der cineast - Kommentare

Alle Kommentare von der cineast

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    der cineast 29.11.2022, 00:28 Geändert 29.11.2022, 00:36

    Es ist der Feierabend, den wir James Bond gewünscht haben: Daniel Craig auf einer sonnigen Insel, durch exquisite Sets aus Glas flanierend, in albernen Fits und ebensolchen locker-luftigen Hosen. Hier darf er sogar auf den Spuren von Peter Ustinov - in bester EVIL UNDER THE SUN-Manier - wandeln und ermitteln, denn GLASS ONION hält die Balance aus Witz und Geheimnis und ist all das, was der erste Teil noch so verspannt versucht hatte zu sein; nämlich bunter, mysteriöser, komischer und doppelbödig geschriebener Krimi-Kintopp. Ein Whodunnit, der in der Mitte dann sogar alle Lichter auszaubert, seine Mördersuche also auf eine sagenhaft prächtige Weise ästhetisiert und den Film nochmal auf Anfang setzt. Ein fröhlicher, tatsächlich immer spannender werdender, alkoholgetränkter und diesmal wahrlich an alte Grandezza erinnernder Silvesterfilm. Und der erste gute Film von Rian Johnson. Für die Jahresliste.

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      Ich dachte das wäre ein beinhartes Stück Terrorkino? Die erste halbe Stunde schürt in seinem Slow-Burn-Anliegen noch hehre Erwartungen, wenn es dann aber auf den ersten Schock zuläuft, merkt man leider direkt, dass der Film ziemlich frei von Talent für ein wirkungsvolles Horrorfundament inszeniert ist; die alberne Fischaugenoptik oder drollige Egoperspektive verkommen zu einem reinen Gimmick ohne Effekt und das fehlende Gespür für Nervenkitzel und Terror sorgen eher für humorige 90 Minuten, die in einem gar nicht so schlechten Drehbuch wohl auch stellenweise so angelegt sind; nur eben genuinen Horror, den gibt es leider so gar nicht zu sehen.

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        der cineast 26.11.2022, 00:26 Geändert 26.11.2022, 00:29

        Das Dekor, die dramaturgische Erzählweise, ja, sogar die fantastische Art des Schnitts, muss Ti West für sein Übermeisterwerk THE HOUSE OF THE DEVIL ganz genau studiert haben; wir schreiben das Jahr 1971 und eine Babysitterin muss in einem altehrwürdigen Landhaus einen Jungen hüten. Ein paar Jahre vor dem Slashermeilenstein HALLOWEEN lässt Regisseur Peter Collinson einen entflohenen Irren auf eine Babysitterin los. Der Grusel der ersten Hälfte weicht in der zweiten dem Fiebertraum eines Wahnsinnigen; es wird endlos geschrien, getanzt und gejauchzt, ein Wahnsinn, dem nicht mal dann Einhalt geboten werden kann, wenn ein Polizeitrupp das Haus umstellt hat, irgendwann folgt der Film keiner Plausibilität mehr, sondern nur noch einer eigentümlichen filmischen Logik; nämlich der eines psychotischen Schreckens.

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          über Subway

          Es steckt etwas Niedliches und Unbekümmertes im Kinohit SUBWAY von 1985; auch, wenn es sich bei dem Film um eine Art Imagefilm für die Metro handelt, dem noch das alte französische Blödelkino um Louis de Funès in den Knochen steckt (Gendarmchef Michel Galabru spielt auch hier einen höheren Polizisten), so darf nicht verschwiegen werden, was für reizende Szenen Christoph Schlingensief (hier gespielt von Christopher Lambert) und Isabelle Adjani miteinander haben. Wenn der Film sich seinen musikalischen Miniaturen hingibt, dann ist er vor allem eins: Voll von sprühenden Funken und charmanten Gesten.

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            der cineast 17.11.2022, 19:16 Geändert 17.11.2022, 19:24

