filmschauer - Kommentare

Alle Kommentare von filmschauer

  • 8

    Vielleicht ist es ja doch nicht ganz so falsch, die Tatort-Bühne zu verlassen, wenn es am schönsten ist. Nun ist "Der Weg ins Paradies" noch nicht ganz der letzte Beitrag mit der Gegenwart des scheidenden Mehmet Kurtulus, aber Anhänger seines Schauspiels werden nicht umhin kommen, sich so langsam von einem der ungewöhnlichsten Ermittler trennen zu müssen. Erneut kann er überzeugen in einer diesmal zugegeben sehr brisanten Geschichte über islamistische Attentäter - und dann auch noch in Hamburg. Jedoch vermeidet Lars Beckers Film die Klischeefalle. Der gesellschaftspolitische Zeigefinger, der leider ansonsten bei ähnlichen Themen oftmals sehr plakativ unter die Nase gerieben wird, bleibt weitesgehend in der Tasche. Die Diskrepanz aus dem muslimischen Glauben und extremistischen Vergeltungsmaßnahmen wird in Person von Undercover-Polizist geschickt konzentriert und mit einem mitreißenden Plot verwoben. Kurtulus ist absolut imponierend in seiner schwierigen und niemals beneidenswerten Rolle. Auch seine vermeintlichen Mitstreiter wirken glaubhaft, besonders Ken Duken überrascht mit seiner Darstellung als fanatischer Anführer mit der Besonderheit seiner familiären Herkunft. Dies wird zwar an wenigen Stellen mal zum Thema gemacht, insgesamt gibt sich der Film aber weit weniger schwermütig als man vermuten würde. Einen grundsätzlichen Diskurs über Moral und Menschlichkeit ob der Taten wird man sicherlich nicht finden. Viel eher zeichnet sich "Der Weg ins Paradies" über seine Unkonventionalität im Rahmen eines Tatorts und seinem Vertrauen in eine funktionierende Dramaturgie aus. Denn eigentlich verlässt man hier die Pfade eines Krimis komplett und begibt sich in die Welt des Thrillers; einem Genre, was es viel zu selten in Deutschland zu sehen gibt. Durchgehend spannend mit starken Einzelszenen und einem letztendlich sehr guten Finale (Hui, CGI-Einsatz in einem Tatort!), was die eine oder andere Überraschung bereit hält. Chapeau an die Macher für diese sehenswerten 90 Minuten. Klar ist auch: Das zukünftige Erbe wird schwer sein für einen Til Schweiger.

    5
    • 5

      "Fluch der Verlorenen" mag sich als Western stilistisch abheben von vergleichbarer B-Ware aus dieser Zeit zu Beginn der 50er Jahre. Verglichen mit anderen Genrevertretern von Regisseur Budd Boetticher ist dieser aber dennoch eine Enttäuschung. Natürlich handelt es sich hier um ein eher frühes Werk seines Schaffens und auch die vergleichsweise straffe und kompakte Erzählweise, die ihn so berühmt machte, lässt sich schon erahnen. Genau diese scheint die erzählte Geschichte einer Familientragödie jedoch so sehr einzuschränken, dass etwaige Charakterzeichnungen sehr oberflächlich und manchmal in ihren Motivationen gar unplausibel bleiben. Mit Robert Ryan und Rock Hudson sind immerhin prominente Namen dabei, ihr dargelegter Konflikt unter Brüdern sollte schließlich das Zentrum bilden: Der Klassiker, wenn schließlich der eine gegen das Gesetz spielt und der andere sich für eben jenes einsetzt. Doch die Entwicklung von Ryans Figur zu einem rücksichtslosen Machtmenschen hätte mehr Feingefühl und Tiefgang gebraucht. Nicht immer gilt "In der Kürze liegt die Würze". So wirkt es wie eine Schwarz/Weiß-Sicht bezüglich einer Kapitalismuskritik der damaligen Zeit am Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Es bleibt ein mehr funktioneller denn emotionaler Plot zurück, der jederzeit mehr die Drehbuchzeilen durchschimmern lässt als das wirkliche Talent der Darsteller, besonders bei einem ansonsten fast immer überzeugenden Ryan. Symptomatisch ist die Rolle von Julie Adams, die Potential für eine durchtriebendere femme fatale gehabt hätte, am Ende aber nur das schlichte love interest bleibt, die schöne Augen zu machen hat. Durch seine nicht abzusprechende Unterhaltsamkeit ist das Ganze zumindest noch als ein knapp durchschnittliches Filmvergnügen einzuordnen, aber als ein gelungener Boetticher-Western bleibt er wahrlich nicht in Erinnerung.

      3
      • 7

        Es ist als Anhänger des Genres immer wieder eine Freude, einen klassischen Western in CinemaScope zu sehen. Wie auch in Edward Dmytryks "Die gebrochene Lanze" im Jahr 1954, als die Breitwandtechnik noch relativ frisch war. Kameramann Joseph MacDonald weiß sie sehr zu nutzen und präsentiert wunderschöne, epische Landschaftbilder, die alleine schon diesen Film sehenswert machen. Aber auch der Inhalt weiß zu überzeugen. Der Beginn irritiert noch etwas, wenn der Halbblut Joe seine drei Brüder nach langer Zeit im Gefängnis wiedertrifft. Die genaueren Umstände erschließen sich erst, als sich eine fast den ganzen Film umfassende Rückblende ankündigt. Passend, wenn dabei der strenge Vater auf einem Porträt gezeigt wird. Nicht umsonst wird dieser Anknüpfungspunkt gewählt, ist dieser doch der Hauptangelpunkt der Geschichte. Gespielt wird jener Matt Devereaux, ein stolzer Ranchbesitzer, von Spencer Tracy; man braucht nicht groß zu erwähnen, dass er wie so oft in seiner Karriere auch hier seine Rolle blendend verkörpert. Ein harter, vielleicht sogar ignoranter Mann, der allerdings im Kern auch ein weiches Herz hat, wie man es an der umstrittenden Heirat mit einer Indianerin erkennt. Eingängig ist da eine vermeintlich harmlose Szene am Essenstisch, wenn die eingeladene Tochter des Gouverneurs in geselliger Runde sehr keck die sturen Sichtweisen von Matt bloßstellt. Etwas, was sich sonst keiner trauen würde. Schon hier wird auf subtile Art klar, dass man es hier nicht unbedingt mit einem eindimensionalen Bild eines grausamen Vaters zu tun hat. Freilich ganz anders sehen es die drei ältesten Brüder, die sich eher als x-te Arbeitskraft denn als geliebte Familienmitglieder sehen. Wäre diese interne Spannung nicht schon genug, kommt der Konflikt mit einer Kupfermiene hinzu, was das ganze Konstrukt langsam zur Eskalation bringt. Doch ist es nicht Tracy allein, der mit der ambivalenten Figur den Film trägt, sondern ebenso die anderen Darsteller wie der junge Robert Wagner, der als Joe die eigentliche Hauptrolle spielt, oder auch Richard Widmark als gelungener Gegenpart. Die Grundstruktur dieses Familiendramas mag vielleicht altbekannt, lebendig und kurzweilig wird es erst durch die Schauspieler und einem guten Drehbuch. Zudem wird anhand des Einbezugs einer Indianerin in der Familie das Thema Rassismus und Intoleranz weitaus vielschichtiger dargelegt als in anderen Genreproduktionen aus dieser Zeit. Nicht nur für Tracy-Fans eine Empfehlung wert.

