ist das in den späteren Episoden schon fast auf dem Tagesplan. Nahezu jeder erste Eindruck, den ihr nach den ersten Episoden von der Serie hattet, ist falsch. Und bald werdet ihr euch wünschen, dass es so geblieben wäre.

              Denn nicht nur die Geschichte macht eine große Veränderung durch, sondern auch nahezu jeder Charakter, ganz egal ob er nun eine kleine oder große Rolle zu spielen hat, sei es aus den eigenen Kreisen der Protagonisten oder dem “feindlichen” Lager. Wobei es fehlerhaft wäre, nur in diesen beiden Kategorien zu denken, da hier die Grenzen zwischen Gut und Böse im Laufe der Zeit so arg verschwimmen, dass man sich als Zuschauer öfters wundert, auf wessen Seite man nun steht. Es gibt hier keinen einseitigen Konflikt, keine Motivation, die auf dem Fundament von absoluter Bösartigkeit aufgebaut ist. Denn Togashi interessiert sich für solche Märchenwelten nicht.
              Er sieht die Gefahr hinter dem optimistischen, naiven Weltbild eines Kindes.
              Er gibt einem Gegner, der scheinbar nur auf Zerstörung und Genozid programmiert ist, einen eigenen Willen und lässt ihn seine eigenen Motive hinterfragen.
              Er entblößt den selbstzerstörerischen Akt der Rache, so nachvollziehbar die Motivation des Ausführers auch sein mag.
              Er interessiert sich für das Kind hinter einer gefährlichen dämonischen Kraft, die scheinbar nicht zu bändigen ist.
              Er erkennt die Leere im Leben eines allmächtigen Kämpfers, dem nach der Suche nach ultimativer Stärke keine wahren Herausforderungen mehr untergekommen sind.
              Und vor allem sieht Togashi Action nicht als Ausrede für lautes Spektakel, sondern eher als erzählerisches Vehikel für Charakterentwicklung und ideologische Konflikte, weshalb die Anzahl der Kämpfe auf ein Minimum reduziert werden. Statt dass 12 Episoden lang die Fäuste fliegen, haben die Konfrontationen eine sehr persönliche Note und sind so kurz wie möglich gehalten, um mit ihrer Aussage direkt auf den Punkt zu kommen. Nie gibt es einen Augenblick, als hätte man den Eindruck, als würde die Serie mit ihrer Action angeben oder ihre Zuschauer mit den grellen Bildern blenden wollen. Es kommt sogar häufig vor, dass Gewalt nicht als die Lösung aller Probleme gesehen wird. Und wenn dann doch die Fäuste fliegen, dann enden die Konfrontationen sogar oftmals relativ antiklimatisch, was umso mehr auf den Punkt bringt, dass HUNTER x HUNTER sich nicht dafür interessiert, ein Kampf nur des Kampfes Willen einzubauen. Selbst der Sieg ist nicht immer eine Garantie für unsere Helden und viele Male werden wir sie scheitern sehen müssen. Sie sind keine unzerstörbaren Götter. Sie sind nicht übermächtig. Sie fallen, sie bluten, sie leiden. Und sie verlieren. Jede Narbe, sowohl körperlich als auch seelisch, werden sie den Rest der Reise mit sich tragen. Jeder Sieg, jeder Verlust hat seine Konsequenzen. Also wenn sich ein paar Kampf-Fetischisten erhoffen, sich bei dieser Serie in die Hose zu spritzen, die behalten die Taschentücher lieber unter Verschluss.

              Denn wenn schon ein einfaches Brettspiel zwischen zwei grundverschiedenen Individuen emotional packender und viel spannender mit anzusehen ist als jede Klopperei aus jedem zweiten Anime, dann weiß man, wo die Serie ihre Prioritäten legt. Nämlich bei den Charakteren. So einfach gestrickt sie am Anfang auch sein mögen, gibt die Serie ihnen im Laufe der Zeit so viel mehr Dimensionen, sodass sie am Ende nicht mehr wieder zu erkennen sind (im wörtlichen und übertragenen Sinne). Selbst die Simplizität von Gon, der hier quasi jeden Standard-Shōnen-Protagonist verkörpert, wird ausgenutzt, um die Mängel hinter einem solch grünen Weltbild zu enthüllen und was das mit dem Geist eines Kindes macht, wenn er in einer solch düsteren Welt wie der von HUNTER x HUNTER geworfen wird. Ein Ort, wo Konflikte nicht so schwarz-weiß sind, wie man es erst glauben mag und nicht jeder, den man ins Herz geschlossen hat, ungeschoren davonkommt. Doch trotz meiner langen Elaboration um Togashis Hang, die Regeln auf den Kopf zu stellen, ist nicht alles so düster und hässlich, wie ihr vielleicht glauben mögt. Denn es braucht erst Licht, um für Schatten zu sorgen und davon gibt es reichlich. Ich könnte zwar mit Leichtigkeit einen Aufsatz darüber schreiben, wie gut die Charaktere geschrieben sind, aber es ist viel schwieriger in Worte zu fassen, wie sehr sie einem ans Herz gewachsen sind. Die Liebe, die unsere Helden und selbst oftmals die Antagonisten füreinander verspüren, ist von solcher Schönheit geprägt, dass man nicht mehr darüber nachdenkt, ob deren Beziehung freundschaftlich, brüderlich oder romantisch zu verstehen ist, sondern man sich einfach zurücklehnt und die Momente genießt. Togashi macht es seinen Zuschauern nicht so leicht, das Band, das bestimmte Charaktere verbindet, in eine Schublade zu stecken, verteilt aber dennoch genug Hinweise, was deren Anziehung dann eine so universelle Natur gibt. Jeder kann für sich entscheiden, wie die kleinsten netten Gesten zwischen zwei Charakteren zu deuten sind. In dem Fall gibt es fast keine falschen Antworten.

              Und egal wie gerne Togashi mit den Klischees von Shōnen-Animes spielt, zeigt er dennoch seine Freude am Medium und hinterlässt ein wahres Feuerwerk der Kreativität, wo selbst die absurdesten Ideen nicht zu dumm für ihn sind, solange er weiß, wie man mit ihnen umzugehen hat. Denn wenn es jemand hinkriegt, dass ich mir eine Szene anschaue, wo ein geflügelter Pferdemensch und ein geschrumpfter Mann mit Schmetterlingsflügeln über einem Vulkan um die Überreste ihres toten Bosses weinen, und ich dennoch voll und ganz bei der Sache bin, dann macht dieser Jemand etwas richtig. Ein Genre zu dekonstruieren, hat nicht in Folge, dass man seine kreative Ader zu unterdrücken hat. Im Gegenteil, es ist viel interessanter, wenn man das volle Potenzial hinter einer solchen Prämisse ausnutzt und daher ne Freikarte zum Experimentieren hat. So weit, dass sich etwas, das sich wie “Star Wars” anfühlen sollte, mehr Gemeinsamkeiten mit “2001 - Odyssee im Weltraum” hat. Ein 2001 mit Riesenameisen, rosenförmigen Atompilzen und extrovertierten Clowns, die bei dem Gedanken ans Kämpfen wortwörtlich einen Steifen kriegen. Was will man mehr?

