der cineast - Kommentare

Alle Kommentare von der cineast

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    SAW - das Original.

    • Abgebrochen nach: 40 Minuten.

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        Neben Auschwitz haben damals alle gewohnt. Nicht nur die nationalsozialistische Exekutive. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, dass für Familie Höß ein in das Holz schnäbelnder Specht gleichbedeutend ist mit den Geräuschen von Gewehrsalven der Erschießungskommandos im Konzentrationslager: es ist Natur. Der Banalität des Bösen schaut man hier eigentlich nicht zu, eher einer bestialischen Komödie. Menschen, die erotisiert am Tode naschen. Sich an der Kontrolle über das Leben laben. Aber alles in eine Normalität kleiden. Und sich pausenlos entstellen. Aber auch das gehört zum Spiel. Auch das bereitet Lust. Von Glazer eingefangen aus einer klugen und unerhörten Distanz. Nur selten erlaubt sich der Film einen filmischen Bruch; in einem gespenstischen, wenngleich auch meisterhaften Schlussakt vollzieht der Film eine Zeitreise zur Gedenkstätte von Auschwitz, die fast so akribisch gereinigt wird wie die Vernichtung jüdischer Menschen ausgeführt wurde. Wieder ist alles mechanische Ordnung. Diese bittere Beobachtung wäre normalerweise das Ende eines jeden Films mit einer solchen Thematik gewesen, aber Glazer schneidet abrupt zurück. Zurück zu einem im Halbdunkel verlorenen und orientierungslos in Richtung Kamera blickenden Rudolf Höß, ganz so, als hätte er einen Moment in den Zuschauerraum des Kinos blicken können. Als hätte er die Menschen sehen können, die wieder nur beobachten. Geschützt von der Dunkelheit. Ein kollektiver Schauer durchzieht das Kino. Begleitet von den Schreien und Wehklagen der Ermordeten, die jede Bewegung des Aufstehens unmöglich machen, aber das Aufstehen einfordern. Keine Erlösung. Aber fantastisches Kino.

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          Wenn der Film sich nur auf seine eigentümlichen Vibrationen und schnarrenden und surrenden Geräusche verlässt, dann hat er etwas von einem schummrigen und sandgetränkten Wüstentraum aus alter Zeit; Hans Zimmer darf hier öfter auch Mal schweigen und wenn er musiziert, dann orientiert er sein hämmerndes Stampforchester eher an Vangelis und nicht an Gottes Donner, manchmal so unerwartet betörend, als würde die Wüste verdursten und dabei aus tiefstem Herzen bluten. Die Kämpfe hingegen sind wieder einmal das blanke Standgas; jeder noch so blutleere Gurkeneintopf von Steven Seagal versprüht mehr Bewegungsfreude und die vollkommen farblose, aufgesetzte und absurd schlecht gespielte Liebesgeschichte von Zendaya und Chalamet verhält sich so wie Wasser zu Erde; alles vertrocknet, bevor es zu glühen beginnen darf. Der heilige Ernst, dieses in den 80er Jahren bestenfalls zum halbgaren Fantasyschmu taugenden und heute aus unerklärlichen Gründen zum Qualitätsblockbuster erkorenen Machwerks, entfaltet aber einen derart bedepperten Sog, dass einen irgendwann ein fernes Fieber packt und in den Wüstennebel treibt: Ja, es hat mir gefallen.

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            der cineast 19.01.2024, 00:37 Geändert 19.01.2024, 01:16

            Als hätte Wes Anderson versucht die fabelhafte Welt der Amélie zu bumsen und wäre doch nicht zum Schuss gekommen: Die Musik zupft und zirpt auf eine wunderliche Weise, in einem traumähnlichen Schwarzweiß wandeln groteske Tierchen und absonderliche Gestaltchen umher und Emma Stone wird pausenlos das Möschen gepudert oder sie zwirbelt an eben jenem herum. Und weil das noch nicht äußerlich genug ist, gibt es noch die vom Regisseur patentierte Glubschoptik in penetranter Weitwinkelmanie zu bestaunen. Ein gänzlich unerotischer und ungefickter Cine-Softporno als frühpubertäres und kunstgewerbliches Kicherkino: Der größte Lacher im Saal war ein Furz von Mark Ruffalo. Seine bisher unbestritten größte schauspielerische Darbietung. Ein erbarmungswürdig schlechter Film ohne Geheimnis und Verruchtheit, ohne Zauber und Geist und schon jetzt ein würdiger Anwärter auf den Flop des Jahres.