        7
        • 5 .5

          Bei Filmen geht es bekanntlich um Problembewältigungen, seien sie mal mehr, mal weniger ausdifferenziert. Die Essenz daraus gibt es punktuell in kleinen Horrorfilmchen zu sehen: Entweder ist der Fahrstuhl im Hochhaus ausgefallen, man schwimmt hilflos allein auf hoher See oder, wie in diesem Fall, steckt man in einem ruhenden Skilift fest. Das im Grunde sehr simple Schema dieser Filme lässt sich meistens auf eine entscheidende Frage reduzieren: Würde ich in der Situation genauso reagieren? Auch "Frozen" spielt lange mit diesem Element, müssen doch lange 90 Minuten gefüllt werden. Natürlich ist der gezeigte Fall ungewöhnlich, wähnt man sich doch lange noch in Sicherheit mit der Hoffnung, jemand würde doch mal zufällig vorbeikommen. Sobald die drei Protagonisten sich in der Bredouille befinden, springt auch das eigene Kopfkino an und man entwirft eigene Lösungspläne. Bei "Frozen" ist zudem die Schwierigkeit des fehlenden Handlungsspielraums gegeben, wodurch der Verbindung zwischen Zuschauer und Schauspieler eine entscheidende Rolle zukommt. Da stellt sich der Film selbst ein Bein, woran besonders die ersten 20 Minuten Schuld sind, die bis zum Feststecken eine lächerlich belanglose und ungemein altbackene Exposition beinhaltet und zudem ziemlich oberflächlich eine mögliche Schuldfrage beleuchtet. Das übliche Klischee in Horrorfilmen: Wer Dreck am Stecken hat, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Schicksal anschließend nicht auf seiner Seite ist. Immerhin funktionieren einige Suspenseszenen, andererseits ist auch viel Leerlauf dabei, die für eine vermeintlich feinere Charakterisierung der Figuren genutzt wird, was nur mäßig gelingt. Über das meiner Meinung nach total überzogene Ende (Stichwort: Glaubwürdigkeit) kann man sich gewiss streiten, zeigt aber nur, dass man eben doch ein komplett fiktionales Werk vor sich hat, das einer bestimmten Intention und Dramaturgie nachgeht. Zwar gebührt dem Team um Regisseur Adam Green durchaus die Anerkennung, aus diesen sehr eingeschränkten Umständen einen handwerklich nicht uninteressanten Film gemacht zu haben. Bis auf wenige Momente jedoch reißt "Frozen" weitaus weniger mit als zuvor erhofft. Zumindest weiß man jetzt, in welcher Situation ein Mobiltelefon sehr nützlich sein kann.

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          • 5

            Etwas überraschend ist es schon, dass "Schwarze Tiger, weiße Löwen" die erste Tatort-Episode ist, in der ein Roland Suso Richter Regie geführt hat. Schließlich hat man diesen Namen bereits in den Credits diverser TV-Filme gesehen, worunter auch Glanzstücke wie "Mogadischu" zu finden sind. Da ist es etwas undankbar, gerade diese Lindholm-Folge drehen zu müssen, welche sich zumindest in den Privatgeschichtchen ziemlich deutlich an die vorige Folge "Mord in der ersten Liga" anschließt. Denn eigentlich hätte der Kriminalplot Potential gehabt. Zwar wird mehr als offensichtlich der Fall von Natascha Kampusch aufgegriffen (über acht Jahre in einem Haus gefangen gehalten), die Verwicklungen dahinter sind immerhin zwischenzeitlich durchaus geschickt verquickt worden. Doch leider ist da dieser sehr ausgebreitete und überflüssige Nebenplot über die Liebesaffäre Lindholms, der den Krimi in seinem Spannungsaufbau permanent hemmt und außer einer aufgesetzten Verwirrtheit der Kommissarin (Na? Wo ist das Handy, wo ist der Ausweis?) nichts mit dem Fall zu tun hat. Eher nervig als unterhaltsam. Der Rest ist von Richter ziemlich nach der Tatort-Standardformel gestrickt und trifft letztendlich einige Klischees, welche kürzlich Philipp Walulis in seiner Show bei Tele 5 treffend aufgezeigt hatte. Man beachte nur mal die Zeichnungen an der durchsichtigen Wand...

            5
            • 7 .5

              Es gibt leider nicht so oft diesen Moment, dass ich von einem Horrorfilm positiv überrascht werde. "Orphan" jedoch ist einer dieser Filme in der letzten Zeit. Dabei wurde mit der Idee eines adoptierten Waisenkinds, welches leider doch nicht so lieb und nett ist, wie zuerst gedacht, nicht gerade absolutes Neuland betreten. Dennoch beweist Regisseur Jaume Collet-Serra, der schon mit "House of Wax" immerhin solide erste Gehversuche in diesem Genre machen konnte, ein gutes Gespür für das Timing seiner Gruselelemente. Hinzu kommt eine bedachte Atmosphäre und, was den Hauptanteil ausmacht, die richtige Schauspielerwahl. Vera Farmiga überzeugt zuallererst als verzweifelte Mutter und Ehefrau, deren Schicksal das Zentrum von "Orphan" bilden sollte. Um ihr herum bewegen sich Ehemann sowie die beiden Kinder. Aufgrund eines weiteren Kinderwunsches als vermutliche Folge der Totgeburt dringt das Waisenkind Orphan schließlich in die unter der Oberfläche zerbrechliche Familienwelt ein. Nachdem auch der Zuschauer zuerst eher ein positives Bild von Esther bekommt, erschreckt man sich umso mehr aufgrund erster Gräueltaten. Wie ein geschickter Virus mit schonungsloser Systematik und Manipulation spielt sie die Familienmitglieder zu ihrem eigenen Vorteil aus. Obwohl der Film hierbei mit einigen bekannten Stilmitteln arbeitet, fesselt die Geschichte durchgehend, was neben einem behutsamen Spannungsaufbau auf die glaubhaften Figurenzeichungen zurückzuführen ist. Nur selten schießt man etwas übers Ziel hinaus, wozu auch der Schluss hinzugezählt werden könnte, obwohl dieser nichtsdestotrotz unheimlich effektiv für einen absolut unvorhersehbaren Aha-Effekt sorgt. Die Trumpfkarte dieses Films ist aber ohne Frage die verblüffende Performance der jungen Isabelle Fuhrman, die nuanciert und clever diese Esther verkörpert und dabei des öfteren den Zuschauer aufs Glatteis führt. Mein allergrößter Respekt für diese Leistung. "Orphan" beweist ausdrücklich, dass das Prinzip 'Gruselige Kinder in Horrorfilmen' noch immer funktionieren kann. Das ist dann manchmal so erschreckend böse in seinen Einzelszenen, sodass fragt man sich schon fast die Frage stellt: Wie sind die beteiligten Kinderdarsteller nur ohne etwaige psychische Schäden davongekommen!?