              HUNTER x HUNTER hat etwas Unglaubliches erreicht. Es hat meine in Stein gemeißelten Regeln, was die Erzählstruktur einer Serie angeht, komplett auf den Kopf gestellt. Wurde ich im Laufe der Jahre so viele Male von lang andauernden Serien enttäuscht, die langsam und ziellos vor sich dahin verwesten, zeigt Togashi wie eine derartige Methode tatsächlich funktionieren kann. Keine Abzweigung fühlt sich wie ein Umweg an, man wünscht sich sogar viele Male, dass man bei jener oder dieser Abzweigung noch viel mehr Zeit verbracht hätte. Und selbst wenn eine bestimmte Abzweigung nicht so spannend ist wie manch andere, hilft sie dabei, die nächste Abzweigung noch interessanter zu machen. So interessant, dass das eigentliche Ziel im Laufe der Zeit relativ unbedeutend wirkt und vielleicht sogar in Vergessenheit gerät. Denn manchmal sind die Ziele in unserem Leben nicht so erfüllend wie wir es uns immer vorgestellt haben und mit der Zeit erkennen wir den Wert in den vielen Herausforderungen, die wir auf uns genommen haben, um diesen Punkt zu erreichen. Das Leben bietet zu viele Möglichkeiten um sich nur einem Ziel zu widmen und diese Philosophie eignet sich diese Serie an. Sei es in ihrer Erzählung oder den wunderschönen Bildern, die das Medium der Animation vollends ausnutzen, indem sie alle möglichen Stile inkorporieren, um für eine unvergleichbare audiovisuelle Erfahrung zu sorgen, wie ich sie nur selten in meinem Leben gesehen habe. Und selbst wenn es etwas Zeit braucht, um die reifsten Äpfel des Baumes zu erreichen, ist der Weg geprägt von einzigartigen Erfahrungen, wie man sie nicht mehr vergessen möchte.
              Und ich werde sicher nicht HUNTER x HUNTER vergessen.

              (P.S. Denn wenn es etwas geschafft hat, mich aus meinem MP-Winterschlaf zu wecken, dann muss es etwas Besonderes sein)

              11
              • 8 .5

                Wie das Finale einfach Jahre zuvor perfekt reflektiert hat, was in letzter Zeit in Amerika vor sich geht. Hier nochmal ne Montage der letzten beiden Episoden:

                https://youtu.be/O7orXaRDFuQ

                Wir sollten zusammenhalten, damit derartige Ungerechtigkeit gestoppt werden kann.
                R.I.P. George Floyd
                #blackouttuesday

                7
                • 8

                  Aufgrund meiner langen Abwesenheit konnte ich keinen Kommentar verfassen und Worte könnten niemals beschreiben, wie großartig ich diesen Film finde.
                  Eins lässt sich aber gesagt sein: die Academy hat dieses Mal (größtenteils) nicht enttäuscht und jede Trophäe war verdient.
                  Glückwünsch, Bong Joon-ho und begeistere uns bald wieder mit deinen Meisterwerken. ❤

                  13
                  • 4 .5

                    Und der Oscar für den frustrierendsten Film 2019 (bzw. 2020, je nach Release) geht an JOJO RABBIT!
                    Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nichts zu diesem Film zu schreiben. Meine letzte Kritik liegt schon über ein Jahr zurück und da wollte ich mir für den Moment, wo ich mich wieder ans Schreiben setze, eigentlich etwas Besonderes aufheben. PARASITE, THE LIGHTHOUSE, MARRIAGE STORY, LITTLE WOMAN, THE IRISHMAN … das Jahr 2019 war ein reichliches Buffet an köstlichen Kreationen aus der Küche kreativer Kunstliebhaber.
                    Und dennoch entscheide ich mich kurz vor der Oscar-Saison für den klebrig-süßen Nachtisch, den ich nach wenigen Bissen wieder auf meinem Teller ausspucke.

                    Das Wenigste, das ich von dem Film erwartet habe, ist, dass er “harmlos” ist. Dass Taika Waititis Nazi-Satire sicher keinen Platz in der Bestenliste verdient hätte, war mir bewusst, deshalb stellte ich mich auf eine oberflächliche Feel-Good-Komödie ein. Und trotz der niedrigen Erwartungen schaffte es der Film mir dennoch unter die Haut zu gehen. Das wahrscheinlich Ärgerlichste an diesem Film ist, dass ich die Prämisse auf Papier gar nicht mal so schlecht finde. Zu meiner großen Überraschung nimmt sich der Film an manchen Stellen deutlich ernster, als man es von dem Poster erwarten würde. Doch leider liegt hier auch genau das Problem. Im Laufe der Geschichte streitet der Film mit sich selbst, ob er nun eine überdrehte Satire oder ein seriöses Charakterdrama sein möchte. Und gerade letzteres kommt gegen Ende immer öfter zum Vorschein, dennoch schafft es der Film sich immer wieder ein Bein zu stellen. Vielen Regisseuren gelang es erst kürzlich auf furiose Weise mehrere Genres nahtlos miteinander zu verbinden (Danke, Bong Joon-ho), aber die Kombination dieser beiden Enden des Spektrums wird JOJO RABBIT zum Verhängnis.

                    Kommen wir zuerst zu dem wahrscheinlich größten Selling-Point des Films: Adolf Hitler als Jojos unsichtbaren Freund. Wie ich schon erwähnte: manche Ideen hätten mit dem richtigen Umgang Potenzial gehabt. Und dass Jojos Idol, der Führer selbst, die Verkörperung der Obsessionen dieses naiven, unerfahrenen Kindes ist, öffnet eine ganze Welt voller Möglichkeiten. Selbst wenn sich der Film von Anfang bis Ende ernst nehmen würde, würde die Angliederung dieser Idee dem Ton keinesfalls schaden. Es wäre sogar interessant mit anzusehen gewesen, wie der sanfte Händedruck seines Freundes sich zu einer Faust ballt, während Jojo im Laufe der Zeit seine Loyalität gegenüber dem Reich hinterfragt. Leider bekommen wir nur eine Aneinanderreihung von Führer-Witzen, die man in jedem zweiten Spoof Video auf YouTube hätte finden könnte. Entscheidend wird das genau in dem Moment, wo es so scheint, als würde der Film versuchen, Jojos Symbolfigur etwas dramatisches Gewicht bezüglich der Entwicklung unseres Protagonisten zu geben. Doch wird das alles für einen weiteren Witz geopfert und ohne Weiteres im wörtlichen und übertragenen Sinne aus dem Fenster geworfen.