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              Beyoncé ist kalt wie eine Winternacht. Ihre Stimme ist hart und schneidend. Ohne Herzlichkeit. Leicht kaputt. Eine hochkontrollierte Frostgöttin. Jede Bewegung wirkt hart erarbeitet, umkämpft, militärisch-streng komponiert, nichts an ihr lässt los und darf sich fallen lassen. Sie wirkt abwesend auf der Bühne. Wie hinter einer hauchdünnen Schicht Perfektion versteckt. Eine mähnige und stampfende Klobigkeit von Frau. Wenn Megan Thee Stallion für einen kurzen Part in den drei Stunden des Films vorbeischaut, dann hat das jene fotzfreche Energie, die zuvor nur behauptet wurde. Die präsentierte Persönlichkeit von Beyoncé Giselle Knowles ist absolut nichtssagend, nahezu sterbenslangweilig; keine Widersprüche, keine Verruchtheit, kein Todestrieb. Wir erfahren, dass sie vor jedem Auftritt ein Sandwich isst und Ingwertee trinkt. Hauptsache kein Kontrollverlust. Ihre Renaissance-Tour ist eine gewaltige Empowerment-Messe, serviert als pompöse state-of-the-art Spektakelshow, die Beyoncé als begnadete Designerin ausweist; in den elektrisierendsten Passagen des Konzerts verschmilzt sie vollends mit dem Bühnenbild, wird eins mit wirbelndem Glitter, schnaubendem Bühnennebel und tanzenden Lichtkegeln. Aber was fehlt ist Witz, Sex, Charme und Wärme. Auf der Bühne ist alles aus Silber. Nichts ist Gold.

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                der cineast 09.12.2023, 00:44 Geändert 11.12.2023, 09:16

                Die Szenen mit den Töchtern sind irre; diese Anfangssequenz mit dem nicht funktionierenden Blinker ist hardcore. Wer dachte Wolfgang Spier koste eine Pointe lange aus, der wird hier eines Besseren belehrt. Aber wie seine Tochter das auch acted; es findet schon in einer völlig eigenen Welt des Spielens statt; dieses authentische und laienhafte Sprechen in durchweg irrealen (Ikea-)Welten, komplett ohne Rücksicht auf Verluste. Super frech und mega selbstbewusst. Man kann sich daran kaum sattsehen. Schweiger inszeniert hier tatsächlich einen unprätentiösen Kitsch den Hollywood sich gar nicht mehr trauen würde und dazu noch das ehrliche Geständnis von Til Alkoholiker zu sein und dann kommt ein Jumpscare und Schweiger ist tot. Die Lebensweisheiten lauten hier: vögeln, saufen und einfach machen, worauf man Bock hat. Keine Läuterungen. Und was sind das bitte für endgeile Locations in Österreich? Beim Finale am verschneiten Friedhof an einem Berghang denkt man ja kurz man wäre in einem entrückten Italowestern.

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                  der cineast 04.12.2023, 21:13 Geändert 04.12.2023, 21:20

                  Ein Lehrstück sensationellen Fernsehens, das in seiner formalästhetischen Sorgfalt das "Dschungelcamp" als soziologisch und psychologisch mustergültig ausgefeiltes TV-Experiment längst abgelöst hat und wahrlich reichhaltige Epen von menschlicher Tragik entfaltet und in eine schroffe Sinnlichkeit überführt und im besten Fall sogar auflöst. Berechnende Arglist, manipulative Machtspiele und menschenunwürdige Dynamiken werden von RTL nicht nur erwartungsgemäß klug kommentiert, sondern durch eine - für die Teilnehmer - undurchschaubare Dramaturgie des Senders schlichtweg unterwandert, sodass jede Orientierungsgrundlage durch eine vermeintliche Willkür des Spiels unterlaufen wird und den Weg freimacht für die Poesie der Solidarität im Antlitz der Niedertracht: In großen Augenblicken der noch größeren Show ist es also möglich zutiefst menschenfreundlichen und rührenden Situationen beizuwohnen, die sich aus der narzisstischen und demnach menschlich üblen Fäulnis geradezu herzerweichend herausdestillieren konnten. Denn meisterhaftes Fernsehen orientiert sich auch stets am Mitgefühl entlang.