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              • 7

                Da die Anime/Western-Aktion zwischen horro und mir nicht schlecht gelaufen ist, wird diese cineastische Therapiemaßnahme in unregelmäßigen Zeitabständen fortgeführt. Es folgt also Teil 2:

                Meine Kenntnisse in der Anime-Sparte liegen bisher nur im Bereich Miyazaki/Ghibli. Von daher ist es schon unbekanntes Terrain, wenn man sich das Feld anderer Künstler ansieht. Neben verschiedenen Genres und Erzählweisen fällt da besonders der Kontrast in den Zeichnungen auf. Wie eben in Satoshi Kons Debütfilm "Perfect Blue". Das fordert zu Beginn doppelte Anstrengung, da zudem knallige japanische Popmusik erstmal einem entgegenhallt. Zugegeben ist das Ganze gewöhnungsbedürftig und verlangt etwas Geduld, da anfangs nicht klar ist, in welche Richtung die Geschichte steuern würde. Was man sieht, ist eine Aussteigerin aus einer Popband mit Fokus auf die Schauspielerei. So erlebt man in der ersten Hälfte hauptsächlich die Umstände und deren Auswirkungen ihres Quereinstiegs. Nur an ganz wenigen Stellen erscheint das Unheimliche in bspw. seltsamen männlichen Gestalten. Erst wenn die Probleme dieser Mima größer werden, beginnt der Film so richtig zu fesseln. Die Fragen nach der (wahren) eigenen Identität und psychologische Grenzerfahrungen sind sicherlich ein Highlight und zudem auch ziemlich drastisch dargestellt. Man merkt, dass das ganz bestimmt nichts für Kinder ist, trotz der vermeintlich harmlosen Tricktechnik. Allerdings muss man auch den Schlusstwist ansprechen, der für mich zu plump und zu überhastet dargelegt wurde. Schade drum, doch der starke, psychedelisch angehauchte Mittelteil von "Perfect Blue" stimmt letzten Endes versöhnlich. Kleiner Nebeneffekt: Immerhin bin ich nun etwas gespannter auf "Paprika", einem weiteren Anime von Satoshi Kon, dessen Sujet mich tendenziell wohl noch eher ansprechen wird.

                Western-Beitrag von horro zu "Appaloosa":
                http://www.moviepilot.de/movies/appaloosa-2/comments/437986

                10
                • 6

                  Noch weiß ich nicht, ob ein Ulrich Tukur und die Rolle eines Tatort-Kommissars wirklich zusammenpassen. In "Das Dorf" zumindest bekommt er eigentlich ein Paradetableau des geheimnisvollen Krimimilieus präsentiert. Nur ob er diese Chance ergriffen hat, darüber bin ich etwas unschlüssig. Er spielt zwar ordentlich, wirkt aber vielleicht etwas zu ruhig und abgezockt in dieser seltsamen Umgebung. Denn die Prämisse dieses Tatorts eines gewissen Justus von Dohnànyi ist im Grunde ein Fest für alle Krimi-Nostalgiker: ein Retro-Vorspann, grau-grüne Farben, ein mysteriöser Ort im scheinbaren Nirgendwo mit einer großen alten Villa als Zentrum und der unterschwellige Charme der 60er Jahre. Klar, Edgar Wallace liegt ein wenig in der Luft. Tukur muss hierbei als Kommissar Murot weiterhin an seinem Gehirntumor leiden, was auch ein elementarer Bestandteil der Handlung ist. Szenen in scheinbarer Trance findet man sicherlich selten in einem Tatort, sogar das Tanzbein wird hier und da geschwungen. Die oftmals unheimliche Atmosphäre mit einigen schrägen Momenten ist sicherlich ein Pluspunkt, wobei ich mir etwas mehr Grusel sogar noch gewünscht hätte. Was nicht mithalten kann, ist jedoch die Geschichte an sich. Alles wirkt, je weiter die Episode fortschreitet, etwas mit angezogener Handbremse gespielt, was letztendlich in einem enttäuschenden Finale mündet, welches einen altgedienten Kniff beinhaltet. Dabei sind sogar mit dem SR-Kommissar in spe Devid Striesow oder Thomas Thieme sehr gute Darsteller am Start, die aber nicht so ganz ihre Fähigkeiten entfalten können bzw. dürfen. Claudia Michelsen ([un]heimlicher Star des Films) sowie der amüsante Aufritt der Kessler-Zwillinge müssen immerhin positiv erwähnt werden. Was bleibt ist ein ungewöhnlicher Tatort mit interessanten Schauwerten, allerdings fehlt der Handlung insgesamt etwas an endgültiger Konsequenz und Finesse, um von einem vollends gelungenen Krimierlebnis zu sprechen.

                  10
                  • 3

                    Andrew Niccol war bisher eigentlich eine sichere Nummer, was seine Filme anbetraf. Meistens eint sie der Fokus auf eine alternative Zukunftswelt, in der heutige Gesellschaftsprobleme einer Parabel ähnlich verdeutlicht werden. So war es in "Gattaca" oder in "Die Truman Show". Auf dem Papier zumindest sollte in seinem neuesten Streifen diese Vorgehensweise erneut zu Tage treten. "In Time" macht besonders durch den gut geschnittenen Trailer auf die interessant anzuschauende Idee einer etwas anderen Währungsreform neugierig. Das leicht dahergesagte Motto "Zeit ist Geld" wird hier zur Realität. 25 Jahre alt kann jeder werden, danach wird's haarig und der ewige Countdown beginnt. Diese Prämisse, die den Traum von Unsterblichkeit auf der einen, die katastrophalen Folgen einer exzessiven Überbevölkerung auf der anderen Seite beinhaltet, ist selbstverständlich ungleich gewagter als viele vergleichbare Sci-Fi-Einfälle und muss daher erstmal vom Zuschauer geschluckt werden. Die Anfangsminuten sind deshalb auch sehr eindrucksvoll, wenn diese seltsame Welt, in der alles entweder Minuten, Stunden oder Tage kostet und jeder sich die Zeit per Handschlag transferieren lassen kann, einem vorgesetzt wird. Justin Timberlake spielt unseren Helden Will Salas aus dem Arbeiterviertel, der eher zufällig in den Besitz von über 100 Jahren zusätzlich kommt und anschließend die Reise von Abteilung "bettelarm" zu Abteilung "steinreich" vollführen kann, jederzeit verfolgt von sogenannten Timekeepern.

                    Was ab ungefähr diesem Zeitpunkt langsam deutlicher wird, ist die fehlende bzw. zu oberflächliche inhaltliche Ausgestaltung dieser Zeitidee. Hier die wenigen Reichen, die sich alles erlauben können und nur wegen eines Unfalls ihr Leben riskieren könnten, dort die Armen, die um jede Minute kämpfen müssen und jederzeit kurz vor dem Sensenmann stehen. Darauf aufbauend werden im späteren Verlauf Bonnie-und-Clyde-ähnliche Raubzüge vollzogen, bei der Timberlake und seine aufgegriffene Partnerin das ganze System zum Umsturz bringen wollen. Leider wird anhand dieses 08/15-Actionplots überdeutlich, auf welchen wackeligen Beinen die innere Logik dieses Films steht. Die Plausibilitätsprobleme verblassen nicht wie in anderen Filmen, da sich dieser bierernst nimmt und zudem die beiden blassen Hauptdarsteller (insbesondere Amanda Seyfried) es nicht verstehen, den Zuschauer emotional mitzunehmen. Daraus resultiert eine unfassbar öde und klischeeüberhäufte Jump-and-Run-Geschichte, der es in massiv an Spannungsmomenten fehlt. Auch ist die dargestellte Umgebung keineswegs ein Hingucker. Im Gegenteil, die nur an wenigen Stellen modifizierte Außenwelt wirkt spröde und teilweise sogar billig umgesetzt. Genauso unspektakulär sehen die Actionsequenzen aus. Da schockiert es etwas, wenn man im einsetzenden Abspann den Namen des Kameramanns Roger Deakins lesen muss, der noch in "True Grit" eine Meisterleistung ablieferte.