                    Doch könnte man die Albernheit von Hitlers Szenen noch damit entschuldigen, dass sie sich im Kopf eines Zehnjährigen abspielen, kontrahiert jeder Nebencharakter, der ein Nazi ist, mit dem Ton des Films und zieht der Geschichte gehörig einen Strich durch die Rechnung, wenn es darum geht, ein emotionales Crescendo für den Protagonisten aufzubauen. Wie soll man Jojos Wandlung ernst nehmen, wenn er von einem Haufen Fleisch gewordener Karikaturen umgeben ist, die mit ihren Witzen ihr Bestes tun, all das mögliche Drama in einem verschlossenen Käfig gefangen zu halten? Nachdem sich der Film die Mühe gegeben hat, eine überraschend düstere Wendung der Ereignisse für unseren Hauptcharakter einzubauen, wäre das der geeignete Moment gewesen, um die alberne, karikatureske Fassade des Films fallen zu lassen, um Platz für die harte Realität zu machen, eine Erfahrung, die nicht nur der Hauptcharakter, sondern auch der Zuschauer beim Schauen erleben muss. Wäre alles zuvor Gesehene nur eine Visualisierung der jugendlichen Sicht auf die Nazi-Welt gewesen, hätte das der Vermischung der Genres einen Zweck gegeben. Wäre der Grund gewesen, dass alles in einer so märchenhaften Blase gefangen schien, nur da, damit Jojo lernt, aus dieser herauszubrechen und sich der wahren Welt zu stellen, wäre ich dem Film gnädiger gewesen. Aber nein, schon kurz danach löst einer seiner Freunde unfreiwillig eine Bazooka aus, weil Slapstick, haha, und jeder Nebencharakter bleibt in seiner simplistisch geschriebenen Hülle gefangen. Was sich neben dem Obsessionsdrang des Protagonisten als gute Eskapismus-Kritik hätte anbieten können, verendet in eine lange Aneinanderreihung von Plattitüden, wo selbst die Botschaft des Films laut ausgeplaudert wird, falls die unaufmerksamen Kinogänger mit der Nase in den Handys, es noch nicht kapiert haben.
                    Dass man sich jedoch die Mühe gegeben hat, hinter die Fassaden der nazifeindlichen, liberalen Mutter und Jojos jüdischer Freundin zu blicken, zeigt umso mehr, wie sehr sich Hollywood für ihre Toleranz auf die Schulter klopft und komplexe Konflikte der Einseitigkeit unterwirft. Die “Guten” sind unseres Mitgefühls würdig, die “Bösen” sind einfach nur Witzfiguren und Kanonenfutter. Zugegeben ist es ein hartes Brett, die Konflikte des Films glaubhaft auf eine Weise zu erzählen, die sich nicht auf die klassische Schwarz-Weiß-Schreiberei beschränkt, aber meine Güte, da geht doch sicher mehr als das. Hätte der Film einfach jeden Tropfen seiner satirischen Elemente ausgekostet, hätte diese oberflächliche Charakterisierung vielleicht funktionieren können. Aber wenn sich die Geschichte auf eine durchaus interessante Charakterentwicklung zentriert, stechen diese Probleme umso mehr heraus, was den Ton umso inkonsistenter macht. Was immer man von Wes Andersons Filmen halten mag, sie bleiben von Anfang bis Ende ihrem schrulligen Ton treu. Selbst wenn den Charakteren ein großes Unglück passiert, erwecken Andersons Geschichten nie den Eindruck, als würden sie uns mit der echten Welt konfrontieren noch dass diese Vorfälle den anderen Charaktere den Tag groß verderben würden. So makaber sie auch manchmal sein konnten, verließen sie nie die märchenhafte Blase.

                    Wenn dann schließlich Bowies “Heroes” vor den Credits läuft, zerstörte der Film die wenigen Hoffnungen, die ich für ihn hatte. Zugegeben, dass die Lyrics auf Deutsch übersetzt wurden, ließ mich kurz schmunzeln, dennoch zementierte dieser Abschluss mein durchgehendes Problem mit dem Film. Er versucht uns mit den düsteren Seiten des Zweiten Weltkrieges zu konfrontieren, doch den Mut, die märchenhafte Blase zu verlassen, bringt er nicht auf. Und genau genommen widert mich das an. Ich will nicht darauf hinaus, dass man sich nicht über den Zweiten Weltkrieg lustig machen kann. Viele Filme haben das gemacht und manche haben das großartig hingekriegt. JOJO RABBIT versucht zwei Dinge auf einmal zu sein und scheitert an beiden Ecken. Es tut mir etwas weh, das alles zu sagen, da ich dem Film wirklich eine Chance geben wollte. Roman Griffin Davis schauspielerische Leistung als Jojo ist wunderbar und diese wird hervorragend mit denen von Scarlett Johannson und Thomasin McKenzie ergänzt. Und selbst wenn Taika Waititis Stil zu dieser Art von Geschichte nicht passt, zaubert er einige kreative visuelle Einfälle aus dem Hut. Aber ein Haus lässt sich nicht bauen, wenn das Fundament nicht stabil ist. Warmherzige Momente füllen nicht die intellektuellen Lücken, die der Film zurücklässt, weshalb dieser schnell in Vergessenheit geraten wird. Alles war da, um eine erwachsene, komplexe Geschichte zu erzählen und der Film verfehlt das Ziel wie ein Anfänger mit einer geladenen Liliput. Es gibt keinen Grund, warum dieser Film und nicht Robert Eggers THE LIGHTHOUSE in der Bestenliste steht, ein Film, der sein Publikum herausfordert und ihnen etwas ganz Neues bietet, sei es audiovisuell oder von der Geschichte her. Obwohl die diesjährige Oscar Saison wesentlich interessanter ist als die der letzten Jahre, war dieser verweichlichte Schmarrn ein großer Fehlgriff.

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                    • Dass etwas wie TWIN PEAKS: THE RETURN im heutigen Serien-Medium existiert, ist ein Geschenk an die Menschheit.
                      Natürlich gab es in diesem Jahrzehnt viele großartige Serien und es gibt noch viele, die ich noch nachholen muss.
                      Aber ich kann von keiner behaupten, dass sie eine so sinnliche Erfahrung war wie das, was sich Lynch aus den Fingern gesaugt hat.
                      Lobet den Mann für all die Werke, die er in seiner langen Karriere Leben eingehaucht hat.

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                      • Auch wenn diese Oscar-Saison wesentlich interessanter ist als die letzten Jahre, bekamen Kandidaten wie Robert Eggers THE LIGHTHOUSE nicht genug Liebe.
                        Wenigstens Willem hätte eine Nominierung verdient.