            Die Jedi sind eitel, die Macht gehört jedem und Luke hätte fast gemordet: Der biedere Regisseur Rian Johnson ist in THE LAST JEDI an einer Dekonstruktion des eigenen Mythos interessiert und will weit weniger geliebt und gelobt werden als der gefallsüchtige Vorgängerregisseur. Den Höhepunkt in dieser eigenen Durchrüttelung stellt ein Gespräch zwischen Luke und Yoda dar. Johnson will - über Yoda, der Luke dazu auffordert doch alles aus dem Jedi-Kodex ad acta zu legen und das Scheitern zu akzeptieren - dass THE LAST JEDI gänzlich andere Wege beschreitet. Eine Sehnsucht, die in einem furiosen Master-Fight im roten Saal zu genussvollem Star-Wars-Kintopp anschwillt, zu einer Szene, die selbstverständlich in die Reihe aus Glanzstücken der Saga gehört. Auch Ray und Ren suchen nach neuen Welten und dem Aufbruch in eine neue Ära. Doch dann dauert THE LAST JEDI noch vierzig weitere quälende Minuten, denn neben dem interessanten Ausstellen von jedianischen Schwächen, möchte Johnson auch noch eine epochale Rebellengeschichte erzählen, die nicht nur schleppend vor sich hin eumelt, sondern den neuen Ansatz immer wieder in bekannte und langweilige Bahnen lenkt; in ermüdende Raumschlachten und betäubende Widerstandsparolen, ein Widerstand, der von trägen Episoden und austauschbaren Schauspielern getragen werden muss, so verkommt THE LAST JEDI zur Geduldsprobe. Eine Geduldsprobe, die THE LAST JEDI gar nicht hätten sein müssen, stecken in den langen 150 Minuten doch kühne Behauptungen und saftige Sekunden der Veränderung; hin zu einem neuen, alten STAR WARS.

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              der cineast 17.11.2022, 00:49 Geändert 17.11.2022, 01:01

              Ein Desaster im überkandidelten Starschnitt. Es gibt interessant gescheiterte Filme und dann gibt es noch so etwas wie AMSTERDAM: Ich habe wahrscheinlich noch nie einen derart mit Stars gespickten Rohschnitt von einem Major gesehen; der Film wirkt stellenweise wie eine Stellprobe, als hätte der zweite Kameramann einen Film zusammenhalten müssen, den der Regisseur und der Drehbuchautor schon lange verlassen und aufgegeben haben, auch der Schnitt wirkt merkwürdig unfertig und grobmotorisch, alles quillt auseinander, der Film ist dick und teigig und knarzt an allen Ecken und Enden. Fast schon hat man beim Schauen das Gefühl, man säße im Schnitt der Produktion und bereite gedanklich schon das Aus für die Kinoauswertung vor, aber dann gibt es immer noch eine Hoffnung, die einen stoppt und glaubt, dass da etwas kommen möge, aber: Es kommt nichts mehr.

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                der cineast 15.11.2022, 00:33 Geändert 15.11.2022, 00:39

                Spielbergepigone Ron Howard eifert der klar strukturierten, hermetischen und manipulativ sorgsam ausgearbeiteten Erzählwelt seines Vorbilds nach; FAR AND AWAY hat malerische Sonnenuntergänge, gigantische Szenenbilder, einen eifrigen John Williams und das herzige Power-Couple um den ungestümen Tom Cruise und die hier frivol-lüsterne Nicole Kidman, aber so ganz weiß Howard die Hollywood-Magic nicht zum Zünden zu bringen, der Film ist für ein monumentales Epos dann doch ein wenig zu einfach gestrickt, ihm fehlt ein meisterhafter Zugang; um gemütliches, stimmungsvolles Hollywoodhandwerk ist FAR AND AWAY indes kein Stück verlegen.

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                  über Annette

                  Die erste Stunde von ANNETTE ist noch ganz einnehmend festgezurrt; ein Musical, das Interesse weckt und gestalterisch einige gut inszenierte Mätzchen veranstaltet. In der zweiten Hälfte sackt dieser prätentiöse, selbstverliebte und selbstbesoffene Schmu aber so dermaßen ab, dass man seinen Augen kaum trauen mag: Es scheint so, als würde das vorherige Konzept einfach auf Autopilot weiterlaufen und als hätte der Regisseur irgendwann das Set verlassen, um Essen zu gehen. ANNETTE löst sich auf. Aber dieses Auflösen ist nicht sinnlich, es ist inkompetent, hohlstirnig und ärgerlich-banal.