                    "In Time" gesellt sich somit auch zu den vielen Science-Fiction-Vertretern der letzten Zeit, die aus einer inspirierenden Ausgangsidee nur wenig gemacht haben. Selbst als schnöder Genrefilm taugt er nicht wirklich aufgrund fehlendem Esprit und mangelnder Chemie zwischen Frau und Mann (von Romantik oder ähnlichem ganz zu schweigen). Vielleicht ist Andrew Niccols etwas die Übung gekommen nach sechs Jahren Pause seit "Lord of War". Ob "In Time" nun die absolute 'Zeitverschwendung' ist, bleibt aber trotzdem jedem selbst überlassen. Diese ist allerdings in den älteren, ungleich sehenswerteren Niccol-Filmen vielleicht besser investiert.

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                    • 7

                      Romantische Komödien sind eigentlich nicht ganz mein Fall. Vielleicht auch deshalb, weil in letzter Zeit inflationär viele Vertreter ins Land gezogen sind und sehr austauschbar wirken (ähnlich wie die meist einfallslosen Filmplakate mit weißem Hintergrund). Letzten Endes kommt es auf die Darsteller an. Da ist der Blick in die Vergangenheit oftmals lohnenswerter, besonders bei Namen wie Cary Grant oder Sophia Loren. Ihre Begegnung in Melville Shavelsons "Hausboot" ist sicherlich das Herzstück des Films, bei dem ich zuerst etwas skeptisch war ob des doch weit hergeholten Einstiegs (eine Tochter eines Stardirigenten drängt sich als Hausfrau auf/Grants bisheriges Haus wird beim Transport von einem Zug zerstört!), aufgrund der wechselhaften Beziehung sowohl zwischen Loren und Grant als auch den Kindern aber schlussendlich doch ziemlich unterhaltsam war. Der Zeitgeist der 50er Jahre ist natürlich allgegenwärtig, wodurch alle Problemchen wie der richtige Umgang mit den drei Kleinen ganz heiter angegangen werden und auch die unterschwelligen Ressentiments der Amerikaner gegen die italienischen Einwanderer wird man nur ganz butterweich präsentiert bekommen. Trotz aller genretypischen Vorhersehbarkeit und einem leicht übertriebenen Ende macht es Spaß, den latent vom Alltag überforderten Grant und die selbstbewusste und stets wunderhübsch anzuschauende Loren beim Leben auf diesem wackeligen Hausboot zu beobachten. Ein zwar harmloser und ganz bestimmt nicht klischeefreier, aber eben auch sehr charmanter Klassiker.

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                      • 8 .5

                        Dass Werner Herzogs Dokumentationen einen ganz eigenen Stil haben, ist hinlänglich bekannt. Immer auf der Suche nach Grenzerfahrungen, nach ungewöhnlichen Menschen und Inspirationen für sich und den Zuschauer. Gefühlt hat er schon die ganze Welt bereist, doch eines hat wohl (u.a.) noch gefehlt: die eisige Welt der Antarktis. Mit "Begegnungen am Ende der Welt" hat sich diese kleine Lücke geschlossen. Schon gleich zu Beginn des Films betont er dabei, sich von den üblichen Dokumentationen des gleichen Themas distanzieren zu wollen. Was zuerst etwas überheblich klingen mag, doch wenn man Herzogs bisheriges Schaffen kennt, weiß man um seine guten Absichten.

                        So verwundert es auch nicht, wenn er fast angewidert von dem kleinen Ort berichtet, welches als Ausgangspunkt für die Expedition ins ewige Eis dient. Nur weg aus der Sozialisation, lautet die Devise. Es folgen viele großartige Szenen, die mal die Überlebensstrategien beinhalten oder die Menschen an sich zeigen, die dort eine lange Zeit arbeiten und leben. Herzog versteift sich nicht in eine stark wissenschaftliche Abhandlung, sondern lässt mustergültig das Gesehene für den Zuseher erlebbar erscheinen. Der Blick hinter die Kulissen des Bekannten beinhaltet nicht nur, ungewöhnliche Fragen zu stellen ("Gibt es schwule Pinguine?" sei da stellvertretend nur genannt), sondern auch die Teilzeitbewohner liebevoll zu porträtieren, ganz egal, welche unfassbaren Erfahrungen sie schon gemacht haben. Um die Natur zu zeigen, kann sich Herzog ganz auf seine Mitstreiter wie Peter Zeitlinger, der schon seit längerem sein Kameramann ist, oder David Lindley sowie Henry Kaiser auf musikalischer Seite verlassen. Nicht von ungefähr erinnern dabei so manche Szenen, die Unterwasser spielen, an Herzogs äußerst ungewöhnlichen "The Wild Blue Yonder". Immer wieder traumhaft schön, diese unwirkliche Welt unter dem Eis zu sehen und zu genießen. Aber sind es auch Momente wie die mit dem einsamen Pinguin, die diese Doku unvergesslich machen.

                        Obwohl es beinahe sentimentale Momente gibt, ist Herzog sicherlich kein simpler Träumer oder Romantiker, sondern weiß an den ein oder anderen Punkt seine Meinung und auch Kritik zu äußern. "Begegnungen am Ende der Welt" reiht sich damit nahtlos in die sehenswerten Dokumentationen der letzten zehn Jahre in seinem Schaffen ein. Es ist fast egal, worum es nun inhaltlich geht, er hat mit seiner unnachahmlichen Arbeitsweise und natürlich seiner persönlichen Erzählstimme einen optimalen Weg gefunden, bei dem man als Zuseher jedesmal erneut sprichwörtlich abgeholt wird und für ein, zwei Stunden bereitwillig mit ihm und den anderen Beteiligten eine unbekannte Welt oder Thematik erkundet. Mir fällt es zunehmend schwerer, Herzog für seine Spielfilme oder seine Dokumentationen mehr zu verehren. Was hingegen überhaupt nicht schwer fällt, ist, diesen Film unbedingt zu empfehlen.

                        6
                        • 3 .5

                          Was ist schon "normal"? Diese Frage soll man sich offenbar beim Betrachten des neuesten Falls von Leitmayr und Batic stellen, die Steilvorlage liefert der Titel. Dass so manche "Tatort"-Episoden sich bewusst auf gesellschaftsrelevante Eckpunkte bezieht, ist bekannt, bieten wiederum aber auch eine gewisse Fallhöhe bei der Umsetzung. Hier ist es das Innenleben einer Münchner Synagoge und ein plötzlicher Mordfall im Treppenhaus. Wer nun hofft, der Mordfall würde nicht von der alten Frage des "richtigen" Umgangs mit unseren jüdischen Mitbürgern ertränkt werden, der wird enttäuscht. Allerdings ist es fast zwangsläufig, dass sich die Macher diesem Diskurs zuwenden, da der kriminologische Aspekt äußerst wenig Nahrhaftes hergibt. Geübte Krimi-Zuseher müssten ziemlich schnell erahnen, wer der Täter sein würde. Nur das Wie und das Warum mag vielleicht noch interessant sein. Es folgt eine sehr zähe und spannungsarme Nachforschung im jüdischen Umfeld, das fast dogmatisch die Art und Weise dieses Lebens veranschaulichen will. Das Resultat sind endlose Dialoge, die dann doch wieder die Themen Toleranz von Religion und auch die Schuldfrage anreißen. Jedoch ist hierfür ein Krimi eigentlich nicht unbedingt das richtige Format. Der besagte Diskurs führt keinen Schritt weiter, sondern bestätigt am Ende nur die bekannten Klischees beim hypersensiblen und oftmals verkrampften Zusammenleben, von denen man glaubte, sie so langsam hinter sich gelassen zu haben. Der mutigen Prämisse folgt leider eine mutlose Umsetzung. Bei dieser Denkweise wird es ganz bestimmt noch lange dauern, bis auch ein Mord in einer Synagoge wirklich ein "normaler" Fall wäre.