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                        • Ich übersetze mal diesen Tadel:

                          "EveRYthInG HaS tO sTaY tHE thE SaME!!!!!!"

                          Guter Gott, diese unglaubliche Abneigung gegenüber manche kreative Änderungen, ist genau der Grund, warum das Kino stirbt.

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                            • Ich will nicht behaupten, dass an diesen ganzen Reviews nichts dran wäre, aber mich würde es doch schwer interessieren, was für "Verbrechen" dieser Film begangen haben soll, um all den Hass zu verdienen, während eine große Menge uninspirierte, vergessenswerte Superhelden-Durchschnittskost ohne Stil und eigene Handschrift in den Himmel gelobt wird.
                              Egal ob dieser Abschluss nun enttäuschend ist oder nicht, die X-Men Saga hatte meiner Meinung nach einige der besten Vertreter des Superhelden-Genres und selbst manche ihrer schwächsten Filme waren besser als das, was heute auf den Markt gebracht wird, da sie wenigstens versucht haben, etwas Neues auf den Tisch zu bringen.

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                              • Chloe.Price 01.06.2019, 17:21 Geändert 01.06.2019, 17:22

                                Nein, brauchen wir nicht.
                                Lasst die alten Star Wars-Charaktere endlich mal ruhen und denkt euch stattdessen mal etwas Neues aus.
                                Es ist nicht so, dass eure Möglichkeiten begrenzt sind, es ist eine weit, weit entfernte Galaxie!
                                Und dennoch fühlt sie sich nach so vielen Filmen in den letzten Jahren immer noch ziemlich klein an.

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                                • Ganz unabhängig davon, was ihr vom Ende hält, ist es das Beste, die Dinge dann ruhen zu lassen, wenn sie nicht mehr notwendig sind. Ich habe nichts dagegen, wenn man eine Welt erweitert, aber in unserer heutigen Film-und Serienlandschaft, wo nahezu jedes beliebte fiktive Universum in zahlreiche Spin-Offs, Sequels, Prequels usw. ausgebeutet wird, bis es keine Milch zum Melken mehr gibt, ist es besser, wenn man einfach akzeptiert, dass Schluss ist. Zeit für neue Ideen!

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                                  • 9 .5

                                    Ok, für morgen sollte ich mich warm anziehen, da uns die wahrscheinlich größte Schlacht überhaupt erwarten wird - der Kommentarkrieg!
                                    Die Zahl der Opfer wird hoch sein, die Schmerzensschreie und Jubelrufe immer noch in den Gräbern unserer kommenden Nachfahren zu hören sein.
                                    Und das alles nur wegen zwei Seiten, die verschiedene Ansichten zu einer Serie hatten. Wir werden in die Legende eingehen! Bücher wird man über uns schreiben! Und den Game of Thrones Memorial-Tag einführen, wo wir an all die Fans zurückdenken, die nichts anderes tun wollten, als ein paar schöne Stunden vor dem Fernseher zu verbringen und sich dann letzten Endes bewaffnen mussten, um ihre Meinung zu verteidigen.
                                    Es gibt kein Zurück mehr.
                                    The Comments are coming!

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                                    • Chloe.Price 16.05.2019, 15:10 Geändert 16.05.2019, 16:50

                                      Das Wichtigste ist, dass deren Sexualität ein natürlicher Teil ihres Charakters ist.
                                      Es braucht kein großes Genie, um einen LGBT-Charakter zu schreiben und doch tun sich Blockbuster so schwer dabei. Natürlich sollte in der Geschichte kein großes Tamtam darum gemacht werden, dass dieser Charakter eine andere sexuelle Orientierung hat (es sei denn, diese Enthüllung ist der Fokus der Geschichte), aber dass das alles nur auf einen Satz oder einen kurzen Moment reduziert wird, bei dem man beim ersten Mal Schauen nicht mal merken würde, dass es eine Implikation auf die sexuellen Interessen einer Person sind (was ich schon bei zahlreichen Hollywood Produktionen gesehen habe), geht natürlich auch nicht. Trotzdem sollte man die Persönlichkeit dieses Charakters nicht links liegen lassen. Wenn ich mich an die Darstellung der 90er erinnere und der einzige Charakterzug dieser Figuren nur auf "Ich bin schwul" zusammengefasst werden konnte, rollen sich beim bloßen Gedanken meine Zehennägel auf. Wenn man LGBT-Charaktere schreibt, muss man sich auf den Charakter konzentrieren. Seine Sexualität ist die Kirsche auf der Sahnetorte. Beide Elemente, Charakter und Sexualität, definieren, wer diese Person ist. Ich mache mir da nicht so viele Hoffnungen, da Marvel (mit ein paar Ausnahmen) es ebenfalls schwer hatte, die Beziehungen zwischen einem Mann und eine Frau glaubhaft zu schreiben, aber hoffentlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

                                      P.S. Wer einen gut geschriebenen LGBT-Charakter sehen möchte, sollte mal ein Blick auf die Person in meinem Profilbild werfen. Sie ist eine meiner Musterbeispiele. :)

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                                      • Wow, schon 5 Jahre bin ich hier auf Moviepilot?
                                        Mannomann, wie die Zeit vergeht.
                                        Am liebsten würde ich jetzt einen überlangen, pathetischen Text schreiben, aber nicht alles muss ein Roman sein.
                                        Es waren fünf wunderbare Jahre und ich hoffe auf fünf weitere!
                                        Manchmal liegt in der Kürze die Würze. :)

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                                        • Bevor ich anfange zu schreiben, hier mal ne kleine Randinfo:
                                          Eine Kollegin von mir hat sich zur selben Zeit wie ich S8 E5 von GAME OF THRONES angeschaut. Sie liebt Game of Thrones über alles, dazu zählen auch die neuesten Folgen und sie hat jede Einzelne bisher verteidigt. Zu jedem Kritikpunkt wusste sie eine Antwort. Doch zu meiner großen Überraschung hatte sie beinahe Wuttränen in den Augen und nannte die Serie aufgrund dieser neuen Folge "Schwachsinn". Da habe ich gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt.

                                          Gut, meine Reaktion war bei Weitem nicht so negativ. Im Gegenteil. Das war meiner Meinung nach eine der besseren Folgen der letzten beiden Staffeln. Wieder einmal beweist Game of Thrones seine inszenatorische Stärke und die Schauspieler geben wie immer alles. Selbst das Writing ist mir bis auf ein paar Ausnahmen nicht so negativ aufgefallen. Aber mir ist bewusst, dass man diese Folge ziemlich leicht auseinander nehmen kann.