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                    der cineast 07.11.2022, 13:08 Geändert 11.02.2023, 02:10

                    Handylichter flimmern und fluten die dunklen Gänge einer Riesenvilla. Ein Hurrikan stürmt derweil und klatscht nass und mächtig gegen die Scheiben. Charaktere „gaslighten“ sich auf eine „toxische“ Weise und bombardieren sich mit modischen Begriffen, die man aus unendlichen Twitterdiskussionen kennen dürfte. Der Film verzichtet dabei - obwohl recht sinnlich und stimmungsvoll in Szene gesetzt - auf Affekte. Es fehlt ihm an besonderen Spannungssequenzen oder drastischen Tötungsszenen, eher lässt er seine Figuren verbal aufeinandertreffen, Figuren, die nicht neunmalklug referieren, sondern mit ihrem modernen Sprech an der Realität scheitern. Die für den Slasher üblichen performativen Tötungsszenen verwandelt BODIES, BODIES, BODIES in nicht enden wollende Gespräche, die aber einen ganz eigenen Rhythmus und Drive entwickeln und somit wieder in der Traditon des Genres stehen. Das ist zuweilen ziemlich komisch, gut gespielt, herrlich blöd und auch grundehrlich; die Missverständnisse, Beschuldigungen und Falschbehauptungen aus aufgeheizten Diskursen führen in der Logik des Slashers eben zu Mord und Totschlag. BODIES, BODIES, BODIES zieht sein Konzept bis zur galligen Schlusspointe, wie aus den stulligsten und schönsten Slashertagen der 80s, gnadenlos durch und wirkt dabei ungezwungener und witziger als jede aufgewärmte Filmdiskussion um irgendwelche Requels, wie sie der unsägliche fünfte Screamfilm zum Besten gab und uns als heißen Scheiß verkaufen wollte. Ein hübsches und tiefschwarzes Slasher-Tik-Tok-Update aus der Diskurs-Twitterhölle. Why the fuck not? Es wurde Zeit.

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                      Das größte Kompliment, dass man Olivier Assayas lockerer, aufgesexter und schelmischer Serie wohl machen muss, ist, dass es die Serie vermag, die betörende Alicia Vikander als einen sinnlichen Geist zu porträtieren, den wir nie wirklich kennenlernen dürfen, auch nach acht Folgen steht noch ein eklatantes, mächtiges Fragezeichen im Raum und eine Figur ist in der Schwebe, der Hunger nach Erkenntnis wurde nicht gestillt, aber er wurde angefüttert, Alicia Vikander scheint ein Gast in ihrer eigenen Serie zu sein, von Irma Veps Aura durchdrungen, die sie nie ruhen lässt. Und Assayas stellt auch seine eigene Serie zur Disposition; war diese Serie wirklich so sinnvoll, ist sie gelungen? Wenn sie aber gescheitert sein soll, dann hätte sie das kaum schöner machen können; lasziv, witzig, manchmal herrlich doof, aber immer mit dem Feuer für das filmische Erzählen vorgetragen. Nichts zum Jubeln, aber zum Gernehaben.

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                        GAME OF THRONES war ein filmisches Schachbrett, wohl überlegt aufbereitet in der langsamen Erklärung der Spielregeln, im detailverliebten Schnitzen der Figuren und den sich viel Zeit nehmenden Bewegungen der Akteure. Zug für Zug etablierte sich eine Welt, wurden Figuren in Bezüge gesetzt, um Fallhöhen zu erzeugen und tödliche Scharaden vorzubereiten. Das ist als Maßstab vielleicht ein bisschen unfair, aber schon in den ersten Sekunden provoziert HOUSE OF THE DRAGON höchstselbst - durch die Verwendung der altbekannten Titelmelodie - den Vergleich; doch selbst das herkömmlichste Gespräch zwischen Ned Stark und einem dahergelaufenen Stallburschen hatte in der Mutterserie GAME OF THRONES mehr Sprachwitz, inszenatorische Raffinesse und schwindelig machende Undurchschaubarkeiten, als die dramatischste Fehlgeburt oder der brutalste Dolchstoß in HOUSE OF THE DRAGON. Das liegt wohl zum einen daran, dass HOUSE OF THE DRAGON im Originalbuch eher einer nüchternen Chronik folgt und zum anderen, dass der Geschichte um den Krieg der Drachen das multiperspektivische Erzählen fehlt; ein mächtiges Königshaus teilt sich in zwei Lager auf - so weit, so einfach. Bei GAME OF THRONES aber raunte die ganze Welt. Sie erzählte von Huren, Stallburschen, Mägden und Knappen. Und so versucht HOUSE OF THE DRAGON dem chronikhaften Charakter der Vorlage treu zu sein; es gibt diverse Zeitsprünge und Schauspielerwechsel, um die Epik der Geschichte zu betonen und auf der anderen Seite ein dichtes Charakterdrama zum Leben zu erwecken, das an GOT heranreichen und erinnern soll. Zuspitzungen verenden so aber meist im Flug der Zeit oder können eben gar nicht erst zünden, weil HOTD nicht den Moment auskosten kann. Und dabei passiert etwas ganz Erstaunliches: HOUSE OF THE DRAGON wirkt unübersichtlicher und zerfahrener als GAME OF THRONES es je hätte sein können bei seinen 80 Hauptfiguren. Ein - in den alleinigen Fokus gerücktes - Königshaus bleibt blass und undifferenziert, der Effekt eines speienden Drachens - der bei GOT auch über Staffeln hinweg vorbereitet wurde - verkümmert schon beim zweiten Auftreten und die ständig an GOT erinnernde Musik sorgt für einen stetigen Erwartungsdruck. Der siechende König, ganz wunderbar geschrieben und verkörpert von Paddy Considine, dessen große achte Folge an selige GOT-Zeiten erinnert oder manch inszenatorische Kabinettstückchen, wie den nebligen Drachentanz des Finales zum Beispiel, lassen jedoch vermuten, dass die Serie mit einer anderen Konzentration und einem neuen, radikalen und erzählerischen Mut in beachtliche Sphären hätte aufsteigen können. Die Serie sucht noch. Ihre eigene Extravaganz, ihre Gefährlichkeit, ihr Momentum. Bisher ist der Drache noch nicht aufgestiegen, er ruht noch - das Feuer gurgelnd und im Anschlag habend.