                          2
                          • 8

                            Auch "Raus aus Amal" hat mal wieder unterstrichen, warum das skandinavische Kino so großartig ist und jede weitere Entdeckung wert ist. Lukas Moodyssons Spielfilmdebüt handelt von einer Coming-of-Age-Geschichte, die trotz einer vermeintlich klischeenahen Ausgangssituation in einem kleinen schwedischen Kaff sehr viel Herz und Authentizität beinhaltet. Die Figuren, besonders die anfängliche Gegensätzlichkeit der beiden Protagonistinnen Elin und Agnes, machen es dabei dem Zuseher mehr als einfach, um an ihren Schicksalsläufen teilzuhaben. Man hat niemals das Gefühl, dass in der einen oder anderen Szene nach einem Drehbuch oder einer bestimmten Spannungskurve gehandelt wird. Dadurch weiß man auch nie so genau, in welche Richtung die Geschichte tendieren wird. Alexandra Dahlström sowie Rebecka Liljeberg haben zurecht alles Lob verdient, wie die beiden ihre Rollen verkörpern, ohne in bekannte Muster zu verfallen. Ihre Intimität und auch Spontanität erscheint zu keiner Zeit aufgesetzt, sondern macht die Liebesgeschichte zu einem unvergesslichen Erlebnis, bei dem man fast schon überrascht ist, wie schnell ein Film vorbei sein kann. Ein wunderschönes Drama über Toleranz, Freiheit und die unverhersehbaren Tücken der Pubertät, das sich mit Leichtigkeit vom Großteil der vergleichbar belanglosen Teenieschmonzetten absetzen kann, welche die gleichen Baustellen abzudecken versuchen.

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                            • 7

                              Vorweg sei gesagt: Kollege horro und ich haben einen Deal abgemacht, dass jeder einen Film aus einem nicht gerade bevorzugten Filmsparte ansehen muss. Bei ihm wäre es einer seiner vielen ungesehenen Western, bei mir ein Anime. Hier folgt mein Teil der Abmachung:

                              Nun ist es aber auch nicht so, dass ich diesem Subgenre total abgeneigt wäre. Einige Vertreter aus diesem Bereich konnte ich schon sehen und waren mindestens gut bis ausgezeichnet. Allerdings bleibt der japanische Zeichenstil jedes Mal aufs Neue gewöhnungsbedürftig und verlangt etwas Überwindung, um mich dieser Art eines Films 1-2 Stunden zu widmen. So auch bei Hayao Miyazakis "Das Schloss im Himmel", der damit das populäre Studio Ghibli Mitte der 80er mit einweihen sollte. Die Geschichte erscheint archetypisch für den Regisseur: Mutige Kinder erleben ein unvergessliches Abenteuer, das mit vielen Gefahren verbunden ist, dabei ihre Ängste überwinden lässt und die Erlebnisse fast schon persönlichkeitsbildend wirken. Wenn man sich darauf einlässt, entfaltet sich die abermals facettenreiche Fantasie eines Miyazaki in seinem Medium, die man ansonsten in einem Realfilm nur mit großem Einsatz von Spezialeffekten umsetzen könnte. Auch sind es wiederkehrende Motive wie Freundschaft, Kampf gegen Machtmissbrauch und Ungerechtigkeit sowie die Naturverbundenheit inklusive einer Ökobotschaft, die seine Animes auszeichnen. Dies alles entfaltet sich in "Das Schloss im Himmel" nach einer kleinen Anlaufphase und präsentiert daraufhin ein sehenswertes Intermezzo in luftiger Höhe. Die Geschichte über das verborgene Laputa ist generell einfach aufgebaut, bietet aber dennoch eine Plattform für ein Abenteuer, bei dem die unterschiedlichsten Interessensgruppen aufeinanderprallen. Insbesondere weiß Miyazaki, wie man die Spannungskurve (und parallel den Grad des Spektakels) anzuziehen hat bis zum großen Finale. Die vergleichbare emotionale Dichte, wie sie andere Ghibli-Filme aufweisen, erreicht dieser zwar leider nicht, doch insgesamt war es ein gelungenes Mitfiebern bei Sheeta und Co. Das macht aus mir immer noch keinen Anime-Fan, der Respekt an dieser Kunst steigt jedoch mit jedem weiteren Film durchaus.

                              Western-Beitrag von horro zu "Zwei glorreiche Halunken":
                              http://www.moviepilot.de/movies/zwei-glorreiche-halunken/comments/431317

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                              • Tanti auguri a te! Buon compleanno Franco Nero!
                                @Mattes: Die Django-Blu-ray musst du wohl exklusiv haben. Von so einer Veröffentlichung habe ich noch nirgendwo etwas gelesen. Aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren.

                                • 5

                                  Wem das Konzept von "Stichtag" bekannt vorkommt, braucht nicht lange nach dem Grund zu suchen: John Hughes' "Ein Ticket für Zwei". Gleiches konnte man auch schon in der deutsche Variante "Zwei Weihnachtsmänner" begutachten. Andererseits gibt es oft vergleichbare Plotideen in Komödien - entscheidend ist, inwiefern man diese mit Leben füllt. Regisseur Todd Phillips macht es sich dabei ganz einfach und präsentiert neben Robert Downey Jr. erneut seinen heimlichen Star aus dem erfolgreichen "Hangover". Zach Galifianakis mag zwar in einem bestimmten Rollenmuster ganz lustig sein, allerdings zeigt sich u.a. in diesem Film doch, dass seine Wandlungsfähigkeit als Schauspieler doch begrenzt zu seien scheint. Da ist es schon fast Metakritik, wenn der Downey-Charakter seiner unfreiwilligen Reisebegleitung während der Fahrt die Fähigkeit abspricht, sich in Hollywood wirklich durchsetzen zu können. Das endgültige Resultat dieser Geschichte erahnt man nach Phillips-Manier schon früh. Doch auch schon davor läuft "Stichtag" etwas aus dem Ruder, was den Bereich Comedy angeht. Zwar gibt es in der ersten Hälfte einige Lacher zu verzeichnen, doch im späteren Verlauf werden die komödiantischen Wendungen immer aufgesetzter eingeleitet (bspw. die Fahrt an die mexikanische Grenze) und zudem eine 'moralische Seichtigkeit' dem Ganzen aufgelegt (dafür stimmt die Chemie zwischen den beiden zu wenig), sodass man nicht gerade unglücklich darüber ist, wenn sie ihre Ziele erreichen. Ganz nett sind die Fast-Cameo-Auftritte von Juliette Lewis oder Jamie Foxx. Michelle Monaghans Mitwirken hingegen fällt wohl unter die Kategorie Geldverdienen. Das macht summa summarum die erwartbare Durchschnittskomödie aus dem Hause Todd Phillips. Sofern jemand nicht glühender Anhänger von einem der Schauspieler ist, muss man "Stichtag" wirklich nicht gesehen haben.