                                          (ACHTUNG SPOILER!!!)
                                          Ich sehe es schon kommen: die Fans werden eine lange Zeit debattieren, ob Daenerys Entscheidung, hunderte Unschuldige umzubringen, nachvollziehbar und logisch oder rushed und komplett out of character war. Ich bin was das angeht, ziemlich gespalten. Ja, es wurden Zweifel in sie gesät. Ja, viele, die ihr lieb und wichtig waren, sind gestorben, ein Tod sinnloser als der nächste. Und ja, sie hat viele Male gezeigt, dass sie absolut gnadenlos sein kann. Aber ob das diesen riesigen Sprung von einer kaltherzigen, aber gerechten Königin zu einer kinder- und frauenmeuchelnden Wahnsinnigen rechtfertigt, ist schwer zu sagen. Es hätte einfach gereicht, wenn sie zum Bergfried geflogen wäre und ihre wahren Feinde erledigt hätte, nichts hätte ihr im Weg gestanden. Nicht falsch verstehen, Daenerys Arc gehört meiner Meinung nach zu den besten dieser Staffel. Ich kann genau sehen, wie sie irgendwann snapped und all ihre moralischen Werte über den Haufen wirft, aber dieser Moment kam meiner Meinung nach zu früh oder wurde wie so vieles andere in diesen letzten Episoden gerushed.

                                          Jetzt denkt ihr vielleicht, dass ich diese Episode hasse und glaubt mir, das tue ich nicht. Die Schauwerte waren großartig, die Sets, die visuellen Effekte, die Statisten, die Kamera, die Musik ... alles war pikobello. Der Abschied von Jaime & Tyrion sowie der von Sandor & Arya waren wunderbar und haben mich wirklich was fühlen lassen. Aber ich kann genau sehen, warum jemand diese Folge hassen würde. Denn die schlimmsten Befürchtungen wurden mehr oder weniger wahr, je nachdem wie man sie interpretiert, z.B. dass Jaimes Arc über den Haufen geworfen wurde (in der letzten Folge haben alle seine Entscheidung, Brienne zu verlassen, damit verteidigt, dass er ganz offensichtlich Cersei töten will, aber dem ist jetzt scheinbar nicht so), Zufälle hier, Zufälle da, die Liste könnte ewig weiter gehen.
                                          Aber manche dieser Kritikpunkte stören mich bei weitem nicht so sehr wie andere, weshalb ich letzten Endes froh war, diese Folge gesehen zu haben. Selbst wenn ich wie gesagt genau weiß, dass es viel gibt, worüber man sich aufregen kann.

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                                          • Chloe.Price 06.05.2019, 15:56 Geändert 06.05.2019, 16:02

                                            Hier sind meine Pros und Kontras von GAME OF THRONES Staffel 8 Episode 4:
                                            SPOILERWARNUNG!!!

                                            Pros:

                                            - Die eingesäten Zweifel von Daenerys: Wurde in den vorigen Episoden gut angeteast, dass es Uneinigkeiten und Konflikte geben würde, was die Thronfolge angeht, werden ihre Sorgen in einer wortlosen Szene gut visualisiert. Sie ist allein in einem Raum voller Nordmänner, die alle Jon in den Himmel loben. Während die Jubelrufe in ihrem Kopf hallen, wird ihr bewusst, wie ihr hoher Rang als Drachenkönigin langsam an Bedeutung verliert, wie sie in der Schlacht den Großteil ihrer Armee verloren hat und sie vielleicht radikale Maßnahmen ergreifen muss, um das zu kriegen, wofür sie jahrelang gekämpft hat.
                                            - Die Interaktionen der Charaktere: Auch wenn ich es immer noch für problematisch empfinde, dass viele Dialoge in einer Nostalgieblase gefangen sind ("kleiner Vogel"), ist es trotz allem immer noch ein Genuss, diese Charaktere miteinander reden zu sehen. Selbst Tormund erhält nach langer Zeit wieder einen ehrenhaften Moment, seine Pausenclown-Nummer wurde mit der Zeit wirklich alt.
                                            - Missandeis Todesszene: Zwar war für mich der Aufbau zu diesem Augenblick ein Dorn im Auge (aber dazu komme ich erst später), aber die Exekution war ziemlich effektiv. Wir sind es gewohnt, dass Game of Thrones sich nicht scheut, seine Charaktere auf die grausamste Art und Weise sterben lassen, ganz egal ob Mann oder Frau. Doch statt dass wir im Detail sehen, wie Missandei enthauptet wird, sehen wir von Weitem und auf Augenhöhe der Protagonisten, wie sie in ihr Verderben stürzt. Wir können nichts tun. Wir stehen einfach nur hilflos da und können nichts anderes machen als zu schauen. Auch wenn der Tod keineswegs unerwartet war, so war er gut inszeniert.

                                            Kontras:

                                            Ich will kurz noch klar stellen, dass ich ein eingefleischter Game of Thrones Fan bin. Aber nur weil ich die ersten Staffeln für großartig empfinde, heißt es noch lange nicht, dass ich dazu verpflichtet bin, alles in den Himmel zu loben.

                                            - Das viel zu schnelle Erzähltempo: Mir ist bewusst, dass dieser Kritikpunkt schon tausende Male aufgebracht wurde, aber es tut mir leid, er ist einfach berechtigt. Während der Anfang der Episode uns endlich mal wieder etwas Luft zum Atmen gegeben hat, ist der Mittelteil ein einziger Mischmasch an Plotpoints, die zusammengequetscht wurden. Nicht falsch verstehen, jeder dieser Plotpoints hätte mit genügend Zeit und dem richtigen Umgang gut funktionieren können, aber bei dieser Geschwindigkeit war es mir einfach nicht möglich.
                                            Lasst mich mal zusammenfassen: Daenerys Flotte fährt nach Drachenstein, BUMM, ein Drache wird getötet, Zerstörung hier, Zerstörung da, und bevor wir irgendwas verarbeitet haben, SCHWARZBILD, alle werden an den Strand gespült, aber wo ist Missandei? CUT. Euron ist zurück in Königsmund und ach du liebe Güte, Missandei ist auch schon dort und sie ist seine Gefangene! Und das alles passiert innerhalb von fünf Minuten! Glaubt mir, ich würde gerne etwas dabei fühlen, das will ich wirklich, aber eine Aneinanderreihung großer Augenblicke allein reicht nicht aus, um mein Herz zum Rasen zu bringen. Diese großen Momente brauchen Fleisch auf den Knochen, um einen bleibenden, emotionalen Impact zu haben, sonst sind sie einfach nur Momente.
                                            - Jaime und Brienne: Entschuldigung, aber bin ich versehentlich über eine Game of Thrones Fanfiction gestolpert? Auch wenn mir in den letzten Staffeln durchaus aufgefallen ist, dass es etwas Unausgesprochenes zwischen den beiden gibt, fühlt sich dieser Moment angetackert und forciert an. Mit etwas mehr Zeit und Bedacht hätte das vielleicht funktionieren können, aber im Kontext der Geschichte kommt das komplett aus dem Nirgendwo. Es fühlt sich wie Fanservice vor dem großen Finale an.
                                            - Die "Bewahrung" des Geheimnisses: Dass sich die Wahrheit über Jons Recht auf den Thron verbreiten würde, war zu erwarten, aber nicht so schnell. Am Anfang der Folge wird noch etabliert, dass Jon und Daenerys die einzigen (neben Bran und Sam) sind, die davon wissen und sie versprechen sich gegenseitig, es niemandem zu erzählen. Eine halbe Stunde später ... sagt Tyrion, dass sich das Wort schnell verbreitet hat und es jetzt hunderte wissen. Ja, es wurde darauf hingebaut, aber wie immer ging das viel zu schnell. Kaum verspricht Jon Daenerys, dass er nichts sagen wird, erzählt er es gleich darauf schon seinen Geschwistern, was dann dazu führt, dass Sansa es Tyrion erzählt und das war es dann mit diesem Konflikt.
                                            - Bronn: Kam es nur mir so vor, dass die Szene spontan ins Geschehen geworfen wurde? Aus dem Nichts und ohne Buildup taucht Bronn in Winterfell auf, es wurde nicht einmal gezeigt, wie er von Königsmund hierher gekommen ist. Das hastige Tempo dieser Szene verhindert außerdem jedwede Spannung, die man hätte verspüren können und endet genau so plötzlich wie sie angefangen hat.