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                    Das Tolle: einfach nur Mechanik, kein Meta-Geschwurbel, eine einfache Auflösung, Affekte.

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                      Nach vier geschlagenen Stunden, dynamisch einzuordnen zwischen dokumentarischem ARD-Reenactment und feuchtfröhlicher Uni-Vorlesung, kommt als Kirsche auf der Torte auch noch der rüstige Altmeister Marvel Scorsese höchstselbst mit einem gepfefferten Statement auf die Bühne, für alle, die es bis dahin noch nicht begriffen haben; das, was mit den Osage passiert ist, war einfach nicht richtig! Ich war wirklich froh darüber, dass ich mehrmals aufs Klo musste, so interessant war der Film, als ich wieder zurück im Saal war, habe ich mich dann gefragt, warum der Film nicht einfach auch sechs oder acht Stunden hätte gehen können?! Ein Apple Original. Möge das Kino untergehen.

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                        der cineast 10.09.2023, 01:13 Geändert 15.09.2023, 23:43

                        Mondo Brutale in Bella Italia. Antoine Motherfuqua bringt dem Kino die Härte des italienischen Genrefilms vergangener Tage zurück. Aber zuvor lässt er Denzel Washington zu der Musik von Sacha Distel in einem tiefschwarzen Gewand wie einen von Gott verlassenen Engel durch die elfenbeinweißen Gässchen eines Fischerdorfs flanieren. Das ist in der ersten Hälfte ein Unterstatement-Stylefest sondergleichen; ruhig, stilsicher, eine beobachtender und sich selbst erschließender Film; also eigentlich kein Film unserer Zeit. Und wenn Washington dann nur mit seinem stoischen Blick den Mafiosi das Fürchten lehrt, dann bebt der Kinosaal, noch bevor er sie danach wie Zigaretten ausdrückt. Eine redundante zweite Hälfte trifft dann leider noch auf ein lasches Finale, was zwar dem introspektiven Charakter des Films treu bleibt, aber dafür sorgt, dass dieser eigentlich formschöne Film viele seiner Qualitäten aufgibt; Washington jedoch bleibt einer der letzten Gralshüter des Kinos.

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                          Das Material trägt sich größtenteils selbst; das launische Treiben des weißblondierten und sturen Riesen, jenem aufgedunsenen und rundbackigen Gaukler aus Ostfriesland, der sich als H.P. Baxxter zum König (des Raves) erklärt, braucht kaum einen raffinierten filmischen Zugang. Sein musikalischer Dadaismus ist völlig ernst gemeint und seine ungebremste Spielwut auf Festivals scheint nur eine Ausrede für das alkoholische Gelage der Aftershowparty danach zu sein; wenn seine Band ihm nicht folgt und gehorcht, dann wird sie auch mal mit Schweigen bestraft und in einen anderen Backstageraum verfrachtet. Und dann gibt es kurz das ganz wahre und pure Leben zu sehen; nämlich, wenn Baxxter alleine vor einer bulligen Wodkapulle steht, den Verschluss nicht aufbekommt, mürrisch die Eiswürfel in sein Glas klackert und seine Assistentin - mit Redbulldose auf halber Höhe im Anschlag - darauf wartet, seine Mische mit Energydrink komplettieren zu dürfen, dann hat der Film sein flüchtiges Momentum. Die Band tritt auf. Die Zuschauer haben Gesichter voll Wonne, sie stehen ganz unironisch vor der Bühne und feiern und tanzen, ja, strahlen förmlich. Bei Baxxter selbst aber, da glühen nur die unberührten und gänzlich von Puder bedeckten Wangen. God save the rave.

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                            der cineast 19.08.2023, 02:43 Geändert 19.08.2023, 03:49

                            Das ist der erste James-Bond-Film mit Roger Moore. Moore ist das erste Mal im Smoking, trinkt den ersten Wodka Martini. Er ist das erste Mal wirklich in der Rolle angekommen und sorgt sich zum ersten Mal um einen Menschen. Der Film hat die Superstunts, die brillanten Bauten, eine phänomenale Fotografie, eine vielschichtige Musik, facettenreiche Action, er ist ein wirklicher Agentenfilm, das erste ganz große Bondevent und der Titelsong darf das erste Mal wirklich sehnsüchtig sein und schmelzen; hier greift alles nach den Sternen und ist in der klassischen Formel nahezu perfekt aufeinander abgestimmt. Wie sehr habe ich diesen Film unterschätzt.