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                                  • 7

                                    Auch der zweite Einsatz des neuen Ermittlerduos aus Frankfurt weiß gehörig zu unterhalten. Obwohl mich der Fall an sich in deren Debütfolge "Eine bessere Welt" noch etwas mehr zugesagt hat, bieten Steier und Mey erneut eine äußerst ansprechende Plattform, um sich als Zuschauer an dieser für Tatort-Verhältnisse unkonventionellen Arbeitsweise zu reiben und zu erfreuen. Dabei geht das sicherlich weniger in Richtung klassischer Krimi-Comedy wie beispielsweise beim Team aus Münster, sondern eher in eine leicht tragikomische und damit umso liebenswertere Richtung. Besonders Nina Kunzendorf ist ein wahrer Glücksfall und belebt jede noch so kleine Szene, nicht nur durch ihre extravagante Modelinie. Die privaten Geschichtchen, welche eigentlich oftmals einen Makel der Reihe darstellen, kompensieren die im Verlauf abflachende Spannungskurve, die der Mordfall in einer gut inszenierten Zugszene noch zu Beginn ausgelöst hatte. Mit Inka Friedrich und Benno Fürmann sind sogar zwei prominentere Namen unter den Nebendarstellern zu finden, wobei besonders Fürmann leider nicht ganz die Präsenz bekommen hat, die man sich im Trailer noch erhofft hat. Immerhin ist das Ende nicht uninteressant gelöst. Der Krimiplot ist insgesamt ganz ansehbar und kurzweilig, wenn auch nicht herausragend. Das Pärchen Steier und Mey allerdings katapultiert sich so langsam an die Spitze der sehenswertesten Tatort-Kollegen. Bitte mehr von den beiden!

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                                    • 6

                                      Wer zur Novemberzeit ein passendes Feel-Bad-Movie für sich sucht, ist bei Aaron Schneiders Debütfilm nicht an der schlechtesten Adresse angelangt. "Am Ende des Weges" bietet dabei zahlreiche stille Szenen; eine für Hollywoodverhältnisse schon sehr bemerkenswerte Gangart. Felix Bush - die tragische Hauptfigur mit anscheinend realem Hintergrund, um die sich der Film dreht - wird durch Robert Duvall sehr authentisch porträtiert, der auf seine alten Tage nochmal beweist, dass er noch Hauptrollen stemmen kann. Dieser Charakter ist ziemlich schwer zu durchschauen, die Ambivalenz aus Verbitterung, Angst und Gerechtigkeitsgefühl lassen nur relativ wenige Momente der Anteilnahme zu. Auf der anderen Seite bekommen wir die beiden Bestatterkollegen zu Gesicht, wobei Lucas Black mehr zeigen kann als der ungleich prominentere Bill Murray. Aber auch ihre Schicksale erfüllen am Ende nur Nebenschauplätze, wenn am Ende die gewollt festliche Bestattung von statten geht. Diese letzten Minuten sind eindeutig die emotionalsten des ganzen Films und belohnen auf gewisse Weise das Verharren in der ersten Hälfte, die man leider nicht von Längen freisprechen kann. "Am Ende des Weges" bleibt daher als etwas schwieriger Film in Erinnerung, der vielleicht etwas zu sehr von seiner gewollten Melancholie und Tristesse durchsetzt ist, die schwer zu deutenden "Taten" dieses Herrn Bush in ihrer ganzen Konsequenz aber dennoch nachdenklich stimmen.

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                                      • 6 .5

                                        Es ist ganz bestimmt nicht hinderlich, den Schauspieler Charles Bronson zu mögen, um am Film "Kalter Schweiß" seinen Spaß haben zu können. Wie so oft in seiner Karriere spielt er hier den guten Kerl, der allerdings ebenso gehörig austeilen kann wie seine Widersacher. Diesmal aber nicht aufgrund von Rachegelüsten, sondern der puren Selbstverteidigung wegen. James-Bond-Regisseur Terence Young weiß aber auch, wie er seinen Star gut in Szene setzen kann. Zeit für große Einführungsszenen wird nicht verschwendet, denn ziemlich schnell geht es in diesem Fall zur Sache beim Duell zwischen Bronson mit Frau und Kind auf der einen und seinen früheren Kumpanen auf der anderen Seite. Der Aufhänger einer vermeintlich kriminellen Vergangenheit und deren Abrechnung in der Gegenwart ist nicht unbedingt die originellste Idee für einen Filmeinstieg, doch schafft es Young daraus einen veritablen Actionthriller mit französischem Flair der 60er/70er Jahre zu kreieren. Behilflich sind auch die anderen durchaus namhaften Schauspieler wie die Ingmar-Bergman-erfahrene Liv Ullmann, James Mason oder Bronsons Ehefrau Jill Ireland, die ja später des öfteren gemeinsam in Filmen zu sehen waren. Im Gedächtnis bleibt natürlich die ausführliche Autoverfolgungsjagd in der zweiten Hälfte des Films mit einer Kiste namens Opel Commodore, die zwar etwas die Fahrt aus der eigentlichen Geschichte herausnimmt, jedoch immerhin ganz nett anzuschauen ist. "Kalter Schweiß" macht es sich vielleicht am Ende etwas zu einfach, als kurzweilige Genre-Ware für zwischendurch taugt es insgesamt aber allemal.

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                                        • 8

                                          Wie wunderbar Filme aussehen können, wenn man geschickt die gewohnten Regeln eines Genres verlässt, zeigt fast mustergültig Duccio Tessaris "Der Mann ohne Gedächtnis" aus Bella Italia. Dieser lässt sich zwar ohne weiteres in den Bereich des Giallo verordnen, weist aber auch unvergleichliche Eigenschaften auf, welche das Werk in letzter Konsequenz einzigartig machen. Gerade die erweiterte Anfangsphase mag noch daran erinnern, wenn die Hauptdarstellerin Sara des Nachts plötzlich wegen eines Einbrechers aus ihrem Schlaf aufschreckt. Doch ist es eben nicht der übliche Serienmörder, der es nur auf schöne Frauen abgesehen hat. Fast nichts ist dem Selbstzweck geschuldet. In diesem Fall ist es eine relativ bodenständige Geschichte, die weiteresgehend von psychedelischen Momenten Abstand nimmt und die Spannung hauptsächlich aus der Brisanz des angekommenden Ehemanns zieht, der wie der Titel verrät ohne Erinnerungsvermögen an sein früheres Leben auskommen muss. Der Plot bietet äußerst interessante Wendungen, die passend zur Dramaturgie im Finale schließlich kulminieren.

                                          Daneben zeigt auch alleine die Besetzung die außergewöhnliche Art und Weise, wie man als Genreinteressent dem Film begegnet: Die Österreicherin Senta Berger verhält sich ganz anders als vergleichbare Damen in vielen Gialli und beweist mit Charme und Eleganz ihr Schauspieltalent, ganz ab davon, genregemäß als freizügiges Sexsymbol aufzutreten. Daneben kommt dem Franzosen Luc Merenda als Schlüsselfigur eine große Bedeutung zu. Jederzeit bleibt er mit seiner Amnesie undurchsichtig für den Zuschauer, aber gleichzeitig ist man auch auf seiner Seite, wenn sich sein Widersacher auf ihn wirft. Der größte Verdienst des Films ist allerdings die umwerfende Symbiose zwischen den zwar kurzen, aber brutalen Gewalt- und Spannungsmomenten und dem wunderschönen, familiären Ambiente, sei es der alltägliche Besuch des kecken Nachbarsjungen oder die Spaziergänge an einem traumhaften Drehort wie Portofino in Ligurien. Am Schluss, der einen wahrhaft umzuhauen vermag, weiß man trotz allem bei "Der Mann ohne Gedächtnis", dass man einem Genrefilm in bester Thrillermanier beigewohnt hat. Aus meiner Sicht vielleicht sogar einem der eindrucksvollsten (und vielleicht auch liebenswertesten), die der Giallo überhaupt zu bieten hat. Das Œuvre des Duccio Tessari jedenfalls erscheint bei jeder weiteren Filmentdeckung noch lohnenswerter, ein aus heutiger Sicht wahrhaft unterschätzter Regisseur.