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                          Leider keine spooky Grinse-Parade, sondern eher versabbelter Buh-Horror; in den 80ern hätte die lustige Prämisse ein 80-minütiges, stimmungsvolles Gruselkabinett hergegeben, SMILE aber kann seinen Grusel gar nicht definieren und labert sich deshalb ordentlich einen ab: 130 Minuten muss der Ursprung des Bösen hergeleitet werden, obwohl der Film dann sowieso wieder nur in einer Hütte im Wald landet, da aber, zugeben, findet der Film dann schon etwas zu sich und ab dem Punkt, wo es fast anfängt Spaß zu machen und der Film endlich mal loslegt und sich einem gewissen Spaß hingibt, ist es auch schon wieder vorbei und der Film lässt mit seinem offenen - nicht zu Ende gedachten - Schluss komplett die Hosen runter; ein Film so reizvoll wie Mutti Merkels Grinsen.

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                            der cineast 14.10.2022, 21:14 Geändert 15.10.2022, 23:25

                            Es ist schon erstaunlich, wie viel diese Serie an Geld gefressen haben soll, bedenkt man auch, dass Peter Jacksons Urtrilogie und Meilenstein des Fantasyfilms gerade einmal 300 Millionen Dollar, für 12 Stunden imposanteste Filmkunst und tricktechnische Offenbarung, veranschlagt hat, klar, es waren andere Zeiten und klar ist auch, dass das Geld vor 20 Jahren noch einmal einen anderen Wert hatte, doch muss festgehalten werden: THE RINGS OF POWER: SEASON 1 ist nur 9 Stunden lang und verbraucht fast das Doppelte des Budgets, ohne auch nur im Ansatz eine dermaßen bildgewaltige, geschlossene, effekttechnisch einzigartige und wuchtige Welt zu erschaffen, wie es Peter Jackson einst tat, es kann diese Serie nur als Fußnote rezipiert werden, als ein Anhängsel, Geschreibsel, das es nicht mehr in das Originalbuch geschafft hat. Und so kann allen Unkenrufen zum Trotz verkündet werden, dass es die Serie tatsächlich schafft etwas Wärme aus dem Jackson-Original herüberzuretten; in einer Montage zum Beispiel, die die hobbitähnlichen Haarfüßer ein Lied anstimmen lässt und ihre gefährliche Reise durch Mittelerde dokumentiert oder dann, wenn Elben und Menschen lange gedankenversunkene, aber gefühlvolle Blicke austauschen, sich langsam nahe kommen und überhaupt; die Serie setzt viel weniger auf Schauwerte und Eindruck schindende Bilder und kriegerische Eskalationen, als man zuallererst vermutet haben könnte; es gibt nur eine kleine Schlacht, ein paar Scharmützel hier und da, aber nichts, was der hiesige Nerd als "episch" bezeichnen würde, ein Highlight stellt da noch ein wirkungsvoll inszenierter Vulkanausbruch und ein halsbrecherischer Ritt durch die Wälder dar. Doch ist die Verweigerung von aufgesetztem Bombast und nervender Lautstärke etwas, das RINGS OF POWER auszeichnet; wenn die himmelsgleiche Melodie von Howard Shore über die Landen streicht und sanft die Ohren streichelt, dann findet die Serie zärtliche Augenblicke in aufrichtiger Liebe für die Figuren und wonnige Momente des Innehaltens und Verstehens, ja, es ist die Wärme dieser Serie, die mitunter heraussticht und auf eine zweite Staffel hoffen lässt.