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                              der cineast 18.08.2023, 15:00 Geändert 18.08.2023, 16:04

                              Paul Newman ist ein Lebensverweigerer geworden. Starres Eis in seinen Augen. Eine blaue Lagune ohne Sommer. Ein lahmendes Bein als Ausdruck seines Herzens. Das Einzige, was sich noch an ihm bewegt, sind die zirkulierenden Eiswürfel in seinem Whiskeyglas. Nach einem furiosen Schlagabtausch zwischen Vater und Sohn, einer menschlichen Entrümpelung, einer erschütternden Bestandsaufnahme, zerspringt das Glas in seinen Augen. Dann läuft in seinen Tränen der den Schmerz verkorkende Alkohol an ihm hinab. Er wird niemals wieder einen Tropfen anrühren. Im Keller des schweren Patriarchen-Palastes wird es zwischen Vater und Sohn für einen Augenblick so etwas wie Nähe geben, zwischen angehäuften toten Schätzen und Einzelstücken, wird einmal kurz das volle Leben sein. Dann die letzte Einstellung: Ein durch die Luft sausendes Polster; für eine Sekunde ist die Welt so federleicht wie ein Kissen, gelegt in ein seidenzartes Bett.

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                                Was Guy Hamilton kann: Die Arbeit am Mythos, die Kreation von unvergesslichen Motiven; eine goldene Kugel, ein goldener Colt, ein Mann mit einer dritten Brustwarze, zwei Männer am Strand, die sich vor einem schwebenden Felsen duellieren, dem Tode geweiht, unberührte Natur. Hamilton arbeitet wieder mit Verdopplungen. Und mit Wiederholungen. Roger Moore trifft auf sein Spiegelbild, der Anfang eines tödlichen Pistolen-Duells bildet auch das Finale. Auf der anderen Seite: Die völlige Verweigerung des Regisseurs einen satten Agentenfilm mit Action zu inszenieren, wobei ein druckvoller Kampf in der Garderobe einer Tänzerin in der Hinsicht noch ein Highlight darstellt; der schlechteste Moore-Bond ist betreutes Reisen, ein eigentlich seichter Urlaubsfilm, der einen diesmal komplett eiskalten und enthemmten Moore auf einen wieder einmal somnambulen Christopher Lee loslässt, der mit der öligen und blutleeren Ausstrahlung eines Versicherungsvertreters nun der treffsichere Meisterschütze sein soll. Eine ganz und gar lächerliche Gefahr, die mit einer dünnen und im Finale nachgereichten Motivation ausgestattet noch mehr an Bedrohung verliert; das Duell der beiden Giganten ist dann biederes Fernsehen, obwohl das nicht ganz fair ist - jede Folge THE AVENGERS hätte sich für diesen einfallslosen Studio-Irrgarten geschämt. Ein trüber Film, der kein Gold zu heben weiß.

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                                  der cineast 17.08.2023, 11:57 Geändert 17.08.2023, 11:57

                                  Für die Ikonographie von Roger Moore bietet der Film so einiges; sein Fashiongame ist absolut on point, der Film ist sogar so selbstbewusst im Umgang mit ihm als neue Hauptfigur, dass er Moore in seiner ersten Szene sogar im Bademantel und an die Tür schlurfend präsentiert, der dann erstmal seinem Geheimdienstchef einen Kaffee aufbrüht. Der Film versprüht gerade im ersten Drittel eine nahezu unangreifbare Layback-Attitüde und lässt diese auf gespenstische Gestalten, entrückte Tötungsrituale und schiefen, angefunkten und alles durcheinanderbringen Blacksploitation treffen; so richtig bondig ist dieser zwar besondere, für schlanken und schnittigen Pulp aber manchmal zu träge und ausufernde Film aber selten, wenn Moore aber durch einen Schlammteich bestückt mit hungrigen Krokodilen tänzelt, ohne ins Wasser zu fallen, dann hat der Film Bond vollumfänglich verstanden; natürlich hat Moore keine Angst davor gefressen zu werden, er will lediglich verhindern, dass sein Anzug nass wird.