                                            Zusammenfassung: Wenn ihr Gefallen an diesen Folgen findet und euch diese Kritikpunkte nicht stören, schön für euch. So oder so hat Game of Thrones immer noch Schauwerte. Aber das Writing und das schnelle Erzähltempo schaden der Serie enorm. Sind die Episoden für sich allein gesehen schlecht? Nein, nicht unbedingt, es sind hier und da immer noch ein paar Hoffnungsschimmer zu finden und unterhaltsam sind die Episoden sowieso. Ich hoffe nur, dass ich mit dem Finale halbwegs zufrieden sein werde, auch wenn mir langsam bewusst wird, dass sie sehr wahrscheinlich nicht mehr die Größe der alten Staffeln erreichen wird.

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                                            • 9 .5

                                              In letzter Zeit wurde unter GAME OF THRONES-Fans immer mehr über die neueste Folge "The Long Night" (Staffel 8 Episode 3) debattiert und ob die Auflösung nun zufriedenstellend sei oder nicht. Keine Sorge, ich will nicht mehr Benzin ins Feuer gießen. Wenn ihr zufrieden mit der Auflösung des Konflikts seid oder es als billigen, unterwältigenden Kartentrick seht, liegt das ganz bei euch. Aber wenn ich mir manche Argumente anhöre, sind sie ein ziemlicher Witz.
                                              "Es heißt Game of Thrones, also gibt es keinen Grund, sich darüber aufzuregen!"

                                              Zwei Dinge:
                                              1. So heißt nur der erste Roman von George R.R. Martin, die ganze Geschichte heißt "A Song of Ice & Fire".
                                              2. Und selbst wenn es so wäre, wen kümmert's? Das ist wie wenn man den Joker auf eine Weise töten würde, die Kontroversen weckt und die Rechtfertigung dafür ist, dass der Film BATMAN heißt. Da könnte man auch gleich argumentieren, dass STAR WARS: EINE NEUE HOFFNUNG schlecht wäre, weil Obi-Wan Darsteller Alec Guinness gesagt hat, dass er die Geschichte furchtbar fand. Oder ARIELLE - DIE MEERJUNGFRAU schlecht wäre, weil sie im Buch in Wirklichkeit stirbt. Ein Kunstwerk sollte man als das betrachten, was es ist. Deswegen können mir Aussagen wie "Es war den Comics/Büchern (nicht) treu." oder "Der Titel sagt das aus!" als Rechtfertigung gestohlen bleiben. Verteidigt die Folge wie ihr wollt oder zerreißt sie in Stücke, aber findet handfeste Argumente dafür. So können wir spannende Wege finden, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen.
                                              Danke :)

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                                              • Chloe.Price 01.05.2019, 12:53 Geändert 01.05.2019, 12:59

                                                Ok, Leute, seien wir mal ehrlich.

                                                ACHTUNG SPOILER FÜR STAFFELN 1-8!!!

                                                Lasst uns die Fanbrillen für einen kurzen Moment ablegen und darüber nachdenken, was in den letzten Jahren aus Game of Thrones geworden ist. Was war der Grund, warum wir einst so gefesselt von dieser Geschichte von Eis und Feuer waren? Ich sehe jetzt schon mit was für Antworten ich bombardiert werde: “So viele Tode” und “Unvorhersehbarkeit”. Und ja, diese Punkte fügen sich natürlich dem Ganzen bei, sind aber nicht die einzigen Zutaten, die dem allem einen so herrlich einzigartigen Geschmack verpasst haben. Wenn ich an Game of Thrones zurückdenke, erinnere ich mich an die abwechslungsreichen, klug geschriebenen Wortgefechte, ganz egal ob zwischen Freund oder Feind. Ein einfacher Dialog zwischen zwei verhassten Geschwistern war beinahe so spannend mit anzusehen wie ein Schwertkampf zwischen zwei Todfeinde. Mit viel Zeit und Bedacht wurden wir in diese Welt eingeführt, einer Welt, der sich nahezu jeder möglichen narrativen Konvention entzieht und uns immer raten ließ, was als nächstes passieren würde.

                                                Erinnert ihr euch noch, dass es fast zehn Folgen gedauert hat, bis wir einen ersten Blick auf die ersten fantastischen Kreaturen der Serien erhaschen konnten? Erinnert ihr euch noch an Khaleesis lange Reise, wie sie von einer schüchternen, unerfahrenen Braut zu einer mächtigen Anführerin aufgestiegen ist? Hat es keine Ewigkeit gedauert, bis Jon wieder zur Nachtwache zurückgekehrt ist oder Bran den dreiäugigen Raben gefunden hat? War es nicht faszinierend mit anzusehen, wie viele Male Theon aufgestiegen und gefallen ist, um zu dem Menschen zu werden, wie wir ihn jetzt kennen?
                                                Game of Thrones nahm sich Zeit und baute geduldig auf die großen Ereignisse auf, die kommen werden. Also wie kommt es, dass die Serie neuerdings nicht mehr so spannend ist, obwohl sie viel schneller erzählt wird und mehr Spektakel zu bieten hat? Weil es genau das geworden ist: Spektakel. Eyecandy für Fans, die das Prinzip von Game of Thrones nicht verstanden zu haben scheinen. Blutige Schlachten und ein bisschen Kawumm sind an sich ja schön und gut, denn inszenatorisch ist Game of Thrones (größtenteils) immer noch so eindrucksvoll wie früher, vielleicht sogar besser. Aber hat nicht die lange Warterei sowie die zahlreichen Vorbereitungen der Schlacht auf dem Schwarzwasser die Spannung sowie eure Erwartungen deutlich mehr ansteigen lassen als ein schneller Trip hinter der Mauer, der in nur einer Folge abgeschlossen wurde und hauptsächlich daraus bestand, hunderte Untote abzumetzeln?