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                              der cineast 14.10.2022, 02:50 Geändert 14.10.2022, 02:53

                              Der Opener des Films ist eine Sensation. Ein Erwartungsbruch mit modernem Härteversprechen. Ein Versprechen, das der Film aber so nie wieder einlösen wird. Das Kino lärmt. Ist voll. Sattes, ungeduldiges Popcorn flippt und schießt durch die Reihen. Dann hämmert die exzellente Musik über den altmodische Vorspann in ohrenbetäubender Lautstärke und der Film zeigt sein unbekümmertes Traditionsbewusstsein. Die Zielgruppe ist irritiert, das Kinoherz schwelgt. Dann gibt sich der Film einer überraschenden Lebensfreude und losgelösten Resilienz hin, er ist frisch und experimentierfreudig, schenkt Jamie Lee Curtis vor einem Supermarkt sogar das herzlichste und breiteste Lachen ihrer Karriere als Horrorikone. Eine Liebeserklärung. Der Film ist ein einzige Reflexion. Er verortet Michael Myers nicht mehr als externe Gefahr, sondern als bösartiges Virus, das jeder in sich trägt, der Film ist also metapysisch verstrahlt, was stets zu begrüßen ist. HALLOWEEN ENDS ist ein gedankenvolles Nachspiel des gloriosen Massakers aus dem zweiten Teil. Der Film geht dabei weniger exploitativ als introspektiv vor. Aber, wenn Jamie am Glas ist und den Notruf wählt, dann ist alles da, was es braucht, nämlich die Schummrigkeit des Bösen vor dem Absatz in den Tod. Ein mutiger, fast unspektakulärer, aber doch sinnlicher, intimer, ja, seltsamer Film, der gefunden werden möchte.

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                                der cineast 26.09.2022, 02:42 Geändert 03.01.2023, 05:33

                                Was man der audiovisuell durchaus talentierten Regisseurin Olivia Wilde zugutehalten muss, ist, dass sie das Getänzel - durch eine hermetisch abgeschlossene Welt von Florence Pugh, das in MIDSOMMAR seinen formidablen Anfang fand - fortsetzt; sicherlich ist das luxuriöse Treiben in der reichen Vorstadtsiedlung mit dem schlecht spielenden Gemahl Harry Styles nicht allzu spannend und hätte auch nicht zwei Stunden veranschlagen müssen, Olivia Wilde hätte also weniger erzählen und mehr spielen sollen, was sie sowieso am liebsten zu tun scheint, aber wenn sich der Film dann im Finish ganz kurz so richtig reinhängt und John Powells Score über alles ordentlich saftig hereinbricht, dann hat das was von schmuckem 70s-Sci-Fi-Quatsch. Ganz hübsch und schön doof eigentlich. Ein süßes Nichts.

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                                  Lange nicht so eine Strahlkraft auf der Leinwand gesehen; der Bombast der sonnigen Gesichter des Dreamcouples Clooney/Roberts vor der Tapete des Traumorts Bali; lässig, harmlos, wohlig, leicht.

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                                    der cineast 23.09.2022, 21:44 Geändert 09.01.2023, 02:31

                                    All die formale Brillanz - also das, was TRUE DETECTIVE einst so groß machte, nämlich halsbrecherische Plansequenzen, ultraheftige Gruseltwists, schummrige Philosophiestunden und der spannungsgeladene Austausch von Salven - wurde in der dritten Staffel auf eine reduzierte, aber komplexe Form des Schauspielkinos zusammengedampft, das seine visuellen Vorzüge versteckt und sich nicht sofort in die Karten gucken lässt; ein komplizierter Mordfall auf drei Zeitebenen - vor, zurück, ganz an das Ende, wieder an den Anfang, ohne Mätzchen oder brisante Cliffhanger: Der fragende Blick und das Nicht-Erinnern. Das Erinnern an den fragenden Blick und das, was der fragende Blick sieht. Und nicht sieht. Eine Staffel, die ein Leben anhand eines Falls rekonstruiert, konstruiert einen Fall anhand eines Lebens. Ein gefühlvolle Detektivgeschichte. Mit viel Liebe. Brüchen. Versäumnissen. Viele finden das vielleicht langweiliger. Müßiger. Aber was es natürlich in Wirklichkeit ist: Masterclass-Erzählen in acht Akten, das in einem herzzerreißenden Schluss mündet.