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                                          • 7 .5

                                            Obwohl es der Titel vermuten lässt, handelt es sich bei "Ringo kommt zurück" überraschenderweise nicht um eine inhaltliche Fortsetzung des gelungenen "Eine Pistole für Ringo". Die Besetzung vor und hinter der Kamera ist zwar fast identisch (einzige nennenswerte Ausnahme ist Fernando Di Leo als Drehbuchschreiber), aber generell behandeln beide Filme sehr unterschiedliche Themen. Warum auch nicht, erwies sich besonders die Schauspielerriege als sehr western-tauglich. Gemma spielt eine neue Form des Ringo-Typus, diesmal nicht als gut gelaunter Draufgänger, sondern als nachdenklicher Ex-Soldat, der eine große Persönlichkeitsentwicklung im Laufe des Films vollziehen sollte. Sancho ist wieder der Antagonist, aber etwas zurückgenommener in seinem Verhalten. Zudem wechselt George Martin die Seiten und gibt den ebenso böswilligen Bruder von Sancho. Die beiden Frauenrollen sind da noch am ähnlichsten zu Teil 1 und auch für die humorvollen Szenen ist erneut der kleine Manuel Muñiz zuständig. Zu guter Letzt gibt es auch ein Wiedersehen mit Antonio Casas, diesmal als resignierter Sheriff anstatt in der starken Rolle des gutmütigen Hausherrn.

                                            Der Plot dieses Italowesterns ist gemäß Duccio Tessaris Anliegen einer griechischen Tragödie (Homers Odyssee) nachempfunden, womit klar sein dürfte, dass die Grundstimmung vergleichsweise melancholischer und nachdenklicher ausfällt. Im Zentrum steht eine dramatische Liebesgeschichte mit der Folge, dass der genretypische Actionanteil besonders in der ersten Hälfte zurückgedrängt wird. Die Anfangsszene mit einem weißhaarigem Gemma mag zwar auf den ersten Blick irritieren, da er kurz darauf in Undercover-Manier und dunkler Frisur (als Assistent eines Blumenverkäufers) die von den beiden Brüdern beherrschte Kleinstadt heimsucht. Dessen Sinn erschließt sich aber erst im Nachhinein so richtig. Anders als in "Eine Pistole für Ringo" bekommt man es weniger mit vermeintlichen Vergleichen zu amerikanischen Western zu tun. Die Umsetzung hat gleich von Beginn an einen sehr eindrucksvollen Stil, was zur Mitte des Films sowohl erzählerisch als auch inszenatorisch seinen Höhepunkt finden sollte, wenn die Ringo-Figur langsam von einer verlorenen Seele, die wie bei Gemma üblich wieder einiges einzustecken hat, schließlich zum zielstrebigen Rächer mutiert. Dennoch bleibt es weitesgehend glaubwürdig, wie er seinen weiteren Plan definiert. Neben der guten Kameraführung von Francisco Marín macht erneut Ennio Morricone von sich reden, der den von Maurizio Graf gesungenen Titelsong mit sehr schönen Adaptionen erweitert und die Stimmung des Films damit unterstützt. Schade ist dennoch, dass Tessari in der letzten Viertelstunde es etwas zu bunt treiben lässt, was dann in einer zu theatralischen Schlusssequenz endet. Die Rachestory findet vielleicht ihr erwartbares Ende, hat jedoch nicht die vergleichbare Wirkung wie beispielsweise die Konfrontation in der Kirche.

                                            Ein endgültiges Urteil, ob nun der erste oder zweite Ringo-Film die Nase vorn hat, fällt da schwer. Während der erste die vielleicht rundere Geschichte zu bieten hat, bietet der zweite die vermeintlich interessanteren Ideen und eine noch verfeinerte Arbeit in Sachen Bild und Ton. Aber gerade die atmosphärischen Unterschiede untermauern die Alleinstellungsmerkmale der beiden Werke. Alleine durch die Feststellung, dass zum Entstehungsjahr 1965 neben Sergio Leones Dollar-Filmen noch ziemlich wenig davon produziert wurde, was man heutzutage als absolute Genrehighlights bezeichnen würde, sollte Tessaris Western-Doppelpack neugierig machen. Für Italo-Fans ist dieser sowieso ein Muss.

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                                            • 6

                                              Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich vor einigen Jahren den wahrlich nicht uninteressanten Trailer zu Gil Kenans "City of Ember" gesehen habe. Gehört dieser vielleicht zu den recht wenigen richtig guten Fantasyfilme der letzten Jahre? Lange musste man darauf warten, verschwand er doch lange aus meinem Blickfeld, was sich in der klammheimlichen Heimkinoveröffentlichung in Deutschland letztendlich manifestiert hat. Finanziell gesehen ist der Film über eine geheimnisvolle unterirdische Zivilisation als Flop zu verzeichnen, künstlerisch jedoch nicht unbedingt. Denn die reine Umsetzung ist im wahrsten Sinne des Wortes fantasievoll geraten, die kleine Stadt mit seinen unzähligen Lichtern hat einen eigenen Charme und viele gelungene Steampunk-Elemente vorzuzeigen. Auch passen die Figuren sehr gut in das Geschehen hinein, die neben den Hauptcharakteren durch sehr prominente Namen wie Bill Murray, Tim Robbins oder Martin Landau repräsentiert werden. Diese sind aber wirklich als Nebendarsteller zu verstehen, hier und da hätte man sich sogar etwas mehr Screentime von denen erwünscht. Die beiden Protagonisten selbst sind mit Saoirse Ronan sowie Harry Treadaway ziemlich jung besetzt und spiegeln auch ein bisschen das Zielpublikum wider, immerhin handelt es sich in diesem Fall um eine Jugendbuchadaption. Der Plot verfolgt eine ziemlich geradlinige Abenteuergeschichte, der es anders als den Bauten aber etwas an Finesse mangelt. Hinzu kommt der durchaus nachdenkenswerte Hintergrund des Ganzen, was zwar für sich eine gelungene Idee für den Film bildet, allerdings desse inhaltliche Tragweite nur angerissen wird. Die Message wird nur butterweich vermittelt, etwas mehr Mut für mehr Ecken und Kanten wären hier ganz zuträglich gewesen. Für Fans des Genres bietet "City of Ember" sicherlich seine unterhaltsamen Momente, für einen ganz großen Klassiker der Fantasywelt ist er leider in der Umsetzung ein wenig zu brav und erzählerisch zu gewöhnlich. Der große Leinwandauftritt hierzulande wäre damals trotzdem nicht unverdient gewesen.