                                                Den Handlungssträngen wird keine Luft zum Atmen gelassen und Charaktere springen von Ort zu Ort innerhalb weniger Sekunden. Hat noch Stannis fast eine ganze Staffel gebraucht, um Königsmund zu erreichen, sind große Strecken jetzt nur noch ein Fingerschnipp entfernt. Das wäre noch halbwegs zu verkraften, wenn die Charaktere genauso interessant wären wie früher und so sehr es auch schmerzen mag, ist das nicht der Fall. Auch wenn das nicht unbedingt auf jeden zutreffen mag, sind viele nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Viele verwandeln sich in eine simplifizierte Version ihres ehemaligen Ichs, während andere zu Witzfiguren verkommen (Tormund) oder komplett nutzlos sind (Varys). Und anstatt interessante Konversationen miteinander zu führen, könnte man glauben, dass sie alle auf einem Nostalgie-Trip sind, was mehr Platz für Fanservice übrig lässt. Auch wenn mal hier und da ein gutes Gespräch zu vernehmen ist, lassen sich die meisten Unterhaltungen mit Sätzen wie “Erinnerst du dich noch, als das passiert ist oder wir das gemacht haben?” “Oh, das war der Ort, wo dieses besondere Ereignis stattgefunden hat.” zusammenfassen. Es scheint fast so, als würde die Serie selbst den guten alten Zeiten hinterherseufzen. Während ich mich früher noch daran gewöhnen musste, dass die Serie genau das macht, was sie will, anstatt den Zuschauern ein zufriedenstellendes Ende zu geben, wird immer häufiger in die Kamera geblinzelt, wodurch der Serie das Schlimmste passiert ist, was einer Serie passieren könnte: sie hat ihre Identität verloren.
                                                Glaubt ihr George R.R. Martin wollte das spannende, unparteiische Spiel der Könige in ein klares Gut-Böse-Szenario verwandeln?
                                                Glaubt ihr, er hätte sich auf Deus Ex Machinas verlassen?
                                                Oder dass Jon und Daenerys ein Pärchen werden?

                                                Wehrte sich Game of Thrones einst gegen handlungstechnische Konventionen, umklammert er sie jetzt förmlich und kostet jeden Tropfen davon aus. Es ist nicht so, dass die Seherfahrung untragbar geworden ist, ganz im Gegenteil, es ist einfach nur bedauerlich mit anzusehen, wie diese Serie von seinem hohen Ross gefallen ist. Die letzte Folge “The Long Night” (S8 E3) bestätigte übrigens meine Sorgen, was die 6 Episoden-Idee angeht. Der wahrscheinlich bedeutendste Konflikt der Geschichte wird auf die banalste Weise aufgelöst und die Zahl der Opfer bleibt fast schon beleidigend gering. Dadurch sind selbst die oberflächlichsten Game of Thrones Pros nicht enthalten (Tode & Unvorhersehbarkeit). Ob sie in den letzten drei Folgen das Ruder wieder herumreißen können? Vielleicht, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Nichtsdestotrotz haben wir immer noch vier grandiose Staffeln und selbst wenn sie nicht auf demselben Niveau waren, hatten Staffel 5 und 6 ihre Momente. Wäre Game of Thrones eine x-beliebige Serie wären wir Staffel 7 und 8 sehr wahrscheinlich weniger abgeneigt gewesen, aber wenn wir uns erinnern, wie mutig, unvorhersehbar und frisch sie einst war, hinterlässt das einen sehr bitteren Geschmack im Mund.

                                                P.S. Und wie hässlich war bitte die Schlacht gegen Die Weißen Wanderer? Inszenatorisch war sie zugegeben nicht von schlechten Eltern. Es wäre nur schön gewesen, irgendwas zu erkennen. Die Szenen waren viel zu dunkel, zu schnell geschnitten und es passierte oft, dass ich fast den Überblick verloren habe. Und ich habe die Folge im Kino (!!!) gesehen. Diese kann man nicht mal ansatzweise mit den anderen fantastischen Schlachten gleichstellen, die wir früher zu sehen bekamen. Ebenso lässt sich eigentlich das neue Game of Thrones zusammenfassen: keine Katastrophe, aber nicht das, was es einst war.
                                                Das sind nicht die Worte eines Haters, sondern die eines langjährigen Fans. Wenn ihr Gefallen an den neuen Folgen findet, fein. Aber meiner Meinung nach ist dieser Funke, der Game of Thrones so besonders gemacht hat, erloschen.

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                                                • Normalerweise gebe ich selten meinen Senf zu Marvel-Artikeln ab, aber wenn es um Vol. 2 geht, kann ich nicht anders:
                                                  meiner Meinung nach ist er nicht nur einer der unterbewertetsten Filme dieses konstant expandierenden Filmuniversums, sondern auch einer der besten, vielleicht sogar DER Beste. Gut, er ist natürlich nicht perfekt. Das ist keiner von diesen Filmen. Es gibt nur wenige, die die 6 Punkte-Barriere überwinden. Und Vol. 2 hat auch seine Macken: nicht jeder Witz landet und der erste Akt ist noch etwas holprig. Aber es kommt heutzutage selten vor, dass ein Superheldenfilm so charakterfokussiert ist.
                                                  Trotz all der Albernheiten gelingt es dem Film seine Charaktere zu vertiefen anstatt sie zu Marionetten für CGI-Spektakel zu reduzieren.
                                                  Sie sind alle ein Puzzleteil, die sich miteinander zusammenfügen, um das wahre Motiv der Geschichte bildlich zu zeigen: Familie.
                                                  Gut, die "Familie über alles" Moral wurde uns schon von allen Seiten eingehämmert, insbesondere in Filmen, aber wie James Gunn das macht, sieht man immer seltener im Blockbuster-Kino.

                                                  Peter Quills/Star-Lords Infantilität, die im Vorgänger noch glorifiziert und gefeiert wurde, wird hinterfragt. Er muss lernen, Verantwortung zu tragen und ein reifer Mann zu werden. Aufgrund seines Egos hätte er beinahe viele seiner Freunde auf dem Gewissen gehabt, als er sich mit Rocket gestritten hat, wer der bessere Pilot ist. Anstatt dass er unverzüglich das Herz der Liebe seines Lebens gewinnt, muss er sich erst ändern, um es zu verdienen. Das ist der Grund, warum sie in den ersten beiden Filmen noch nicht küssen. Da er ohne eine richtige Vaterfigur aufgewachsen ist, hat er Schwierigkeiten damit, sein eigenes Ego zu zügeln und muss es wortwörtlich im Film konfrontieren (in Form von Kurt Russels Charakter).