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                                    der cineast 16.08.2023, 01:45 Geändert 29.08.2023, 03:40

                                    Ein Mord im Louvre wie aus einem italienischen Giallo, vor den Augen der Mona Lisa, setzt den Startpunkt für eine wilde Jagd durch die Nacht, die einer großangelegten Plünderung durch das Kino gleichkommt; korrupte und asoziale Bullen, wie aus einem rotzigen und schroffen französischen Unterhaltungsfilm der 70er Jahre, sind hinter einem Geschichtsprofessor her, der Widerwillen zum Gralsjäger wird und dessen Geschichte dem Film das Flair eines Abenteuerfilms der 80er Jahre schenkt. Auf der anderen Seite beschwört die Präsenz von Tom Hanks als eben jener Professor und Held, durch sein seltenes und kostbares Understatement, auch ein von ihm mitgeprägtes modernes Hollywoodkino; er trägt einen Film, ohne, dass er darin vorzukommen scheint, aber auch keine Sekunde darin fehlen könnte. Paul Bettany spielt einen vom Wahnsinn geküssten Killermönch, der ihm auf den Fersen ist, der auch gut einer pulpigen Räuberpistole der 90er entkommen sein könnte und Hanks an die Seite gestellt ist Audrey Tautou, die das damals junge europäische Kino verkörpert und die mit Hanks als Beifahrer - in einem rückwärtsfahrenden Smart - wie in einem Jason-Bourne Film kurzzeitig durch die Straßen brettert. Eine Episode, die Hanks und Tautou mit Jürgen Prochnow erleben, weckt Erinnerungen an deutsche Schundkunst; seine schmierige Ganovenperformance könnte glatt aus einem Edgar-Wallace-Film stammen und als Bonbon tritt noch Ian McKellen dem Ensemble bei und der Film wird zu einem waschechten Agatha-Christie-Krimi der Zaubertricks und Finten, wenn nicht gerade die Rückblenden vage an den Grusel von Roman Polanski erinnern würden. Wenn dann am Ende, völlig außer Atem, alle Rätsel gelöst sind, dann trennen sich alle Figuren wieder, sind in alle Winde zerstreut. Und Hanks und Tautou haben im Rosengarten das erste Mal Zeit sich in die Augen zu schauen, denn die Nacht ist zum Tag geworden und es wird einem schlagartig bewusst, dass das große Geheimnis des Films nicht die Entschlüsselung des Da Vinci Codes war, sondern dass sich in diesem Augenblick ein Film zu erkennen gibt, dessen Genre wir hier einfach nicht vermutet hatten: THE DA VINCI CODE ist ein Film der Liebe; ein schüchterner und verstohlener Liebesfilm der kleinen Gesten und noch kleineren Berührungen.

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                                      der cineast 13.08.2023, 17:53 Geändert 13.08.2023, 17:53

                                      Ein vollständig witzloses, belangloses und verquatschtes Blödelszenen-Sammelsurium, das nicht mal den bescheidensten Ansprüchen an Unterhaltung gerecht wird.

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                                        Faszinierend, wie häufig Figuren sich hier selbst, aber auch gegenseitig vorstellen und wie viele Auf- und Abgänge sie haben; in seiner Struktur und dem Stellen von Figuren erinnert das stark an Freilufttheater, für das Bilder inszeniert werden, kein Wunder also, dass es so viele Winnetou-Stücke unter freiem Himmel in Deutschland gibt. Freddy Vohrer interessiert sich kaum für die Plüschhaftigkeit von Winnetou und lässt ihn oft am Bildrand verweilen, während Götz George eine frühe Schimanski-Performance gibt und sich den Raum durch Hechtsprünge und spitzbübische Akrobatik erschließt. Die eigentliche Hauptrolle hat ein - so schwierig er auch gewesen sein muss - sensationeller Stewart Granger, der jeden Karl-May-Standard auf links dreht und dem zum hundertsten Male durchexerzierten Plott eine ungemeine Frische und Lebendigkeit schenkt - jede Szene wird zum Happening; wahrscheinlich liegt es auch an seiner Anwesenheit, dass manchmal, ganz unvermittelt, amerikanische Panoramen auf die Zuschauer warten und das die Bilder am Ende sogar etwas von Sergio Leone haben, wenn die Kamera aufzieht, das Bild breit wird und sich ein Siedlertreck an einem großen Totenkreuz entlang wieder in Bewegung setzt: Ein Märchenreich wird erwachsen.