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                                              • 4 .5

                                                Der Fortsetzungswahn von Horrorfilmen, die gewissermaßen eine neue Richtung einschlagen, sind eher die Regel als die Ausnahme. Meistens wird die Mechanik des Horrors recycelt, anstatt den vermeintlichen Tiefgang des Originals weiterzuführen. Beispiele gibt es davon viele und nun gesellt sich anscheinend auch "Paranormal Activity" hinzu. Ob nun der Erstling wirklich so innovativ war wie kolportiert, sei mal dahingestellt. Jedenfalls ist es offenkundig, wie einfach und kostengünstig dieses Franchise über viele Jahre ausgeschröpft werden könnte. Und wenn man die richtigen Lehren von Teil 1 gezogen hätte, könnte man vielleicht sogar etwas hoffnungsvoller in die Zukunft blicken. Jedoch ist "Paranormal Activity 2" eher als vertane Chance einzuordnen, denn mit Kenntnis dieses Prinzips hätte man genug Spielraum gehabt, um mal richtig in die Vollen zu gehen. Doch weit gefehlt, hier sind die Charaktere noch uninteressanter, die Wartezeit auf den Thrill gefühlt noch ausgedehnter und der Hintergedanke noch öder als vermutet. Der Größer-Weiter-Schneller-Ansatz findet sich nur in der gewachsenen Anzahl an installierten Kameras wieder, ansonsten steht und fällt der Film damit, wie sehr man sich auf diese eigentlich simple Gruselidee einlässt. Die Spannung generiert sich allerdings nicht so einfach, wie sich die Macher das vorstellen. Wenn sich das Böse immer erst mit einem Brummen ankündigt, ist das nur vereinzelt wirkungsvoll. Die stärkste Phase hat der Film, der besonders am Ende enttäuscht, in seiner kurzen Handkameraphase im Keller, was weniger für die starren Kameraperspektiven als für den bewährten Ansatz des Genrevorreiters "Blair Witch Project" spricht. Zugegeben, wenige Male wird man sich erschrecken. Allerdings hängt es auch sehr davon ab, wie laut man seinen Ton am Fernseher oder Anlage eingestellt hat. Doch diese Szenen alleine machen noch keinen guten Horrorfilm aus. Chance vertan, vielleicht ja dann in Teil 3, oder 4, oder 5...

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                                                • 7 .5
                                                  filmschauer 06.11.2011, 23:42 Geändert 08.04.2016, 00:03

                                                  Wer hätte das gedacht? Noch vor knapp einem Jahr bewegte sich Borowski grimmig durch den ersten Tatort-Fall ("Borowski und der vierte Mann") nach einer Idee von Henning Mankell, der noch eher schlecht als recht funktionierte. Nun sollte es das zweite Aufeinandertreffen zwischen der deutschen Krimireihe und dem schwedischen Romanschreiber geben. Dies alleine muss vielleicht noch nicht vorab für Jubelstürme und erhöhte Erwartungen sorgen. Doch wenn man dazu noch den Namen Christian Alvart auf dem Regieposten findet, der nachweislich ein Händchen für stimmungsvolle und ideenreich Plots hat (mit Abstrichen "Pandorum", aber besonders "Antikörper"), dann ist etwas Vorfreude doch angebracht.

                                                  "Borowski und der coole Hund" beschreibt nordisch kühl und gewissermaßen zweideutig die grobe Ausgangslage: Diesmal ist passend auch die schwedische Form der Strafverfolgung am Start. Enberg heißt der gute Mann, der für Borowski nach der kürzlichen Einführung der kecken Sarah Brandt mit der Reise nach Kiel schon zum zweiten Mal einen Kulturschock bereitet sollte, obwohl er eigentlich ein alter Weggefährte ist. Eine illustre und erfrischende Figur, der insbesondere die erste Hälfte des Films bestimmen sollte. Alles weitere sei an dieser Stelle nicht verraten. Der Grund für das Wiedersehen ist logischerweise ein schwieriger Kriminalfall. Tollwütige Hunde in Schweden und illustre Bambusfallen in Deutschland sind die im ersten Augenblick unabhängigen Themen, was allerdings zu einem sehr gelungenen Geflecht ausgeweitet wird. Durchgehend spannend und zuerst schwer durchschaubar wird das Ganze dabei präsentiert. Der Fall spitzt sich im zweiten Drittel sehr zu, bisher man zu einem minimal überhasteten "Auflösung" kommt, das man so nicht erwartet hat. Jedoch ist das Finale selbst nicht ganz so berauschend umgesetzt als das, was man davon erhoffen konnte. Dieses Manko mal außer Acht gelassen sollte man erwähnen, wie ordentlich die Regie von Alvart mit den gut eingefangenen Bildern und das für Tatort-Verhältnisse gehobene Tempo ist. Man merkt schnell, das hier einer am Werk ist, der auch schon Kino gemacht hat, da man erkennbar von der gewöhnlichen deutschen TV-Ästhetik Abstand genommen hat.

                                                  Das Zusammenspiel von Borowski und Brandt harmoniert mittlerweile so sehr, dass sie allein aufgrund ihres Unterhaltungspotentials zu der vordersten Riege der Ermittlerduos zählen. Die verhassten Nebenschauplätze werden aber angenehmerweise weitesgehend minimiert; falls es sich um so etwas wie Borowskis Zahnprobleme handelt, dann sind sie (Achtung Wortspiel) zu verschmerzen. Wenn dann auch noch ein guter Fall hinzukommt, gehören die Kieler Ausgaben zu denen, mit welchen man aktuell am meisten Werbung für die Tatort-Reihe machen kann.

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                                                  • 7

                                                    Die Anfangszeit des Italowestern gab unter zahlreichen Versuchen nicht immer sehr viel her. Oftmals sind es langweilige Nachahmerfilme des US-amerikanischen Filmstandards gewesen, die keinerlei eigene Identität besitzen. Eben ein großes Versuchsfeld, bevor schließlich ab Mitte der 60er großartige Genrewerke prägender Regisseure entstehen sollten. Ein gelungener Vorläufer dieser Zeit, der durchaus noch den uramerikanischen Westernstatus atmet, jedoch gleichzeitig bekannte und geschätzte Italowestern-Elemente aufgreift, ist "Eine Pistole für Ringo". Regisseur Duccio Tessari sollte hier genauso Neuland betreten wie sein Star des Films Giuliano Gemma.

                                                    Gerade zweiterer würde in den folgenden Jahren zu einen der Zugpferde des Subgenres avancieren. Sein Schauspiel mit der charmanten Mischung aus Unbedarftheit und scheinbarer Naivität, aber auch Cleverness und Esprit ist eines der wichtigsten Argumente für den ersten Ringo-Film. Ihm gegenüber steht mit George Martin als Sheriff zuerst einer, der wie ein wirklicher Amerikaner aussieht, obwohl er in Wahrheit Spanier ist. Gerade die Anfangsszenen heben sich vom Hauptteil ab und sind dadurch vielleicht sogar die Schwächsten des Films. Diese bieten gleich Schussduelle ohne Ende, bevor schließlich das Anwesen von Major Clyde im Mittelpunkt stehen sollte und fast kammerspielartige Atmosphäre verleiht. Hier löst der große Antagonist (Fernando) Sancho den genannten Martin als "Gegner" von Gemma ab, der wie schon in so vielen Italowestern die symbolträchtige Rolle des raubenden Mexikaner annimmt. Eine groteske Situation nach der anderen folgt mit der Besetzung des Hauses, die aber auch sehr reizvoll von den unterschiedlichen Figuren getragen werden. Denkwürdig ist der älterliche Clyde (Antonio Casas) als unfreiwilliger Gastgeber selbst, der trotz Notsituation immer seine Contenance wahrt und damit einen herrlichen Kontrast zu den Banditen bietet. Aber auch die Frauenrollen wie die von Nieves Navarro und Lorella De Luca gehören zu den Besseren des italienischen Westerns.

                                                    Die Prämisse von "Eine Pistole für Ringo" bietet damit die passende Plattform für das Zusammenspiel von sowohl leichtem Witz und knalliger Action als auch unterschwelliger Spannung und ernster Brutalität. Als wenn das noch nicht alles wäre, präsentiert Ennio Morricone den passenden Klangteppich, um unterhaltsame eineinhalb Stunden zu verleben. Da ist es wie bei einigen guten italienischen Regisseuren schon schade, dass Tessari nur so wenige Western gedreht hat.

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