                                                  Yondu und Rocket haben eine ähnliche Arc. Beide verstecken ihre Gefühle hinter ihrer möchtegern-harten Fassade und müssen lernen, diese fallen zu lassen, um ihr wahres Ich zu offenbaren. Das zeugt von toxischer Maskulinität, wenn man sich für zu männlich hält, um seine Gefühle zu zeigen. Es ist daher kein Zufall, dass sie dann von einem Kerl gefangen genommen werden, der genau diesem pseudo-toughen Stereotyp entspricht (Taserface). Als Yondu dann am Anfang alles verliert wie seine Vaterfigur Stakar gespielt von Stallone, reflektiert er seine Vergangenheit und sieht seine Fehler ein. Diesen Gedanken pflanzt er in Rocket ein, der jeden von sich wegstößt, um keine Gefühle für andere zu entwickeln. "You think you're the toughest there is, but in reality you're the weakest, because just a little bit of love reminds you how empty that hole inside of you really is. I know who you are, because you're me!". Durch Yondu lernt Rocket sich zu bessern. Als er dann stirbt, ist es kein Zufall, dass der Waschbär Reue für sein Verhalten zeigt und er im allerletzten Shot des Films eine Träne vergießt.

                                                  Die Geschwister Gamorra und Nebula sind beide Opfer einer schweren Kindheit. Ihr misshandelnder Vater hat sie zu Kampfmaschinen trainiert und sie gegeneinander aufgehetzt. Die körperlichen und seelischen Narben sind wortwörtlich bei Nebula erkennbar. Als die beiden wieder aufeinander treffen, ist es wie ein Kampf unter Geschwister, nur etwas überzogener. Sie kämpfen gegeneinander, lassen ihre Gefühle an den anderen raus, bis ihnen die Luft ausgeht und sie sich von der Seele sprechen.

                                                  Auch Drax, der nach und nach zur Witzfigur verkommen ist, trägt etwas zum wiederkehrenden Motiv bei und das auf überraschend subtile Weise. Als er über seine verstorbene Familie spricht, fasst Mantis ihn an, um zu wissen, was er im Moment fühlt und wird dann so sehr von den Gefühlen überwältigt, die er hinter seiner harten Fassade versteckt, dass sie in Tränen ausbricht. Und was macht Drax? Blickt ruhig und gedankenversunken in die Ferne.

                                                  So sehr alle Familien zelebrieren, es ist nicht alles immer nur Blumen und Ponyhof. Es wird immer Konflikte geben, besonders bei Familien mit komplexen, problembehafteten Beziehungen. Als Drax am Ende sagt, dass sie trotz all ihrer Streitereien keine Freunde, sondern eine Familie sind, sagt das viel mehr aus, als es den Anschein hat. Das und so viel mehr macht den Film so besonders für mich, sei es der erfrischend individuelle Stil von Gunn, der besonders in Vol. 2 spürbar ist. So gut sahen Marvel-Filme selten aus, die Farben poppen richtig! Während ich eine eigene Handschrift schmerzlich bei allen anderen MCU-Filmen vermisse, ist dieser mit Sicherheit eine Ausnahme.
                                                  Zwar kommt er nicht an die Größe der Spider-Man Trilogie, des X-Men-Franchise oder der Dark Knight-Filme ran, aber ist ein ziemlich guter und erfrischend neuer Eintrag im Genre.

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                                                    Es wäre viel zu simpel und zu banal, Jordan Peeles neuestes Werk als eine Parabel für die altbekannte Leier “Du bist dein eigener Feind” zu verstehen. Genau genommen haben wir es mit einem der besten sozial-, system- und gesellschaftskritischsten Filme unserer Zeit zu tun. Wie auch in GET OUT dient der Horroraspekt der Geschichte als Fundament für die politischen Botschaften, die Peele seinem Publikum vermitteln möchte. Es ist bemerkenswert, wie er die Probleme unserer Gesellschaft reflektiert, ohne dass sie zu offensichtlich oder noch schlimmer plakativ wirken. In der Post-Trump-Elektionsära, in der wir leben, waren die meisten Seitenhiebe gegen das politische System Amerikas, vor allem in Filmen, größtenteils zum Fremdschämen. Doch wie Peele das bewerkstelligt, ist so subtil und unaufdringlich, dass manch einer übersehen könnte, dass schon allein der (englische) Titel offenbart, worum es wirklich in diesem Film geht (wofür könnte wohl US stehen?).
                                                    Doch die politischen Hintergründe mindern keinesfalls die Erfahrung, da wir es hier immer noch mit einem Horrorfilm zu tun haben. Und hier glänzt ein weiteres Mal die inszenatorische Größe Peeles. Schon allein das Opening könnte in die Geschichte eingehen als einer der effektivsten Einsteiger im Horrorgenre. Jedes Bild ist ein tiefes Becken an Interpretationsgehalt und trägt sein Anteil bei um für eine dichte Atmosphäre zu sorgen, seien es die übergroßen Schatten der Familie am Strand oder die ominösen Kaninchen, die immer wieder im Film auftauchen. Selbst wenn jemand die wahren Absichten des Filmemachers nicht durchschaut, kann er den Film immer noch als einen Horrorfilm betrachten, der sein eigenes Genre dekonstruiert. Fängt der Film noch als Home-Invasion-Thriller an, nimmt das Problem unerwartet globale Ausmaße an. Gegen Ende werden sicher viele Fragezeichen über die Köpfe der Zuschauer schweben, was ein Rewatch unumgänglich macht. Unter anderem gelingt es Peele, einige gut eingesetzte Pointen in die Geschichte einzubauen, die sich natürlich einflechten ohne dass es dem Film seiner seriösen Seite beraubt. Wer sagt denn, dass die besten Horrorfilme bierernst sein müssen? Deswegen ist Jordan Peele meiner Meinung nach einer der wichtigsten Regisseure unserer Zeit, da er das Horrorgenre redefiniert und an die Jetztzeit anpasst statt sich auf Nostalgie und alte Tricks zu verlassen. Während heutzutage so viele Filme sich verzweifelt nach Sinnsuche sehnen, ist US eine Geschichte, die es verdient, sein Publikum zum Nachdenken zu bringen, da er im Hier und Jetzt lebt.
                                                    Wir müssen uns nämlich gemeinsam unseren größten Urängsten konfrontieren: der harten Realität, die sich im wörtlichen und übertragenen Sinne unter unseren Füßen befindet, wir aber zu scheu sind, wirklich hinzuschauen.

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