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                                      Langweiler Henry Hathaway inszeniert einen abgetakelten und fantasielosen Whodunnit-Krimi, der mit fast allem, was eigentlich für einen rauschenden Film dieser Sorte dazugehört, ausgestattet ist; Abzählkills, unbekannter Killer, Detektiv auf der Spur, mehrere Verdächtige und Motive, um dann im letzten Drittel die einfältigste aller Auflösungen am Rande wegzuerzählen und auf ein Finale aus der Mottenkiste zuzulaufen; Dino, du hättest lieber zwei Stunden singen sollen.

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                                        der cineast 17.09.2022, 00:49 Geändert 17.09.2022, 00:56

                                        Eigentlich Kino aus Opas Unterhose. Eigentlich. Super bieder erzählt, John Wayne so ungelenk und spröde, dass neben ihm selbst der späte Steven Seagal wie ein frischer Jungspund daherkommt; die Story ist platt, witzlos, eine Plotte aus der Cop-Krimi-Hölle, zäh inszeniert, lustlos gespielt, in der Mitte gibt es immerhin ne kleine Verfolgungsjagd durch die Straßen. Am Ende aber geht einem kurz die Hose auf, wenn Sturges eine Autojagd am Strand inszeniert, die traumhaft geschossen ist.

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                                        • Abgebrochen nach: 10 Minuten.

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                                            der cineast 15.09.2022, 02:16 Geändert 09.10.2022, 23:49

                                            Das Mord-Mosaik, das Regisseur Jean-Marc Vallée hier stetig so furios auseinanderwirbelt und in jeder Folge weiter zusammensetzt, das sich am Ende tatsächlich zu einem großen Ganzen ineinanderfügt, ohne, dass die einzelnen Teile so verklebt werden, dass sie ihre Eigenständigkeit verlieren würden, lässt er dann im aller letzten Augenblick doch wieder vollends zerspringen und zusammenstürzen; er appelliert, ob seiner scharfen Beobachtungsgabe, seines Anspruchs an eine brillante Montage, seines hintersinnigen Musikeinsatz und seinem so tiefen Gespür für die Schauspieler, an die Fantasie des Zuschauers, denn große Künstler sind keine Auserzähler, sie sind Bildermacher - weit über das Werk hinaus. Jean-Marc Vallée ist demnach ein Regisseur, der wahrlich fehlen wird.

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                                            • Abgebrochen nach: 2 Folgen.

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                                                Ein sehr lustiger Film, der viel Regie zeigt und eine einnehmende, aberwitzige und ulkige erste Stunde präsentiert und in seinen Bann zieht. Die etwas zu selbstverliebte zweite Hälfte kann der Groteske nicht mehr wirklich viel hinzufügen und die letzte halbe Stunde gerät dann wahrlich ins Stocken. So richtig tief in die Dunkelheit des Genrekinos traut sich Lanthimos dann aber schlussendlich doch nicht; er will ja noch geliebt werden.

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                                                  Die zweite Staffel ist eine fast schon pure, höchstsensible Fernsehschönheit (der Vorspann, lechz) geworden, getragen von einer zwar digitalen, aber doch überraschend körnigen Fotografie, die durch eine dokumentarische Unbefangenheit und Natürlichkeit eine enorme Wucht und Schärfe produziert. Die Geschichte tänzelt über das verwunschene Blau in einer Kneipe TWIN PEAKS an, dreht sich dann weg, um sich in endheißen Schießereien zu ergehen und final auf angespannten Suspense zu verlassen. Inmitten der Geschehnisse; das schmerzverzerrte Schnauzgesicht von Colin Farrell, das traumatisierte Antlitz des gefallenen Engels Rachel McAdams, die beherrschte Sanftheit des Riesen Vince Vaughn und das sich versteckende Haupt des Welpen Taylor Kitsch. Funktionierende Alkoholiker und Sünder, Heilige und Verlassene, die einander in den unmöglichsten Situationen eine Form von Geborgenheit schenken, verloren im Gewirr von falschen Abzweigungen und zu schnellen Ausfahrten. Eine Serie von der Klasse eines 8-stündigen Kinofilms. Ein Film in Serie.

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