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                                            über Barbie

                                            Für einen Konzern wie Mattel ist alles Barbieworld. Es macht also keinen Unterschied, ob Margot Robbie ihr Puppenzuhause verlässt und in die weite Welt aufbricht, denn auch die Realität ist ein schrilldoofer, sexloser, keimfreier und produktiver Marketplace, der durch das artige Aufsagen von kapitalismuskritischen Bemerkungen der Figuren auch direkt seine eigene Immunisierung mitliefert. So dürfen Barbie und Ken dann als selbstironische Werbetafeln ohne Geschlechtsteile (als wäre das mal was anderes und nicht auch bei jedem Superhelden so) durch flache Welten stapfen und sich unentwegt angrinsen und manchmal auch compliance- und konzerntreu belehren: Irgendwann halten die Figuren dann wirklich minutenlang Feminismus-Referate von 1972 und der Film will graduelle Veränderungen im Look einer Barbiepuppe als eine feministische Revolution verkaufen. Popkultur am Ende. Ein Film aus Plastik. Großartig. Danke, Greta Gerwig.

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                                                  der cineast 12.07.2023, 01:09 Geändert 12.07.2023, 01:31

                                                  Tom Cruise ist sein eigener Endgegner. Eine lebendige Filmstar-KI. Nur die dicken Hamsterbacken zeugen noch von einem Menschen. Ein durchgängig digitalisiertes Gesicht lässt ihn wie einen unwirklichen Geist erscheinen. Die Stunts sind von ihm selbst gemacht, so das aggressive Marketing, aber müssen, warum auch immer, stets von CGI verschlimmbessert werden, was zu einem merkwürdigen Effekt führt; alles ist irgendwie echt, aber wirkt manchmal doppelt synthetisch. Die internationale Filmkritik stilisiert Cruise derzeit wieder zum letzten Heiland des Kinos und sein Franchise alleine soll den Ruf des zuletzt schlimm abschmierenden Blockbusters retten. Und dann kann man die erste halbe Stunde kaum glauben, was man da sieht; als hätte Netflix eine Mission-Impossible-Serie in Auftrag gegeben; ein beliebiger Fernsehlook, umständliche Einführungen, zähe Dialoge, die Seiten zum Rascheln bringen und Menschen, die zusammensitzen und sich erzählen, wer sie so sind und was sie so machen und dabei bitte nicht gestört werden wollen. Dann aber kommt die Titel-Sequenz, die einen aus dem Halbschlaf aufweckt und daran erinnert, dass das hier das Event des Sommers sein soll. Ach, ja. Und tatsächlich ist der Film, der wirklich gar nichts mit der ersten halben Stunde zu tun hat, auf einmal flink und spritzig unterwegs; er lässt eine gelbe Ente aus dem seligen Bondfilm FOR YOUR EYES ONLY zum Star einer kuriosen Autohatz in Rom werden, die den Charme einer alten Agentensause versprüht und den Film endlich mal auf Spur bringt. In Venedig treffen dann sogar die House-Beats einer Club-Gala auf lange Schatten werfende Spione, die sich durch gialloeske und traumähnliche Gassen kämpfen. Alles ist in Nebel getaucht. Und vom sich spiegelnden Mondschein der umliegenden Kanäle angehimmelt. Der Film sprüht Funken. Und erwacht im Antlitz des nächtlichen Kerzenlichts zum Leben. Ein langgezogenes, kaum Tempo machendes und unelegant gelöstes Zug-Finish, das die letzte Stunde des Films bildet, ist überraschend künstlich geraten und verrät das einmalige Versprechen auf echtes Stunt-Handwerk. Das, was hier als furios abgefeiert wird, war früher mal absoluter Unterhaltungskinostandard. Dabei hätte es doch nur der Film des Jahres werden sollen.

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                                                    Obwohl der vierte Teil des Franchises als eine Art Remake des ersten Films eine Verkleinerung des Figurenpersonals vorgenommen hat, ist er nicht minder lang, schwermütig und behäbig; nur die ersten 15 Minuten versuchen noch ein wenig den Modus der Bewegung von Gore Verbinski nachzustellen, der Rest tuckert bleischwer und quasselnd durch die sieben Weltmeere und obwohl der Film wieder Jack Sparrow ins Zentrum seines Geschehens rückt, wird die Suche nach der Quelle der Jugend zur motivationslosen Geduldsprobe, die in einem fernsehtauglichen und tristen Finale vollends seinen Charakter als überlebensgroßes Abenteuerkino verrät.

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